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Full text of "Jahrbücher für classische Philologie. Supplementband"

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2774 


JAHRBÜCHER 


für 


elassische Philologi 


Herausgegeben 


von 


Alfred Fleckeisen. 


d 


SIEBENTER SUPPLEMENTBAND. 


E ee EEE ern Ge er ran ee En er 1 


Leipzig, 1873-1875. 


Druck und Verlag von Β. α. Teubner. 








Inhaltsverzeichnis. 


mom n anne 


. Vindiciae Gellianae alterae. Von Martin Hertz . 


. Die Ueberlieferung der dritten Philippischen Rede des 
Demosthenes. Untersucht von Johannes Draeseke . . . 
. Die altattische Komenverfassung. Von Gustav Gilbert 


. Eine Sallust- Handschrift aus der Rostocker Universitüts- 


Bibliothek. Von Octavius Clason 

. Studien zu Euripides mit einem Aubang ı zu "Aeschylas, 
Sophokles und den Bruchstücken der re ee: 
Von Nicolaus Wecklen . . . 

. Die botanischen Schriften des Theophrast ı von | KPeson: Vor- 
arbeiten zu einer Untersuchung über Anlage, Glaubwürdig- 
keit und Quellen derselben. Von Oskar Kirchner . ; 
. De imperatoris Augusti die natali fastisque ab dictatore 
Caesare emendatis commentatio chronologica. Accedunt 
tabulae parallelae annorum Romanorum et Iulianorum 63 
ad 46 a Chr. Scripsit A. W. Zumptius. . . 

. De codicum Platonicorum auctoritate. Scripsit Albrecht 
Jordan . odi 

. Der zweite sthenische Bund und die auf der Astonoinie 
beruhende hellenische Politik von der Schlacht bei Knidos 
bis zum Frieden des Eubulos. Mit einer Einleitung: Zur 
Bedeutung der Autonomie in hellenischen Bundesver- 
fassungen. Von Georg Busolt. 


Seite 
1— 91 


97 —189 


191—246 


247—304 


305—448 


449—539 


541—606 


607—640 


641— 866 





VINDICIAE GELLIANAE ALTERAR 


EIN BRIEF AN J. N. MADVIG IN KOPENHAG: 


VON 


M. HERTZ. 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. VII. Hft. 1. \ 





C 


Hochgeehrter Herr! 


Am 26ten Juli d. J. empfing ich vom Buchhändler den sehi 
erwarteten zweiten Band Ihrer Adversaria critica. Dass ich 
das Capitel über Gellius aufschlug, aufschnitt, mit hóchster Spa 
durchflog, werden Sie natürlich finden. Nicht minder natürlic] 
wird es Ihnen erscheinen, nachdem Sie von den nachfolgenden 
Kenntniss genommen haben werden, dass ich es für nothwendi, 
darauf zu antworten. Der Entschluss dazu war bei mir Schne 
fasst; ebenso schnell wurde die Ausführung begonnen, zunäcl 
Drange amtlicher Obliegenheiten, wie sie der Semesterschluss be 
unter Unterbrechungen und Störungen fortgesetzt, dann im Bi 
der Ferien mit voller Musse und fast in einem Zuge zu Ende ge 
Diese Antwort richte ich an Sie selbst, namentlich um Sie der 
minderten Fortdauer der hohen Verehrung zu versichern, die 
schon bei meinem ersten Heraustreten an die Oeffentlichkeit vc 
bereits mehr als drei Decennien Sie als Daniae decus bezeichnet 
Wenn ich auf einem Ihnen fremder gebliebenen Gebiete der Litt 
jetzt vieles von Ihnen oft mit harten und hohen Worten get 
als richtig, viele Ihrer Behauptungen als falsch mit, wie ich 
auch für Sie überzeugenden Beweisen habe bezeichnen müsse 
werden Ton und Haltung meiner Entgegnung, wenn Sie sie m 
Schürfe der von Ihnen ausgesprochenen Urtheile vergleichen, 
das y ehencste Zeugniss für die Wahrheit dieser Versicheru: 
legen. 

Mit Ausnahme weniger Seiten am Schlusse (8. 613— 61€ 
sich auf Fronto beziehen, haben Sie fast das ganze erste Capit 


!) Schleiermacher, indem er eines “jungen Menschen’ (Ad. M 
Polemik gegen Fichte (in einem Aufsatze gegen dessen Handel 
tadelt, schreibt in einem Briefe an einen Freund (Aus Schl.s 
I 396): “Gründe brauchen keine Autorität zu scheuen; aber die Au 
muss misstrauisch machen gegen die Gründe, wenigstens in so wei 
aus dem Tone hervorgeht, der, welcher sie vortrügt, sehe doch dit 
lichkeit ein, dass sich noch manches dagegen sagen liesse'. Ich bi 
‘junger Mensch’ und ich greife nicht an, sondern ich vertheidige 
und auch zu jenem “Einsehen’ habe ich es — hoffentlich nicht au 
stocktheit — nur sehr theilweis bringen können; aber nicht nur t 
Stellen der letzteren Kategorie bin ich bestrebt gewesen der For 
des grossen Lebenskünstlers Ihnen gegenüber so weit zu genügen, 
móglch war. 


1^ 





4 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


neunten Buches der Adversaria (8. 583—613) der Aufhellung der 
attischen Nächte gewidmet. Den dritten Genossen dieser litterari- 
schen Richtung, der trotz seiner sehr eigenartigen Individualität doch 
sich mit jenen beiden zu einer fest bestimmten Gruppe zusammen- 
schliesst, haben Sie gar nicht berührt, und so glänzend die dem Pseudo- 
Apulejus zugewandte Leistung gleich an der Schwelle Ihrer wissen- 
schaftlichen Laufbahn erscheint, mit dem Madaurenser scheinen Sie 
sich niemals näher bekannt gemacht zu haben: denn auch in Ihren 
anderen Hauptwerken, den Opuscula academica, dem Commentar zu 
Ciceros Schrift de finibus und den Emendationes Livianae, haben Sie 
ebensowenig eine Stelle desselben eingehend besprochen als in den 
Adversaria. Sie wollen mir die Bemerkung gestatten, dass Ihrem 
Scharfblicke bei einer näheren Beschäftigung mit Apulejus, der bei 
weitem anziehender ist als Fronto, bei weitem origineller als Gellius, 
bei weitem vielseitiger und farbenschillernder als beide, sich auch für G. 
manche Gesichtspunkte würden ergeben haben, die Sie von vorn herein 
hütten erkennen lassen, dass der Standpunkt der Beurtheilung, den Sie 
ihm gegenüber einnehmen, von Einseitigkeit nicht frei ist. Doch zur 
Sache. 

Sie beginnen mit der gerechten Klage, dass die handschriftliche 
Ueberlieferung für G. nur unvollstündig und mangelhaft bekannt sei. 
Als Beispiel dafür führen Sie eine Stelle aus einem Briefe des Atejus 
Capito über seinen Nebenbuhler Antistius Labeo (XIII 12, 2) an. 
Hier bietet Jac. Gronov ohne Variante: sed agitabat hominem libertas 
quaedam nimia atque vecors; usque eo ut, Divo Augusto?) iam 
principe et rempublicam obtinente, ratum tamen pensumque nihil 
haberet, nisi quod iustum sanctumque esse in Romanis antiquitatibus 
legisset; ich dagegen gebe, als Conjectur bezeichnet: vecors, tam- 
quam eorum, divo Augusto u. s. w., worin tamquam nach Ihrer 
Meinung 'aptum non est', eorum — Sie spielen gleich einen starken 
Trumpf aus — 'prorsus pravissimum'. Wie Sie im allgemeinen 
von meinen Conjecturen mit Recht bemerken, so gründet sich auch 
diese auf den müglichsten Anschluss an die beste Ueberlieferung. 
Der von Gr. stillschweigend beibehaltenen Lesart der anderen Hand- 
schriften stehen an dieser Stelle der Regius (R) und der Vossianus 
maior (L) gegenüber, die die beste Textesquelle für die zweite Hälfte 
der Bücher vom neunten an darstellen. Diese schreiben uecor st que 
(q R) eos d. h. einfach gelesen vecor sunt que (oder quae) eorum, 
nach richtiger Worttrennung aber sogleich sicher auf die von mir 
in den Text aufgenommene Lesart hinführend. Darin ist zunächst 
eorum, das Sie “prorsus pravissimum" nennen, ganz an seiner Stelle. 
os geht in $ 1 ein Auszug aus der vorhergehenden Stelle des Briefs 
in indirecter Rede voran: In quadam epistula Atei Capitonis scriptum 
legimus, Labeonem Antistium legum atque morum populi Romani iuris- 


2, Sie selbst führen nur die gesperrt gedruckten Worte an. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


que civilis doctum adprime fuisse, und darauf folgen, durch ein « 
schobenes inquit vermittelt, die vorher erwühnten: Worte: ‘al 
wurde von einer allzu grossen und verblendeten Freiheitslieb 
trieben, gleich als ob er trotz der eingetretenen Veränderung 
Staatsform durch die bereits erfolgte Thronbesteigung des Aug 
von alle dem, d. ἢ. den leges, den mores und dem ius civile 
$ 1, doch nur das für rechtsbeständig hielte?), was ihm als : 
misches Institut aus seinen Forschungen bekannt war’. Das 
quam aber scheint mir ganz fein von Atejus gewählt, der se 
Gegner eine solche Rechtsansicht nicht gerade unterschieben mx 
aber doch andeuten wollte, dass sein Freiheitsdrang so ungezüge 
wesen sei, dass er ihm den Anschein einer den thatsüchlichen Vei 
nissen völlig widersprechenden Anschauung verliehen habe; — 
daran aber gar ‘aptum non est’, gestehe ich nicht einzusehen. A: 
wird auch Bentley die Stelle nicht verstanden haben, der aus E 
weitere Áuseinandersetzung dies tamquam hergestellt hat in s 
Anm. zu Hor. 5.1 3, 82. Allerdings also sind Sie, hochverehrter 
in Ihrem Rechte, wenn Sie sich über mangelhafte Kunde der U 
lieferung beklagen, obwohl gerade hier Bentleys Anmerkung 
wenn auch nicht ganz vollständig genaue Auskunft über die L 
von R gegeben hätte; Ihr “aptum non est” und gar Ihr ‘pr 
pravissimum' werden Sie bei Ihrer geraden, nur auf Feststellun, 
Wahrheit gerichteten Sinnesart, von der Sie auf S. 652 eine seh 
erkennenswerthe Probe geben, wohl selbst zurücknehmen.*) 
Wenn Sie dann mich tadeln, dass ich meiner gerechten 
wunderung J. F. Gronovs nicht den entsprechenden Ausdruck 'adl 
libero et prudenti delectu! gegeben habe, so werden Sie bei gei 
Vergleichung von vorn herein nicht leugnen kónnen, dass ich v: 
sei es handschriftlichen, sei es auf Gr.s Vermuthung beruhenden 
arten zu ihrem Rechte im Texte verholfen habe, die sich bei j 
noch in den Anmerkungen verstecken. Dann aber führen Sie s 
an, dass ich in der Vorrede zu meiner Ausgabe, und zwar gi 
in Bezug auf die absichtlich sparsame Aufnahme auch solcher 
muthungen, die mir an sich der Billigung werth erschienen, 
drücklich bemerkt habe, dass “id in hac ed. adornanda consilium 
stricte servandum visum esset, ut librorum mss. imaginem, ubi al 
tenus saltem liceret, exprimerem'. Da ich, damals freilich in 








8) Bentley an der gleich a. St. vermuthet iussum st. iustum 
ebensó, worauf eine handschriftliche Notiz Cramers mich aufmer 
gemacht hat, Majansius ad XXX Ictor. fr. II 174. *) Le seul repr 
que nous adressons à M. W., s kürzlich ein hervorragender fr 
sicher Sprachforscher (M. Bréal) m einer Anzeige von Whitneys ori 
and linguistic studies (revue crit. 1873 S. 113), c'est que son lan 
quand il reprend une erreur, devient acerbe comme s'il s'agissait 
jours d'erreurs volontaires. Mais on n'est blessé de cette rudesse 
on sent qu'elle part d'un amour de la verité et d'une sincérité de p 
qu'on ne saurait priser assez haut. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


in einem Ihnen nicht zu Gesicht gekommenen Greifswalder Prograi 
(vindiciae Gell. 5. 11) erwidert habe: Quod:i id ipsum obiciendum 
censet Klotzius, quod etiam in iis locis, de quibus certi aliquid ε 
potuerit, non saepe [er wollte wohl sgepe oder non raro schre 
falsam librorum scripturam retinere quam probabiliter scriptoris 
tionem emendare maluerim, id quadamtenus concedo: saepe enit 
certam emendationem nec ab aliis prolatam esse inveniebam nec 
invenire poteram, librorum scripturam retinui, ita tamen, ut in 
aperte corruptis crucis nota appicta lectores commonefacerem: / 
id mihi licere arbitrabar in scriptore, qui non nisi ab hominibus 
ditis solet versari; horum enim potissimum interesse mihi videl 
ut scripturam antiquam, quatenus pro editionum harum institutc 
posset, perspicerent; et in libris scholasticae lectioni destinatis 
ipsis reconditioris doctrinae operibus, dummodo apparatum cril 
liceret adiungere, alia via mihi procedendum esse videri, id et 
et Prisciani editionibus ἃ me procuratis patet. 

So finden sich denn nun auch unter den von Ihnen zum ] 
Ihres Urtheils S. 584 fg. aufgeführten Stellen einige, in Bezug 
welche ich Ihnen unbedingt beistimme, sowohl in Verwerfung 
aufgenommenen als in Billigung der auf früheren, zum Theil aucl 
Ihnen selbst vor der Bekanntschaft mit jenen®) gemachten 
muthungen beruhenden Lesart; bei anderen stehe ich wenig 
mit der Negation auf Ihrer Seite, während ich selbst jetzt eine c 
Lesart vorziehe; an wieder anderen ist sicher das Recht auf m 
Seite, d. h. auf der der beglaubigten Ueberlieferung. 

Wenn ich v. B. II 28, 6 in den bekannten Worten aus ( 
Origines stehen liess: Non lubet scribere .. quotiens lunae aut 
lumine caligo aut quid obstiterit, so war ich zwar später eine 
lang in Zweifel, ob nicht mit Teuffel G. d. r. L.? 8 74, 4 aut [a 
quid zu lesen sei, bin aber durch genauere Beobachtung des Sp: 
gebrauchs^) davon zurückgekommen; an der Verpflichtung ab: 
einem Bruchstücke des Cato die alterthümliche, von den besten 
der ersten sieben Bücher, dem Vat., Reg., Rottendorffianus (= V 
einstimmig gebotene Form des Dativs lumine in den Text zu s 
und sie nicht mit den jungen Hss., die jene verkannten, und 
gangbaren Texten, gemäss Ihrer Forderung, in das landläufige lu 
umzusetzen, habe ich nicht einen Augenblick gezweifelt. Hier 
sonst möchte ich gern dem Worte des Apulejus?) folgen: d 
igitur quam brevissime potuero, etenim admonendus es mihi, 


*) Wenn ieh noch einen Abdruck dieses Programms, von den 
nur mein Handexemplar besitze, erhalten kann, werde ich Ihnen dens 
zur Verfügung stellen. 5) ecquid st. et quid (Vorr. 8 15) ist aber m 
Wissens zuerst von Ihnen vorgeschlagen; die vg. schien mir wegen de: 
sprechenden et zu Anfang des folgenden Satzes haltbar, doch triff 

δ. Ὅτι ὃ offenbar das richtige ἢ Haase zu Reisig A. 351 u. ebe 
S 197; F. W. Müller üb Gebrauch d. Part. sve S. 16, 1. 5) 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


Rechte bei der Behandlung der aus einem Briefe Ciceros (IV 4, 
entlehnten Worte XII 13, 22. Es kam mir eben darauf an, stt 
sie in den aus Cicero bekannten Wortlaut umzusetzen'?), die auge 
scheinlich verderbte handschriftliche Ueberlieferung zur Kenntn! 
der Kritiker zu bringen, indem ich die beiden Stellen, die der S 
dieses Verderbnisses sind, durch vorgesetzte Kreuze bezeichne 
Dieser Sachverhalt tritt nicht hervor, wenn Sie jene handschriftlic 
Lesart als die meine anführen, ohne diese Kreuze hinzuzufügen, « 
eben dastehen, um, wie ich meine, vollständig deutlich zu zeigt 
dass ich sachlich mit Ihnen übereinstimme.'?) 

Als Gipfel dessen, was ich an Verschmähung guter und siche1 
Textesverbesserungen geleistet, erscheint Ihnen am Schlusse die: 
Anmerkung, indem Sie noch einmal einen neuen, letzten Anlauf ne 
men, um Ihr sprachloses Erstaunen darüber auszudrücken, mei 
Behandlung wiederum einer catonischen Stelle.!*) 'Sed desino. Qt 
dicam de huiusmodi scripturis hic primum in textum illatis, qua 
est v. c. VI 3, 16: unusquisque nostrum, si quis... . arbitrant 
summa vi contra nititur?' sagen Sie, indem Sie offenbar statt die: 
den drei besten Hss. entlehnten Fassung den von den jüngeren H 
verschlimmbesserten und von den Ausgaben beibehaltenen Singu. 
verlangen. Dass das ebenso einfach als auf der Hand liegend 1 
leuchtet ein, und jene Interpolatoren des fünfzehnten Jahrhunde 
waren von dem Standpunkte ihrer Kenntniss des Lateinischen 8 
in ihrem vollen Rechte; ich aber glaubte das Recht zu haben h 
an den durch das S. C. de Baechanalibus wie durch die Grammatil 
und von diesen namentlich auch für Cato bezeugten Plural des pr 
rel zu denken. Freilich lautet er dort (Z. 3 und Z. 24) ques, u 
auch für Cato ist er in dieser Form bezeugt!?); dieser begann s: 
Geschichtswerk mit den Worten si ques!®) homines sunt!”); an eit 
andern Stelle sagte er dagegen nach den Hss. wieder: si quis qı 
alter ab altero peterent (G. XIV 2, 26, was Sie S. 604, wo Sie: 
folgenden Worte besprechen, unbemerkt lassen); an noch einer ande 
quescumque Romae regnavissent; dasselbe ques wird von Pacuv: 
bezeugt (v. 221 Ribb.*) und wird auch für Livius Andr. (v. 41 


12) Dass ich wusste, dass ich es mit der bezeichneten Stelle und ni 
etwa mit einem Bruchstück zu thun hatte, ergibt mein Index. 5) 
noch hóherem Masse haben Sie mir früher einmal Unrecht gethan Eme 
Liv. S. 38. Bei der von Ihnen dort angestellten Vergleichung der ers! 
dreissig Capitel des Livius in den neueren Ausgaben legen Sie mir dreir 
hintereinander (I 3, 11; 5, 5; 9, 5) Lesarten bei, die ich wieder aus d 
Texte entfernt habe. Natürlich optima fide — aber wer so streng - 
theilt und wessen Wort mit Recht ebensoviel Autorität besitzt, als 
sich dieses Besitzes bewusst ist, der sollte auch um so sorgsamer u 
vorsichtiger zu Werke gehen. S. auch unten zu VI 8, 20 und zu XV 
6, 8. !*) aus der auch in die Origines aufgenommenen Rede pro Rhodi: 
sibus. 15) s. die Stellen der Grammatiker bei Neue II 168 vgl. H. Pe 
H. R. R. 161 in der Anm. zu Cat. or. 11. 19). queis Jordan or. I fr. 1, 8. dies 
und gleich Anm. 18. 17) sunt homines und populi sint nach ande 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 1 


Lesarten hatte ich übrigens selbst inzwischen mehreren ihren Pla 
in meinem Textexemplar gegeben, auf die Richtigkeit einiger ander 
habe ich mich jetzt durch Sie hinweisen lassen; auch I 4, 8 nehme i 
die Verwerfung des Schlussworts an in dem Satze: ad hunc modu 
Iulianus enodabat diiudicabatque veterum scriptorum  sententit 
quae apud eum adulescentes delectitabant; zur Aufnahme dieser ei 
stimmig überlieferten Lesart war ich um 80 mehr geneigt gewese 
als der vaticanische Palimpsest (A) statt des quas der übrigen Ht 
quae bot, und ich würde auch jetzt noch Bedenken tragen es geg 
die vg. lectitabant mit Ihnen zu vertauschen, die die Entstehui 
dieses delectitabant unerklärt lässt; aber willig habe ich eine 
Vorschlage Th. Mommsens Raum gegeben quas .. delecti lectitaba 
zu schreiben, und das werden auch Sie mit mir vorziehen. Am lie 
sten schriebe ich dann freilich auch quos.!”) 

Zweifelhafter ist mir, ob Sie mit gleichem Rechte ὃ 3 der Ve 
rede eruditionibus verwerfen und dafür Gr.s?" ex auditionib 
verlangen: Facta igitur est in his quoque commentariis eadem reru 
disparilitas, quae fuit in illis adnotationibus pristinis, quas brevit 
et indigeste et incondite ex auditionibus lectionibusque var 
feceramus. Das entspricht, wie Gr. richtig bemerkt, genau dem in $ 
gesagten: proinde ut librum quemque in manus ceperam seu Gre 
cum seu Latinum vel quid memoratu dignum audieram, und au 
sonst werden „die beiden Hauptbildungsquellen durch Lesen v 
Büchern und Hören mündlich ertheilten Unterrichts, worauf € 
gleichfalls aufmerksam macht, bei G. nicht selten zusammengenannt. 
Aber auch wenn man eruditionibus beibehält, nur dass, wie € 
eventuell verlangte, die Präposition ex davor hinzuzufügen sein wii 
scheidet man dieselben beiden Massen, wie schon Lambecius richt 
sah.  Eruditio bezeichnet nicht nur die durch Unterricht erworbe 
Bildung, sondern auch den Unterricht selbst. Und da G. mancher 
Unterricht und Unterweisung von verschiedenen Lehrern genoss 
hatte, konnte er sich sehr wohl des überlieferten Plurals zur Bezeic 
nung des von ihm diesem Unterricht entlehnten einen Hauptbestan 
theils seiner Anschauungen gegenüber dem anderen, auf eigen 
Lesung beruhenden bedienen; im Gebrauche dieses Plurals, we 
auch in anderer Schattirung der Bedeutung, war ihm, wie Gr. gleic 
falls nicht entgangen ist, Vitruv (I 1 8 1; 11; 12) vorangegange 








19) Zu dem scriptorum sententias, quos vgl. z. B. VI 1, 1 id 
P. quoque Scipionis matre, qui prior Africanus appellatus est, mem 
riae datum est. —- XI 8, 4 dagegen ist Ihrer Ansicht gegenüber Eam cu 
legisset M. Cato ganz an seiner Stelle, da es sich auf $ 3 in eius hisl 
riae principio scriptum est ad hanc sententiam trotz der Zwischenre 
zurückbezieht. Anschaulicher wird das, wenn man nach scriptum foi 
nicht voll, sondern mit einem Semikolon oder Kolon interpungirt. ?9) V 
nur Gr. steht, ist, wenn nicht aus dem Zusammenhange deutlich ist, de 
Jacob (J. Gr.) gemeint sein müsse, immer Joh. Fr. Gronov zu verstehe 
31) 2, B. Vorr. 8 15; V 21, 4; XIX 8, 1. 














M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 17 


nach bei Tert. für in in diesem Worte die privative, bei G. die in-. 
tensive Dedeutung anzunehmen würe. Und vielleicht machte es G. 
gar Vergnügen, seinen Lesern das Rätlsel aufzugeben, was er mit 
diesem incommunia, statt dessen man doch communia erwartete, 
habe sagen wollen. 

Damit habe ich endlich einmal auch den seopulus Ihrer grossen 
Collectivanmerkung, ohne daran gestrandet zu sein, verlassen ??), und 
ich kónnte nun in das volle Fahrwasser hineinsteuern, wenn Sie mir 
nicht bald darauf (S. 587) einen zweiten scopulus in einer anderen, 
wenn auch minder ausgedehnten Collectivanmerkung entgegenstellten ; 
Sie bezeichnen darin eine Anzahl von Stellen, wo ich dem Palimpsest 
(A), der Ihuen aus meiner Mittheilung der Collation Dressels?") be- 
kaunt war, mit Unrecht gefolgt oder nicht gefolgt sein soll. Einiges 
davon räume ich gern ein und war Ihrer Erinnerung in meinem 
Exemplar lüngst zuvorgekommen; 1 6, 8 aber gehürt insofern nicht 
ganz hierher, als alle Hss. und namentlich die besten VPR ebenso 
das trotzdem allerdings falsche?*) isdem geben wie A, was Sie frei- 
lich nicht wissen konnten; I 2, 13 verlangen Sie nach der Notiz 
jener Collation IPSIVM mit Recht ipsum st. eum, das ich stehen 
liess; da aber A in Wahrheit die Lesart EVMIPSIVM hat, die mir 
damals als Doppellesart erschien, würde ich nun eum ipsum sicher 
unter Ihrer Beistimmung schreiben. Der Anfang des dritten Capitels 
dieses Buches ferner war, wie es auch Ihnen gewiss nicht entgangen 
ist, bisher nur aus dem merkwürdigen, verschollenen Buslidianus 
bekannt, zuerst. publicirt von Wilh. Canter nov. lect. IT 6, wozu ein 
paar Notizen von Seioppius konnen‘ δ); da sieh die Genauigkeit der 
Canterschen Abschrift nicht controliren lässt, so habe ich mich hier 
so eng als möglich an meine, den Busl. an Alter wenigstens ent- 
schieden überragende Quelle angeschlossen. Unter den beiden gleich 
müglichen Lesarten ὃ. 1 Lacaedemonium Chilonem virum (A) und 


3°, Ueber eins und das andere könnte ich freilich. noch mit Ihnen 
rechten und mich z. B. wegen der buceta XI 1. 1, wo Sie bucera her- 
estelli haben wollen, nicht nur Gr.s als Schildes sondern auch Jos. 
caligers als Schwertes bedienen (App. ad eoni. in libros Varr. de 1, L. 
S. 184 der Amsterd. Ausg. von 1623, wo es nach Anführung der oben 
bezeichneten Stelle heisst: Haec Me. ubi interpolarunt audaces hominea, 
buceraque,— scio equidem  bucera esse armenta: sed nescierunt. ipsi, pasci 
hie ease non νέμειν, sed νέμεεθαι passive, wozu er Sid. Apoll. epp. 11 
11 citirt: Inter greges tintinnabulatos per depasta bucetu reboantes). 
Ich selbst behalte mir hier wie an anderen Stellen die Consequenzen 
eines ἐπέχω vor. °% nieht “Dressler’s. Es ist dies derselbe in Rom 
lebende deutsche. Gelehrte. der Ihnen auch sonst litterarisch, namentlich 
dureh seine Ausgabe des Prudentius bekamit sein wird. Im ganzen hat 
diese Collation von A sich bei genauer Nachvergleichung als sorgfältig 
gemacht und als den brauchbarsten Theil des Dresselschen Apparats er- 
wiesen, obwohl ex uuchi hier, wie es in der Natur solcher Aufgaben liegt, 
un Berichtiguugen und Ergänzungen nicht fehlte. °°”) Von mir selbst 
schon vind. Gell. S. 12 fg. als falsch anerkannt. 35) S. ebendaa. 
Anın. 17. 
Jahrb. f. class. Philol Suppl. Dd. VII. Hft. 1. > 





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anlarmrunyg t«agt Lat Sulonem .. ἸΏΝ ἐσ LL EZIILeTO sank 


und ófter áhnlicn. iet mir keineswegs vztekantztt Alter ia er 
Acsdruckzweisen brauct* und dech nir eine von leisen £ier ἄς σον 
haben kann. -, war eben der zuverlässigerer Text-,-ez5 zz | 
Wenn ich in dem-eiben $ mit A schrieb in viae sco [«strem 
für Canter bietet de vitae suae pestremo. se verianzer Su 
»chon die € Tornaes. von 1592 darbietet die. Ar ur 
rich ganz richtig. und Sie sind völlig in Ihrem Rechte. inde 
damit gems Dressele Angabe die Lesart von A herzu 
glaulen',; danach mu=: Ihnen mein Verfahren allerdinzs w 
lich erschienen =ein; da aber A dies in bietet. habe ich wohl 
nóthig ea Ihnen gegenüber durch Vergleich mit ὃ ® in fine ı 
vitae ἱμὴ und $ I#& in fine quoque vitae und durch Hinw 
auf ad postrema cantus XVI. 19, 15 u. dgl zu rechtiertigen. 

I] 4. 5 in dem Citat aus Cic. p. Plancio 8 62 nam qui pe 
dissolvit statim non habet id quod reddidit. qui autem de 
retinet alienum wollen Sie vielmehr aes geschrieben wissen. 
dies is kommt zunächst nicht allein auf Rechnung von : 
DEBITIS hat; nicht nur P bietet es, was auch in der Note 
(ir. bemerkt wird, sondern auch, was Ihnen nicht bekann 
konnte, VK, wührend alle drei die vorhergehenden Worte von 
debet fortlassen. Ob nun nur Cicero hier aes schrieb, ist 
wegs so ausgemacht; die besten Hss. der Planciana weni; 
Tegernseensis und Erfurtensis, bieten auch jenes is und, glei 
ob es bei iln richtig ist oder nicht, G. fand es offenbar so in 
Quelle und schrieb es ihr nach; um weiteres hatte und h: 
mich bei der Hecension seines Textes nicht zu kümmern. aes 
sowohl bei (Gi. schlechtere Hss. wie bei Cicero; Baiter in der Zi 
wie in der Leipziger Ausgabe hat auch bei diesem is in de 
gesetzt und E. Köpke ist ihm darin gefolgt. Dieser Saeh 
ınuss Ihnen im Augenblicke nicht gegenwärtig gewesen sein, 
hätten Sie nicht eine Aenderung der bestbeglaubigten Lesart 
die mit. der bestbeglaubigten Lesart bei Cicero identisch ist, 1 
können, weil Sie mit Garatoni und Wunder der Ueberzeugun, 
duss bei Cicero das minder gut bezeugte aes die Aufnah 
den Text verdiene. 


29) Nie. bemerken übrigens selbst von vorn herein vorsicht 
fullunt quae e Dr. schedis u. 1846 proluta sunt? 








an M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


sleichen Spuren. wo man ihnen beremet, ebensowenig verwischen 
darf als bei @.; auch der handschriftlich überlieferte, Infinjtiv ish 
hier übrigens, nebenbei bemerkt, nicht in einen von ut mit ab 
hängissen Conj. imperf. zu verwandeln. sondern als ein dem Imper- 
fect dabat operam coordinirter Inf. hist. anzusehen und im Texte zu 
behalten. 
Nach Beleuchtung dieser beiden Colleetivnoten gestatten Sie ' 
mir nun, Ihnen und damit der leihenfolge der Bücher folssend, eine ' 
Anzahl der Stellen zu besprechen. die Sie von 8. 585 an einzeln be. ! 
handeln. Dazu aber möchte ich ein paar im vorhergehenden tleils 
schon im voraus praktisch verwerthete, theil: angedeutete Be ' 
inerkungen vorausschicken, die zur Orientirnng und Verständigung : 
über ganze Gruppen von Stellen dienen werden. i 
Darüber dass G. ein “antignarius’ ist, besteht, wie bereits be : 
merkt worden ist, zwischen uns keine Differenz. Diese Vorliebe 
für die alte Sprache und Litteratur seines Volks bethätigrt er viel. . 
fach dadurch, dass er aus ihren Schätzen seine eigene Ausdrucks 
weise bereichert. Es kann hier nicht der Ort sein, tiber diesen 
Punkt eine ins einzelne eingehende Untersuchung anzustellen, die 
eine ganz andere Ausdehnung erfordern würde, als auch der längste 
Brief sie gestaltet; erlauben Sie mir nur, [Ihnen eine Skizze der 
hauptsächlichen Resultate vorzulegen, die eine solche Untersuchung 
Betreff des G. und seiner im wesentlichen gleichgesiunten Zeit- 
genossen. ergibt. Den Kreis der sprachlichen Antoritäten des 6, 
die für ihn zugleich. Vorbilder sind und deren Worte und Wendun- 
ron er, wie die Durchmusterung im einzelnen ergibt, mit Vorliebe : 
verwerthet, ἰῇ er selbst mehrfach an. Am genauesten bezeichnet 4 
er ihn V 91, 6. πον seiner gelehrten Freunde hatte sich des ; 
Wortes pluria bedient. Darüber tudelte ihn ein anwesender, an 
dem G. von vorn herein charakteristisch genug nicht nur die Mangel- 
haftirkeit seiner aufakroamatischem Wege erworbenen grammatischen 
Bildung tadelt, sondern auch, und zwar an erster Stelle, den geringen 
und über das Mass des wewöhnlichsten nicht hinausreichenden Um- 
lang seiner Lectüre (perpanca eademque a volgo. protrita legerat). 
Im gegenüber fragt der Freund. und Gesinnungsgenosse, οἷν denn 
pluria oder, was auf dasselbe hinauskomme, compluria, gleichfalls 
nicht "Latine, sondern "barbare" Cato, Claudius Quadrigarins, 
Valerius. Antias, Aeltus Stilo, Nigidius Figulus, Varro gesazt hätten, 
d. I. die bevorzuzten Annalisten P) und die hervorragendsten alten 


s, Denn als solcher ist ον zunächst Cato. senannt, der dann im- 
pliite unter den Kednern wieder erscheint: wie hoch ihn auch in dieser 
Besiehuner 6, stellte, zeigt nementtih VI 3 und X 5, 15. Neben ihm 
wird von &, besonders, worauf wir gleich zurückkommen werden, Quadri- 
sanus bevorzugt, bei weiten minder, so weit es. sich verfolgen κεῖ, 
Valeriis Antias. Dazı tritt dani nmimeutlieh. noch Sallust, Naeliahmer 
des Cato zugleich und novater vevcborin «1 15, 18; IV 15, 1 u. &. w.). 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 21 


Grammatiker, neben denen dann allgemeiner als gleichberechtigte 
Gewährsmänner noch die grosse Menge alter Redner und Dichter 
genannt wird (praeter poetarum oratorumque veterum copiam). 
Dass G. auch unter diesen eine Auswahl traf, ergibt sich ebenso 
sowohl aus der Einzelprüfung, die namentlich Plautus und ihm zu- 
nüchst Ennius unter den Dichtern und unter den Rednern wiederum 
Cato als vorzugsweise berücksichtigt hervortreten lüsst, als auch aus 
einer allgemeinen Aeusserung XIX 8, 15. Hier erscheint ala 
Sprecher der von G. hochverehrte Fronto, dessen Worte ebenso 
wie die jenes Freundes als der vollkommen entsprechende Ausdruck 
der Ansichten des G. auzuschen sind. Der Meister kritisirt hier 
eine von Caesar in den Büchern de analogia gegebene Vorschrift 
über die Anwendung einer Anzahl von Wörtern als pluralia oder 
singularia tantum. Es verdient zunächst bemerkt zu werden, dass 
hier der Gebrauch der veteres und die Gestattung gegenwärtigen 
Gebrauches wiederum ausdrücklich als Correlate bezeichnet werden.í*) 
Indem dann Fronto einige dieser Wörter auf sich beruhen lässt, 
führt er je für ein anderes Plautus und Ennius ins Feld, in Bezug 
aber auf noch zwei andere gibt er eine längere soi-disant sprach- 
philosophische Auseinandersetzung, in der er sich Caesars Ansicht, 
der quadriga und harenae verpönte, in Bezug auf das erstere zwar, 
nachdem er dafür schon vorher (8 6) auch den Gebrauch bei den 
alten angeführt hatte!?), anbequemt, für harena aber neben einer 
höflichen Wendung nach der gleichen Seite hin schliesslich doch 
auch seine Bedenken geltend macht und seine Rede in der Auffor- 
derung an seine Jünger gipfeln lässt, in Mussestunden nachzuforschen, 
ob quadriga und harenae gesagt habe e cohorte illa dumtaxat anti- 
quiore vel oratorum aliquis vel poetarum, id est classicus adsiduus- 
que aliquis scriptor, non proletarius, d. h. einer der bevorzugten 
unter jenen beiden Kategorien; G., was ich als sehr bezeichnend hier 
nieht unterdrücken will, kommt dieser Aufforderung nach, die ihm 
minder erlassen scheint, weil Fronto wirklich an das Vorkommen 
dieser Worte bei den alten geglaubt habe, ala um seine Jünger in 
dergleichen Studien zu üben; es ist ihm wirklich gelungen quadriga 
bei Varro einmal zu finden, in Bezug auf harenae ist er minder 
eifrig gewesen") aber auch minder glücklich. Fronto aber scheint 
seiner Opposition gegen Caesar in Bezug auf dieses Wort in der 
Unterweisung seines hohen Zóglings eine noch bestimmtere Fürbung 
gegeben zu haben, denn sonst würde dieser es sich kaum gestattet 
haben es in einem Briefe an seinen verehrten Lehrer anzuwenden.*^) 





44) inimieitiam tamen . . quae ratio est quamobrem C. Caesar vel 
dietam esse a veteribus vel dicendam a nobis non putat? (8 6) — !5) ac 
fortassean de quadrigis veterum auctoritati concessero etc. 16) quia 
praeter C. Caesarem, quod equidem meminerim, nemo id doctorum 
hominum dedit. ἢ) epp. ud M. Caes. et inv. 1 6 S. 16 Nab. Sehr be- 
zeichnend für die ganze Richtung dieser Clique ist es, dass sie gar keine 





A.ndncgnallgaw-Ócerg.uaLlifzlc.cen False w*e:- Bekannter de 
pront den (en ix Wire praferpTopter temingzelh hatte 
ner. “en Lean Sm. ἦν. XiX 0o Dos seem bei weitem minder 
"ato ei Varro und die 
[ΓΆΔ Ως; aeta. ipe rior. 

Dem «nt: spreenemü und die Ac.ltrzLngen "el Ir, ergünzend i 
eine AnZAL| von Steuer, die inoden eigenen Werken des Fronto sieh 
zer-trest finden. namentoien in Asisserinzen. die unmittelbar a 
einen mehr ehrer.netiren als a? die Demceer von »einer dürren Kost 
befreligten Schiller gerichtet «inl: Lesöniers einge hend ist die Stelle 
in den Briefen an M. Caesar IV 3 5. 62. Nai. in welcher diejenigen 
älteren Schritt-teiler azbzezinit werderz. de sich einer sorgfältigen 
Wahl der Worte betlei--irt naben und. -elostverstandlieh von Fronto 
und -«inen Z«teeno--en ibrerseit- al» Fundzraüben dafür angesehen 
werden: oratornm pet homines nato- unus omniam M. Porcius eiue 
que frequens. -ectarer C, Salbistiu-" |; poetarum. maxime Plantus 
multo. maximeque Ennius eumque studiose aemulatus L. Coelius") 
ne: non Naevius, Lucretius, Accius etiam. Caecilius, Laberm 
quoque, denen dann noch für gewisse Specialitäten Novius und 
Pomponius ἢ verbis ru-ticanis et iecularibus ac ridieulariis), Alta 
(in muliebribus^:), Sisenna !in laseivis:, Lucilius (in euiusque arti 
ac negotii propriis) hinzutreten, welche auch zum Kreise der Lectüre 
dez G, gehören und von ihm mehr oder minder verwerthet werden”); 
in seinen eigenen Stil geborcht G. der Vorschrift, die Fronto seinem; 
Kai:er rib (de orationibus 8. 161 Nab.?: monetam illam veterem 
‚ectator; plumbei nummi et euiuscemodi adulterini in istis recent 


Notiz für sich davon. nimmt, dass dieser Plural seit der augmsteischen 
Zeit keineswege selten ist: πὶ aL Stellen bei Neue 1425 fer, um auffallend- 
‚ten, weil er aneh hei Virzil mehrfach vorkommt, auf den sie doch sons 
neben ihren verehrten alten Rücksicht zu nehmen pflegen. Aehnlich 
(doeh nieht bei Virgil; das auch von anderen Seiten mehrfach ver : 
worfene quadriga: =. Neue 1 470 fir. 

I"; να after bezeichnet den Kreis der. für muatergüllig 
gehaltenen Redner nach ihren charaktezistisehen. Eigenthümlichkeite 
Apulejus apol.e, 095: Cato, Laelius, €. Graechus, Caesar, Hortensius, Calvus 
Sellustius, Cieero, von denen freilich zum "Theil kein direeter Einfluss 
bi GG. naclizuweiat m ist, Im Bezug ant Sallust erinnere ich um die Stelle 
ada Grünius. Lie, S, 43 der Bonner. Ausg, die für die Zeit des Vf. sehr 
ins Gewicht. falli (freilich darf man sie nieht mit der heissspornigen 
Heptan S; NVIHE fer. als Kinschiebsel ansehen): nam Sallustium non 
hisdorieum: puto, sed nt oratorem legendum, um die Stelle gleich nach 
Ihrer auch €, 6. Schmidts und K. Keils) einleuchtenden Herstellung 
herzusetzen. [ἢ Vgl, H. Peter H. R. HR. LS. CCXVIN. dessen Urtheil mif 
jedoch keineswegs. zweifellos erscheint. ^j wofür kürzlich ohne jede 
Noth seurrilibus ist geändert worden ıvon Cornelissen Mnemos. N. F. 
oa. ch Auch Cicero hat Fronto. ganz gelesen (vgl. auch Anm. 53), 
uber er vermisst in seinen Reden die insperata atque inopinata verba, 
quae nonnist. eum. studio atque eura atque vigilia atque multa veterum 
earminum memoria. indagantur, was doch auch deutlich genug ist. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. . 23 


bus nummis saepius inveniuntur quam in vetustis, quibus signatus 
est Perperna vel f Treré??), und er zeigt zum Theil zahlreiche 
Spuren der Benutzung der bevorzugten unter jenen Schriftstellern, 
namentlich in Bezug auf den Wortschatz, aber auch in gewählteren 
Sat;fügungen.?) Dafür liesse sich ohne jede Mühe eine grosse An- 
zahl von Beispielen zusammenbringen; um Sie nicht zu ermüden, 
setze ich nur einige wenige in die Augen fallende her. So spricht 
er XVII 2, 18 von Claudius Quadr. Gebrauch von ne — quoque 
statt ne — quidem und sagt selbst ne — quoque I 2, 5; XX 1,155; 
über in medium relinquo ist schon S8. 15 gesprochen worden; XVII 
2 8 14 führt er aus Claudius cumprime an und sagt, adprime (das 
er auch selbst braucht, z. B. V 21, 1; XIII 12, 1, wie es auch 
Cl. Quadrigarius gebraucht hatte, s. G. VI 11, 7, und früher Plautus 
u. à.) sei crebrius, cumprime rarius, traductumque ex eo est, quod 
cumprimis dicebant pro eo quod est imprimis — und dies cum- 
primis, was nach seiner eigenen Angabe iu seiner Zeit veraltet war, 
ist ein von ihm häufig angewendeter Ausdruck (s. I 13, 7; 15, 8; 
XI 3, 1; XIII 17, 2; 21, 25; XVIII 4, 8; XIX 5, 3)). Dieser 
Massstab ist demnach überall an ihn anzulegen. 

Eine weitere Bemerkung betrifft zwei schon oben kurz berührte 


—— — M-- 


^?) Diese Buchstaben sind in der Hs. nicht sicher; Mai (8. 180 der 
Ausg. v. 1846) setzte Tr[ebo]. Ob Trebanius? s. Mommsen G. d. τ. MW. 
S. 554 n. 165; C. I. L. In. 368; ein Perperna kommt unter den uns 
bekannten Münzmeistern nicht vor; der Name Trebanius aber, der auf 
Münzen nicht selten erscheint, tritt damit zum erstenmale auch in der 
Litteratur auf. 5°) Interessant ist die Vergleichung mit der Lectüre und 
den Studien des M. Aurel, der besonders für Cato sehwürmt, minder 
für Sallust (epp. ad M. Cues. II 13 S. 36), der neben vielen anderen 
Excerpten (aus 60 Büchern in 5 tomi) auch Atellanen des Novius und 
Reden des Scipio auszieht (et Novianae et Atellaniolae et Scipionis 
oratiunculae ebendas. I 10 S. 34; ob et Novia[nae et Pomponia]nae 
Atellaniolae? denn kaum lässt sich die Ueberlieferung mit R. Klussmann 
emend. Front. part. S. 21, 1 schützen), der sich von Fronto, neben dem 
hóflichen Verlangen nach einem Werke des hohen Meisters selbst, etwas 
von Cato. Cicero, Sallust oder einem Dichter zum Lesen ausbittet (epp. 
ad Ant. imp. II 1 S. 104 fg), und als dessen Lectüre jener sich ein 
andermal (de fer. Als. S. 224), damit wir doch wissen was dort für 
Dichter gemeint sind, Plautus, Accius, Lucretius, Ennius neben etwaigen 
Vorlesungen aus Cicero denkt. Für die Art, wie diese catonische 
Schwärmerei zum Durchbruche kommt, ist die an erster Stelle genannte 
Aeusserung interessant: uni M. Porcio me dedicavi atque despondi atque 
delegavi. hoc ipsum 'atque' unde putas? ex ipso furor (denn so ist zu 
lesen st. furore, wie auch Mai verbessert hatte, was ich bei weiterem 
Nachsehen finde; Naber hat es nicht einmal erwähnt). Wie sehr dieser 
atque und seine Wiederholung catonisch ist, zeigt schon der Index bei 
Jordan u. atque. 5*) Auch Livius hat es wohl einmal aus seiner Quelle 
herübergenommen X 14, 13, was nicht minder in den Bereich der Mög- 
lichkeit gehórt als anderes dergleichen, obwohl Sie es in Abrede stellen 
em. Liv. S. 191. Wie weit aber dieses ne — quoque auch bei Columella I 8, 
12 Gewähr hat, ist noch zu untersuchen. °°) Cicero hat es übrigens auch 
gebraucht; einmal auch Virgil, georg. 1 178. 





24 . M. Hertz: vindieine (tellianae alterae. 


syntaktische Eigenthümlichkeiten. Nicht selten tadeln Sie nämlich, 
dass ein in der Ueberlieferung ausgelassenes est, beziehungsweise; 
st oder nach einem s selbst nur ein i, in den Texten nicht ange-! 
schoben worden ist, wo man es nach den ltereln der correeten Proa 
zu finden erwartet. Diese Aenderung liegt so nahe, dass es nicht 
minder nahe liegt, bei einer solchen Vernachlässigung derselben dem 
Grunde davon nachzugehen, anstatt das Exereitinm nach der 8cha- | 
blone zu corrigiren. Im ganzen gilt von G. in dieser Beziehung das, 
was er (über einen besonderen Fall, der uns hier minder angeht τ | 
aber doch ganz allgemein) bemerkt: et ‘est’ autem et "erat? et "fuit - 
— und dem entsprechend in indirecter Rede namentlich esse — ple- 
rumque absunt eum elegantia sine detrimento sententiae (V 5, 1). 
Dem entspricht (das häufige Fehlen des Hülfszeitworts im unseren | 
Texten, sowohl bei (τ, selbet ala in den Citaten aus seinen Auton- 
täten, und da somit alles zusammenkommt, diese. Erscheinung von 
ihm nicht nur für geduldet, soudern sogar für bevorzugt zu halten, 
so habe ich nicht geglaubt jene, wenn auch oft sich fast von selhi 
darbietenden Aecnderungen vornehmen zu sollen.””) 


95) Ipse Quirinali lituo. parvique. sedebat Suceimetus traben οἷο, Verg. | 
Aen. VII 187 fg, °% Für die nminentlieh. heim Part, perf, pass; und dep. 
häufige, aber auch -onst rue Anslassung von est αἰ, κι ws 
7.3. 19, 11; ll 15, 1; 28, 1; IM 3, 10; ὦ, 6; VI 3, 16 z, A, wo man 
st vor atque kann ein :chiehben "Wolle m; VII Y, 2; 10 lemma, eine der Stel- 
len, wo Sie est verumpen, das serade bei solitus uml solitum. häufig : 
fehlt; IX 6.3 jg. E; XI 5, 6; NIS, 1, wo sehon 11, Müller im 
Rh. Mus. XXI 429 fg. opinatust, verlangte: 21, 15: XVII 2, 8 π΄ κ V, Ὶ 
entsprechend dersellen Auslassung in «em alten Vorr. 8 19 milge 
theilten Sprichwort und. in dem Verse dos. lomponius. N 24, 5, wo 
man ohne Noth zraceulost um sextust, dies anelı von mir damals in den 
Text gesetzt, ergänzt hat. Das ist ebenso wollfeil und paläographisch 
nieht «o leicht wie z. B. was schliesslich imunerhin möglich und als 
Notenarabeske verwendbar isf, aber als durchaus nicht nothwendig un- 
gezeigt nicht in den Text gehört, 11 98, 1 compertum| st], sed "oder 
XI 5, 6 quaestio[st] et zu schreiben; Cato. ΠῚ 7, 19 a. E. ist, so viel ich 
weiss, noch mit einen relieta[»t| verschont geblieben; das. schon sehwe- 
rer einzufürzende sunt fehlt | 11, 2, wo man, um der vulgären Regel zu 
sonügen, etwa die starke Interpunetion vor'nihil aufheben und ratos 
schreiben könnte; II 15, 3; IV 1, 23, wo Mommsen (synbolae Dethmanno- 
IHollwegrio oblatae S S. 96) esaent oder sent, esse st. esse schreibt; XUT3.4 
und 9, 5 «dort wäre Emschiebung eines sunt. nach coniuncti , hier eines 
gleichwerthigen κε vor stellae ohne grosse Gewaltsamkeit ins Werk zu 
setzen geweseni; auch dies du t sich ebenso bei Cato in einem der bei 
G. erhaltenen Bruchstücke V] 3, 16 à. E.. wo leieht wieder jemand auf 
den Gedanken kommen Kante, vor »ed ioder set) ein st nach perpeasi 
hinzuzusetzen. Nicht. minder wird natürlich in einer Anzahl von Stellen 
esse in der indirecten Rede ausgelassen und auch damit die Teberflüssig- 
keit jener Versuche dargethan: TIL 17, 1; X 2, 1 (wo dort das vorun- 
gehende fuisse, hier das folgende esse zur Entschuldigung herangezogen 
werden könnte); 8, 2 sed opinor factum hoc ($ 3 dann idem factitatum 
esse credo); Χ] 18, 17; Xll] 14, 7 ıpraetermittendum non putavi, dann 
exclusum, receptum, observatum) u. =. w. (s. u. zu XIX 8, 12). Die Rich. 








M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 95 


Nicht minder verbessern Sie häufig den Indicativ in der in- 
directen Rede den gangbaren Regeln der Schulgrammatik, d. h. dem 
Gebrauche der besten Zeit entsprechend in einen Conjunctiv. Auch 
hier aber ergibt eine genauer eingehende Untersuchung, dass G. 
sich in dieser Beziehung grössere Freiheit gestattet, als ein Lehrer 
sie heutzulage seinen Schülern gestatten durf, und dass er namentlich 
die relativisch eingeschobenen Zwischensätze, nicht bloss wo sie eine 
rein thatsüchliche Beifügung enthalten, ganz nach Willkür und zum 
Theil in jiher Abwechselung auch in den Indicativ gesetzt hat; na- 
mentlich bevorzugt er dabei den Indicativ des Prüsens auch da, wo 
man wenigstens ein erat oder fuit erwarten sollte; daher ist denn 
auch z. B. die oft so nahe liegende und von Ihnen mehrfach empfoh- 
lene Aenderung eines solchen est in esset von mir nicht selten ebenso 
absichtlich und mit gutem Grunde verschmäht worden, wie an ande- 
ren Stellen die nicht minder nahe liegende Aenderung in sil. Auf 
alle diese Stellen im einzelnen einzugehen, oder sie nur zu bezeich- 
nen, verlohnt sich demnach nicht der Mühe?"), und wir können uns 


tigkeit der von Ihnen S. 278 angestellten Beobachtung in Bezug auf den 
häufiger vorkommenden Ausfall eines est nach -us wird dadurch für 
Schriftsteller, die in dieser Beziehung genauer sind, nicht in Abrede ge- 
stellt. 

ὁ) Demgemiäss 1st also 2. B., um Ihnen den augenfülligen Beweis zu 
liefern, dass hier keine Unachtsumkeit im Spiele war, im dem oben be- 
sprochenen Satze ΠῚ 3, 1 die mir, wie die sonstige Behandlung des 
Textes beweist, doch wohlbekaunte Aenderung Ritschls des lectitarunt in 
lectitarint von mir nicht in den Text genommen worden. So steht in meinen 
Texte auch der Indieativ der Ueberlieferung gemäss, um nur bei diesem 
so deutlich hervortretenden Verhältniss eine Anzahl von Stellen in bun- 
ter Bteihenfolge ohne sonderliche Sichtung aufzuführen, von denen ein- 
zelne auch bei correcteren Stilisten sich wohl rechtfertigen liessen, 
HI 8, 5; IV 11, 14; IX 4, 6; 9, 1; X 27, 5; XIIL 17 lemma; XV4,3g.E.; 
99, 8, wo Sie z. D. ıS. 588) est in esset indem; XVIII 6, 8, wenn inan 
nieht eine eingeschobene Bemerkung des G6. annehmen. will, und a. a. 0. 
Um nur aus den vielen, deren Anzahl schon an und für sich die Wahr- 
scheinlichkeit eines solchen Verderbnisses ausschliesst, einige unterrich- 
tende Stellen anzuführen, die einer solchen Aenderung zum Theil auch 
graphisch stark widerstreben, vergleichen Sie nur I 12, 1 fgg.: qui 
de virgine capienda scripserunt .. münorem quam annos sex . . ni- 
tam negaverunt capi fas esse; Item quae non sit patrima et matrina; 
item quae . . sit; item quae . . sit; Item cuius parentes alter ambove 
servitutem. servierunt. aut in negotiis sordidis versantur. sed eam, cuius 
soror ad id sacerdotium lecta est, exeusationem mereri aiunt, item cuius 
pater flamen . . aut alius est; I1L 10, 6 in qua re non id solum animad- 
verti debere dicit, quod quater septenis . . diebus conficeret luna iter 
suum, sed quod is numerus septenarius, sj ab uno profectus, dum ad 
semet ipsum progreditur, omnes, per quos progressus est, numeros com- 
prehendat ipsumque se addat, facit numerum octo et viginti, quot dies 
sunt. eurriculi lunaris; HI 18, 4 senatores enim dicit in veterum acetate, 
qui eurulem magistratmu gessissent, eurru solitos . . in curiam vehi, in 
quo curru sella esset ..., sed eos senatores, qui magistratum curulem 
nondum ceperant, pedibus itavisse in curium; ein fórmlicher Wechsel 
zwischen beiden Modi findet sich in der zum Ausschreiben etwas zu 











M. Hertz: vindiciae Gellianae alterac. 29 


spricht und sagt, er habe nur aufgenommen quae aut ingenia prompta 
expeditaque ad honestae eruditionis cupidinem utiliumque ar- 
tium contemplationem celeri facilique compendio ducerent aut homi- 
nes aliis iam vitae negotiis oecupatos a turpi certe agrestique rerum 
atque verborum imperitia viudiearent.") Wenn Sie damit die in der 
Anm. aufgeführten Stellen verglichen haben, so werden Sie mir ver- 
zeihen -- und auch den nahe liegenden Scherz wollen Sie mir zu 
gute halten (non est enim seiunctus iocus a philologia, wie der junge 
M. Cicero einmal an Tiro schreibt) —, wenn ich an dieser Stelle 
Ihren Beitrag die Noctes des (t. 'adiutum ornatumque' als subtilior 
quam utilior zu bezeichnen mir gestatte. 

Ebendas. ὃ 8 habe ich et nur aus dem zu weit getriebenen Be- 
streben fortgelassen, die Lesarten von A möglichst zu verwerthen, 
und mir die von VPRg gebotene Copula längst in den Text einge- 
tragen; wenn es nun danach hier heisst: immutavit ergo, inquit, 
et subdidit verbum ei verbo, quod omiserat‘”) finitimum, so sagen 
Sie, Cicero habe gar kein Wort ausgelassen, sed exspectationem alius 
verbi moverat ac subdidit (atque ideo quidem consequens fuerat sic 
dicere cet.), und verlangen deshalb promiserat. Auch diese Con). 
scheint mir in die gleiche Kategorie mit der eben besprochenen zu 
gehören; Cie. hätte an jener schon berührten Stelle der Planciana, 
wie hier ausgeführt wird, statt et qui habet in eo ipso quod habet 
refert sagen müssen: et qui debet in eo ipso quod debet refert; es 
wird daun der Grund angegeben, weshalb er dieses Wort nicht ge- 
setzt. habe und statt desselben, das er denn doch in Wahrheit omi- 
serat, heisst es, subdidit — was doch wieder einem omittere völlig 
entspricht — jenes demselben verwandte, ut videretur et sensum de- 
bilionis collatae non reliquisse (se. trotz der omissio des debet) et. 
concinnitatem sententiae retinuisse. 

Im nächsten Cap. tadeln Sie u. a., dass ich ἃ 2 statt maledictis 
compellationibusque probrosis aus À probris aufgenommen habe, in- 
dem Sie hinzufügen 'ferri posset compellationibusque et probris, si 
compellatio per se in malam partem diceretur. sed nihil nisi error 
est. Aber wenn dem wirklich so ist, warum lassen Sie, hochver- 


9^ Dazu kann inan ausser gleich. dem nüchstfolgeuden 8 noch ver- 
gleichen I 3, 305 IV 1, 19, dass Favorinus die Rede von kleinlichen Din- 
gen abzulenken wusste ad ea quae magis utile esset audire. ac discere, 
non allata extrinsecus . . sed indidem mata. acceptaque; X1 18, 12; XII 
2, 1 mit der sehr instructiven Ausführung «darüber, warum Seneca ein 
scriptor minime utilis sei; XII 11, 1 von Peregrinus Proteus: multa hercle 
dicere eum utiliter et honeste audivimus; XIII 11, 4 (Varro) und XV 2,3 
(utiles delectabilesque) von Tischresprüchen, die ja eine nicht geringe 
Rolle im Gelehrtenleben der Alten spielen; XVI 8, 16: der Beginn der 
Studien der Dialektik sei dem Anschein nach insuavis atque inutilis; 
XIX 14, 3, welche Stellen zusammengehalten em sehr vollständiges Bild 
von dem gehen, was G. unter dieser utilitas verstand. 9*) [nimis erat 
der Buslidianus nach Carrios Anm, (s. unten Anm. 85), wonach dieser 
verinuthet coactum nimis erat.] 


90 M. Hertz: vindieiae Gellianae alterae. 


ehrter Herr, denn IX 2, 9 die animalia spurca et probra®) unbe- 
merkt vorübergehen, wo dies Wort, wie schon Gr. sah, nicht für das 
Subst. zu nehmen ist, sondern als Adj., welches zu verbessern Gr. 
nahe gelegen hätte, da es ganz unbelegt war? Jetzt aber hat dies 
Adj. prober, -bra, -brum *?) durch A an dieser Stelle einen weiteren 
Beleg erhalten, so wie umgekehrt jenes Vorkommen die Lesart von 
A hier schützt. 

Die gewundene Auseinandersetzung, mit der ich I 6, 6 noch 
in den vind. Gell. S. 17 das aus Α aufgenommene autem begründen 
zu kónnen glaubte, halte ich selbst nicht mehr aufrecht; was das 
palüographische anlangt, so werden Sie bei Ansicht jenes Programms 
finden, dass auch mir nicht verborgen blieb, dass dies autem aus civi- 
tatem falsch geminirt sein konnte; aber nicht minder war es doch 
möglich und bei dem Werthe von A von vorn herein wenigstens 
nicht minder wahrscheinlich, dass die anderen Hss. ein echtes autem 
nach civitatem ausgelassen hatten. 

I 9, 1 schrieb ich mit den Hss.: ordo atque ratio Pythagorae 
ac deinceps familiae successionis ^?) eius recipiendi instituendique dis- 
cipulos huiuscemodi fuisse traditur, indem ich die drei Genitive von 
einander abhängig dachte. Sehr gefallen hat mir dies sicher auch 
damals nicht, aber da es eben möglich war, nahm ich es meine 
Grundsatze gemüss auf; die mir aus Cramers handschriftlichem Na 
lasse vorliegende Conj. familiae et successionis!) liess ich deshalb | 
Seite. Auch ich bin inzwischen geneigt gewesen eine Copula eir 
fügen, hatte aber wegen des noch leichteren Ausfalls von ac nar 
an ein zweites ac gedacht; bei nüherer Erwügung aber schie' 
zuletzt der oben S. 26 berührte Fall vorzuliegen, und ich lese fr 
(successionis) eius. Denn das recht eigentlich technische, eii 
klirung für den minder kundigen bedürftige Wort für die I] 
phenschule ist doch familia ’®), und das wird G. wohl vor 
haben. 

I 10, 2 ist der Gedanke, welcher der von Ihnen vorg 


er) So die Hss. fast durchgehend; auch die einzige vo 
merkte Abweichung proba geht ebendarauf hinaus; IV : 
steht probrosam (probosam VPR). *9) Das gangbar 
denn doch auch nichts anderes als das substantivirte N 
Adj), was sehr deutlich hervortritt in Stellen wie Naeviur 
XII R.: Primum ad virtutem ut redeatis, abeatis ab ignavi: 
patriam ut colatis potius quam peregri probra, oder wie f 
mihi fortuna, illis probra obiciuntur; Cat. 37, 5 qui ubio 
petulantia praestabant, ganz in derselben Weise wie sich ' 
verhält: neutr. adj. sacer. 70) successoris nach Carrios 
dianus. 71) ff. et successionis, quod et Bongarsi 
Letzteres ersah Cramer aus einem Exemplar der Kólne: 
auf der Berner Bibl, die einige Beischriften von Boi 
hält. — ??) Cic. de fin. IV 8 49 Aristoteles, Xenocrate: 
de div. ll 33a Platone, Aristotele, Theophrasto tota 
familia; de or. I $ 42 singulae familiae. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae, 51 


nen Veründerung zu Grunde liegt, sehr ansprechend, und Sie brau- 
chen nur ein nach is leicht ausfallendes si einzuschieben, um ihn zu 
gewinnen. Es heisst: tu autem .. sermone abhinc multis annis iam 
desito uteris — doch hier verlegen Sie mir bereits den Weg und 
fordern zunüchst mit Rücksicht auf Ihre Ausführung in den Bemer- 
kungen zur lat. Sprachlehre S. 65 fg. (vgl. adv. 1 166, 1) multos 
annos: “in abhinc! sagen Sie 'nulla est causa cur G.a perpetua lege 
descivisse putemus. Aber G. kehrt sich eben nicht an eine solche 
perpetua lex, d. h. an den Sprachgebrauch der sogenannten muster- 
gültigen Classiker κατ᾽ ἐξοχήν, wenn er bei den von ihm bevorzug- 
ten archaischen Schriftstellern einen abweichenden seltenen Gebrauch 
findet, und er tritt, wenn es ihm nicht hie und da zu arg wird und 
selbst über die von ihm anerkannten, ziemiich weit gesteckten Gren- 
zen hinausgeht, wovon gerade der Inhalt dieser Stelle ein Beispiel 
bietet, bei grammatischen Controversen mit ausdrücklichen Worten 
oder durch ein den gelehrten Adepten seiner Zeit verständliches, still- 
schweigendes Bekenntniss dafür ein. Dass zu diesem bevorzugten 
Kreise, selbst innerhalb desselben wieder besonders bevorzugt, Plau- 
tus gehört, erlaubte ich mir schon oben Ihnen darzulegen. Und so 
schloss G. sich auch hier an Plautus in der von Ihnen selbst ange- 
führten Stelle an, in welcher wenigstens die alten Grammatiker, also 
sicher auch G., einen von der gewöhnlichen Bedeutung abweichen- 
den Sinn nicht erkannten??); Most. I 2, 63 (494 R.). qui abhine 
sexaginta annis occisus foret; und ebenso XIV 1, 20 centesimo 
usque &bhine saeculo, und an einer auch wegen des zugleich localen 
Gebrauches von abhinc 4^) interessanten Stelle Apulejus flor. 16 z. E. 
totoque abhinc orbe totoque abhine tempore. 15) Dass beide aber sicher 
dabei wussten was sie thaten, beweist Charisius 8. 175 fg. P. 195, 
1 K.: abhinc Pacuvius . . . Plautus in mustellaria: Qui abhinc sexa- 
ginta annis occisus foret, ubi Caper: utroque casu recte dicimus, 
quamvis ut sordidum et vulgare quidam improbant. Zu diesen qui- 
dam, hochverehrter Herr, gehóren Sie und wir, die wir von Thnen 
uns haben belehren lassen — nicht aber Caper, Gellius und Apulejus. 
Also wenn ich nun mein multis annis stehen lassen darf, so lautet, 
abgesehen von durchaus unerheblichen Abweichungen, die Ueberlie- 
ferung und mit ihr mein Text: tu autem . . sermone abhinc multis 
annis iam desito uteris, quod scire..neminem vis quae dicas. nonne, 
homo inepte .. taces? Sie schreiben: 'perverse illud: quod scire . . 





33) wie er bei Cic. in Verrem 1I αὶ 130 zweifelsohne vorliegt. Auch 
in der gewöhnlichen Fügung bei Plautus, wie Sie richtig Bem. a. a. 0. 
vermutheten (der angeführte Vers prol. Cas. 39 war für ihn selbst nicht 
beweisend), Stich. I 2, 80 (v. 137) und Bacch. III 2, 4 (v. 388). 192) So 
viel ich weiss, sonst nirgend bestimmt nachzuweisen; denn die sonst 
dafür angeführte Stelle Lucr. III 954 Lachm. (968 olim vg.) lässt wenig- 
stens auch eine andere Erklärung zu, vgl. Lachmanns Anm. 75) Daneben 
abhinc ferme triennium est derselbe apol. c. 55. 





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(nn eh uas are fo Zr lat nee einer Aerderzno durchaus kein 
41v tutendep Cepurd veri as tbe crerieant mir Ihr Vor 
(uia! ehr benebten wertho ais ehe an-presbenmde Verzwuthung. nicht 


ai une netbhsendi Zr Meran. 


Ihre ἜΝ zu Τῷ S δ: 8 sinieriedizt dureh das oben 
“ den (εἴασα ἢ de Indientiv» bet G. in indirecter Ite le bemerkte 
Dann Ihnen. se. nachdem Sie beil üufic. wie schen erwähnt, die Nieht- 
hrobarhtunrm der bekannten Schulrezseln in +lieser Beziehung XV 23, 
#2. emen nech ärseren Schnitzer (pravius etiam: zerü;t haben, 
in Tone e faunter Entrli-tune fort: S8 11 incredibiliter dubitatur 
“τ Zalına ap emendatione? ud madzistratiin etdeinde magistratus, 

quati re; et ero eum codicum vestiylis consentiens eertis-imam efficit 
(quiam que: Ip: a: ponte reppt reram , während Sie den Namen der hier 
ernannten Stalt für zweifelhaft halten, obwahl Sie selbst auch auf Mylas- 
en um erefallen ἴσα Auch ich habe mir. ele diese Vermuthung mir 
on I bekannt war, vor vielen Jahren inazri-traium Mylattensium an den 
Hard ineiner dammlissen Handan-gahe geschrielen. Zu «den leiden 
Br .tandtheilen der.elben verhalte ich mich aber zerade umgekehrt 
wie Bie; das €0vixoy Ggleichviel ob Mylasensium oder. Mylassensium 
oder, was „ich griechisch meines Wissens nicht nachweisen lässt, aber 
fir G. vefordert zu werden scheint '*), Mylattensium!? halte ich für 
absolut. sicher; diese Ueberzeugung aber war 1855. als ieh meinen 
Text herauseab, bei mir noch nicht. so fest als heute: sie ist es erst 
durch die Einsicht. in die Entstehung des Verderlmisses geworden, 


709) Zuerst hat diesen. Namen, wie ich aus einer Notiz Cramer: versah, 
ur. Holstein hergestellt, notae et castis. post. in Steph. Byz. edvira iL. 
B. 1Τὐν 1} 8. 911 2. εἰς W. Μύλασα; vou neueren hat sie meines Wissens 
zuerst. wieder öffentlich vorgebracht C. 1. Roth fr. hist. R. S. 525. 

3T) inole atdenisinm hat V, imoleatensium wird ans den Buslimianus u. τις 
angeführt. Dass daraus die Lesarten. der anderen Mss. anole athleniesiü 
R; more atheniensium I’; athe (ce. Par) niensium anthol, Vat. und Par, 
u, 8. OW.) stufenweise verdorben sind, leidet keinen Zweifel. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 33 


welche man fünf Jahre später Ad. Kiessling zu verdanken hatte5): 
mole atten(i)sium u. 8. w. ist aus Moelattensium entstanden nach 
der bekannten Umlautung des y in oe”), ohne dass deshalb mit 
Kiessling diese Schreibung des Archetypus unserer Hss. des G. noth- 
wendig auf diesen selbst zurückgeführt werden müsste. 

Wenn Sie dagegen es für 'unglaublich' halten, dass ich nicht 
mit Salmasius magistratum und weiter unten magistratus in den Text 
gesetzt habe und als hsl. Lesart dazu in Klammern magg. setzen, 
so ist doch zunächst auffallend, dass diese Nota, die sonst, wie Ihnen 
nicht unbekannt sein kann, magistratus im Plural bedeutet, hier den 
Sing. dieses Wortes bezeichnen soll, dem die Nota MAG. gebührt. . 
Dazu aber tritt, dass zwar einzeln in jungen Hss. dies verlangte 
magistratum (bezw. magistratus) selbst sich findet, in keiner aber, 
80 viel mir deren bekannt sind, dieses von Ihnen kurzweg als Lesart 
der Hss. (‘codd.’) bezeichnete magg., das Sie kaum irgendwo werden 
angegeben gefunden haben; aus Gr.s Referat über die von Ihnen 
empfohlene Lesung des Salmasius?") ging hervor, ohne dass Sie nur 
auf diesen selbst!) hätten zurückzugehen brauchen, dass er seine Conj. 
auf die Lesart von P mag. G. gestützt hatte; dasselbe, wiederum 
nicht magg., fanden Sie mit einem Kreuzesvorschlage, also als cor- 
rumpirte Lesart der massgebenden Ueberlieferung, bezeichnet in mei- 
nem Texte; die Schreibung einer Anzahl röm. Hss. (das sicher auch 
bei ihnen vorhandene mag. erscheint dabei grossentheils in magister 
bezw. magistrum aufgelöst) hätten Sie gleichfalls in der Ausg. von 
1706 gleich vorn in dem Briefe J. Gr.s an Passionei finden kónnen; 
die Lesarten meiner Hss. aber, die ich hier-nicht wiederhole, die aber 
im wesentlichen auch nur auf dieses mag. G. zurückführen®?), sind, 
da diese Stelle auf einer Erzählung des Sempronius Asellio beruht, 
schon 1870 der gelehrten Welt von H. Peter in seinen Hist. Rom. 
relliquiae5) (1182) mitgetheilt worden.5^) Die Lesart mag. G.nun könnte 
allerdings durch ein zerrissenes MAGG. entstanden sein, was aber 
dann eben nicht den hier nothwendigen Singular, sondern den Plural 
des betr. Wortes bedeutet hätte; auffallend bliebe daneben auch, dass 


-—— —— —— — —À 


8) A. K. de Dionysii Halic. ant. auct. Lat., Bonn (Leipzig) 1858, sent. 
controv. III. 7?) S. nur Ritschl im Bonner Vorlesungsverz. S. 1866 
8. VI fgg.; O. Jahn Ber. d. süchs. Ges. d. Wiss. 1857 S. 204 fg.; Corssen 
Ausspr. I? 710 A. * ἃ. a. 80) in der Anm. zu dieser Stelle in der 
Ausg. v. 1706, die Ihnen zur Hand war. 31) Exerc. Plin. add. S. 1347* 
vgl. 4105 d, Ausg. v. 1629. - 53) Auf dies mag. G. geht auch des Io. 
Sarisber. (polier. VI 12) Magmus Gaius zurück; wenn Sie Erheiterung 
suchen, kann ich Ihnen Havercamps Anm. zu dieser Erzählung des Asel- 
lio (in der Fragmentsammlung der Historiker: Sall. II 334) zum Nach- 
lesen darüber empfehlen. 8) die ja auch Ihnen nicht unbekannt ge- 
blieben sind, wie ich zuerst aus einer Anführung an einer späteren Stelle 
S. 698 ersah. 84) Auf S. 652, 1 fand ich noch spüter, dass Sie dies 
Buch für die Bruchstücke der Geschichtschreiber aus Nonius verglichen 
haben; auch für die aus G. entlehnten hätte es Ihnen alle nothwendigen 
Nachweisungen dargeboten. 

Jahrb. f. class. Phílol. Suppl. Bd. VII. Hft. 1. I 








M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 35 


im anderen Falle Böckhs Staatshaushaltung d. Ath. I? 286 fg. und, 
falls es Sie weiter interessirt, W. Vischers inscrr. Spart. (Basel 1853) 
S. 9 und dessen Árchüologisches und Epigraphisches aus Griechen- 
land (ebendas. 1855) S. 16 fg. nebst den Ausführungen des gelehr- 
ten Padre Bruzza in den Ann. des r. Inst. 1870 S. 131 fg. einsehen 
wollen; mein unvergesslicher Lehrer Bóckh, dem ich einmal diese 
Ansicht über die vorliegende Stelle vortrug, erklärte sich damit völ- 
lg einverstanden. Sollte freilich mag. nicht eine erklärende Zuthat, 
sondern nur eine Uebersetzung sein, so läge noch näher an ἄρχοντα 
(u. ἄρχων) zu denken, dgl. sich ja an so vielen Orten finden, dass man 
kein Bedenken tragen wird diesen Magistrat, wenn auch sonst für 
. Mylasa so viel ich weiss unbezeugt, auch für diese Stadt anzunehmen; 
event. könnte man dies Wort auch in allgemeinerer, dem “magistra- 
tus” ebenso völlig entsprechender Weise verstehen. Jene eventuelle, 
vor längerer Zeit einmal in Betracht gezogene Vermuthung wollte 
ich wenigstens nicht ganz unerwähnt lassen, weil sie sich durch ihre . 
nahe Anlehnung an das beigeschriebene lat. Wort empfiehlt und 
die Vertauschung der Worte ἀρχιτέκτων und ἄρχων (bezw. auch 
ἀρχιτέκτονος und ἄρχοντος u. s. w.) sehr wohl möglich war, wie 
sie denn erst kürzlich wieder durch ein hübsches Beispiel von Haupt 
im Hermes IV 29 illustrirt worden ist. Aber doch ziehe ich die, 
wie es wenigstens den Anschein hat, durch die Ueberlieferung und 
die auch eingehenderer antiquarischer Untersuchung stichhaltende 
Bedeutung des ἀρχιτέκτων bevorzugte Lesart vor und würde wohl 
80 kühn sein sie in den Text zu setzen, sobald ich den Apparat und 
einige erläuternde Worte hinzufügen dürfte; in einer blossen Text- 
ausgabe aber würde ich jetzt wie vor zwanzig Jahren T mag. G. 
schreiben, Mylattensium dagegen auch in einer solchen heute in den 
Text aufnehmen. 

Nachdem Sie mir bis hieher gefolgt sind, darf ich das Resultat 
des bisher gemeinsam zurückgelegten Weges wohl in einige Worte 
zusammenfassen, die jetzt nicht mehr den Charakter blosser Behaup- 
tungen und Versicherungen tragen. Ueber einige der behandelten 
Stellen ist eine Meinungsverschiedenheit möglich, und auch hier hat 
sich die positive Seite Ihrer Aufstellungen, wie z. B. an dem zuletzt 
behandelten Orte, nicht immer als unzweifelhaft bewührt; über eine 
ziemliche Anzahl anderer kann es, wie Sie jetzt mit mir überzeugt 
sein werden, eine Verschiedenheit der Ansicht nicht geben. Dass 
G. aus Cato den Dativ lumine und ein si quis, oder meinethalben 
si ques, arbitrantur nicht heraus corrigirte, dass er in der an- 
geführten Stelle der Planciana is retinet alienum, dass er qui lectita- 


öffentlichen, seinem Fache nahe stehenden Unternehmungen vorgesetzte 
ἀρχιτέκτων τοῦ θεάτρου xal τῶν τῆς πόλεως ἔργων wahrscheinlich aus 
Aspendos C. I. Gr. III add. n. 4842 d? und (lückenhaft geschrieben aber 
nicht minder sicher) d* S. 1162. ὍΝ 

8 


56 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


runt .. crediturum, dass er rapsatur, dass er abhinc multis annis 
geschrieben hat u. 8. w., das denke ich Ihnen zwar mit geziemender Be- 
scheidenheit, aber doch auch mit einer objectiven Sicherheit nachge- 
wiesen zu haben, die keinem Zweifel Raum lüsst. Dabei wird Ihnen 
denn auch wohl zum Bewusstsein gekommen sein, dass ich nicht 80 
unüberlegt, nicht so mit Verachtung der gangbarsten, in jeder Gram- 
matik für die mitileren und unteren Stufen des Gymnasiums zu fin- 
denden Regeln, nicht so ohne jede Fähigkeit, das richtige und un- 
zweifelhafte auch als solches zu erkennen und zu ergreifen und die 
Zulässigkeit des zweifelhafteren abzuwägen, zu Werke gegangen bin, 
als Sie es sich nach Ihren sehr apodiktischen Urtheilen und Ihren 
zum Theil sehr elementaren, doch zunächst an meine Adresse gerich- 
teten Belehrungen vorzustellen, oder ich darf wohl nun bereits sagen, 
vorgestellt zu haben, scheinen. Davon lassen Sie sich nun des wei- 
leren überzeugen, wenn. wir den von Ihnen allein zurückgelegten 
Weg noch einmal οὖν τε du’ ἐρχομένω durchwandern; mancher der 
auf Ihrem einsamen Gange ausgetheilten Hiebe freilich wird dabei 
auf mir sitzen bleiben, andere werde ich aber auch nicht minder 
sicher abwehren. Wo es gesessen hat, da nehme ich die castigatio 
meiner Person geduldig, die damit verbundene des Textes dankbar 


zl 


entgegen; in dubiis bediene ich mich der kanonischen, schon oben “ 


in Anspruch genommenen Freiheit, nach Umständen oder Neiguns 
meine abweichende Meinung zu Gehör zu bringen oder mein Urth 
vorerst zurückzuhalten??); dasjenige aber, worin Sie mir (so weit 
mir die bisherige Prüfung Ihrer Aufstellungen ergeben hat, die nc 
nicht alles umfasst hat und daher kaum erschöpfend gewesen : 
wird), natürlich ohne Absicht oder nur Ahnung Unrecht zugr 
haben — wesentlich doch wohl, weilSie mich einem Madvig für 
unebenbürtiger erachteten als ich es in Wahrheit bin, und w 
sich deshalb nicht veranlasst gesehen haben etwaigen nicht 
Oberflüche liegenden Gründen meiner Entscheidungen nachzu; 
das erlauben Sie mir weiter Ihrem unbestochenen und unbesi 
Urtheile vorzulegen. 
I 22, 16 wird ein Vers des Ennius citirt: 

Inde sibi memorat unum super esse laborem 
und darin das super esse, über dessen verschiedene F 
ausführlich gehandelt war, erklärt durch id est reliquur 
stare, worauf die Hss. bieten und ich geschrieben (und 
habe: quod, quia id est, divise pronuntiandum est, u' 





89) Alles, was eine lüngere Untersuchung erfordert | 
die ich das Material nicht in meinen Aufzeichnungen ' 
schnell herbeischaffen konnte, habe ich bei Seite gela 
scheinen dieser meiner Antwort nicht hinauszuschie 
Charakter einer Improvisation (in allem wesentlicher 
in Tenig mehr als vierzehn Tagen niedergeschrir 
wollte. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 37 


orationis esse videatur. Sie sagen: 'sensu carere illud quia id est con- 
fitentur'?); von mir gilt das nicht, da ich sonst ein T dazu gesetzt 
hütte. Und ist denn wirklich sinnlos: super esse finden wir in dem 
Verse: Inde . . super esse laborem, das ist (auf super esse allein be- 
züglich) reliquum esse et restare, welches (ohne jeden Zwang wieder 
auf super esse zu beziehen), weil es dies (d. h. reliquum esse und 
restare) ist, d. h. weil es sc. an dieser Stelle diese Bedeutung hat, 
getrennt ausgesprochen werden muss? 

II 2, 7 habe ich zunächst zu bemerken, dass durch einen Irr- 
thum in meinem Texte gedruckt steht conspicimus st. inspicimus. 
Ich schrieb mit J. Gr.: tu interea sededum, cum inspicimus quaerimus- 
que, uirum conveniat tene potius sedere qui pater es an filium qui 
magistratus est. Sie verwerfen diese Lesart. “Pravum’ sagen Sie 
‘sededum (neque enim ab agedum, iteradum haec forma transferri 
ad ceteros imperativos potest, addito praesertim interea, quocum 
necessario coniungitur dum), pravum cum pro dum, pravum conspi- 
cere in hae re.’ Diese Bedenken gebe ich Ihnen zum Theil zu?!) 
und würde zwar nicht mit Ihnen, wie auch Th. Mommsen nach hsl. 
Mittheilung vor längerer Zeit vermuthete, sede dum circumspicimus ??), 
sondern mit der Aldina sede dum inspicimus schreiben.) Ungern 
gebe ich dabei das sededum auf, das der Rede des Taurus an den 
würdigen alten Herrn, den er nóthigt sich nur absque praeiudicio 
in — wenn's erlaubt ist — Gottes Namen zu setzen, bis man über 
die Etikettenfrage zwischen ihm und seinem Sohne wegen eben die- 
ses Sitzens ins reine gekommen sei, einen etwas erhöhten Grad von 
Behaglichkeit und mit leiser Ironie beschwichtigender Höflichkeit zu 
geben scheint, als der dem ehrwürdigen Vater eines anwesenden höch- 
sten Staatsbeamten gegenüber fast etwas zu kategorische Imperativ, 
der freilich anderseits der Anmassung dieser Sophisten der Kaiser- 
zeit, deren einen G. hier reden lässt, entspricht. Und an und für sich 
wäre gegen ein solches sededum, wenn nur nicht, was wieder ich 


?^) Das gilt, wenn es ein ausdrückliches Bekenntniss bezeichnen soll, 
nur von J. Gr. Abgesehen von Carrios quia idem est, auf das jene Aeus- 
serung sich mitbezieht, ist freilich zu d. St. viel conjicirt worden: zu. 
Gr.s und J. Gr.s Vermuthungen kommt Falsters quicquid est, Othos qua 
id est. Sie selbst vermuthen quidem, was Ihnen dann auch in vett. 
editt. ante Gron. (genauer: zuerst in der Aldina) nachgewiesen worden 
ist; soll einmal geändert werden, so ist das sicher allen andern Versuchen 
vorzuziehen. ?!) Für inspicere, wie ich schreiben wollte, fällt das letzte 
fort, vgl. VII 6, 7; XI 3, 5 "rid penitus, quid efficient verba haec; 
Quint. XI 1, 8; Mart. I 83, 6 9. Wie denn wohl auch mein un- 
achtsames Stehenlassen dea couple in dem von mir als Ms. benutz- 
ten Lionschen Text diese Vermuthung mit hervorgerufen hat. 38) Somit 
erscheint die Lesart von P sede.dü cü inspicimus, der ich folgte, als 


dü 
minirt aus der Variante cü; von dieser tritt nur die lectio non emen- 
iig sede.cum inspicimus in VR und den anderen Hss. auf; sede dum 
conspicimus wird bei Io. Sarisb. policr. IV 7 gelesen. 


38 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


meinerseits übersah, das interea ein dum verlangte, nichts einzu- 
wenden: Ihre Vorschrift, dass von agedum und iteradum ") diese Form 
auf die übrigen Imperative nicht übertragen werden könne, bezieht 
sich auf Cicero und die mustergültige Prosa, nicht auf die Sprache 
des Volks und des Lustspiels, in der dergleichen Formen keinesweges 
selten sind; in diese Kategorie gehört schon das, wie bereits bemerkt, 
bei Cicero an der Spitze eines Briefs an Atticus (XIV 14) und in 
den Tusculanen (II ἃ 44) vorkommende iteradum eadem istaec (oder 
minder genau ista) mihi; denn auch das ist kein Bestandtheil der 
eigentlich ciceronischen Phraseologie, sondern, wie ich Ihnen selbst 
am wenigsten zu sagen brauche, eine Reminiscenz von der Bühne 
her.) Durch dies populär gewordene 55) iteradum allein würde ich 
mich schon bei G. zur Annahme ähnlicher Formen berechtigt glau- 
ben, aber es bietet sich eine ganze Fülle derselben dar, bei Plau- 
tus, bei Terenz, zu dem auch Donat (zu Andr. I 1, 2 adesdum) dar- 
über spricht: abidum, cedodum, dicdum, iubedum, memoradum, sine- 
dum, tacedum ete. etc.; eine Anzahl davon führt z. B. Krüger an, 
lat. Gramm. 8 633, 3; s. auch Corssen Ausspr. II* 856 und ausführ- 
lichere Nachweisungen bei Hand Turs. II 329.**) Danach ist denn 
kein Zweifel, dass dergleichen für G. durchaus statthaft wäre, und 
wenn ich an dieser Stelle in Folge Ihrer anderweiten richtigen Auf- 
stellungen davon Abstand nehme, so geschieht es trotzdem dass, nicht 
weil ich diese Form hier aufgeben muss."*) 

II 6 im lemma bei mir: et quid his, qui improbe [id] dicunt, 
respondeatur; Sie: 'scribi debet qui improbandum id dicunt. Dass id 
ein Zusatz sei, der nicht in den Hss. steht, zeigten Ihnen die eckigen 
Klammern; schon Stephanus setzte es vor improbe zu, mir schien 
es leichter, den Ausfall zwischen improbe und dicunt anzunehmen. 
improbe dicere steht z.B. auch bei Plinius n. ἢ. XVI S 78 hae mites 
(sc. arbores) .. non improbe dicantur urbanae, und (i. selbst hat 
diese Verbindung noch XV 5, 1 (ignoratione et inscitia improbe di- 
centium) und 9, 4 (qui frontem improbe indocteque non virili genere 
dicimus).") Dass diese Stellen einen Tadel der formalen Seite d' 


94) Das ist freilich die einzige weitere Form der Art, die sich Y 
Cicero findet. ?5) Aus Pacuvius lliona: s. Cic. acad. pr. 11888. 9*5 Me 
würdig, dass Pac. seiner ganzen Art gemärs sich hier volksmüsr 
ausdrückt als in ganz ähnlicher Situation Plaut. rud. IV 8, 1 (v. 1 
Iterum mi istaec omnia itera, mi anime, mi Trachalio, wo man itera 
gegen beide Palatini vergeblich einzuschmuggeln versucht hat. 597) 
Recht weist dieser die Versuche, ein solches dum bei Catull 10, 27 
bei Sen. Med. 995 P.-R. in den Text zu bringen, zurück (zu dem : 
Verse vgl. Haupt berl. Vorl. Vz. 8. 1857 S. 5 fg.; Bergk Phil. XJ 

?5) ] 3, 3 schreibt A NONMIHIDVM sicher falsch st. nondu' 
wie Canter geschrieben hatte; ibidum st. ibitum XX 8, 1 entbe) 
Begründung: vgl. Pricaeus zu Apul. Il 477» Oud. 99) Eben: 

V 20, 7 quod si ita est, neque in Graeca neque in Latina li 
cismus probe dicitur. So auch Fronto de oratt. g. E. S. 162 N: 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 39 


Rede bezeichnen, hindert nicht dasselbe Wort auch auf einen Tadel 
des Inhalts zu beziehen, da der ethische Ausdruck der schon berühr- 
ten Anschauung des G. gemäss auf jene Seite erst übertragen er- 
scheint: wie etwas inhoneste et improbe factum est (X 19, 1), so 
kann etwas auch improbe dici, und ich verstehe nicht, welchen An- 
stoss es haben kann, wenn G. dem Tadel gegen diejenigen, die be-: 
haupteten, dass Virgil gewisse Worte ignaviter et abiecte gebraucht 
habe, dem Inhalt des Cap. entsprechend in der Ueberschrift den Aus- 
druck gibt: “und was denen zur Antwort dient, die das zu Unrecht 
sagen (behaupten), und weshalb an dessen Stelle eine von der Ueber- 
lieferung sich viel weiter entfernende Lesart treten soll, die statt des 
durchaus passenden Tadels derer die dgl. behaupten, von Seiten des 
G. nur eine Wiederholung dessen enthält, dass sie selbst den Virgil 
tadeln, was in der vorhergehenden Mittheilung ihrer Behauptung, 
dass V. jene Worte ignaviter et abiecte gebrauche, bereits zur Ge- 
nüge angezeigt war. 

II 12, 1 wird nach Aristoteles über das bekannte solonische 
Gesetz berichtet, das den mit der Strafe der Verbannung und ihrer 
Folgen bedroht, der, si ob discordiam dissensionemque seditio atque 
discessio populi in duas partes fiet et ob eam causam utrimque arma 
capientur pugnabiturque . . in eo tempore eoque casu civilis discor- 
diae sich keiner von beiden Parteien (vgl. S. 8) angeschlossen hat, 
sed solitarius separatusque a communi malo civitatis secesserit. 
Hier nehmen Sie an malo Anstoss; denn “non a malo communi cives 
secedere vetantur, sed a salutis communis contra malum dissensione. 
Vielmehr: dieser ganze Zustand der politischen Spaltung wird als 
eine Öffentliche Calamitüt angesehen, der der einzelne sich nicht ego- 
istisch fern halten, sondern die er mit der gesammten Bürgerschaft 
gemeinsam tragen müsse, was dann eben bedingt, dass er am Streite 
selbst durch offene Parteinahme sich betheiligt. So ist zwar a com- 
muni civitatis, ἀπὸ τοῦ κοινοῦ τῆς πόλεως, wie Sie schreiben, 
durchaus unanfechtbar, aber ebenso ist es auch das überlieferte a 
communi malo civitatis, das daher beibehalten werden muss. 
Beides zusammen führt als Motiv bei Erwühnung dieses Gesetzes 
Plutarch an (Solon 20): βούλεται δ᾽ ὡς ἔοικε μὴ ἀπαθῶς μηδ᾽ 
ἀναιςθήτως ἔχειν πρὸς τὸ κοινὸν u. 8. w., ἀλλ᾽ αὐτόθεν εὐυγκινδυ- 
νεύειν καὶ βοηθεῖν μᾶλλον ἢ περιμένειν ἀκινδύνως τὰ τῶν κρατούν- 
τῶν: jene Seite verlangen Sie besonders betont, diese betont nach 
Aristoteles G. Noch deutlicher tritt das in der Gegenausführung 
hervor bei demselben Plutarch praec. ger. rei p. c. 32, 5 δόξεις 
γὰρ οὐχὶ τῷ μὴ cuvadıreiv ἀλλότριος, ἀλλὰ τῷ βοηθεῖν κοινὸς 
εἶναι πάντων. καὶ τὸ μὴ ευνατυχεῖν οὐχ ἕξει φόνον, ἂν máct 
φαίνῃ ευναλγῶν ὁμοίως. 


quitatis verbum usitatum, sed nusquam [eo] sensu usurpatum [neque] 
probe adscitum. 


f) M. Hertz: vindiciue Gellianae alterae. 


Glünzend ist Ihre Verbesserung des Bruchstücks einer Rede des 
jüngeren Scipio II 20, 6: ubi agros optime cultos atque villas ex- 
politissimas vidisset, in his regionibus excelsissimo loco murum sta- 
tuere 199) ajebat, inde corrigere (wofür sie beiläufig derigere vermuthen) 
viam u. s. w. Hier haben Sie Recht zu sagen: 'inepta muri subito 
statuti et viae, quae inde corrigatur, mentio est.’ Sie schlagen dafür 
grumam vor, und Ihnen bleibt das Verdienst den Schaden erkannt 
und geheilt zu haben, auch wenn man lieber grumum (den Htigel, 
auf den das Messinstrument gestellt wurde!"')) in den Text aufnehmen 
wird, das der Ueberlieferung etwas nüher kommt. Ich würde diesen 
Vorschlag trotzdem nicht machen, wenn nicht die grumi (die eben 
dauernd blieben, auch nachdem die gruma!"?) ihre Schuldigkeit gethan 
hatte) als Merkzeichen bei den Feldmessern angeführt würden: s. lib. 
colon. I. Dalmat. S. 241, 2; Boetius demonstr. art. geom. S. 401, 3 
Lachm., hier mit dem Beisatze: id est congeriem petrarum, woneben 
unter den Erklärungen der verschiedenen Grammatiker (s. Festus ep. 
S. 96; Nonius S. 15, 24) namentlich auf Char. S. 19 P., 32, 31 K.: 
hi grumi oi τῶν ὅρων λίθοι nebst den Excerpten aus demselben 8. 
548, 27 K.: hi grumi oi διορίζοντες τοὺς ὅρους und die von 
O. Müller zu Festus ep. a. a. O. citirten Glossen zu verweisen ist. 

In der stark verderbten Stelle über den Wind Iapyx II 22, 21 
las ich früher: Iapygiae ipsius ore proficiscente[m] (quasi finibus 
Apuliae) Apuli eodem, quo ipsi sunt, nomine Iapygem dicunt. Ich 
hielt dabei quasi finibus Apuliae für ein Glossem, das das ursprüng- 
liche Apuli, als mit dem letzten Worte eben dieses Glossems fast 
gleichlautend, aus dem Texte verdrängt habe. Die Hss. bieten mit 
wenigen Abweichungen, im wesentlichen 80 wie Sie es selbst auc! 
angeben, ἃ ΠῪ ΓΙὰ ipsius ore proficiscente quasi finibus apulia eode 
u. S. w., nur dass Scioppius ore proficiscentem als Variante mitthei 
Apuli als Lesart des Fulvianus angeführt wird. Ich glaube jet 
dass in nahem Anschlusse*an diese Ueberlieferung zu lesen sei: 
(was, wie auch Sie bemerken, nach dem vorhergehenden e leicht 
fallen konnte) Ἰαπυγίας ipsius orae proficiscentem quasi si 
Apuli eodem quo ipsi sunt nomine lapygem dicunt, wozu ΑἸ 
c. 0 zu vergleichen ist: iapyx . . qui ab Iapygio Apuliae prom 
flat, und namentlich Apul. de mundo c. 14 Apuli iapygem ' 


19) So vg.; locorum mu statuere V; loco ru mustatuere R: 
statuere P; locorum murum statuere gc. 1) Mit Recht wir 
als ein in der Um ssprache sehr übliches Wort bezeichne! 
ling in seinem Versuche einer Charakteristik derselben (im 
Gymn zu Kiel 1873) S. 11, wozu noch zu vgl. W(ölffllin?) lh 
1873, 27, 846; das Deminutivum grumulus braucht Apul m: 
vor ihm Plinius n. h. XIX 8 112; bei G. selbst wird mult 
Laevius angeführt XIX 7, 15. 195) Uebrigens sind gruma 
63, 4 M.) auch loca media, in quae directae quattuor cor 
conveniunt viae. ' 











M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. A1 


giae sinu, id est ex ipso Gargano, venientem.!?*) Gegenüber dieser 
einfachen und wahrscheinlichen Wiederherstellung, in deren Grund- 
zügen wenigstens ich zu meiner Genugthuung mit Ihnen übereinge- 
troffen bin!9*), wird Ihre Egnatia, mit Ihrem gütigen Verlaub auch 
an dieser Stelle *Lymphis iratis exstructe’, kaum Eingang in den 
Text beanspruchen dürfen, von dem sie sich ohne Noth allzuweit 
entfernt. 

Ueber Ihre Versuche zur Wiederherstellung der Bruchstücke 
des Menander ünd Caecilius II 23 bin ich noch nicht überall zu einem 
abschliessenden Urtheil gekommen; nur im Vorbeigehen will ich be- 
merken, dass im dritten Bruchstück des Menander (8 20) V. 8 nicht 
mit Ihnen οὐδ᾽ ὀνάμενος zu lesen ist, sondern mit Zedelius und 
Gaisford unter Cobets (Mnemos. IX 135) Beistimmung: 


τῶν μὲν ἀνιαρῶν ἔχων 
τὸ μέρος ἁπάντων, τῶν δ᾽ ἀγαθῶν οὐδὲν μέρος. 


III 2, 10 treffen Sie mit Otho zusammen. Ihr Ausspruch 'Sol 
magnus nihil est’ überzeugte mich von vorn herein nicht, wenn ich 
mir den weit über die Bezeichnung räumlicher Grösse hinausgehen- 
den Umfang der Bedeutung dieses Adj. vergegenwürtigie, wie ihn 
z. B. Nägelsbach lat. Stilistik* 8 70 S. 187 fg. skizzirte (im Unrecht frei- 
lich Ihnen gegentiber in Bezug auf Cic. de fin. V 8 50). Ich hatte 
nie nach Beispielen dafür gesucht, weil mir die Berechtigung und die 
Bedeutung eines solchen Gebrauchs unzweifelhaft war. Etwas völlig 
gleiches vermag ich nach der kurzen Umschau, die ich inzwischen 
anstellen konnte, nun auch in diesem Augenblicke nicht beizubringen, 
ohne an meiner Ansicht irre geworden zu sein. An und für sich 
kommt die Verbindung magnus sol, wie Sie selbst wissen, recht oft 
vor. Aber gar nicht hieher gehören Stellen, wo die Personification 
des Sonnengottes ausschliesslich hervortritt, wie bei Ovid rem. am. 
276, wo Circe sagt: quod dea, quod magni filia Solis eram 5), eher 
schon met. XIII 852 fg., wo magnus zwar auch als epitheton per- 
petuum erscheint, aber so, dass die Anschauung des sol als Person 
und als Himmelskórper ganz in einander übergehen und dasg schon 
damit die Möglichkeit eines Gebrauchs, wie wir an dieser Stelle ihn 
finden, meines Erachtens kaum noch in Abrede gestellt werden 
kann: 


195) Vgl. die v. l. bei Bosscha und bei Hildebrand; das id est ex 
Gargano konnte Apul. sehr wohl selbst hinzufügen. Mit dem sinibus bei 
G. war mir, wie ich später sah, Pontanus cent. I 16 zuvorgekommen; 
wie es der Ueberlieferung, dem Sinne und dem Seitentexte des Apul. ent- 
spricht, so ist es auch formell unanstóssig: s. Neue Formenlehre I 379, 
dem nicht entgangen ist, dass auch Apul. gerade in dem Schriftchen de 
mundo diese Form zweimal gebraucht (c. 6 uo c. Rc i ur 
gen vor ex lapygiae ipsius ora proficiscentem Egnati ibus. 106) So 
auch Val. Fl. TI 282 fg.; 360: 458 fg. u. a. 


49 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


quid? non haec omnia magnus 
Sol videt e caelo? Solis tamen unicus orbis.!') 

Sol magnus aber, wie ich den Ausdruck bei G. fasse, wo die Ut 
lieferung diese Worte unmittelbar zu fordern scheint, entspricht 
kann bei dem so häufigen Uebergange der Bedeutungen von ma; 
und multus in einander entsprechen dem medio cum plurimus. 
Sol erat et minimas a vertice fecerat umbras in demselben ovid 
schen Gedichte XIV 513 fg., dem vom Sonnenbrande der hei 
Zone gebrauchten nunc invi& mundi Arva super nimios soles 
strumque iacentes bei Lucan VIII 163 fg. (vgl. IX 382 fg. Vadi 
in campos steriles exustaque mundi Qua nimius Titan). Die 
Ueberlieferung in VPR ist, wie Sie sie richtig von Gr. angegt 
finden konnten!?") und wie ich Sie nicht näher bezeichnen kon 
post meridiem solem agnum (sole magnum V); die Hss.-classec 
sole magno; dass jene Lesart sehr leicht aus post meridiem 
magno agunt entstehen konnte, liegt zu Tage. Dass nun sol mag 
nicht selten verbunden vorkommt und dem römischen Ohre dem: 
nicht fremd klang, haben wir an einer Reihe von Beispielen, die 
fast stans pede in uno zusammenbringen konnte und die sich si 
erheblich vermehren liessen, gesehen, und wenn der Ausdruck 
dieser Stelle auch nicht der eigentlich technische war, so wai 
meines Erachtens durchaus unzweideutig und deutlich. Und so z 
ich auch noch meine Lesart sowohl Ihrer an sich freilich ganz ui 
stössigen, aber etwas künstlich zurecht gemachten Vermuthung : 
medium solem agunt!(9) nicht minder vor als dem Anschlusse an 
nach meiner Ansicht nur ungenau paraphrasirenden Worte des Macro 
Sat. I 3, 10 post exortum solem agunt, die schon in den Grypb 
schen Texten erscheinen und die neuerlich wieder von Th. B: 
(quaest. Enn. spec. nov., Halle 1860, S. IV fg.) und von Th. Mo: 
sen (R. Staatsrecht I 26, 2) empfohlen worden sind. 

III 3, 4 heisst es von dem Lustspiel Boeotia, dass Varro nich! 
zweifelt habe quin Plauti foret, und dass neque alius quisquam no 
frequens Plautilector daran zweifeln werde, wenn er nur dio folge 
(neun? s. ram. Gell. S. 17 Anm.**) Verse aus dieser Komödie gel 
habe, qui quoniam sunt, ut de illius Plauti more dicam, Plautinis: 
propterea et meminimus eos et ascripsimus.  Liessen die Hss. 
an irgend einer Stelle den Cicero sagen, so würe, von anderem a 


19) S. auch Val. Fl. I 44 heu magni Solis pudor. In noch anm 
Bedeutung Apul. met. XI 26 ecce transcurso signifero circulo 80] ma 
annum compleverat, wo die Ausleger zu vergleichen sind. 197) Er 
ausdrücklich den Lesarten der alten Ausgg. gegenüber: 'at Rot. et 
et post meridiem solem agnum, und Sie brauchten sich die Uebi 
ferung deshalb nicht mühsam und so gut es eben móglich war aus 
nem Texte herauszuconstruiren. Ihre Klage, dass J. Gr. sie “obscure 
didit", verstehe ich nur, wenn ich annehme, dass Sie 1) seines Vaters 
für die seine gehalten und 2) jene Angabe darin übersehen h: 

104) “Interpretando natum post meridiem, retento solem". 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 43 


sehen, Thre so einfache Conjectur ut de illis Plauti more dicam noth- 
wendig, da Cicero, um mit Hand Turs. II 215 zu reden, ‘non ita 
(d. h. de more) dicit, sed more. Aber dieser Ausdruck ist seit der 
augusteischen Zeit sehr verbreitet!®), G. selbst braucht ihn (XII 5, 2) 
und ich móchte ihm den etwas erweiterten Gebrauch dieser gang- 
baren Redeweise nicht rauben, zumal das illius Plauti sich durch das 
unmittelbar vorher zweimal gesetzte Plauti völlig rechtfertigt. Ich 
habe einmal daran gedacht ipsius vorzuschlagen (vgl. III 16, 23; 
IX 4, 14), muss aber auch das für überflüssig erklüren. 

III 7, 19 sagen Sie 'oratio prorsus non cohaeret (in quo genere 
nihil omnino negligentiae libertatisque propriae Gellius habet)" u. s. w., 
was schon an und für sich, wie ich bereits auszuführen mir ge- 
stattete, nicht ganz richtig ist; an dieser Stelle aber wenden Sie diese 
Ihre Ansicht auf ein Bruchstück des Cato an, das Sie demgemiiss 
durchcorrigiren. 

Ebendas. $ 21 glauben Sie ‘errore apud Hertzium scriptum Clau- 
dius Quadrigarius annalis tertio. Ich habe mit vollem Bedachte sd 
geschrieben.!!?) Zunächst der besten Ueberlieferung folgend; .denn 
annalis haben VP und nicht anders ist annal in R aufzulösen; die 
jungen Hss. geben annali. Dass G. sonst so!!!) oder in tertio annalium 
sagt, hat auch mir natürlich nicht verborgen bleiben können, aber 
G. ist eben ein Raritütenkrümer, der gern einmal etwas auch von 
seinem sonstigen Sprachgebrauche abweichendes dem feinschmecken- 
den und, dem Zeitgeschmack entsprechend, nach etwas haut goüt 
lüsternen Leser zum besten gibt, und so habe ich dies einzeln ste- 
hende annalis angesehen, wührend schon die Schreiber der jungen 
Hss. beflissen waren dies, wie so manches eigenthümliche, zu ver- 
wischen. Dass ein Annalenwerk auch als ganzes als annalis be- 
zeichnet werden konnte, wird kaum ganz in Abrede zu stellen sein. 
So hiess zunüchst das Werk des Átticus, von dem aber hier abzu- 
sehen ist, da es nur aus einem Buche bestand.!!?) Aber auch Varros 
III libri annalium, wie der alte Katalog seiner Schriften sie bezeich- 
net, werden so citirt bei Char. S. 81 P., 105, 6 K.: Varro in annali. 
Putsche schon schrieb dafür 3. Annali, Lindemann vermuthete in 








109) s. nur die Beispiele bei Hand. 110) Die Abweichung vom 
Gronovschen Texte in der Vorr. anzugeben habe ich hier versüumt. 

11!) Sie theilen hier die Beobachtung mit, dass dies in primo u. s. w. 
annali apud Ciceronem semel legitur (Brut. 8 58) et apud Quintilianum 
(VI 4, 86 in ioco). Aus dieser Art der Mittheilung geht für den, der die 
letztere Stelle nicht kennt oder nicht nachschlügt, es nicht hervor, dass 
der iocus bei Quintilian wieder dem Cicero ehürt. 112) In tuo annali 
Cic. ad Att. XI 23, 2; in annali suo Corn. Nep. Hann. 13; in annale 
(annali und annalibus andere) Ascon. S. 13 Or.; uno libro Cic. or. 8 120; 
ilius libri . . istum ipsum librum Brut. $ 13 fg.; in eo volumine Corn. 
Nep. Att. 18. Bei Asconius a. a. O. annalibus zu lesen, wie noch Hulle- 
man diatr. in T. Pomp. Att. S. 185, 3 annahm, fehlt es völlig an Be- 
rechtigung. 


44 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


annalibus; Ritschl in seiner meisterhaften Abhandlung über die 
Schriftstellerei des Varro (Rh. Mus. VI 509) nimmt den Ausfall vos 
] oder II nach annali an, “da der Singular ohne Zahl für ein Werk 
von mehreren Büchern keine Rechtfertigung zulässt’, ganz so wie Sie 
*unius annalis libri plures nec Quadrigarii nec aliorum erant.' Histo- 
ria aber und historiae kommen nun trotz dieser von Ritschl wenig 
stens ganz allgemein ausgesprochenen und auch von Ihnen doch wohl 
nicht nur auf jenen einen Titel beschränkten Behauptung auch voa 
einem und demselben, aus mehreren Büchern bestehenden Werke 
nebeneinander vor, und Nonius citirt wenigstens nach den His. voa 
Sisenna bald historiae lib. I u. s. w. (z. B. fr. 6; 9 P.) bald histori- 
arum lib. III u. s. w. (z.B. fr. 10; 11); bei Servius z. Aen. IX 710 
heisst es Lutatius communium historiarum 15), bei Probus z. G. III 
293 in primo communis historiae. Auf die Anführung bei G. selbst 
X 24, 7 . . verbum hoe sumpsit Coelius ex origine M. Catonis mag 
ich kein grosses Gewicht legen, da die Aenderung ex origine IV M. 
Catonis!!*) auf der Hand liegt; doch ist es immer möglich, dass G. 
jenes schrieb, da auch Macrobius, der ihn ausschreibt (Sat. I 4, 26), 
zwar den Plural, aber auch keine Buchzahl bietet.!!?) Coelius Anti- 
pater ferner, um auf den vorliegenden Titel zu kommen, wird bei 
Nonius häufig citirt: Caelius annali lib. Iu. 8. w. (fr. 7; 23; 30; 38), 
Caelius annali schreibt Peter fr. 57 (aus Non. s. v. pedetemtim 8. 
29, 2 M): aber die Hss. haben hier A naui, anavi, annavi nnd mas 
wird wohl mit anderen ein Citat aus dem ersten oder sechsten Buche 
anzunehmen haben, das die Ueberlieferung andeutet und daa den 
sonstigen Anführungen des Coelius bei Nonius entspricht; ohne alle 
Variante wenigstens aber steht Quadrigarius annali, allerdings auch 
vereinzelt, bei demselben u.d. W. spolior S. 480, 11 M.; fr. 11P."9) 


118) Dass bei Servius häufig Citate in dieser Form überliefert sind 
bemerkt H. Peter a. a. O. S. CXXXX 1; er citirt ausserdem Cato origg. 
fr. 31; 124 (vielmehr 123) nach seiner Zühlung; Coelius historiarum ft 
58; Asellio historiarum fr. 14: Ergänzung einer I, II, III, III oder, wt 
es sonst gestattet ist, einer VlII liegt auf der Hand und ist wohl überal 
vorgeschlagen (zuletzt für das Bruchstück des Asellio von Wölfflin Phil 
33, 66); dazu kommt aber noch Cato fr. 45; Gellius annalium (VIII Mel 
tzer Jahrb. 1872 8. 432) fr. 33; ebenso die Ueberlieferung des Nonius be 
Quadrigarius fr. 93; 94; Quicherat gibt dort aus eigener Vermuthun; 
Annali VIII, hier Annalium lib. IIIl angeblich mit einem cod. Par. 757 
nach dem Vorgange der Aldina, die annalium . libro quarto hat. E 
bedarf aber (von dem letztgenannten Falle abgesehen, wo L. Müller 
Ausgabe erst Entscheidung über den Werth jener Lesart bieten wird) eı 
neuter Ueberlegung, ob hier nicht wirklich eine besondere Art der Anfüt 
rung vorliegt, wie es Peter annimmt. 114) s. de hist. R. rell. quaestt. S. 17 f; 

115 Accius didascalico lib. IT u. s. w. und pracmatico (sic) lib. I, ws 
die Hss. des Non. mehrfach bieten, ist von Osann (Anal. crit. S. 62) un 
Ihnen íopusc. ac. S8. 99 fg.) in didascalicon und pragmaticon geünde: 
worden. (διδαςκαλικῶν schon Junius). 1198) G. citirt sonst die catonische 
Origines sehr abwechselnd: bald ohne die Buchzahl anzuführen (in origin 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 45 


Ritschl selbst führt ferner zur eventuellen Vertheidigung eines sol- 
chen Singulars an, dass auch liber für ein aus mehreren Büchern 
bestehendes Werk in dem Sinne von Schrift ein paarmal vorkomme; 
wenn er diesen Brauch auf nachlässig redende Grammatiker be- 
schränkt!!”), so wird man unter diese Kategorie doch kaum Varro 
de re rust. rechnen, der II 3, 3 sagt in originum libro Cato scribit haec, 
und damit wird es denn auch wahrscheinlicher als Ritschl annahm, 
dass derselbe Varro im Parmeno nach dem Zeugniss aller bekannten 
Hss. (einschliesslich des Leid. 1) bei Nonius u. poesis S. 448, 7 
M. wirklich schrieb Ilias Homeri et Annalis Enni (dafür geben die 
Hss. en).!5) Nach alledem kann ich Ritschl zugeben, dass das an- 
nali bei G. VII 9, 1 L. Piso in tertio annali... .locum istum totum 
huc ex Pisonis annali transposuimus sich auf jenes unmittelbar vor- 
hergehende in tertio annali zurückbezieht, und doch annehmen, dass 
der Singular annalis auch für ein aus mehreren Büchern bestehendes 
Werk einzeln gebraucht worden sei. Wenn aber dem so ist und 
wenn die besten und die Spuren der Eigenthümlichkeit des G. viel- 
fach sorgfältig bewahrenden Hss. an einer einzigen Stelle diese an 
und für sich nicht beispiellose und der Rechtfertigung nicht entbeh- 
rende Schreibweise bieten, so ist es zwar leicht und mit dem ersten 
besten Handgriff, wie ihn die Schreiber der interpolirten Hss. an- 
wenden und auch hier angewendet haben, abgethan, eine solche auf 
den ersten Blick einem jeden befremdliche Lesart in die gangbare 
Scheidemünze umzusetzen; ein Herausgeber aber, der sich mit dem 
Schriftsteller einigermassen vertraut gemacht hat, wird nachforschen, 
ob derselbe nicht wenigstens so geschrieben haben könne — und 
da ich das nach der obigen Untersuchung bejahen und deshalb nach 
der Eigenart des G. eine solche einmal ausnahmsweise angebrachte 
Wendung nicht unwahrscheinlich finden musste, so hatte ich kein 
Recht von der Ueberlieferung abzuweichen, und Ihre schon oben 
eitirte Abfertigung der von mir aufgenommenen Lesart 'unius anna- 
lis libri plures nee Quadrigarii nec aliorum erant’ wird Ihnen nun 
wohl selbst als etwas allzubtüindig erscheinen. 

bus XVIII 12, 7; in libris originum 11 22, 28; libris originum III 7, 1), 
bald mit derselben und hierbei wieder wechselnd zwischen in (bezw. ex) 
primo u. 8. w. originum (auch mit nachgesetzter Zahl in originum quarto) 
oder in secunda u. s. w. origine; bemerkenswerth ist daneben VI 8, 7 
von der Rede pro Rhodiensibus: quae et seorsum fertur inscriptaque est 
pro Rhod. et in quintae originis libro scripta est, und XIII 25, 16 Cato 
ex originum VII in oratione, quam contra Ser. Galbam dixit. 

17) S. d. Beispiele S. 515 fg.; wenn mich meine Erinnerung nicht 
tüuscht, so lassen sich ihnen andere hinzufügen, ohne dass ich sie im 
Augenblicke anzugeben wüsste. 11) In. dem von Nonius ebendas. 

leichfalls angeführten Bruchstücke des Lucilius B. IX fr. 22 M. nennen 
ie Hss. dagegen in derselben Verbindung mit der Ilias das Werk des 
Ennius durchgehend annales, was die Glaubwürdigkeit der Schreibung 


annalis für die Varronische Stelle sicher erhöht (ut tota llias unast 
Cóv6ccc annalesque Enni L. Müller). 


46 M. Hertz: vindiciae (jellianae alterae. 


Gleich darauf III 10, 14 habe ich eui gestrichen. Sie führen 
das als einen Beweis von Naivetät an: “Hertzius . . cui simpliciter 
delet, reliquas difficultates non attingit Für mich aber bildete und 
bildet cui hier die einzige Schwierigkeit, und ich habe es nicht schlank- 
weg gestrichen, sondern, wie Sie selbst bei nochmaliger Einsicht in 
mein von Ihnen citirtes Programm werden zugeben müssen, seine 
Entstehung auf eine leichte und ungezwungene, paliographisch un- 
anfechtbare Weise erklürt.!!*) Discrimen periculorum heisst es nach 
Beseitigung desselben, in morbis maiore vi fieri putat (sc. Varro) 
in diebus, qui conficiuntur ex numero septenario, eosque dies omnium 
maxime, ita ut medici appellant, κριςίμους videri primam hebdoma- 
dam et secundam et tertiam, d. h. diese je siebenten kritischen 
Tage einer Krankheit sind am kritischsten und gefährlichsten den 
ersten, zweiten und dritten Siebentag, d. h. am siebenten, vierzehnten 
und einundzwanzigsten Tage!?). minder gefiührlich also, obschon 
immer noch zu beachten, ist demnach z. B. der achtundzwanzigste 
(der vierte Siebener), dessen Cicero einmal dem langsam genesenden 
Tiro gegenüber Erwühnung thut (epist. XVI 9, 3): symphoniam Ly- 
sonis vellem vitasses, ne in quartam hebdomada incideres. Was 
Ihnen hier anstóssig ist, sagen Sie nicht, und ich erlaube mir mit 
meinem G. zu sagen (XI 15 4) non intellegere videri maluimus quam 
insimulare te tamquam ipsum minus intellegentem. Sie stellen, wie 


Sie pflegen, kurz hin: *Exciderunt quaedam, cum ad hanc fere senten- Ἢ 
tiam seriptum esset: κριςίμους [esse, item infantibus esse xpicipuouc] ; 
videri primam hebdomadam cet.’, sind aber genötligt hinzuzusetzen: | 
“in eui quid lateat nescio'; ich denke, Sie werden es nun mit mir - 


*simpliciter! streichen. 
Gleich darauf wenden Sie sich in einer Anmerkung gegen 'Jac. 


Gronovius', der das von Meursius vorgeschlagene und auch von Ihnen : 


vorlängst gefundene nonnunquan st. nunquam ebendas. c. 16, 1 vers 
schmüht habe, worin ich ihm, wie ich mir zu bemerken gestatte, ge- 


folgt bin.) Eine Steigerung in dieser Aufzählung der Fristen naeh ὦ 


—— — -.-.-.- ..-...-. 


119). KPICIMOYCCVIVIDERI ist entstanden durch Dittographie des , 
schliessenden C in dem griech. und des anlautenden VI in dem lat. .| 
Werke. 120, Nach einer anderen, in einer der pseudohippokratischen ' 
Schriften vorgetragenen Modification dieser auf die P’ythagoreer zurück- . 


gehenden Ansicht von den kritischen Tagen waren die wichtigsten die- 
ser Siebener der zweite, vierte und sechste (der vierzehnte, achtundzwan- 


zigste und zweiundvierzigste Tag); Diokles von Karystos hielt für den 

entscheidendsten Tag den einundzwanzigsten, s. Sprengels Gesch. der .; 

Arzueikunde 1! ed. Rosenbaum ὃ. 251 fg.; 467; 488 (über die von diesen . 
de Lehre des Hippokrates von dem " 


pythagorisirenden Doctrinen abweichen 
krit. lagen vgl. S. 374 fgg). 1320 “Qui potest tandem? sagen Sie mit 
einer bis zur Emphase gesteigerten Verwunderung über seine (und im- 
plicite denn doch auch meine) Bornirtheit *quemquam admonitum fallere 


apertus per gradus ascensus et ipsa rei necessitas?! worauf ich Ihnen nur É 
mit einem Worte Goethes zu antworten vermag, das mir, wenn Sie er 


nicht übel nehmen wollen, bei Ihrer Behandlung des guten G. schon mehr 


Li 








M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 47 


der Empfängniss, innerhalb deren die Kinder geboren werden, ent- 
steht allerdings, wenn man liest: septimo rarenter, nonnunquam octavo, 
Saepe nono, saepius numero decimo mense, aber nothwendig ist denn 
doch, die Sache einmal ἃ priori angesehen, an und für sich keines- 
wegs, dass die Folge der (wirklichen oder vermeintlichen) Thatsachen 
eine Klimax bildete, sondern es lässt sich sehr wohl denken, dass 
sich gewissen Forschern nicht eine solche consequente Steigerung, 
sondern etwa ein seltenes Vorkommen der Geburt im siebenten, gar 
keins im achten, häufiges im neunten, das meiste im zehnten Monate _ 
der Schwangerschaft ergeben hätte, und auch das lässt sich denken, 
dass das eine zu Gellius Zeit gangbare Meinung gewesen sei. Dass 
nun in Wahrheit in diesem Punkte eine Differenz der Ansichten be- 
stand, dass also auch die letztgenannte ihre Vertreter hatte, das zei- 
gen doch wirklich schon $ 4 fgg. dieses Capitels nebst $ 21. Das 
S 3 mitgetheilte Bruchstück des Menander ist, wie $ 4 zeigt, offen- 
bar nicht vollständig erhalten, was sich auch äusserlich dadurch be- 
stätigt, dass A eine weit grössere Lücke, als die erhaltenen vier 
Worte erforderten, zur Eintragung der griech. Stelle frei lässt. In 
den hier verlorenen Versen waren offenbar ausser dem zehnten 
(γυνὴ κυεῖ δέκα μῆνας) auch der siebente und der neunte Monat 
genannt, nicht aber der achte ‘quem praeterierat Menander', wie es 
ausdrücklich heisst; Caecilius aber wird dann ($ 5) von G. unter Be- 
rufung auf Varro, der nonnunquam octavo mense editum esse partum 
bezeugt hatte (8 6), dafür belobt, dass er in seiner Nachbildung des 
menandrischen Lustspiels Plocium, dem diese Stelle angehörte, durch 
das Hinzufügen des achten Monats 125) a Menandro atque a multorum 
opinione descivit, d. h. von der $ 1 ganz entsprechend als multa 
opinio eaque iam pro vero recepta bezeichneten Ansicht, wonach gi- 
gnitur homo rarenter septimo, nunquam octavo u. s. w. mense. Da- 
nach würe die Richtigkeit der Ueberlieferung für den unbefangenen 
Betrachter unseres Capitels, wie mir scheint, auch ohne jede weitere 
Erudition constatirt. Wenn Sie aber etwas näher auf die Theorien 
der alten Aerzte und Physiker auf diesem Punkte eingehen, die Sie 
bis dahin nicht ins Auge gefasst haben können, da Sie die Behaup- 
tung aufstellen: “neque fuit unquam tam stulta opinio, quae septimo 
quidem mense hominem nasci putaret, sed octavo nunquam'!*?*) 


fach eingefallen ist: “Ueber Rosen lässt sich dichten, In die Aepfel 
muss man beissen.’ 

122) Er lässt hier den 10., 9., 7. und achten Monat im Dialog er- 
wähnen, von denen er offenbar jene drei bei seinem Vorbilde angegeben 
gefunden hatte, den vierten nicht. Andere nahmen, wie es unser Cap. 
(8 9) gleichfalls zeigt, nur den 9. und den 10. Monat an, andere auch 
den 11. (s. auch hier nur $ 6, um nicht unnütz weitere Gelehrsamkeit 
auszukramen, die sich übrigens auch in ganz ergötzlicher Weise aus Ra- 
belais Gurgantua I c. 3 gewinnen lässt). 1.8). Sie haben dabei nicht 
bedacht, was Böckh einmal in einer Vorlesung in die mir unvergess- 





48 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


so werden Sie das Gegentheil derselben als richtig erkennen. Wie 
hier, so finden sich auch sonst in Betreff der Geburten des achten 
Monats zwei Ansichten vertreten, von denen die eine dieselben be- 
hauptete, die andere sie leugnete!**): anstatt einen Wust von Cita- 
ten zu häufen, will ich mich auf Mittheilung einer genügend bewei- 
senden Stelle des Censorinus de d. n. 7, 5 fg. beschränken: Nam sep- 
timo mense parere mulierem posse plurimi adfirmant, ut Theano Py- 
thagorica, Aristoteles, Diocles ...multique praeterea, quorum omnium 
consensus Euryphonem Cnidium non deterret, id ipsum intrepide 
pernegantem. Contra eum ferme omnes Epicharmum secuti octavo 
mense nasci negaverunt; Diocles tamen Carystius et Aristoteles Sta- 
girita aliter senserunt. 5) Wenn also hier 'Jac. Gronov! gegen 
Meursius bemerkte: “seripti vulgatam confirmant. Eam enim opinio- 
nem vulgi scribit noster quam postea refutat, so befand er sich in 
seinem Rechte, und es war kein Grund vorhanden ihn, der freilich 
seinem Vater weit nachsteht, gerade hier vorzugsweise als “praestantis 
viri filius parum similis! zu bezeichnen. Der aber, der, wie sich nun 
ergeben hat, das rechte sah, ist denn auch diesmal wirklich der 
Vater Gr., dessen Anmerkung Sie seinem Sohne beilegen. 


Mit der sehr ansprechenden Verbesserung hostiis lactentibus. 
is statt placandis. is oder ibus!?®) IV 6, 2 ist Ihnen mein hoch- 
verehrter Amtsgenosse Huschke zuvorgekommen (osk. und sabell. 
Sprachdenkmäler, Elberfeld 1856, 5. 21); aber, erlaube ich mir Sie 
beide zu fragen, darf nicht das der Ueberlieferung noch näher ste- 
hende lactantibus hier einen Platz beanspruchen? ich kenne zwar die 
Vorschrift des Servius zu α. I 315; A. V 285, aber ich sehe auch, 
dass sie nicht genau beachtet worden ist: Cic. de legg. II $ 29; Liv. 
XXXVII 3, 6 sprechen von hostiae lactentes!**), und das ist offenbar 
der gewóhnliche Ausdruck; aber kanonischer war wohl noch in die- 
sem Sinne lactare, das Livius Andronicus gebrauchte 155), das bei Au- 


lichen Worte fasste: 'die Thorheiten des menschlichen Geistes sind un- 
ergründlich.' 

14) Vermittelnd eine dritte, die 8 7 fg. aufgeführte, wonach sie zwar 
geboren, aber nicht am Leben erhalten werden können; diese wird am 
ausführlichsten in den ps. hippokr. Schriften T. ἑπταμήνων und π. óxra- 
unvwv erörtert. 135) Nur die Bemerkung möchte ich mir gestatten, 
dass nur bei solcher Annahme sich Cice. de n. d. II $ 69 erklären lässt: 
adhibetur autem (Diana sc.) ad partus, quod ii maturescunt aut septem 
nonnunquamı aut, ut plerumque, novem lunae cursibus. 129% So Sciop- 
pius, der aus seinem v. c. plantantibus anführt; dassselbe plantantibus 
bieten auch VPR. 153 Bei Livius steht nur decem viri nocte lactentibus 
rem divinam fecerunt; a. Stellen s. in den Wbb.; wie der dort erwähnte 
Vurro hat auch Cato de re rust. 141, wie wenigstens die heutige Ueberlie- 
ferung bietet, dreimal suovetaurilibus lactentibus, wie Arnobius VII 18 
lactentibus poreulis. 128) Terei fr. ΠῚ R.*; lactantem ist zwar Ver- 
muthung von Palmerius, aber neben dem hsl. laetantem doch so gut wie 
sicher; lactentem wollte Bongarsius. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 49 


sonius!??) und Vegetius!) wieder auftaucht und das sehr wohl als 
von Alters hergebrachter technischer Ausdruck in dem Decret aus 
d. J. d. St. 655 gestanden, sich volksthümlich erhalten und zuletzt 
wieder in die Litteratur Eingang gefunden haben kann. Die sichere 
Besserung in dem Distichon des Kallimachos IV 11, 1 ἀνιῶντος 
ἐδεςτοῦ hat Ihnen gleichfalls schon 1852 A. Hecker in seiner comm. 
er. de anthol. Gr. (I) 269 fg. vorweg genommen und die nicht min- 
der sichere Verbesserung Aequa (st. Dequa) causa in dem Fragment 
des Masurius Sabinus V 13, 5 zwei Jahre früher") ein anderer 
Holländer J. G. Boot in den miscell phil et paed. I 55; letztere 
ist inzwischen auch noch an einem locus magis conspicuus von Momm- 
sen in den R. Forschungen I 379, 47 (der auch richtig bemerkt, 
dass es nachher muliebri heissen muss) vorgetragen worden. Es 
geht zwar adfini vorher und in konnte danach leicht ausfallen, doch 
muss ich bekennen, dass mir das einfache von Ihren beiden Vorgän- 
gern aufgestellte Aequa causa völlig ausreichend zu sein und vor 
Ihrem In aequa causa den Vorzug zu verdienen scheint. 

V 6,12. Hier hat R — es handelt sich von der corona civica — : 
ea fit e fronde quernea quoniam ciuus uictusque antiquis solit' fuit 
capi etiam ex ilice. Sie machen daraus 'quoniam cibus victusque an- 
tiquis is solitus fuit capi', id est querneus. Aber P bietet, wie Sie selbst 
sagen, vor solitus ein quercus, mit ihm V, beide geben antiquissimus, 
was zwar J. Gronov nicht sagt, was aber aus meiner adnot., die ohne 
Zeichen einer Conj. war, angenommen werden musste, beide capi soli- 
tus fuit u. s. w. Warum also nicht statt an der Lesart des dritten, 
meist nachlässigeren Zeugen eine allerdings sehr leichte und elegante 
Besserung vorzunehmen, lieber die unverdächtige, aus meinem Texte 
ersichtliche Lesart der beiden besten Zeugen behalten: Ea fit e fronde 
quernea, quoniam cibus (ciuus auch VP) victusque antiquissimus 
quercus capisolitus; fuit etiam ex ilice u. s. w.? Dass das solitus hier 
nicht nothwendig einer Stütze bedarf, haben wir gesehen; aber die 
ganze Rede gewinnt so sehr an Haltung und Concinnität durch eine 
gehr leichte Conjectur, dass ich diese doch für wahrscheinlich halte: 


129) epitaph. 32, 3 und dadurch auch idyll. 4, 67 geschützt. 
Anderwürts unsicher: so fragt sich namentlich, ob Livius an einer ande- 
ren Stelle hostiae lactantes zuzutrauen sind: XXII 1 15 mit PCM, wo 
erst C von zweiter Hand lactentes bietet; wenn wirklich in dem Decret 
des J. 655 so stand, so kann auch bei Livius der gleiche Ausdruck aus 
dem Decret des J. 537 d. St., natürlich indirect, stammen; an Tusculi 
agnum cum ubere lactenti natum haben auch Sie XXVII 4, 11 bei ihm 
keinen Anstoss genommen, und die Wörterbücher bieten Parallelstellen. 
Dass G. selbst ein anderes mal (XII 1, 17) lactans von einer zur Amme 
bestimmten Person sagt, würde ich gegen die obige Vermuthung auch 
dann nicht in Anschlag bringen, wenn sie seine eigenen Worte betrüfe. 

13) mulomed. IV 5, 2 dentes lactantes, Milchzähne der Pferde, was 
J. M. Gesner mit lactentes vertauschen móchte. 1313) Mir müssen beide 
Emendationen auch erst nach Erscheinen meines Textes bekannt gewor- 
den sein. 

Jahrb. f. class. Philol Suppl. Bd. VII. Hft. 1. 4 


50 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


‘a fit e fronde quernea, quoniam . . quereus capi solitus fuit, fit 
etiam ex ilice. An quercus aber wird keinen Anstoss nehmen, wer 
sich erinnert, dass es nicht nur für Eichenlaub und für Eichenkranz 
gebraucht wird, sondern offenbar auch für Eichen- resp. Eichelkost; 
dies bei Juv. XIV 181 fgg.: panem quaeramus aratro Qui satis est 
mensis. laudant hoc numina ruris, Quorum ope et auxilio gratae post 
munus aristae Contingunt homini veteris fastidia quercus, und ähn- 
lich auch Val. Fl. I 69 fg. ignaras Cereris qui vomere terras Inbuit 
et flava quercum damnavit arista; vgl. auch Servius z. A. VI 772 
querceam autem coronam accipiebant qui in bello civem servassent 
(liberassent al), ideo quia ante causa vitae in hac arbore ho- 
minibus fuit, qui glandibus vescerentur, was auf eine ähnliche 
Fassung in seiner, wohl ihm und G. gemeinsamen Quelle!) hin- 
deutet, die er durch sein qui glandibus vescerentur erweitert zu haben 
scheint. 133) 

Im sechzehnten Cap. dieses Buchs: de vi oculorum deque videndi 
rationibus wird von den Ansichten der Stoiker, Epikurs und Platos 
gesprochen und dann fortgefahren: sed hic ea quae non diutius 
muginandum. 'Perversum e& quae totaque constructio! lautet Ihr 
Verdict und Sie ändern im wesentlichen nach Gr.s Vorgange *): sed 
hie quoque non diutius muginandum. Zwei Seiten vorher hatten 
Sie neben einer feinen Vermuthung zur Herstellung des Zusammen- 
hangs'®®) in dem Satze (IV 9, 9) templa quidem ac delubra, quae 
non volgo ac temere, sed cum castitate caerimoniaque adeundum, 


132) wohl nicht Varro, auf den sonst die Nachrichten über die coro- 
nae nach den feinen Untersuchungen Mercklins de Varrone coron. R. mili- 
tarium interprete praecipuo quaestiones (Dorpat 1859) zurückgehen, der - 
hier auf S. 9 zu vgl. ist. 35) Beide Bestandtheile treten auch noch 
hervor in der Ánm. zu ecl. I 1: quaai sub arbore glandifera, quae victus 
causa hominibus fuit, und der folgenden populären Erklürung: antea - 
enim homines glandibus vescebantur; dass er diese Weisheit auf littere- 
rischem Wege gewonnen hatte, wie an sich klar, bemerkt er doch noch 
besonders zu G. I 149 prius homines, utlegimus, glandibus pasti sunt — , 
und nun scheint der Ausdruck der Quelle selbst wieder durch — nec aliud “ἢ 
ad victum quaerebant; diese Thatsache in ihrer popularisirten Form ist s 
aber dem Servius so in sucum et E übergegangen, dass sie sich ;, 
auch noch zu G. 1 8 und 349 findet. Er hatte nur “minus recte haec : 
quoque vorgeschlagen; sed hic quoque ea Lion. 150) Ich glaube hier ἡ 
dennoch meine Ansicht festhalten zu müssen, indem ich die von mir an- um d 
genommene Lücke ungefähr so fülle: [Religiosa igitur dicta a 
quendo] — was leicht nach carendo ausfallen konnte, wenn nicht di die . 1 


Pati. fa it. 


Lücke, dem Umfange des in P leer gelassenen Raumes entsprechend, 
viel umfassender war — secundum hanc Sabini interpretationem templa 

et delubra, quia . . extat; quae non volgo .. adeundum — wofür Ph 
früher auch fülechlich adeuntium in den Text gesetzt hatte — et reve- 
renda et reformidanda sunt magis quam involganda. Ueber den Wechsel . 
der Structur quae (acc. adeundum et (suppl. quae nom.) reverenda ete. 
sunt wird man jetzt minder auf den Schluss der Anm. Gr.s verweisen, 
der sich kurz damit abfindet, als auf Ihre eigenen Ausführungen opus. 
acad. alt. S. 177 fg. und zu Cic. de fin.? V 8 26 S. 650. 








M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 51 


et reverenda et reformidanda sunt magis quam involganda, wie er 
sich in den Hss. findet, die Worte quae . . adeundum in quia.. 
adeuntur verändert. Aber an beiden Stellen erscheint die archaische 
Wortfügung, die Gr. zu der letztgenannten richtig erkannt und be- 
legt hat, indem er noch auf seine Observatt. I 7 g. E. verweist. Aus 
der älteren Latinität hat sie sich bei Varro und Lucrez und weiter 
bis in spätere Zeit erhalten 136), selbst Cicero hat sich nicht gescheut 
sie in dem Gespräche über das Alter ($ 6) (vielleicht nicht ohne 
eine Absicht der Färbung der Rede!?”)) dem Laelius in den Mund zu 
legen, und auch Sie haben sie ihm in Ihrer Ausgabe nicht nur be- 
lassen, sondern diese Construction auch sowohl hier als in der Rede 
für Scaurus ὃ 13, wo nicht einmal eine solche Nebenabsicht ange- 
nommen werden kann, und ebenso in einer Stelle des Quintilian (XI 
3, 175, trotz der von Halm aufgenommenen Conj. Spaldings hoc st. 
haec) ausdrücklich anerkannt, opusc. acad. S. 381. Dem G., wenn 
sie auch “apud posteriores evanuit", diese Construction abzusprechen 
liegt also kein Grund vor, und an der erstgenannten Stelle wenig- 
stens würden Sie sie sicher erkannt und dann wohl an beiden aner- 
kannt haben, wenn Sie nicht dort in hic die Ortspartikel stait des 
Nom. masc. des pron. demonstr. (hie sc. Plato) gesucht hätten.'?®) 

Zu den VI 3 8 20 überlieferten Worten At cum dignitas et 
fides et utilitas omnium communis agitur, ob eamque rem aut sua- 
dendum quid ut fiat aut (au P) fieri iam coepto deferendum est, 


13) Reichliche Nachweise geben z. B. Reisig lat. Sprachwiss. S. 
766 und Haase daselbst; W. Weissenborn de ger. et gerundivo Anm. 260. 

137) g. d. Anm. von Sommerbrodt in seiner Ausg. dieses Gesprüchs 
zu $ 71. 138) Sie erkennen hier (ganz abgesehen von G. sonstiger Eigen- 
thümlichkeit, wonach Sie sich mit den älteren Beispielen allein begnü- 
gen konnten) eine zweimal wiederholte Construction bei G. nicht mehr 
an, die Sie noch bei Quintilian selbst nachgewiesen haben; dasselbe Be- 
denken hatte ich Livius II 40, 11 gegen das freilich von den meisten, 
und allen guten Hss. gebotene non inviderunt laude sua mulieribus, nur 
dass ich umgekehrt glaubte ihm diese Construction noch nicht zu- 
trauen zu dürfen, da sie sich meines Wissens sonst erst bei den Prosai- 
kern der nachfolgenden Generation findet, wührend die Dichter der augu- 
steischen Zeit die poetische Construction der älteren Latinität, invidere 
alicui aliquam rem, von der Cic. Tusc. III $ 20 spricht (nur flüchtige 
Auffassung dieser Stelle liegt offenbar Quint. IX 3, 1 zu Grunde, wo man 
deshalb an der auch von Halm beibehaltenen Lesart hanc rem festhalten 
muss) wieder in Aufnahme gebracht hatten, wofür ich mich jetzt kurz 
auf Nipperdey spic. alt. in Corn. Nep. II 15 fg. berufen kann; dafür, 
dass Liv. mit dem Gebrauch der gleichzeitigen Dichter sich oft berührt, 
braucht es keines Beweises. Ich hätte nur mein laudé suä st. des lau- 
des suas einiger Hss. gleich in den Text statt in die Anm. setzen sollen. 
Dass beides falsch ist, glaube ich jetzt auch; aber gewundert hat mich 
immer, dass Sie diesen auf durchaus rationeller Auffassung beruhenden 
Irrthum, dem Sie erst eine falsche Unterlage durch die von Ihnen selbst. 
nicht richtig behandelte Quintilianstelle geben, in Ihren em. Liv. S. 60 
A. 1 als eins der mirabilia, die Ihnen in philologia acciderunt, besonders 
hervorgehoben haben. ᾿ 

4 





59 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


tum — bemerken Sie: *scribendum esse sententia clamat minima muta- 
tione: aut a fieri iam coepto deterrendum; et deterrendum iam 
Iac. Gronovius; non debebat opus esse talia bis dici', welche letzteren 
Worte ich nur auf mich beziehen kann, da Ihnen ein weiterer Tert 
neben dem Gronovschen nicht vorlag. Indem ich mich dem einmal 
angenommenen Grundsatze gemäss auch hier auf eine Kritik dieser 
Ausdrucksweise nicht einlasse, bemerke ich zur Sache zunüchst, dass 
Sie J. Gr.s Conj., ihre Richtigkeit einmal angenommen, doch durch Ein- 
schiebung des a aus einer minima mutatio zu einer paulo maior ge- 
macht haben, und, wie mir scheint, ohne Noth, da deterreo, wenn 
gleich selten, auch mit dem Abl. allein verbunden wird und G. der- 
gleichen rariora nun einmal besonders in Affection genommen hat. 595) 
Aber ist denn dies deterrendum wirklich so unumstösslich sicher 
richtig als deferendum falsch ist? und als NB auch ich es dafür 
hielt, wie das vorgesetzte T in meinem Texte zeigt? Sie hätten die- 
ses T umsomehr nicht unerwühnt lassen dürfen, als Sie auf der fg. 
Seite zu ὃ 30 dieses Cap., wo dasselbe Wort nicht minder offenbar 
verderbt überliefert ist, in dem Satze neque humanae vitae negotia 
et actiones et officia vel occupandi vel deferendi vel ulciscendi vel 
cavendi similia esse pugmae, οὐ 39) gladiatoriae, bemerken: *ipso Hertzio 


139) Hor. ars poet. 391 fg.; Lucan X 375 fg. nec nos deterreat ausis 
Hesperi fortuna ducis, wo die Scholien in ihrer naiven Weise bemer- 
ken: .i ab ausis, a conatibus nostris oder (das comm. Bern.) deest ab, 
ut sit ab ausis; aber auch Sall. lug. 98, 5 ita reges loci difficultate coacta 
proelio deterrentur lässt sich nicht anders erklären, und das ist hinrei- 
chend um G. dasselbe zuzutrauen. Die bestüberlieferte Lesart bei Livius 
XXIV 39, 7 ratus timore deterritos proditionibus praesidiorum Siculos 
ist dagegen, wenn auch keineswegs unzweifelhaft falsch, doch aus meh- 
reren Gründen sehr anfechtbar, nur nicht aus dem in Ihrer Ausg. (II 1 
S. XXVIII) zuerst erwähnten: 'neque deterreor proditione dicitur, ut 
sit a proditione’, wus zwar für Livius selbst und die ıneisten anderen. 
Schriftsteller richtig ist, aber nicht in der unbedingten Allgemeinheit, in 
der Sie es doch aussprechen zu wollen scheinen. Für δ aber würe 
sicher kein Grund vorhanden, ihm ein a zuzudictiren, wo die Hss. es 
nicht darbieten, obwohl er es sonst selbst setzt (VII 14, 4; XI 16, 8; 
deterrere ac depellere a XIV 1, 35). 1?) Dies et, das Sie aus dem 
vorangehenden e entstanden glauben, wollen Sie mit den jungen Has. 
und den alten Ausg. wieder streichen, nachdem J. Gr. es aus P (es steht 
aber auch in VR) in den Text gebracht hat. Sie aber lassen ihn hart 
dafür an — und hier wenigstens trifft Ihr Tadel wie so eben Ihr Lob 
den rechten Thäter, wenn aueh beide, wie mir scheint, nicht am 
Orte. gespendet werden: 'Iac. Gronovius! sagen Sie "(nam Io. Fredorioo 
talia in mentem non veniebant) enarrat et quidem, quasi h. l. nis 
(sic) de uno illo genere pugnae cogitetur', was ich in Folge des Druck- 
fehlers nicht völlig verstehe. Allzu logisch ist der Ausdruck, wie J. G. 
ihn fasst, nieht, da der angezeigte Vergleich auf jede Art von p 
passt; aber wer nicht einfach pugnae sagt und wer die weitere Ausfüh- 
rung eben nur der pugna gladiatoria entnimmt, wie G. es hier thut, der 
kann ebenso gut sagen allgemein pugnae und dann die specielle Art der 
pugna, an die er dann weiter allein anknüpft, hinzufügend, et gladiatoriae: 
pugnae, als nur pugnae gladiatoriae, wodurch der Gedanke an jedés 


|. De 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 53 


mendum in deferendi notante', so dass der Leser, der meine Ausgabe 
nicht einsieht, nicht zweifeln wird, dass ich S 20 den Fehler unbe- 
zeichnet gelassen habe. Hier verbessern Sie — und zwar 'necessario 
scribendum est’ — defendendi. Mir ist immer wahrscheinlich er- 
schienen, dass dasselbe Verderbniss an beiden so nah aufeinander 
folgenden Stellen auf ein und denselben Ursprung zurückzuführen sei 
und ich habe schon längst (und obenso urtheilte auch Th. Mommsen) 
an beiden Orten die Lesart der alten Ausgaben (am ersteren zufällig 
auch einer der von mir eingesehenen jüngeren Hss.) differendum 
und differendi in meinem Handexemplar wieder in ihr Recht ein- 
gesetzt. An beiden ist dies Wort gleich passend: am ersten steht 
fieri iam coepto absolut (einfacher gedacht und gesagt wäre freilich 
aut fieri iam coeptum differendum est), an der zweiten steht differre 
dem occupare nicht weniger passend gegenüber als defendere. 

8 38 ebendas. sind Sie nicht hinreichend genau über die Ueber- 
lieferung unterrichtet. Wenn nicht aus Jordans Sammlung der 
catonischen Bruchstücke, hütte sie Ihnen aus Peters hist. R. rell. I 
(Cat. orig. fr. 95f S. 84 fg.) bekannt sein kónnen, die Sie ja gerade 
hier zur Hand gehabt haben müssen, da Sie sie auf der fg. Seite 


andere genus pugnae von vorn herein ganz ausgeschlossen wird. Wäre 
also eine Aenderung nóthig, so würde ich lieber vorschlagen pugnae, et 
ladiatori[ae pugn]ae, oder pugnae ei[q.] gladiatoriae, da m. E. kein 

rund vorliegt den G. von dem dadurch ausgedrückten Gedanken zu 
befreien. Aber bei G., der das absonderliche bevorzugt, habe ich kein 
Bedenken getragen die bestüberlieferte Lesart beizubehalten, die einem 
Leser nichts zumuthet, was ihm nicht einzeln auch sonst, wenn auch nicht 
ganz ebenso, doch in sehr analoger Weise zugemuthet wird: vgl. Walch 
emendd. Liv. S. 65 fgg.; Hand Turs. II S. 477 fg., wo freilich manches 
ungleichartige und zum Theil ungehörige zusammen gebracht ist, z. B. 
aus Tac. hist. Il 34 claudebat pontem turris, et in extremam navim 
educta, wührend dort vielmehr steht claudebat pontem imposita turris 
u. 8. w.; dagegen ist doch unserer Stelle nah verwandt eine andere, aus 
demselben Schriftsteller*) dort beigebrachte Stelle dial. c. 20 iam vero 
iuvenes et in ipsa studiorum incude positi (sc. iuvenes), qui profectus 
sul causa oratores sectantur, non solum audire, sed etiam referre domum 
aliquid illustre et dignum memoria volunt. So will ich zwar eine ab- 
solute Garantie für die von J. Gr. aufgenommene und von’ mir beibe- 
haltene Lesart nicht übernehmen — aber dass nicht auch J. Fr. Gr., der 
die Eigenthümlichkeit des G. genau kannte und ihn nach seinem modulus 
ac pes mass, wenn er dies aus P angemerkte et beachtet hätte, hätte 
in mentem kommen können, es aufzunehmen oder richtiger beizubehalten, 
möchte jch doch nicht so bestimmt behaupten. Erinnern Sie sich nur 
hier an Ihre eigenen Worte S. 585, die ich gern noch einmal Ihnen und 
anderen Lesern ins Gedächtniss zurückrufe, dass quousque inepte loquendo 
progressus sit G., non satis tuto definias; ich kann wenigstens (in Bezug 
auf Ihre unmittelbar darauf ausgesprochenen Cautelen) nicht finden, dass 
hier ein "incredibile von J. Gr. 'fictum est’. 


*) Ich sage das mit vollem Bewusstsein, so sehr ich auch die Be- 
deutung des von Ihnen ausgesprochenen Verdicts (s. S. 570) anerkenne. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. δῦ 


partikel vor non fuissent einsetzen.) Ebenso Recht haben Sie 
auch mit Ihrem Tadel der vg. etsi maxime non fuissent, soweit Sie 
sagen: 'pravae eam quoque sententiae", nicht aber, wenn Sie fort- 
fahren: 'nec oratione rectam (etsi maxime, quamquam rectissimum 
est si maxime).'^5) Nur wenige Paragraphen vorher an der eben 
a. St. (8 35) steht zu lesen, dass Tiro sagte — ich setze die voran- 
gehenden Worte gleich nach Ihrer glänzenden Verbesserung her em. 
Liv. S. 603, 1 —: negavit poena esse dignos!?”), quia id non 
fecissent, etsi maxime voluissent, woran doch auch Sie keinen An- 
stoss genommen zu haben scheinen *) und wodurch die vg. an 
dieser Stelle offenbar veranlasst worden ist. 

Endlich in 8 41 dieses Cap. verlangen Sie noch, dass Tiro 
. sage: iniurias autem praecavisse iustiusst quam expectavisse, nicht, 
wie auch Gr. nach Carrios Vorgange mit den Hss. herausgab, iustum 
est. Damit kommen Sie dem Sinne nach auf die alte vg. magis 
iustum est zurück. Hier können Sie nur in augenblicklicher Zer- 
streutheit, die Sie auch Gr.s Note (Carrioni expungenti τὸ magis 
subserviunt omnes scripti: et genus loquendi satis probatum est) !4?) 
übersehen liess, geschrieben haben, und ich kann es nicht angemessen 
finden Sie und mich weiter dabei aufzuhalten. Nur die Bemerkung 
will ich mir gestatten, dass mindestens iustiust zu schreiben ge- 
wesen wäre, nicht iustiusst: s. nur vocitatust C. 1. L. I 199, 17; 
situst 1297 und ganz unserem Falle entsprechend 1444 quod metuit 
id sequi satiust. 

Ebensowenig werden Sie wohl darauf bestehen qui minore 
summa aeris quod supra dixi censebantur ebendas. c. 13, 2 wieder in 
die Lesart eines Theils der g-Hss. und der Áusgg. quam supra dixi 


15) Leichter als das von Ihnen geforderte sed fiel zwischen maxime 
und non wohl tamen aus.  !:€ Dies braucht G. XI 16, 1. 15 Da- 
durch wird die vorher vorgetragene Vermuthung zu 8 38 erheblich be- 
stätigt; und ebenso umgekehrt. M*) Auch Apul. gebraucht es apol. 
c. 90 respondeat Aemilianus, ob quod emolumentum, etsi maxime magus 
forem, Pudentillam carminibus et venenis ad matrimonium pellexissem. 
Und auch das nach altem Muster: Etsi maxime quod spero mutuum hoc 
mecum facis sagt Lucilius (b. Nonius S. 138, 18; B. XXVII fr. 34 M.). 
Erst Ihre Behauptung, die ich von vorn herein nach $ 34 und nac 
meiner Erinnerung für unrichtig hielt, hat mich nach Beispielen suchen 
lassen, die sicher zu vermehren sein "werden; die vorliegenden reichen 
für den egenwürtigen Zweck völlig aus, umsomehr als wir über die 
Zurückweisung der betr. Lesart a. d. St. von vorn herein einig waren. 
Tametsi maxime und etiamsi maxime findet sich, beiläufig bemerkt, in 
den juristischen Quellen: dies bei Gaius (inst. II 8 45 und D. II 14, 28, 
2) und Ulpian (D. XVIII 4, 2, 7), jenes bei Tryphoninus (D. IL 15, 12, 4). 

H9) Mangel einer Bezeichnun der Comparation findet sich bei G. 
noch II 7, 13; bei Apul. in den kleinen Schriften apol. 28 S. 37, 27 
Kr.; flor. 16 5. 22, 20 Kr.; de mundo c. 9 8. 361 Hdbr. quanto repen- 
tinus est, tanto vehementior, et quanto improvisior praecipitatio eius est, 
tanto breviore casu restringitur, und c. 25 S. 401 Hdbr., der zu vgl. zu 
flor. a. a. O. S. 69 und zu de deo Socr. 18 8. E. 8. 158 seiner Ausgabe. 





56 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


umzusetzen. Dass auch hier nach den besten Hss. und meinem 
Texte eine gangbare Ausdrucksweise vorliegt, der Ausfall eines 
Demonstrativpronomens vor dem Relativum und zwar hier des Ab- 
lativs, wie XVII 2, 14 cumprimis dicebant pro quod est imprimis 159), 
können Sie unmöglich verkannt haben. Dabei aber kann es m. E. 
keinen Unterschied machen, dass an unserer Stelle dieser unter- 
schlagene Ablativ einem dem gewöhnlichen Gebrauche gemäss unter- 
drückten quam entspricht. Das allein durfte Sie sicher nicht von 
der Billigung einer Construction bei G. abhalten, die in der älteren 
Latinitit in ziemlich ausgedehntem Gebrauche war und auch im 
Kanzleistil vielfach angewendet wurde'°!), sowie es ihr auch bei 
Cicero!?) und Livius nicht an Beispielen fehlt, die Sie ja selbst bei 
diesen anerkennen. 


Ausserdem verlangen Sie in den nüchst vorhergehenden Worten 
minorem summam st. des Abl., wie es eben vorher hiess qui centum 
quinque et viginti milia aeris ampliusve censi erant, indem Sie sich 
dafür, dass die Alten stets so gesagt hütten (censeri summam, 
censeri tot millia, magnum agri modum) neben dieser Stelle auf 
Cie. p. Flacco (an vier Stellen) und auf Horaz berufen, dagegen 
selbst hervorheben, dass man stets capite censeri sagte, nicht caput. 
Ebenso aber sagte man auch nicht nur censeri longo sanguine (Juv. 
8, 1 fg.); laude suorum (V. 74); multiplici variaque doctrina (Suet. 
de ill. gr. 10), was ebensowenig gegen Sie beweisen würde als 
capite censeri, sondern wo es sich um FEinsehützung wirklichen Ver- 
mógens handelte, nicht nur allgemein prol. Capt. Plaut. 15 Vos qui 
potestis ope vestra censerier, sondern doch auch bei einer, wenn 
auch nicht nach ihrer Summe genau bemessenen, Angabe der Höhe 
der Abschützung (wobei es doch keinen Unterschied machen kann, 
dass nicht gerade vom rómischen Census die Rede ist): Democritus 
cum divitiis censeri posset, quae tantae fuerunt, ut ...., parva 
admodum summa retenta patrimonium patriae donavit. So berühren 
sich doch beide (C'onstructionen so nah, dass G. an der einen Stelle 
mit Angabe der bestimmten Sunıme sehr wohl die gangbare, an der 
zweiten Stelle, wo es sich nicht um eine specielle Zahlenangabe 


—— — —————  ᾿ MÀ — 


15%) Einiges darüber habe ich in Folge einer Klotzischen Bemer 
mit besonderem Bezuge auf G., doch auch für diesen nicht erschópfen 
zusammengestellt vind. Gell. $.26 fg. An einer zusammenhängenden Dar- 
stellung dieser interessanten Erscheinung für beide classische Sprachen 
in ihrer historischen Entwicklung mangelt es noch. '*') vgl. F. Pätzolt 
de Lat. pronominis relativi syntaxi prisca (Breslau 1873) S. 13 fg. 

152) Auch bei diesem findet sich ein latenter Ablativ, wofern man 
nicht, wie Krüger Unterss. III 197 A. bemerkt, dem Cic. den Gebrauch 
von uti c. acc. zuschreiben darf (über ad Att. XII 22, 3, welche Stelle 
dafür angeführt wird, brauche ich Sie nicht erst auf Wesenbergs em. 
alt. S. 127 aufmerksam zu machen): dere p. II 8 51 ut quem admodum 
Tarquinius non novam potestatem nactus, sed quam habebat usus u. s. w. 


"ὦ 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 57 


handelt, sicher auch und zwar recht absichtlich, die andere wählen 
konnte.!??) 

Gleich im fg. Cap. (14 $ 7) werden die Spuren der bekannten 
drei genera dicendi schon bei Homer nachgewiesen: magnificum in 
Ulixe et ubertum, subtile in Menelao et cohibitum, mixtum 
moderatumque in Nestore. Das 'inauditum et inauditae formae ad- 
iectivum" ubertum beseitigen Sie!**) mit einem divide et impera, in- 
dem Sie schreiben magnificum in U. et uber, tum subtile in M. 
u. 8. w. Aber das Wort ist offenbar ein altes Erbstück aus der 
Volkssprache, das, wie so viele, später auch vereinzelt (bei Vitruv, 
Petronius, Gellius, Apulejus u. 8.) in die Litteratur Eingang fand. 
Ohne mit Ihnen wie mit Stephanus darüber rechten zu wollen, ob 
bei dieser Anerkennungsfrage auf das Adv. ubertim ein Gewicht zu 
legen 86] 155), und ohne das zuerst beim jüngern Plinius im Panegyricus 
(c. 32) vorkommende Verbum ubertare und ubertire (gloss. Paris.), 
so wie das Subst. ubertas heranzuziehen und mich auf Betrachtungen 
allgemeinerer Art einzulassen, kann ich den directen Gegenbeweis 
gegen Ihre Behauptung über jenes Adj. führen. Denn Labbaeus 
führt aus einem seiner Glossare, Ὁ (dem sog. Onomasticon) S. 85 
an: Hubertus, γόνιμος, und in der St. Galler und der Engelberger 
Hs./5) des Solin 21, 3 8. 111, 17 M. (auf welche Stelle schon Forcell. 
8. v. hinweist) steht solo plano ubertoque; wührend Sie es bei G. 
verdrängen möchten, hat Haupt (dem ich die Nachweisung jener 
Glosse entlehne) kürzlich 157) in eine Stelle des Eumenius uberta st. 
aperta einführen wollen (grat. act. Const. Aug. c. 7). Aber auch 
ohne diese Vermuthung als sicher hinzunehmen, sind die nachge- 
wiesenen Spuren völlig genügend, um die Beibehaltung bei G. zu 
rechtfertigen. Wer weiss, ob es nicht z. B. schon Pacuvius ge- 
braucht hatte, der dergleichen gern in seinen Versen Eingang lieh? 


155) Wie er auf dergleichen Varietüten aus war, zeigt z. B. XV 29; 
wie er in Bezug auf etwas aparten Casusgebrauch bei Prüposs. dachte, 
ist oben angemerkt S. 14 fg. und fordert auch in analogen Fällen, wie dem 
hier vorliegenden, nach meiner Meinung Berücksichtigung. S. auch S. 
62 die Bemerkung über das Lemma von X 21 und namentlich die da- 
selbst angeführte Aeusserung des G. 154) Im , Einklange nicht, wie 
Ihnen spüter nicht recht genau berichtet wurde, mit einem 'vetus exemplar 
Stephani', sondern mit diesem selbst, der sich bei Begründung seiner 
Vermuthung (spec. emend. S. 162) des Ausdrucks bedient: fortasse 
autem natus hinc fuerit error, quod in vet. exempl. esset u. s. w. 

155) Dies hat kürzlich auch bei Lucilius seinen Einzug gehalten nach 
einer sehr wahrscheinlichen Vermuthung L. Müllers (Luc. IV fr. 22 vgl. 
Jahrb. f. Phil. 1867 S. 498). 166) Sie gehóren zwar zu der Classe der 
interpolati et contaminati, aber beide noch ins zehnte Jh. (Mommsen 
prolegg. S. LXXXIV). 15”) Hermes IV 151. Für mich freilich, so er- 
wünscht es mir hier würe, doch nicht vóllig überzeugend: denn aller- 
dings stände uberta passender zwischen culta und florentia als aperta, 
andererseits harmoniren doch mit diesem allzusehr die folgenden viae 
faciles und navigera flumina, um es unbedenklich zu beseitigen. 


58 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


VII 14, 4 tum quicquid ita delictum est non sane dignum esse 
imponendi poenae studium visum est. So schreibe ich mit V, der 
einzigen hier noch vorhandenen Hs. der vielgenannten Trias VPR, 
und einer Anzahl jüngerer; andere bieten, was Sie mit Hecht als 
Interpolation bezeichnen, von ortbographischen Verschiedenheiten 
abgesehen, imponendae poenae studium, und das stand allgemein in 
den Ausgaben. Wenn ich nun jene Lesart aufnahm, so ging ich 
dabei von der doch an sich nicht unmöglichen Erklärung aus, dass 
die Alten, was auch immer begangen sein mochte, ohne dass eins 
der drei vorher bezeichneten Motive zur Bestrafung vorhanden war, 
den Strafeifer für etwas nicht gerade würdiges hielten 9): ‘qua re?’ 
fragen Sie; ich nehme es absolut und dagegen ist doch sprachlich 
nichts einzuwenden. Aber allerdings ist mir sehr wahrscheinlich, 
dass dies studium dem vorhergehenden dignum und dem unmittel- 
bar folgenden visum, auf das Sie es wohl ınit noch mehr Recht zu- 
rückführen, ist angepasst worden, und dass mit lhnen einfacher und 
dem auszudrückenden Gedanken entsprechender zu lesen ist quicquid 
ita delictun est, non sane dignum esse imponendi poenae studio 
visum est!?"); poenas, das Sie ausserdem verlangen, habe ich mir 
einmal vor vielen Jahren auch an den Rand geschrieben, dann aber 
wohlüberlegt nicht in den Text aufgenommen. Sie schreiben wieder 
mit voller Bestimmtheit: neque imponendi poenae studio dixit und 
wiederholen damit Ihre zu Cic. de fin. I 8 60 und in der lat. 
Sprachlehre $ 413 A. 2 aufgestellte Behauptung, dass diese Con- 
struction nur in der Mehrzahl vorkomme. Sie selbst haben freilich 
in der zweiten Ausg. jener cic. Schrift von Ihrem Kanon bereits 
Plautus und Ennius ausgenommen. Von jenem citiren Sie selbst 
Capt. V 4, 11; aber das lucis tuendi hier lüsst nach dem plaut. 
Sprachgebrauch auch eine andere Erklürung zu oder fordert sie 
vielmehr !°), und mich wundert, dass Sie (wohl zufolge Baiters 
Aum. zu Cic. Tusc. V $ 70) sie als Beweis gelten lassen, was ich 
nicht thun würde; für Ennius aber haben Sie den von Baiter dort 
gleichfalls angeführten, bei den Alten mehrfach citirten Vers der 
Medea im Auge: Neve inde navis incohandi exordium Coepisset; 
diese Lesart ist nicht nur gut bezeugt, ihr Ursprung aus Willkür 
oder Unwissenheit wäre kaum erklürlich, und sie verdient auch nach 


meiner Meinung vor dem eben wieder von Ribbeck in den trag. rell.*. 


-——— . -ΟΨ.ὕ.-- ....-ἥἅ..-- 


184) Doch also nicht wieder "nulla sententin’, wie diesmal abwech- 
selungshalber nicht hier, sondern zu de fin.* a. gleich a. O. steht, wo 
Sie dieselbe Conj. vortragen. —!5?) Mommsen hat mir früher einmal vor- 
geschlagen studium zu streichen. 1600) Wie ich nun sehe, weist auch 
C. F. W. Müller diese Stelle zurück: s. diesen überhaupt Phil IX 601 fgg.; 
XIII 571, 2; XVII 103, 1; Rh. Mus. XX 155; über jene Stelle urtheilen 
ebenso auch O. Heine zu Tusc. V 8 70 und F. Schultz lat. Sprachlehre' 
8 419, 1. W. Weissenborn in seiner sehr sorgfältigen Darstellung dieser 
syntuktischen Anomalie de ger. et gerundivo S. 119 fgg. hatte sie gelten 
assen. 


r; VPE PE 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 59 


aufgenommenen incohandae entschieden den Vorzug.!9' Aber wenn 
Sie auch nur dies anerkennen, dann ist &uch kein Grund für G., 
der, wie ich eben immer wiederholen muss!®), dergleichen Dingen 
nachgeht und sie einbalsamirt, ein dignum imponendi poenae studio 
in Abrede zu stellen, wie es mit Recht auch von Müller angenommen 
ist, während auch G. sonst!) der allgemeingtiltigen Gewohnheit im 
Gebrauche dieser Construction sich insoweit wenigstens anschliesst, 
dass er sich ihrer nur beim Plural bedient. Ueber die Stelle des 
Cicero in den Tusc. V ὃ 70 überlasse ich das Endurtheil billig 
denen, die sich in ihn so eingelebt haben wie ich in den G.; doch 
aber erlaube ich mir die bescheidene Bemerkung, dass, wenn denn 
einmal geändert werden soll und muss, Ihr Vorschlag (aeterni status) 
mir weniger Wahrscheinlichkeit zu haben scheint als Seyfferts auch 
von Heine aufgenommenes aeternitatem, so dass der überlieferte Gen. 
. dureh den gewöhnlichen falschen Anschluss an das vorhergehende 
ilius entstanden zu denken wäre. So wenig aber das Vorkommen 
des vorher (S. 51) erwähnten Gebrauchs im Cato ınaior und in der 
Scauriana geleugnet wird, so ist es immerhin möglich, dass Baiter in 
beiden Ausgaben mit Recht auch hier an der überlieferten Lesart fest- 
hielt!°), die doch sehliesslich nur eine wie vor- so nachher vor- 
kommende Abweichung von einem an und für sich auch bei Cicero 
allgemein zugestandenen Gebrauche!®) ohne principielle Bedeutung 
enthält. Allein wendet doch Varro diese Construction auf den Gen. 
des pron. rel (de l L. V 8 7)'565 und auf den gen. plur. von 
nominibus der dritten Decl. nur er (de re rust. II 1, 3) und wieder G. 
III 16, 1,an, während sie sonst nur bei nominibus der ersten und 
zweiten Decl im Plural vorkommt (worunter man auch aliorum G. 
XVI 8, 3 subsumiren kann). Dass das freilich gerade für Cicero 
auch keine abschliessende Entscheidung gewährt, ist nicht zu leugnen; 
wenn aber G. diese Construction sonst öfter in normaler Weise an- 
wendet, so ist es bei ihm nicht nur ohne Anstoss, sondern recht im 
Charakter, wenn er auch einmal eine anomale und seltene Form 
gebraucht, sei es nach dem Vorbilde des Ennius und des Cicero, sei 
es nach dem des Ennius allein oder schliesslich, wenn Heines com- 
mencement du commencement des Schiffes auch bei diesem beliebt 
werden sollte, ohne einen, wenigstens ohne einen uns bekannten Vor- 


161) Dass hier navis als nom. zu fassen sei, wie Heine a. a. O. an- 
nimmt, glaube ich doch nicht recht, so fein ausgesonnen und so unan- 
fechtbar von sprachlicher Seite diese Erklärung auch ist. 169) Und 
jeder weitere Fall erhöht den Beweis für die Richtigkeit der vorher- 

enden. 168). [IT 16, 1 nach Müllers einleuchtender Besserung Rh. 
Mus. a. a. O.; ferner IV 15, 1; V 10, 5; XVI 8, 3, welche Beispiele Sie - 
selbst zu Cic. a. a. Ὁ, beibringen. 164) auch ein so genauer Kenner 
der lat. Syntax wie Weissenborn a. a. O. S. 120 A. 241. 1568) s. auch 
Zumpt lat. Gramm. 8 661!°, der, indem er der von Ihnen aufgestellten 
Regel folgt, die Stelle der Tusc. unbeachtet lässt. 1.56) Eorum . . adipiscendi 
m) Cicero selbst de fin. V 8 19; eorum . . humandi veniam Dictys IV 
8 2. A. 








M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 61 


Wenn Sie dann J. Gr. mir gegenüber loben, dass er einige 
Zeilen weiter aus R plus cernant oculis per noctem quam interdiu 
st. inter diem aufgenommen habe, so würe ich ihm gefolgt, wenn 
nicht hier auch LB mit allen anderen Hss. die letztere Lesart böten; 
L namentlich ist nicht selten sorgfültger als R, und gerade was Sie 
von inter diem sagen, um es als falsch zu erweisen, es sei "prorsus 
inusitatum', spricht für die Aufnahme, wenn es sich als mög- 
lich erweisen lässt. Auch hier ist inter diem offenbar nicht aus 
Assimilation an per noctem, sondern interdiu aus nachlüssiger An- 
bequemung an die gangbare Ausdrucksweise entstanden; ganz analog 
Steht bei Livius XXXII 29, 2 Frusinone inter noctem lux orta, von 
Weissenborn richtig erklärt: “im Verlaufe der Nacht, noctu'!'*); 
einen ühnlichen Prüpositionswechsel, ohne Wechsel der Bedeutung, 
um auch das zu bemerken, bietet z. B. das Lemma I 19 historia 
super libris Sibyllinis ac de Tarquinio Superbo rege; ebenso Apul. 
met. V 25 si recte coniecto . . ab isto titubante . . vestigio deque 
nimio pallore corporis u. 8. w. 

IX 11 beginnt: De Maximo Valerio, qui .. est (Sie vermuthen 
quin .. sit).., haut quisquam est nobilium scriptorum qui secus dixerit. 
"Ineptum est” sagen Sie “et sensu cassum illud, neminem secus dixisse, 
absolute positum.' Ich finde hier keinen Anstoss. In Bezug auf 
den Valerius Corvinus, der seinen Namen ob auxilium propugnationem- 
que corvi alitis bekommen hat, gibt es keinen angesehenen Schrift- 
steller, der einen (sc. von der eben deshalb ebenso vorgetragenen 
Thatsache: qui .. est) abweichenden Bericht gäbe. secus bedeutet, 
wie Festus!'*) gegenüber dem Valgius ganz allgemein sagt, aperte 
aliter exemplis omnium fere qui eam vocem usurpant; nicht anders 
selbst Cicero Brut. 8 293 Catonem nostrum .. magnum mehercule 
hominem vel potius summum et singularem virum, nemo dicet secus, 
sed oratorem? !/6) | 








pro(r?)sum spectantia (petentia?) oder zu pro: pro(r)sum |’ anti, wo dann 
in pete doch wieder Spuren der v. l. petentia zu spectantia zu suchen 
würen. ΄ 

174) Aus G. selbst lässt sich als verwandt, wenn auch nicht völlig 
dasselbe, anführen IV 7, 1 Valerius .. inter suam aetatem praestanti 
scientia fuit; XIII 7, 1 leaenas inter omnem vitam (= dem hier von 
ihm wiedergegebenen ἐν τῷ βίῳ Herod. Ill 108) semel parere. Höchst 
auffallend aber ist die grosse Varietüt von Bezeichnungen für das, was 
a. a. Ὁ. dureh per noctem: inter diem ausgedrückt wird, und für zu- 
nüchst verwandtes bei G. und seinen Zeitgenossen: per diem perque 
noctem G. I 17, 1; perdius atque pernox II 1, 2; et perdiu et pernox 
Apul. met. V 6; interdius: noctu G. XVII 10, 11; noctibus: interdiu 
Fronto ad M. Caes. II 10 S. 34 Nab. (per noctem braucht er S. 154; 
190); dies noctesque Apul. met. VI 1; dies totos totasque noctes VIII 
7; pernox et per diem IX 5; diebus ac noctibus apol. 76 und flor. 12; 
nocte (noctu?) diuque de mundo 29; noctu diuque met. IX 28; diuque 
noctuque apol. 5. 175) S. 297 M., vgl. den kürzeren Art. das. S. 384; 
Char. S. 80, 17 K. 176) Anderwärts braucht auch G. VII 16, 9 es 
comparativ: Q. Ennius in Erechtheo non longe secus dixit quam Catullus. 


62 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


Dann heisst es daselbst weiter (S 3): adulescens tali genere 
editus L. Furio, Claudio Appio coss. fit tr. mil. "Nihil' meinen Sie 
‘quo referatur, tali habet. Seripserat G.: consulari, was Sie dann 
palüographisch ganz einleuchtend zu motiviren wissen. Aber G. hat 
trotzdem sicher tali geschrieben, was schon Thysius einfach und 
überzeugend begründet hat, indem er Ihr Bedenken im voraus er- 
ledigte: tali genere editus] respicit ad initium capitis 'M. Valerio" 
atque hinc ex tali genere ortum refert, was man dem (ὦ. sicher 
gestatten darf. Der Ausdruck hier erinnert übrigens, beiläufig be- 
merkt, lebhaft an Ter. ad. III 1, 10 (v. 297) Talem, tali genere 
&lque animo, natum ex tanta familia, wie ihn wenigstens noch Donat 
las; denn heute pflegt man mit Bentley ingenio zu schreiben. 

X 3, 17 ist Th. Mommsen mit der sicheren Verbesserung: 
servi iniurias nimias (st. nimis) aegre ferunt zu dem hier erhaltenen 
Bruchstück der catonischen Rede gegen Minucius Thermus Ihnen 
vorangegangen (bei Jordan a. ἃ. O. S. 41); auch an das Einsetzen 
eines uti im Lemma des 21. Cap. dieses Buchs vor vitarit!") dachte 
derselbe einmal nach privater Mittheilung, wie Sie jetzt: Quam ob 
causam M. Cicero his omnino verbis: novissime et novissimus ob- 
servantissime [uti] vitarit. Er setzte damals zu diesem seinem 
Vorschlage ein Fragezeichen hinzu; Sie dagegen sagen nicht nur 
ganz bestimmt: “uti excidit ante uit in vitarit’, sondern setzen noch 
hinzu ‘Frustra Plautus advocatur', worauf ich Ihnen nun wohl nicht 
mehr zu antworten brauche, dass ein solches 'frustra advocare? des 
Plautus bei G. in dem Sinne, wie Sie es hier anwenden, nicht 
existiri. Gewiss hatte daher J. Gr. hier Recht der Ansicht seines 
Vaters zu folgen, der Plautus und Gellius gleich genau kannte. Er 
beruft sich dabei auf Curc. UI 3, 19 vitent infortunio, indem er 
hinzusetzt “et alibi'. Noch besser hätte er sein “et alibi hinzugesetzt : 
zu einem anderen Verse, den er (nebst prol. Poen. v. 25) nur der 
Anm. seines Vaters zu jener Stelle hätte zu entlehnen brauchen: Cas. 
U 2, 35 Semper tu huic verbo vitato abs tuo viro. — Quoi 
verbo?!) Hier ist neben der Erinnerung an das oben (s. Anm. 
153 vgl auch unten zu XV 30, 6; XVIII 12, 9) bemerkte vor - 


!'*) Schon die alten Ausgaben bieten es, aber, wenn es überhaupt 

richtig wäre, palüographisch minder gut nach novissimus einge 

Die jetzt gangbare Lesart findet sich übrigens in den alten Hass. zweiter 
Classe, nur lassen auch sie meist dus M. aus; die jüngeren, aber meist 
correcteren 1155. der ersten Classe RLB haben nur quam ob causam Cicero 
his omnino verbis novissime est (oderG); est usus zwar R, aber usus m. 
alt. in ras. Gerade jene charakteristische Anwendung des plautinischen 
Gebrauchs gibt die Sicherheit, dass hier jene das richtige bewahrt 
haben. 118) Zum Ueberflusse hat auch Apul. (apol. 29) von der Er- 
laubniss Gebrauch gemacht, die Sie dem G. versagen wollen: si vellem 
calumniis vestris vitare; calumnias üris allerdings F, was mir aber nur 
um so beweiskrüftiger erscheint, zumal im Vergleiche mit flor. 21 hisce 
igitur moramentis omnibus qui volunt devitare. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 63 


allem am Platze, an die Aeusserung des G. selbst XVII 2, 15 bei 
Gelegenheit der von Claudius Quadrigarius gebrauchten Construction 
fnihil sibi divitias opus esse’ zu erinnern: nos divitiis dicimus. sed 
vitium hoe (sc. divitias) nullum est ac ne id quidem est, quod figura 
dici solet; recta enim oratio est et compluscule veteres ita dixerunt, 
nec ratio dici potest, cur rectius sit “divitiis opus esse’ quam “divitias”, 
nisi qui grammaticorum nova instituta ut τεμένων ἱερὰ observant, 
welcher Satz einem Kritiker des G. beständig gegenwärtig sein muss. 

X 11, 4 ändern Sie quando in quamvis oder quum. Ist es 
Ihnen nicht aufgefallen, hochgeehrter Herr, dass Sie zwei Seiten 
später sich genóthigt sehen, dieselbe Aenderung (quum, hoc est 
cum tamen, pro quando) auch XII 18, 15 vorzunehmen, wo gleich- 
falls der von Ihnen perhorrescirte Conjunctiv steht? und wenn schon 
jene beiden Stellen sich gegenseitig zu decken scheinen werden, so 
nehmen Sie, um nicht weiter als nóthig auszuschweifen, noch dazu 
II 6, 7 vexatam Italiam dixit Cato ab Hannibale, quando nullum 
calamitatis .. genus reperiri queat, quod in eo tempore Italia non 
perpessa sit; XIII 30, 2 sicuti quidam faciem esse hominis putant 
os tantum et oculos et genas .., quando facies sit forma omnis et 
modus et factura quaedam corporis totius; XIX 8, 6 inimicitiam 
iamen .. quae ratio est, quamobrem C. Caesar vel dictam esse a 
veteribus vel dicendam a nobis non putat, quando Plautus .. deliciam 
quoque ἑνικῶς dixerit pro deliciis, und wenn wir etwa auch einmal 
im Vorbeigehen an die Nachbarthür anklopfen wollen, ebenso ist 
doch auch zu verstehen Apul de mundo c. 31 z. E. unde nihil 
mirum est, si mortales oculi eius (sc. dei) non capiunt aspectum, 
quando divinorum operum vestigiis sit perspicuus atque manifestus. 
Die oben zweitgenannte Stelle (XII 13, 15) aber ist im übrigen von 
Ihnen in wesentlicher Uebereinstimmung mit den alten Ausgaben !”°) 
durch eine scharfsinnige Darlegung schlagend verbessert. 

X 16, 13 misfällt Ihnen atque si in dem Satze praesertim 
cum ita sit fabula de Theseo, atque si Hercules eum evellerit de 
petra. Sie sagen “sine ullo exemplo dicitur ita atque si, usitate 
hac aetate et recte quasi” und berufen sich dafür auf Ihre Erörterung 
zu Tac. ann. XIV 60 S. 556, wo Sie für dies quasi eine Anzahl von 
Beispielen aus Sueton anführen. Die Zeit, um die es sich handelt, ist 
aber hier nicht die hadrianisch-antoninische, sondern die augusteische, 
da der betreffende Satz dem Hyginus angehört. Aber der gelehrte 
Grammatiker kannte dies ac si, wie selbst wir verfolgen kónnen, 
aus seinem Ennius, der (in einer zufällig auch von G.!9)) aufbe- 


110) anne Kalendis st. an ante Kalendas; die alten Ausgg. haben an 
st. anne, was sich vielleicht noch einfacher durch eine falsche Gemination 
der überlieferten Lesart erklären lässt; aus an Kalendis las man an an 
(= an ante) und damit natürlich denn auch den Acc. heraus. 12%) VI 
9, 2 und danach (s. meine Abh. G. und Nonius Marcellus Jahrb. 1862 S. 
715; 725 fg.; 791) Nonius S. 140, 21; bei G. geben ac VPR, im letzteren 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 65 


So ist die Aufuahme Ihrer Aenderung in den Text sicher nicht ge- 
boten. Richtig kann sie freilich bei der häufigen Vertauschung 
dieses und ähnlicher Worte trotzdem sein — aber wer beweist es? 
und wer, dass das überlieferte adigebantur falsch ist? 

Eine Art von Beweis treten Sie wenigstens zu XI 10 S 2 an, 
indem Sie das Ihnen misfällige etsi in dem Bruchstück einer Rede 
des C. Gracchus als 'sententiae contrarium' bezeichnen und dem- 
zufolge statt Nam vos, Quirites, si velitis sapientia atque virtute uti, 
etsi quaeritis, neminem nostrum invenietis sine pretio huc prodire, 
ändern utier, si quaeritis (oder quaeretis). Sie fügen hinzu: 'con- 
dicioni condicio aliqua propior superponitur’, was doch aber nur zum 
Verstündniss Ihrer Conjectur hinzugefügt sein kann, nicht kann be- 
weisen sollen, dass Gracchus wirklich so geschrieben habe. Und 
sicher hat er es nicht; denn vollstündigen und guten Sinn gibt, was 
uns überliefert ist: “Wenn ihr Quiriten euch der Weisheit und 
Tapferkeit (selbstverständlich weiser und tapferer Männer, und zwar 
ebenso selbstverstündlich für eure öffentlichen Angelegenheiten) be- 
dienen wollt!5!), so werdet ihr, wenn ihr auch (noch so sehr, hier 
würe das von Ihnen verpónte etsi maxime recht an seiner Stelle ge- 
wesen) sucht, niemanden finden, der völlig uneigennützig vor euch 
hintrüte'; ganz ähnlich lässt Schiller seinen Prediger in der Wüste 
ausrufen: Aber wer bei den Soldaten sucht die Furcht Gottes und 
die gute Zucht und die Scham, der wird nicht viel finden, thät er 
auch hundert Laternen anzünden (si quaerat, etsi incendit — ebenso 
möglich wäre: si incendat, etsi quaerit —, nihil inveniet).!5?) 

XI 18, 17 heisst es, das Stehlen werde von der lacedämonischen 
Jugend geübt nicht aus den dort nüher specificirten Beweggründen, 
sed pro exercitio disciplingque rei bellicae, weil auch (d. h. nicht 
minder als kriegerische Uebung und kriegerische Zucht) Geschick- 
lichkeit und Uebung im Stehlen, quod et furandi sollertia et ad- 
suetudo acueret firmaretque animos adulescentium et ad insidiarum 
astus et ad vigilandi tolerantiam u. s. w. So ergibt sich für diese 
Worte des G., wie sie in den Texten stehen, ein durchaus einfaches 
und richtiges Verstündniss. Sie dagegen coordiniren darin die beiden 
et in et furandi sollertia et assuetudo, und da Ihnen das mit Recht 
anstössig erscheint!?), so verbessern Sie an sich leicht und an- 





181) Denn sicher sind die Worte so zu verstehen, nicht: wenn ihr 
eure eigene Weisheit und Tapferkeit oder Tugend gebrauchen wollt. 

133) Entsprechende Beispiele aus den alten Schriftstellern, wenn es 
deren bedarf, geben z. B. Hand Turs. II 601 und Holtze a. a. O. II 
380. Da Sie Ihr 'sententiae contrarium" nicht weiter begründen, so kann 
ich mich mit dem positiven Nachweise des Gegentheils begnügen. 

188) “Non tanquam duo distinguuntur et sollertia et assuetudo’ sagen 
Sie 'debebatque dici, quod furandi et sollertia et assu[etudo]. Sed cur 
haec dico? Nam quibus talia explicari opus est, nihil tamen intelligent.’ 
Niemand hat meines Wissens jene Behauptung aufgestellt, gegen die 
Sie so energisch Front machen. 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. VII. Hft. 1. 5 


66 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


sprechend quod ea furandi sollertia. Diese aus einem Misverständ- 
niss entsprungene Conj. kann übrigens, so wenig an der vg. auszu- 
setzen ist, ganz zufällig doch ungefähr das richtige treffen, freilich 
aber nur aus einem Ihnen unbekannten äusseren (irunde. Die 
besten Hss.'*) haben nämlich ex, nicht et, furandi sollertia, und das 
kann wenigstens ebenso gut aus haec als aus et entstanden sein, 
das sich in anderen Hss. findet. 

XlI 1, 8 nehmen Sie Anstoss an einem nach meinen: Apparat 
vollbezeugten de.) G. lässt hier den Favorinus eine Strafrede 
gegen die Frauen halten, die ihre Kinder nicht selbst an die Brust 
nehmen, um sich die Schönheit ihres Busens zu erhalten: quod qui- 
dem faciunt eadem vecordia, qua quibusdam commenticiis fraudibus 
nituntur, ut fetus quoque ipsi in corpore suo concepli aboriantur, 
ne aequor illud ventris inrugetur ac de gravitate oneris et labore 
partus fatiscat. Stephanus hatte dafür auf lassus de via verwiesen !*6); 
Sie lassen das nicht gelten: 'longe aliter dicitur fessus de via de 
lassitudine e via et post viam manente! und verlangen ne. Aber 
auch die hier geschilderte Entstellung des Leibes (und für die Wahl 
des Ausdrucks dafür ist es doch gleichgültig, ob dieser Zustand als 
ein wirklich eingetretener geschildert oder als ein solcher bezeichnet 
wird, der in einem gegebenen Falle, d. h. ohne den Abortus, ein- 
treten würde) rührt her von der Schwangerschaft und dem Geburts- 
acte, ex gravitate oneris et labore partus, und manet post gravitatem 
oneris et laborem partus. Oder gehöre ich hier zu denen, die “nihil 
tamen intelligunt'? Jedenfalls aber ziehen Sie diesem Gebrauche 
des de zu enge Grenzen; mir scheint Kampmann !?”) durchaus Recht 
zu haben, wenn er in Bezug auf Plautus ohne subtilere Distinction 
sagt: apertissime causam qua quid efficitur de indicat in his: de!®®) 
labore pectus tundit Cas. II 6, 63 sc. cor (welche Stelle allein hin- 
reicht, um dem aequor ventris .. de labore partus fatiscens vollen 
Schutz zu gewähren); ut lassus veni de via s. A. 186; qua de re? 
Poen. I 2, 104; III 4, 23 (beidemal mit entsprechendem quia in 
der Antwort); nam mihi de vento miserae condoluit caput. "Truc. 
II 8, 2 (gleichfalls von der Ursache eines körperlichen Leidens); 
und um uns in einer ganz anderen Region umzusehen, die aber der- 


15) Ne konnten es nur von der H». des Scioppius wissen. 

1*5, "Sequens de om. quaedam exemplaria’ nach Stephanus Angabe. 

#0, So Plaut. Ps. 1I 2, 66; Cic. acad. post. I z. A. nisi de viu fessus 
esset; dem entsprechend G. selbst XVI 6, 2 erat enim fessus atque 
lunguens amicus de aestu mauris, (Bei Cic. Phil. I $ 12 liest man jetzt 
cumque e, nicht melr de, via languerem; im Sonm. Scip. c. 1 me et 
de via, nicht mehr et fessum de via oder et defessum via mit ülteren 
Ausgg., et qui ad multam noctem vigilassem artior quam solebat somnus 
complexus est.) 157) De px et xx praepositionum usu Plautino. Bres- 
lau 1840, Pr. des Elisabetanum, S. 5. 1588) Geppert hat hier prae nicht 


nur vermuthet, sondern es auch in den Text gesetzt, worin Sie ihm : 


doch sicher nicht beistimmen werden. 


1 
du 


ἢ 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 61 


jenigen, in der wir uns bewegen, von einer anderen Seite her ver- 
wandt ist, erlaube ich mir nur Sie an die surgentes papillae de 
favoni spiritu im Pervig. Ven. (v. 14) und anderes gleichartige oder 
verwandte in diesem Gedichte zu erinnern, das Bücheler (S. 17 seiner 
Vorrede) zusammengestellt hat!®®); manches andere dgl. völlig oder 
annähernd entsprechende bietet, um in der Nähe zu bleiben, Apulejus 
(z. B. met. I 12 lacrimae saepicule de gaudio prodeunt; VI 19 haec 
omnia tibi et multa alia de Veneris insidiis orientur; VIII 31 ne- 
quissimo verberoni placuit su& salus de mea morte), ebenso auch 
Fronto ad M. Caes. IV 12 S. 73 Nab. ego quanto opere te diligam 
non minus de gravibus .. experimentis quam plerisque etiam frivolis 
sentio; aus G. selbst gehört hierher ausser der schon angeführten 
Stelle namentlich noch III 7, 5 (nach der Erzühlung des Cato) tr. 
ad cos. venit, ostendit exitium de loci importunitate et hostium 
circumstantia maturum. 
XII 13, 1 bedaure ich, dass Ihr ausgezeichneter Schüler Wesen- 
berg, dem wir so manche treffliche Emendation verdanken!*?), hier 
.eine ganz verfehlte gemacht hat, und wundere mich einigermassen, 
dass Sie, der gestrenge Meister, ihn dafür wenigstens thatsächlich 
beloben, indem Sie ihm beistimmen. G. erziühlt, a coss. iudex extra 
ordinem datus habe er den Auftrag erhalten intra Kalendas Recht 
zu sprechen; wegen der Bedeutung dieses Ausdrucks habe er den 
Sulpicius Apollinaris befragt: 'dixique ei videlicet datum Kalen- 
dasque mihi prodictas, ut intra eum diem pronuntiarem'. Das 
datum ist aus dem vorhergehenden cum Romae a coss. iudex extra or- 
dinem datus essem durchaus ohne jeden Beisatz zu erklüren, und dass 
die Beifügung des pron. refl. nicht nothwendig sei, darüber ist kein 
Wort zu verlieren; ob man dasselbe wirklich hier stehen lassen solle 
oder, wie ich es wohl etwas voreilig auf die Autorität von R hin 
gethan habe, streichen, darüber kann man verschiedener Ansicht 
sein; wenn aber die alten Ausgaben nach den g-Hss. schreiben 
dixique ei me videlicet datum iudicem, so bat schon Stephanus das 
überflüssige letzte Wort mit Recht gestrichen, aber jene edd. wie 
die g-Hss. haben bei dieser unnützen Verbesserung doch wenigstens 
die von G. sicher mit Bedacht gewählte Construction dixique ei me 
videlicet datum Kalendasque mihi prodictas unangetastet gelassen, 
die er auch XVII 5, 9 angewendet hat: haec ille rhetoricus artifex 
dicere quibusdam videbatur perite et scienter, sed videlicet. eum 
vocabula rerum vera ignoravisse!?!), auch dies im Anschlusse an 
Plautus: s. Stich. IV 1, 49 Videlicet parcum illum fuisse senem und 51 


19) Allerlei, aber, wie er selbst einmal anmerkt, ungleichartiges 
bringt Hand bei Turs. IV 218 fg. 199) Seine neuerlichen emendatiunculae 
Livianae sind mir leider noch nicht zu Gesicht gekommen; hoffentlich 
erscheinen sie demnächst besonders zusammengedruckt. 19) Auch in 
gewöhnlichen Gebrauche findet sich videlicet bei G.: so V 12, 11; XIV 
1, 3 u. 24. 


6s 


68 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


Videlicet nequam fuisse illum adulescentem, und ebenso wohl auch 
Asin. III 3, 9 nach der, wie mir scheint, sehr annehmbaren Ver- 
besserung von C. F. W. Müller (plaut. Prosodie S. 279 fg.); so auch 
Lucr. I 210 Esse videlicet in terris primordia rerum. Diese Construc- 
tion aber wird durch Verwandlung des videlicet in iudicem ohne 
Berücksichtigung der Eigenart des Schriftstellers zerstört. 

XIII 12, 9 schreibe ich: quod tribuni pl. antiquitus creati 
videntur non iuri dicundo nec causis querelisque de absentibus 
noscendis, sed intercessionibus faciendis, ut iniuria quae coram fieret 
arceretur. Die nach intercessionibus faciendis überlieferten Worte 
quibus praesens fuisset!”?) sind, wie Sie bemerken, *adeo sensu cassa", 
dass ich sie in Klammern geschlossen (gestrichen) habe. ‘Sed deleri 
sine summa temeritate nequeunt" sagen Sie. Warum denn temeritas, 
hochverehrter Herr? und gar summa? Dass Dittographien und Glosseme 
bei G. vorkommen, ist auch Ihnen nicht zweifelhaft. Hier nun heisst 
es, die Tribunen seien gewählt, nicht um über abwesende Recht 
zu sprechen, sondern um durch ihre Intercession das Unrecht, welches 
in ihrer Gegenwart geschah, zu verhüiten; lächerlich ist es freilich, 
wie Sie bemerken, dazu mit der vg. quibus praesentes fuissent noch 
zu sagen, dass die Tribunen bei ihren Intercessionen gegenwärtig 
waren. Bei G. steht nun, im Gegensatze zu dem ihnen nicht zu- 
kommenden Rechtsprechen seien sie gewühlt, ut iniuria quae coram 
fieret arceretur; nur dies wird offenbar auch in jener anderen, den 
Gegensatz zu den causae querelaeque de absentibus noch sichtbarer 
vor Augen stellenden Wendung gesagt, sei es zur Auswahl für den 
Text, sei es als erklärende Glosse, die m. E. ursprünglich lauten 
musste cui praesentes fuissent. Diese gerieth am falschen Orte in 
den Text zu intercessionibus und wurde sinnlos, ut fit, diesem Plural 
angepasst; welche Art der Nachlässigkeit von vorn herein oder weiter- 
hin dagegen umgekehrt den Singular praesens fuisset erzeugt hat, 
lässt sich nicht nachweisen; — aber ich meine die kritische Operation 
ist wohl motivirt und einfach, und wenigstens Mommsen ist mir hier 
gefolgt (R. Staatsrecht I 220, 3). Mir erscheint Ihr Vorschlag 
quibus [usus in] praesens fuisset als eine, wie sich von selbst ver- 
steht, sehr geschickte, aber minder einfache und darum minder 
wahrscheinliche Lösung der Schwierigkeit. 

XIV 2, 26 bei der Kritik des catonischen Bruchstücks aus der 
Rede pro L. Turio c. Cn. Gellium ist Ihnen nicht mehr ganz gegen- 
würtig gewesen, dass G. fünf S88 vorher den Inhalt desselben von 
Favorinus sehr genau hat angeben lassen. Dort liest man jetzt!?*): 
Atque ego a maioribus memoria sic accepi: si quis quid alter ab altero 
peterent, si ambo pares essent, sive boni sive mali essent, quod duo res 


1?Y) So RL (B und seine kurze Utrechter Fortsetzung haben hier 
bereits aufgehört) u. a.; andere Hss. fuisse. !°3) Mit mir auch Jordan 
a. a. O. S. 62. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 69 


gessissent, uti testes non interessent, illi unde petitur, ei potius creden- 
dum esse. Hier bemerken Sie dreierlei: 1) die numeri notatio sei 
ineptissima; 2) pravissime sei res gerere, quod imperatoris est, de re 
privata contrahenda gesagt; 3) scheint Ihnen ein Fehler in illi . . 
ei zu stecken. Ad 1) heisst es in dem oben erwähnten $ 21, dass 
Cato in jener Rede es als Sitte der Altvordern bezeichnet habe, ut si 
quod inter duos actum est neque tabulis neque testibus planum 
fieri posset, tum apud iudicem, qui de ea re cognosceret, uter ex his 
vir melior esset quaereretur u. s. w. Da ist also doch ganz dieselbe 
numeri notatio, die ich nicht 'ineptissima', auch nicht einmal im 
Positiv inepta finden kann ^), da sie offenbar bezeichnen soll, dass 
etwas unter vier Augen, wie wir zu sagen pflegen, geschehen sei. 
Ad 2) dagegen muss ich, so weit im Augenblicke das mir zu Gebote 
stehende Material reicht, die Richtigkeit Ihrer Aufstellung im Gegen- 
satze zu meiner früheren, übrigens ziemlich allgemein (s. nur Forcellini 
s. v.) verbreiteten Meinung wenigstens in so weit anerkennen, dass 
res gerere nur von Öffentlichen Geschäften gesagt wird. Auch rei 
adoptire ich, doch aber wohl nicht, so fein Sie das ausgedacht haben, 
als gen. sing. (quod ii rei — quod rei ii), sondern als nom. plur. mit 
dem auch von J. Gr. angeführten Rutgersius V. L. V 16: quod duo 
rei d. i. die beiden processirenden Parteien, nach der aus Cic. de 
or. 18 283; 321; Festus u. d. W. S. 273; 289 bekannten Be- 
deutung, was auch Cramer billigte. Dieser gangbare terminus des 
alten Gerichtswesens scheint mir namentlich auch durch die Wort- 
stellung empfohlen, die diese Erklürung als die einfach sich dar- 
bietende erscheinen lässt; doch kann ich mir dabei selbst nicht ver- 
hehlen, dass das quod inter duos actum est 8 21 mehr einem quod 
rei (gen. sing.) duo als einem quod duo rei (nom. plur.) gessissent 
zu entsprechen scheint. Dass nach duos etwa reos ausgefallen sei, 
lüsst sich nicht mit einiger Sicherheit behaupten; da aber die Para- 
phrase keineswegs wörtlich ist, so kann zwar aus dem überein- 
stimmehden, wie aus der Erwähnung der Zweizahl an beiden Stellen, 
ein sicherer Schluss gezogen werden, nicht aber aus dem abweichen- 
den oder fehlenden, wie aus dem $ 21 fehlenden reos. Ad 3) meinen 
Sie dass noch *in illi .. ei mendum residet'. Aber die Wiederholung 
eines solchen prügnanten ei ist für die alte Latinität gerade charak- 
teristisch: bei Cato heisst es z. B. fluvius Hiberus, is oritur ex 
Cantabris, magnus atque pulcher, pisculentus (fr. orig. lib. VII bei 
Nonius s. v. pisculentus); Leonides Laco, qui .. fecit, propter eius 
virtutes, gleichfalls aus den origg. (bei G. selbst III 7, 19); de re rust. 
5 amicos domini, eos habeat sibi amicos, und ganz dasselbe ille .. 


'^*j "Ich brauche nicht gern einen Superlativum ohne Ursache’ "e 
Lessing einmal in einem seiner Briefe, die neueste Litteratur betreffend; 
nicht ohne Interesse wird man fast wörtlich dieselbe Aeusserung in 
ausführlicherer Begründung aus — Metternichs Munde vernehmen bei 
Varnhagen (Denkwürdigkeiten und verm. Schr. 8, 112). 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 11 


halben cum periculo et clade aliqua aut animi aut corporis; da- 
zwischen aber wird vóllig überflüssig der Tod eingekeilt, der als 
die hóchste Potenz nach beiden Seiten hin bei Varro (bezw. in der 
kürzeren Fassung desselben) unerwähnt geblieben war. Dass periculum 
et clades vitae interitus hier nothwendig, dass es nur scharf gedacht 
sei, werden doch auch Sie nicht behaupten wollen. Gewiss ist es 
nicht minder ineptum als die von Thnen so bezeichnete Verbindung 
des corpus morbusque gravior, was eben auch nur eine weitere, 
ebenso unnütze Ausführung und Ausmalung ist, indem von den 
doch verschiedenen pericula und clades, denen der Kórper anheim 
fallen kann, nachdem der Tod vorweg genommen ist, die haupt- 
sächlichste Kategorie dem allgemeinen in allerdings nicht streng 
logischer, aber doch nicht selten vorkommender Coordination durch que 
angehängt wird, ganz der von Ihnen selbst so präcis ausgedrückten 
Grundverwendung dieser Conjunction entsprechend, wonach sie das 
zweite Glied mehr als einen Anhang zum ersten und als eine Fort- 
setzung und Erweiterung desselben bezeichnet.!”) Wie G. Sprache 
sich nicht nach den Regeln der classischen Prosa ummodeln lässt, 
so dürfen Sie an ihn auch nicht allüberall den unerbittlichen Mass- 
stab jener strengen und scharfen Gedankenklarheit und des ihr ent- 
sprechenden präcisesten Ausdrucks anlegen, welche wir an Ihnen 
bewundern. 

XV 30, 6 habe ich in den Worten petorritum enim est non 
ex Graecia dimidiatum, sed totum trans Alpibus, nam est vox Gallica — 
nach totum ein ortum (ich hätte auch schreiben können natum) hin- 
zugesetzt. Sie fordern statt dessen (auch schon vor Alters wie Sie 
anmerken vermuthet) Transalpinum, das mir, eben weil es das ein- 
fache und gewöhnliche ist, nicht wahrscheinlich ist. Aber ist es 
nicht möglich, sich auch hier auf den für G. so oft bewährten 
Standpunkt der Anomalie zu stellen und mit Neue a. a. O. II 549 
zu sagen: 'einzeln steht trans Alpibus G. XV 30, 6', namentlich 
wenn man sich dazu denkt, dass das einzeln auch bei einem seiner 
alten Lieblinge vorkam oder dass er es doch bei ihm zu finden ge- 
glaubt habe?!””) Und dann bedarf man doch wohl eines solchen 


gravissimos quosque fieri septenarios (ein auch stilistisch für G. recht 
instructiver Satz). Und auch bier ist wohl Varro zu verstehen unter 
denen “qui rerum verborumque istius modi studio tenentur’ 8 2, so dass 
G. die Fassung des V. verwässert hat, wenn dieser nicht selbst an einem 
andern Orte sich so breit und wenig scharf ausgedrückt haben sollte. 
198) at. Sprachlehre? $ 433. Nicht eben schürfer scheint mir z. B. 
Cic. de off. I ὃ 11 gesagt: principio generi animantium est a natura 
tributum, ut se, vitam corpusque tueatur. 19%) Zu diesem letzteren 
Ausdruck gibt mir das trans Curione aus der lex agr. des J. 643 d. St. 
(C.1.L. In. 200, 21) die Handhabe, das in Wirklichkeit, wie auch Hübner 
im index S. 6073 und Neue richtig annehmen, nur ein Beispiel des nicht 
selten vorkommenden Accusativs ohne auslautendes m ist, wie der 
sonstige Gebrauch dieser Prüpos. auf Urkunden zeigt (trans mare: lex 
repet. a. 631,2 a. ἃ. O. n. 198, 17; 23; irans viam Postumiam: sent. 





12 M. Hertz: vindicise Gellianae alterae. 


ortum oder natum, wenn man nicht für dies trans c. abl. die Be- 


deutung “von jenseit her’ annehmen will, was ich jetzt selbst für 
das wahrscheinlichste halte. Sicherheit ist hier nicht zu erreichen, 
und dieser Erklürungs- wie jener Verbesserungsversuch sind ebenso 
problematisch wie Ihr Transalpinum; aber ohne genaue Ueberlegung, 
wie Sie sehen, habe ich auch hier nicht gehandelt. 

XVII 2, 16 haben wir es, was Sie nicht anmerken, was aber 
auch. se. von meinem Standpunkte aus, für die Stellenkritik bei 6, 
nieht eben viel ausmacht, wieder einmal nicht mit diesem selbst zu 
thun, sondern mit Claudius Quadrigarius. Sie nehmen hier wieder 
eine Trivialeconjectur an, die der Verbesserung eines Schülerexercitiums 
sn ühnlieh sieht wie ein Ei dem andern. und die man natürlich auch 
jedem Ab-chreiber des Cieero, der sich dergleichen hätte zu Schulden 
kommen lassen, unweigerlich angedeihen lassen würde; diesmal 
stammt sie von Falster und lautet: neque optimum quemque (stalt 
quemquam? inter nos sinunt diurnare. Sie fügen die Belehrung hin- 
zu: "Alioqui seriberetur: neque honum quemquam", sicher nicht ohne 


die Empfindung. ılie Sie hatten, als Sie ızu XI 18, 17 & A. 183) ! 
ausriefen: "Ned cur huec dieo?”, was an dieser Stelle ausgesprochen | 


wenigstens Adressaten gehabt hätte, die dort nur in Ihrer Vorstellung 
exi-tirten. Da ich, und zwar last not least, zu der Zahl derer ge- 
höre, für die «ese Belehrung zunächst bestimmt ist, weil sie dies 
quemquam im Texte geduldet haben — auch Gr. gehört, beiliufig 
gesagt. dazu ---, so wollen Sie mir doch die Bemerkung gestatien, 
das. wie mein verehrter Lehrer Bonnell mir noch heute bezeugen 
wird. ich soleher Weisungen kaum vor mehr als vierzig Jahren in 
der Obertertia würde belurft haben. wogegen mich denn freilich das 
nben «chon beiläufig erwähnte “non debebat opus esse talia bis dici! 
noch em Decennium weiter zurück — long. long ago — in die Zeit 
versetzt hat. wo 

Der Mutterliebe zarte Sorgen 

Bewachten meinen goldnen Morgen — ; 
doch für alles das habe ich mir das sinere praetertluere des alten 
Cato zur Riehtsehnur genommen. Also zur Sache. Sehen Sie, hoch- 


Minne. 8, 57: 199, 11 ἧχι; trans viam: lex par. fac. n. 577 col. 1, 6: 9. 
Em το] ον trans Curiene and ähnliches auf In- oder in Handschriften 
konnte Ir. nicht minder verleiten einen alten Gebrauch mit dem Abl. 
anzunehmen ai* Pompejus 1. 278, 20. K. sicher auch nach einer älteren 
quete berichtet, dass gewisse Prüpese. die den Aces regieren (ante, 
pt propter. preter be? den Alten anch mit dem Abl. wefunden würden 
urmdodacg]g ans Paenvius ante temple. propter homine antührt. Allerlei 
der Art kommt dann im Vulziriatein sum Vorschein: theils aus Rohheit, 
thesis aber wohl auch nach alter Tradition, wie das in Bezugr auf in schon 
eben \nm 25 erwähnt ist und für prae zu XNVIL 12, 10 erwähnt werden 
wir. manches dirlo bieten die Inschriften dar: «C EL. ILS. 1«9 3, v. 
utaris; ΠῚ gis? κὸν, praepesitienes vasibus non suis; lV. 259 acc. pro 
Eo cweunal as dreimal cum oe. acc. in peupeantschen Wandinschriften. 


de 


== 





M. Hertz: vindicjae Gellianae alterae. 13 


verehrter Herr — denn das bleiben Sie mir 'trotz alledem und 
alledem' — sehen Sie sich doch dieses ganze Capitel des G. noch 
einmal genau an, in dem eine ganze Anzahl von Bruchstücken jenes 
Annalisten enthalten ist, und legen Sie sich dann die Frage vor, 
wie viel Sie daran herumcorrigiren müssten, um ihnen in Worten 
und Wortfügungen den Stempel eines correcten und mustergültigen 
Latein aufzuprügen, das Sie in so hohem Grade kennen und so 
meisterhaft beherschen, und Sie werden dadurch schon bedenklich 
dagegen gemacht werden hier einen Fehler statt einer Absonderlich- 
keit zu erkennen (die G. dem Claudius auch einmal hätte nach- 
machen können, so dass ein solches quemquam mit dem Superlativ, 
wenn es sich bei ihm an einer anderen Stelle fände, was zufällig 
nicht der Fall ist, eine ebenso schonende Behandlung erheischte). 
Was-mich aber in dieser Auffassung?" sicher macht, ist der von 
Ihnen nicht erwähnte und auch wohl kaum beachtete Umstand, dass 
Nonius u. diurnare 8. 100, 17, der nachweislich 31) auch hier aus G. 
geschópft hat, bei diesem schon jenes quemquam gelesen hat: die 
alten Ausgaben hatten es zwar in quemque oder quenque verändert, 
aber Jos. Mercier, der doch auch wusste was er that, hat hier offen- 
bar nach Uebereinstimmung der Hss.??) dasselbe quemquam in den 
Text gesetzt, welches Falster, dessen Verdienste um G. ich am 
wenigsten verkenne, der aber hierzu schnell mit der rothen Schul- 
meisterlinte bei der Hand war, bei G. hat ündern wollen, dem 
Nonius es entnahm. 

Diese Lection aber wurde mir doch mit anderen gemeinschaft- 
lich zu Theil; unmittelbar darauf bin ich der einzige schuldige, den 
die Worte treffen können: ‘$ 17 revocatum altero loco rectius pro 
crebrius inter incredibilia est.” Das incredibile lassen wir wieder 
praeterfluere. Lassen Sie uns nur einmal zusammen die Stelle, 
um die es sich handelt, etwas genauer ansehen. Sie enthält wiederum 
eine Bemerkung über einen Ausdruck des eben genannten Annalisten: 
cum his consermonabatur. Dazu wird nach der gangbaren Lesart 
bemerkt: sermonari rusticius videtur, sed rectius; sermocinari crebrius 
est, sed corruptius. Arg würe es nun allerdings, wenn ich hier aus 
crebrius (wenn auch mit allen Hss., wie es sich wirklich ver- 
hält) nur rectius hergestellt und dem Leser zugemuthet hätte zu 
verstehen: sermocinari rectius est, sed corruptius. Aber, verehrtester 
Herr, so steht auch gar nicht da, sondern ebenso im engsten An- 
schlusse an die Ueberlieferung als sinnentsprechend und deutlich: 
sermonari rusticius videtur, sed rectius est; sermocinari rectius 
(sc. videtur), sed eorruptius est. sermonor ist nach Gellius An- 
schauung in Wahrheit rectius (offenbar weil von dem einfachen 


300) Mit Recht hat sich ihr auch H. Peter a. a. O. Cl. fr. 9 S. 207 
angeschlossen. ?°') S. Jahrb. 1862 S. 717; 720; 790. “5 Denn weder 
bei Gerlach-Roth noch bei Quicherat wird eine Variante angegeben, und 
letzterer sagt noch ausdrücklich: quemquam etiam Gellius. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 15 


esset videre. Aber es steht hier schon mit dem codicum auxilium 
doch nicht ganz so wie Sie glauben: abgesehen davon, dass in und 
ui bezw. IN und VI sich so ähnlich sehen, dass man sich dabei auch 
bei einer ziemlichen Portion von Conservatismus, wo es die ratio 
zu fordern scheint, nicht eben üngstlich an die Hss. binden wird, 
halten dieselben sich hier so die Wage, dass selbst R und L nicht 
auf derselben Seite stehen. Um so schlimmer freilich für mich, 
wenn ich trotzdem den Unsinn 'T. befiehlt dem Knaben das Oel in 
den 'Topf (oder meinethalben denn auch, da ich in ordinem scriptum 
hatte stehen lassen, nach meiner Vorstellung: im Topfe) zu sehen' 
stehen liess; — denn 80 müssen Sie doch glauben, dass diese Worte 
allein zu verstehen seien, sonst würe Ihre spitzige Demerkung über 
dieselben nicht verständlich. J. Gr.s Anm. haben Sie hier wohl 
nicht angesehen; sonst wären Sie vielleicht doch etwas stutzig 
darüber geworden, dass es sein Vater war, der dies videre in den 
Text bringen wollte. Dann hätien Sie sich weiter auch wohl ver- 
anlasst gefühlt die von J. Gr. citirte Annı. des Vaters zu Liv. XXI 4, 
10 anzusehen, und sich dabei solcher Stellen erinnert wie des Terenz 
(heaut. III 1, 48)°®) und αὐτοτάτου Ciceronis Tusc. III $ 46 dul- 
ciculae potionis videamus aliquid et cibi. Und dann hätten Sie 
auch die mir in Bezug auf I. F. Gronov 8. 584 gegebene Weisung befolgt 
und adhibito libero prudentique delectu mit ihm diesen auserlesenen 
Gebrauch dem vulgüren indere vorgezogen. [πὶ folgenden (8 5) 
aber bin ich wieder nicht allein der Thüter; da herscht der souverüne 
Unverstand nach Ihrer Ansicht in allen Hss. und Ausgg.: Guttum 99) 
Samium ore tenus imprudens inanem, tanquam si inesset oleum, 
adfert heisst es überall. Quid sit guttus ore tenus plenus, scio; 
sagen Sie; quid sit ore tenus inanis, prorsus nescio, et ne coniungi 
quidem ore tenus cum inanem ordo verborum sinit. G. scripserut: 
Guttum Samium protinus prudens (et sciens, wie Sie erklärend hin- 
zusetzen) inanem, tanquam si inesset oleum, adfert. Ludebat enim 
verniliter festivissimarum argutiarum (die ihm vorher 8 4 beigelegt 
waren) puer. Eine sehr feine und hübsche Besserung, wenn wir 
einer solchen bedürften. Sie sind zwar schon manchem groben Irr- 
thum Ihrer Fachgenossen, leider auch von mir, begegnet, und können 
wissen, dass Sie schärfer blicken als die meisten unter uns; aber 
sollten wir hier wirklich uns alle wieder einmal wie XIV 6, in 
einem nicht viel complicirteren und einen einfachen Vorgang schildern- 
den Satze, eingebildet haben etwas ganz unsinniges zu verstehen? 
sollten wir alle jene der Wortstellung nach, wie Sie bemerken, un- 
mögliche Verbindung angenommen haben, um diesen Nonsens zu 


305) Nam ut alia omittam, pytisando modo mihi Quid vini absumpsit 
“sic hoc’ dicens 'asperum, Pater, hoc est, aliud lenius sodes vide’, statt 
dessen Nonius ein glossematiscbes para bietet. 199) Vielleicht ist vor 
diesem Gutum, wie ich mit Bedacht schrieb, ein IS nach SCATENS 
ausgefallen. 


15 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae, 


erzielen? Gibt es denn hier wirklich keinen anderen Ausweg? Was 
sich die anderen gedacht haben, weiss ich nicht; aber dass Gr. hier 
geändert hätte, wenn Sie Recht hätten, weiss ich sicher und auch 
damals wäre ich ihm nicht minder sicher gefolgt. So aber verband 
ich — und sicher auch er — ore tenus mit dem zunächst dabei 
stehenden imprudens: ore tenus imprudens heisst gewiss nicht 
minder angemessen und mit noch etwas gewählterer Wendung als 
protinus prudens der attische kleine Sklave festivissimis et aetatis 
et gentis argutis scatens, und es steht noch dazu totidem litteris in 
den Hss. Ganz ebenso, wie ich zum Ueberflusse hersetze, Tac. ann. 
XV 45 hic Graeca doctrina ore tenus exercitus animum bonis artibus 
non induerat (s. auch ebendas. c. 6 nomine tenus; hist. I 38 ianua ac 
limine tenus®"')); ähnlich ferner verbo tenus bei Cic. de legg. III 
8 14; Liv. XXXIV 584 u.a. Bei G. selbst gehört hierher noch 
XVII 19, 1 ἄνευ τοῦ πράττειν, μέχρι τοῦ λέγειν, id significat: 
factis procul, verbis tenus." 5) 

In dem Berichte von der lacedämonischen Skytale XVII 9, 8 
wird gesagt, dass der eine der bekannten beiden Stäbe dem in den 


Krieg ausziehenden Feldherrn gegeben wurde, alterum domi magistra- : 


tus cum iure atque cum signo habebant. Sie sagen: 'nihil est cum 


iure. Seribendum cum cura atque cum signo (obsignatum) : 


habebant) Auch Góüttling?") nahm an diesem cum iure Anstoss 
und zog cum loro vor. Ich musste, als ich jenes im Texte behielt, 


an zwei Möglichkeiten der Erklärung denken: 1) mit dem (übrigen) ' 
Recht (der Gewalt und Befugniss) ihres Amtes?) und seinem. : 
Zeichen, d. h. als einen Bestandtheil des imperium und der insigmis - 


desselben; so bei Livius IV 7, 2 sunt qui .. tribb. mil. tres creatos - 
dieant et imperio et insignibus consularibus usos vgl. mit 8 3 non 


207) Dem Sinne, wenn auch nicht völlig dem Ausdrucke nach, ent- . 
sprechend auch ann. XV1 32: cliens hie Sorani . . auctoritatem stoicae 


sectae praeferebat, habitu et ore ad opprimendam imapinem honesti - 


exercitus, ceterum animo perfidiosur, subdolus avaritiam ac libidinem 


ocenltans. — ??5) Die oben von mir angeführten Stellen ausser den beiden | 


gellianischen gibt nebst anderen aus Livius, Quint., Suet., Verg. auch 
Nipperdey in Corn. Nep. spic. alt. Π| p. 4, wie ich später suh. Da denn 


eben dafür gesammelt wird, will ich auch noch einiges hinzufügen, was : 


ich gerade vorräthig habe: und zwar zunächst aus Fronto ad M. Ant. 
de eloq. S. 153 ΝᾺ. paueca admodum uno tenus verbo corrigenda und 
aus Apulejus met. IX 17 digito tenus; X 23 farie tenus; pallio tenus 
philosophos imitari steht bei demselben flor. 8. Verbo tenus findet sich 
auch bei Ulpian D. IL 2, 1, 2; voce dum taxat tenus bei Marcian ebendas, 
XLVlII 16, 1, 10; titulo tenus auch (s. Nipp. bei Ulpian das. XXVII 9, 
5, 13. Dräger führt (zu Tac. ann. XV 6) noch specie tenus an aus Lact. 
de mort. pers. 36, 6. *^?) Comm. alt. de monum. Plat., Jena 1862, 
S. 4 Anm. * 219%) Diesen Gebrauch von ius brauche ich wohl nicht zu be- 
weisen: s. nur Huschke Servius Tullius S. 407, 30. Seine sehr feine Conj. 
ius eius bei G@. XIII 15, 4 (in der ihm Niebuhr vorangegangen war 

G. 1I? 412, 4y ist freilich nicht sicher, wenn auch nicht aus dem von 


Rubino Untersuch. S. 365, 4 hervorgehobenen Grunde. 
* 


"E : 


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M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 77 


tamen pro firmato stetit magistratus eius ius. Aber wenn schon 
der Ausdruck signum an und für sich nicht ohne Bedenken war, so 
schien mir der Singular unleidlich, und ich zog daher 2) eine andere 
Erklärung vor: ius so wie es, wie schon oben bemerkt, die Gesammt- 
heit der mit eineın Amte verbundenen Rechtsbefugnisse bezeichnet, 
den Inbegriff aller derjenigen Dinge, quae iure magistratus compe- 
tunt?!) kann doch sicher ohne Zwang auf diejenigen Rechts- und 
Amtsbefugnisse ausgedehnt werden, die mit jedem einzelnen Attribut 
der magistratualischen Stellung verknüpft sind. Wie Ihr cum cura, 
das im röm. technischen Gebrauche ja so häufig ist, bedeutet, mit 
der Pflicht der Obhut nicht nur, sondern auch der Besorgung der 
damit verbundenen Geschäfte, so bezeichnet cum iure hier mit dem 
Rechte, welches mit dem Besitze des Stabes verknüpft war, kraft 
dessen die Magistrate, quando usus venerat litterarum secretiorum 
(S 9), die hier beschriebene Operation vornahmen und dann den 
Stab dem imperator, der commenti istius conscius war, zusandten; 
diesem commenti istius conscius ebenso wie dem was $ 3 u. 4 von 
Cäsar und seinen Correspondenten in ähnlicher Beziehung mitgetheilt 
wird, entspricht das cum signo, welches natürlich ebenso wie die 
magg. domi auch der draussen weilende unperator besitzen musste, 
wie das denn auch ganz deutlich aus ὃ 14 hervorgeht, wo es heisst, 
dass dieser den empfangenen Lederstreifen surculo compari, quem 
habebat, [a], wie Sie hinzusetzen, capite ad finem, proinde ut fieri 
sciebat (eben kraft des signum, des bestimmten und verabredeten 
geheimen Zeichens; bei Geheimschrift würde man es mit “Schlüssel? 
übersetzen können) eircumplicabat. Unter den verschiedenen Be- 
deutungen des Wortes signum zählt Priscian de XII vss. Aen. $ 161 
S. 1263 P. ganz der hier geforderten Bedeutung entsprechend auch 
εύνθημα auf. Von einer Versiegelung des Stabes (bezw. der Stäbe) 
ist meines Wissens nirgend die Rede*'*), obwohl das freilich an sich 
nichts unmögliches gewesen wäre. 

XVII 11, 6 scheint mir das gut bezeugte®!?) omnem reliquum 
an und für sich unanstössig. Es heisst: potum autem partiretur 
und dann: a) quod ex eo admitti in pulmonem per arteriam deberet, 








311) Papinian D. I 21, 1 pr. ?'*) wenigstens an keiner der mir be- 
kannten ausführlicheren Stellen über diesen Gebrauch: Plut. Lys. 19; 
Ath. X S. 461 d; Hesych. und Suid. 5. v.; Diogen. prov. 111 25 (Apostol. 
IV 86) d. Gótt. Ausg.; Ausonius Briefe 23, 23 fgg.; Etym. Coisl. bei 
Cramer anecd. Par. IV 175, 8; Schol. zu Arist. Vögeln 1283 u. z. Lysistr. 
991; zu Thuk. I 131; zu Pind. Ol. VI 156 in den übrigen Versionen der 
scholl. vet. wie in den rec. (S. 152 Bóckh); nur eine Version der ersteren 
heisst: ἄλλοι δὲ ὅτι ἐχρῶντο πλατείαις εκυτάλαις οἱ Λάκωνες, ἐγγράφοντες 
αὐτῶν τὰς ἐπιςτολὰς καὶ ἐγκλείοντες εἰς εκύτινα ἀγγεῖα, καὶ οὕτω copa- 
YíZovrec. Diese Stelle, die auch Göttling a. a. O. allein dafür anführt, 
bezieht sich aber sicher wenigstens nicht auf die hier beschriebene Art 
officieller Geheimcorrespondenz: vgl. Nitzsch melet. de hist. Hom. I 75 fgg. 

315) om in reliquum alteram i. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 19 


minder leichte, als dem Sinne nach bei oberflüchlicher Betrachtung 
sehr ansprechende Veründerung des formae in fortunae betrifft, so 
ist doch bei einem etwas näheren Eingehen auf die Sache ein honestus 
modus keineswegs unangemessen für die forma. Cum autem pulchri- 
tudinis duo genera sint, quorum in altero est venustas, in altero 
dignitas, venustatem muliebrem dicere debemus, dignitatem virilem 
sagt Cicero de off. I 8 130, und zum Ueberfluss auch mit dem (um 
einen mir nicht angenehmen, hier aber einmal bequemen Ausdruck zu 
brauchen) hiesigen Worte ebendas. $ 107 videmus in formis aliis dig- 
nitatem inesse, aliis venustatem; näher noch liegt für G. die Erinnerung 
an die Worte, die er V 11, 10 dem Favorinus in Dezug auf den Aus- 
spruch des Bias ἤτοι καλὴν ἄξεις ἢ αἰςχρὰν u. s. w. in den Mund legt: 
Est .. tertium quoque inter duo ista quae diiunguntur ..; inter enim 
pulcherrimanı feminam et deformissimam media forma quaedam est, 
quae et a nimiae pulcritudinis periculo et ἃ summae deformitatis 
odio vacat . .; quam formam modicam et modestam Favorinus non 
mehercule inscite appellabat uxoriam, Ennius autem .. eas fere 
feminas uit incolumi pudicitia esse, quae 'stata forma' forent. Nicht 
also die 'excellens formae pulchritudo'?5), sondern die dignitas 
dieser ‘forma modica et modesta! wird verlangt, und das drückt 
honestus modus formae aus, womit Sie noch die in der Ànm. mit- 
getheilte Stelle aus Apulejus apol. 4 vergleichen wollen. Angezeigt 
also ist eine Aenderung von formae nicht, aber immerhin erscheint 
Ihr Vorschlag fortunae daneben als gefällig; allerdings nur so lange 
als man die Stelle nur in Ihren Adversaria vor sich und nicht etwa 
ganz im Kopfe hat. Ist aber das der Fall oder schlägt man sie bei 
G. auf, so weiss bezw. sieht man, dass sie dort mit Hinzufügung 
der von Ihnen nur mit Punkten bezeichneten Worte lautet: quoniain 
et corporis integritas sanitasque et honestus modus formae et 
pecunia[e] familiaris et bona existimatio ceteraque omnia cor- 
poris et fortunae bona necessaria viderentur perficiendae vitae 





31€) Cic, de inv. Il $ 1; vgl. z. B. virgines quaedam forma excellente 
bei Liv. 1 9, 11, aber auch eximia forma pueri delecti bei Cic. Tusc. 
V 8 61; etwas bescheidener scheinen die Delphine, die pueros “forma 
liberali? arserunt bei G. VI 8, 3; derselbe V]I 8, 3 von der Schwester 
des Darius: quam esse audiebat ander) exsuperanti forma, und von 
der spanischen Jungfrau, die Scipio ihrem Vater zurückgab: virgo tempe- 
stiva, egregia forma; 1 8, 3 von der elegantia venustasque formae der 
Lais (naeh Sotion) Sehr bezeichnend für unsere Stelle ist auch das 
licere etiam philosophis esse vultu liberali bei Apulejus (apol. 4): Pytha- 
goram . . excellentissima forma fuisse . . itemque multos philosophos 
ab ore honestissimos memoriae prodi, qui gratiam corporis morum 
honestamentis ornavermt; Photis hat bei ihm, beilüufig bemerkt, eine 
scitula forina (met. II 6), daneben auch scitulae formulae iuvenis quispiam 
III 16; pueri ac iuvenes eximia forma (flor. 23); nicht minder instructiv 
aber als die erstgenannte Stelle ist der Gegensatz der mulier vidua 
et mediocri forma, at non aetate mediocri u. 8. w. und der virgo 
formosa apol. c. 92. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 81 


Sie das wohl bemerken müssen. Doch minima non curat praetor, 
und viel verschlagen hätte es schliesslich auch nicht; denn mein 
Conto bei Ihnen würde damals auch durch die Streichung dieses 
einen Postens nicht viel erleichtert worden sein; wohl mir, dass wir 
— und ich denke in weitaus den meisten Fällen darf ich sagen: 
wir — inzwischen noch manchen anderen haben absetzen kónnen. 
Dazu werden wir gleich einen neuen fügen, und ich denke mir — 
al's well, that ends well — zum Schlusse mit Ihrer Beistimmung " 
noch eine nicht unerhebliche ςειςάχθεια zu verschaffen. 

Der dritte Vers in dem bekannten Bruchstück aus dem fünften 
Buche des Lucilius (XVIII 8, 2) erscheint Ihnen, wie er bisher ge- 
lesen wurde, 'perversus'. Es heisst hier: (Lucilius) ubi est cum 
amico conquestus, quod ad se aegrotum non viseret, haec ibidem ad- 
dit festiviter: 

Quo me habeam pacto tam etsi non quaeris docebo, 

Quando in eo numero mansti, quo in maxima nunc est 

Pars hominum — (und dann weiter, mag man hier mit L. 
Müller eine Lücke annehmen oder im Verse fortfahren und am 
Schlusse desselben Wortbrechung eintreten lassen ?!?) 

Ut periisse velis, quem visere nolueris, cum 

Debueris. ᾿ 
Nimmt man aber auch (wie eben geschehen®””)) jenes an, so wird 
doch an dem Hauptgedanken kaum etwas fehlen. Doch Ihnen gegen- 
über handelt es sich darum gar nicht, da Sie eine solche Lücke nicht 
statuiren. Die Perversität jenes Verses nun begründen Sie mit den 
Worten: “neque enim amicus Lucilium perire volebat, sed nunc visere 
volebat, cum aegrotum non visisset.” Freilich wollte er nicht Luci- 
lium perire, aber perire steht ja auch gar nicht da, sondern periisse. 
Die Menschen der Classe, der er zugezühlt wird (bezw. er), móchten 
(nachträglich), dass einer (und in diesem Falle war der in Rede ste- 
hende der Dichter selbst) lieber gestorben (sc. als genesen) wäre, 
den sie zu der Zeit nicht haben besuchen wollen (und demnach nicht 
besucht haben), als es ihre Pflicht gewesen würe, d. h. wo er krank 
' lag??*), natürlich weil sie sich dann nicht zu schämen und zu ent- 
schuldigen hütten und den Vorwürfen des vernachlüssigten entgingen. 
Damit wird Ihre Vermuthung 

ut visisse velis, quem nolueris, cum 

Debueris 
hinfällig. Mit Unrecht stimmen Sie hier ferner nach meiner Mei- 
nung für das folgende Francken®??) in der Annahme einer Unzu- 


51) Beides würde durch Ihre gleich zu besprechende Conj. beseitigt. 

320) weil es im Augenblick bequem war hinter hominum eine Pause 

zu machen, nicht weil es meiner eigenen Ansicht entspräche; s. unten. 

221) Auch Corpet, wie ich nachträglich sah, hat diese Stelle in sei- 

ner Uebersetzung richtig verstanden. πὶ nach dem Vorgange von 

Jos. Scaligers (lectt. Auson. II c. IIII) freilich stillschweigender Verbes- 
Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. VII. Hft. 1. 6 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 38 


modum und fermemodum machen, erscheint von vorn herein viel zu 
fein für die Wortschmiede der Epoche, die hier wesentlich in Betracht 
kommt (und auch für G., falls er das Wort nach Analogie selbst ge- 
bildet haben sollte); ihm erschien fermemodum sicher nur als ein 
compendiöser Ausdruck für das, was er ausführlicher an einer ande- 
ren Stelle (XII 13, 6) ausgedrückt hatte durch in hunc ferme modum, 
und wenn Sie an die Versuche der röm. Grammatiker auf dem Ge- 
biete der Etymologie denken und daraus die entsprechenden Rück. 
schlüsse machen, so werden Sie vor einem fermemodum um so we- 
niger zurückscheuen, als wir über Ursprung und Urbedeutung von 
ferme so ununterrichtet sind**"), dass ein Widerspruch nicht einmal 
ausreichend rationell zu begründen sein würde. Doch lassen sich 
diese schon an und für sich genügenden Betrachtungen für den 
vorliegenden Fall durch wirkliche Nachweisung unterstützen. 335) 
Wir rauben also dem G. sicher wieder nur ein Cabinetsstückchen, 
wenn wir bei dem ferme der anderen Hss. bleiben oder RL doch in- 
soweit nachgeben, dass wir mit Ihnen ein diplomatisch schwer er- 
klürliches admodum oder ein etwas nach Flickwerk aussehendes 
ferme admodum 2329) schreiben. Allerdings fragen auch die Alten bei der- 
gleichen Dingen sowohl nach der ratio als nach den auctoritates und der 
consuetudo 290). aber abgesehen davon, dass ihre ratio nicht nach un- 
serm Masse gemessen werden muss, gestatten sich auch die correc- 
testen mancherlei Freiheit"); Caesars bekannte Warnung 'tanquam 








annehmen, wenn man mit dem Flor. des Apulejus met. VII 21 prae cetera 
flagitia zu lesen wagt. Postmodo neben postmodum durfte .ich nicht an- 
führen, da es dasselbe postmodo(m) ist, s. Ritschl opusc. 11 623 Anm. 
327) Sehr ansprechend erscheint mir (wenn man auch dem Meister 
folgt und ferime bei Pl. Trin. 319 nicht in den Text nimmt) die Hypo- 
these von O. Ribbeck Beiträge zur Lehre v. d. lat. Partikeln S. 6 (vgl. 
Savelsberg Mus. f. Philol. XXVI 131, 1; 640), dass es eine alte Super- 
lativbildung ist. 338) Varro de l. L. VII $ 92 lehrt gleiche Ableitung 
des (aus Naevius von ihm citirten) ferme und des zu seiner Zeit gebrüuch- 
lichen fere a ferendo. Das war sicher die allgemeine Anschauung (s. auch 
Char. S. 199, 11 K.) und wir dürfen so auch auf ferme ausdehnen, was 
wir bei Priscian lesen mit freilich haarsträubender Begründung, die aber 
einem rómischen Grammatiker auch der besten Zeit hütte passiren kón- 
nen und die selbst nicht eben weit abliegt von dem was Varro a. a. O. 
sagt, XV καὶ 14 S. 1010 P., so dass sehr wohl eine ähnliche Anschauung 
dem Wortbildner vorgeschwebt haben kann. Danach steht fere pro iuxta, 
quod celeribus (in Bezug auf das damit zusammengestellte ferae!) omnia 
iuxta sunt. Was ist nun vom antiken Standpunkt aus gegen ferme- 
modum — iuxta modum zu sagen? 339) Ein Beispiel dieser auf- 
fallenden, wenn auch nicht unmóglichen Verbindung ist mir augenblick- 
lich nicht gegenwürtig, ohne dass ich darum ihr Vorkommen bestreiten 
wil.  ?39 Um nur bei G. zu bleiben, s. V 21, 6; XII 18, 29; XV 9,6; 
XVII 2, 15. Anderes der Art habe ich Jahrb. 1862 S. 792 u. fgg. beige- 
bracht; weiteres s. z. B. bei Willmans de Varr. libris gramm. S. 79 fgg.; 
86, 3; Schady de Marii Vict. lib. I c. IV (Bonner Diss. 1869) S. 29 fgg. 
3?!) Instructiv ist, was G. (XIII 21, 22 fgg.) in Beziehung darauf von 
Cicero sagt, der (in Verrem IV $ 99) antistitae schreibt 'non secundum. 


δ᾽ 


84 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


scopulum sic fugias inauditum atque insolens verbum" führt G. zwar 
beistimmend (durch den Mund des Favorinus 1 10) an, aber die 
Schranken, die er sich hier zieht, sind nach sehr weitherzigen Grund- 
sätzen bemessen, wie wir bereits vielfältig zu erproben Gelegenheit 
hatten. 

XIX 8, 12 eandemque rationem ha[renae ha]bendam®”), sed 
in specie dispari. G. fügt hier, wie öfter, in die directe Rede des 
Fronto einen Satz in indirecter Rede ein, was ebensowenig anstössig 
ist als das gerundivum. Wollte man ändern, so, würde man höch- 
stens daran denken, wie mir früher einmal eingefallen, aber absicht- 
lich nicht in den Text gesetzt worden ist, dass ein esse vor sed aus- 
gefallen oder in sed verderbt sei; dass mein Verfahren aber richtig 
war, zeigen die Anm. 57 mitgetheilten Beobachtungen, auf welchen es 
beruhte. Die Stelle ist sonach völlig gesund. Habet arena aber, 
wie Sie statt habendam schreiben wollen, würde auch bei vorhande- 
ner Nothwendigkeit einer Aenderung sich von Seiten der äusseren 
Wahrscheinlichkeit wenig empfehlen. 

XIX 10, 12 suchen Sie einmal wieder nach einem Ihrem Er. 
staunen gleichkommenden Ausdrucke in Bezug auf den Schluss der 
daselbst citirten enr::nischen Verse aus der Iphigenia: 

neque domi nunc nos nec militiae sumus, 
Imus huc, illuc hine, cum illuc ventum est, ire illuc lubet, 
Incerte errat animus, praeterpropter vitam vivitur, 
wenn Sie fragen: *Quid diem de revocato praeterpropter vitam 
vivitur pro vita?” Ich will dabei nicht betonen, dass diese Frage 
auch an Ὁ. Ribbeck (tragg. R. rell.* Enn. Iph. fr. III) und an Vahlen 
(Enn. Iph. fr. IV) mitgerichtet werden kann, und will alle Verant- 
wortung dafür auch allein auf mich nehmen — aber auffallend ist 
es doch, dass, wührend in diesen schwierigen chorischen Versen sonst 
fast alles bestritten ist, wir alle drei keinem Anstoss an der hal. 
Lesart genommen haben, obwohl wir sehr wohl wussten, dass an- 
dererseits (namentlich von Salmasius an dem von J. Gr. hier und von Rib- 
beck angef. O.) vita gefordert und gelesen wurde.””°) Stände dies in 
den Hss. so würde man es dem $ 4 gebrauchten praeterpropter alia 
quinquaginta analog erklären: annähernd nur (gleichsam: nahe darum 
herum), nicht völlig also und anomal lebt man sein Leben in dieser 
Unruhe und Unsicherheit der Existenz. Wie aber propter als Adv. 
und als Prüpos. und wie praeter auch adverbial vorkommt, wofür es 
cenzs! an!eru Leser an Ihre Sprachlehre? 8 172 III A. 2 zu erin- 


grammaticam legem antistites, wovon ich nur den Schluss hersetze: 
usque adeo in quibusdam neque rationem verbi :neque consuetudinem, 
sed solam uurem secuti sunt, suis verba modulis pensitantem. 

231) So wird der Ausfall besser erklärt als durch das habendam 
fharenae] der Ausgabe; die früheren: enndemqne [de arena] oder [ibi] 
1at10nem habendam. 280) unter den neueren auch von einem so guten . 
Kenner wie Bergk im Marburger Vorlesungsverz. S. 1844 S. XIV. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 85 


nern, so scheint mir — wie meine Freunde in Heidelberg und Wien 
antworten würden, weiss ich nicht — der überlieferte Acc. von einer 
nebendem Adv.praeterpropter anzunehmenden Doppelpräposition prae- 
terpropter abhängig gemacht werden zu müssen.””) Dass hier in 
dem nur an dieser Stelle gebrauchten, hier aber zugleich auch als 
varronisch und catonisch erwähnten Worte noch eine besondere 
Schwierigkeit für die Erklärer vorhanden gewesen sein muss, zeigt 
.die Klage, dass es von den philologischen Erklürern, den grammatici, 
pflege contaminari magis quam enarrari. Mir scheint die Stelle dem- 
nach zu bedeuten, dem Sinne nach natürlich von dem adverbialen 
praeterpropter vita vivitur nicht eben sehr verschieden: “bei dieser 
Unruhe, diesem Schwanken lebt man neben dem Leben beiher, gleich- 
sam nicht im Centrum des eigenen Lebens, an seinem eigenen Leben 
in einiger Entfernung vorbei’. Wie nahe ein propter hostium castra 
praetergressus, wie wir es in dem zufüllig schon einmal angeführten 
c. 73 des b. Afr. lesen, an ein solches praeterpropter heranstreift, 
springt in die Augen. ἢ 

Ueber XIX 12, 3 behalte ich mir mein Urtheil vor (dass ex re 
"nihil omnino h. l. significat" ist jedenfalls zu viel behauptet; die 
von Ihnen vorgetragene Vermuthung ist übrigens auch von H. Mtl- 
ler ausgesprochen im Rh. Mus. XXI 413 fg.), ebenso über den fun- 
dus oleo atque vino constitutus (8 7).””) Dagegen ist mir völlig 
sicher, dass ebd. 8 8 eius nicht in et ut zu verwandeln ist. Ein 
Thracier kauft den eben bezeichneten Acker mit Oel. und Weinpflan- 
zungen, ohne etwas 'super vite atque arbore' zu verstehen. Er sieht 
seinen Nachbar beschneiden, ausroden u. s. w. Auf seine Frage, 
warum das alles, erhält er zur Antwort: ut ager mundus purusque 
fiat, eius arbor atque vitis fecundior. Auch dies Nachbargrundstück 
enthält Oelbäume und Reben wie jenes; kann man wirklich nicht 
sagen, das Grundstück und seine (Oel-) Bäume und Weinstöcke 
(arbor atque vitis ganz ebenso wie vorher vite atque arbore)? oder 
muss dies “und” nothwendig ausgedrückt werden? oder ist eine Wie- 
derholung des ut nothwendig? Mir ist nicht klar, was Sie veranlasst 
haben kann, nachdem eme methodische Recension den Text herge- 
stellt und von einer vulgären Interpolation (eiusque) befreit hatte, 
aufs neue eine Aenderung desselben durch ein blosses ‘ser. fiat, et 
ut arber’ zu verlangen. 


334) Ueber dgl. Doppelpräpositionen genügt hier die Verweisung auf 
die Zusammenstellung von Seyfert lat. Gramm. 8 1165 (vgl. 8 2656). 

235 Die verschiedenen Erklärungen der Stelle des G. s. bei Hand Turs. 
IV 544 fg. 139) constitutum hat Stephanus in den Text nach den Hes. 
gebracht, Gr. (der einmal auch an convestitum gedacht hat) darin gelassen, 
und mir erschien es weniger bedenklich als oleo atque vino consitum, 
was Sie wieder einführen wollen; jetzt neige ich mich dagegen aus 
einem an einem anderen Orte demnächst auszuführenden Grunde zu 
Ihrer Ansicht hin. 





M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 87 


imprudens zur Anwendung bringen darf. Dieser richtige Gedanke 
liegt richtig ausgedrückt vor in den Worten: quonam igitur modo 
imprudentem poterit imitari, qui in exequenda talione non licentiae 
ius habet, sed imprudentiae? Das ist also das erste Bedenken gegen 
die Möglichkeit der Ausführung der talio (die prima difficultas inex- 
plicabilis), dass imprudentia von Seiten des Schädigers für den be- 
schädigten in der Ausführung unmöglich ist; zweitens aber ergibt 
sich auch, wenn jener prudens zu Werke gegangen war, die Schwie- 
rigkeit der Beobachtung absoluten Gleichmasses. Nicht auf dies 
letztere allein (wie es auch nach 8 33 scheinen könnte), sondern auf 
beides ging offenbar vorher der Ausdruck ($ 15): nam cui membrum 
ab alio ruptum est, si ipsi itidem rumpere per talionem velit, quaero 
an efficere possit rumpendi pariter membri aequilibrium. Wahr- 
scheinlich durch diesen Ausdruck veranlasst behaupten Sie: “impru- 
dentiae neque per se neque in hac re, ubi agitur de modo et mensura 
caute servandis, contraria ponitur licentia (S 16). G. posuerat 
diligentia, Sie tragen damit aber offenbar das Gegentheil von dem, 
was G. in jenem Satze seinem Gedankengange entsprechend ausge- 
drückt hat, in denselben hinein.?*?) 

XX 5, 7 steht wirklich in den Hss., was ich im Texte statt des 
üblichen exercitam gebe und wodurch nach Ihrer Ansicht Ihre Conj. 
(exercitu et”°) nur noch an Sicherheit gewinnen würde: exercitum. 
"Hertzius exercitum errore, ut videtur' sagen Sie. Sollte ich wirk- 
lich exercitüm oder exercituum schreiben, damit man den Satz ver- 
stünde: cum .. rex Alexander .. ea tempestate armis exercitum om- 
nem prope Ásiam teneret? 

Einen glünzenden Abschluss aber gewinnt auch dieser Theil 
Ihrer Leistung durch die einfache und überraschende Verbesserung 
eines Bruchstücks des Sulla in dem von Ihnen an letzter Stelle be- 
handelten folgenden Capitel (6, 3).?*) 

Damit wäre ich denn an das Ende der Bemerkungen gelangt, 
die ich Ihnen vorlegen wollte. Die Mehrzahl der von Ihnen behan- 
delten Stellen wird wohl dabei berührt sein. Dass es auch an Stoff 
zu Verhandlungen über manche andere nicht fehlen würde, brauche 
ich nicht erst zu versichern; fast überall wenigstens würde es mir mög- 
lich sein, Ihnen, an mancher Stelle, zumal für die Aufnahme in den Text 
einer Áusgabe mit kritischem Apparat, vielleicht nicht vóllig Stich 
haltende?*?), aber doch von dem von mir einmal angenommenen und 


^?) Ebendas. $ 34 hat imprudensne und $ 40 si qui (dies mit Steph.) 
auch C. F. W. Müller a. eben a. O. gebessert. 243) exercituque, wie 
Sie auch bemerken, alte Ausgg.; auch in einer cHs., cod. Paris. 8666, 
habe ich es gefunden. ?*) Hütten Sie nur den Plautus, den Sie für 
Sula in Anspruch nehmen, mit nicht minderer Berechtigung auch 
für G. gelten lassen. Ueber die andere von Ihnen behandelte Stelle des- 
selben Cap. (8 14) mag ich eine definitive Entscheidung noch nicht füllen. 

345) Meist deshalb, weil ich in dem, was ich G. und seiner Ausdrucks- 
weise zutraute, etwas über das richtige Mass hingus ging und nament- 





88 M. Hertz: vindiciae Gellianae alterae. 


den Umständen angemessenen Princip der Textzestaltung aus metho- 
disch und consequent zur Geltung gebrachte Gründe meiner Entschei- 
dungen anzuführen. Von den hier behandelten Stellen wird nnr der 
kleinere Theil zu weiterer Controverse Veranlassung geben können; 
auch bei den meisten von diesen letzteren ist mir, hoffe ich, wenig- 
stens eine relative Hechtfertigung meines Verfahrens Ihnen gegen- 
über gelungen. Aber nicht nur diese, auch eine grosse Anzahl an- | 
derer, von mir mit unbestreitbarer Richtigkeit gestalteter und von 
Ihnen in Bezug theils auf Wortschatz, Wortform, Wortfügung, theils 
auf Sinn und Zusammenhang mit unwiderleglicher Nachweisbarkeit ver- 
kannter Stellen sind von Ihnen — und ich wage nicht einmal zu | 
behaupten, dass die Sammlung dieser epitheta ornantia, die natür- 
lich von dem so behandelten Texte auf den ihn so behandelnden 
Kritiker ihren Wiederschein werfen müssen, vollständig sei — als 
perversa, ridicula, sententiae manifesto contraria, sensu cassa, inepta 
und ineptissima, incredibilia und prorsus incredibilia, prava, praviora 
etiam, pravissima und prorsus pravissima bezeichnet worden. Ich 
müsste mich in Ihnen sehr täuschen, wenn ich nicht annühme, dass 
Sie nunmehr zu dem Bewusstsein gekommen sind, einem freilich an 
Ihr seltenes Wissen und Können nicht entfernt hinanreichenden, aber 
doch immerhin der Achtung nicht unwürdigen Fachgenossen ein 
schweres Unrecht zugefügt zu haben. Ob Sie es sühnen wollen, steht / 
bei Ihnen. 


lich diese hie und da für noch etwas verzwickter glaubte halten zu dür- 
fen als sie es in der That ist, weder aus roher Unwissenheit, noch aus 
der thörichten Schen heraus, von der Sie S. 584 sprechen. Dass ich bei 
der langen und nicht leiehten Arbeit auch zuweilen wirkliche Irrthümer 
aus Unachtsamkeit oder Mangel un richtiger Auffassung einer Stelle be- 
gangen habe, kann und werde ich dabei natürlich nicht in Abrede stellen 
— aber dass Sie mich und meine Arbeit mit falschem Masse gemessen | 
haben, das ist mit Ihnen hoffentlich jedem unbefangenen klar geworden. 


BnaESLAU, in den Herbstferien 1873. 


M. HEnrz. 





90 


Gellius 
XII 13, 22 8. 
XIII 3, 4 


30, 6 
XVII 2. 16 
2, 17 
1, 6 
8, 3 


Apulejus apol. 4 
— 29 
flor. 17 
— 19 
met. VIIT 17 
de mundo 14 
Ateius Capito =. 6G. XIII 
12, 2 
Bell. Afr. 73 
Callimachus a. (ὦ. IV 11, 2 
Cato maior s. G. Il 28, 6; 
II 7, 19; VI3,16; 38; 
X 8, 17; XIV 2, 26 
Catull 10, 27 
Charis. S. 105, 6 K. 
Cicero p. Planc. $ 68 s. G. 
] 4, 3 
p. Rosc. Am. $ 11 
in Verr. V 8 167 
epp. ad. Att. VIII12B2 
epp. IV 4, 4 s. G. XII 
13, 22 
— X 11, 3; 24,1; 25,1 
— XIV 1,5 
de d. n. II 8 69 
Tusc. V 8 70 
Claudius Quadrigarius s. 
G.1I 7,21; XVII2,16; 
Non. s. v. congerma- 
nescere und lutum 
Coelius s. Nonius a. v. pe- 
detemtim 
Columella I 3, 12 
C. I. L. I 198, «45 
Dig. XLIV 7, 15 


Stellenverzeichniss. 
Gellius 
^ XVII B, 5 8. 
24, 51 9, 8 
24, 51 11, 6 
24. 51 15, 7 
4 XVIII 1, 5 
8; 68 8, 5; 6 
76, 210 4, 11 
26, 58 6, 8 
68; 91 8, 2 
70 12, 9 
70 XIX 8, 13 
95, 58; 32 10, 12 
11; 91 12, 3; 7; 8 
12 EA 1.7 
13 1, 16 
74 δ, 7 
74 
70, 198 Ennius s.G.V19,2: XIX 10,12 
62, 178 Med. ex. fr. I R*. 
60, 161 Eumenii grat. act. Const. 
16 Aug. c. 7 
16 Frontoepp. ad M.Caes.110 
40 — II 13 
— IV 3 
de oratt. 3S. 161 Nab. 
19 glosa. Gothofr. 
C. Gracchus s. G. XI 10, 2 
Gran. Lic. 8. 43 ed. Bonn. 
Hyginus =. G. X 16, 3 
Joann.Sarisb. polier. VI, 12 
38, 91 Julianus lCtus s. Dig. 
43 Legg. Xl tabb. s. Mae. 
Sat. 14, 19 
Liv. II 40, 11 
12, 24 X 14, 13 
12; 13, 34 XXII 1, 15 
12, 34 XXIII 43, 14 
XXIV 89, 7 
Liv. Andr. Ter. fr. III R.? 
12 fg., ?* Lucilius s. G. XVIII, 8, 2 
13, 34 Macr. Sat. I 4. 19 
48, 135 VI 1, 8 
89 Masurius Sabinus s. G. V 
13, 5 
Menander s. G. Il 23, 30; 
Ill 16, 8 
Nonius s. v. congermanes- 
cere 
23, 54 s. v. lutum 
14, 24 8. V. pedetemtim 
64, 181 B. V. poesis 


44, 113 
41, 118 
44 
45 





Stellenverzeichniss. 91 


Plancius s. Cic. epp.X11,3; Quintilian IX 3, 1 S. 51, 188 
24, 1; 26, 1 Sall. Jug. 98, 5 59, 139 
Plautus Capt. V 4,11 S. 58 — 100, 4 14, 34 
Casa. II 6, 63 66, 188 Sen. Med. v. 995 P.-R. 38, 97 
— III 5, 36 (47) fg. 183,34 Serv. z. Virg. Aen. VI 772 60 
— II 5, 50 (65) fgg. 13,34 z. Ecl. I1 50, 133 
Truc. II 4, 45 fg. 13, 34 Tiro s. G. VI 8, 39; 41 
Pompeiuss.Cic.epp.ad Att. Varro 8. Charis.; Non. s. v. 
Pomponius 8. G. X 24, 5 poesis. 


5.21, 47. Auch G. selbst braucht den Plural arenae V 14, 7; XVI 11, 7. 

S. 22, 51. Um Frontos Verhültniss zu Cicero klar zu stellen, bedarf 
es doch auch der Erinnerung an die bekannte Stelle epp. ad Ant. imp. 
II 5 S. 107 Nab. omnes autem Ciceronis epistulas legendas censeo, mea 
gententia vel magis quam omnes eius orationes. epistulis Ciceronis nihil 
est perfectius. 

S. 43 Z. 4. Durch ein Versehen ist hier die Erwühnung des ganz 
entsprechenden Gebrauchs in einer Stelle des hier besprochenen Capitels 
(III 3) 8 15 ausgelassen worden: ob .. probra . . de Graecorum poeta- 
rum more dicta. S. auch XVI 19, 14 

S. 10 Z. 7. Vgl. auch IX 3, 1 fg. Philippus .. is Philippus..; XVIII 
7, 1 fg. 

S. no. 199 ist. ob reditu aus einer britannischen Weihinschrift der 
antoninischen Zeit hinzuzufügen aus C. I. L. VII n. 496. 

S. 76, 208. In hóchst ausgedehntem Masse findet sich dieser Ge- 
brauch von tenus bei Ammianus Marcellinus. Die Zusammenstellung 
A. W. Ernestis in seinem glossarium Latinitatis zu diesem Schriftsteller 
ist höchst unvollständig; specie tenus steht z. B. auch XIV 1, 5; XIX 
9, 9; XXII 3, 9; XXVI 5, 1; verbo tenus auch XXVI 1, 8; XXX 4, 17; 
rumore tenus XIV 5, 3; XXVI 1, 4; suspicione tenus XXII 16, 6, womit 
auch ich nur einige weitere Proben geben, keineswegs erschöpfen will. 

S. 81. Ueber das hier behandelte lucilianische Bruchstück vgl. jetzt 
noch B(outerwek?) Gött. gel. Anz. 1873, 36, 1406; auch Francken ist auf 
dasselbe zurückgekommen Mnemos. N. F. I 267. 

S. 12 Z. 1 v. u. l. syntaktischen — das. A. 24 Z. 4 Seyfert — 
S. 7 2.9 .Atque st. : Atque — S. 15 A. 27 Z. 2 sah, — S. 22 A. 48 
Z. 4 Sallustius — Z. 5 bei — Z. 6 des st. ads — S. 28 Z. 28 ταύτης 
τῆς st. τῆς — S. 60 Α. 171 Z. 2 XIX. — 








Vorwort. 


Das Unternehmen, die Ueberlieferung der dritten Philippi- 
schen Rede des Demosthenes einmal vollständig, in einem geord- 
neten Zusammenhange zu untersuchen, wird für jeden mit dem 
dermaligen Stande der Frage Vertrauten einer besonderen Recht- 
fertigung nicht bedürfen. Denn alle bisherigen Versuche, das über 
der für die demosthenische Kritik ohne Zweifel wichtigsten Frage 
nach dem Verhültniss der doppelten Recension der III. Philippica 
schwebende Dunkel aufzuhelen und für alle Zeit zu verscheuchen, 
dürfen wohl als Beiträge zur Lösung dieses Problems betrachtet, nicht 
aber mit dem Namen einer eigentlichen Untersuchung der Frage 
belegt werden. Und zwar gilt dies nicht minder von den Leistungen 
Funkhänel’s, Schultzs, Drewes’ u. A., als von denen Dindorf's, 
Weil' und den mit einer nicht geringen Prätension und jeden Un- 
befangenen entschieden zur Vorsicht mahnenden Zuversichtlichkeit 
auftretenden Schriften Spengel'. Die Möglichkeiten der Lösung 
des kritischen Problems erscheinen fast sämmtlich erschöpft. Es 
kann darum im Ernst wohl kaum davon die Rede sein, zur defini- 
tiven Beseitigung aller Schwierigkeiten noch eine neue Ansicht über 
den Ursprung der Varianten aufzustellen, sondern darauf muss es 
ankommen, eine der bereits vorhandenen Ansichten nicht nur ge- 
nauer zu begründen und gegen die übrigen zu vertheidigen, sondern 
auch gewisse dahin gehörige von der Wissenschaft längst näher be- 
zeichnete Untersuchungen anzustellen, landläufige Irrthtüimer zu be- 
richtigen und alle etwaigen weiteren Ergebnisse sorgfültigster Be- 
obachtungen heranzuziehen und nach Möglichkeit zu verwerthen. 
Wenngleich nun auch nach Spengel's Urtheil vom Jahre 1860 (Die 
Δημηγορίαι des Demosthenes S. 65) die Lösung der Frage seit 
zwanzig Jahren noch keinen Fortschritt gemacht hat, so muss 
doch von des um die demosthenische Kritik und Interpretation 
hochverdienten Rehdantz schon 1857 und 1858 in den Jahr- 
büchern für Philologie veröffentlichten Untersuchungen behauptet 
werden, dass durch sie allein das Problem, um welches es sich hier 
handelt, einer endgültigen Lösung unvergleichlich viel näher geführt 
ist, als durch alle Früheren und Späteren zusammengenommen. Die 
Begründung resp. Modificirung und Weiterführung der Ansicht Reh- 
dantz's, die, von zahlreichen, für die demosthenische Kritik im All- 
gemeinen überaus wichtigen und werthvollen Resultaten abgesehen, 
in dem Satze gipfelt, dass die Correcturen von der Hand des 12. Johr- 

Tr 





100 11. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 


hunderts im Cod. X. für echt zu halten sind, wid dass ihr Ausfall in 

pr. & und Laur., oder vielmehr in deren Original, auf Schreibrerschen 

zurückzuführen ist, — musste daher, nach ansführlicher Prüfung 

und Widerlegung der Erklärungstheorien Dindorfs, Spengels um 

der Mehrzahl der conservativen Kritiker, meine Hauptaufgabe 

sein. Inwieweit mir diese und die folgenden Versuche, mittelst der 

Citate der Rhetoren und Grammatiker, des Dionysios von Halıkar- 

nass, Harpokration, P. Aelius Aristides, Hermogenes und seiner Com- 

mentatoren, sowie der von Blass genauer prücisirten und ihrer Be- 

deutung noch scharfsinnig erläuterten stichometrischen Angaben der 

Handschriften, dem Alexandrinischen Archetypus möglichst nahe m 

kommen und das auf anderem Wege bereits gewonnene Resultat m 

stützen und zu sichern, gelungen sind, möge einsichtsvollen uni 

wohlmeinenden Beurtheilern überlassen bleiben. Die eine Versiche- 

rung darf hinzugefügt werden, dass das gesammte oft schwer zu be 
schaffende, in den verschiedensten Zeitschriften zerstreute Material ‘ 
sorgfältig und gewissenhaft benutzt worden ist. Um bei späteren, 
im Verlaufe der Untersuchung etwa verabsäumten Anführungen 
nicht missverstanden zu werden oder fulschen Schein zu erwecken, 
folge hier das vollständige Verzeichniss der benutzten Literatur: 


1. Demosthenis Contiones rec. Th. Vömel. Halis 1857. | 
2. Demosthenes rec, Dindorf. Oxon. 1846 (bes. die Praefatio vol. I und 
d. Commentar. vol. V). 

3. Demosthenis Urationes rev. Dindorf, ed. HL Lipsiae 1868 :bes. d. 

praefatio). 

4. Oratores Attici rec. Baiter et Sauppe. Turici 1841 (bes. die prae- 

fatio von Sauppe). 

5. Demosthenes ausgewählte Reden von A. Westermann. 6. Aufl. 1871. 

6. Demosthenes ausgewählte Reden von Rehdantz. 1. Heft 1870. 2. 

Heft 1866. 
. Dionysius Halicarnassensis ed. I. Reiske. 
8. Harpocration rec. J. Bekker. 
9. Aristidis opera omnia ex rec. W. Dindorfii. III voll. Leipzig 1899. 

10. Rhetores Graeci rec. Walz. 

11. Hhetores Graeci rec. L. Spengel, 

12. Novum Testamentum Graece. Ex Sinait. eod. ed. C. Tischendorf. 
Leipzig 1865. 

13. L. Spengel, Ueber die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 
München 1839. 

14. L. Spengel, Die Δημηγορίαι des Demosthenes. München 1860. 

15. Weil, Die doppelte Redaktion der III. Phil. Rede des Demosthenes 
in Jahrb. f. Philol. 1870. Bd. 101. S. 535 ff. 

16. F. Schultz, De codicibus quibusdam Demosthenicis ad orationem Phi- 
lippicam tertiam nondum adhibitis. Progr. des Friedr.- Gymn. 
Berlin 1860. 

17. Recension dess, v. Vömel in Zeitschr. f. d. Gymn.-Wes. 14. Jahrg. 
1860. S. 409 fi. 

18. Behdantz, in Jahrb. für Philol. III. Jahrg. 1857. Band 75. 

19. ltehdantz, in Jahrb. für Philol. IV. Jahrg. 1858. Band 77. 

20. ltehdantz, in Zeitschr. für d. Gymn.-Wesen. VII. 9. 1863. 

21. Funkhänel, Epistola gratulatoria ud G. Hermannum. (Jahrb. f. Philol. 
Supplbd. VIL 1841.) 





Einleitung. 


Wenn die philologische Wissenschaft mit Recht den Grundsir| 
aufstellt, dass die Kritik, wenn anders sie sicher fortschreiten wolle | 
die genaueste Kenntniss der handschriftlichen Ueberlieferung m; 
ihrer Grundlage haben müsse, dass dagegen da, wo man dieser For- 
derung entweder aus Nachlüssigkeit oder durch den trümmerhaftemn. 
Stand der Textüberlieferung behindert nicht nachkomme, das Ur- 
theil beständigen Schwankungen unterworfen sei: so muss behauptet ! 
werden, dass Letzteres bei allen Leistungen der Gelehrten für De, 
mosthenes, vom ersten Erscheinen der durch Karteromachos besorgte 
Aldina bis in den Anfang unseres Jahrhunderts in eminentem δ᾿ ππῦ 
der Fall war. Schon die Art und Weise der Entstehung jener für 
lange Zeit massgebenden Ausgabe, die, im Jahre 1504 in erster und 
zweiter Auflage erschienen, den Text der sogenannten Vulgata com 
stituirte, sowie der damit zu verbindenden Ausgabe der Khelora 
Graeci vom Jahre 1513 spricht für die Richtigkeit dieser Behaup- 
tung. Da in jenen Zeiten Handschriften der griechischen Autores 
eben nieht so selten wie jetzt waren und darum auch noch nicht 
in so hoher Schätzung standen, so legte man für den Druck irgend 
eine Handschrift, in der Mehrzahl der Fülle jungen Ursprungs, zu 
Grunde und engagirte für das Creschüft der Correctur meist Ge- 
lehrte, besonders gern Nationalgriechen. Diese entledigten sich ihres 
Auftrags gewöhnlich in sehr willkürlicher Weise. Nur vereinzelt 
zogen sie die Handschriften selbst zu Rathe, wählten ihre Lesarten 
rein nach ihrem individuellen Geschmack und waren im Uebrigen 
wegen des Fundorts derselben unbekümmert, da es ihnen niemals 
in den Sinn kam, über den Werth und das gegenseitige Verhältniss 
der verschiedenen Codices sich ein bestimmtes Urtheil zu bilden oder 
bestimmte Grundsätze der Kritik aufzustellen. Auch die ersten Àus- 
gaben des Demosthenes theilten dieses Schicksal. Muss nun freilich 
auch die über ein Menschenalter später (1549) folgende, 1552 und 
1572 wieder aufgelegte, gleich der Aldina aber nach schlechten 
Handschriften hergerichtete Ausgabe des Hieronymus Wolf auf 
Grund der von ihm beigefügten lateinischen Uebersetzung und mar 
nigfaeher geschickter Emendationen als eine für ihre Zeit bedeutende 
Leistung, ja die in den beiden ersten Bänden seiner zu Leipzig in 
12 Bin. 1770— 75 erschienenen Oratores Attici enthaltenen Ausgabt 
des Demosthenes von Jakob Heiske wegen der grösstentheils von de 
eminenten Kenntniss und dem Scharfsinn ihres Verfassers Zeugnis 





J. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 103 


ablegenden Conjecturen ein für die Kritik des Demosthenes epoche- 
machendes Ereigniss und ein entschiedener Fortschritt genannt wer- 
den: so verschwindet derselbe doch hinter demjenigen, den Immanuel 
Bekker im Jahre 1822 damit machte, dass er für die Ausgabe des 
Demosthenes in seiner zuerst in Oxford in 5 ‚Bänden, dann 1822 
—24 in Berlin bei Reimer herausgegebenen Sammlung der Oratores 
Attici eine bisher nur vereinzelt inspicirte Handschrift des 10. Jahr- 
hunderts zum ersten Male vollständig collationirte und zu Grunde 
legte, die, während vorher, bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, 
Handschriften der Familie F, aus welchen die Aldina stammte, dar- 
auf seit Reiske der Aug. 1 (A) das Uebergewicht behauptet hatte, 
nunmehr die Führung zu übernehmen und eine vóllig neue Periode 
der Textesrecension heraufzuführen bestimmt war, ich meine den in 
der Pariser Bibliothek unter der Nummer 2934 (früher 125 und 
2187, nicht, wie Bekker, Sauppe und Dindorf — der freilich in der 
praefatio zu seiner edit. minor III. vom Jahre 1868 pag. VIII. das 
Richtige hat — angeben, 2137; s. Voemel. Proleg. $. 72. pag. 219) 
registrirten Cod. €. Die aus dieser für uns ältesten, vorzüglich cor- 
rect geschriebenen Handschrift des Demosthenes jetzt in den Text 
aufgenommenen Lesarten zeigten ihren Vorzug vor denen der Vul. 
gata darin, dass in ihnen eine Eigenthümlichkeit der Sprache, ein 
zweckmässigerer Gebrauch dieser oder jener Redefigur, eine gedräng- 
tere und wirksamere Form des Satzbaues sich vorfand, Witz, Ironie 
und eine oft ergreifende Energie des Gedankens zum Ausdruck kam, 
alles Eigenschaften, die den hohen Werth dieser Handschrift ausser 
allen Zweifel setzten. 

Dessenungeachtet verharrten nach Bekker noch die meisten 
Herausgeber, wie Schäfer, der Reiske wieder auflegte, und Dindorf 
(in seiner Ausgabe bei Teubner 1825), entweder in eklektischer 
Willkür, oder verhielten sich, unter dem Einfluss Schäfers, der vor 
der neuen Autorität sich wohl nicht eben freudig beugen mochte, 
zurückhaltend, oder zeigten sich, wie Zingelhardt, Bremi und Klotz, 
geradezu misstrauisch, ja einige behaupteten sogar, die Gelehrten 
hätten sich bei Bestimmung des Werthes von Cod. Σ in lächerlicher 
Weise geirrt. Da Bekker für die Gesammtausgabe der Oratores 
Attici ein ungeheures Material zu bewältigen gehabt hatte und er 
für Demosthenes gewissermassen der erste Entdecker und Vergleicher 
des Cod. Σ gewesen war, dessen Werth er übrigens erst im Laufe 
seiner Arbeit recht erkannte, so konnte es nicht Wunder nehmen, 
wenn er, bei seiner für den ersten Anlauf und die Herstellung einer 
vornehmlich auf Σ sich stützenden handlichen Textesrecension aller- 
dings genügenden Collation, vieles übersah, gar manches versah. 
Ein weiterer Fortschritt war darum nur möglich auf Grund einer 
genaueren Prüfung der Pariser Handschrift. Dieser Arbeit unterzog 
sich Dübner für Dindorfs grosse Oxforder Ausgabe des Demosthenes 
1846. Dass durch diese nun aber den Ansprüchen an eine kritische 


106 .J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 





wie 2 an dem Vorzuge der gepriesenen attikianischen Abkunft Theil 
haben? Sauppe's Ansicht aber von der attikianischen Herkunft des 
Cod. Σ gerüth noch in weit grössere Schwierigkeiten durch eine ge 
schickte von Dindorf (ed. III. vol. I. pag. VI) und Vömel mit Beifall 
aufgenommene Emendation Cobet's. Derselbe deutete nämlich im 
seinen Var. lect. (Mnemos. III. p. 166) die im Münchener (od. B 
(Bav.) am Ende der Rede πρὸς τὴν ἐπιςτολὴν τὴν Φιλίππου neben 
der gewóhnlichen Clausel befindliche, schlecht überlieferte Notiz ds 
hin, dass sie zu lesen sei: διορθώθη πρὸς δύο ᾿Αττικιανά. Hiernack 
nun — s0 schliesst Rehdantz (Jahrb. für Philol. 1858. S. 460) mii 
Recht — musste ein Doppeltes erwartet werden, einmal, dass jene 
drei von Harpokration als attikianisch überlieferten Lesarten im 
corr. Bav. angemerkt seien, und zweitens, dass zwischen 2 und cor. 
Bav., wenn sie mit einander Gemeinsamkeit des Ursprungs theiltes, 
sich eine auffallende Uebereinstimmung zum wenigsten in derjeniges 
Rede, unter der sich jene Notiz befindet, herausstelle. Beides is 
aber nicht der Fall, letzteres wenigstens in kaum merklicher Weise, 
wenn auch ersteres vielleicht durch die Annahme einer unvollständ- 
gen Diorthose Entschuldigung finden künnte. Dindorf freilich glaub 
aus jener von Cobet emendirten Unterschrift schliessen zu dürfen, 
dass die von Attikos nach Alexandrinischen oder Pergamenische 
Codices gefertigten und nach ihm benannten Abschriften nicht ale 
von einer und derselben Recension gewesen seien. Unerklärlich abe 
bleibt es dann, wie er noch an einen attikianischen Ursprung von X 
und corr. Bav. glauben kann, wenn er dreizehn von Harpokratim 
als attikianisch überlieferte Lesarten einzig aus diesem Grunde gegtz 
das Zeugniss unsrer sümmtlichen Handschriften, also auch X um; 
corr. Bav. in den Text aufnimmt. 

Wie man jedoch auch immer über die scharfsinnige Vermuthusg 
Sauppes und den von ihm dem Cod. X vindicirten attikianischet 
Ursprung denken mag, so viel wenigstens, meine ich, wird die Pri- 
fung seiner Ansicht und deren Vergleichung mit jener weit glaub 
würdiger erscheinenden Notiz im Cod. Bav. gezeigt haben, dass die: 
attikianische Herkunft der Pariser Handschrift nicht in dem Grade: 
feststeht, wie die Mehrzahl der Herausgeber bisher geglaubt bs: 1 
dass mit der blossen Erwähnung derselben, so lange es uns an eint 
klaren und sicheren Vorstellung. von ihrem Wesen fehlt, noch nichts .. 
zu machen ist, dass wenigstens Cod. X mit der ihm zugesprochenea : 
Abstammung nicht mehr so vereinsamt dasteht wie früher. 

Zu einem ähnlichen Resultat werden wir vielleicht gelangen, , 
wenn wir den zweiten von uns aufgestellten Punkt, das Verhältnis 
von Cod. Σ zu der Masse der übrigen Handschriften, einer genaue | 
„ren Prüfung unterziehen. 

ib, ln der Werthbestimmung der einzelnen Codices herrschte s0 
‘ge die grösste Meinungsverschiedenheit, bis nach I. Bekker's Vor- 
re sich die Ueberzeugung von der Berechtigung des Principals 


τ m malti ^E SERA de me ande 





J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 107 


des Cod. X, der eben durch viele Eigenheiten von den bisher be- 
kannten Handschriften zumeist sich unterscheidet und alle Spuren 
der Echtheit in sich trägt, mehr und mehr Bahn brach. Jetzt hatte 
man ein Haupt und einen Mittelpunkt gewonnen, um welchen die 
übrigen Codices in engeren und weiteren Kreisen sich ordnen lassen 
mussten. Die ersten festeren Principien stellte Spengel („Ueber die 
dritte philippische Rede des Demosthenes" in den Abhdlgen. der I. 
Cl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. III. Th. Abth. I. S. 158 ff) 1839 auf. 
Er unterscheidet 4 Klassen: 1. Cod. X. — 2. Cod. Aug. 1, k, s. — 
3. Cod. Bav., F. — 4. Q, ἃ, v. Die letzte hält er für die schwäch- 
ste und nur dann von Bedeutung, wenn sie mit einer der anderen, 
gewöhnlich mit der dritten, selten mit der ersten und zweiten, über- 
einstimme. Von der zweiten, im Aug. 1, k, s und auch r erschei- 
nenden Recension hat er jedoch die falsche Vorstellung, dass in ihr, 
erkennbar an grammatischen Eigenheiten und grammatischen Zu- 
sätzen, hauptsächlich die sogenannte κοινή, im Gegensatz zur ἀττικὴ 
in X, hervortrete, während doch die von ihm angeführten Beispiele 
eben nur ein Beweis für die übrigens richtige Beobachtung sind, 
dass in dieser Familie die Art und Weise der Grammatiker und Er- 
klärer, die zum Verständniss des Demosthenes Worte hinzugefügt 
haben, besonders deutlich hervortritt. Funkhänel (Epist. gratul. ad 
G. Herm. im VII. Supplembd. von Jahn's Jahrb. f. Philol. 1841. 
S. 26) ordnete darum anders. Er stellt als 1. Klasse, die frei von 
Zusätzen sei, Cod. € hin; 2. eine Klasse, die hier und dort verderbt 
sei, aus welcher Cod. Y zu stammen scheine; die 3. Klasse, selten 
mit der 1. und 2. stimmend, weise häufige Interpolationen auf, da- 
hin gehöre F,Q,u,v; in die vierte durch viele fremdartige Stellen 
verderbte Klasse verweist er den Aug. 1. Inwiefern diese Einthei- 
lung Funkhünels mit der von Spengel gegebenen übereinstimmt — 
die nahe Verwandtschaft beider erkannte jener a. a. O. an —, was 
ferner an beiden richtig, was falsch ist, und ob etwa Dindorf’s Classi- 
ficirung (Edit. Oxon. vol. I. pag. 14) eine befriedigende genannt 
werden kann, das zu untersuchen würde, abgesehen davon, dass es 
hier zu weit führte, schon aus dem Grunde unnóthig sein, weil jene 
Gelehrten einzig und allein mit dem überaus beschrünkten Material 
von 15—17 Handschriften, wie sie zufällig von Bekker und Dindorf 
herausgegriffen waren, operirten. Auch hier wieder war es Vómel, 
der im Besitz des ganzen handschriftlichen Apparats, mit Hülfe die- 
ses eine Eintheilung der Handschriften (s. die Prolegomena zu s. 
Hallenser Ausg. d. Contiones Demosthenis $. 161) vornahm, deren 
Grundzüge im Wesentlichen folgende sind: Ausgehend von der Ueber- 
zeugung, dass wir nur in Σ einen Reprüsentanten der attikianischen 
Ausgaben des Alterthums haben, bildet ihm diese Handschrift eine 
besondere Klasse für sich, zu der alle übrigen, von ihm Anuwdeıc, 
Vulgata genannt, im Gegensatz stehen. Letztere zerfallen nach Vómel 
in drei Familien, deren erste als eine der reinen oder attikianischen 





J. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 111 


Varianten aufzustellen, sondern wohl darauf, eine der bereits vor- 
handenen Ansichten genauer zu begründen und gegen die übrigen 
zu vertheidigen. Gehen wir deshalb die verschiedenen Erklärungs- 
theorien kritisch durch, um schliesslich bei einer Annahme, die vielleicht 
die meiste Wahrscheinlichkeit für sich hat, als Resultat der Unmter- 
suchung stehen zu bleiben. 


Erster Abschnitt. 


Prüfung der verschiedenen Erklürungstheorien. 


l. Dindorf. 


Der nächste, dessen Ansicht hier in Betracht kommt, ist Din- 
dorf (Demosth. edit. Oxon. vol. V. p. 178). Leider können wir. der- 
selben, weil sie ohne Beweisführung hingestellt ist, nur mit allge- 
meinen Gründen entgegentreten. Er hält es für das Wahrscheinlichste, 
dass die Rede von Demothenes ursprünglich in der erweiterten Form 
geschrieben, sehr frühzeitig aber von irgend einem Rhetor gekürzt 
und in die Form gebracht sei, die uns pr. € aufweist. Der sorg- 
fültigen Berechnung eines klugen Correctors sollten wir es also zu 
danken haben, dass in dieser Rede gerade eine so schneidige Schürfe 
und Energie des Ausdrucks zur Erscheinung kommt, die in den übri- 
gen Handschriften mehr oder weniger auseinander gezerrt und ver- 
wässert ist? Unmöglich. Denn abgesehen von der Ungerechtigkeit, 
dergleichen sofort ohne äussere Gründe anzunehmen, ist es auch, wie 
Rehdantz vortrefflich dagegen bemerkt, gegen alle geschichtliche 
Wahrscheinlichkeit, dass spätere Zeiten die Energie des Ausdrucks 
durch Weglassen und Zusammenziehen sollten zu steigern gesucht 
haben, wie gegen jede psychologische Glaubwürdigkeit, dass ein 
Nachgeborener, fremd den Interessen und Gefühlen jener Zeit, den 
Ton sittlicher Entrüstung und die Sprache flammender Vaterlands- 
liebe so und besser getroffen hätte als Demosthenes selbst, dessen 
rednerische δεινότης gerade in der III. Philippica schon von den 
Alten mit Recht gepriesen wird. Doch Dindorf selbst scheint sich 
durch seine Erklärung nicht befriedigt zu fühlen, denn er meint, 
jener zusammenziehende Corrector hätte wohl noch etwas mehr, als 
er schon gethan, wegschneiden, Anderes aber, wie z. B. die in 88. 
58 und 72 vorkommenden Namen (Eurylochos, Parmenion; Kleito- 
machos, Lykurgos) entschieden erhalten müssen. Man sieht, wie 
schwankend Dindorfs Ansicht ist, zumal wenn er schliesslich, ähn- 
lich wie A. Schäfer („Demosthenes und seine Zeit" II. S. 450), die 
sogenannten Zusätze für demosthenisch oder aus dem Zeitalter des 
Demosthenes stammend erklärt, und die Möglichkeit durchaus nicht 
ausschliesst, dass sie von Demosthenes selbst herrühren. Damit Inu 





J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 113 


A. Untersuchung der von Spengel als nicht demosthenisch verworfenen 
Zusätze, 

für welche wir nur das Vorrecht in Anspruch nehmen, dieselben in 
gewisse Gruppen geordnet zur Behandlung zu bringen, und zwar so, 
dass (I) zunächst Beispiele der gewöhnlichen Interpolation, wie Zusätee 
von Pronomibus, Partikeln, von εἶναι und dessen Formen, sodann (II) 
die eigentlichen rhetorischen Erklärungen und Erweiterungen bespro- 
chen werden. 


I. Beispiele der gewöhnlichen Interpolation. 


a. 1. 8. 12. πυνθάνεεθαι γὰρ αὐτοὺς ὡς vocoüct xal craciá- 
Zoucıv [ἐν αὐτοῖς] ist nach Spengel ein späterer, nicht nothwendi- 
ger Zusatz; wir gehen weiter und sagen, er ist sprachlich incorrect, 
da voceiv zwar S. 50 mit ἐν αὑτοῖς verbunden wird, nicht aber 
ςταςιάζειν, das nur mit dem Dativ construirt wird: cracidZew αὑτῷ 
Plat. Rep. 8, 556 e; ctacıaZeıv ἀλλήλοις Isocr. 4, 104 — und muss, 
da er in 2. pr. Laur. Pal. Aug. 1. fehlt, nach dem oben aufgestellten 
Grundsatz über die Annahme von Interpolationen als ein Einschieb- 
sel betrachtet werden. 

2. 8. 36. Ti οὖν αἴτιον rovruvi; οὐ γὰρ ἄνευ λόγου xoi 
δικαίας αἰτίας οὔτε τόθ᾽ οὕτως εἶχον ἑτοίμως πρὸς ἐλευθερίαν 
[ἅπαντες] oi "EAAnvec οὔτε νῦν πρὸς τὸ δουλεύειν. — „kann“, 
sagt Spengel, „mit X billig entbehrt werden, da von den Griechen 
überhaupt im Allgemeinen gesprochen wird." Aber noch mehr als 
das. Dass damals alle Griechen zur Knechtschaft bereit gewesen 
seien, konnte nicht mit demselben Rechte gesagt werden, wie — was 
die Einheit des Subjects in den beiden mit οὔτε — οὔτε disjungir- 
ten Sätzen verlangt, — dass früher alle Griechen zur Freiheit bereit 
gewesen wären. Auch werden nicht im zweiten Glied mit οὔτε Ein- 
zelne Allen gegenübergestellt, sondern die Griechen überhaupt, frühere 
wie jetzige, den Barbaren. ἅπαντες ist darum als fremdartiger Zu- 
satz mit 2 und pr. Laur. zu tilgen. 

3. In dieselbe Kategorie rechnet Spengel mit Recht das bei 2 
und pr. Laur. fehlende Einschiebsel in ὃ. 47. ὡς ἄρα Φίλιππός 
ἐςτι [τοιοῦτος] οἷοί ποτ᾽ Acav Λακεδαιμόνιοι, sowie 8. 175 das 
8. 18 von der Vulg. vor ἀλλοτριοθῆναι eingeschobene ὑμῶν, das 
in Σ. pr. Laur. Aug. 1. fehlt. 

4. 8. 2. οὐδὲν ἄλλο ποιοῦςιν ἢ ὅπως fj [μὲν] πόλις [αὐτὴ] 
παρ᾽ αὐτῆς δίκην λήψεται καὶ περὶ τοῦτ᾽ ἔςται, Φιλίππῳ δ᾽ ἐξέ- 
«ται κτλ. om. X und Laur. „Durch das Fehlen jener Wörter,“ 
meint Spengel, „gewinnt die Rede an Kraft.“ Für das Fehlen des 
μὲν beruft er sich auf den ganz analogen Fall in 8. 19, wo 2 und 
Aug. 1. ἐὰν ἀμύνηςθε für ἐὰν μὲν ἀμύνηςθε haben. Es ist, wie 
Spengel Artium script. p. 162 nachgewiesen, eine erst durch X be- 
kannt gewordene, dem Demosthenes eigenthümliche Sitte, die bei 
Isokrates niemals vorkommt, zwei Sätze, ohne vorausgehendes μὲν 

Jabrb. f. clase, Philol. Suppl. Bd. VII. Hft. 2. 8 








116 1. Drüseke: Die dritte Philippische Rede der Demostienes. 


3. 8. 36. νῦν δ᾽ ἀπολωλὸς ἅπαντα λελύμανται καὶ ἄνω καὶ 
κάτω πεποίηκε πάντα τὰ [τῶν Ελλήνων] πράγματα. — τῶν 
Ἑλλήνων tilgt Spengel nach dem Vorgange von pr. 2 und Aristides 
(W. IX. p. 353). Zu beiden Zeugen tritt noch Laur. hinzu. Ein 
Grammatiker, der nicht einsah, dass ἅπαντα — πάντα von De- 
mosthenes absichtlich gesagt sei, konnte sehr wohl darauf verfallen, 


πάντα τὰ πράγματα in τὰ τῶν ᾿ξελλήνων πράγματα zu verändern’ 


4. 8. 60. ὑπὸ τοῦ δήμου [τοῦ τῶν Ὠρειτῶν] erklärt Spengel, 
gestützt auf Σ. Y. denen wir noch pr. Laur. pr. Vat. Lind. Vind. 4. 
hinzufügen, mit Recht für ein Glossem, das vielleicht von einem 
Leser zur Erklärung des ὑπὸ τοῦ δήμου aus ἃ. 61 ὁ δῆμος ὃ τῶν 
’Npeıtwv hier beigeschrieben wurde. 

δ. 8. 53. ὅτι οὐκ Evecrı τῶν [ἔξω] τῆς πόλεως ἐχθρῶν κρα- 
τῆςαι. — ἔξω der Vulg. streicht Spengel auf Grund von X und Y 
mit Recht, zumal da noch pr. Laur. pr. Vind. 4. u. a. Codd. dazu- 
kommen. Der Gegensatz ist nicht zwischen oi ἔξω τῆς πόλεως 
ἐχθροί und oi ἐν αὐτῇ τῇ πόλει ἐχθροί, sondern einfach zwischen 
den Feinden der Stadt und deren Helfershelfern. 

6. 8. 45. οὐκοῦν ἐνόμιζον ἐκεῖνοι τῆς πάντων τῶν Ἑλλη- 
νῶν cwrnpiac αὑτοῖς ἐπιμελητέον εἶναι᾽ οὐ γὰρ ἂν αὐτοῖς ἔμε- 
λεν εἴ τις ἐν Πελοποννήεῳψ τινὰς ὠνεῖται καὶ διαφθείρει, μὴ 
τοῦθ᾽ ὑπολαμβάνουειν᾽ ἐκόλαζον δ᾽ οὕτω καὶ ἐτιμωροῦντο Ode 
αἴεθοιντο [δωροδοκοῦντας], ὥςτε καὶ crnAírac ποιεῖν. — Jenes 
δωροδοκοῦντας erklürt Spengel mit zwingenden Gründen für eine 
falsche, sicher nicht vom Redner herrührende Ergünzung. ,,Demosthe- 
nes spricht," sagt er, „wie das Wort crrAirac zeigt, von den Be- 
stechenden, nicht von den Bestochenen; — man wollte die nähere 
Bestimmung zu αἴςθοιντο, die sich aus dem Vorhergehenden von 
selbst versteht, nämlich διαφθείροντας. ergänzte aber, wie häufig 
diese falsch, hier gerade durch das entgegengesetzte δωροδοκοῦν- 
τας.“ δωροδοκεῖν nämlich heisst im attischen Sprachgebrauch an 
keiner Stelle so viel wie δῶρα διδόναι, sondern bedeutet immer nur 
„Geschenke annehmen, sich bestechen lassen.“ Das Wort muss 
daher von einem späteren Griechen beigefügt sein, zu einer Zeit, wo 
bupoboxeiv gleichbedeutend mit διαφθείρειν gebraucht wurde (Cobet. 
Var. lect. p. 348). 

7. 8. 48. πρῶτον μὲν γὰρ ἀκούω Λακεδαιμονίους τότε. καὶ 
πάντας τοὺς ἄλλους τέτταρας μῆνας ἢ πέντε, τὴν ὡραίαν αὐτήν, 
ἐμβαλόντας ἂν καὶ κακώςαντας τὴν [τῶν ἀντιπάλων] χιώραν 
ὁπλίταις καὶ πολιτικοῖς ς«τρατεύμαςειν ἀναχωρεῖν ἐπ᾽ οἴκου πά- 
λιν. „Das Wort kann immerhin leicht ergänzt werden," sagt Spengel, 
„und ist darum nicht nothwendig, wie so viele im Demosth 
welche die erste Handschrift übergeht." τῶν ἀντιπάλων ist eben 
ein ganz müssiger Zusatz, da Niemand bei τὴν χώραν an etwas An- 
deres als an das Gebiet (agri, fines) der Athener denken kann. Dasu 


EYES EL “ 





J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 117 


tritt zu pr. & noch pr. Laur. bestätigend hinzu, weshalb das Wort 
zu sireichen ist. . 

8. 8. 66. καλήν τ᾽ οἱ πολλοὶ νῦν ἀπειλήφαςειν Ὠρειτῶν xà- 
piv ὅτι τοῖς Φιλίππου φίλοις ἐπέτρεψαν αὑτούς, τὸν δ᾽ Εξὐφραῖον 
ἐώθουν᾽ καλήν γ᾽ ὁ δῆμος ó Ἐρετριέων ὅτι τοὺς μὲν ὑμετέρους 
πρέεβεις ἀπήλαςε, Κλειτάρχῳ δ᾽ ἐνέδωκεν αὑτόν᾽ δουλεύουςί γε 
μαςτιγούμενοι καὶ ςτρεβλούμενοι. So schreibt Spengel, indem er 
gegen die Autorität von X mit der Vulg. ςτρεβλούμενοι statt cpaT- 
τόμενοι setzt, und überhaupt gegen das Zeugniss aller demostheni- 
schen Handschriften die ganze Stelle nach dem mehrfach abweichen- 
den, aber, wie er behauptet, das Echte bietenden Aristides, auf des- 
sen Verhültniss zu unseren Handschriften des Demosthenes wir später 
zu sprechen kommen werden, hergestellt sehen möchte. ςφαττόμε- 
voi mit Spengel „als ein sicheres Kennzeichen von späteren erklären- 
den und ausmalenden Zusüizen' einfach zu streichen, ist zunächst 
. sehr misslich. Dann aber füllt Spengels gegen Schüfers Schreibung 
óouAeUouci γε μαςτιγούμενοι καὶ ςτρεβλούμενοι καὶ ςφαττόμενοι 
erhobener Einwand, dieselbe sei „zu wenig diplomatisch begründet, 
um in dem mit Emblemen dieser Art überfüllten Texte des Demo- 
sthenes auf Wahrscheinlichkeit Anspruch machen zu können“ — 
auf ihn selbst zurück, da uactıyounevor καὶ ςφαττόμενοι durch das 
übereinstimmende Zeugniss von 2. Aug 1. Rehd. Urb., zu denen noch 
Laur. und Pal. (bei Schultz, De codd. quibusd. Dem. S. 14) hinzu- 
kommen, diplomatisch so gesichert ist, dass an eine Aenderung nach 
irgend Jemandes Geschmacksurtheil nicht gedacht werden kann. 

9. ὃ. 31. ἀλλ᾽ οὐδὲ βαρβάρου ἐντεῦθεν ὅθεν καλὸν εἰπεῖν, 
ἀλλ᾽ ὀλέθρου Μακεδόνος ὅθεν οὐδ᾽ ἀνδράποδον ςπουδαῖον οὐδὲν 
ἦν πρότερον [πρίαςθαι]. om. X. „Der Gedanke,“ sagt Spengel, „ist 
auch ohne jenes Verbum vollständig, das sehr leicht von fremder 
Hand ergünzt werden konnte." Warum aber, fragen wir, legt Spengel 
bei $. 66 so grosses Gewicht auf das Zeugniss des Aristides, wäh- 
rend es ihm hier gar nicht in den Sinn kommt, den gewiss nicht 
unzuverlüssigeren Zeugen Lukianos zu hören? Dieser hatte unsere 
Stelle ganz so vor sich, wie die Vulg., denn er schreibt Paras. 42: 
ὁ ταυτὶ λέγων (scil. Demosthenes) ἐν ταῖς ἐκκληςίαις cuvexüc: 
Φίλιππος γὰρ ὁ Μακεδόνων ὄλεθρος, ὅθεν οὐδὲ ἀνδράποδον πρί- 
aiTO (scr. ἀνδράποδον ἂν πρίαιτο, das nach der voraufgehenden 
Silbe ov leicht aushalten konnte) τίς ποτε. Wir kommen auf diese 
Stelle später noch einmal zurück. 

10. 8. 2. πολλὰ μὲν οὖν ἴεως ἐςτιν αἴτια τούτων. So X, 
wührend die Vulg.: αἴτια τοῦ τοῦθ᾽ οὕτως ἔχειν. Letzteres scheint 
Spengel eine Erweiterung des kurzen τούτων zu sein. Gewiss. Da 
Σ auch hier von Laur. unterstützt wird, so ist die Vulg. zu ver- 
werfen. Vömel vergleicht übrigens sehr passend die ganz ähnliche 
Stelle II. Phil. 8. 3: αἴτιον δὲ τούτων, ὅτι πάντες u. s. w. 

11. 8. 3. αἱ δὲ τοιαῦται πολιτεῖαι ευνήθεις μέν EICW NN, 





J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 119 


Zusatz αἰτιωμένων erklären wollte. 2. Laur. und Pal. entscheiden 
dagegen. 

15. 8. 18. εἶτα τὸν τοῦτο τὸ μηχάνημα ἐπὶ τὴν πόλιν icrávra, 
τοῦτον εἰρήνην ἄγειν ἐγὼ φῶ πρὸς ὑμᾶς; hält Spengel mit X. Aug 1., 
der, wie A. Spengel a. ἃ. O. p. 16 bezeugt, καὶ καταςκευάζοντα nach 
icrávra nicht auslässt, sec. Harl., sowie Arist., Hermog., Tiber. fest, und 
verwirft die Zusätze und Aenderungen der III. Familie épicrávra xoi 
xarackevaZovra Q9, épicrávra καὶ παραςκευάζοντα Y. u. F. v. Bav., zu 
denen noch die Varietäten des Pal. icrávra καὶ καταςκευάζοντα und 
sec. Laur. icrávra καὶ παραςκευάζοντα hinzutreten. Diese Mannig- 
faltigkeit erregt Verdacht; sprachlich dagegen zu bemerken, was 
Vömel thut, die Vulg. enthalte ein ÜcTepov πρότερον, es müsse 
wenigstens xarackeuáZovra καὶ icréávra heissen, ist unhaltbar, da 
μηχάνημα icrávat καὶ καταςκευάζειν, was Schultz richtig entgegnet, 
bedeutet: machinam erigere et (omnibus rebus) instruere. Es ent- 
scheidet hier nur die Autorität der Handschriften nnd zwar, da 2. 
und Laur. übereinstimmen, gegen die Vulgata. 

16. 8. 37. τί οὖν ἦν τοῦτο; [οὐδὲν ποίκιλον οὐδὲ cogóv ἀλλ᾽ 
ὅτι] τοὺς παρὰ τῶν ἄρχειν βουλομένων ἢ διαφθείρειν τὴν ᾿ξελλάδα 
χρήματα λαμβάνοντας ἅπαντες ἐμίςουν. Was die Klammer betrifft, 
so tritt nach Spengels Urtheil der Gedanke ohne die darin enthalte- 
nen einleitenden Worte mit unmittelbar folgender Antwort schürfer 
und kräftiger auf. Ohne Zweifel, Vömel leitete vielleicht ein rich- 
tiges Gefühl, wenn er die Worte für rhetorischen Schmuck, wie er 
in Platon's Schule üblich, erklärte; unmöglich aber darf man dem 
Bedner zumuthen, dass er, nachdem er im Vorhergehenden von ἦν 
τι τότ᾽, ἦν des 8. 36 an die im Verhältniss zu den Tugenden der 
Altvordern wahrhaft klägliche sittliche Beschaffenheit des jetzigen Ge- 
schlechts mehr in allgemeinen Zügen geschildert, nun nach der blitzartig 
einschlagenden Frage τί οὖν ἦν τοῦτο; die Erwartung seiner Hörer 
in so kindischer Weise sollte hinhalten, nein, auf jene Frage musste 
sofort eine Antwort erfolgen, uud jene eingeschwürzte Floskel muss 
auf das Zeugniss von 2. Laur. Y. Vind. 1. ohne Gnade heraus. 

17. 8. 43. λογίζεςθε δὴ πρὸς θεῶν [xai θεωρεῖτε παρ᾽ ὑμῖν 
αὐτοῖς].  ,Das vollständige,“ sagt Spengel, „ist der rhetorischen 
Sitte zu reden mehr angemessen;" er entbehrt leicht der Worte καὶ 
θεωρεῖτε, ungern aber παρ᾽ ὑμῖν αὐτοῖς. Für den in Klammern ge- 
schlossenen Zusatz der Vulg. konnte Mid. 8. 123 (ἐκλογιζομένοις καὶθεω- 
poücıv ὅτι u. 8. w.) als Vorbild dienen, er muss, da er in Σ., Laur. und 
Pal. fehlt, als Interpolation ausgeschieden werden, desgl. das von der 
Vulg. vor θεῶν eingeschobene Διὸς xai auf (irund von 2., Laur. und Vat. 

18. 8. 73. οὐ λέγω ταῦτα, ἀλλὰ τοῖς μὲν ἐν Xeppovücu 
χρήματ᾽ ἀποςτέλλειν φημὶ δεῖν καὶ τἄλλα ὅςα ἀξιοῦςει ποιεῖν, 
αὐτοὺς δὲ παραςκευάζεςθαι, [καὶ πρώτους ἃ χρὴ ποιοῦντας τότε 
καὶ] τοὺς ἄλλους "EAAnvac ευγκαλεῖν. Da τοὺς ἄλλους “Ἕλληνας 
die letzte Stelle einnimmt, und zwei andere Bestimmungen voraus- 


120 .J. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 


gehen, so versteht sich, dass das letztere nicht ohne das erstere sein 
soll. Spengel trägt daher Bedenken, ob jene Ergänzung vom Red- 
ner herrühre und nicht vielmehr als durch deu Zusammenhang ge- 
boten von einem Späteren gegeben sei. Letzteres ist um so mehr 
anzunehmen, da €, Bekker's und Reiske's sümmtliche Codices, sowie 
die von Schultz verglichenen Codd. Man. und pr. Vat. den Zusatz 
nicht haben, sondern παραςκευάζεςθαι, τοὺς δ᾽ ἄλλους u. s. w. 

19. 8. 60. καὶ χορηγὸν ἔχοντες Φίλιππον kal πρυτανευόμενοι 
[παρ᾽ ἐκείνου]. Letzteres verwirft Spengel auf Grund von Σ, dem 
auch Laur. zustimmt. Wir kommen auf diese Stelle und auf die 
folgende noch einmal zurück. 

20. 8. 44. τί γὰρ τῷ Ζελείτη [τοῦτ᾿ ἔμελεν] τῶν ᾿Αθηναίων 
κοινῶν εἰ μὴ μεθέξειν ἔμελλεν; [ἀλλ᾽ οὐ τοῦτο λέγει] ἀλλ᾽ ἐν τοῖς 
φονικοῖς τέγραπται νόμοις, ὑπὲρ ὧν ἂν μὴ διδῷ [δίκας] φόνου 
δικάςαςθαι, [ἀλλ᾽ εὐαγὲς ἡ τὸ ἀποκτεῖναι] καὶ ἄτιμος φηεὶ τεθνάτω. 
om. pr. X. Den ersten Zusatz erklärt Spengel gewiss mit Recht für 
eine offenbare Aenderung, welche die gedrüngte rhetorische und 
attische Sprache verdeutlichen sollte. ᾿Αθηναίων hat aber Σ nicht 
in ᾿Αθήνηςι geändert, wie Spengel sagt, und δίκας steht factisch in 
L, was er bezweifelt. Die Möglichkeit, dass die Worte ἀλλ᾽ oU 
τοῦτο λέγει, die ihm passend erscheinen, durch ein ὁμοιοτέλευτον 
sowohl in Σ als bei Harpokration, der die Stelle mit 2 übereinstim- 
mend citirt, ausgefallen seien, giebt er zu, dennoch sollen sie das . 
charakteristische Kennzeichen aller solcher Zusütze an sich tragen, 
dass sie keineswegs unentbehrlich sind. Doch davon später. 

21. 8. 37. χαλεπώτατον ἦν τὸ bupobokoüvra ἐξελεγχθῆναι 
καὶ τιμωρίᾳ μεγίετῃ τοῦτον ἐκόλαζον, [καὶ παραίτηςις οὐδεμία ἦν 
οὐδὲ cuyyvwun]‘ Von letzterem Satz urtheilt Spengel, er könne 
stehen, obschon die Periode durch die vorhergehenden drei Glieder 
vollendet sei. Der Zusatz ist aber ein ganz nichtiger, da, wenn alle 
den, der sich bestechen liess, hassten, und die schwersten Strafen 
über diesen verhängt wurden, dann natürlich von Schonung und Ver-. 
zeihung überhaupt keine Rede sein kann. Er ist auf das Zeugniss 
von pr. Σ. pr. Laur. Y. Vind. 4. und Aristides, den Spengel wunder- 
barer Weise hier wiederum einmal nicht citirt, zu entfernen. Ent- 
schiedener urtheilt Spengel bei der nächsten mit $. 36 in enger Ver- 
bindung stehenden Stelle. 

22. 8. 39. ταῦτα δ᾽ Ecri τί; ζῆλος εἴ τις εἴληφέ τι, γέλως 
ἂν ὁμολογῇ, [cuyrvwun τοῖς ἔλεγχομένοις] uicoc ἂν τούτοις τις 
ἐπιτιμᾷ τἄλλα πάνθ᾽ ὅςα ἐκ τοῦ bupoboxeiv ἤρτηται. Da hier die 
Coneinnität des dreigliedrigen Satzes in der That durch die nichts 
Neues enthaltenden und eine weit schwüchere Wirkung als das Vor- 
hergehende und Folgende ausdrtickenden Worte ευγγν. τοῖς éAevy. 
unerträglich gestört wird, so erklärt Spengel dieselben, allein ge- 
stützt auf pr. 2, dem noch Laur. beitritt, mit Halm für einen unge- 
schickten, des Demosthenes kaum würdigen, uuechten Zusatz. 





J. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 121 


Blicken wir zurück auf den Ausgangspunkt für diese Special- 
untersuchung und auf die von Spengel, wie wir sahen, fast sämmt- 
lich mit Recht als Interpolationen verworfenen Stellen, so drängt 
sich uns unwillkürlich die Frage auf: Warum greift Spengel gerade 
diese aus der Fülle der von der Vulg. im dieser Rede so zahlreich 
überlieferten Varianten heraus, um sie an der doch im Allgemeinen 
von ihnen prüdicirten demosthenischen Abstammung nicht Theil neh- 
men zu lassen? Hütte er nicht mit demselben Rechte, wie z. B. bei 
den unter I, 8 und anderswo behandelten Füllen noch eine ganze 
Reihe von anderen Stellen, die nicht bloss kleine Zusätze der ge- 
wöhnlichsten Art, sondern auch grössere grammatische und rhetori- 
sche Interpretamente enthalten, als interpolirt kennzeichnen und 
verwerfen müssen? Doch wir wollen nicht vorschnell schon aus dem, 
was Spengel etwa aus bestimmten, nicht näher angegebenen Grün- 
den unterlassen, gegen ihn und seine Lósung des Problems argu- 
mentiren, sondern uns lieber an dasjenige halten, was von den 
Erweiterungen der Vulgata er mit klaren Worten als von der revi- 
direnden Hand des Demosthenes herrührend glaubt halten zu müssen. 


B. Untersuchung der von Spengel als von der revidirenden Hand des 
Demosthenes herrührend bezeichneten Erweiterungen der Vulgata. 
Betrachten wir zunächst (I) nur die Stellen, welche Spengel 1839, 
sicht aber 1860 für demosthenisch erklärt hat, und stellen wir vor 
der Hand alles dasjenige zurück, was später etwa noch aus anderen 
Gründen ausführlicher, als es an dieser Stelle möglich ist, besprochen 
werden muss. 


J. Besprechung en en Stellen, welche Spengel 1889, nicht 
aber 1860 für echt erklärte. 

1. 8. 25. μᾶλλον δὲ οὐδὲ πέμπτον μέρος τούτων ἐκεῖνα. [καὶ 
τοῦτο ἐκ βραχέος λόγου ῥάδιον δεῖξαι.) "Ὄλυνθον μὲν δὴ καὶ Με- 
θιύνην....... ew κτλ. Diese Einleitungsworte erscheinen Spengel 
nicht ungeeignet für die nachfolgende Auseinandersetzung, könnten 
aber ebenso leicht entbehrt werden, zumal μὲν δὴ an sich schon den 
Uebergang bezeichne; dennoch erklärt er die Stelle für einen späte- 
ren Zusatz des Redners. Aus welchem Grunde aber hat Spengel 
an dieser Stelle die alten Rhetoren nicht zu Rathe gezogen, auf 
deren Zeugniss er sonst so viel giebt, so viel, dass er in einem ge- 
wissen Falle (s. oben A. II, 8. 8. 16.) danach allein gegen unsre 
handschriftliche Ueberlieferung den Text des Demosthenes restitui- 
ren möchte? Er würde hier gewiss eines Besseren belehrt: sein. 
Hermogenes nämlich (W. III, p. 335), Joseph. Rhacend. (W. III, 
p- 507) und der anonyme Scholiast zu Hermogenes (W. VIII, p. 657) 
verwenden unsere Stelle als ein Beispiel der practeritio. Das konnte 
dieselbe aber für sie niemals sein, wenn Demosthenes kurz vorher 











J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 195 


vermisste, oder vielmehr nicht erkannte, dass dasselbe schon in den 
allgemeinen Worten der kürzeren Fassung ἐπαμῦναι μὲν τούτοις 
καὶ διατηρῆςαι μὴ τι πάθωςι enthalten sei, so glaubte er jene von 
dort herübernehmen zu müssen und fügte hier eine, wie Vömel rich- 
tig sah, sehr überflüssige Bemerkung hinzu. Das Schwanken der 
Handschriften in der Stellung und der Wahl einzelner Wörter (πά- 
Bwcı καὶ τοῖς oUciv ἐκεῖ νῦν [ἐκεῖ νῦν οὖςι Aug 1. 2. Pal. Harl.| 
crparıWwraıc [ςτρατηγοῖς 2. Vat. Man. Urb. Ang. Pal.1. Vind. 1.3.4. 
Rehd. Y. u. v. Ald. sqq.] πάνθ᾽ ócuv ἂν δέωνται [δέωνται καὶ Aug. 2.] 
ἀποςτεῖλαι) führt auf den Verdacht einer Interpolation, deren An- 
nahme durch X und pr. Laur. gesichert erscheint. Auf Grund beider 
Handschriften ist dieselbe zu beseitigen. 

7. 8. 41. ὅτι δ᾽ οὕτω ἔχει, τὰ μὲν νῦν ὁρᾶτε δήπου καὶ οὐ- 
δὲν ἐμοῦ προςδεῖςθε μάρτυρος᾽ τὰ δ᾽ ἐν τοῖς ἄνωθεν χρόνοις ὅτι 
τἀναντία εἶχεν, ἐγὼ δηλώςω, οὐ λόγους ἐμαυτοῦ λέγων, ἀλλὰ 
γράμματα τῶν προγόνων τῶν ὑμετέρων [δεικνύων], ἁκεῖνοι κατέ- 
θεντο εἰς «τήλην χαλκῆν γράψαντες εἰς ἀκρόπολιν [οὐχ ἵν᾽ αὐτοῖς 
a χρήειμα, καὶ γὰρ ἄνευ τούτων τῶν γραμμάτων τὰ δέοντα ἐφρό- 
γουν, ἀλλ᾽ ἵν᾿ ὑμεῖς ἔχητε ὑπομνήματα καὶ παραδείγματα ὡς ὑπὲρ 
τῶν τοιούτων «ςπουδάζειν προεήκει᾽ τί οὖν λέγει τὰ τράμματα:] 
» ApOuioc* φηςὶν „OÖ ἸΤυθώνακτος ὁ Ζελείτης ἄτιμος καὶ πολέμιος 
κτλ. Das Wort δεικνύων zunächst ist Spengel geneigt, auf das 
Zeugniss des Aristides, der p. 354 οὐ λόγους ἐμαυτοῦ λέγων, ἀλλὰ 
γράμματα τῶν ὑμετέρων προγόνων als eir Beispiel der ceuvótnc 
anführt, fallen zu lassen, da man aus dem Vorhergehenden λέγων 
ergänzen könne. Dies kann man nicht nur, sondern muss es, da 
das Wort in pr. 2 und pr. Laur. fehlt, und der Redner, auf der 
Pnyx stehend, nicht sagen kann, dass er δεικνύναι τὰ γράμματα τὰ 
εἰς ἀκρόπολιν κατατεθέντα (Vómel), welches Schriftstück er 8. 42 
doch nur bespricht. Den zweiten Zusatz dagegen erklärt Spengel 
für einen ganz im Geiste des Demosthenes ausgeführten und gewiss 
von keinem Anderen herrührenden, wahrscheinlich aber erst bei der 
Revision hinzugefügten Gedanken, und hält sich für berechtigt, aus 
dem Beispiel des Deinarchos (in Arist. 25), der in derselben Sache 
seinen Zuhörern eine ähnliche Bemerkung ans Herz legt, zu schlies- 
sen, man müsse sich fast wundern, wenn Demosthenes, der es so 
sehr liebe, überall, wo es angehe, seinen Athenern eine belehrende 
Ermahnung zu geben und ein passendes Enthymem einzuschalten, 
dies hier zu thun unterlassen hütte. Im Gegentheil: so wenig das 
Beispiel des Deinarchos hier irgendwie beweisend erscheinen kann, 
80 wenig man einen (rirund einsieht, warum Demosthenes bei einer 
Revision dieses Enthymem hier einzuschalten für nöthig befunden 
babe, und so wenig es die Absicht der Athener war, wenn sie Na- 
men und Verbrechen eines Menschen in eine Süule eingruben, den 
Nachkommen damit ὑπομνήματα xoi παραδείγματα (Vat.), oder, 
wie die schwankende und schon dadurch verdüchtige Ueberlieferung 








7. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 129 


zu der eben des Redners eigene Worte καὶ oi ἄλλοι πρέεβεις her- 
ausforderten, ganz so wie περὶ ο᾿υντάξ. 8. 29 vgl. mit Ol. III, 26. 
Aristocr. S. 207. Die kurze Fassung von 2 ist dureh das hinzutre- 
tende Zeugniss von Bekkers sümmtlichen Codd. B. Q. f. y. Pal. 1. 
Vind.1.3.4. Aug.3. Y. Harr. zu sicher beglaubigt, als dass die Un- 
echtheit der hinzugefügten Namen, die, worauf Funkhünel aufmerk- 
sam machte, den Scholiasten aus den Annalen der Athener und den 
gerade über Demosthenes, wie es geschichtlich feststeht, sehr zahl- 
reich herausgegebenen ὑπομνηματιςμοΐ sehr wohl bekannt sein konn- 
ten, irgeud einem Zweifel unterliegen dürfte. 

Noch wichtiger aber als diese unter Nr. 8. 9. 10. behandelten 
Zusätze geschichtlichen Inhalts sind die in $$. 6. 7. und $. 46. un- 
serer Rede sich findenden Erweiterungen. Dass Spengel beide Stellen 
in dieser Gestalt für echt erklärt, kann nach dem Bisherigen nicht 
mehr auffallend oder befremdlich sein. Da es jedoch nicht gut mög- 
lich ist, 88. 6. 1. schon hier mit Berücksichtigung aller andern Inter- 
preten sowie aller hier in. Betracht kommenden Momente genauer 
zu behandeln, diese Erürterung vielmehr in einem andern Zusammen- 
hange zu ihrem volleren Rechte kommen soll, so wollen wir, ehe 
wir die kritische Betrachtung der von Spengel zur Erklärung des 
Verhältnisses der doppelten Hecension der III. Philippica aufgestell- 
ten Theorie zum Abschluss bringen, an diesem Orte nur noch seine 
Ansichten über $. 46, so weit es zweckmässig und nöthig erscheint, 
besprechen. 

$. 46. ἐκ δὲ τούτων εἰκότως rà τῶν Ελλήνων ἦν τῷ Bap- 
Bapw φοβερά, οὐχ οἱ βάρβαροι roig "EAAncıv, ἀλλ᾽ οὐ νῦν᾽ οὐ γὰρ 
οὕτως ἔχεθ᾽ ὑμεῖς οὔτε πρὸς τὰ τοιαῦτα οὔτε πρὸς τάλλα, ἀλλὰ 
πῶς; [ἴετε αὐτοί᾽ τί γὰρ δεῖ περὶ πάντων ὑμῶν κατηγορεῖν; παρα- 
πληείως δὲ καὶ οὐδὲν βέλτιον ὑμῶν ἅπαντες οἱ λοιποὶ “ξλληνες᾿ 
διόπερ φημὶ ἔγωγε καὶ ς«πουδῆς πολλῆς καὶ βουλῆς ἀγαθῆς τὰ 
παρόντα πράγματα προςδεῖςθαι᾽ τίνος] εἴπω; κελεύετε καὶ οὐκ 
ὀργιεῖςθε; 

€K ΤΟΥ TPAMMATEIOY ΑΝΑΓΙΓΝΩΚΓΚΕΙ. 
Ἔστι τοίνυν τις εὐήθης λότος κτλ. 

Spengel nimmt zunächst den Text von X uls die ursprüngliche 
Fassung des Rednors. Danach frage Demosthenes die Athener, ob 
er auch die ihnen aus officiellen Acten vorzulegenden Beispiele ihrer 
Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit, ohne ihren Unwillen auf sich zu 
laden, vorbringen dürfe. Dies kann nian sich gefallen lassen. Nun 
schliesst aber Spengel folgendermassen weiter: Diese Beispiele mtls- 
sen schlagend und verletzend genug gewesen sein, denn in der He- 
vision hat Demosthenes diese Anführung ganz übergangen, sie für 
unnöthig gehalten, weil ja die Athener selbst das wüssten und die 
andern Hellenen um nichts besser daran würen. Darum habe De- 
mosthenes so geändert: ἀλλ᾽ οὐ vüv: οὐ γὰρ οὕτως ἔχεθ᾽ ὑμεῖς 
οὔτε πρὸς τὰ τοιαῦτα οὔτε πρὸς τἄλλα, ἀλλὰ πῶς; lcre αὐτοΐ, 

Jahzb. f. class. Philol. Suppl. Bd. VII. lift, 2, 9 





J. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 133 


Bekkerschen Codices hinzutreten, u. a. a. Stellen sehr auffüllig ist — ; 
da ferner an vielen für demosthenisch gehaltenen Stellen das sichere 
Kennzeichen der Interpolation, nämlich das Schwanken der Les- 
arten der Vulg. ganz ausser Acht lässt; kurz da Spengel (und mit 
ihm Weil), wie er aus rein subjectivem Belieben eine ganze Reihe 
Stellen als nichtdemosthenisch ausscheidet, so auch aus rein sub- 
jectivem Ermessen, mit Hintansetzung aller äusseren und aus- 
schliesslicher Betonung der inneren, als solche aber nicht näher 
angegebenen, Gründe, dies und jenes als einzig aus der Hand des 
Demosthenes hervorgegangen bezeichnet: so müssen wir seinen Ver- 
such, das Verhältniss der doppelten Recension der dritten philippischen 
Rede des Demosthenes zu erklären, den Rehdantz (in s. Ausg. 1866. 
Einleitg. S. 57. Anmkg.) mit Recht, weil aus falsch angewendetem Ge- 
rechtigkeilsgefühl hervorgegangen, einen ungerechten nennt, als einen 
verunglückten verierfen. 


8. Die conservativen Kritiker. 


Die aus sogenannten inneren Gründen geübte Kritik bewegt 
sich, wie dies aus der Wiederlegung der Ansicht Spengels hoffent- 
lich zur Genüge klar geworden sein wird, unter einem fast beständi- 
gen Hader widerstreitender Gesichtspunkte Deshalb ist es nicht 
wunderbar, vielmehr tief in der menschlichen Natur begründet, wenn 
der hin und her gezerrte Geist endlich kampfesmüde gern die äussre 
Schranke, deren Festigkeit er sonst schon erprobt hat, ergreift und 
festhält. Eine solche feste, äussere Schranke glaubte man nun in 
Cod. & gefunden zu haben, für dessen alleinige Autorität der uner- 
müdliche Funkhünel auf den Kampfplatz trat. Ihm schlossen sich 
Baiter und Sauppe an, sowie Rüdiger, Franke, Doberenz und Wester- 
mann, sie alle nach dem von Funkhänel aufgestellten Grundsatz 
verfahrend: Alle Stellen, die in Cod. Σ fehlen, sind als unechte, 
nicht von Demosthenes herrührende Zusätze zu verwerfen. Dies 
war die Ansicht der meisten Herausgeber unsrer Rede, bis Vömels 
grosse Ausgabe mit dem vollständigsten kritischen Apparate 1857 
erschien. Dieselbe eröffnete hinsichtlich der Lösung unserer Frage 
die Aussicht auf eine doppelte Möglichkeit: Entweder legt jenes 
massenhafte handschriftliche Material für die Berechtigung der Be- 
vorzugung des Cod. 2 für alle Zeit das vollstäindigste, die Sache zum 
unerschütterlichen Abschluss bringende Zeugniss ab, so dass die 
Kritik nunmehr der Ruhe pflegen, die Exegese ihres Amtes warten 
kann — oder es werden uns damit die Waffen in die Hand ge- 
geben, das Principat jener Pariser Handschrift, deren natürlich gutes 
Gewicht durch die Auffindung des Laur. 1860 noch zu wachsen 
sehien, zu brechen und auf breiterer Grundlage eine weniger ab- 
hängige Kritik zu üben. Behalten wir das zweite Glied dieser Alter- 


F 








J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 137 


mehrfach mit X stimmende Aristides (W. IX, p. 351) und auch 
Dionys. Hal. an dieser Stelle εὖ lesen. 

16. 8. 37. τοὺς παρὰ τῶν ἄρχειν βουλομένων ἢ [καὶ] δια- 
φθείρειν τὴν '€AAóbo. Mit. Hecht, sagt Schultz, wird durch das 
eingeschobene xai der Gedanke abgeschwücht. Da es in X. Aug.1. 2. 
Dresd. Pal. 1. Ald. T. und Schultz's Laur. und Pal. (bei Vómel Pal. 6.) 
fehlt, ist es zu streichen. 

17. 8. 19. οὐδὲ δοκεῖ μοι περὶ Xeppovricou νῦν CKOTLEIV οὐδὲ 
Βυζαντίου, ἀλλ᾽ ἐπαμῦναι μὲν [καὶ] τούτοις, καὶ διατηρῆςαι μή τι 
πάθωειν. Auch hier ist die Interpolation wieder kenntlich durch 
Hineintragung einer verkehrten Beziehung. Es besteht kein Gegen- 
satz zu einem ἐπαμῦναι καὶ ἄλλοις, sondern zwischen ἐπαμῦναι τού- 
τοῖς und βουλεύεςεθαι περὶ πάντων “ElAnvwv. Das καί ist dem- 
nach mit X und Schultz's Codd. Laur. Vat. Man. zu tilgen. 

18. 8. 20. ἵνα, εἰ μὲν ὀρθῶς λογίζομαι, μετάεχητε τῶν Aoyic- 
μῶν καὶ πρόνοιάν τιν᾽ ὑμῶν Y' αὐτῶν, εἰ μὴ καὶ τῶν ἄλλων [ἂν] 
ἄρα βούλεςθε, ποιήςηςθε... An dieser Stelle scheint der Hergung 
der Interpolationsthütigkeit ziemlich klar zu sein. Zunächst zog 
wohl ποιήςζηςθε die Correctur βούληςθε nach sich, was merkwürdi- 
gerweise in allen Handschriften steht, aber schon, abgesehen von 
dem εἶ, als kakophon Anstoss erregen müsste. Sodann war es nur 
ein kleiner Schritt, den irgend ein unwissender Leser that, wenn er 
ohne Rücksicht auf ei dem Conj. βούληςθε ein ἂν vorschob. Die 
Herausgeber haben nach εἰ μὴ ἄρα (nisi forte. Franke) mit Recht 
den Indie. βούλεςθε hergestellt, womit das ἂν von selbst fällt, wel- 
ches übrigens die beiden besten Codd. € und Laur. nicht haben. 

19. An drei Stellen der Vulg. findet sich ein μὲν eingeschoben, 
das die beiden besten Handschriften und mit ihnen eine Reihe 
anderer auslassen. S. 5. τῆς [μὲν] ῥᾳθυμίας (μὲν om. €. pr. Laur. 
PaL). 8. 19. ἐὰν [μὲν] ἀμύνηςθε (μὲν om. Σ. Laur. Vat. Aug. 2. 3. 
Harl Harr. Vind. 1.). 8. 33. εὐχόμενοι [μὲν] μὴ (μὲν om. Σ. pr. 
Leur. Vat. Man.) Da nun Spengel, hauptsächlich auf Grund von 
Cod. %, es als eine dem Demosthenes eigenthümliche Sitte erwiesen 
hat, die bei Isokrates niemals vorkommt, zwei Sätze ohne voraus- 
gehendes μὲν gegentiberzustellen, wodurch der zweite mit δὲ in 
stärkeren Contrast zu dem ersteren tritt, so ist in allen jenen Fällen 
nach der Autorität der Handschriften zu entscheiden und danach 
jenes μὲν zu streichen. 

c. 20. 8. 1. Dass ?) in δέδοικα, μὴ βλάςφημον μὲν εἰπεῖν, 
ἀληθὲς δ᾽ [5]: εἰ καὶ... ohne jeglichen Anstoss fehlen kann, hat 
Funkhänel (Obs. crit. ad Dem. Phil. III. p. 4) erwiesen; doch ist er 
zweifelhaft, ob nicht bei der Nähe des folgenden ei das Wörtchen 7| 
sehr leicht ausfallen konnte. Benseler hat es deswegen in den Text 
aufgenommen. Mit Unrecht, denn pr. € pr. Laur. und pr. F. haben 
es nicht; 7j ist deshalb zu entfernen. 

21. 8. 42. "Ἄρθμιος, gnciv, ὁ ΤἸΤυθώνακτος Ζελείτης ἄτιμος 


J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 141 


ἤγαγε," [οὐκ 'AenvaZe]. Letztere Worte sind ein unzweifelhaft aus 
8. 43. ungeschickt eingeschwärztes Glossem. Sie können hier nieht, 
wie Reiske meinte, vom Redner zur Erläuterung hinzugefügt sein, 
da er mit ταῦτ᾽ ἐςτὶ τὰ γράμματα bekennt, dass er wörtlich eitire, 
und ein derartiger Zusatz unmöglich auf der Säule gestanden haben 
kann. Keine Handschrift schwankt S. 43. bei οὐκ ᾿Αθήναζε, während 
an unsrer Stelle die verderbten den Text der Vulg. constituirenden 
Handschriften von den guten und besseren (2. Y. Vind.4. pr. Harr. 
pr. Rehd. und Schultz's Laur. Pal. pr. Vat.) abweichen, welche simmt- 
lich οὐκ ᾿Αθήναζε, und das mit Recht, auslassen. 

13. 8. 48. πρῶτον μὲν γὰρ ἀκούω Λακεδαιμονίους τότε xai 
πάντας τοὺς ἄλλους τέτταρας μῆνας ἢ πέντε, τὴν ὡραίαν αὐτὴν 
[ετρατεύεςθαι καὶ τοῦτον τὸν χρόνον] ἐμβαλόντας ἂν... .. ἀνα- 
χωρεῖν ἐπ᾽ οἴκου πάλιν. Dieser überaus wohlfeile und die Con- 
einnitit des Satzes störende Zusatz der Vulg. müsste, wie Schultz 
verlangt, analog dem folgenden Gliede (ἐμβαλόντας ἄν, wo das ἄν 
auf ἀναχωρεῖν — ἀνεχώρουν ἄν zu beziehen ist) ebenfalls mit ἄν 
versehen sein, muss aber, da er in 2. F. Rehd. Y. Vind. 4. Urb. 
Aug.3. Q. u. v. Pal.1. Ang. Vind. 1. 3. Ald. 1. und Schultz's Laur. 
und Man. fehlt, als Interpolation aus dem Text entfernt werden. 

14. 8. 50. ἐπειδὰν δ᾽ ἐπὶ τούτοις (τούτοις Q. F. u. v. Aug.3. 
Urb. Pal.1. Ang. Vind.3. 4. Rehd. Ald. pr. Y. pr. Vind. 1. und Schultzs * 
Man. pr. Vat. — oder τούτοις κρατῶν vulg. Schultz's Pal) πρὸς 
vocoüvrac ἐν αὑτοῖς [xoi τεταραγμένοις] προςπέςῃ καὶ μηδεὶς 
ὑπὲρ τῆς χώρας δι᾽ amıcriav ἐξίῃ, μηχανήματ᾽ ἐπιςτήςας πολιορκεῖ. 
Das Schwanken der Handschriften bei ersterem Zusatz weist schon 
darauf hin, dass irgend etwas hier nicht ganz in Ordnung ist. τού- 
τοῖς zunächst würde unangemessen mit προςπέςῃ in Verbindung ge- 
setzt werden müssen, während die zu τούτοις hinzutretende Appo- 
sition hóchst wunderlich mit der aus dem Verbum herausgenommenen 
Prüposition gebildet ist — τούτοις κρατῶν aber würde mit dem 
voraufgehenden ὃ. 49. οὐδὲν ἐκ παρατάξεως οὐδὲ μάχης γιγνό- 
μενον" in Widerspruch treten. Beides ist zu verwerfen, da die 
Schwierigkeit durch die beiden besten Handschriften 2 und Laur. 
welche ἐπὶ τούτοις bieten, auf das schönste gelöst wird. Der zweite 
Zusatz, der nach dem Vorbilde von 8. 12. (vocoüct καὶ craciáZov- 
Civ, wo wir früher bereits das Anhängsel der Vulg. ἐν αὑτοῖς ver- 
werfen mussten) ganz überflüssiger Weise hinzugefügt zu sein 
scheint, ist, weil er ausser in X und Laur. noch in einer ganzen 
Reihe guter Handschriften fehlt, als unechtes Interpretament zu 
streichen. 

15. 8. 53. Οὐ μόνον bé bei ταῦτα γιγνώςκειν, οὐδὲ τοῖς 
ἔργοις ἐκεῖνον ἀμύνεςθαι τοῖς τοῦ πολέμου [χρή], ἀλλὰ καὶ τῷ 
λογιςμῷ καὶ τῇ διανοίᾳ [τῷ] τοὺς παρ᾽ ὑμῖν ὑπὲρ αὐτοῦ λέγοντας 
μιεῆςαι ἐνθυμουμένους ὅτι οὐκ ἔνεςτι τῶν [ἔξω] τῆς πόλεως éx- 
θρῶν κρατῆςαι,... Ein doppeltes χρή, wie es Aug.1. 2. bieten, 








J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 145 


hóherer Bedeutung, denn er vermuthet darin eine jenen Rath ent- 
haltende Denkschrift, welche die politischen Verhältnisse, die mili- 
türischen und finanziellen Hülfsquellen Griechenlands sowohl wie 
Philipps darlegte und vielleicht auch die Grundzüge einer griechi- 
schen Föderation feststellte. Von allen Hypothesen diese jeden- 
falls die geistvollste! — Nur so, meint Rehdantz schliesslich, erklüre 
Sich nicht bloss der von Demosthenes wirklich beantragte Beschluss 
(8. 71): τοὺς ἄλλους παρακαλῶμεν u. s. w., sondern auch so erst 
der Zusammenhang mit dem zunächst Folgenden "€cri τοίνυν u. s. w. 
Allein dass letztere Behauptung unmöglich ist, die andern Annah- 
men &ber unhaltbar sind, kurz, dass 

B. Cod. £ und Laur. allein das Richtige bieten, das hat Drewes 
gegen Rehdantz, und wie dieser, ausschliesslich aus dem Zusammen- 
hange der Gedanken mit Evidenz erwiesen. Auf die Gedankenentwicke- 
lung n&mlich kann es an dieser wichtigen Stelle in der Mitte der Rede 
allein ankommen, denn die aus sprachlichen Gründen gegen die 
Echtheit der Vulg. erhobenen Bedenken müssen sümmtlich als völlig 
unzureichend bezeichnet werden. So ist es 2. B. ganz gleichgültig, 
ob Demosthenes hier rtpocóeicOat, woran Funkhüncl Anstoss nimmt, 
. oder δεῖεςθαι schrieb, da er dieses sowohl als jenes, natürlich mit 
einer kleinen Modification, unbeschadet der Verbindung, in der das 
Wort hier steht, sagen konnte; gleichgültig ferner, ob mit oi λοιποὶ 
“Ἕλληνες — worüber sich Benseler beunruhigt, der, um die Worte 
für Demosthenes zu retten, "EAAnvec glaubt streichen zu müssen — 
ein Histus entsteht oder nicht, da es feststeht, dass Demosthenes 
(was Benseler nicht genügend anerkennt), den Hiatus nicht so pein- 
lich gemieden hat; auch Schultz’s Einwand, die Worte τί γὰρ dei 
περὶ πάντων ὑμῶν κατηγορεῖν; παραπληείως δὲ καὶ οὐδὲν βέλτιον 
ὑμῶν καὶ ἅπαντες οἱ λοιποὶ “ἔλληνες könnten unmöglich als von 
Demosthenes herrührend angesehen werden, da er keine Gelegenheit 
versäumt und schon kurz darauf S. 54 ff. dieselbe genommen habe, 
den Athenern ihre Sorglosigkeit und Trügheit vorzuwerfen, — ist 
nichts weiter als eine blosse Behauptung, da Schultz für dieses sein 
subjectives Urtheil keinen überzeugenden Beweis beibringt. Ganz 
anders Drewes, der, wie ich glaube, die Fäden des Zusammenhanges 
am genauesten aufgefunden hat. Nach ihm finden zunüchst die 
hinter εἴπω; stehenden Worte κελεύετε xol οὐκ ὀργιεῖεθε; die 
weder Spengel 1839, noch Rehdantz zu erklären vermögen, wes- 
wegen ersterer 1860 sie nebst εἴπω; den Text verschlimmbessernd, 
hinter ἀλλὰ πῶς; einschob, auf das Beste ihre Erklärung, wenn 
nämlich Demosthenes den Athenern zwar nicht einen guten Rath — 
denn deswegen brauchte er nicht erst zu fragen κελεύετε, καὶ οὐκ 
ὀργιεῖςθε; — wohl aber ihre gegen Bestechlichkeit gleichgültige 
Gesinnung vorhalten und die daraus entspringende missliche Lage 
Griechenlands dem Auslande (τῷ βαρβάρῳ) gegenüber nachweisen 
wollte. Wenn sodann, vorausgesetzt, dass die Vulg. den echten 

psbr5. £. class. Philol. Suppl. Bd. VII. Hft. 2. 19 


-7 " FE 


146 1. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 


Text des Demosthenes bietet, was Rehdantz annimmt, der Redner 
in dem Schriftstück gezeigt hat, wie grossen Ernst und welchen 
guten Rath (cnoudnv πολλὴν καὶ βουλὴν ἀγαθήν) die gegenwärtige 
Lage fordere, wenn mif andern Worten derselbe Vorschläge gemacht 
hat darüber, was unter den obwaltenden Umständen zu thun sei, 
wie kann er dann 8. 70 fragen τί ποιῶμεν; ἢ Muss der 8. 70 ent 
haltene Vorschlag nicht im Wesentlichen schon 8. 46 in der βουλὴ 
ἀγαθή enthalten sein? Unmöglich kann behauptet werden, nur nach 
Hehdantzs Auffassung, dass Demosthenes nämlich — wir lassen seine 
weiteren Ausführungen über den Inhalt des γραμματεῖον natürlich 
auf sich beruhen —- hier in der Mitte einen solchen Vorschlag ge- 
macht habe, zeige die Rede einen wahren Fortschritt Derselbe 
wird vielmehr durch das Einschiebsel der Vulg. geradezu aufgehoben. 
Die Anlage der ganzen Rede ist dieser Auffassung entschieden entgegen. 
Gemäss dem in S. 4 gewissermassen als Disposition der ganzen Rede 
aufgestellten Satze καὶ yàp εἰ πάνυ φαύλως τὰ πράγματ᾽ ἔχει καὶ 
πολλὰ προεῖται, ὅμως ἔςτιν, ἐὰν ὑμεῖς τὰ δέοντα ποιεῖν βούληεςθε, 
ἔτι πάντα ταῦτα ἐπανορθώςαεθαι, behandelt Demosthenes im ersten 
Theile seiner Rede bis S. 46 die schlimme Lage Griechenlands, die 


äussere und innere Gefahr, in welcher es sich befindet, indem em, - 


von ersterer ausgehend, zu zeigen beginnt, dass Philipp wirklich 
Krieg mit Athen führe (8. 8—19) und darauf (8. 21—35) nach- 


weist, wie grosse Feindseligkeiten Philipp, begünstigt durch die 
Schlaffheit und Sorglosigkeit der Hellenen, überhaupt gegen Grie- . 


chen begangen habe, während er $. 36—46 die innere Gefahr, dem | 
eigentlichen Grund jener Erscheinungen, den Krebsschaden, an wel. 
chem Griechenland krankt, nümlich die Gleichgültigkeit des jetzigen 
— in diesem Punkte zu den Vorfahren (Arthmios Bestrafung) im. 
einem traurigen Gegensatze stehenden — Geschlechts gegen die _ 
Bestechung, enthüllt und aufdeckt. Im zweiten Theil dagegen (8. 47 
— 10) zeigt Demosthenes, was man zur Abwehr des äusseren und 
inneren Feindes thun müsse, und zwar zunächst (8. 47 —52) Philipp 
in der richtigen Weise bekriegen, sodann, belehrt durch das Beispiel 
von Olynth, Eretria, Oreos, die Bestochenen hassen und bestrafen . 
(8. 52—62), an welche Erörterung sich (8. 63—68) Motive an-: 
reihen, welche die Athener antreiben sollen, so zu handeln, wie De- ' 
mosthenes von ihnen fordert. Und hieran schliesst sich erst (8. TO - 
— 15) die eigentliche propositio, der specielle Vorschlag des De--. 
mosthenes, der da zeigt, wie man die im zweiten Theil als noth- . 
wendig erwiesene Abwehr des äusseren und inneren Feindes be-- 
werkstelligen müsse und — wie überhaupt der ganze Bau der Beds - 
durchgehends zweigliedrig ist — das Zwiefache umfasst: 1. Die- 
Athener sollen in erster Linie mit aller Macht sich selbst rüsten, . 
und 2. dann erst die übrigen hellenischen Staaten gegen den ge 
meinsamen Feind zum Kampfe aufrufen. — In dieser Gedankenemi 
wickelung ist für das, was Rehdantz in die Mitte der Rede verlegi 


." " " | [ELS 
.. ΜΡ ΡΟΝ n a^" ὦ. 


"EOM £a aas RD, 4o 


CC CETERIS 


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148 1. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 


Lücke zu denken (τοίνυν 8. 47 sei μεταβατικόν), und der Hedner 
verschweige nur, dass die Athener εὐήθεις seien, entschieden zurück- 
zuweisen. Es gilt von ihr dasselbe, was oben schon gegen Spengels 
Aenderung von 1860 (εἴπω; κελεύετε u. s. w. vor Icte αὐτοί einge- 
schoben) gesagt worden ist. Vömels Gründe also sind nicht der- 
artig, dass sie seine Textesconstruction an dieser Stelle rechtfertigen. 
Consequenter verfuhren die Früheren: Schon Reiske hatte an diesem 
titulus Anstoss genommen, Dobrce ihn aus dem Text entfernt. Mit 
Recht folgten ihm alle Vertheidiger der Vulg., u. a. auch Dindorf, 
da es ein geschichtlich nicht nachweisbarer Fall sein würde, dass 
ein Redner seinen der Volksversammlung zur Beschlussfassung 
unterbreiteten Vorschlag nicht selbst frei vortrüge, sondern abläse 
oder dem Schreiber zum Vorlesen übergübe (s. Reiske und Franke 
zu d. St.). Auf den Ursprung dieses titulus kommt es gar nicht 
an; es ist ganz gleichgliltig, ob er aus Scholien entstanden ist, was 
Vömel meint, oder ob ihn irgend ein aufmerksamer Leser in den Text 
gesetzt hat, wenn er nur an seiner Stelle das Richtige anzeigt. Was 
und welcher Art dieses aber ist, glaube ich in dem Vorangehenden 
hinlünglich auseinander gesetzt zu haben. Unbegründet erscheint 
mir darum der Vorwurf, den Weil gegen Drewes erhebt, letzterer 
habe die Bemerkungen von Reiske und Dindorf nicht entkräftet, ja 
nicht einmal berücksichtigt, unbegründet deshalb, weil weder Heiske 
noch Dindorf mit ihren Bedenken darüber, wie es wohl müglich ge- 
wesen sei, dass Demosthenes nicht durch rednerische Ausführung, 
sondern durch officielle Actenstücke, von denen nicht. einzusehen sei, 
wie er sie bekommen habe, hier habe etwas beweisen können, und 


mit ihrer schliesslichen Rathlosigkeit uns nicht, was eben Drewes . 


leistet, über die Schwierigkeiten der Stelle hinweghelfen. Unbe- 
gründet aber auch, nach dem bisher Dargelegten, die schon früher 


zurückgewiesene Auskunft Weils, Demosthenes habe entweder seine 


Rede an dieser Stelle durch eine später einzufügende 


vervollstindigen, oder 88. 47 ff.— 54 «ic τοῦτο ἀφῖχθε μωρίας ἢ 


παρανοίας getilgt wissen wollen. Es bleibt also nichts weiter fibrig, 
als den titulus beizubehalten oder wenigstens anzunehmen, dase an 
dieser Stelle irgend etwas aus officiellen Actenstücken verlesen wor- 


den sei, womit auf die Frage ἀλλὰ πῶς; eine Antwort gegeben. 


wurde. So ist auch, wie Drewes gezeigt hat, eine vorirefflicohe Ver- 
bindung mit dem Folgenden hergestellt, was Rehdantz vorschnell in 
Abrede stellt. Analog dem Beispiel mit Arthmios vorher, folgt hier 
nun ein Beispiel aus der Jetztzeit, das beweist, in welche schlimme 
Lage Griechenland durch die Gleichgtiltigkeit gegen Bestechung den 


Barbaren gegenüber gerathen ist. Wie vortrefflich schliesst sieh | 


nun ὃ. 47 an: „es ist thöricht zu sagen, dass Philipp nicht so mäch- 


tig ist, wie einst die Lakedümonier." So erklärt sich auch die Ste} . 
lung von 8. 41: ὅτι δ᾽ οὕτω ταῦτ᾽ ἔχει, τὰ μὲν νῦν ὁρᾶτε δήπου. . 


καὶ οὐδὲν ἐμοῦ προςδεῖςθε μάρτυρος, mit welchen Worten De-... 





J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 149 


mosthenes die Besprechung der Gesinnung der Gegenwart nur zu- 
rückschiebt, und sich dadurch den Uebergang zur Darstellung der 
früheren Gesinnung bahnt. 

Wenn wir demnach allerdings mit Drewes durch die bisherigen 
Ausführungen alle bisher bei S. 46 versuchten Besserungs- und Er- 
klärungsvorschläge (Spengel, Weil, Benseler und Rehdantz) für er- 
ledigt ansehen müssen, so kónnen wir doch darin Drewes nicht bei- 
stimmen, wenn er, die Wichtigkeit des gewonnenen Resultats für die 
Kritik überschützend, behauptet, dass, da S. 46 bei weitem der 
wichtigste 861, mit dieser Stelle alle übrigen stehen und fallen 
müssten, in denen 2 und Laur. Worte ausliessen, die in den 
übrigen Handschriften sich fünden. Das ist allerdings nicht bloss 
Drewes Ansicht von dem Verhdültniss der beiden Recensionen der III. 
Philippica, sondern aller conscreativen Kritiker, wie Funkhänels, der 
editores Turicenses, Westermann's, Schultzs u. À., deren gegen die 
Vulg. erhobene Bedenken wir im Bisherigen besprochen und als 
begründet anerkannt haben. Aber wir sind der Meinung, dass über 
dieselben hinausgegangen werden kann und muss, da von ihnen auch 
Stellen als unecht verworfen werden, die — wie wir, in diesem Punkte 
wiederum mehrfach mit Spengel zusammentreffend, wenn auch aus 
andern Gründen als dieser, zu zeigen hoffen — als echt demosthe- 
nisch angesehen werden müssen. 


Zweiter Abschnitt. 


Weiterführung der kritischen Frage auf Grund des von 
Vömel gegebenen handschriftlichen Apparats. 


Die Nachträge von der Hand des XII. Jahrhunderts in 
Cod. Σ. 


Die Möglichkeit über die von den conservativen Kritikern bis- 
her innegehaltenen Grenzen einen Schritt hinaus thun zu können, 
bietet uns wiederum Vömels grosse kritische Ausgabe. Wir lernen 
- aus derselben, dass Cod. 2, wenn auch im Ganzen frei von grósse- 
ren Interpolationen, dennoch selbst von bedentenderen ScHreibver- 
sehen durchaus nicht freigeblieben ist. Und zwar stammen die 
meisten derselben aus der Neigung seiner Schreiber, oder vielmehr, 
da seit 1860 noch das wesentlich mit X übereinstimmende Zeugniss 
des Cod. Laur. hinzugetreten ist, schon dessen, der das Original ge- 
schrieben hatte, gleichlautende oder gleichsehende Buchstaben, 
Silben und Wörter, ja ganze Sätze zu übersehen. Zwar sind viele 
dieser Versehen sofort durch die Schreiber von X selber wieder gut 
gemacht, viele von alten Revisoren der Handschrift nachgetragen wor- 
den; dennoch aber fehlt es diesem Thatbestande noch sehr an all- 





1. 'ráseke: Die dritte Philippisehe Rede des Demosthenes, 15] 


Εἰ μὲν οὖν EZECTIV εἰρήνην ἄγειν τῇ πόλει xal ἐφ᾽ nuiv écri 
τοῦτο, ἵν᾿ ἐντεῦθεν ἄρξωμαι. φημὶ éfurfe ἄτειν ἡμᾶς δεῖν, καὶ τὸν 
ταῦτα Aéfovra τράφειν καὶ πράττειν καὶ μὴ φενακίζειν ἀξιῶ εἰ 
δὲ ἕτερος τὰ ὅπλα ἐν ταῖς χερεὶν ἔχων καὶ δύναμιν πολλὴν περὶ 
αὑτὸν τοὔνομα μὲν τὸ τῆς εἰρήνης ὑμῖν προβάλλει, τοῖς δ᾽ ἔργοις 
αὐτὸς τοῖς τοῦ πολέμου χρῆται, τί λοιπὸν ἄλλο πλὴν ἀμύνεςεθαι; 

Die eingeklammerten, in Cod. X und Laur. fehlenden, aber in 
jenem von der Hand des 12. Jahrhunderts nachgetragenen Worte 
werden von Funkhünel, den Züricher Herausgebern, Franke, Schultz 
u. A. als unecht verworfen, von Spengel, mit schlecht motivirtem 
Tadel, von Weil unter gewissen Modificationen, unbedingt dagegen 
von Bekker, Dindorf und Vómel, den Kennern des gesammten hand- 
schriftlichen Apparats, sowie von Jtehdantz als echt demosthenisch 
anerkannt. 


Prüfen wir zunüchst die sprachlichen Bedenken jener. 


Franke (zu uns. St.) stösst sich an dem Worte ἔνιοι. Es sei 
doch höchst auffüllig, dass nur von einigen gesagt werde, sie liessen 
gewisse Leute ruhig gewähren, wenn sie in den Volksversamm- 
lungen gewisse Männer mit der Beschuldigung, zum Kriege zu rei- 
zen, behelligten, und nicht vielmehr von den meisten oder vielen, da 
doch Demosthenes nicht vor den wenigen, sondern vor dem grösse- 
ren Theil des Volks sich zu fürchten brauchte. Vömel erwidert 
darauf: Er braucht es doch, denn jene wenigen sind eben die Füh- 
rer der Menge. Doch das sind die ἔνιοι gar nicht, wie Schultz 
richtig sah, das müsste ausdrücklich angedeutet sein, sondern 
die τινὲς ἐν ταῖς ἐκκληςίαις λέγοντες, ὡς ἡμῶν τινές eicıv 
οἱ ποιοῦντες τὸν πόλεμον sind die Leiter des Volks. Es ist 
&ber durchaus nicht nothwendig, mit Schultz aus dem Umstande, 
dass einige als von der Gesinnung bezeichnet werden, ὥςτε 
— ἀνέχεεθαί τινῶν λεγόντων... zu schliessen, dass nun 
alle übrigen das nicht ertragen und dass diese jene am Sprechen 
verhindert haben würden, kurz, dass hier gerade das Gegentheil von 
dem stehe, was wir erwarten. Wozu diese Wortklauberei? Konnte 
Demosthenes nicht ohne jedes Bedenken den Theil des Volkes, den 
er in der von ihm bezeichneten Stimmung sah, mit ἔνιοι aussondern, 
ohne auf die Unart späterer Erklürer, seinen Worten einen ihm 
seibst fremden Massstab, hier den der abstracten Logik, anzulegen, 
Rücksicht zu nehmen? Franke (zu S. 7) findet aber noch weiteren 
Anstoss auch an dc ἀμυνούμεθα. Er verlangt statt dessen ὅπως 
ἀμυνούμεθα, da hier nicht von der Art und Weise, noch auch dem 
Effect, sondern von einem Rath und Antrag die Rede ist. Ganz 
recht; aber Franke hat den schon durch die hervorragende Stellung 
des d)c ἀμυνούμεθα als beabsichtigt bezeichneten Gegensatz zu 
Önwc ἀμυνούμεθα 8. ὁ unbeachtet gelassen. Wenn wir einig 
wären, heisst es, dann brauchte der Redner nur vorzuschlagen, wie 








J. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 153 


τοῦτο καὶ λέγειν δεῖν xal πράττειν ὅπως παύςεται ὕβρεως καὶ 
δίκην διύςει, weil dort alle ohne Ausnahme sagten, man mtisse den 
Philipp dafür, dass er den Frieden gebrochen, bestrafen und sich 
an ihm rächen; hier aber viele, nicht Philipp, sondern die Athener 
irügen die Schuld, was eben ein grosser Theil der Zuhörer glaube, 
80 dass der Redner für nöthig erachte, sich darüber zu erklären und 
zu vertheidigen — einen Widerspruch, den er auch 1860 gegen 
Vómel, welcher ihm eine Vernachlässigung der Partikel ἂν zu An- 
fang vorwerfend, behauptete, es sei zwischen πάντων φηςάντων τ᾽ 
dv, (welches nicht dasselbe sei, wie: „alle haben gesagt", sondern 
bedeute „alle würden gesagt haben“, wenn sie nämlich gefragt wor- 
den wären) und 8. 6 εἰ ὡμολογοῦμεν (wenn wir zugäben — wir 
thun es aber nicht) dennoch ein Widerspruch vorhanden, aufrecht 
erhält durch die Bemerkung: „die Worte xai πάντων old ὅτι φη- 
cavrwv τ᾽ ἄν, εἰ καὶ μὴ ποιοῦςει τοῦτο heissen offenbar πάντες φή- 
catev ἄν, also nicht dixissent; sondern höchstens dicerent, si interro- 
garentur, das heisst aber immer, alle stimmen überein, urtheilen, 
denken so, wenn sie es auch nicht gerade laut aussagen, sie wür- 
den indessen auch dieses, wenn man sie fragen würde, also doch 
allgemeine Uebereinstimmung;" — doch giebt er verständiger Weise 
zu (was wir bei Schultz vergeblich suchen), der Widerspruch könne 
gelöst werden dadurch, dass gesagt — wir fügen hinzu, mit Recht 
gesagt — werde, man dürfe die Worte eines Redners nicht so streng 
abwägen, und zwar um so weniger, weil dann in $. 1 einfach etwas 
Falsches behauptet und auf das Vorhandensein einer makedonisch 
gesinnten Partei durchaus gar keine Rücksicht genommen würde. 
Anderer Art sind die Erwägungen, die sich auf die Stellung der 
88. 6 und 7 in dem vorliegenden Gedankenzusammenhang beziehen. 
Schults frägt, ob denn der Redner wirklich eine auf die am Ende von 
8. 7 aufgestellte propositio sich beziehende Untersuchung anstelle, 
ob es nämlich in der Macht der Athener stehe βουλεύεςθαι περὶ 
τοῦ πότερον εἰρήνην ἄγειν ἢ πολεμεῖν dei? Rehdantz antwortet 
darauf: Ja wohl, denn die mit dem Uebrigen in einem ganz noth- 
wendigen Zusammenhang stehenden Paragraphen enthalten, analog 
dem status causae in der gerichtlichen Rede, die Begründung der 
propositio und die propositio selber eines Haupttheils der Rede: 
διορίζομαι εἰ ἐφ᾽ ἡμῖν écri τὸ βουλεύεςεθαι περὶ τοῦ πότερον εἰρή- 
γὴν ἄγειν ἢ πολεμεῖν dei, und davon will der Redner zuerst die 
Frage behandeln, ob Athen Frieden halten könne? Dass dies jedoch 
nieht des Redners Absicht gewesen, dafür beruft sich Schultz auf 
8. 8 Tí ἱλοιπὸν ἄλλο πλὴν ἀμύνεεθαι, und 8. 9 εἰ bé τις ταύτην 
εἰρήνην ὑπολαμβάνει... μαίνεται, jene propositio aber berühre er 
ΔῸΣ ganz flüchtig und gehe sofort zu Philipp's kriegerischer Haltung 
über: Wenn er wirklich jene hätte vorangestellt sehen wollen, so 
würde er sie niemals so gänzlich ausser Acht gelassen haben. Doch 
abgesehen davon, so fährt Schultz fort, hätte er sich ja nicht so 


15. ., Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 







streng an seine propositio binden brauchen, immer aber frage man 
danach, wo das «πολεμεῖν dei“ behandelt werde. Etwas Derartiges 
im Folgenden zu finden kann Schultz mit Rehdantz, der das moe 
μεῖν δεῖν bis 8. 36 behandelt und so die propositio zu Ende geführt. 
sieht, nicht in Abrede stellen; doch stósst er sich daran, dass eine 
Erörterung. die nach dem Zeugniss des Libanios Thema und Inhalt 
der ganzen Rede sei, nur einem Theile derselben zugewiesen werde, 
Doch Schultz sowohl wie Rehdantz befinden sich bei ihren Ansich- 
ten über den Gedankengang der ganzen Rede im Irrthum.  Schos : 
bei Besprechung von ἃ. 46 sagte ich, dass in den Worten ὃ. 4: καὶ 
γὰρ εἰ πάνυ φαύλως rà πράγματ᾽ ἔχει xai πολλὰ προεῖται, ὅμως 
éctiv, ἐὰν ὑμεῖς τὰ δέοντα ποιεῖν βούληεθε, ἔτι πάντα ταῦτα ἐπαγ- 
op8ucacOat, welche schon im Allgemeinen auf das vom Redner sa 
den Schluss seiner Rede ($. 70 ff) gestellte Ziel, den Gedanken: : 
,Kümpfet für eure Freiheit!“ hinweisen, die aus dem Gegenstande und 
Ziele von selbst sich ergebende Disposition enthalten. Danach zer-- 
füllt die Rede in zwei Haupttheile, gewissermassen einen theoreü- 
schen und einen praktischen. Der erstere (8. 8—46) schildert dis 
Gefahr, zu deren Abwendung Demosthenes die Athener antreiben τὶ 
will, die trostlose Lage Griechenlands, das «πάνυ φαύλως τὰ πράϊ- = 
ματα ἔχει," der zweite ($. 47— 70) enthält die Anwendung der ge- ; 
wonnenen Erkenntniss auf die vorliegende Frage und zeigt, was msa : 
thun müsse, um die Gefahr zu beseitigen (rà δέοντα ποιεῖν). Dass ^ 
diese grosse Zweitheilung mit der von Schultz zum Beweise der _ 
Richtigkeit seines Einwandes citirten Inhaltsangabe des Libanio 
«Φιλίππου... λόγῳ μὲν εἰρήνην ἄγοντος. ἔργῳ δὲ πολλὰ dbe - 
κοῦντος. ευμβουλεύει τοῖς ᾿Αθηναίοις 6 ῥήτωρ ἀναςτῆναι καὶ ἀμύ" - 
ναςθαι τὸν βαςιλέα, ὡς κινδύνου μεγάλου καὶ αὐτοῖς ἐπικρεμαμέ- 

vou καὶ πᾶςι κοινῇ τοῖς "EAAncıv“ sehr wohl in Einklang steht, ist - 
unschwer einzusehen, es war daher Schultz nicht erlaubt, aus det- 
selben einen so partiellen, mit dem Thatbestande nicht stimmenden 

Schluss zu ziehen. Aber auch Rehdantz's Meinung, das πολεμεῖν 

δεῖν werde bis S. 36 behandelt und damit sei die am Ende von 

8. 1 aufgestellte propositio zu Ende geführt, ist durchaus irrthüm- 

lich und unbaltbar. Dass Krieg geführt werden müsse und zwar in 

der richtigen Weise, das ist ein erst 8. 47—52 ausgeführter Ge- 

danke, welcher nach der Darlegung des von Demosthenes im Gros- 

sen und Ganzen innegehaltenen Gedankenganges im ersten Theile 

seiner Rede gar keine Stelle hat. Denn er zeigt — wie ich schon 

bei $. 46 auseinandersetzte -— S. 8 bis S. 19, dass Philipp wirklich 

mit Athen Krieg führe, und bis S. 36, wie grosse Feindseligkeiten 

er überhaupt gegen Griechen begangen habe, wie uuersüttlich seine 

Eroberungslust, wie grenzenlos sein Uebermuth sei, und zwar dieser 
Gedanke mit seiner Kehrseite, der Darstellung der Schlaffheit und 
Gleichgültigkeit aller Hellenen gegen Philipp's Uebergriffe auf das 
engste verknüpft, während $. 36---16 endlich die Darlegung des 


M az 


un 


PET 


156 J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 


sachgemiss anerkannten Worte ei ἐφ᾽ ἣἡμῖν ἐςτι τὸ βουλεύεςθαι 
περὶ τοῦ πότερον εἰρήνην ἄγειν ἢ πολεμεῖν δεῖ aus mehreren 
Gründen Einspruch erheben. Wir sahen bereits, dass das πολεμεῖν 
δεῖν in dem Folgenden bis $. 40 von dem Redner durchaus nicht 
besprochen wird. Die Aufstellung einer solchen blossen propositio 
ohne Ausführung aber, die nach dem ganzen Ausdruck hier erwartet 
wird, würde ganz zwecklos sein. Nur in dem Falle, dass die andere 
Alternative, das εἰρήνην ἄγειν, in dem ersten Theile der Hede, und 
im zweiten Theile von S. 47 an das πολεμεῖν δεῖν behandelt wäre, 
würde die propositio an ihrer Stelle stehen. Aber es findet eben 
nur das Letztere, und zwar dies auch nur mit einer gewissen Be- 
schränkung statt, Ersteres aber, wie wir vorhin zeigten, entschieden 
gar nicht. Erregt nicht die ganze Stelle schon dadurch, dass sie 
mit der Anlage und Ausführung der Rede in Widerspruch tritt, den 
höchsten Verdacht und Anstoss? Was soll ferner das ἐφ᾽ ἡμῖν den 
τὸ βουλεύεςθαι περὶ τοῦ πότερον εἰρήνην ἄγειν ἢ πολεμεῖν bei 
bedeuten? War denn Athen, so lange es eben noch eine freie Re- 
publik war und nicht unter makedonischer Oberhoheit stand, über- 
haupt jemals der Möglichkeit und der Macht beraubt, über Krieg 
oder Frieden zu berathen? Ich denke niemals. Aus allen diesen 
(Gründen, glaube ich, müssen die Worte €i ἐφ᾽ ἡμῖν éct1 τὸ Bov- 
λεύεεθαι περὶ τοῦ πότερον εἰρήνην ἄγειν ἢ πολεμεῖν 
δεῖ als ein (rlossem, das, wie auch Schultz p. 22 für wahrscheinlich 
hält, aus 8. 8 entstand und vielleicht dessen Inhalt recapituliren 
sollte, gestrichen werden. Es kommt jetzt nur darauf an, die Ange- 
messenheit des nunmehrigen Zusammenhanges aufzuzeigen. ‚Trotz . 
unserer, durch eigene Schuld herbeigeführten überaus misslichen 
Lage, sagt Demosthenes $. 4, lässt sich Alles noch wiederherstellen, 
wenn ihr eure Schuldigkeit thun wollt. Bis jetzt hat Philipp nur . 
euren Leichtsinn und eure Sorglosigkeit, aber nicht euer Land und 
euch selbst besiegt, ihr habt euch vielmehr ja noch gar nicht ge- 
rührt, lebt noch im tiefsten Frieden (οὐδὲ xexivncde, worin, wie : 
Franke richtig erkannte, ein unverkennbarer, in der Paraphrase aueh 
ausgedrückter Hinweis auf den Frieden liegt). Wären nun alle‘. 
darüber einig, dass Philipp mit Athen Krieg führt und den Frieden 
bricht, dann käme es für die Redner nur auf die Angabe der gegen , 
ihn zu ergreifenden Vertheidigungsmittel an. So steht aber die Sache : 
nicht. Es giebt höchst wundersame und thörichte Leute, die es - 
sich angesichts des feindseligsten Vorgehens Philipps gegen Athen 
und seine Interessen von gewisser Seite her (Demosthenes meint : 
entschieden die makedonisch gesinnten Parteiführer) immer wieder . 
einreden lassen, die Kriegsanstifter seien in Athen selbst (ἡμῶν τινες - 
sagt Demosthenes, d. h. er selbst etwa und seine patriotischen Ge- . 
‚sinnungsgenossen). Diesen Punkt also will ich vor allen Dingen 
erörtern und feststellen.“ Das heisst mit andern Worten, der Hed- . 
ner will darlegen, dass gerade Philipp es ist, der thatsächlich sohon 





J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 157 


gegen Athen Krieg führt (8—19 und — 36), und dass jene τινές, 
welche gegen ihn und seine Gesinnungsgenossen den Vorwurf, 
Kriegsurheber zu sein, erheben, nicht bloss Unrecht mit ihren Be- 
hauptungen haben, sondern dass sie auch gerade mit ihrer nieder- 
trächtigen, der Bestechung zugänglichen Gesinnung der eigentliche 
Grund der traurigen Lage ihres Vaterlandes dem rünkereichen Make- 
donierkönig gegenüber sind. So geht denn nun $. 8 der Redner 
auf das angemessenste mit der Wendung iv’ ἐντεῦθεν ἄρξωμαι, 
welche Worte bei Beibehaltung der propositio am Ende von ὃ. 7 
ganz unerträglich sind, zur Sache selbst über: „Steht es, um hiermit 
anzufangen, Athen frei und liegt es in unserer Macht, Frieden zu 
halten, so behaupte ich muss er gehalten werden und verlange von 
dem, der dafür spricht, dass er ernstliche darauf bezügliche Vor- 
schläge mache und die Leute nicht mit leerem Gerede hinhalte. 
Wenn aber ein Anderer stets das Wort Frieden im Munde, in der 
Faust aber immerfort thätig das Schwert führt, nun, dann bleibt 
nichts andres tibrig, als ihn sich vom Leibe zu halten.“ 

Mit der klaren Erkenntniss dieses Sachverhältnisses, dass näm- 
lich die von der Hand des 12. Jahrhunderts in X. nachgetragenen $$. 
6 und 7 in der von uns genauer bestimmten Ausdehnung echt sind, 
und dass ihr Ausfall in der den Codd. Σ und Laur. zu Grunde liegen- 
den Handschrift auf Schreibversehen zurückgeführt werden muss, ist, 
wie ich zuvor schon andeutete, auch für die übrigen Verbesserungen 
von derselben Hand, sofern ein gleicher Grund für ihre Auslassung 
sieh nachweisen lässt, die Annahme ihrer Echtheit eine im höchsten 
Grade wahrscheinliche. 

Dahin gehört zunächst $. 58: καὶ μετὰ ταῦτ᾽ ἐξελήλακεν ἐκ 
τῆς χώρας dic ἤδη βουλομένους εώζεςθαι [τότε μὲν πέμψας τοὺς 
μετ᾽ Εὐρυλόχου ξένους, πάλιν δὲ τοὺς μετὰ Παρμενίωνος]. Kai 
τί δεῖ τὰ πολλὰ λέγειν; wo die eingeklammerten Worte in pr. 
Laur. und Σ fehlen, hier aber von der Hand des 12. Jahrhun- 
deris an den Band geschrieben sind. Wenn Rehdantz nun meint, 
dass sich für Interpolationen geschichtlichen Inhalts, als welche 
such die vorliegende Stelle von streng conservativen Kritikern wie 
Westermann und Schultz aus dem Text entfernt ist, sich wenigstens 
in den Handschriften aller übrigen demosthenischen Reden über- 
haupt keine Analogie findet, so müssen wir dem in Hinblick auf 
die unter B. II, 10 behandelte Stelle $. 72 (und ebendaselbst auch 
8. 82 und 71) widersprechen. Hier aber liegt doch die Sache 
amders, und eben die Annahme eines Schreibversehens sehr nahe. 
Vümel erklärt deshalb den Ausfall der Worte in pr. X dadurch, 
dass er des Schreibers Auge von €COAI zu dem Schluss der 
ausgefallenen Zeilen OCKAI abirren lüsst, Rehdantz dagegen mit 
moch grösserer Wahrscheinlichkeit dadurch, dass er, um eine noch 
@ssere Achnlichkeit herzustellen, für xoi die in Σ (s. Vömel's 
Proleg. crit. ὃ. 86 und Tab. litter. Nr. A (3)) nicht seltene, 





158 J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes, 


dem Buchstaben Z ühnliche Abkürzung einsetzt, wo sich dann ent- 
sprechen würden gouÀo | MENOYCCCOZECOAI und Παρ | MENIW- 
NOCZTIACI. Unter diesen Umständen will Funkhänels Auskunft, 
die geschichtliche Nachricht wieder auf eine, wie $. 72 so auch hier 
durchaus nicht beweisbare, Uebertragung aus den libris ὑπομνημα- 
TICTUV zurückzuführen, nicht viel besagen, und man könnte eher 
Spengel beistimmen, der, in seinen beiden Schriften die Stelle für 
echt erklürend, meint, die Geschichte habe schwerlich die Namen der 
Feldherrn in solchen Streifzügen aufbewahrt. Die Wahrheit des in 
pr. 2 und pr. Laur. wie wir gesehen durch Zufall Ausgefallenen 
wird auch durch andre Momente bestütigt. Von einem in Gemein- 
schaft mit Antipater und Parmenion als Gesandten an die Athener 
geschickten Eurylochos berichtet der Verfasser des zweiten Argu- 
ments zur Rede περὶ παραπρεςβ. (p. 336, 10. Dind. p. 287). Wenn- 
gleich nun dieses auch wenig verlässlich ist (Schäfer, Demosthenes 
u. s. Zeit Π, 198. Anmkg. 2), so kann der Verfasser desselben hier 
doch wohl berichtet sein, da auch Aeschines 3, 76 S. 64 (Any) 
ἐμιεθώςεατο αὐτοῖς τρία ζεύγη ὀρικά, wie Böhneke (Forschgen IL 
389, 5) bemerkt hat, auf drei Gesandte zu führen scheint, und es 
erscheint somit nicht unwahrscheinlich, dass dieser Eurylochos der- 
selbe ist, welcher nach Justin. XII, 6 nach Philipp's Tode hinge- 
richtet wurde. Für die Anwesenheit des Parmenion aber in dieser 
Zeit zu Eubóa spricht die von Athenaeos XI, p. 506 und 508 aus 
einem Fragment des Karystios aufbehaltene Nachricht, Parmenion 
habe zu Oreos den Euphraeos getódtet. Die auf innere Gründe de- 
gegen gestützten Beweise Vömels — für die Echtheit —, der Rednar. . 
habe, nachdem er zuvor jene drei Tyrannen genannt, zur Erläute- 
rung des im zweiten Gliede enthaltenen dic auch die Namen der 
Söldnerführer, die Schultz merkwürdigerweise ohne jeden Grund für : 
unwichtiger als die jener erklärt, nennen müssen, und Schuliz's — - 
gegen die Echtheit —, Demosthenes habe aller Wahrscheinlichkeit 
nach bei ςώὠώζεςθαι, weil er fortfahre καὶ τί dei τὰ πολλὰ λέγειν; 
die Rede abgebrochen, um zur Darstellung der Lage der Oreitea 
überzugehen — müssen als unzureichend zurückgewiesen werdem; ‘ 

Zwar können wir, wie schon vorher erwähnt, den von Vömel 
überaus künstlich und sehr unwahrscheinlich durch Schreibversehen ? 
erklärten Ausfall der Worte πανταχοῖ... .. καταςτρέψαεθαι 8. 71 : 
(s. B. 1I, 9), sowie auch die von Rehdantz für die Echtheit von 8. 46 
vorgebrachten Gründe nicht billigen und anerkennen, zumal die voa: 
letzterem der Hand des 12. Jahrhunderts zuerkannten Vorzüge τὰν 
begründeter Weise auch auf eine Hand des 14. Jahrhunderts tiber. 
tragen würden: doch denke ich lassen sich ausser 88. 6. 7 und 58 
noch einige Stellen, die jene Hand nachtrug, auf Schreibversehen 
zurückführen. _ 

So $. 2: τινὲς μέν, ὦ ἄνδρες ᾿Αθηναῖοι, ἐν οἷς eudorıuoden 
αὐτοὶ καὶ bóvavrat, ταῦτα φυλάττοντες οὐδεμίαν περὶ τῶν μελλόγ' 








J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 159 


τῶν πρόνοιαν Exoucıv, [οὐκοῦν οὐδ᾽ ὑμᾶς οἴονται δεῖν ἔχειν,] ére- 
ροι δὲ κτλ. Der Schreiber konnte die eingeklammerte Zeile sehr 
leicht überspringen und bei ἕτεροι fortfahrend meinen, sie dennoch 
geschrieben zu haben, da der Schluss des wirklieh von ihm Ge- 
schriebenen, zumal mit der in Cod. X für ou vorkommenden Ab- 
kürzung & (Vömel Tab. litter. No. A (3)): προν | OIANGKGCIN dem 
des Ausgelassenen οἴονται | AEINEXEIN sehr ühnlich sieht. Der 
Gedanke ist für Vómel eine sententia frigida, doch sagt er nicht 
warum, für Schultz eine sententia futilis. Der Satz würde, meint 
dieser, den Betreffenden zu viel zuschreiben, wenn sie zugleich der 
Ansicht wären, die Athener dürften sich um die Zukunft deshalb 
nicht kümmern, weil sie selbst es nicht thun, sondern nur egoisti- 
sche Zwecke verfolgen, was eben der Redner zur Charakterisirung 
der χαρίζεςθαι προαιρούμενοι und der τινές allein konnte sagen 
wollen. Aber woher weiss denn Schultz das wieder? Wer in aller 
Welt nóthigt uns denn, die Worte so zu pressen, und wer zwingt 
uns, den Satz nicht mit Spengel, dem er natürlich zwar nicht noth- 
wendig, aber gleichwohl von dem Redner später hinzugefügt zu sein 
scheint, dennoch für einen nicht unpassenden zu halten? Rehdantz's 
Auskunft schliesslich, Οὔκουν zu schreiben und analog der Stelle 
IV. PhiL 8. 43: ἐμοὶ γὰρ οὐδεὶς οὕτως ἄθλιος οὐδ᾽ ὠμὸς eivai 
δοκεῖ τὴν γνώμην, οὔκουν ᾿Αθηναίων γε, ὥςτε λυπεῖεθαι — mit 
nedum „geschweige denn" zu übersetzen, hat Schultz mit Recht ab- 
gewiesen durch die Bemerkung, dass hier das οὐδέ nicht dem vor- 
aufgehenden Gliede, dem es allein zukommen würde, beigefügt ist. 

Aehnlich wie S. 2 steht es auch $. “2: τοῦτο δ᾽ ἐςτὶν οὐχ ἣν 
οὑτωςί τις ἂν φήςειεν dripíav: τί γὰρ τῷ Zekeitn, τῶν ᾿Αθηναίων 
κοινῶν εἰ μὴ μεθέξειν ἔμελλεν; [ἀλλ᾽ οὐ τοῦτο λέγει,] ἀλλ᾽ ἐν τοῖς 
φονικοῖς γέγρᾳπται νόμοις, ὑπὲρ ὧν ἂν μὴ διδῷ δίκας φόνου δι- 
xacacdan, [ἀλλ᾽ εὐαγὲς ἡ τὸ ἀποκτεῖναι.) καὶ ἄτιμος" φηςὶ ,re- 
θνάτω“. Bei beiden Stellen lassen wir vorläufig das Zeugniss 
Harpokrations ganz bei Seite und sagen: ἀλλ᾽ ou τοῦτο λέγει 
konnte sehr leicht ausfallen, indem dus Auge gleich zu dem nüchsten 
ἀλλ᾽ ἐν τοῖς abirrte, desgleichen ἀλλ᾽ εὐαγὲς ἢ τὸ ἀποκτεῖναι wegen 
Buchstabenähnlichkeit von δικα | CACOAI mit dem ἀπο [ΚΤΕΙ͂ΝΑΙ 
am Schluss einer Zeile. Was die Verehrer von pr. X gegen ἀλλ᾽ 
οὐ τοῦτο λέγει eingewendet haben, dass die Worte schon wegen 
des folgenden τοῦτο δὴ λέγει zu verwerfen seien (Schultz), oder dass 
sie zum Behuf einer beaseren Verbindung des Vorhergehenden mit 
dem folgenden ἀλλ᾽ ἐν τοῖς φονικοῖς κτλ. von spüterer Hand hinzu- 
gefügi zu sein scheinen, ist ganz hinfällig, und dass die Worte, die 
durch Abirren des Auges so leicht ausfallen konnten, molestissima 
seien, ist, wie Spengel sehr richtig gegen Vümel bemerkt, entschie- 
den nicht wahr. Dass ferner, wie Schultz meint, die Entlehnung 
der Worte ἀλλ᾽ εὐαγὲς ἧ τὸ ἀποκτεῖναι aus den solonischen Ge- 
WÁzen deswegen unwahrscheinlich sei, weil das folgende τοῦτο δὴ 














118 J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 


0, Ueber das Vorhandensein einer doppelten Ausgabe der Reden 
des Demosthenes im Alterthum. 


Wenn nun auch die Citate des Hermogenes selbst noch nicht zur 
Annahme einer doppelten Ausgabe des Demosthenes führen, so nöthigt 
doch vielleicht dazu eine andere Nachricht in seiner Schrift περὶ 
ἰδεῶν (III, p. 308). Dort herichtet Hermogenes, dass in der 
Kranzrede p. 313, da, wo Demosthenes über Aeschines’ Jugend. 
spricht, von gewissen Kritikern die Worte «κυάμους ἐἑφθοὺς fouxt ; 
κατὰ πᾶν TO θέρος ἐπλανᾶτο", weil sie ihnen für eine so würde 
volle Rede nicht angemessen erschienen, getilgt seien. Diese Worte 
finden sich in keiner der uns erhaltenen Handschriften, und wi 
müssen es darum auf das Lehafteste bedauern, dass der Text de 
Redners schon von alten Kritikern eine solche willkürliche, rein as 
subjeetivem Geschmacksurtheil entspringende Behandlung erfahre 
hat, die uns möglicherweise an noch mehreren Stellen — Herme 
genes weist selbst auf eine Stelle in der Rede gegen Neära hin — 
ganzer Satzglieder beraubt hat, von denen wir jetzt keine Spur mel 
haben, vielleicht auch Zusätze und Ümbildungen sich erlaubt hs 
die wir jetzt für echt demosthenisch zu halten kein Bedenken trages 
Schon Hermogenes selbst klagt III, p. 348, 6 (vgl. p. 325, 20) übe 
die geschmacklosen und willkürlichen Erklärer des Demosthenes re 
und zu seiner Zeit, und sein Scholiast Johannes von Sicilien berichte 
uns (VI, p. 435, 18), dass die Klagen auf Dinnysios, Basilios 
AMinuciunus, besonders aber auf Basilios zielten. Ist es nun na 
allen diesen Nachrichten schon mehr als wahrscheinlich, dass mj 
Laufe so vieler Jahrhunderte bis auf Hermogenes der Text des! 
mosthenes unter den Händen der Rhetoren gewisse Veränderung 
erlitt, dass er mit Varianten und Zusätzen hier und dort bereicht 
wurde, so muss eine weitergehende Interpolationsthätigkeit noch 
mehr in den Zeiten nach Hermogenes statuirt werden. Das vier 
fünfte und sechste Jahrhundert waren reich an Rhetoren und 
matikern, von denen selır viele, wie wir wissen, den Demosthes 
erklärt und ὑποιινήματα εἰς Anuocdevnv geschrieben haben (i 
Meier praef. ad Mid. p. XV sy. und A. Westermann, Gesch. d 
Griech. Beredtskt. $. 57. 4. 104, 12. Speciell über die Thatigkei 
des Rhetors Sopater unter Justinia;us haben wir Nachrichten, & 
vns in den Stand setzen, uns ven der Bebandlung, welche er dt 
Texte des Rediers anzedelken Ness, eine Vorstellung zu mad 
Gregeries ven Korinth baut VIL. p. 1293 ἢ vom Paraphrasird 
setzt das Verfahren auseinsnder zrd bringt Cars nach den Worten 
ἀὐζπερ ὃ Θειίζτιος πολλὰ τῶν τοῦ Αριςτοτέλους, ἔνθα καὶ πη BEN 
τὰν ταξιν ὑπαλλάςζζει, ἢ τὰ ζιυνεζταλμενα ἀγαπτύςςει. τοῦτο T 
wo Σωπατρὸς ἐν τοῖς ὠεταδολοῖὶς αὐτοῦ καὶ μεταποιήςεει 1 
«Δυμοςβενικιὸν Yuyneey, ein Beispiel das da sehrt, wie letzterer. 
iem Terz des Reiner vyesttüigen wie crgebeure Erweiterung 











i 


J. Dräseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 179 


und Umbildungen er sich erlaubt hat. Dass ein solches Verfahren 
für die Textüberlieferung nur von verderblichen Folgen sein konnte, 
da gewiss manche Synonyma, manche Erläuterungen und Umschrei- 
bungen in den Text hineingeriethen, ist wohl ziemlich klar. Was 
schliesslich noch in dieser Beziehung die Byzantiner und die grie- 
chischen Correctoren unserer ersten Druckausgaben gesündigt haben, 
lassen wir, weil es auch von anderen Schriftstellern bekannt ist, auf 
sich beruhen. 

Schon die Citate bei Harpokration und Aristides und die Nach- 
richten bei Hermogenes führten uns zu der Annahme, die bei einem 


fast dem gesammten rhetorischen Schulunterricht zu Grunde liegen- 


den Schriftsteller wie Demosthenes von vornherein höchst wahr- 
scheinlich ist, dass im Alterthum verschiedene Ausgaben der Reden 
desselben vorhanden waren. Ausdrücklich bestätigt aber wird diese 
Annahme durch die in dem dürftigen, unter dem Namen des Ulpia- 
nus erhaltenen Commentar zu den Reden des Demosthenes zweimal 
sich findende Nachricht über eine alte von den gewóhnlichen Exem- 
plaren abweichende Ausgabe des Redners. Die erste derartige Be- 
merkung steht in seinen Scholien zur Midiana p. 558, 17, wo der 
Commentator, der von den beiden in unseren Handschriften erhal- 
tenen Lesarten in seinem Exemplar die von Helladios (bei Photios, 
Biblioth. p. 533, 34) getheilte Lesart ἐπ᾿ ἀςτράβης δὲ ὀχούμενος 
ἀργυρᾶς τῆς ἐξ Εὐβοίας“ vor sich hatte; während die andre von 
Herodianos περὶ μονήρους λέξεως p. 13, 20 citirte „Eert’ ἀςτράβης 
δὲ ὀχούμενος ἐξ ᾿Αρτούρας τῆς Εὐβοίας" lautete, --- die Bemerkung 
macht: προςέθηκεν ἀργυρᾶς" — fj δὲ δημώδης „eE ᾿Αργούρας" 
ἔχει, ἀπὸ τόπου τῆς Εὐβοίας. Leiztere las & nicht, wohl aber las 
dieselbe in seinem Exemplare der Scholiast des Cod. Bav.; doch 
scheint auch in der Familie Y die Stellung von ἐξ auf eine von der 
δημώδης (sc. ἔκδοςις) verschiedene, wahrscheinlich darum wohl in 
der ἀρχαία enthaltene Lesart hinzuweisen. Das andre und zwar 
ausdrückliche Zeugniss von einer alten Ausgabe liest man in den 
Anmerkungen zu p. 562, 7, wo Pseudo-Ulpianus zu der vulgaten 
Lesart ἱερὰν ἐςθῆτα die Bemerkung macht: ἁερά“ μόνον fj ἀρχαία 
ἔχει, was sich in der That unter den bisher verglichenen Haud- 
schriften nur in pr. X findet. Hatten wir nun schon zu Anfang 
darzuthun gesucht, dass durch die vorliegenden Zeugnisse des Alter- 
thums der alleinige attikianische Ursprung von & nicht nachweisbar 
ist, so dürfte es auch hier an dieser Stelle ziemlich misslich sein, 
einzig auf Grund jener Nachricht des Pseudo-Ulpianus mit Vömel 
Cod. X. für den Repräsentanten einer ἀρχαία Exdocıc zu halten*). Nur 


In Uebereinstimmung mit der an dieser Stelle und im Vorher- 
enden entwickelten Ansicht sagt H. Weil, a. a. O. pag. XLV: Comme 
existait de nombreuses variantes des l'antiquité, rien ne prouve que 

la bonne tradition antique, si elle nous était connue, ne s’accordät pas. 
srec celle de £. C'est là tout ce qu' on peut dire. Plusieurs critiques 
12* 


4 


180 2. Drüseke: Die dritte Philippische Rede dee Demosthenes. 


die Vermuthung darf ausgesprochen werden, „dass in ziemlich später 
Zeit eine auf Grund attikianischer Handschriften veranstaltete Recen- : 
sion den Namen einer ἀρχαία &xbocic. erhalten. habe.“ (Rehdants, 
Jahrb. für Phil. 1858. S. 461.) Die Zeit der von uns besprochenen 
Rhetoren und Grammatiker, deren Citate wir hauptsächlich mit 
Aug. 1 übereinstimmend gefunden haben, muss jedenfalls davon aur . 
geschlossen bleiben, und dann dürfte es ferner überhaupt sehr 
schwierig sein, nicht bloss den Nachweis zu führen, dass eine 80 
selbständige Recension frühen Ursprungs, wie sie von Vömel, Wester- 
mann u. A. in X gefunden und der Menge der siümmtlichen anderen 
Handschriften gegenübergestellt wird, vor Pseudo-Ulpianus existirt 
und in Geltung gestanden habe, sondern auch die eigenthümliche 
Erscheinung zu erklären, dass, bei etwaiger Anuahme einer erst atu. 
der Zeit jenes Commentators herrührenden durch 2 repräsentirtes 
ἀρχαία ἔκδοεις, diese ἀρχαία uns nur in einem, resp. zwei Exemple 
ren, die δημώδης dagegen in circa achtzig Handschriften sollte über 
liefert worden sein. Diese Frage wird immer eine offene und de 
Kritik kaum etwas Andres übrig bleiben, als mit Rehdantz zu ge: 
stehen, dass (was auch Dindorfs Meinung zu sein scheint) mit dm 
wenigen und leeren Erwähnungen einer ἀρχαία ἔκδοςις und atlilie 
nischer Handschriften eben noch nichts anzufangen ist, schon dare 
nicht, weil wir uns über das Wesen beider durchaus keine klare ud 
sichere Vorstellung machen können. 




























ont voulu préciser davantage: ils ont cherché à démontrer que X rep 
duisait la recension d'un certain Atticus, lequel avait, au dire de Luc 
fait de belles et correctes copies de Démosthéne. Mais les trois lego) 
atticiennes citées par Harpocration ne suffisent pas pour rien etablır k 
ce sujet. Il est plus sür que tous nos manuscrits ont subi, jusqu' à Wi 
certain point, l'influence des grammairiens grecs. Hermogéne fait al 
sion à deux passages condamnés par les critiques anciens comme bas & 
triviaux. Ces passages, dont l'un se trouvait dans le discours M 
Couronne, l'autre dans le plaidoyer contre Néére, n'ont laissé de (πὸ 
dans aucun manuscrit de Démosthéne. Bemerkenswerth ist vielleeiß 
die zu der von mir auf Seite 106 besprochenen, von Cobet emendis 
Unterschrift διορθώθη πρὸς δύο ᾿Αττικιανά (Weil liest Διόρθωται ἀνὲ Wf3 
᾿Αττικιανά) hinzugefügte Vermuthung Weils: Si cette souscription δ 
rapporte aux onze Philippiques, on pourrait en conclure que les sea 
scrits d'Atticus ne contenaient pas la lettre de Philippe, laquelle m 

que en effet dans X et dans A. 





189 1. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 


schriften, nach denen die Alexandriner den Umfang klassischer 
Schriftsteller in Zeilen berechneten, so geschrieben, dass jeder Satz 
abschnitt, gleichviel ob kurz oder lang, eine Zeile für sich ausmachte, 
oder so, dass ohne Rücksicht hierauf alle Zeilen ungeführ gleiche Lünge 
hatten? 7 561 beantwortete, verleitet durch die nicht auf die alexan- 
drinische Zählung der πίνακες des Kallimachos Bezug nehmenden 
Zahlangaben des Josephos und Theopompos über den Umfang ihrer 
Schriften, in jener ersten Weise. In demselben Sinne nahm ausser 
Dindorf auch Sanppe die Angaben der críyoi, indem er aus ihnen 
nachzuweisen sich bemühte, dass sowohl die in der Kranzrede ein- 
gelegten Dokumente als auch die Erweiterungen der dritten philip- 
pischen Rede, die sieh in C'od. & nicht finden, in der alexandrinisches 
Urhandschrift gleichfalls gefehlt haben müssten: Beides übereilt und 
in Bezug auf die Kranzrede irrig, da durch einfache Rechnung sic 
nichts weiter ergiebt, als dass jene Dokumente mindestens nicht 
mitgezühlt wurden. Ja Spengel war in dieser so schwierigen 
Frage so unbesonnen, gegen Vümel zu bemerken (Die Anu. des Den. 
1860. S. 4): „Es ist nicht zu begreifen, dass Vömel wie früher, » 
auch jetzt noch gegen alle Silie und Herkommen unter den (Τίχοι 
nicht Zeilen einer ursprünglichen Originalhandschrift, sondern rhe 
torische Satzglieder, κῶλα, die man nie am Ende zusammengezählt 
hat, und welche zusammenzurechnen auch keinen Zweck hatte, ver- 
stehen will. Er meint, die Seitenzahl stimme mit der Wirklichkeit 
nirgends tiberein: er musste hinzusetzen, mit der Satzgliederung md 


weniger, oder vielmehr ganz und gar nicht.“ Die Kühnheit solcher ; 


Behauptungen ist jedenfalls bei einem Gelehrten wie Spengel aed 
nicht zu begreifen und bildet einen merkwürdigen Gegensatz zu det 
echt akademischen Bescheidenheit ehdantz's, der (Jahrb. für Phil 


1858, 8. 1459) die Frage noch nicht für spruchreif erklärt. De. 


Wissenschaft ist eben auch in diesem Punkte fortgeschritten um 
über Spengel hinweg zur Tagesordnung übergegangen. Blass Μὲ 
nämlich (Rhein. Mus. N. F. XXIV. 8. 525 —21) mit Hülfe des τὰ 
Ritschl sorgfältig zusammengestellten stichometrischen Materials und 


der in den Codd. des Herodotos, Isokrates und Demosthenes sich finder : 


den Zahlangaben den Nachweis geführt: 1. dass die Zeilenzahl der 


πίνακες nicht elwa die zufällige einer beliebigen Handschrift war, . 


sondern duss die tollen des Herodotos, Isokrates, Demosthenes und 80 


auch der übrigen Prosaiker, nach welchen die Zählung angestellt wurde, . 


alle in möglichst gleichmässiger Weise geschrieben ıcaren, so dass 10 
criyor ebensoviel wie 949-9. Teubner'sche Zeilen enthielten, — wl 
2. dass die Handschriften, auf welche jene Zuhlangaben zurückgehen, 
in Sinnzeilen ubgefasst waren, so zwar, dass — worauf des Hieron- 





| 


mus Angabe führt, der sein Verfahren, seine lateinische UeberselzuM — 
des. alten Testaments in cTixXot, versus zu theilen, durch Berufung 
anf Cicero und Demosthenes rechtfertigt: quod. in Demosthene εἰ Tullo 
solet. ficri, ut per cola. scribantur οἱ commata — dieselben weder voll 


“Ὁ 


1 





J. Drüseke: Die dritte Philippieche Rede des Demosthenes. 183 


ständige Sätze, noch ganz kleine Kommata, ebenso viele Zeilen aus- 
machten. Dass bei den Alexandrinern diese zwar nicht überall mit 
gleicher Klarheit gegebene, aber durchaus nicht willkürliche Ein- 
theilung der Periode eine tibliche und ganz gelüufige war, beweisen 
unwidersprechlich die ältesten der uns erhaltenen Handschriften, die 
des Hypecreides, in denen das Ende eines Kolons sowohl als das der 
Periode durch einen kleinen Raum innerhalb und hüufig auch durch 
einen Strich unterhalb der Zeile bezeichnet ist; beweisen ferner die 
noch in dem Text des Cod. & hier und dort sich findenden Punkte, 
die, als man später der Raumersparniss wegen in derselben Zeile zu 
schreiben fortfuhr, zur Bezeichnung der alten críxXot oder rhetorischen 
κιῦλα gesetzt, bald aber, weil man ihren Sinn nicht verstand, nicht 
mehr regelmässig abgeschrieben wurden; beweist schliesslich auch 
der in den ersten christlichen Jahrhunderten, wie es scheint, ganz gc- 
wöhnliche Gebrauch. der alerandrinischen Schreibart in den Büchern 
des neuen Testuments, eine Weise, welche später von Pumphilos (Ende 
des dritten Jahrhunderts) und Euthalios (458) ausgebildet wurde 
(Tischendorf, Nov. Test. Sinait. praef. XXXI. LXXXIII). Directe 
Zeugen hierfür haben wir an Origenes (185 — 254) und Eusthatios 
von Antiochia (gest. 360), von denen ersterer berichtet, dass der 
zweite und dritte Brief des Apostels Johannes nicht ganz 100 críyoi 
umfassten (cfr. Euseb. Hist. eccl. VI, 25. πλὴν οὐκ eici cTixwv 
ἀμφότεραι ἑκατόν), Eusthatios hingegen in seinem Commentar zum 
Hexaemeron Lugd. 1629. p. 392 für das Stück Evang. Joh. 8, 59 
bis 10, 31 eine Anzahl von 135 crixor angiebt. Auch im Codex 
Sinailicus, der von Tischendorf in's vierte Jahrhundert gesetzt wird, 
ist ausser dem Briefe an die Hebr&er (wv’ ςτίχοι — 750), folgen- 
den 9 paulinischen Briefen die Zahl der crixor untergeschrieben: II Cor. 
xıß — 612 críyot, Gal. τιβ΄ = 312 críyoi, Eph. τιβ΄ — 312 criyoı, 
Philipp. w', Col. τ΄ = 300 ετίχοι. II Thess. pr = 180 ετίχοι, 
I Tim. uv', II Tim. pr’ = 180 criyoı, Tit. 45° = 96 ετίχοι. Letz- 
tere Zahl der criyoi im Brief an Titus hat sich mir, indem ich mit 
Hülfe der von Blass (a. a. O. S. 528) aufgestellten Eintheilungs- 
principien nachzühlte, ebenfulls ergeben, sowie auch die Zahl von 
135 ςτίχοι von Joh. 8, 59 bis 10, 31, und für den zweiten und 
dritten Brief des Apostels Johannes zusammen 75 críyot, Freilich 
ist wohl leichter und einfacher, die schlichten und kunstlosen Sütze 
eines Paulus und Johannes in Kola und Kommata zu zerlegen, als 
eine mannigfach gegliederte und kunstvoll angelegte Periode des 
Demosthenes: so lange jedoch unsre Kenntniss der üsthetisch-rheto- 
rischen Seite der antiken Kunsttechnik überhaupt eine so ungemein 
dürftige ist, und speciell über die rhetorischen Gesichtspunkte, welche 
die Alten bei ihren stichometrischen Eintheilungen befolgten, nichts 
Genaueres, auf unbedingte Allgemeingültigkeit Anspruch Machendes 
ermittelt ist, als die allgemeinen Principien sind, welche Blass auf- 
stellte, dass nämlich ein Kolon 1. einen selbständigen und einheit- 


184 J. Drüseke: Die dritte Philippische Rede des Demosthenes. 


lichen Sinn umfassen müsse, 2. wo dies nicht unbedingt gegeben 
sei, nicht allzu kurz und, wo sich der Satz nur einigerinaxsen in dem 
Sinne nach selbständige Theile zerlegen lasse, auch nicht allzu lang 
genommen werden dürfe, und dass 3. bei einem Gegensatz im Ge 
danken unbedingt die Trennung zu vollziehen sei — Regeln, bei 
deren Befolgung die Rechnung, wie ich das bei Demosthenes selbst 
erfahren, noch den mannigfachsten Unsicherheiten und Schwankungen 
unterworfen ist —: so lange wird es erlaubt sein, an der unbeding- 
ien Zuverlässigkeit der von Blass a. a. O. veröffentlichten sticho- 
metrischen Ergebnisse überhaupt und besonders jenes bei der dritten 
philippischen Rede ermittelten Resultates, wonach, da die Kola ohne 
die Zusütze schon 627, bei Mitzühlung derselben noch wenigstens 
50 mehr betrugen, sich ihm die Ansicht Sauppe's bestätigte, dam 
die Zusätze dem alten Berechner der Stichenzahl nicht mit vorlagen, 
zu zweifeln*). Dann aber, wenn die Wissenschaft jene von mir se 
eben bezeichnete, auf dem Gebiete der ästhetisch-rhetorischen Text 
behandlung antiker Redner liegende Aufgabe allgemein befriedigend 
gelöst haben wird, dann hoffe ich im Stande zu sein den Nachweis 
führen zu können, dass, was sich mir ja schon vorher als Endresulisi : 
meiner Untersuchungen über das Verhältniss der doppelten Recenzo 
der dritten philippischen Rede des Demosthenes ergeben hat, und 
was ich durch die Heranziehung dieses letzten, unmittelbar auf 
alexandrinischer Ueberlieferung stammenden Momentes gern jet 
schon bestätigt gesehen hätte, dass die von der Hand des swölflen: 
Jahrhunderts in Cod. X gemachten Nuchträge wirklich von der Hand 
des Demosthenes herrühren und demjenigen alexandrinischen Gelehrten, 
welcher die Zahl der criyov der III. Philippica berechnete, bereits 
bekannt waren. 


* Weil recapitulirt a. a. €. pap. XLI— XLIII einfach die Unter 
suchungen Blass's, ohne der Sache genauer auf den Grund zu gehen; € 
findet sich. mit der ganzen Frage durch die Bemerkung ab: On pw 
admettre, avec M. Blass, que les ctiyot n'étaient pas de lo eur gab. 
Qoi quil en soit, puisque ces inégalités se compensaient, il est pen. 
de ne pas en tenir compte dans les questions critiques que nous avons 
signalées. 





Register. 


j 
35. 139. 
) 


26: 136. 139. 166. 168. 169. 172. 
37: 166. 172. 176. 


29: 114. 168. 172. 


31: 117. 140. 160. 176. 


35: 135. 138. 110. 168. 
36: 113. 116. 171. 112. 
37: 114. 119. 120, 131. 137. 172. 


39: 120. 131. 


41: 125. 135. 113. 
42: 125. 135. 137. 138. 140. 144. 
43: 114. 119. 141. 
44: 120. 159. 168. 


46: 115. 129. 131. 143. 146. 
47: 113. 132. 143. 

48: 115. 116. 111. 168. 

19: 136. 138. 141. 

00: 113. 134. 141. 


111. 
δ4: 114. 122. 130. 132. 145. 


65: 122. 128. 169. 170. 17: 


IA 
. 


ΤΙ: 115. 124. 127. 143. 145. 168. 


32: 111. 128. 143. 168. 
3: 115. 119. 124. 
τ: 133. 


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bab 
e 


Or. X. Κατὰ Φιλίππου δ΄ 8. 43: 159. 


Ur. XI Πρὸς τὴν ἐπιετολὴν τὴν Φιλ. 
ᾧ, 3: 110. 
Or. XIII. TTepi ευντάξεως ἃ. 39: 129. 


Dr. XIV. Tlepi τῶν εὐμιιοριῶν 8. 1: 


115 3. 15: 150. 
Or. XIX. Περὶ napanpecßeiac . Ar- 
gum. II: 185. 8. 7: 140 | κα. 323: 


155 8. 270: 144 | 8. 284: I 
&. 287: 177 8. 295: 136 | 8. 
127 


15. 18. 24. 41. 18. 49. 51. 
119. 118. 120. 136: 130. 
Ur. XXI. Κατὰ Μειδίου 8. 123: 
8. 134: 136 | 8. 204: 136. 
Or. XXII. Κατὰ ᾿Ανδροτίωνος ἢ. 

105. 

Or. XXIII. Κατὰ 'Apicrokpátov 
181: 115 | $. 207: 129. 

Or. XXIV. Κατὰ Τιμοκράτους $. 
105 

Ur. LIV. Κατὰ Κόνωνος αἰκίας : 
150. ; 

Or. ,LVI. Κατὰ Διονυςοδώρου $ 
105. 

Didymos 164. 

Dindorf 99. 100: 103. 104. 106. 
111. 123. 148. 151. 161. 165. 
110. 171. 182. 

Diodoros 128. 

Dionysios von Halikamas:s 100. 
136. 137. 160. 163. 165 -16? 

Diopeithes 124. 

Doberenz 133. 

Dobree 123. 48. 

Döderlein 161. 

Drewes 99. 101. 145. 145. 119. 

Dübner 103. 


E. 
Engelhardt 103. 
Euphraeos 158. 
Eurvlochos 111. 158. 
Eusebios 183, 
Eusthatios von Antiochia 183. 
Euthalioe 183. 


F. 


Francke 128. 133. 137. 138. 148. 

Funkhánel 99. 100. 101. 104. 
110. 114. 115. 193. 138. 199. 
136. 137. 138. 141. 145. 151. 
157. 1. 


G. 
Gallienus 171. 
Gregorios von Korinth 136. 
115. 118. 
H. 
Halm 1230. 
Harpokration 100. 103. 106. 120. 
159. 168 —170. 119. 
Helladios 119. 
Hemsterhuis 108. 





-——.a nn 


Register. 


Hermogenes 100. 111. 119. 121. 174 
—117. 118. 

Herodianos 179. 

Herodotos 182. 

Hieronymus 182. 

Hypereides 183. 


l. 
Idrieus 128. 
Johannes (Apostel) 183. 
Johannes von Sicilien 178. 
Josephus, Flavius 182. 
Joseph. Rhacend. 121. 171. 175. 
Ieokrates 113. 115. 137. 182. 
Justinianus 174. 178. 
Justinus 158. 


K. 


Kallimachos 162. 163. 181. 182. 


Kallinos (Bibliograph) 105. 
Karteromachos 102. 
Karystios 158. 
Kiessling 170. 
Kleitomachos 111. 
Klotz 103. 

L. 
Libanios 1541. 
Lukianos 104. 105. 
Lykurgos 111. 
Lysias 170. 


117. 160. 


M. 
Mausolos 128. 
Maximus Planudes 174. 176. 
Meier, E. 118. 
Menedemos 163. 
Minucianus 174. 178. 
Mnesarchos 161. 


0. 
Origenes 183. 


P. 

Pummenes 164. 

Pamphilos 183. 

Parmenion 111. 158. 

Paulus (Apostel) 133. 

Pausanias 128. 

Philipp von Makcedonien 123. 128. 
135. 140. 145—117. 151. 153. 151. 
156. 158. 160. 

Photios 105. 179. 

Planudes s. Maximus Planudes. 

Platon 105. 113. 119. 

Plutarchos 160. 

Polybios 167. 

maeos Euergetes 162. 

Ptolemaeos Philadelphos 162. 


—— — ὠ ——H M .. 


R. 

Hehdantz 99. 100. 106. 108. 109. 
111. 133. 1453 --146. 119 — 151. 
153—155. 157. 159. 162. 165. 180. 
152. 

Reiske 102. 103. 120. 141. 118. 165. 
167. 168. 

Ritschl 181. 182, 

Rüdiger 123. 133. 

S. 

Sauppe 100, 101. 103. 105. 106. 133. 
168. 131. 182. 181. 

Schüfer, A. 101. 111. 121. 158. 

Schäfer, G. H. 101. 103. 117. 123. 
123. 133. 139. 

Schultz 99. 100. 109. 118. 119. 120. 
123. 121. 131—138. 140—143. 
145. 149. 151 -- 160 ff. 

Sopater 174. 178, 

Spengel, A. 101. 109. 114. 119. 136. 

Spengel, L. 99. 100. 107. 110. 112 
—133. 137. 143. 145. 148. 119. 
151. 152, 158. 159. 160. 161. 164. 
165. 167. 168. 170. 182. 

Sylburg 167. 168. 

T. 

Theon, Aelius 167. 

Theopompos 182. 

Thukydides 170. 

Tiberius (Kaiser) 164. 

Tiberius (Ithetor) 114. 
176. 177. 

Tischendorf 100. 183. 

Turicenses editores 149. 151. 


U. 


119. 174. 


Ulpianus 179. 

V. 

Vómel 100. 103. 101. 106—108. 110. 
115. 117 —119. 123— 128. 133. 136 
—140. 143, 147—151. 163. 157- - 
160. 165. 167. 175. 177. 179. 180. 


182. 
W. 


Weil 99. 100. 127. 130—132. 143. 
148. 149. 151. 155. 161. 179. 184. 

Westermann 100. 128. 1:3. 149. 150, 
157. 171. 178. 180. 

Wolf, Hieronymus 102. 


2. 
Züricher Herausgeber 8. Turicenses 
editores. 


Inhaltsangabe. 


— m 


Vorwort . en 
Einleitung. 
Die Leistungen der Gelehrten für Demosthenes . . 
Von den hohen Vorstellungen über den Ursprung des Pariser 
Cod. X 


Ueber das Verhältniss von Cod, E zu der Masse der übrigen 
Handschriften 


Die dritte philip ische Rede des Demosthenes und 
die Frage nuch dem Verhältnise der beiden Re- 
censionen . 


Erster Abschnitt. 
Prüfung der verschiedenen Erklärungstheorien . 
1. Dindorf. T e. 
2. Spengel . 
A. Untersuc hung der von Spengel als nicht demosthenisch 
verworfenen Zusätze . . . 
l. Beispiele der gew öhnlichen Interpolation . 
ll. Rhetorische Erklärungen und Erweiteru 
I. Untersuchung der von Spengel als von der revidirenden 
Hand des Demesthenes herrührend bezeichneten Er- 
weiterungen der Vulgata . . 
I. Besprechung derjenigen Stellen. "welche Spengel 
1839, nicht aber 1860 für echt erklärte . . . . 
1. Besprechung. derjenigen Stellen, welche Spengel so- 
wohl 1839 wie auch 1860 als demosthenisch festhält 
$. 46.. Spenzel und Weil 
Ie kblie auf die Untersuc ‚hung 4 des ‚Spengel schen 
l.ösuugeversuches . - 
8 Ihe censervativen Nriüker 0.0. 
l. Beispiele der wewöhnlichen Interpolation ef. 
1). Rheterische Erklàrunger und Erweiterungen 
DS „usätse geschichtlichen Inhalte. ἃ 48 . 


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DIE ALTATTISCHE KOMENVERFASSUNG. 


VON 


GUSTAV GILBERT. 


Bam. 





Fast alle Untersuchungen über die älteste Periode der attischen 
Geschichte basieren auf der Voraussetzung, dass die vier attischen 
Phylen von Anfang an in Attika, sei es zusammen in den einzelnen 
Staaten, wobei man die philochoreische Dodekapolis im Auge zu 
haben pflegt, sei es als einzelne selbständige Staaten vorhanden 
waren und dass man demgemiüss im Stande sei, aus den Zustünden 
der historischen Zeit, der Phylen- und Phratrienordnung, die ältesten 
Zustände der Landschaft zu reconstruieren. Auch in der neusten 
Untersuchung auf diesem Gebiete, in Philippi's Beitrügen zu einer 
Geschichte des attischen Bürgerrechtes, wird ein gleicher Standpunkt 
vertreten. Denn wenn auch Philippi (p. 248 ff.) für mich mit überzeugen- 
der Beweisführung die Annahme von dem Vorhandensein der vier 
Phylen bereits in den einzelnen ursprünglichen Staaten Atükas wider- 
legt, so hat sich doch auch er (p. 236 ff.) die Ansicht von der ur- 
sprünglichen staatlichen Sonderexistenz jeder dieser vier Phylen an- 
geeignet. Diesem Resultate gegenüber scheint es nicht unzeitgemüss 
zu sein, einmal darauf hinzuweisen, dass die bei diesen Untersuchungen 
viel zu wenig berüicksichtigte attische Ueberlieferung von einem ur- 
sprünglichen Vorhandensein dieser Phylen in Attika nichts weiss, 
und den Versuch zu wagen, an der Haud der einheimischen Tra- 
dition die politischen Zustände der Landschaft vor dem staatlichen 
Synoikismos derselben zu reconstruieren. Der in.den frühern Unter- 
suchungen weniger betonte Werth, welcher in dieser Abhandlung 
auf die Angaben der einheimischen Ueberlieferung gelegt werden 
wird, lässt auch den bei einer so vielfach erörterten Frage an sich 
nicht unberechtigten Vorwurf „Eulen nach Athen zu tragen" in einem 
mildern Lichte erscheinen. 

Da die gesammte Tradition des Alterthums die Einführung der 
vier attischen Phylen an die Person des Ion knüpft, Jieser aber in 
der mythischen Künigsgeschichte Athens bereits in ihrer ältesten 
Fassung bei Herodot (8, 44) eine Reihe von königlichen Vorgängern 
hat, so hat sich auch Philippi gezwungen gesehen, seine Annahme 
von der ursprünglichen Sonderexistenz der vier Phylen in Attika 
durch anderweitige äussere Beweise zu begründen. Unsre Aufgabe 
ist es zunächst, diese Beweise Philippis einer eingehenden Prüfung 
zu unterziehen. 

Einen Beweis für seine Auffassung glaubt Philippi darin finden 
zu müssen, dass die Anschauung des Alterthums die Phylen auf be- 

Jahrb. f. class, Philol. Suppl. Bd. Vll. Hit. x. 13 





194 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


stimmte Landestheile übertragen habe (a. a. Ὁ. 242 ff) Wem 
dieses der Fall wäre, so müsste man iu Attika vier Bezirke nach-: 
weisen können, mif denen man diese vier Phylen identifieieren könnte 
Dem gegenüber ist aber zu bemerken, dass sich Attika seiner nafär-, 
lichen. Bodenlildung nach in drei Theile sondert, in die Ebene; 
das Bergland und das Küstenland (Bursian, Geogr. v. Griechenl 1,3 
263), eine Eintheilung, welche auch für die vorsolonischen Partei-; 
namen der TTebieic. TTapakoı und Διάκριοι (Plut. Sol. 13) bestim- 
mend gewesen ist. Das πεδίον ist das Binnenland oder die Ebene 
von Athen, stidwestlich «durch das Meer, nordwestlich durch den? 
Aigaleos, stidöstlich (durch den Hymettos begrenzt. Nordöstlich be 
vann das πεδίον, wie ınan aus Thuk. 2. 20 ersieht, unter dem vom 
Aigaleos nach Osten vorspringenden Vorberge, der wahrseheinlidi 
das Gebiet von Acharnai begrenzte (Leake, d. Demen v. Att. übers 
v. Westermann p. 34). Von dieser Ebeue ist das Opıdcıov πεδίον, 
vanz bestimmt zu scheiden (vergl. Thuk. 2, 19 mit 20). Das Gef 
hiet der Thraker von Eleusis ist allem Anschein nach erst viel später 
deni bereits geeinigten attischen Staate zuerworben worden, zu eine 
Zeit. wo diese Eintheilung schon feststand, und hat deshalb in der- . 
selben keine Stelle mehr srefunden. 

Das Gebiet der TTapadoc γῆ καλουμένη (vergl. Haenisch de 
Pediensibus, Paralis, Diacriis I p. 4. Prgr. v. Wetzlar 1865) wird 
durch Thuk. 2, 55 bestimmt. Nachdem die Peloponnesier das me 
oiov verwüstet hatten, rückten sie ein ἐς τὴν πάραλον γῆν καλοῦ" 
μένην μέχρι Aqupiov . . . καὶ πρῶτον μὲν ἔτεμον ταύτην fj πρὸς - 
ΤΤελοπόννηςον ὁρᾷ, ἔπειτα δὲ τὴν πρὸς Εὔβοιάν τε καὶ "Avdpov ᾿ 
τετραμμένην. Thukydides denkt unter der πάραλος γῆ καλουμένῃ : 
offenbar an einen zusammenhängenden Bezirk der Landschaft, nicht 
blos an die Küste. Da nun das πεδίον durch den Hymettos be-. 
srenzt wurde. die Diakria, wie wir gleich sehen werden, sich bis 
Brauron erstreckte, so kann man die Grenze der πάραλος γῆ dureh 
eine Linie von der Mündung des Erasinos bis zum südlichen Fuss 
des Hymettos bezeichnen.  Bemerkt muss dabei aber werden, das 
neben der πάραλος γῆ die Bezeichnung παραλία für die Küste flber- 
haupt in Gebrauch war. So heisst es z. B. bei Strabon (400) in 
Beziehung auf die Küste des πεδίον von dem Ilissos: ῥέων εἰς τὴν 
αὐτὴν παραλίαν. Nach Herodot (5. 81! lag Phaleros an der παρ΄ 
αλία. wo die allgemeine Bedeutung derselben als Küste durch den 
9. 59 gebrauchten gleichbedeutenden Ausdruck τῆς ᾿Αττικῆς τὰ πα΄ 
padaAäccıa deutlich hervortritt. Darnach ist anzunehmen, dass unter 
der πάραλος τὴ καλουμένη der oben näher bezeichnete Theil Attikas, 
unter παραλία der gesammte Küstenstrich der Landschaft verstan- 
den wurde. 

Der Umfang der Ataxpia ‚vergl. Haenisch a. a. O. p. 7) wird 
bei Hlesveh. κιΔιακμριεῖς" dureh die. Worte angegeben h ἀπὸ TTapvn- 
Boc ἕως Βραυρῶνος se. χώρα. erstreckte sich also über das Berg- 





opm 


5 da. A 


]96 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


Müller fr. hist. gr. I, 182) Ἰταλία παράλιος genannt. W* 
halb Apollodoros (Steph. ᾿Ακτή) die von Kap Sunion nö 
uordwestlich sich erstreckenden Küsten Attikas mit den 
kropischen Phylen Aktaia und Paralia in Verbindung br 
das offenbar nur geschehen, um diese letztern zu lok* 
unsern Quellen wenigstens spricht nichts für eine de 
scheidung von ᾿Ακτή und Παραλία. 

Es war nöthig diese Identität beider Bezeichnur 
lich zu betonen, weil Philippi dieselben benutzt ha 
lokalen Bezirke für seine vier Phylen zu gewinnen, E 
hat nümlich aus den vier Phylen des Kekrops un 
s, 109) und aus der eben behandelten Dreitheilung 
Schema zusammengestellt: 









Unter Kekrops Ακταία  Kexporic Αὐτόν 
,  Kranaos ᾿Ατθίς Μεεόγεια Διὰ 

















,  Pandion ^ -——— — ge 

nach Soph. ᾿Ακτὴ Aid 
nach Schol. Arist. fj περὶ τὸ ἄςτυ᾽ | 
Unter Solon Πεδίον Δι 


Aus diesen Namen gewinnt Philippi als 
Phylen die vier Bezirke Paralia, Diakria, Akt 
denen die beiden letztern sich in das Gebiet 
theilt haben sollen. Gegen diese Ansicht la 
densten Einwürfe erheben. Zuerst muss € 
eine sehr gewagte Operation gelten, aus den ἢ 
und Kranaos je zwei beliebig herauszunehn 
neuen Vierheit von Phylen zu vereinigen, 
die Absicht des Verfassers jener Phylent 
(8, 109) war, den örtlichen Charakter dies 
so ist es gar nicht abzusehen, weshalb er 
und Kranaos vertheilte und nicht vielmehr 
diesen Namen versah, ebenso wie er die 
alle vou Götternamen ableitete. Dann i 
einanderbestehen der Paralia und Aktaia * 
Identität beider unmöglich, denn die wo 
Lokalisierung der Aktaia innerhalb des G 
entbelirt jeder Begründung durch die Ue 
uber der Verfertiger dieser Tradition auel 
theilungen gedacht. Dagegen sprechen e 
und Kpavaic, denn es würde unpassend g 
men des Landeskünigs eine Bezeichnung fi 
des zu enilehnen. Ebenso sind auch die 
χθὼν und ᾿Ατθίς für einzelne Theile des | 
Fixierung derselben ganz undenkbar. De 
der überall betonten Autochthonie der Ati 





] 96 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


Müller fr. hist. gr. I, 182) Ἰταλία παράλιος genannt. Wenn de 
halb Apollodoros (Steph. ᾿Ακτή) die von Kap Sunion nördlich un 
uordwestlich sich erstreckenden Küsteu Attikas mit den beiden kt 
kropischen Phylen Aktaia und Paralia in Verbindung bringt, 80 is 
das offenbar nur geschehen, um diese letztern zu lokalisieren. I 
unsern Quellen wenigstens spricht nichts für eine derartige Unter 
scheidung von ᾿Ακτή und Tfapokia. 

Es war nöthig diese Identität beider Bezeichnungen ausdrück 
lich zu betonen, weil Philippi dieselben benutzt hat, um die vis 
lokalen Bezirke für seine vier Phylen zu gewinnen. Philippi (p. 248 
hat nümlich aus den vier Phylen des Kekrops und Kranaos (Pall 
8, 109) und aus der eben behandelten Dreitheilung Attikas folgende 
Schema zusammengestellt: 


Unter Kekrops Ακταία Kexporic Αὐτόχθων — TTapoMa 


»  Kranaos Ατθίς Μεεόγεια Διακρίς Kpavaic 
„ Pandion | ————————— 
nach Soph. ᾿Ακτὴ ; ; 
nach Schol. Arist. fj περὶ τὸ dcru | Διακρία — TTapalie 
Unter Solon TTediov Araxpia TTapalia 


Aus diesen Namen gewinnt Philippi als Stammsitze der vit 
Phylen die vier Bezirke Paralia, Diakria, Aktaia und Mesogaia, vos 
denen die beiden letztern sich in das Gebiet des spätern πεδίον ge 
theilt haben sollen. Gegen diese Ansicht lassen sich die verschie 
densten Einwürfe erheben. Zuerst muss es un und für sich flf 
eine sehr gewagte Operation gelten, aus den vier Phylen des Kekrop 
und Kranaos je zwei beliebig herauszunehmen und diese zu eint 
neuen Vierheit von Phylen zu vereinigen. Denn, wenn es wirklik 
die Absicht des Verfassers jener Phylenüberlieferung bei Pollag 
(8, 109) war, den örtlichen Charakter dieser Phylen auszudrücke, 
so ist es gar nicht abzusehen, weshalb er die Namen auf Kekrops 
und Kranaos vertheilte und nicht vielmehr die Phylen des einen mii 
diesen Namen versah, ebenso wie er die Phylen des Erichthonks 
alle von Götternamen ableitete. Dann ist aber auch das Neber 
einanderbestehen der Paralia und Aktaia wegen der oben erwieeentü 
Identität beider unmöglich, denn die von Philippi unternommeni 
Lokalisierung der Aktaia innerhalb des Gebietes des spätern πεδίον 
entbehrt jeder Begründung durch die Ueberlieferung. Endlich bel 
aber der Verfertiger dieser Tradition auch gar nicht an lokale Eis 
theilungen gedacht. Dagegen sprechen erstens die Namen Kexpoml 
und Kpavaic, denn es würde unpassend gewesen sein, von dem Na 
men des Landeskönigs eine Bezeichnung für einen Theil dieses Lau 
des zu entlehnen. Ebenso sind auch die Bezeichnungen von Αὐτό 
X0uv und ᾿Ατθίς für einzelne Theile des Landes zum Zweck locak 
Fixierung derselben ganz undenkbar. Denn der Umstand, dass tro 
der überall betonten Autochthonie der Attiker durch die Bezeichnur 





G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 197 


Αὐτόχθων für eine locale Phyle die Autochthonen auf ein Viertel 
der Landschaft beschränkt würden und dass wieder ein locales Viertel 
durch die Form ᾿Ατθίς mit dem Namen der ganzen Landschaft 
(vergl. Str. 397) benannt: würde, muss entschieden gegen die Ab- 
sicht des Verfassers dieser Ueberlieferung, locale Eintheilungen geben 
zu wollen, zeugen. 

Die Glossen, welche nach Philippi den localen Ansatz der vier 
Phylen bei Pollux bestätigen sollen, stehen in keiner Beziehung zu 
der Viertheilung des Landes. Denn wenn Stephanos (Διακρία) die 
Diakria φυλὴ τῆς ᾿Αττικῆς nennt, so bezeichnet φυλή nur einen 
Theil der von Pandion vorgenommenen Eintheilung, wie die weitern 
Worte ἣν ᾧκει Πάλλας ὁ TTavdiovoc υἱός deutlich beweisen. Unter 
φυλή ist darnach an dieser Stelle ein Drittel Attikas zu verstehen. 
Dasselbe wird man von der Notiz (Steph. πεδίον) écri δὲ xoi TTe- 
διὰς φυλὴ τῆς ᾿Αττικῆς sagen müssen. 

Bei der hohen Bedeutung, welche Philippi dieser Phyléntradition 
beilegt, hat er die Entstehung derselben auch in ein verhältnissmässig 
hohes Alter hinaufgerückt, indem er als Quelle für dieselbe die Logo- 
graphen ansetzt (p. 262 ff... Weil man die neue Redaction und die 
Erweiterung der attischen Königsliste mit grosser Wahrscheinlichkeit 
dem Hellanikos zuschreibt, so scheint es Philippi keine milssige Ver- 
muthung zu sein, „dass die Forschung derselben Zeit auch die alten 
Phylen durch wechselnde Namengebung an die Könige und zugleich 
an die Landestheile geknüpft hat“. Die bei Sophokles erwähnte 
Reichstheilung des Pandion müsse man aus dem Zusammenhange 
mit der gleichzeitigen mythologisch-historischen Forschung erklären 
und werde sich deshalb diese Reichstheilung auch bei Pherekydes 
und Hellanikos gefunden haben. Dass die Phylennamen in ihrer 
Beziehung auf Kekrops, Kranaos, Erechtheus gleichfalls bei den 
Logographen ihre Quelle hahen, dafür soll auch der Umstand spre: 
chen, dass die ältere (eschichtschreibung die Geschichte Attikas als 
eine Königsgeschichto behandelt habe. Dagegen ist aber einzuwen- 
den, dass, wenn auch die Erweiterung der attischen Königsfasten auf 
Hellanikos zurückgeht, damit diese Phylennamen doch noch nicht. 
auf ihn zurückgeführt werden müssen. Die Reichstheilung des 
Pandion hat, wie wir oben gesehen haben, mit diesen Phylen nichts 
zu schaffen und was den letzten Grund betrifft, so ist die Geschichte 
Attikas immer und zu allen Zeiten von den Alten als Kónigs. 
geschichte behandelt worden. Die Gründe Philippis für das Vor- 
handensein dieser Phylentradition bereits bei den Logographen kön- 
nen deshalb als stichhaltig nicht gelten. Eine bestimmte Entschei- 
dung über die Entstehung dieser Phylenüberlieferung wird sich 
überhaupt nicht finden lassen. Für mich ist es am wahrscheinlich. 
sten, dass sich der Verfertiger derselben an Herodot (8, 44) mil, 
Berücksichtigung der neuen Königsgenealogie bei Hellanikos anschloss. 
Herodot theilt die Geschichte Athens in vier Perioden unà \&ast die. 





20 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


reits aufgehört hatten, örtliche Complexe zu sein. Als man nun eine 
höhere, streng örtliche Einheit für je vier Naukrarien brauchte, so 


theilte man mechanisch die vier Phylen in je drei Dritttheile Waren - 


die Phratrien wirklich ursprünglich locale Bezirke, so ist nicht ein- 
zusehen, wie sie ohne eine allgemeine gesetzliche Veränderung auf- 
hören konnten, solche zu sein. Machen wir uns die Unmöglichkeit 
einer derartigen Veränderung an einem Beispiele klar. Die inschrift- 
lich bekannte Phratrie Achniadai bezeichnete also ursprünglich die 


Gesammtheit der Phratriegenossen und den von denselben bewohnten ; 


Distriet. Wenn nun auch wirklich einzelne Glieder der Phratrie in 
das örtliche Gebiet einer andern Phratrie hinüberzogen, so blieben 
sie doch höchst wahrscheinlich gentilicisch der ersten Phratrie m- 
gehórig, jedenfalls aber musste doch, wenn auch ein Theil der Phrs- 
triegenossen ihren ursprünglichen District verliess, der einmal fixierte 
locale Umfang desselben unverändert bleiben. Grade wie die kles- 
thenischen Demen, obgleich eine nicht unbedeutende Anzahl ihrer - 
Demoten in andern Demen wohnte, doch immer locale Bezirke blie- 
ben, so können auch die Phratrien, wenn sie einmal einen locales 
Charakter hatten, diesen ohne eine radicale Umwülzung der ganzen 
Institution nicht verloren haben. Es ist ganz undenkbar, dass sich 
die gentilicische Bedeutung der Phratrie bis in die historische Zeit _ 
erhalten, ihr localer Charakter aber, ohne auch nur die leisesten 
Spuren in der Ueberlieferung zu hinterlassen, verschwinden konnte 
Deshalb scheint mir die Einrichtung der localen Trittyen und Na» 
krarien grade dafür zu sprechen, dass vorher eine locale Eintheilung 


der Landschaft nicht vorhanden war. Dass allerdings die Phyle ὦ 


mit der Einrichtung der Trittyeu und Naukrarien in einem gewissen 





Mm a 


Sinne eine locale Bedeutung erhielten, lässt sich nicht leugnen, i : 


aber auch nicht schwer zu erklären. Ueber die Zeit der Einrichtung 
der Naukrarien sind die Meinnngen der Neuern sehr getheilt. Ausser 
der bekannten Angabe des Herodot (5, 71) über das Vorhandensein 
derselben zur Zeit des kylonischen Aufstandes, die aber durch den mit 
der Geschichte seiner Vaterstadt gewiss genauer als Herodot be- 
kannten Thukydides (1, 126) hinlänglich widerlegt wird*), besitzen 
wir über die Zeit ihrer Einrichtung aus dem Alterthum nur ein be- 
stimmtes Zeugniss, aber das des Aristoteles (Phot. vaukpapio). Denn 
wenn auch die betreffende Glosse des Photios verderbt ist, so lässt 
sich doch mit Bestimmtheit aus ihr entnehmen, dass Aristoteles die 
Einrichtung der Naukrarien dem Solon zuschrieb, und das muss beim 
Mangel eines jeden andern Zeugnisses für uns massgebend sein. 
Durch Solon trat, wie das Philippi (186 ff.) bewiesen hat, eine Ver- 
änderung in den Mitgliedern der Phylen ein, indem in die ursprüng- 
lichen Adelsstämme auch die Neubürger aufgenommen wurden. Die 
Naukrarienordnung aber muss als solonisches Institut in einem engen 


---» te 


*) Vergl. den Nachtrag. 








G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 201 


Zusammenhang mit den solonischen Schatzungselassen stehen. Nun 
scheint es mir wahrscheinlich, dass man, da die vier Phylen für die 
politische Verwaltung des Staates — man denke an die 400 Mit. 
glieder der solonischen βουλή — massgebend blieben, die finanzielle 
Verwaltung mit der politischen auf die Weise verband, dass man 
die Trittyen und Naukrarien nach den Wohnsitzen der Alt- und 
Neubtirger einrichtete, so dass die Mitglieder jeder Phyle 3 Trittyen 
und 12 Naukrarien bildeten. Es war dabei ja durchaus nicht nóthig, 
wie dieses auch durch kein Zeugmiss behauptet wird, dass die vier 
Naukrarien, welche jedes Mal eine Trittys bildeten, oder gar die 
3 Trittyen einer Phyle örtlich zusammenlagen. Bei dieser Auffas- 
sung findet die Unterordnung der Trittyen und Naukrarien unter 
die Phyle ihre Erklitrung, ohne dass man dadurch berechtigi ist, 
eine sonst nicht bezeugte, ursprünglich locale Umgrenzung der at- 
tischen Phylen anzunehmen. 

Den hauptsächlischsten Beweis endlich für die ursprüngliche 
locale Geschlossenheit der Phyle findet Philippi (246. 247) in ihrer 
grundlegenden Bedeutung für das attische Geschlechterschema, indem 
er die vier φυλοβαειλεῖς als den Rest eines ehemaligen wirklichen 
Theilkönigthums auffasst. Der Titel φυλοβαςιλεύς kann offenbar 
dem Worte nach erst zu einer Zeit entstanden sein, als die nach 
Philippi einst selbständigen vier Theile des Landes zu einem Staate 
vereinigt waren und man für diese Viertel der attischen Landschaft 
den technischen Ausdruck φυλή anwendete. Für das Vorhandensein 
eines ehemaligen Theilkönigthums in den ursprünglichen vier Thei- 
len des Landes können die quAÀopaciAeic offenbar doch nur dann 
zeugen, wenn diese Viertheilung durch andre Gründe feststeht. An 
und für sich kann man sich ebenso gut die puAoßucıkeic nach der 
Analogie des staatlichen βαςιλεύς gebildet denken. 

Das sind die Gründe, auf welche Philippi seine Ansicht von 
der ursprünglichen localen Geschlossenheit der attischen Phylen 
gründet und deren geringe Beweiskraft wir in dem Vorhergehenden 
nachzuweisen versucht haben. Für verfehlt muss deshalb auch der 
Versuch gehalten werden, das (iebiet dieser einzelnen Phylen in Attika 
selbst genauer fixieren zu wollen. Die Namen der Phylen bieten, wie 
wir das weiter unten erórtern werden, für derartige locale Ansetz- 
ungen derselben keine Anhaltspunkte, und da jedes historische Zeug- 
niss fehlt, so können derartige Localisierungsversuche (vergl. d. Zu- 
sammenstell. ders. b. Philippi 270 ff.) als Ausflüisse eines rein sub- 
jectiven Ermessens vielleicht den einen oder andern tiberzeugen, aber 
den Anspruch für eine erwiesene Thatsache zu gelten, nicht erheben. 

Wenn es deshalb nach dem Vorhergesagten nicht gestattet 
scheint, aus der historischen Phylen- und Phratrienordnung auf die 
Kltesten Zustände der attischen Landschaft Rückschlüsse zu machen, 
so wird man bei der Reconstruierung derselben davon auszugehen 
haben, wie sich die attische Ueberlieferung dieselben gedach\ hex. 














G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 205 


Angaben bei Strabon und Plutarch vereinigen. Bei dem Synoikismos 
der Stadt Athen aus den Demen dachte Philochoros an die ursprüng- 
lichen Komen, von denen mehrere einen losen Verband unter sich 
bildeten, bei dem Synoikismos aus der Dodekapolis au diese Ver- 
bünde selbst. Dass die Zwölfzahl dabei eine willkürlich fixierte war, 
unterliegt kaum einem Zweifel, und wurde dieselbe von Philochoros 
hóchst wahrscheinlich gewühlt nach Analogie der 12 ionischen Colo- 
nien der Aigialeia und Kleinasiens und der 12 attischen Phratrien. 
Darnach ergiebt sich als Ansicht des Philochoros von der ältesten 
Periode der attischen Geschichte die Annahme einer Anzahl von Komen, 
von denen einzelne sich zu Gemeindeverbünden zusammenschlossen. 

Die dreifache Scheidung der Tradition über die ültesten Zu- 
stände des attischen Landes, wie sie Philippi aufgestellt hat, muss 
demnach als verfehlt gelten, vielmehr bezeugen Isokrutes, Thuky- 
dides und Philochoros gleichmässig als vortheseischen Zustand eine 
ländliche Komenverfassung. Und damit stimmen auch die übrigen 
Autoren, welche über die ältesten Zustände Attikas gehandelt haben, 
überein. Diodor (4, 61) definiert den theseischen Synoikismos durch 
die Worte τὸ τοὺς δήμους, ὄντας μικροὺς μὲν τοῖς μεγέθεει, πολ- 
λοὺς δὲ τὸν ἀριθμόν, μεταγαγεῖν εἰς τὰς ᾿Αθήνας. Pausanias sagt 
von Theseus ἐπεί τε ᾿Αθηναίους Θηςεὺς ἐς μίαν ἤγαγεν ἀπὸ τῶν 
δήμων πόλιν (1. 22. 3) und bezeichnet den Synoikismos durch die 
Worte cuvíjA0ov ἀπὸ τῶν δήμων (1. 26. 6). Die Quelle von Suidas 
und dem Etym. M. (ἐπακρία χώρα) nennt die Athener ᾿Αθηναίους 
πάλαι κωμηδόν οἰκοῦντας. Valerius Maximus (δ. 3. 3) sagt von 
der politischen Thütigkeit des Theseus: si quidem ille vicatim di- 
sSpersos cives suos in unam urbem contraxit separatimque et agresti 
more viventi populo amplissimae civitatis formam atque imaginem 
imposuit. 

Als Resultat dieses mehr negativen und polemischen Theiles 
unsrer Abhandlung ergiebt sich demnach die Thatsache, dass die 
gesammte einheimische Ueberlieferung der Athener sich den vor- 
theseischen Zustand Attikas nicht als das Nebeneinanderbestehen von 
vier Theilkönigthtimern, den spütern vier Phylen entsprechend, son- 
dern als eine lündliche Komenverfassung vorstellte, in der die ein- 
zelnen Komen politisch selbstündig waren. 

Ueber die Periode der Sonderexistenz und der politischen Selb- 
ständigkeit dieser Komen sind wir allerdings so gut wie gar nicht 
unterrichtet. Der Grund davon liegt in dem Umstande, dass uns die 
Schriftsteller, auf denen unsre Kenntniss des attischen Alterthums 
beruht — Philochoros macht mit seinem Werk über die Tetrapolis 
auch hier eine seltene Ausnahme — im wesentlichen nur die studt- 
sthenischen Sagen berichten, während uns die Demenüberlieferung 
zur in ganz vereinzelten Füllen erhalten ist. Dass dieselbe noch zu 
Btrabon's und Pausanias! Zeit in Attika in reichlicher Fülle vorhan- 
den war, wird uns von beiden Schriftstellern ausdrücklich bezeugt, 


If, Gi, Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


Strabon 1396) sagst: éyouct δὲ κἂν ei μὴ πάντες οἵ γε πολλοὶ μυ- 
θοποιίας cuxväc xai ἱετορίας und weiter unten οὕτω δὲ καὶ ἐπ᾽ 
ἄλλων πλειόνων Écriv ἱετορεῖν πολλά. Pausanias (1. 14. 7) he- 
merkt, dass sich die Demenüberlieferung mit der der Stadt Athen hünfig 
nicht in Uebereinstimmung befand, ein Umstand, der den Werth der 
erstern in unsern Augen nur erhöhen kann: λέγουει δὲ ἀνὰ τοὺς | 
δήμους καὶ ἄλλα οὐδὲν ὁμοίως καὶ οἱ τὴν πόλιν ἔχοντες. 

Die Erinnerung an das einheimische Demenkónigthum, für dessen 
Existenz ja auch Philochoros (Plut. Thes. 32) zeugt, hatte sich noch 
zu Pansanias Zeit in verschiedenen Demen erhalten: γέγραπται b 
ἤδη μοι τῶν ἐν τοῖς δήμοις φάναι πολλοὺς ὡς καὶ πρὸ τῆς ἀρχῆς ; 
ἐβαςιλεύοντο τῆς Κέκροπος (1. 31. 5). Ausser dieser allgemeinen . 
Notiz hat uns Pausanias noch die Namen von drei Demenkönigen 
überliefert, den des Porphyrion von Athmonon (1. 14. 7), des Ko- 
lainos von Myrrhinus (1. 31. 5) und des Krokon in der Gegend der 
Rheitoi (1. 38. 1). 

Für das Verstündniss dieser altattischen Komenverfassung im 
höchsten Grade wichtig ist die Beantwortung der Frage, ob wir be - 
rechtigt sind, die altattischen Komen mit den kleisthenischen Demen - 
zu identifiieren. Droysen hat in einem Aufsatze über die attische 
Communalverfassung (Ztschr. f. Geschichtsw. v. Schmidt, Bd. & ᾿ 
1847. 289 ff.) sich dahin ausgesprochen, dass die communalen Au- : 
tonomien, welche Kleisthenes einrichtete, d. h. die Demen, nicht die . 
Elemente bildeten, aus denen der Staat zusammengewachsen war, 
dass vielmehr der einheitliche Staat dieselben durch einen Act po- 
sitiver Gesetzgebung schuf (p. 290. 408). Gegen diese Auffassung 
ist aber einzuwenden, dass nach der Ueberlieferung (vgl. Her. 5. 69) 
Kleisthenes die Demen nicht geschaffen, sondern nur die bereits vor- 
handenen in die Phylen eingeordnet hat. Die alten Schriftsteller 
waren offenbar der Ansicht, dass die Demen bereits vor Kleisthenes 
existierten. So redet z. B. Herodot von attischen Demen sowohl beim 
Einfall der Tyndariden, wie auch zu der Zeit des Peisistratos (Her. 
9. 73; 1. 60. 62), so lassen Philochoros (Plut. Thes. 24), Diodor 
(4. 61) und Pausanias (1. 26. 6) den Theseus die Demen synoiki- 
sieren, so erwähnt Plutarch schon zur Zeit Solons den Demos Phyle 
(Sol. 12), so nennt Tsokrates, der die ältesten Gemeinden Attikas an 
der einen Stelle als Komen bezeichnet (10. 35), dieselben an einer 
andern Demen (7.46). Nicht einmal das darf man Philippi (p. 149 f£), 
der freilich auch eine vorkleisthenische Entstehung der Demen 88- 
nimmt, zugeben, dass dieselbe Hand in Hand mit der Lockerung des 
lokalen Zusammenhanges der Geschlechter erfolgte. Nach der Dar- 
stellung des Aristoteles (pol. p. 2. 26 ff. Bekker) war die älteste 
Form der Kome die des Gieschlechterdorfes. Als Geschlechterdörfer 
dachte sich offenbar auch Philochoros die vortheseischen Demen, 
wenn er von Theseus snygt, er hnbo die Attiker zum Synoikismos 
überredet xarà δήμους καὶ τένη (Plut. Thes. 24). Wenn sich nun 





208 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


lichen Entwicklung sein kann, zumal da, wie bereits Meier (de gent. 
att. 6) richtig bemerkt hat, die Bezeichnung ἔθνος, wie das bei einer 
gesetzlichen Scheidung doch der Fall gewesen sein müsste, nie ein 
vocabulum forense et justum nomen in Athen gewesen ist. Wenn 
nun Philochoros den Stand der Eupatriden als schon in den Demen 
vorhanden annimmt, so scheint auch die weitere Entwicklung dieser 
Ständescheidung bereits auf das Einzelleben der Komen bezogen 
werden zu müssen, uud es sind alsdann unter den πολλοί bei Philo- 
choros die Georgen und Demiurgen zu verstehen. Die Entwicklung 
selbst wird man sich vielleicht folgendermassen zu denken haben. 
Wenn sich eine bestimmte Anzahl von Geschlechtsgenossen — demn 
von der ültesten Form der κώμη, dem aristotelischen Geschlechter- 
dorfe, ist hier auszugehen — an einem Orte niederliess, so nahmen 
diese selbstverständlich das umliegende Land für sich in Besitz. Da 
nun einer solchen neu gegründeten Kome viel daran gelegen sein 
musste, bei dem in der ültesten Zeit herrschenden Kampf aller gegen 
alle (Thuc. 1. 6) einen möglichst grossen Bestand von Komengenossen 
zu besitzen, so war man in der Aufnahme neuer Kometen gewiss 
sehr wenig exclusiv. Die Kome hatte sich höchst wahrscheinlich bei 
ihrer Gründung eines Landbesitzes bemächtigt, den sie zu ihrem 
eignen Bedarf schwerlich ganz ausbrauchte, und sie war deshalb 
gewiss gern bereit, durch Austheilung bestimmter Landparcellen 
sich neue Gemeindeglieder zum Schutz ihrer Marken zu gewinnen. 
Ich vermuthe, dass sich so der Unterschied der Eupatriden und 
Georgen bildete. Die alten Gemeindeglieder, deren Vorfahren die 
Kome begründet hatten, verehrten einen gemeinsamen Ahnherrn als 
Ursprung ihres Geschlechtes und nannten sich im Gegensatz zu den 
aus verschiedenen Geschlechtern stammenden Zuwanderern Cüma- 
τρίδαι. Und in Beziehung auf die einzelnen Komen erhält die in 
alten Glossen (Hesych. Moer. εὐπατρίδαι) sich findende Identificierung 
von εὐπατρίδαι und αὐτόχθονες, die auch Besse (Beitr. z. Bedeut. 
d. Wortes Eupatriden. Progr. v. Conitz 1858) als richtig angenom- 
men hat, eine genügende Erklärung. Denn dass diese Beschränkung 
der Eupatriden auf die autochthonen Geschlechter nach der Begrün- 
dung des attischen Gesammtstaates nicht mehr zutreffend ist, muss 
schon der eine Umstand beweisen, dass das nichtautochthone Königs- 


geschlecht der Melanthiden oder Kodriden doch unzweifelhaft zu den ἢ 
attischen Eupatriden der geeinigten Landschaft gerechnet werden . 


muss. Die Eupatriden der einzelnen Komen dagegen konnten sehr 


wohl im Gegensatz zu den zugewanderten Geschlechtern αὐτόχθονγεξ, - 


οὐχὶ ἐπήλυδες genannt werden. Dagegen empfingen die neuen Zu- 
wünderer den Namen der fewpyoi höchst wahrscheinlich von dem 
Landbesitz, den sie zur Bebauung von der Kome erhalten hatten, 
Die Zuwanderer erhielten in den Komen schwerlich die gleicher 
Rechte mit den autochthonen Eupatriden. Kleitodem (fr. 2. 3. 17) 
redet von δημιουργικαί τιμαί der μάγειροι und κήρυκες unda wi 


De CQUP PRET, no ln 


D 


Σ 





t 


G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 209 


dürfen darnach annehmen, dass, da die Demiurgen bestimmte τιμαΐ 
hatten, auch γεωργικαὶ τιμαί vorhanden waren, an denen die Georgen 
Theil nahmen. Ebenso sind auch für die Eupatriden bestimmte 
Ehrenrechte anzunehmen. Nach Philochoros (Plut. Thes. 32) be- 
sassen dieselben in den Komen die ἀρχή und Bacıkeia, wie denn über- 
haupt unzweifelhaft alle die Rechte, welche die Eupatriden zur Zeit 
der eupatridischen Herrschaft des Staates besassen, nümlich fj τῶν 
ἱερῶν ἐπιμέλεια und ἣ τῆς πόλεως mpocracía (Poll. 8, 111. Etym. 
M. εὐπατρίδαι. Dion. H. 2, 8), auch auf diese Komeneupatriden über- 
tragen werden müssen. Die Georgen dagegen hatten au diesen Ehren- 
rechten der Eupatriden gewiss keinen Antheil. 

Die Entstehung des dritten Standes der Δημιουργοί in den 
attischen Komen gehört wiederum einer jüngern Periode der ge- 
schichtlichen Entwicklung un. Die Δημιουργοί konnten nümlich erst 
dann entstehen, als das ursprünglich unbekannte Princip der Arbeits- 
theilung zur Geltung kam. Bei Homer werden von wirklichen De- 
miurgen nur erwühnt die χαλκεῖς (Il. 4, 216; 12, 295; Od, 9, 391), 
die ckurorÓuo: (Tl. 7, 221), die τέκτονες δούρων (Od. 17, 384; 21, 
43 ff. Il. 6, 315), die κεραμεῖς (Il. 18, 601) und die xpucoxóo: (Od. 
3, 425). In der ültesten Zeit, wie uns dafür noch die homerischen 
Helden sehr lehrreiche Beispiele liefern, verfertigte sich jeder, so 
gut er es eben konnte, das, was er bedurfte, selbst. Erst später 
fingen: einzelne an sich mit der Herstellung von Gerüthen auch für 
fremden Bedarf zu beschüftigen, und da diese durch fortgesetzte 
Uebung im Stande waren, dieselben leichter und besser herzustellen, 
so gewühnte man sich gewiss bald daran, seinen Bedarf von der- 
artigen Demiurgen gegen Vergütung der Kosten und der Arbeit zu 
entlehnen. So wurden die Demiurgen gewiss sehr bald integrierende 
Bestandtheile der einzeluen Komen. Es muss aber festgehalten 
werden, dass sich zu einer demiurgischen Thätigkeit gewiss nur die 
verstanden, welche wegen Mangels eines Landbesitzes nicht im Stande 
waren, sich als γεωργοί ihren Unterhalt zu erwerben. Diese Demiurgen 
hatten gleichfalls ihre besondern Rechte, wofür die oben erwähnten 
δημιουργικαὶ τιμαί des Kleitodem zeugen, und waren, weil das Alter- 
thum immer auf Landbesitz bei der Vertheilung der politischen 
Rechte ein grosses Gewicht gelegt hat, unzweifelhaft politisch noch 
ungünstiger gestellt, als die Georgen. Aristoteles (Pol. 178, 21 ff. 
Bekker) wenigstens unterscheidet zwei Arten des Demos τὸ μὲν 
γεωργικὸν πλῆθος, τὸ δὲ Bávaucov xai θητικόν. Das γεωργικὸν 
πλῆθος bilden die γεωργοί, wührend das βάναυςον καὶ θητικὸν πλῆ- 
θος mit seinem ersten Epitheton den δημιουργός oder χειροτέχνης 
(vergl. Hesych. δημιουργός), d. h. den Handwerker, mit seinem zwei- 
ten den Orc oder xepvric, d. h. den freien Taglóhner (vergl. Od. 18, 
367 f£), das Product einer weitern Entwicklung, aber auch Ent- 
werthung der demiurgischen Thätigkeit bezeichnet. Das βάναυςον 
καὶ θητικὸν πλῆθος ist erst mit der äussersten Entwicklung der 

Jahrb. f. casa. Philol Suppl Bd. ΥΩ, Hft. 3. 14 


. 





G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 211 


Dass auch für das attische Komenleben eine derartige Periode 
angenommen werden muss, lässt sich sowohl aus bestimmten histo- 
rischen Spuren solcher Gemeindeverbünde, wie auch aus der dieser 
Anschauung entsprechenden Auffassung des Philochoros von den 
ältesten Zuständen Attikas erkennen. Wir sahen bereits oben, dass 
sich die Ansicht des Philochoros von der Gleichzeitigkeit der attischen 
Komen und der Dodekapolis nur so erklürt, dass die Städte der letz- 
tern als Complexe von einzelnen Komen aufzufassen sind. Aus ver- 
einzelten Spuren kann man noch jetzt mit ziemlicher Sicherheit auf eine 
Anzahl derartiger Gemeindeverbände in Attika zurückschliessen. Die 
vier Städte Oinoe, Marathon, Probalinthos, Trikorynthos führten den 
gemeinsamen Namen der Tetrapolis und galten für Gründungen des 
Xuthos (Str. 383). Die gemeinsame Bezeichnung dieser vier Städte 
als Tetrapolis beweist deutlich, dass wir in derselben einen Gemeinde- 
verband zu erkennen haben, und die scharfe Abgrenzung der Tetra- 
polis durch die See und die Berge mit wenigen engen Durchgüngen 
nach den übrigen Theilen Attikas (Leake, Demen 65 ff.) musste die- 
selbe für eine landschaftliche Vereinigung besonders geeignet machen. 
Die leitende Stadt dieser Vierstadt war Marathon. Mit den Worten 
ἐν τῷ Μαραθῶνι bezeichnen wenigstens die Schriftsteller jeden Punct 
in der Tetrapolis, wie das z. D. aus den Worten Lukians (Ikarom. 
c. 18) Μαραθῶνος τὰ περὶ τὴν Οἰνόην deutlich zu erkennen ist 
(Leake a. a. O. 65. A. 186). Der einigende Cult dieses Verbandes 
war höchst wahrscheinlich der des Apollon. 

An der westlichen Küste der Landschaft lag der (remeinde- 
verband der Τετράκωμοι, welche alle durch gute Hifen ausgezeichnet 
waren. Gebildet wurde derselbe durch die Demen Peiraieus, Phale- 
ron, den alten Hafen von Athen (Plut. Thes. 22), Xypete, früher 
auch Troia genannt (Str. 604), und Thymaitadai, die alte ναυπηγία 
des Theseus (Plut. Thea. 19. Poll. 4. 105). Der gemeinsame Cult 
dieses Verbandes war der des Herakles (Steph. Ἐχελίδαι). 

Die Lage des dritten Gemeindeverbandes der Τρίκωμοι ist uns 
unbekannt, denn die Ansetzung desselben durch Leake (Demen 41) 
in der Mesoghia ist durchaus zweifelhaft. Derselbe bestand aus den 
drei Demen Εὐπυρίδαι, Κρωπίδαι und Πήληκες (Steph. Εὐπυρίδαι)]. 

Diesen Gemeindeverbünden, welche sich schon durch ihren Na- 
men als solche verrathen, schliessen wir zunächst Aphidna an, wahr- 
scheinlich einst bei dem heutigen Kapandriti zwischen Dekeleia und 
Marathon gelegen (Ross, Demen 62). Die Zugehörigkeit der Demen 
Titakidai, Perrhidai und Aphidna zu dem (temeindeverband Aphidua 
ist bereits oben begründet worden, soll hier aber der Vollzähligkeit. 
wegen noch einmal kurz erwühnt werden. Dass der Demos Titakidai 
zu Aphidns gehört hat, darf man aus dem Wohnsitz des Eponymen 
Tıtakos in Aphidna (Her. 9, 73) mit Sicherheit schliessen. Die Zu- 
gehörigkeit von Perrhidai zu diesem Gemeindeverband wird durch 
die Glosse des Hesych. Πεῤῥίδαι τῆς ᾿Αττικῆς δῆμος ἐν ᾿Αφιονολς 

14} 


919 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


ausdrücklich bezeuzt. Das dritte Glied endlich bildete der kleisthe- 
nische Demos Aphidna, der sich von dem Autochthonen Aphidnss 
ableitete (Steph. "Agıdva). 

Ein weiterer Gemeindeverband war Ἐπακρία. über welchen 
gleichfalls bereits oben gehandelt ist. Als ein Glied der Epakra 
ergiebt sich aus einer Inschrift (Corp. inser. gr. 82) der Demos 
Πλώθεια. Es ist in dieser Urkunde von den Abgaben die Rede, 
welche die Mitglieder des Demos Plotheia (ἐς τὰ i)epà ἢ ἐς TMu- 
θέας ἢ ἐς '€raxpéa(c ἢ ἐς "A)Onvaiouc zu leisten haben. Die ἱερᾶ 
der Epakrier, welche eine Zwischenstufe zwischen den Demen- und 
Staatsheiligthümern bildeten, sind um so wahrscheinlicher auf einen 
cultlichen Gemeindeverband mehrerer Demen zu beziehen, da um 
Philochoros auch den Demos ζημαχίδαι (Steph. s. v.) als Glied der 
Epakria überliefert hat. Die Lage der beiden Demen ist uns nieht 
bekannt. doch wird die der gesammten '€maxpía χώρα durch die 
Worte Ἐπακρία ὄνομα χώρας mÀncíov τετραπόλεως κειμένης (Lex 
Seg. 259) einigermassen bestimmt. 

Dass auch Brauron einen derartigen Gemeindeverband bildete, 
scheint sich aus dem Umstande zu ergeben, dass der Demos Philudg 
allem Anschein nach zu Branron gehörte (Plut. Sol. 10. Plat. Hp 
parch 228, vgl. Ross, Demen 100). 

Zu diesen ςυςτήματα δήμων rechne ich ferner die inschrife 
lich uns tiberlieferte Mecöyeıa (E. Curtius, inscr. att. nuper repertae 
XII Tit. I. In dieser Urkunde heisst es: ἐπειδὴ ἸΤολύευκτος de 
χων καταςταθεὶς ὑπὸ Mecoyeiwv τὸν ἐνιαυτὸν τὸν ἐπὶ Ὀλβίου 
ἄρχοντος ἐπεμελήθη τὴς τε(λετῆ)ς καὶ τῆς πομπῆς τῷ Ἠρακλεῖ 
und im Verlauf derselben werden ψηρίςματα rà Mecoyeiwv erwähnt. 
Ich stimme mit Curtius überein, dass man diese Mesogeia nicht mi 
der grossen Mesogaia zu identificieren hat, dass vielmehr unter der- - 
selben ein Gemeindeverband — (Curtius sagt eine τρικωμία oder T€- 
τρακωμία — zu verstehen ist. Ein Glied dieser Mesogeia war nach 7 
der Heimat der in der Inschrift genánnten Personen zu urtheilen 4 
Bar, höchst wahrscheinlich nicht weit von Athen gelegen, da der 7] 
Fundort dieser Inschrift auf dem Wege nach Acharnai noch heute ° 
den Namen Βατή führt. Der religiöse Mittelpunct dieses Gemeinde 2 
verbandes war der Cult des Herakles und an der Spitze desselben - 
stand der ἄρχων τῶν Mecoyeiwv, der aber nach der Inschrift u ' 
urtheilen nur religióse Functionen ausübte. 

Eine andre Vereinigung von Gemeinden wird man in der Cult- 
verbindung der Athene Pallenis erkennen dürfen.  Athenaeos (6 . 
235 A.) sagt: καὶ Θεμίεων δ᾽ ἐν παλληνίδι, ἐπιμελεῖςεθαι δὲ τὸν βα- 
ειἰλέα τὸν ἀεὶ Bacıkevovra καὶ τοὺς Παραείτους οὖς ἄν ἐκ τῶν - 
δήμων προαιρῶνται καὶ τοὺς γέροντας καὶ τὰς γυναῖκας τὰς πρω- 
τοπόςεις. Die ersten Worte dieser Stelle Θεμίςων δ᾽ ἐν ΤΤαλληνίδι, 
man mug sie. erklären, wie man will, zeigen deutlich, dass sich das 
Folgende auf den Dienst der Athene Pallenis bezieht. In diesem 







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λ 
G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 213 


Gesetze, dem νόμος τοῦ Bacık&wc nach Casaubonus (vergl. Müller 
fr. hist. gr. 4, 511), werden verschiedene Leute genannt, denen eine 
gewisse ἐπιμέλεια doch unzweifelhaft über den Tempel der Athene 
Pallenis übertragen wird. Unter diesen erwähnt das Gesetz τοὺς 
rapacírouc oDc ἄν ἐκ τῶν δήμων προαιρῶνται, also „die Parasiten, 
welche immer sie aus den Demen wählen“. Die Worte ἐκ τῶν δή- 
μων, auf sämmtliche attische Demen bezogen, würden überflüssig 
sein, da selbstverständlich jeder zu diesem Amte gewählte Athener 
einem Demos angehüren musste. Ich glaube deshalb, dass durch 
die Worte ἐκ τῶν δήμων diejenigen Demen bezeichnet werden, welche 
ursprünglich gemeinsam die Athene Pallenis verehrten. Die Sage 
von den Pallantiden (Plut. Thes. 13. Philoch. fr. 36) scheint auf 
eine solche engere Verbindung der Demen Pallene, Sphettos und 
Gargettos hinzuweisen. Nun werden uns bei demselben Athenaeos 
(6, 234 F.) als Dedicierende eines Weihgeschenkes für die Athene 
Pallenis genannt Παράεςειτοι Ἐπίλυκος (Λυκο)ςτράτου Γαρτήττιος, 
ἹΤερικλῆς ΤΠΕερικλείτου Πιτθεύς, Χαρῖνος Δημοχάρους Γαργήττιος. 
Nach dem oben Gesagten wtirde man berechtigt sein ausser Gargettos, 
einem Demos der Pallantiden, auch Fitthos zu diesem cultlichen 
Gemeindeverband der Athene Pallenis zu rechnen. Als uns bekannte 
Glieder dieser Cultverbindung würde man darnach ansetzen dürfen 
die Demen Gargettos, Pitthos, Sphettos und Pallene. 

Einen weitern cultlichen Gemeindeverband mit dem Dienste des 
Zeus Hekalos lernen wir aus Philochoros (Plut. Thes. 14) kennen, 
der uns berichtet: ἔθυον γὰρ '€xaMciov oi πέριξ δῆμοι cuvióvrec 
'Cxüp Διί. Für diese Demen bildete also das Heiligthum des Zeus 
den gemeinsamen religiósen Mittelpunct. Als ein Glied dieser Ver- 
einigung wird man des Namens wegen den Demos '€kóAr annehmen 
dürfen, der nach Plut. Thes. 14 auf dem Wege von Athen nach Mara- 
thon gelegen haben muss. Kallimachos, der die Sage von der Hekale 
in einem Gedichte behandelt hatte, erwühnte in demselben auch den 
Demos Τρινεμεία (Steph. Tpiveueic). Die Lage desselben an dem 
Hauptarme des Kephisos (Str. 400), wahrscheinlich beim heutigen 
Dorfe Bugiati (Boss, Demen 98), macht es nicht unwahrscheinlich, 
dass auch dieser Demos zu den πέριξ δῆμοι des Hekalesion ge- 
hört hat. 

Das Verhältniss, dass zwischen den Gliedern der einzelnen Ge- 
meindeverbünde bestand, war je nach der Art ihrer Vereinigung ge- 
wiss sehr verschieden. Wenn uns bei Plut. Thes. 13 berichtet wird, 
zwischen den Demen Hagnus und Pallene habe keine Epigamie be- 
standen, so werden wir diese Notiz vielleicht so verallgemeinern 
dürfen, dass überhaupt unter den einzelnen Komen, wenn sie nicht 
in einem Gemeindeverbande vereinigt waren, die Epigamie nicht 

Der in dem Vorhergehenden versuchte Nachweis von (remeinde- 
serbänden als Vorstufe des Synoikismos der Landschaft soll nicht 


210 G. Gilbert: Die altattisehe Komenverfasanng. 





dem hellenischen Volksstamm ausdrücken wollte.  Herodoi weis 
offenbar da, wo er (ἃ, 44; 7, 94) den Xuthos erwähnt, niehts vas 
einer Einwanderung desselben in Attika, und auch Euripides (Ion 63) 
kennt die spätere Fassung der Sage noch nicht, da er den Xutbos 
freilich für einen Einwanderer, aber für einen Achaer und für den 
Sohn des Aiolos hält. Die directe Herleitung des Xuthos aus The 
salien findet sich erst in splitern Quellen (vergl. Str. 383. Paus f, 
1. 2) und hier in einer Erweiterung der Stammgenealogie, die sich 
sogleich als sehr jungen Ursprungs erweisen wird. Da sich die Sage 
von Deukalion auch in Athen nachweisen lässt (Preller, griech. My. 
2. Aufl. 1. 65. A. 2), so war es für die ältere Fassung der Sage sehr 
leicht auch ohne die Annahme einer Einwanderung Xuthos direct an 
Deukalion anzuknüpfen. 

Zu der Annalıme von der Autochthonie des Xuthos in Attıka 
sind wir aber um so mehr berechtigt, als Herodot, wie wir eben ge- 
sehen haben, nicht blos stillschweigend dafür zeugt, sondern auch 
durch eine bestimmte Rücksichtnahme auf die Stammgenealogie eine 
andre Auffassung von derselben darbietet. Her. 1, 56 werden näm- 
lich die ionischen Athener mit den Pelasgern, die lakedaemonischea 
Dorier mit den Hellenen identificiert, die erstern werden als beständig ; 
in Attika wohnend dargestellt und nur die letztern durch ihren 
Stammheros Doros mit Deukalion und Phthiotis in Verbindung ge 
bracht. Damit hat sich aber Herodot, wenn auch nur indirect, 99 
doch bestimmt für die Autochthonie des Xuthos in Attiks aw- 
gesprochen, und auch Thukydides (1, 3) weiss nur ganz allgeme: 
von Hellen und seinen Söhnen in Phthiotis. 

Der Bericht, welcher Xuthos aus Thessalien nach Attika kom- 3 
men lüsst, bietet folgende Erweiterung der ursprünglichen Stamm- 
genealogie 

Xuthos 
Achaios Ion (Str. 383. Paus. 7, 1. 2). 

Dass diese Erweiterung nicht bereits zu der ursprünglichen 
Fassung der Stammpgenealogie gehört hat, ersieht man aus der w&- ; 
tern Ausführung der Sage bei Strabon (383) und Pausanias (1, 1. | 
2 fí.), die offenbar nur den Zweck hat, das Besitzrecht der Achaer : 
auf die Aigialeia zu legitimieren. Achaios ist der ältere Sohn des 
Xuthos, und ihm oder seinen Nachkommen gehört deshalb das Hetr- ' 
schaftsgebiet desselben. Die Wanderung der Ionier, aus der Aigiales ἢ Y 
von den Achaeern vertrieben, nach Attika motiviert die Sage als - 
Rückwanderung, und deshalb müssen Xuthos und Ion oder doch we- ' 
nigstens Ionier aus Attika früher in die Aigialeia eingewandert sein- 
Dass diese Sage von der Wanderung des Xuthos mit seinen Söhnen 
Achaios und Ton von Attika nach der Aigialeia und von der Hülf 
leistung des Ion von hier aus attischen Ursprungs nicht ist, wird von 
Herodot (7, 94) durch die Worte ὡς Ἕλληνες Aéyouci ausdrücklich . 
angedeutet. Nach attischer Sage wohnte Ion ruhig in Attika und 





G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 211 


führte die Athener im Kampfe gegen die Eleusinier an (Paus. 1, 
31.3). Wenn die weitere Ausführung der Sage in dem euripideischen 
Ion denselben zu einem Sohn des Apollon macht, an dessen ursprüng- 
licher Identität mit Xuthos gewiss nicht zu zweifeln ist (Müller, Dor. 1, 
239. 245. Proleg. 273. Schoemann opusc. ac. 1, 156 ff.), so spricht die- 
selbe durch seine Mutter, die autochthone Erechthidentochter Kreusa, 
ganz entschieden für die Autochthonie des Ion auf attischem Boden. 
Erkennt man aber in dem Xuthos den den ionischen Geschlechtern 
eigenthümlichen Apollon Patroos, so wird man auch in dem Ion 
kaum etwas andres als eine Doppelgestalt des Xuthos erblicken. Im 
Xuthos personificierte die Sage den ionischen Stamm Attikas in einem 
Epitheton seines Stammgottes, im Ion in der Personification des Stamın- 
namens. Beide Namen üben deshalb auch in der attischen Sagen- 
geschichte ähnliche Functionen. Xuthos unterstützt die Athener im 
Kampfe gegen die Chalkodontiden von Euboea (Eurip. Ion 57 ff.) 
und erhält zum Lohne dafür die Hand der Kreusa. Ion hilft den 
Athenern im Kriege mit den Eumolpiden (Str. 383. Harp. Suid. 
βοηδρόμια. Et. M. βοηδρομεῖν, βοηδρομιιύν. Con. nurr. 27) und wird 
dafür von denselben mit der Ordnung ihres Staatswesens beauftragt. 
Ein Unterschied zwischen beiden zeigt sich nur in der Oertlichkeit, 
wo die Sage localisiert ist. Xuthos gehört der Tetrapolis an, Ion 
der Stadt Athen. Die sagengeschichtliche älteste Gestalt von beiden 
ist unzweifelhaft schon wegen der Durchsichtigkeit des Namens des 
Ion Xuthos, und sein Wohnsitz, die Tetrapolis, muss als Heimat: dieser 
Sage gelten, von wo sie erst später aus Gründen, welche wir nach- 
her erörtern werden, nach der Stadt Athen übertragen ist. Ver- 
schiedene Spuren einer höchst schätzbaren Dementiberlieferung weisen 
darauf hin, dass auch der Name des Ion und seines Geschlechtes 
ursprünglich an der Ostküste Attikas heimisch war. 

Kephalos, der Enkel des Xuthos (Apollod. 1, 9. 3), ist der Held 
von Thorikos, denn bei Pherekyd. fr. 77 ist gewiss für ev τῇ Oo- 
pıewv ἐν Θορίκῳ zu lesen (vergl. Müller fr. hist. gr. 1, 20). Eben 
so weist auch die Notiz des Schol. Plat. Apol. p. 332. Λύκων μέντοι 
πατὴρ ἦν Αὐτολύκου, Ἴων (Ἰωνίδης Meier de gent. att. 47) γένος, 
δῆμον Θορίκιος auf eine Verbindung zwischen lon und Thorikos hin, 
und der Demos Ἰωνίδαι von unbekannter Lage (Ross, Demen 74) 
ist vielleicht in der Nähe von Thorikos zu localisieren. Potamos, 
zwischen Thorikos und Prasiai gelegen (Ross, Demen 92), rühmte 
sich das Grab des Ion zu besitzen (Paus. 1, 31. 3). Die Tetrapolis 
steht durch die Sage von Xuthos (Str. 383. Steph. Τετράπολις, Con. 
narr. 27) in Beziehung zu den Ioniern. Ein Sohn des Eponymen 
des Demos Gargettos, an der Südwestseite des Brilessos gelegen 
(Ross, Demen 53), der nach Elis auswanderte, führte den Namen 
Ion (Paus. 6, 22. 7). 

Wenn ee somit als erwiesen gelten darf, dass die Beziehungen 
εἴ Xuthos und Ion, die Repräsentanten des ionischen Stammes auf 


22() G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. | 


Aber selbst bei den einzelnen Stümmen der gleichen Nationalität 
sind gesonderte, durch die Natur ihrer Wohnsitze bestimmte Stamm- 
individualitäten nicht zu verkennen. Wie schon Hippokrates die 
kürperliche und moralische Ueberlegenheit der Gebirgsbewohner über 
die Bewohner der Ebene betont, so bestätigt vielleicht keine Ge- 
schichte mehr als die griechische die Richtigkeit dieser Beobachtung. 

Nirgends aber zeigt sich der (Gegensatz der einzelnen Volks 
individualitäten in der gesammten Charakterentwicklung bestimmter 
und ist naturgemässer, als in der Verschiedenheit der Bewohner des 
Binnenlandes und der Seeküste. Auch bei den Griechen tritt dieser 
Unterschied bestimmend hervor. Die ältesten geschichtlichen Spuren 
der Ionier weisen uns nach der Ostktiste der griechischen Halbinsel, 
und hier hat sich in der That unter dem Einfluss der von ihnen be 
wohnten Oertliehkeit die Absonderung der Ionier von dem Grund 
stock der griechischen Bevölkerung in Charakter und Sprache voll 
zogen. (iriechenland besitzt wegen der das Land nach allen seine 
Theilen durchziehenden Gebirge, wenn wir die thessalische und 
boeotische Tiefebene und einige grössere Flussthäler ausnehme, m 
keine grösseren anbaufähigen Strecken. Der Boden des Landes it 
wegen des Mangels an ausreichender Bewässerung ein magerer val. 
wenig fruehtbarer. Trotzdem gewährt die Milde des Klimas bs 
einigermassen eifriger Bearbeitung einen ziemlich reichen, wenn aud 
für den Bedarf einer dichten Bevölkerung bei weitem nicht ase 
reichenden Ertrag. Das Land fällt auf der Westseite in schrofse 
Klippen gegen das Meer ab oder bietet doch zum wenigsten ne 
einen schmalen durch Alluvion gebildeten hafenlosen Küstenssum; 
die Ostküste dagegen ist überreich an geräumigen Buchten und wt 
trefflichen von der Natur selbst gebildeten Häfen (Bursian, Geogt. 
v. Griechenl. 1, 5 ff. 

Die einwandernden Griechen richteten ihre Lebensgewohnheites 
nach der Natur der neuen Heimat ein. Die kantonale Gliederug 
des Landes steigerte die von Thukydides (1, 3) als der älteste 
Periode der griechischen Geschichte eigenthümlich erkannte ἀςθένεια 
καὶ aui&ía. Innerhalb der kantonalen Grenzen bildete sich ein engtt: 
Gesiehtskreis, und wegen der localen und gentilen Abschliessug: 
gegen fremde Elemente erhielt sich ein strenges Festhalten an dei 
althergebrachten Gewohnheiten. Die Natur des Bodens verlangi 
von seinen Anbauern eine angestrengte und energische Thätigkek: 
Deshalb erlahmten dieselben nicht in dem erschlaffenden Genus 
einer unthütigen Existenz, vielmehr wurden sie, sei es dass sie dem 
Gebirge. dureh. die Jagd oder dem Thale durch den Ackerbau ilm: 
Lebenshedürfnisse abgewannen, zu einem thätigen und sparsame’. 
Leben angehalten. Die Abhängigkeit der Ertragsfühigkeit des | 


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dens von den Einflüssen des Klimas leitete die Bewohner zu einer 
aufmerksamen Beobachtung der Natur. So bildete sich eine enge 
Wechselbeziebung zwischen dem Menschen und der Natur, und ia: 


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G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 221 


dem Bewusstsein von der Abhängigkeit seiner Existenz von den 
Kräften der Natur gewöhnte sich der Mensch dieselben als göttliche 
Wesen zu personificieren und zu verehren. Diese durch die Natur 
des Landes bedingten Eigenthümlichkeiten sind im wesentlichen bei 
den Binnenbewohnern Griechenlands die Grundzüge ihres Lebens und 
ihres Charakters geblieben. Denn die Küste hat auf das Leben und 
den Charakter ihrer Anwohner von neuem bestimmend eingewirkt. 
Ein eigentliches Seeleben vermochte sich aber der natürlichen Küsten- 
bildung entsprechend nur an der Ostseite der Landschaft zu ent- 
wickeln. Die griechischen Bewohner der Ostküste waren hier allen 
den Einflüssen ausgesetzt, denen sich überhaupt kein Küstenbewoh- 
ner zu entziehen vermag. Die See ist ein verbindendes, kein trennen- 
des Element; die durch die kantonale Abschliessung begünstigte 
Einseitigkeit des Charakters und der Sitten muss in dem Wechsel- 
verkehr mit Fremden und Stammverwandten sich durch den Aus- 
tausch geistiger Ideen zu einer freiern Lebensanschauung entwickeln, 
die man noch nicht berechtigt ist mit Cicero (de rep. 2, 4) eine 
corruptela ac demutatio morum zu nennen. Die Anwohner der See, 
sagt Cicero (a. a. O.), hängen nicht an ihren Sitzen, ihre Hoffnungen 
und Gedanken gehen in die Ferne, und selbst wenn sie mit ihren 
Körpern daheim bleiben, so verweilen sie doch im Geiste viel- 
fach in der Fremde. Dem Seefahrer ist die See, nicht die Küste 
seine Heimat, es wird ihm deshalb auch leichter als dem in allen 
Lebensgewohnheiten mit seiner Heimat verwachsenen Binnenbewoh- 
ner seinen Wohnsitz mit einem andern zu vertauschen. Die See mit 
ihrer unergründeten Wunderwelt hat einen unwiderstehlichen Reiz 
für den Anwohner derselben und füllt seine Phantasie mit den ver- 
lockendsten Bildern. Die See erzieht den Seefahrer durch die Noth 
und Gefahr, welche sie unvorbereitet heraufführt, zu einer vielge- 
wandten Erfindungsgabe, die allen diesen Gefahren zu begegnen weiss. 
Deshalb ist dem Küstenbewohner im Vergleich mit dem Binnen- 
länder eine grössere Beweglichkeit des Geistes und der Phantasie 
eigenthümlich. Gegenüber dem knappen und sparsamen Leben des 
Binnenländers entfaltet sich das des Küstenbewohners, der die Güter, 
welche er unter Gefahren gewonnen, nun auch in einem glücklichen 
Bichgehenlassen zu geniessen liebt, zu einer behaglichen Existenz. 
Nicht die Einflüsse der See an sich, sondern nur in ihren üussersten 
Consequenzen sind Verderben bringend für ihre Anwohner. Dann 
führt der Ideenaustausch mit fremden Elementen zu einer Denationa- 
lisierung der Küstenbewohner, dann macht die Liebe zur See den 
Seefahrer zu einem vaterlandslosen Irrfahrer, dann wird der viel- 

te Geist zu einem trügerischen und hinterlistigen, dann ent- 
srtet der behagliche Lebensgenuss in Ueppigkeit und Schwelgerei. 
Der oben entwickelte Charakter der Küstenbewohner entspricht dem 
historischen Charakter der Ionier. Wenn eine derartige naturgemässe 
liatwicklung der Seegriechen an der Ostküste der griechischen Halb- 


922 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


insel stattfinden musste, wenn dieser Charakterentwicklung die der 
Ionier genau entspricht, wenn endlich die ältesten Spuren der Ionier 
an dieser Küste sich nachweisen lassen, dann ist wie ich glaube die 
Annahme nicht zu gewagt, dass in der That die Ionier an der Ost 
küste Griechenlands unter dem Einflusse der See sich von dem, 
(irundstocke der griechischen Bevölkerung in ihrem Charakter ab ; 
gesondert und entwickelt haben. Wie lange die Ionier der grie 
chischen Ostktiste die guten und bösen Gaben der See genossen 
haben, darauf vermag die Geschichte keine Antwort zu geben. Wir 
wissen nur, dass die Kernvülker des griechischen Binnenlandes, als ; 
sie in der grossen Periode der Wanderung die neuen Staaten da 
Peloponnes gründeten, die Bewohner der Küste entweder als minder 
berechtigte Elemente in dieselben aufnahmen oder sie zur Auswar- 
derung zwangen. Die ionischen Bewohner der griechischen Küste. 
haben mit der dem Seefahrer eigenthümlichen Fähigkeit, sich i 
fremde Verhältnisse zu finden, in wiederholten Zügen die alte Heimat 
verlassen und an der ihnen gewiss schon von frühern Fahrten her 
bekannten Küste Kleinasiens eine neue begründet. Nur den Be 
wohnern Attikas, wo bereits die Elemente der Küste mit denen des 
Binnenlandes zu einem Staate vereinigt waren, gelang es den Ar 
prall der Dorier glücklich abzuwehren. 

Der Charakter und die Lebensgewohnheiten eines Volkes be: 
dingen auch seine Sprache. Der Dualismus des griechischen Volks 
&tammes spricht sich in seinen Mundarten aus. Denn, wenn aw 
die Alten tiber die Eintheilung der griechischen Dialekte selbst nick 
einig waren, so werden dieselben doch alle „von zwei bedeutendes 
Typen, der Awpic und der 'lác, zusammengehalten und behe 
(Bernhardy, Grundr. d. griech. Litt. I. Einl. 9), und man ist berede 
tigt, wegen der Uebereinstimmung der Doris und Aiolis in manche; 
alterthümlichen Formen und wegen der Verschiedenheit in diesen Fe 
men von der las (Ahrens, de gr. linguae dial. 2, 395 ff.) den dorisd-- 
aeolischen Dialekt in einen Gegensatz zu dem ionischen zu ael» 
Der dorisch-aeolischen Mundart bedienten sich die Bewohner ini 
Binnenlandes, der ionischen die der Küste. Wer, wie die griechisches : 
Binnenvülker, zu einem sparsamen und knappen Leben genöthigt μὲ, 3 
der wird auch in der Sprache sich nur das Nöthigste gestatten. 3 
Deshalb ist die Mundart des Doriers bündig und abkürzend in der: 
Formenlehre, praezis in der Wortbildung, und deshalb liebt sie «| 
sich in kurzen und übersichtlichen Sätzen auszusprechen (Bernhard, ἢ 
ἃ. ἃ. O. 10). Wer, wie die griechischen Küstenvölker, in behag-. j 
lichem Genusse eines heitern und reichen Lebens sich erfreut, der liebt . 
es in einer reichlichen und selbstzufriedenen Fülle seinen Gedanken 
Ausdruck zu geben. Deshalb besitzt der Dialekt des Ioniers eine’ 
Fülle verwandter Wortformen, und deshalb ergeht er sich gern in 
gemächlicher und breiter Rede. Das frühere Vorhandensein des 
ionischen Diulektes bei den Völkerschaften der Ostküste wird uns 


































mM —7 


G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 225 


An die Spuren der Phoenizier in Attika sind die der Karer, welche 
von Lassen (Zeitschr. d. dtsch. morgen]. Ges. 10, 380 ff), wie mir 
scheint, richtig als Semiten erkannt sind, unmittelbar anzureihen. 
Die von den Alten überlieferten Plünderungszüge der Karer in Attika, 
welche nach Philochoros sogar die Ursache für die Begründung der 
kekropischen Dodekapolis wurden (Str. 397. Steph. '€raxpía), wer- 
den auch einzelne karische Elemente in Attika selbst abgesetzt und 
zurückgelassen haben. Das Geschlecht des Isagoras z. B., über 
dessen Ursprung aber bereits Herodot (5, 66) nichts bestimmtes 
zu erfahren vermochte, werden wir wegen seiner Verehrung des 
Zeus Karios von diesen Elementen ableiten dürfen. 

Vermittler orientalischer Culte und Sitten sind auch die Kreter. 
Auch ihre Spuren treten uns in Attika entgegen. Denn abgesehen 
von den Beziehungen des Theseus zu Minos, so war auch Thorikos, 
an der Stelle des heutigen Theriko (Ross, Demen p. 72), eine An- 
fahrt kretischer Schiffer, wo Demeter, als Dos aus Kreta geraubt, 
auf attischem Boden gelandet sein will (Hom. hynın. in Cerer. 122 ff.). 
Prokris, die Gattin des Kephalos, der Helden von Thorikos, weist 
durch ihre Verbindung mit Minos gleichfalls auf kretische Einflüsse 
in Thorikos hin (Apollod. 3, 15. 1. Pherekyd. fr. 77). Wenn es in 
der Sage weiter heisst, dass Chalkinos und Daitos, die Nachkommen 
des Kephalos, der wegen Tödtung der Prokris von dem Areopag ver- 
urtheilt, Attika verlassen musste (vergl. Hellan. fr. 82) und nach 
Theben ging, im zehnten Geschlecht nach Attika zurückkehrten und 
von den Athenern zu ácroí gemacht wurden, so spricht auch das für 
eine Einwanderung der Kephaliden von Auswürts (Paus. 1, 37. 6. 7). 

Aber nicht blos die Einflüsse stammfremder Volkselemente sind 
für die Entwicklung des attischen Küstenlebens von Bedeutung ge- 
wesen, auch der Wechselverkehr mit den stammverwandten Küsten- 
vOlkern Griechenlands hat dieses Leben reicher und fruchtbarer ent- 
faltet. Wir fangen in der Aufzühlung dieser Beziehung einzelner 
Küstenpuncte Attikas mit andern Landschaften Griechenlands mit 
Elis an. Eine Beziehung zwischen dem Demos Gargettos und Elis 
spricht sich in der Sage aus, die Ion, den Sohn des Gargettos, aus Attika 
nach Elis kommen lässt (Paus. 6,22.7). Messenien, von wo, wie wir bald 
sehen werden, die Neleiden nach Attika kamen, leitete die Verehrung 
der grossen Götter durch den Athener Kaukon aus Eleusis her (Paus. 
4, 1. 5), und die Messenier von Kolonides hielten sich für attische 
Colonisten, die unter Führung des Kolainos dorthin gekommen waren 
(Paus. 4, 34. 8). Zwischen Argolis und Attika lassen sich verschie- 
dene Beziehungen nachweisen. Der Erechthide Orneus galt für den 
Eponym der argivischen Stadt Orneai (Paus. 2, 25. 6). Die Demen 
‚Sphettos in der Osthälfte Attikas, dessen Lage sich aber nicht ge- 
mauer nachweisen lässt (Ross, Demen 96), uud Anaphlystos an der 
heutigen Bucht von Anaphysos (Ross, Demen 61) hatten beide ihre 
Eponymen in zwei Söhnen des Troizen (Paus. 2, 30. 9). Pitheus 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. VII. Heft 2. 15 





228 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


(Kotpuvíbat) mit den Φιλιεῖς und TTepıdoidaı identificiert, was aber 
doch wohl nur für einen gemeinsamen Stammursprung zeugen kann. 
Mit ihnen eng verwandt waren die Krokonidai, zu deren Stammvater 
Krokon der Stammvater der Koironiden Koiron in dem Verhältniss eines 
γόθος ἀδελφός stand. Der Titel einer Rede des Lykurgos Κροκωνιδῶν 
διαδικαςία πρὸς Koipuvíbac, welche sich wahrscheinlich auf das Prie- 
sterthum des Dionysios Theoinos (Harp. Ocoívia) bezog, spricht gleich- 
falls für die Verwandtschaft beider Geschlechter. Wenn es bei Harp. 
(Korpwvidaı) heisst, die Krokonidai seien geehrter gewesen als die Koiro- 
nidai, so wird sich das in der Verwaltung dieses Priesterthumes ge- 
zeigt haben. Krokon galt für den König der Gegend bei den Rheitoi, 
wo noch zu Pausanias' Zeit seine βαςίλεια gezeigt wurde, und war 
nach der Dementradition von Skambonidai der Gemahl der Saisara, 
der Tochter des eleusinischen Keleos (Paus. 1, 38. 1. 2). Diese Be- 
ziehung zu Eleusis erklärt auch die andre Sage, welche den Krokon 
zu einem Sohn des Triptolemos gemacht hat (Bekker, Anecd. 273). 

In einer verwandtschaftlichen Verbindung mit den Koironidem 
stehen die Philaiden, welche ihr Geschlecht von Philaios, dem Sohne 
des salaminischen Aias ableiteten (Plut. Sol 10) — nach Paus. 1, 
35. 2 ist Philaios der Sohn des Eurysakes und der Enkel des Aias. 
Nach der Angabe des Steph. (Φιλαῖΐῖδαι) nämlich war Lyside die 
Stammutter der Philaiden, eine Tochter des Koronos und Enkelin 
des Lapithes. Dieselbe Verwandtschaft der Philaiden mit lapithischen 
Geschlechtern wird uns auch noch an einer andern Stelle bezeugt, 
Hippokleides, der Sohn des Tisandros, über den man die Stammtafel 
der Philaiden bei Pherekydes (fr. 20. Fr. hist. gr. 1, 73) vergleichem 
kann, der zuerst von Kleisthenes von Sikyon in Aussicht genommene 
Eidam, wird bei Her. 6, 128 τὸ ἀνέκαθεν voici ἐν Κορίνθῳ Κυψε- 
Alöncı Trpocnkwv genannt. Nun waren aber auch die Kypseliden 
ein lapithisches Geschlecht, wie es denn von Eetion, dem Vater des 
Kypselos, bei Her. 5, 92. 2 heisst tà ἀνέκαθεν AamíOnc τε xal 
Kaıveiönc, und deshalb wird man auch die attischen Philaiden zu 
den lapithischen Geschlechtern rechnen dürfen. Die Philaiden, deren 
Geschlechtsname sich in dem Demos Philaidai erhalten hat, siedeltem 


sich bei ihrer Ankunft in Attika zuerst in Brauron an (Plut Sol . 


10), wo sie hóchst wahrscheinlich Trüger des Dienstes der Artemis 
Brauronia waren (vergl. Suid. ἄρκτος). 
Die enge Verbindung, in welcher nach der Ueberlieferung die 


Eurysakiden mit den Philaiden standen — Eurysakes und Philaios | 


waren Brüder und Söhne des Aias — macht es wahrscheinlich, dass | 


auch diese ein lapithisches oder minyisches Geschlecht waren, das 
sich auf attischem Boden in Melite ansiedelte (Plut. Sol. 10). 
Die Euneidai, welche ihre Abkunft von Euneos, dem Sohne des 


Jason, ableiteten (Hesych. Εὐνεῖδαι), sprechen durch diese Ableitung. 


für ihren minyischen Ursprung. Dieselben hatten in Athen das Amt ἢ 


der Kitharoden und Herolde bei den gottesdienstlichen Pompen zu 


1 





G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 229 


verwalten (Harp. Εὐνεῖδαι. Poll. 8, 103. Hesych. a. a. O. Bosler, de 
gentib. et fam. Atticae sacerdot. p. 50. 51). 

Diejenigen Factoren, welche wir für die reichere Entfaltung des 
Lebens der Küstenbewohner im allgemeinen oben als massgebend 
kennen gelernt haben, die Einflüsse fremder Völkerschaften und den 
in Auswanderungen und Einwanderungen sich documentierenden 
Wechselverkehr mit verwandten Stämmen, muss man nach der so- 
eben gemachten Zusammenstellung auch in Attika als gegeben be- 
trachten. Es war nun aber nichts natürlicher, als dass die Bewohner 
der Küste — denn im wesentlichen blieben zunächst auf die Küste 
diese Einwirkungen beschrünkt — zu denen des attischen Binnen- 
landes sich bald in einem entschiedenen Gegensatz befanden. With- 
rend der Bewohner der Mesogaia einfach in seinen Sitten, treu 
seinen altväterlichen Gewohnheiten, voll geraden  Biedersinnes 
friedlich seinen Acker bebaute, fuhr der Küstenbewohner auf zer- 
brechlichem Fahrzeug zum Handel und Raub in die gefahrenreiche 
See oder musste den fremden Anlandern an seiner eignen Küste, die 
in gleicher Absicht kamen, zu begegnen wissen. Die Einfachheit der 
Sitten kann sich in einem solchen Wechselverkehr nicht erhalten, 
der Küstenbewohner wird ein Nachahmer fremder Gebräuche, der 
einfache Sinn verwandelt sich in diesem wechselvollen Wettkampf 
um Erwerb und Gewinn in einen listenreichen und trügerischen, wo 
die Gewalt nichts vermag, da sucht glatte, gewandte Rede auf Um- 
wegen zum Ziele zu gelangen. Es ist dies im wesentlichen eine 
gleiche Charakteristik, wie sie Dikaearch (fr. 59, 4. Fr. hist. gr. 2, 
255) von den beiden Elementen der attischen Bevölkerung, den At- 
tikern und Athenern, entwirft. Die Attiker sind geschwätzig, trügerisch 
und Nachahmer fremder Sitten, die Athener grossherzig, einfach in 
ihren Sitten und treu. 

Wenn diese Bemerkung des Dikaearch etwas mehr sein soll, als 
ein Gegensatz von Worten, so wird man den Unterschied zwischen 
den Atükern und Athenern am richtigsten durch die Verschiedenheit 
des Land- und Seelebens erklüren, der wirklich die von Dikaearch 
geschilderten Eigenschaften begünstigt, und man wird noch in dieser 
Zweitheilung den Gegensatz des ionischen Küstenbewohners zu dem 
altattischen Binnenautochthonen erkennen. Es ist das derselbe Gegen- 
saiz, welcher uns in der attischen Geschichte wiederholt entgegen- 
tritt, hier nur in dem Antagonismus des altattischen Wesens gegen 
das ionische genauer formuliert. 

Herodot berichtet uns an zwei Stellen (5, 69; 1. 143) seiner 
Geschichte, dass die Athener sich geschümt hütten, Ionier genannt 
zu werden. Die Gründe, welche er dafür anführt, sind rein subjec- 
ver Natur. Denn wenn er 1, 143 sagt, die Athener wollten nicht 
lenier genannt werden, weil diese der schwüchste und unbedeutendste 
aller griechischen Volksstimme waren, so ist das eine vollständige 
Umkehrung der thatsächlichen Verhältnisse. Und wenn nach Her. 








G. Gilbert: Die altattische Komenverfaasung. 239 


Tetrapolis fanden wir die ältere Doppelgestalt desselben, den Xuthos. 
Ion, der Sohn des Xuthos, ist eine Wiedergeburt derselben Gestalt. 
auf dem athenischen Stadtterrain. Hier erscheint er als Sohn des 
mit dem Xuthos identischen Apollon gleichfalls in enger Beziehung 
zur Tetrapolis. Denn wenn auch die Sage denselben, der freilich zu 
Athen geboren wurde, als er erwachsen war, von Delphoi, wohin ihn 
Hermes als Kind gebracht hatte, nach Athen kommen lässt, so scheint 
doch die Alterthümlichkeit des Apolloncultes innerhalb der Tetra- 
polis ihn, den Träger desselben auf athenischem Stadtterrain, für sich 
in Anspruch zu nehmen. Marathon führte seinen Namen von einem 
Sohne des Apollon (Suid. Μαραθών. Paus. 1, 32. 4. Philostr. vit. 
Soph. 2, 1). Die Cultverbindungen zwischen Athen und den apolli- 
nischen Heiligthümern von Delos und Delphoi hatten ihren Weg, 
wie gleichfalls bereits früher erórtert wurde, noch in historischer 
Zeit über Marathon und Oinoe. Das Pythion sowohl wie das Del- 
phinion lagen in Athen innerhalb des Gebietes der Helikongemeinde 
(Bursian, Geogr. v. Griechenl. 1, 802), wo wir auch sonst Beziehungen 
auf die Küste der Landschaft gefunden haben. So glaube ich dürfen 
wir mit Recht in dem Ion einen Repräsentanten jener ionischen 
Küstenbewohner erkennen, die mit ihrer Ansiedlung auf dem athe- 
nischen Stadtterrain auch ihre Culte dorthin übertragen haben. 

Eine ühnliche Gestalt in der attischen Sage ist Theseus. Als 
derselbe zuerst die Stadt Athen betrat, da wird uns seine äussere 
Erscheinung von der Sage mit folgenden Worten geschildert: oia δὲ 
χιτῶνα ἔχοντος αὐτοῦ ποδήρη καὶ πεπλεγμένης ἐς eümpeméc oi 
τῆς κόμης (Paus. 1, 19. 1). In langem Schleppgewande also, dem 
ionischen Chiton, das Haar auf dem Haupte in den ionischen xpw- 
βύλος zusammengeflochten, so erschien Theseus bei seiner ersten 
Ankunft in Athen und kennzeichnet sich dadurch hinlängliah als 
Ionier (vgl. Stephani Thes. u. Minotaur. 1 f). Auch die Götter, welche 
Theseus verehrt, sind ionische, d. ἢ. die Gottheiten von Küsten- 
bewohnern, Poseidon und Apollon Delphinios. 

Der apollinischen Doppelgestalt des Xuthos-Ion entspricht genau 
die poseidonische des Aigeus-Theseus. Wie Xuthos der heroisierte A pol- 
lon, so ist Aigeus, nur nach attischer Sage der Vater des Theseus, wüh- 
rend es nach troizenischer Poseidon selbst ist (Plut. Thes. 6) — man 
denke an den Ποςειδῶν Αἰγαῖος bei Pherekydes fr. 115 — der heroi- 
sierte Poseidon (vgl. Müller, Dor. 1. 240). AlsSohn des Poseidon steht 
Theseus in enger Beziehung zu diesem Gotte. Er ist Begründer der die- 
sem Gotte geweihten Isthmien (Plut. Thes. 25), und ihm wie dem Posei- 
‘ don ist der achte Tag des Monats heilig (Thes. 36). Aber auch zu 
dem Apollon Delphinios, dem Gotte der Ionier (Str. 179), steht Theseus 
im enger Beziehung. Er opfert dem Apollon Delphinios den mara- 
fhonischen Stier (Plut. Thes. 14), erscheint als Bittflehender vor der 
Abfahrt nach Kreta im Tempel desselben (Thes. 18), bringt ihm auf 
der Rückfahrt von Kreta in Delos seine Huldigung dar (Thes’ 21), 








G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 231 


glaube ich spricht auch der pylische sowohl, wie minyische Ursprung 
der Melanthiden für ihre Zugehürigkeit zu dem ionischen Stamm. 
In dem schon oben citierten Bericht des Synkellos haben die Melan- 
thiden in Attika das Fest der Apaturien eingeführt, an welchem die 
neuen Aufnahmen in die Phratrien stattfanden (Hermann, gottesd. 
Alterth. 8. 56. 29 ff). Wenn nun auch in Kleinasien die Apaturien 
das charakteristische Fest der ionischen Städte waren — nur Ephesos 
und Kolophon feierten dasselbe nicht κατὰ φόνου τινὰ εκῆψιν (Her. 
1, 147) —, so scheint auch das für den ionischen Ursprung der 
Melanthiden, der Begründer dieses Festes, zu zeugen. So bestätigt 
sich auch hieraus für uns die schon früher gewonnene Ueberzeugung, 
dass die Minyer dem ionischen Stamm zuzuzählen sind, und die An- 
nahme gewinnt, wie ich glaube, eine entschiedene Berechtigung, dass 
von der Erlangung der attischen Königswürde durch das minyische 
Geschlecht der Melanthiden der Beginn der ionischen Periode für 
Attika zu datieren ist. 

An das Mächtigwerden der Ionier in Attika knüpft die Ueber- 
lieferung die Einführung der vier ionischen Phylen und den Synoi- 
kismos der Landschaft, indem sie jene von Ion ausgehen, diesen 
durch Theseus stattfinden lässt. Die gesammte attische Tradition 
leitet nämlich die Namen der vier Phylen von den Namen der Söhne 
des Ion ab. So heisst es bei Her. 5, 66 τῶν Ἴωνος παίδων Te- 
λέοντος καὶ Αἰτικόρεος καὶ Apyadew καὶ “Ὅπλητος ἀπαλλάξας τὰς 
ἐπωνυμίας. Bei Euripides (Ion 1575 ff.) werden die Eponymen der 
vier Phylen gleichfalls die Sóhne des Ion genannt. Nach Plutarch 

Sol 23) ist die gewöhnliche Ableitung der Phylennamen ἀπὸ τῶν 
luvoc υἱῶν. Bei Pollux (8, 109) findet sich dieselbe Herleitung 
ἀπὸ τῶν Ἴωνος παίδων. Stephanos (Aiyıxöpewc) leitet den Namen 
der Aigikoreis zwar nicht von einem Sohne des Ion ab, bezeichnet 
aber die Phylen als eine Einrichtung des Ion: φυλὴ παλαιά, μία 
τῶν teccápuv τῶν ἀπὸ Ἴωνος, und auch Strabon (383) führt die 
Phylenordnung auf Ion, den er zugleich den Begründer der attischen 
πολιτεία nennt, zurück. Wir haben in dem Eingange dieser Unter- 
suchung nachzuweisen gesucht, dass sich Beweise für das ursprüng- 
liche Vorhandensein dieser Phylen auf attischem Gebiet durch locale 
Beziehungen derselben auf einzelne Theile der Landschaft nicht er- 
bringen lassen. Wenn nun die gesammte Tradition des Alterthums 
diese vier Phylen von Ion ableitet, der nach Her. 8, 44 doch erst 
der Heprüsentant der vierten Periode der athenischen Geschichte 
ist, so müssen dieselben nach dieser Auffassung doch ursprünglich 
in Attika nicht vorhanden gewesen sein, sondern sind erst mit dem 
Beginn der ionischen Periode eingeführt worden. 

Der von Philippi (a. a. Ὁ. 276 ff.) geführte Beweis, dass die 
vier attischen Phylen keine Kasten, sondern Adelsstimme gewesen 
seien, gilt erst von der Zeit an, wo dieselben über ganz Attika aus- 
gedehnt wurden. Ursprünglich sind nach meiner Auffassung die 








240 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


siedlung dieser dachte sich Thukydides unzweifelhaft die Erweiterung 
der alten Stadt erfolgt. 

Eine Ergünzung erhült der Bericht des Thukydides durch Phi- 
lochoros, dessen Angaben uns bei Plut. Thes. 24. 25. 32 erhalten 
sind (Philolog. 1873. p. 60 f£). Besonders interessant bei demselben 
ist die Art und Weise, wie Theseus diesen Synoikismos bewerkstelligt. 
Theseus überredete die Attiker zu dieser Vereinigung κατὰ δήμους 
καὶ γένη; die Armen und Geringen liessen sich bereitwillig auf seine 
Vorschläge ein, die Vornehmen und Mächtigen gaben widerstrebend 
aus Furcht vor Gewalt nach. Dass sich auch Philochoros mit dem 
Synoikismos eine Uebersiedlung einzelner Geschlechter nach Athen 
verbunden dachte, ersieht man aus dem Bericht über die Reaction 
des Menestheus (Plut. Thes. 32). In Beziehung auf die κατὰ δῆμον 
εὐπατρίδαι, welche die ἀρχή und Bacıkeia in den einzelnen Komen 
besessen hatten, wird von Theseus gesagt εἰς ἐν ἄςτυ cuveipEavra 
πάντας. Wenn dagegen Menestheus von den Nichteupatriden sagt: 
ἔργῳ δὲ ἀπεςτερημένους πατρίδων καὶ ἱερῶν, ὅπως ἀντὶ πολλῶν 
καὶ ἀγαθῶν καὶ γνηείων βαειλέων πρὸς ἕνα δεςεπότην ἔπηλυν καὶ 
ξένον ἀποβλέπωςι, so soll das offenbar nichts weiter heissen, ads 
dass diese ruhig auf dem Lande in ihren alten Wohnsitzen weiter 
lebten und nur insofern ihrer Heimat und ihrer Heiligthtümer be- 
raubt waren, dass den einzelnen Komen ihre politische Selbständig- 
keit genommen und die Regierung des Landes in Athen oentralisiert 
war. Dass aber auch von den Nichteupatriden einzelne nach Athm 
übersiedelten, ersieht man aus der weitern Angabe des Philochoros _ 
bei Plut. Thes. 25 ἔτι δὲ μᾶλλον αὐξῆςαι τὴν πόλιν βουλόμενος ᾿ 
ἐκάλει πάντας ἐπὶ τοῖς lcoic καὶ τὸ δεῦρ᾽ ἴτε πάντες λεὼ κήρυγμᾷ . 
Oncéuc γενέεθαι φαςὶ πανδημίαν τινὰ καθιςτάντος. Das ἐπὶ τοῖς - 
icoıc an dieser Stelle kann sich, da Theseus gleich darauf der Am- | 
ordner der drei politischen Stände, der Eupatriden, Georgen und 
Demiurgen, genannt wird, nicht auf einen gleichen Rechtszustand 
der gesammten Bevölkerung beziehen, sondern ist so zu verstehen, ᾿ 
dass die Zuwanderer dieselben Rechte wie die alten Bewohner er- 
halten sollten, d. h. eupatridische, wenn sie Eupatriden, georgisehe, 
wenn sie Georgen, demiurgische, wenn sie Demiurgen waren. 

Es ergiebt sich somit eine vollstündige Uebereinstimmung 
zwischen Thukydides und Philochoros in der Auffassung des attischeg - 
Synoikismos. Beide dachten sich den Synoikismos als die Beseitigung - 
der einzelnen Komenregierungen und die Unterordnung der KEinsel- : 
gemeinden unter die Beschlüsse des πρυτανεῖον und βουλευτήριον -- 
zu Athen, verbunden mit einer Uebersiedlung einer grössern oder - 
geringern Anzahl von Attikern nach der neuen Hauptstadt des Landes. . 
Der einzige Unterschied zwischen beiden zeigt sich in der Bezeieh- | 
nung des Festes, das zur Feier des Synoikismos begangen wurde. ; 
Bei Thukydides lauten die darauf bezüglichen Worte: καὶ ξυνοίκια ' 
ἐξ ἐκείνου ᾿Αθηναῖοι ἔτι καὶ νῦν τῇ θεῷ ἑορτὴν δημοτελῇ ποιοῦκι: 








244 G. Gilbert: Die altattische Komenverfassung. 


Thütigkeit durch den Zusammenfluss der Eupatriden in Athen em 
ergiebiges Feld des Erwerbes. Durch die Bodenbeschaffenheit der 
Gegend nördlich und nordwestlich von der Akropolis, welche eine zur 
Herstellung von thönernen Gefüssen ganz besonders geeignete Erde 
darbot, mussten sich besonders die Töpfer, deren Thätigkeit sich 
auch an andern Puncten Attikas nachweisen lässt (Suid. Κωλιάδος 
xepaufjec), zu Uebersiedlung nach Athen veranlasst fühlen. Ich ver- 
muthe deshalb, dass sich zur Zeit des theseischen Synoikismos ausser 
andern Demiurgen — auch die Metallarbeiter lassen sich hier nach. 
weisen (Wachsmuth im N. Rhein. M. 2, 8 f) — vorzüglich die 
Töpfer nördlich und nordwestlich von der Akropolis niederliesen 
und hier den Demos der Kepaueic oder den Κεραμεικός begründeten. 
Die eupatridischen Geschlechter waren im wesentlichen in dem Um- 
kreis der alten Stadt angesiedelt worden, der demiurgische Deme 
Kerameikos gewann dem Umfange der alten Stadt ein neues Gebiet 
hinzu. So konnte Thukydides (2, 15) mit Recht von dem Synoikis 
mos des Theseus eine neue Epoche der Stadt Athen, eine Erweite- 
rung ihrer Grenzen datieren. 

Die Erinnerung an den Synoikismos der Landschaft und die 
Uebersiedlung der Eupatriden nach Athen, die grosse That de 
ionischen Geschlechter, erhielt sich in dem alljährlich am sechzehnten 
Tage des Hekatombaion begangenen Feste der Meroixıa. 

Die Resultate, welche wir in der vorhergehenden Untersuchung 
aus der attischen Ueberlieferung für die ältesten Zustände der Land- 
schaft gewonnen haben, lassen sich ungefähr in folgenden Sätzen 
zusammenfassen. Wie das übrige Hellas, so war auch Attika in der 
ältesten Zeit von einzelnen Komen besiedelt, die entweder als selbet- 
ständige politische Gemeinwesen für sich existierten oder bei einer 
mehr fortgeschrittenen Entwicklung mit andern Komen Gemeinde | 
verbünde bildeten. Unterdessen hatte sich an der attischen Küste ! 
unter dem Einflusse der See eine Bevölkerung entwickelt, welche, * 
mit den sämmtlichen Bewohnern der griechischen Ostktüste eines 
Charakters, sich vor den attischen Binnenländern durch eine höhe : 
politische und cultliche Entwicklung auszeichnete. Diese ionisches 2 
Volkselemente haben alsdann von der Küste aus durch Uebersiedlung : 
einzelner Colonien auf das spätere athenische Stadtterrain sich de 
πεδίον bemächtigt und von hier aus die Landschaft synoikisierk : 
Dieser Synoikismos wurde auf die Weise bewirkt, dass man den em ...: 
zelnen Komen ihre politische Selbständigkeit nahm und die Eupstri . 
den derselben nach Athen metoikisierte, wo sie, von den loniern ia 
die aus Kasten zu Adelsstümmen gewordenen Phylen aufgenomme..; 
mit diesen unter einem ionischen Königsgeschlechte die Regierung 
der Landschaft leiteten. 





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246 G. Gilbert: Nachtrag zu p. 196. 





















welche ich hier verweise. Ναύκραρος geht nach dieser Auseinander- 
setzung zurück in seinem ersten Theile auf ναῦς, in seinem zweiten: 
auf die Wurzel καρ, die sich in κραίνω zeigt. Ein vauxpapoc ist 
also derjenige, welcher ein Schiff herstellt. Nach dem Zustande der: 
attischen Flotte kurz vor dem Beginn der Perserkriege zu urtheilen, 
wird man aber die Einrichtungen zur Begründung einer Kriegsfloti^ 
schwerlich über die Zeit des Solon hinaufdatieren dürfen. Deshalb; 
stehe ich auch nicht an, wie das oben geschehen ist, dem Zeugnisse. 
des Aristoteles vor dem des Herodot den Vorzug zu geben und dem’ 
Solon, der auch nach Wecklein (p. 47. 35) aus den ursprünglichen’ 
Naukrarien eine Art von Symmorien gemacht haben soll, die Ein: 
richtung der Naukrarien zuzuschreiben. Den altathenischen Stasür 
rath Wecklein's, den man durch diese Annahme verliert, wird maa. 
nach der meisterhaften Ausführung von Ludwig Lange über dis 
Namensbedeutung der Epheten, deren vordrakontische Existenz Weck- 
lein (p. 12 ff) erwiesen hat, in den Epheten, die ihrer Namens 
bedeutung als oi ἐπὶ τοῖς ἔταις ὄντες die Vorsteher der Eupatriden. 
bezeichnen, wiederfinden. (Lange, de ephetarum Atheniensium 
nomine.) Der Irrthum Herodots aber in Bezug auf die vorsolonische 
Existenz der Naukraren wird sich so erklären, dass derselbe ähnlich, 
wie er den Polemarchen in der Schlacht bei Marathon erloost sein 
lässt (vergl. Lugebil in d. 5. Supplementb. dieser Jahrb. p. 564 ft). 
einen offenbar auch ihm bereits als alt bekannten Zustand in ein noch 
höheres Alterthum zurückdatierte. 





256 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 


reinen Minuskel geltenden Regeln ausgehend wurde die Untersuchung 
mittelst Vergleichung der in Frage stehenden Hs. mit Facsimilien 
durchgeführt, deren Schreibezeit aufs Jahr oder doch annähernd 
feststeht, besonders mit 


«a. Schrifttafeln der Mon. Germ. im III. Heft. Taf. 5. 7. 8 und δὰ. 


SS. xx. Taf. 1 (citirt SSt. οἷο.) 
b. Wailly, éléments de Paléographie Planche VI. (citirt W. 
VI. etc.) 
c. Sickel, Mon. graphica fasc. VIII. t. XV, f. VIII. t. XVI, αὶ 
IV. t. X, f. IV. t. XII (citirt Mgr. %5, 94, ete.) auch wurde bei jedem 
Citat die Schreibezeit des angeführten Facsimiles beigeschrieben. — 
a. In Hs. (d. i. das Facsimile der zu untersuchenden Handschrift) 
Schaft nicht umgeschlagen ?, wie Mgr. “%,, (S. XII b), son- 
dern eher wie SSt. (s. X b) und Mgr. ὅς (1143), doch ist die 
auf dem Beiblatte aufgezeichnete Form à im 12. Jahrhundert 
ziemlich häufig, so bei W. VI. 5 (1114) W. VI. 7 (a. 1179) 
Mgr. */, (c. 1200). 
b. d. 1. Die kurzen keilförmigen Schüfte gehen vom 10. bis in's 
12. Jhdt. durch. Vgl. SSt. (s. X b) bis Mgr. *4, (s. XII b) 
d. (!) erscheint in Hs. in 2 Formen, nämlich in der der minuscula 
erecta und der seit dem 11.Jhdt. in die Minuskelschrift auf- 
genommenen Uncialform ὃ mit halbliegendem Schaft. Dem- 
nach ausgeschlossen das 10. Jhdt., vgl. 8St. (s. X b) wo ὃ 
nur conventionell als Zahlzeichen für 500, ebenso fehlt δὲ 
W. VI. 2. (X b) W. VI. 3 (1009) und W. VL 4 (1030), 
häufiger, nachdem vereinzelt in Mgr. ?/, (s. XI), in Mgr. 9, 


(1143), während Mgr. */, (s. XII b) und auch W. VI. 5. (1114) 7 


schon die spätere gedrückte Form aufweisen. 





ii. erscheint in Hs. ohne Striche darliber, die erst im Laufe des ᾿ 


12. Jhdts. aufkommen; auch SSt. IIL 7. 1. (1100—1106) . 


hat die Striche noch nicht, die aber schon in SSt. III. 8. 2. 
(1127), Mgr. ὅς (1143) Mgr. 5/4, (c. 1200) etc. vorkommen. 
ii. Dieses Kriterium, wenngleich nicht immer zwingend, is 
doch bei Annahme einer entsprechenden Zeitamplitüde heras- 
zuziehen. 

k. in Hs. offen, wie bis zum Anfange des 12. Jhdts. nachweisbar: 
SSt. (s. X b), Mgr. 94, (s. XI), Stt. III. 5. 1. (Ende s. XI) 
und SSt. III. 5. 3. (1099, 1104); schon geschlossen in Mgr. 
9/5 (1143) und ausnahmsweise geöffnet W. VI. 7. (ante 1179). 

m. n. hat Hs. mit Grenzstrich am letzten Schaft wie noch nicht 
SSt. (s. Xb) u. W. VI. 4 (1030), jedoch schon Mgr. 5, 
(s. XI), W. VI. 5 (1114) etc. 

p. 4. erscheinen in Hs. häufig mit Grenzstrich versehen p, 4, wie 
noch nicht 88t. (X b) und Mgr. %,, (s. XI) (wo nur sehr ver- 
einzelt), jedoch schon durchgehends in W. VI. 6 (1138) Mgr. 
ὅς (1143) etc. 


958 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 


unterscheiden, und zwar um so schwerer, da die Zahl bestimmt da- 
tierter Handschriften sehr gering ist (die hiesige Hofbibliothek z.B. 
besitzt aus der Zeit von 1000 —1130 nicht einen einzigen Codex mit 
bestimmter Altersangabe) Wir müssen da zur Vergleichung die 
Schrift von datierten Urkunden herbeiziehen, obwohl wir wissen, dass 
die Entwicklung der für Urkunden verwendeten Schrift nicht immer 
mit der der Schrift der Codices gleichen Schritt gehalten hat. Am 
ehesten kann man noch Urkundenschrift und Codicesschrift aus gle- 
chem Schriftgebiet zusammenstellen; aber dazu gehört, dass man die 
Herkunft einer Handschrift kennt. Aus diesen Gründen halte ich 
es für gewagt, aus dem Schriftcharakter allein auf eine enger be- 
grenzte Periode schliessen zu wollen, und gehe auch in dem vorlie- 
genden Falle nicht weiter als bis zur Zeitbestimmung c. a. 1100 oder 
s. XII incip. T h. Sickel. 


Indem ich meinen Dank für die eingehende Behandlung der 
Frage wiederhole, sei es mir erlaubt, einiges zu diesen Gutachten 
hinzuzufügen: 

Herr Dr. Fournier sagt, dass die d-Form mit halbliegendem 
Schaft in der Minuskel erst seit dem 11. Jahrhundert vorkomme, 
daher für die Handschrift das 10. Jahrhundert ausgeschlossen sei 
Nun aber habe ich das d sowohl mit halbliegendem als auch mit 
ganz horizontalem Schaft in gedrückter Form (welche letztere 
Dr. Fournier in das 12. Jahrhundert verlegt) schon in Handschriften 
des 9. und 10. Jahrhunderts gefunden (vrgl. in den Tafeln zu den 
Mon. Germ. Heft I. zu Band IT. Taf. 3 in Ratperti casus St. Galli 
vom Ende des 9. Jahrhunderts beide Formen: die halbschrüge und 
ganz gedrückte; letztere ebendaselbst Heft I. zu Band II. Taf. 6, 
Nr. 1 im Antiphonarium St. Galli; endlich die halbschrüge Form 
ebendaselbst Heft IT. zu Band III. Taf. 2 im Chron. Casinense Es 
lassen sich noch fernere Beispiele beibringen) Demnach kann diese 
Form des d unsere Handschrift nicht aus dem 10 Jahrhundert aus- 
schliessen. 

Nur die runde Form des Schluss-s lässt das 10. Jahrhundert 
nicht zu. Wihrend dies aber in der ersten Hand, deren Facsimili$ 
den Herren Sickel und Fournier vorlagen, häufiger vorkommt, findet 
es sich in den Händen Nr. 3, 4 und 5 äusserst selten, welche letztere 
im günstigsten Falle rleichzeitig mit Nr. 1 sind. In Nr..3 kommt 
s am Schluss nur über der Zeile als Anhüngsel des vorhergehenden 
Buchstabens, und dies sehr selten, vor. Dasselbe gilt von Nr. 5 mit 
Einschluss des Abschnittes aus Eutrop; und unter den 12 Füllen in 
dieser Hand findet 6 mal die Verbindung von v und s statt, ἄστεα 
Vorkommen Dr. Fournier dem Anfang des 11. Jahrhunderts zuschreibt. 
In Nr. 4 findet sich nur 4 mal ein auf der Zeile stehendes, die Mi- 
nuskel aber weit überragendes Schluss-s, und zwar 3 mal am Ende 
der Zeile, nur bei praeceps (Fol. 48. a) in der Mitte derselben. — 


nias mo. 


- PET PC A on nn 








264 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 


Soweit die bei R allein befindlichen hauptsächlicheren Textes 
erweiterungen der ersten drei Hände bis Jug. 62. 8: imperandum. 

Es folgen die Auslassungen, welche im selben Abschnitt allem 
R aufweist. 

Cat. 14. 5: molles [etiam] et fluxi. — [—] fehlt in R, während 
P P! es haben; die andren guten sammt DB: molles aefute et fluxi.— 
Die Lesart von R ist schon von Jordan durch Conjectur gefunden, 
und somit hat R hier die einzige echte Tradition bewahrt. 

Cat. 20. 9: quae quousque [tandem] patiemini. — So R mit 
Auslassung des fundem gegen alle andren Handschriften. Sollte 
landem nicht als Reminiscenz an Ciceros erste Catilinaria in den 
Text gekommen sein? Es will mich bedünken, als ob R recht habe. 

Jug. 1. 4: suam quisque culpam [auctores] ad negotia trans 
ferunt. — auctores findet sich bei B T I, actores bei den übrigen. R 
und g^ lassen das Wort aus. Die Autorität von g? war zu gering, 
um den Ausfall von Bedeutung zu machen; die Uebereinstimmung 
mit R macht den Umstand gewichtiger. Der Satz ist eine Ergän- 
zung zum Vorhergehenden: ubi per socordiam uires tempus ingenium 
diffluxere naturae infirmitas accusatur. Was hat nun der Ausdruck 
auctores oder acfores zu bedeuten? Es heisst: seine eigene Schuld 
trägt jeder in seinen Beruf mit hinein. Durch das emphatisch voran- | 
gestellte uam. wird gerade darauf hingewiesen, dass die eigene Schul 
gemeint sei. Daneben steht auctores. Dies bedeutet „die Urheber" : 
natürlich der Schuld, oder actores „die Thüter". Der Begriff aber 
ist ja völlig überflüssig nach dem betonten ,,s«am quisque culpam". 
Aber, kann man sagen, er ist nothwendig um des folgenden „trans- 
ferunt", der pluralen Form, willen. Nothwendig nicht; auctores ist. ^ 
Apposition zum gedachten Subject „sie“, „die Menschen"; also kann . 
es fehlen, ohne dass dadurch der Plural anfechtbar wäre; es ist ebem 
eine constructio κατὰ cüveciv. Auctores oder actores wäre also sehr 
pleonastisch und schleppend. Wie, wenn es als Glosse zu trans 
ferunt um des Plurals willen hinzugesetzt wäre? Die Sache ist nicht 
unwahrscheinlich, und die Autorität von R bestätigt sie. Die Fach- 
genossen mögen entscheiden. 

Jug. 10. 8: Vos [autem] Adherbal et Hiempsal colite — hune 
uirum. — autem fehlt in R und ist wohl in Folge des gleichen An- 
fangsbuchstabens mit Adherbal ausgefallen. 

Jug. 17. 3: In diuisione orbis terrae plerique in parte tertia 
Áfricam posuere, pauci tantummodo Asiam et Europam [esse], sed 
Africam in Europa. — Das eingeklammerte esse fehlt allein in B; ein 
zweites setzen an's Ende des ganzen Satzes E T. An und für sich 
kann der Ausfall eines esse eben so erklärlich als geringfügig sein. : 
Allein mich will bedünken, dass es hier fehlen müsse. Das Zeitwort, « 
von dem der ganze Satz abhängig ist, ist posuere. Die Construction 
des Zeitworts ist die rein locale im ursprünglichen Sinne desselben. 
Der Sinn an dieser Stelle aber ist ein übertragener, gleich unserem 





266 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 



















Anrücken des Feindes anzudeuten; daher die Furcht und die Ne 
gung zur Flucht. Ist unter diesen Umständen inprudentia das ge 
eignete Wort, welches die Flucht begründen sollte? Mir scheint e 
nicht. Mangel an Vorsicht und Umsicht war nicht bei den Römers 
vorhanden; Urtheilslosigkeit war auch nicht denselben vorzuwer- 
fen, da sie in völliger Unkenntniss der Verhältnisse waren. „Inse- 
tia^ oder ,ignorantia rerum" würde eher am Platze sein. Sollte 
Sallust nicht wählerischer mit dem Ausdruck verfahren sein? Er 
braucht auch sonst imprudentia nicht in der hier bedingten Beden- : 
tung; Hist. 4. 16. 15 ist damit in Wahrheit Mangel an Urtheil ge- 
meint. 

Ist es unter diesen Umständen zu gewagt, auf die Autorität von 
R gestützt das Wort auszustossen? Wie gesagt, der Sinn bleibt : 
derselbe, und die Ausdrucksweise wird richtiger. Ein Abschreiber 
konnte leicht ohne die Tragweite des Wortes zu ermessen, ein i- 
prudentia hinzufügen, welches dann seinen Platz im Text erhielt. 

Jug. 55. 1: ut (Metellus) in aduorso loco uictor [tamen uirtute] 
fuisset. — Die Worte /amen uirtute fehlen in R. Der Ausfall ist 
sehr erklürlich durch den gleichlautenden Anfang von wictor und 
wirtute. So übersprang der Schreiber die beiden Worte. Eine sp# 
tere Hand hat (amen übergeschrieben. 

Jug. 58. 4: Metellus cum acerrume rem gereret clamorem 
[hostilem a tergo] accepit. Dein conuorso equo q. s. — Die ei 
geklammerten Worte fehlen in R; dagegen setzt eine andre Ham 
unter die Zeile, nach «ccepit einzufügen, „a tergo tumultum"; eim. 
dritte Hand endlich schreibt wiederum darüber zwischen ergo um 
fumultum ein quasi. — Die besten Handschriften P P! B E T m lees: 
»clamorem uel tumultum hostilem a tergo accepit (P: accedit)" N 
(der Nazarianus Gruters) und einige geringere: , clamorem et ium. 
host. a tergo". — Die geringeren Handschriften ändern das wei bali 
in «clit, bald in atque, ac, oder lassen es ganz weg. Die Lesart de 
besten Handschriften deutet drrauf hin, dass wir es mit einer Glos - 
zu thun haben; ,uel tumultum" war ursprünglich erklürend zu „de : 
mnorem" geschrieben. Vielleicht aber haben wir auch ,hostilem" als 
Theil derGlosse anzusehen; es wird verschieden bald zu „clamorem‘ 
bald zu ,, tumultum" in den geringeren Handschriften gesetzt. 
aus dem 11. Jahrhundert lässt es wie R aus, und es ist dort er 
nachträglich über die Zeile geschrieben. Der clamor ist daher woll 
vom Glossator als ein tumultus hostilis erklärt. Hostilem passt so 
deswegen nicht gut, weil Metellus beim Umsehen die Seinen in de 
Flucht auf ihn zu erblickt; er musste also eher das Geschrei def 
Seinen hören, als das der Feinde. Schon Linker hat sich gegei 
hostilem erklärt (die Ausführungen von Dietsch edit. 1859, Band 1, 
p. 80 ff. sind sehr wenig bindend). — Wir kommen zu „a tergo", 
welches auch in R fehlt. Es ist ein gutes Zeichen für E, dass ef 
die obige Glosse nicht hat. Das Auslassen von „a tergo" gewinnt 





























290 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 


— 3. equum. — 4. atrabali. — 5. ex his omnibus. — emilius. — 
6. diluitiarum ceterum: Fol. 30b. — 8. ueritus///. — 11. X. — 
12. aterbalem. — 13. opinius. — 14. qui. — g. gr&cco. — 16. in 
amicis. — 17. pollieitando (citando in Rasur geschr. von a. Hd.). — 
[multa]. — 19. e&ádem. — aggressos. — 21. mauritaniam. — uiris. 
— 23. edificiis. — atrabal. — 28. his. — 31. [esse]. — 34. seuum. 
— 35. infaecundus. — 37. aut || Fol. 31a. — 39. malefici. — Pag. 
50. Z. 2. obtinet. — 3. hiemsalis diüsa dicebantur. — 5. incolae 


eius. — 7. getuli. — libies. — 9. Hi. — 12. ex uariis gentibus 
cöpositus. — 13. perse. — 16. [eique]. — quod. — 18. commer- 


οἶδ. — 19. Hi — getulos. — quod. — 20. sepe. — 21. [ipsi]. — 
numidas. — ceterum. — edificia. — 22. mappalia. — 24. libies. — 
hii — getuli. — 25. hique. — 27. libies. — medis: Fol. 31b. 


^ 
29. numidiae. — 30. proxime (a a. Hd.) cartaginem. — 31. appel. 


8 
lantur. — utrimglteris (a a. Hd.). — 33. hi. — 84. quod libies. — 
getuli. — Pag. 51. Z. 1. phenices. — 3. sollicita plebi. — adrime- 


tum. — 4. Eque breui — 7. alió. — 8. egiptum. — 9. cirene. — 
4; . 
thereon. — 10. sirtes. — inter eas (das Ganze in Rasur geschr.). 
— philenorum are (orum are in Rasur geschr.). — 11. egiptum. — 
12. mauritaniam!). — 13. proxime hispaniam. — 14. getulos. — 
15. ethiopas. — deinde. — 18. getulorum?). — 19. numidiae, — 
mulucham. — 20. boccus imperabat. — 22. et de eius. — 24. ab 


affrica: Fol. 32a. — discessere. — 26. [esse]. — 28. atherbalis. 


— 80. inbellis. — 32. moltos (v a. Hd.). — 33. hostiliter loca, — 
35. dolore permotum atrabalem. — 39, retulerant. — Pag. 52. Z. 
1. quod. — 7. Atrabal. — 8. relinquendum. — 14. semi somnos | 
Fol. 32b. — 15. Atrabal. — cirtam (f aus e). — 17. ceptum. — 
21. romam ab atrabale. — 24. romani. — et (in Rasur geschr.) — 
25. [de controuersiis — disceptare]. — 30. esse auctoritate senatus. 
— 33. ceterum. — 34. quod. — 35. atrabalem. — 39. Atrabalis. 
— Pug. 53. 2. 1. discessisse. — 3. exstruit. — 4. aut || dolis: Fol, 
3Ja. — 5. menium. — 6. erigere?). — 7. Aterbal. — fortunas suss. 
— 9. trahi non. — his. — 13. littere aterbalis. — 15. sepe. — 16. 


iugurthae uis. — 17. inmortales. — 23. miseris esse parum fidei. — 
27. fuere. — 30. [mea]. — est || reliqum: Fol. 88 ὃ. — 31. aquo. 
32. illa que. — 33. mea miseria. — 35. erumnas meas. — 37. me 
ex manibus. — Pag. 51. Z. 1. remanet memoria. — 4. aterbali, — 


5. uti. — 6. hisdem. — 9. [usi]. — 11. hi. — a. — 12. deinde. 


1)So dauernd. — 2)So dauernd. — 3) Hiermit hört Hand Nr. 1 auf; : 


das Folgende von Hand Nr. 2. 


A ne ——— iA «- 


909 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 


et eum. — 18. captae pecuniae accersebat (n a. Hd.). — 22. ds 
phant///os. — 23. uenderent. — agebant (g aus i von a. Hd.) — 

lin] (an der Stelle eine Rasur). — 25. g- memnio. — 27. quo s& 
— 29. interposuit. — ducebat quam publicam. — 32. magna vit 
animi in ipso. — 34. g. bebium. — magna || Fol. 37 b. — Pag. 60 
Z.2. g- ménius. — plebs. — 3. ni. — 7. fecit. — 8. numidieque. — 
11. uera aperiret. — fidem et in. — 13. memnius. — 14. g. bebius 
— 17. sepe. — 18. amat fieri. — 19. bestieque. — 20. ceteris. — 
21. Ea tempestate erat. — 23. atherbale. — 24. ex affrica. — spu 
rius. — 25. cum minutio. — 26. masinisse. — 28. mouere | Fa 
38a. — 29. minutio. — 31. male. — 32. sibi fido. — 33. massiut 
paret (2.e aus a a. Hd.). — 36. participes itiner. — Pag. 61. 2. 1, 
cedem. — illumque. — 4. equo. — 7. animadüterit super. — & 
sui. — 14. sepe eó. — 19. tempus || Fol. 38b. — 29. discessit 
— 30. Publius L- Lucullus et. — 31. sibi collegis magistratum 

continuare 

uidebantur (continuare a. Hd.). — Pag. 62. Z. 1. [que]. — 3. αἱ 
seuitia. — oportunitateque. — 4. [in]. — 7. cecus. — 8. praepe 
rare. — 9. subdolus. — 11. loca || Fol. 39a. — 12. suthul. — 14 
die. — 15. partiü (« durchstr. ( aus c a. Hd.). — 16. uti locum. — 1& 


vli . 
albini (vli a. Hd.) — 19. tumultu perculsi. — [alii]. — 20. oma‘ 


loco. — 21. nubibus atque nocte. — 22. erant. — 27. inrupme 
cuncti. — feda. — 28. occupauere. — 31. fecit. — 32. telnet —; 
34. -X.. — decederent. — Pag. 63. Z. 1. quod. — mutabant. 


— 8. meror. — 4. imperii: Fol. 39b. — 5. libertat//// E 
(elo ἃ. Hd.). — 6. sepe. — 7. quaesiuerit. — 10. 4. — 11. 
— ut. — 12. potuisse fedus (e f in Rasur geschr.) — 18. dei 


tus. — 15. ut. — 10. eó///uenit. — 19. agendum. — 20. g. mi: 
lius limitanus. — 21. quereretur. — 22. senatus. — noglegisss (s 


a. Hd.) — 23. quique elephantes. — 24. perfugos (aa. Hd.) --: 
perculsis 

29. plebs. — «quantum. — 32. ceteris. — metu m. scaurus (pera: 

sis a. Hd.). — quem || Fol. 40a. — 33. leticiam. — 34. mallissa : 

— 35. quesitores. — Pag. 64. Z. 1. questio. — 9. sepe. — 3. plebe: 


ex. — caeperat. — 4. Ceterum. — 5. anns (a aus o; nn aus wi; 
i a. Hd.). — habundantia. — 9. ciuitatem in bonis artibus. — 10. 


discessit. — 12. [rebus]. — obtauerant/////ocium. — 13. fuere (da 
Hd.) — 16. Ceterum. — 17. pollebat magis. — 24. undere (in & 


aliqui codices quod habent 
Hd.) -— atque sancti. — 25. quo ad semet (das Ueberschriebent 


204 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 


frumenti. — 21. agebant. — Exlercitus (zweites e aus a). — marium 
reliquos. — 22. igne. — 25. iugurtha!) | Fol. 45b. — 26. querere. 


o 
— 27. aut aquarum fontem. — 30. quietem. — 31. incoepta. — 
37. metellum ?). — 38. addit his perfugas auxilio. — 39. quod. — 


Pag. 73. Z. 3. [ex itinere]. — 4. quia (d a. Hd.). — oppidu (o ans 
a?) — 8. illius. — 9. metuaetatem (von a. Ha. getrennt) — 1 


agunt. — 14. amissis | Fol. 46a. — 19. orire (tur ἃ. Hd.). — 
ulii uadere?). — modo murum. — 25. et sulphure tedam ini 





ardenti///. — 26. satis*) — munuerat. — 31. exspectantibus. — 
irrupit. — 34. Ceterum. — XL. — Pag. 74. Z. 1. si. — 2. vij 
cedere (ce von a. Hd. am Rand) — a [hostilem a tergo] (hinter 


accepit unter der Zeile o ergänzt: a ter go o tumulium) 9). — 4. equo*)] 
Fol. 46b. — 6. 8 9. neque. — inultos (in in Rasur geschr.) 


— 17. superiore. — 23. adüsi sequi. — 24. pene. — 26. eó. — 
27. se. — 29. tegere semet ipsos. — 32. equestre) || Fol. 47 α. — 
33. res iugurthae. — 34. anim aduerteres. — 35. [alii]. — [zwei 
tes: aut]. — Pag. 75. Z. 1. uisere. — 2. etiam. — 3. aggressi. — 
4. praeterea alia. — 5. et alterae. — 6. ceteri. — 7. confecti nl: 
neribus. — deinde. — 9. incoeptum. — 11. etiam. — his. — 18. 
ceterum. — 17. amicos?) — 19. iudicium (udic in Rasur geschr.) 

— 22. ne catum: Fol. 47b. — 25. [ne]. — fieret cum romanis. — 
conditiones. — 26. traderetur”). — 29. merenti. — 30. moriale. 
multos, — 31. sepe (zweites , radirt). — 33. aliis talibus. — 3&- 


traderet (n a. Hd.). — 37. atque. — Pag. 76. Z. 2. ducenti. — δι ; 
boceum. — mauritaniam. — 8. imperandum!®), — 13. magfnisque:, 1 


Fol. 48 a. — 16. g- — diis. — 17. auruspex. — 18. diis. — farte: 3 


na. — 19. omnia, — 20. consolatus (v a. Tinte). — 24. alitus — 

30. alios post. — 32. uir appetere non audebat. Nam postes. — 
35. egregius. — 37. [ubi]. — marius cum auruspicis. — eodem quo -3 
cupido animi hortabatur intendere uidet. — Pag. 77. Z. 4. mini ”- 
primum eius. — 9. flectitur | Fol. 48b. — 11. peiteret. — 13. pe. 


CU - dina. b 


uel aliquo “ 
turum consulatum. — 14. XX. — 17. facto alio. — 19. aput — ; 


1) Fortsetzung von Hand Nr. 3. — 2) Fortsetzung von Hand Nr. 1. 
— 8) Vergl. Proleg. p. 270. — 4) Fortsetzung von Hand Nr. 3. — 5) Vergl. 
Proleg. p. 266. — 6) Fortsetzung von Hand Nr. 1. — 7) Fortsetzung von Hand 
Nr. 3. — 8) Fortsetzung von Hand Nr. 1. — 9) Fortsetzung von Hand 
Nr. 3. — 10) Fortsetzung von Hand Nr. 4; vergl. Proleg. p. 252. 





206 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 


de 
quae metello. — 6. addidit. — 8. uulgus. — 9. in maius extollere. 
— plebs. — 14. tribuno (o in Rasur geschr.]. — [T.]. — mantino. 
— 15. iussit senatus//// sed paulo decio decreuerat. — 17. Eo 
a 


tempore. — amicis comissis (co durchstr., a a. Hd.). — 19. bochum. — 


20.[et]. — 21. uanus. — agitabatur. — 22. omnium. — profectos[que] 
(v a. Hd.). — 24. paulo post spem in armis. — 25. popularium an 
fidei. — 27. metellus sese. — iugurtha: Fol. 514a. — 28. demde. 
— 29, aliquantum. — 30. fatigati [que]. — Pag. 82. Z. 1. armo 
rum/// aliquanto. — 2. fere numidas. — 3. tutata. — 6. ubi (in Rasur 
geschr.). — 9. arida et/;/; uasta (c! mit schwürzerer Tinte nach. 


p 
gezeichnet). — 10. [eius]. — opidi. — 13. X. — utres. — aut alis. 


di 

— 15. pe////coris eoque. — modo (am Rande: cuiusque modi, dies 
nebst di a. Hd.). — 17. post regis fugam se. — 18. fuerit. — 19. 
aquam opido. — 21. uentum est quo (in unbeschriebene Stelle nach- 


getragen von a. AEN — 95. intenderent (a a. Hd.). — 27. düs. — 
in 


esse curae. — 28. falus — oppidani. — 29. solita. — 30. nichilo. 


— parare bellum. — fecere. — 31. nichil. — infestum. — loca. — 
naturam || Fol. 51}. — 53. oppido. — 34. una diae. — Pag. 83. 
Z. 1. [oppidum]. — ex. — 2. fallo (w a. Tinte) — deinde iube 
locis. — 3. agere superque eas aggerem. — 4. opus//// administros 
(admini mit schwarzer Tinte nachgefahren) — 5. hoc. — 6. rele 
quum. —- 7. XXX. -— oppido. — [modo]. — 8. a. — Hi — il. 
dicuntur. — 11. oput i (ei ἃ. Hd.). — 12. metuerent. — 13. pren- 
dere. — 15. orari. — 16. a////milearem hominem quendam. — 17. ᾿ 
quem : 
adüsü neque. — 22. [semper|. — 23. inperata gnaue (g a. Hd.). — 


& 
24. quod. — 1Π|. — 25. g-. — oppidum. — sidonis. — 26. ciuiles 
discordias. — 27. sirtes. — 29, peralta. — 30. [alia]. — 31. ubi! 
Fol. 52a. — magnum mare. — arenamque. — 33. sirtes. — 8ὅ. 
orum 
quia. — 38. has. — Pug. δ... Z. 2. II. — cartaginiensium. — locus 
nos. — 3. cartaginienses pleraeque affricae (ae und ae aus a von 8. 
Hd.). — 4. cirenenses quoque (quoque in Rasur geschr.) — et. — 


5. arenosus. — 7. utrique. — 8. nerit. — 12. II. — 13. cirenen- 


ses. — 14. ire. — 15. haut. — 17. cohortus. — 19. cirenenses. — 


23. cirenenses optionem cartaginensibus. — 27. p. — [in]. — loco. 


300 O. Clason: Eine Sallust. Handschrift. 


p 

tibus. — opidum (p a. Hd.). — 26. [tanain]. — 28. simul et. — 

29. VI. — 32. occasu. — 33. Deinde. — 34. ^uisum ^tempus est. | 
per v 

— noctemque (per a. Hd.). — 35. deinde. — molto. — 36. a. — 


rum quo 
Pag. 93. Z. 1. II. — ibiquam (que a. Hd.). — 2. operitur. — 3. 
τ — // 


P 
opido (p a. Hd.). — 4. his. — 8. potestate : dedicionem facerent 
ἡ p . 

cogere. — 9. opidum (p a. Hd.) — 11. scelere || Fol. 57 a. — 12. 


quod. — 13. gens. — [ante]. — 14. cohercetur. — 15. incommodo 
magnus. — 18. habiti (fi in Rasur). — 22. oppida. — plura propter. 
— 25. eádem. — 26. haut. — 27. haut. — muluche. — 28. die 
iungebat. — planiciem ceteram. — 30. N&////omi. — uelud. — 31. 
molius 
marius (in Rasur). — 33. magis gesta (melius a. Hd.). — 34. [erstes: 
et]. — et frumenti et. — Pag. 94. Z. 1. ac talibus machinacionibus. 
— castellorum. — 2. praecise. — 3. he. — 9. operiretur. — 12. 
aequatum. — haut. — 13. anim/// aduertit. — repente. — 14, 
deinde plures || Fol. 57b. — 15. Vbi (V in Rasur). — 17. gram 
dis///ilx (zweites i in Rasur). — 18. flexa. — 20. [in]. — 21. 
per uia 
planiciem scribit quod cuncti. — 22. eadem (μία a. Hd.) — 23. 


ascenderat. — 24. adit (i a. Hd.). — 25. descenderat. — 30.Y 
numero. — delégit. — his. — Pag. 95. Z. 1. IIII. — parére. — 8. 


est uel is 
uisum (est a. Hd.). — 4. excenturionib; ///erant (wel is a. Hd). — 


5. eapite (t aus d). — 6. facilior (ilior in Rasur). — 7. offense (a 

a. Hd.). — 8. fgrediens ( a. Tinte). — uetustate. — 10. ascen- 

derent. — 11. inermes. — 13. et descendens. — 18. tota diae in 

tentus. — inuidias (Correctur a. Hd.) habuerat || Fol. 58a. — 19. 
d 


h a 
coortatus (ἢ a. Hd.) — est egressus testudine. — 22. incensis item í 





b 8 
(Ὁ a a. Hd.). — 24. obiectare uecordiam (b a a. Hd.) militibusque. ! 
— 25. minitari feroces secundis rebus esse. — 27. repente ergo : 


de 
tergo (sic! — a. Tinte). — 30. acerius. — 31. dein (de ἃ. Hd.).— 
33. correcta (ect in Rasur). — Pag. 96. Z. 1. qui. — [a]. — tgeret 


i 
exercitum rome. — 2. admonuit (wit in Rasur). — 4. dicture (i a. 


Hd.). — sesenna (i a. Hd.). — 7. prope iam. — 8. maiorum socor- 


804 O. Clason: Eine Sallust-Handschrift. 





deberet. — Pug. 106. Z. 3. leniter. — syllae. — 4. similandum. — 
5. erat auidissimus. — 6. Et rex postera. — 7. sylla. — 11. ber 


cum. — et enunciat. — 12. imperantur. — fidere. — 14. boccus 

— 15. unà  — 16. sullam sibi. — 17. potestate. — 19. marius 
uel re 

— 23. temporis loco. — 24. boccus. — iugurthae || Fol. 63b. — 

uel rethoris 

28. remotis ceteris dicitur. — uultu corporis pariter. — 30. rectoris 


patefecissent (Glosse a. Hd.) — Pag. 107. Z. 2. haut. — esse. — 

7. uinctus sulle. — 8. ductus. Per idem. — 9. quinto | scipione & 
uel am 

m. manlio. — 11. contremuerat. illique et usque. — nostri. — 18, 


certare. — 15. gallia usque kl ianuarii. — 17. in illo sitae!) 


1) Es folgt eine leere Zeile, dann von derselben Hand das 5. Bud 
des Eutrop. 





TrP-m-P1: 7 


NEN + 0 


STUDIEN 


ZU 


EURIPIDES 


MIT EINEM ANHANG 


ZU AESCHYLUS, SOPHOKLES UND DEN BRUCHSTÜCKEN DER 
GRIECHISCHEN TRAGIKER 


VON 


N. WECKLEIN. 


Jahrb. f. class. Phflol. Suppl. Bd. VII. Hft. 3. 20 


-- 


308 N. Wecklein: Studien zu Euripides. 


τὸ εὦμα φροῦδον, τὸ δ᾽ ὄνομ᾽ ἐλλέλοιπέ μοι. 


„Der Name ist mir geblieben“ vergl. EL 609 οὐδ᾽ ἐλλέλοιπας rii 
Hipp. 325 bietet A allein richtig 
— τί δρᾷς; βιάζει χειρὸς ἐξαρτωμένη; 
— καὶ CWV γε γονάτων, κοὐ μεθήςομαί mort. 
Alle anderen haben xai cWv γε γονάτων οὐ μεθήςομαί ποτε. Uehre 
gens ist in A nicht κοὐ, sondern xai oU geschrieben. Das gls 
ist der Fall Phoen. 1144, wo A xai ὁ cóc (χὠ cóc), die übrige 
Handschriften xoi cóc, eine ὁ cóc δ᾽ bietet. Halten wir nun 
Scholion zu Androm. 89 ἐπεί τοι κοὐ περίβλεπτος βίος: κατ᾽ ivt 
γράφεται καὶ χωρὶς τοῦ οὐ καὶ περίβλεπτος, ὥςτε ἐν εἰρωνεᾷ 
τοὐναντίον λέγεςθαι zusammen mit dem Scholion zu Hipp. 343 | 
ἐκεῖθεν ἡμεῖς, οὐ νεωςτὶ δυςτυχεῖς. 
γράφεται καὶ veucTí, so können wir uns eine solche Variante n8 
aus der Lesart xai οὐ veucrí erklären und da eine solche Lem 
sich als ursprünglich kennzeichnet, so werden wir zu schreiben habei 
wie ich bereits früher bemerkt habe: 
ἐκεῖθεν ἡμεῖς κοὐ veucri bucruyxeic. 


Vergl. V. 1043 ἔκτεινά τοί c' ἂν κοὐ φυγαῖς ἐζημίουν.  Bekuni 
lich wurde gerade die Krasis am leichtesten verwischt. Auch lg 
'T. 396 z. B. hat Lenting κοὐ für καὶ emendiert. Mit Recht bel 
Dindorf Phoen. 1215 κοὐκ ἄν γε λέξαιμι, welches die meisten Ha 
schriften bieten, bei, gewöhnlich wird aus cod. F οὐκ ἄν ve Mia 
aufgenommen. Dass Med. 737 κοὐ θεῶν ἐνώμοτος das urspria 
liche ist, habe ich in der Ausgabe z. d. St. bemerkt. 

Die Varianten, welche in A mit vp. angemerkt sind, haben ani 
verschiedenen Charakter. Zunächst bestehen sie aus Glossemen ul 
anderweitigen Ueberschriften willkürlicher Bemerkungen. Diet 
Charakter zeigt am deutlichsten Or. 374 τῆς Tuvdapeiac παιδός T 
θυγατρός: θυγατρὸς stand im Originale über παιδός und wurde: 
A als Variante notirt, während es in B in die vorausgehende 28 
gerieth und dort das Wort. ἔκλυον verdrüngte. 

Ebd. V. 823 μεγάλη vp. ποικίλη bekundet die Variante ein 
Versuch die Responsion herzustellen; das richtige Wort μαινόλις ἃ 
erst Porson gefunden. Manchmal enthält die Variante auch die b 
sere Ueberlieferung wie Or. 119 εὐμενῆ yp. πρευμενῆ, 298 icyt 
Yp. ἴεχναινε, 1022 λόγους Tp. γόους, wohl auch 1534 κἀμὲ 
εῴζειν θέλῃ vp. κἀμὲ μὴ cucm (vielmehr cwceı) θανεῖν, Pho 
155 ἑλεῖν vp. καὶ ἐλθεῖν, 763 ἁμαρτίαν yp. ἀμαθίαν, 787 nen 
γρ. μέλπη (für μέλπει), 852 παρείμι γρ. πάρειμαι (für παρεῖμι 
1061 φίλαι vp. φίλα, 1132 βίᾳ γρ. βάθρων, Hec. 23 λιθοδμή 
Yp. πρὸς θεοδμήτῳ, 44 τὴν ἐμὴν τῇδ᾽ ἡμέρᾳ vp. τῷδ᾽ ἐμὴν 
ἤματι, 427 χαρά vp. τόδε. 

2. Weit unsicherer wird die Methode in den Stücken, in : 
chen die Handschrift A fehlt. Einen Gewinn für die Behandlung 















3 
318 N. Wecklein: Studien zu Euripides. | 


als eine werthlose Nachbesserung, welche zwischen den Infinitiven 
ἐλθεῖν und θεῖναι die Verbindung herstellen soll. Kirchhoff ver- 
muthet ἐλθεῖν δ᾽ ErAncav ἔξοροι ᾽ν ξένῃ πόδα Beicaı. Allein damit 
ist das wahre Verhültniss von ἐλθεῖν und θεῖναι nur verwischt: 
ἐλθεῖν ist eine Ueberschrift über θεῖναι und eine Paraphrase von 
θεῖναι πόδα. Das absurde ξένον πόδα kann erst entstanden sein, 
als das zu ξένῃ gehörige ἐν γῇ durch θεῖναι bei Seite geschoben 
war. Wir haben demnach zu schreiben: 


θεῖναι δ᾽ ErAncav ἔξοροι ξένῃ πόδα 
ἐν τῇ, μόλις γεραιὰ κινοῦςαι μέλη. 
Vergl. Hel. 75 εἰ δὲ μὴ "v ξένῃ | γαίᾳ πόδ᾽ εἶχον. 
Handgreiflich ist das Glossem auch Hipp. 525 
Ἔρως Ἔρως, ὃ κατ᾽ ὀμμάτων 
ςτάζεις πόθον, εἰςάγων γλυκεῖαν 
ψυχαῖς χάριν οὗς ἐπιςτρατεύςῃ. 
Mit Unrecht hat man dieser einzigen Stelle den Gebrauch von ὃ für 
ὃς bei den Tragikern zugestanden. Vergl. Nauck Eur. St. 11 8.22. : 
Man hätte beachten sollen, dass die beste Handschrift A dene . 
cráZeic für cráZeic bietet. Dies führt auf 
Ἔρως Ἔρως ὃ κατ᾽ ὀμμάτων 
ὅςτις craleıc 
«τάζων πόθον, εἰςεάγων γλυκεῖαν κτέ. 
Der Nominativ mit dem Artikel als Apposition beim Vocat. ist eine 
gewöhnliche Erscheinung (vergl. Krüger I $ 45, 2, 7), die übrigens 
immerhin die Erklärung ὅςτις cráZeic veranlasst haben mag. 

Wir haben oben an Hec. 76 gesehen, wie die Erklürung neben 
dem erklärten Worte, ἔμαθον neben ἐδάην, im Texte steht. Ebenso 
Hec. 911 καπνοῦ neben αἰθάλου. Den gleichen Fall finden wir 
Heracl. 784 

δέςεποινα, μύθους Col TE καλλίςτους φέρω 

κλύειν ἐμοί τε τῷδε ευντομωτάτους. 
Es ist klar und längst erkannt worden, dass dem καλλίςτους κλύε!ν 
entsprechen muss cuyrouurGtouc λέγειν. Es ist aber unrichtig, 
wenn man κλύειν ἐμοί τε ευντομωτάτους λέγειν schreibt; denn wie 
soll τῷδε in den Text gekommen sein? Offenbar ist ἐμοί als Er 
klärung von TWdeE aus dem Text zu entfernen und an dessen Stelle 
das durch das Glossem verdrängte Wort zu setzen: 

δέςποινα, μύθους coí τε καλλίςτους φέρω 

κλύειν λέγειν τε τῷδε ευντομωτάτους. 

Nur in gewisser Beziehung gehört hieher Androm. 1222 

οὐκέτ᾽ Ecrı μοι πόλις, 

ςκῆπτρά τ᾽ ἐρρέτω τάδε, 

εὖ T' ὦ κατ᾽ ἄντρα νύχια Νηρέως κόρη 

πανώλεθρον μ᾽ ὄψεαι πίτνοντα. 


322 N. Wecklein: Studien zu Euripides. 
























kennen gieht, könnte es nur πληγεὶς ὑπὸ, πρὸς oder ἐκ τῆς ἐμῆς: 
θυγατρός heissen wie z. B. Iph. T. 552 ἐκ γυναικὸς οἴχεται cpareit. 
Von den Beispielen, welche bei Krüger II 8 47, 10, 1 für eines 
solchen Gebrauch des Gen. angeführt werden, sind zwei Soph. Phi: 
3 xparicrou πατρὸς τραφείς, welches nach Analogie von τεζύς, 
φύς gebraucht ist, und Eur. El. 123, wo man bereits cpoyeic ἃ 
cpayaic emendiert hat, abzusondern und es bleibt nur unsere Stelle 
übrig, für die sieh kein entsprechendes Beispiel nachweisen lässt. 
Man könnte glauben, dass die schwankende Stellung von θυγατρὸς 
dieses Wort als Glossem von παιδός kennzeichne, gerade 80 WE 
ebd. 967 die übergeschriebene Erklärung τῶν ᾿Ατρειδῶν in einigen. 
Handschriften vor, in anderen hinter πήματ᾽ οἴκων in den Text ge 
kommen ist. Darnach könnte man πλητγαῖςι παιδὸς τῆς ἐμῆς ὑπὲρ 
κάρα vermuthen. Allein wenn man beachtet, dass hier nicht τῆς 
ἐμῆς θυγατρός, sondern γυναικός der richtige Ausdruck ist wie ia 
der a. St. Iph. T. 552, um das Schändliche der That (olcyicrov: 
ἔργων) zu bezeichnen; wenn man ferner bedenkt, dass πληγεὶς ὑπὲρ 
κάρα, wofür Hermann T. ὑπαὶ κάρα verlangte, nicht auf den Ge- 
brauch des Beiles hinweist, sondern auf das Ueberstürzen des Trug: 
netzes, wodurch die Schündlichkeit des Werkes ganz besonders her- 
vorgehoben wird, dann dürfte man sich überzeugen, dass das um. 
metrische τῆς ἐμῆς θυγατρός eine Erklärung zu γυναικός ist 
ausser diesem Worte noch das bezeichnende δικτύοις verdrängt 
τῆς ἐμῆς θυγατρός 

πληγεὶς γυναικὸς δικτύοις ὑπὲρ κάρα. 
Mit dem Gebrauche von πληγείς vergl. den Gebrauch von ἐμπλής 
ςειν (ἕρκει, τάφρῳ). 


Ion 595 schildert Ion seinem Vater im Namen des Dichters 

die Gefahren und Widerwürtigkeiten der Staatslaufbahn: 

ἣν δ᾽ eic τὸ πρῶτον πόλεος ὁρμηθεὶς ζυγόν 

ζητῶ τις εἶναι, τῶν μὲν ἀδυνάτων ὕπο 

μιεηςόμεςθα᾽ λυπρὰ γὰρ τὰ kpeiccova. 

ὅςοι δὲ χρηςτοὶ δυνάμενοί τ᾽ εἶναι ςοφοὶ 

ειἰγῶςει κοὐ ςπεύδουςειν eic τὰ πράγματα, 

γέλωτ᾽ ἐν αὐτοῖς μωρίαν τε λήψομαι 600 

οὐχ ficuxáZuv ἐν πόλει φόβου πλέᾳ. 

τῶν δ᾽ αὖ λογίων τε χρωμένων τε τῇ πόλει 

εἰς ἀξίωμα βὰς πλέον φρουρήςομαι 

ψήφοιειν. 
In V. 602 hat Matthiae τῶν δ᾽ ἐν λόγῳ τε, Badham τῶν δ᾽ dä 
ςοφῶν τε, ich selbst früher τῶν δ᾽ ἐν τέλει T€ vermuthet. Hie-2 
von ist τῶν δ᾽ αὖ ςοφῶν τε nach V. 598 unrichtig; die beiden‘ 
anderen Vermuthungen können schon desshalb keine rechte Geltung: 
haben, weil das passende αὖ wegfällt; auch wird es schwer sein dier 
Entstehung der handschriftlichen Lesart daraus zu erklären. Dem 


324 N. Wecklein: Studien zu Euripides. 


(λυτρῶς Awßncauevn). ist klar. Es gehört also zu λώβαν Gut 
eiu Gen., der den Agamenınon bezeichnet. Αἴγισθου kann also mz 
von einem Glossem Αἴγισθον herrühren, welches δόλιον ἀκοίταν e 3 -. 
ω E -- 
klirte. Auch hier scheint Αἰγίσθου aus der Verbindung von Apnd I --: 
entstanden zu sein. Denn der Sinn verlangt: "4 

cob, πάτερ, Auav θεμένα. : 
Die freie Responsion mit χέρα TE κρᾶτ᾽ ἐπὶ κούριμον bei verschie 
dener Stellung des Choriambus ist die gleiche wie bei V. 146 us 
163 und bei V. 173 und 196. Vergl. Dindorfs Bemerkung in ia 
Jahrb. 1868 S. 407. 


In der stark beschädigten Stelle Tro. 1244 


εἰ δ᾽ ἣμᾶς θεὸς 

écrpeye τἄνω περιβαλὼν κάτω χθονός, 

ἀφανεῖς ἂν ὄντες οὐκ ἂν ὑμνηθεῖμεν ἂν 

μούςεαις ἀοιδὰς δόντες ἀοιδοῖς βροτῶν. 
hat Nauck μούςαις ἀοιδὰς δόντες ἀφθίτους βροτῶν in den ᾿δῇ 
gesetzt und daneben μούςαις ἀοιδὰς ἐνδιδόντες ἀφθίτους vermuthá 
Dabei ist gerade dasjenige Wort im Text gelassen, welches offen 
dureh sein Eindringen die ganze Verwirrung hervorgerufen i4 
Denn da entweder ἀοιδὰς oder doiboic entfernt werden muss, # 
kann kein Zweifel sein, dass ἀοιδὰς als Erklärung von μούςεῦ 
oder puoücav zu betrachten ist. Vergl. Alc. 453 τοίαν ume 
θανοῦςα μολπὰν μελέων doiboic. Natürlich wurde der Dativ u: 
caıc corrigiert, als ἀοιδάς in den Text eingefügt war. Wir erhal 
hiefür eine Bestätigung aus dem cod. Palat. Dieser giebt námbti 
ὑςτέραν βροτῶν für ἀοιδοῖς βροτῶν. Dieses ὑςτέραν darf um m 
weniger als eine willkürliche Interpolation angesehen werden, 28 
kein Wort vorhanden ist, worauf es sich beziehen könnte WE 
müssen Ucrépav für ursprünglich halten und daraus auf ein! 
sprüngliches uoücav schliessen. Ich bemerke dazu, dass uns IM 
die Troades die beste Handschrift fehlt. Eine weitere BestütigumE 
liegt durin, dass zwei bessere Handschriften διδόντες für dor 
haben. Auch diese Lesart muss gerade desshalb als ursprüngie 
gelten, weil sie iu der Ueberlieferung das Versmass stört. Sie Μὲ 
unbrauchbar nach μούςαις ἀοιδάς, an ihrer Stelle aber nach μοῦκ(ν 
Wenn wir demnach zusammennehmen, was wir als gute Ueberli 
rung erkannt haben, so gewinnen wir: 


μοῦςαν διδόντες ὑςτέραν ἀοϊδοῖς βροτῶν, 
was sich von selbst verbessert in 

μοῦςαν διδόντες ὑςτέραν diboic βροτῶν. | 
Vergl. Suppl. 1224 Ἐπίγονοι δ᾽ ἀν᾽ “ξλλάδα κληθέντες ᾧδὰς iced — 
ροιςι θήςετε. ---- Im vorhergehenden ist Écrpewe Tüvu) sinnlos um) 
spütere Interpolation. Die Ueberlieferung lautet: 





























N. Wecklein: Studien zu Euripides. 339 


falscher Versordnung zum Bewusstsein gebracht hat: sonst würde 
W. Dindorf gegen diese Art der Emendation nicht so eingenommen 
sein, dass er mit Beibehaltung der tiberlieferten Ordnung und Per- 
sonenabtheilung folgende Textgestaltung vorzöge: 
EK. uic) φίλοιειν Ücrepov βοηδρομεῖν. 
AT. ἄναξ, ἀπωθεῖν ευμμάχους ἐπίφθονον. 
φόβος γένοιτ᾽ ἂν πολεμίοις ὀφθεὶς μόνον. 335 
ΧΟ. ὁ δ᾽ οὖν, ἐπείπερ ἦλθε, εύὐμμαχος μὲν οὔ, 
ξένος δὲ πρὸς τράπεζαν ἡκέτω ξένων. 
χάρις γὰρ αὐτῷ ΤΠριαμιδῶν διώλετο. 
EK. có τ᾽ εὖ παραινεῖς καὶ cU καιρίως εκοπεῖς. 
ὃ χρυςοτευχὴς κτέ. : 
Hierin passen weder die Worte εύμμαχος μὲν — fikéru ξένων fü 
den Chor, dem nicht zusteht darüber zu entscheiden, noch kann der 
Chor sagen χάρις γὰρ αὐτῷ ΤΠριαμιδῶν διώλετο. Auch ist die An- 
knüpfung ὃ δ᾽ οὖν nicht an ihrer Stelle. Endlich haben die Worte 
cu καιρίως ςκοπεῖς keinen passenden Sinn und keine Bedeutung, da 
Hektor schliesslich doch den Rhesos als Bundesgenossen anerkennt. 
Jedenfalls würde man die Worte des Boten nach den Worten des 
Chors erwarten, das stürkere nach dem schwücheren, wenn sich 
Hektor durch die Worte des Boten bestimmen liesse. 

Eine gleiche Unordnung der Verse iit falscher Personenbezeich- 
nung ist El. 671 nach dem Vorgang anderer von Kirchhoff verbessert 
worden: 

OP. ὦ Ζεῦ πατρῷε καὶ τροπαῖ᾽ ἐχθρῶν ἐμῶν, 671 
ΗΛ. Ἥρα τε, βωμῶν ἣ Μυκηναίων κρατεῖς 674 
ΟΡ. νίκην δὸς ἡμῖν, εἰ δίκαι᾽ αἰτούμεθα. 675 

ΗΛ. δὸς δῆτα πατρὸς τοῖςδε τιμωρὸν δίκην 676 
OP. οἴκτειρέ θ᾽ ἡμᾶς" οἰκτρὰ γὰρ πεπόνθαμεν. 672 
HA. οἴκτειρε δῆτα coüc τε φύντας ἐκγόνους. 673 
ΟΡ. có τ᾽ ὦ κάτω τῆς ἀνοείως οἰκῶν πάτερ, 677 
ΗΛ. καὶ γαῖ᾽ ἄγαςςα xré. 

In Folge absichtlicher Correktur, wie es scheint, ist der V. 
Iph. A. 149 um drei Zeilen zu früh in den Text gekommen. An 
seinen Platz nach V. 152 hat ihn zuerst Hermann gerückt. 

Bacch. 239 stehen die drei Verse 239—241 um sechs Zeilen 
zu früh im Text und sind erst von Schoene und Kirchhoff wieder an 
die richtige Stelle nach V. 247 gesetzt worden. Kirchhoff hat wohl 
daran gethan, dass er die V. 239—41 nicht mehr wie früher zwischen 
V. 246 und 247 unter Aenderung des V. 247 in folgender Weise 
eingefügt hat: 

εἰ δ᾽ αὐτὸν elcu τῆςδε λήψομαι CTEYNC, 
παύςεω κτυποῦντα OUpcov ἀναςείοντά τε 
κόμας, τράχηλον ςώματος χωρὶς τεμὼν 241 
ὕβρεις ὑβρίζονθ᾽ ὅςτις écriv ὁ ξένος 247 
29* 














N. Wecklein: Studien zu Euripides. 942 


„Dein Beistand bedeutet nicht viel“ — „Bin ich denn nieht so gut 
wie andere?“ Zweitens erhält der V. 691 

μή τοί μ᾽ ἔρυκε δρᾶν rapeckevacuévov 
erst dann seinen gehörigen Sinn, wenn er auf die Worte 

οὐκ ἔςτ᾽ ἐν ὄψει τραῦμα μὴ δρώεης χερός 
folgt. Dem Diener, welcher sagt „nicht auf den Blick, sondern auf 
das Handeln kommt es an“ entgegnet Iolaos „ich will ja eben han- 
deln; halte mich nur nicht zurück". Darnach haben die drei Vorse 
688—690 mit dem V. 684 die Stelle zu tauschen, so dass 
folgende Ordnung zum Vorschein kommt: 


OE. ἥκιςτα πρὸς coó μῶρον ἦν εἰπεῖν ἔπος. 

Ο. καὶ μὴ μεταςχεῖν γ᾽ ἀλκίμου μάχης φίλοις. 688 
ΘΕ. οὐκ ἔςετ᾽ ἔτ᾽, ὦ τᾶν, fj ποτ᾽ ἦν ῥώμη cedev. 688 
IO. ἀλλ᾽ οὖν μαχοῦμαί γ᾽ ἀριθμὸν οὐκ ἐλάςεοςει. 689 
ΘΕ. «μικρὸν τὸ cóv crikupa προςτίθης φίλοις. 690 
IO. τί δ᾽; οὐ θένοιμι κἂν ἐγὼ δι᾽ ἀςπίδος; 685 

ΘΕ. θένοις ἄν, ἀλλὰ πρόςθεν αὐτὸς ἂν πέςοις. 686 
lO. οὐδεὶς ἔμ᾽ ἐχθρῶν προεβλέπων ἀνέξεται. 687 
OE. οὐκ ἔςτ᾽ ἐν ὄψει τραῦμα μὴ δρώεης χερός. 684 
lO. μή τοί μ᾽ ἔρυκε δρᾶν παρεςκευαςμένον 691 

ΘΕ. δρᾶν μὲν εὖ τ᾽ οὐχ οἷός re, βούλεεςεθαι δ᾽ ἴεως. 692. 


Eine ähnliche Unordnung habe ich im Rh. Mus. 1872 S. 479 
aus Phoen. 724—731 entfernt, wo sich Eteokles und Kreon über 
einen Ángriff der Feinde berathen und dem unbesonnenen Eifer des 
jugendlichen Polyneikes die bedüchtige Art des Kreon entgegentritt: 

ET. εἰ νυκτὸς αὐτοῖς προςβάλοιμεν ἐκ λόχου; 724 

KP. ἐνδυςτυχῆςαι δεινὸν εὐφρόνης κνέφας. 727 

ET. icov φέρει νύξ, τοῖς δὲ τολμῶςειν πλέον. 726 

ΚΡ. εἴπερ cpakeic γε δεῦρο cwOrceı πάλιν. 725 

ET. βαθύς τέ τοι Διρκαῖος ἀναχωρεῖν τόπος. 730 

KP. ἅπαν κάκιον τοῦ φυλάςςεεθαι καλῶς. 731 

ET. ἀλλ᾽ ἀμφὶ δεῖπνον οὖςει προεβάλω δόρυ; 728 

ΚΡ. ἔκπληξις ἂν γένοιτο, νικῆςαι δὲ δεῖ. 729 
Hier musste die Reihenfolge von drei Versen umgekehrt und zwei 
Verspaare mussten vertauscht werden. Jetzt erst geht ein Gedanke 
aus dem anderen hervor und wird nicht dasjenige noch einmal ge- 
bracht, was bereits abgemacht ist. So schreitet das Zwiegesprüch 
kunstgerecht weiter und artet nicht in ein planloses Hin- und Her- 
reden aus. Wo diese natürliche Entwicklung des Dialogs fehlt, da 
muss ein Fehler vorhanden sein. Z. B. kann in Med. 922 

(IA.) αὕτη, τί χλωροῖς δακρύοις τέγγεις κόρας 

. κοὐκ ἀςμένη τόνδ᾽ ἐξ ἐμοῦ δέχει λόγον; 
ΜΉ. οὐδὲν τέκνων TWVd’ ἐννοουμένη πέρι. 925 
ΙΑ. θάρςει vuv: εὖ γὰρ τῶνδε θήςομαι [πέρι]. 








N. Wecklein: Studien zu Euripides. 347 


dem Volke vorlegen, damit sich dieses aus eignenı Antriebe dafür 
entscheide. Theseus geht und der Chor der Schutzflehenden ist in 
ängstlicher Spannung, was die Bürgerschaft beschliessen werde (V. 
375). Nach dem Chorgesange kehrt Theseus zurück. Sein erstes 
Wort muss die frohe Kunde sein, mit welcher er den bangen Chor 
tröstet, dass er seinen Zweck erreicht und sein Volk leicht für seinen 
Plan gewonnen habe. Ist aber eine solche Erzählung vorausgegangen, 
dann kann es unmöglich noch einmal heissen καὶ μὴν éxoüca .. 
ἤεθετος Mithin gehören die beiden Verse 393. 394 in die 
Lücke vor V. 381. 


e 
Nicht ohne Einfluss auf die Umgebung ist die falsche Stellung 

eines anderen Verses geblieben. Herc. f. 858 spricht Lyssa zur Iris, 
von der sie aufgefordert worden den Herakles in Wuth und Raserei 
zu versetzen: 

Ἥλιον μαρτυρόμεθα δρῶς᾽ ἃ δρᾶν οὐ βούλομαι. 

εἰ δὲ δή μ᾽ Ἥρᾳ θ᾽ ὑπουργεῖν coi τ᾽ ἀναγκαίως ἔχει 

τάχος ἐπιρροίβδην θ᾽ ὁμαρτεῖν ὡς κυνηγέτῃ κύνας, 

εἶμί γ᾽ οὔτε πόντος οὕτω κύμαει «τένων λάβρος 

οὔτε τῆς CEICHÖC κεραυνοῦ τ᾽ οἴςτρος ὠδῖνας πνέων, 

οἷ᾽ ἐγὼ crábia δραμοῦμαι crépvov εἰς Ἡρακλέους. 


Im dritten V. corrigiert Kirehhoff τάχος ἐπιρροιβδεῖν ὁμαρτεῖν θ᾽ 
tic. Darnach müsste man verbinden coí τε τάχος ἐπιρροιβδεῖν 
ópapreiv Te. Sowohl nach dieser wie nach der überlieferten Lesart 
sagi Lyssa, sie wolle der Iris nachschwirren und nachfolgen wie 
Hunde dem Jäger. Was soll das heissen? Iris schwingt sich wieder 
in den Olympos hinauf, während Lyssa in die Brust des Herakles 
fährt. Was sollen überhaupt solche Worte in diesem Zusammen- 
hange? Lyssa sagt: „ich nehme den Helios zum Zeugen, dass ich 
nicht gern thue was ich thue. Wenn ich aber einmal der Hera und 
dir zu folgen gezwungen bin, so will ich gehen und will stlirmen in 
die Brust des Herakles.^ Die Worte τάχος ἐπιρροίβδην θ᾽ ὁμαρτεῖν 
dc κυνηγέτῃ κύνας sind hier ganz und gar ungeeignet und der 
V. 860 kann an seinem jetzigen Platze seine Stelle nicht 
haben. Wenn Nauck zu dem V. bemerkt „graviter corruptus", so 
fehlt dem V. nichts als die Verbindung und nur die Zusammenstel- 
lung τάχος émippoifónv τε ist unpassend, während der Ausdruck 
Emppoißdnv ὁμαρτεῖν ὡς κυνηγέτῃ κύνας vollkommen gesund ist 
und in seiner Eigenthümlichkeit auch keinen Verdacht an Interpola- 
tion aufkommen lässt. Nehmen wir nun die spätere Stelle V. 867 


ἣν ἰδοὺ καὶ δὴ τινάςςει κρᾶτα βαλβίδων ἄπο 
καὶ διαςτρόφους ἑλίεςει εἶτα γοργωποὺς κόρας. 
ἀμπνοὰς δ᾽ οὐ cugpovíZei, ταῦρος ὡς ἐς ἐμβολήν, 
δεινὰ μυκᾶται δὲ Κῆρας ἀνακαλῶν τὰς Ταρτάρου. 
τάχα C ἐγὼ μᾶλλον χορεύςεω xai καταυλήςω φόβῳ. 
so ist im letzten V. c' ungeeignet und Kirchhoff vermuthet τύχα ὃ. 





348 N. Wecklein: Studien zu Euripides. 


Dann aber vermissen wir ein Objekt zu xopeucw xol καταυλήευ; 
wir vermissen auch die Angabe des Zweckes bei xaravinicw φόβῳ. 
An das richtige mahnt uns die eigenthümliche Uebereinstimmung 
von τάχος und τάχα c’, wovon das eine unbrauchbar, das andere 
fehlerhaft ist. Der V. 860 ist nach V. 871 in folgender Weise 
einzusetzen: 
τάχος ἐγὼ μᾶλλον χορεύεω καὶ καταυλήςω φόβῳ 871 
(τόνδ᾽) ἐπιρροίβδην ὁμαρτεῖν ὡς κυνηγέτῃ κύνας. 860 

Besondere Beachtung verdient noch die Umstellung von Hipp. 911 --- 
013 nach V. 915 (Markland), von Tro. 23—27 nach 44 (Wagner), 
von Heracl 560. 561 nach 563 (Schenkl), von Iph. T. 994—998 
nach 1003 (Koechly) Ueber Alc. 714 f, welche Nauck nach V. 
719 versetzen will, wird unten z. d. St. gehandelt werden. Bedenk- 
lich ist es, wenn Usener Heracl. 1042— 1044 vor 1036, wo dann 
προδόντες in προδόντας zu Ändern ist, einsetzt. Denn χάριν προ- 
δόντες τήνδε passt zu ὅταν uöAwcı δεῦρο εὑν πολλῇ χερί, nicht 
aber χάριν προδόντας τήνδε zu τούςδε τε βλάψω θανών. Zudem 
ist διπλοῦν δὲ κέρδος ἕξετ᾽ ἐξ ἐμοῦ, ὑμᾶς τ᾽ ὀνήςω τούεδε τε βλάψω 
θανών ein für sich abgeschlossener Gedanke. — Ebenso wird durch 
die auf den ersten Anblick gefüllige Vertauschung von Hipp. 330 
und 332, welche Hirzel vorgeschlagen hat, der richtige Gedanken- 
gang nur gestört. In 

ΦΑΙ. ὀλεῖ’ τὸ μέντοι πρᾶγμ᾽ ἐμοὶ τιμὴν φέρει. 329 

TP. οὔκουν λέγουςα τιμιωτέρα φανεῖ; 332 

ΦΑΙ. ἐκ τῶν γὰρ aicxpWwv ἐεθλὰ μηχανώμεθα. 331 

ΤΡ. κἄπειτα κρύπτεις χρήςθ᾽ ἱκνουμένης ἐμοῦ; 330 


nimmt sich zwar V. 332 sehr gut nach V. 329 aus; aber weder ist 
V. 330 eine geeignete Erwiderung auf V. 331, in welchem das 
Hauptgewicht des Gedankens auf ἐκ τῶν γὰρ αἰςχρῶν ruht, noch 
passt die Erwiderung V. 330, wenn V. 332 vorausgeht. Denn dann 
ist der Einwand der Amme von V. 330 unnütz, weil in V. 332. 331 
bereits gesagt ist, warum Phädra ihr Verlangen obgleich es gut sei 
doch nicht kund thue. Dagegen kann in der überlieferten Ordnung 
die Amme auf V. 331 mit Rücksicht auf Phüdras Wort V. 329 die 
entschiedene Behauptung οὐκοῦν Aéyouca τιμιωτέρα φανεῖ darauf 
setzen. Auch in Iph. T. 1348 ! 

ὁρῶμεν... ἐκ δεεμῶν δὲ τοὺς νεανίας 

ἐλευθέρους πρύμνηθεν ECTWTAC νεώς. 

κοντοῖς δὲ πρῷραν εἶχον, οἱ δ᾽ ἐπωτίδων 1850 

ἄγκυραν ἐξανῆπτον, οἱ δὲ κλίμακας 

ςπεύδοντες ἦγον διὰ χερῶν πρυμνήεια 

πόντῳ δὲ δόντες τοῖν ξένοιν καθίεςαν. 
wird durch Umstellung kaum zu helfen sein. Kirchhoff, welcher 
gesehen, dass κλίμακας πόντῳ δόντες καθίεςαν zusammengehört, 
wollte die Versausgünge umstellen; 





N, Wecklein: Studien zu Euripides. 


IV. Interpolationen. 


Die Engherzigkeit und Befangenheit, in welcher man früher 
gegen die deutlichsten Spuren der Interpolation die Augen verschloss, 
ist jetzt überwunden. In der zweiten Ausgabe von Kirchhoff, dem 
Niemand Besonnenheit der Kritik im Euripides absprechen wird, 
stehen abgesehen von der Iphig. A. über anderthalbhundert Verse 
unter dem Text und wer unbefangen und sachkundig zu urtheilen 
versteht, wird wenige davon in Schutz zu nehmen, andere noch hin- 
zuzufügen geneigt sein. Bei genauerer Betrachtung der interpolier- 
ten Verse ergeben sich einige Gesichtspunkte, welche für die Be- 
urtheilung dieser Frage und für die richtige Behandlung der Ueber- 
lieferung von Wichtigkeit sind. | 

1. Vor allem scheint die gewöhnliche Ansicht tiber das Alter 
und den Ursprung der Interpolationen einer Berichtigung zu bedür- 
fen. Viele Verse, welche man den Schauspielern zuzuschreiben pflegt, 
scheinen byzantinischen Grammatikern und Erklärern an- 
zugehören. Darauf leitet schon die Beobachtung, dass gerade die 
in der byzantinischen Zeit gelesensten Stücke ganz besonders dureh 
Interpolation gelitten haben. Denn die Phoenissen und der Orestes 
weisen die meisten interpolierten Verse auf und auch in der Hecuba 
fehlt es nicht an unechten Versen. Diese späte Zeit verrüth ferner 
das Scholion zu Or. 1023. Alle Handschriften (auch A) geben 

οὐ εἶγ᾽ ἀφεῖςεα τοὺς γυναικείους γόους 

crép£eic τὰ κρανθέντ᾽; οἰκτρὰ μὲν τάδ᾽, ἀλλ᾽ ὅμως 

φέρειν ἀνάγκη τὰς παρεςτώςας τύχας. 
Der Scholiast aber bemerkt: λείπει τὸ δεῖ φέρειν" τινὲς δὲ γράφου- 
cv οἰκτρὰ μέν, ἀλλ᾽ ὅμως φέρε. Der Scholiast kannte also den 
dritten V. φέρειν... τύχας noch nicht. Der byzantinischen Zeit 
gehört endlich die metrische Gestalt folgender Verse an: 


Phoen. 1235 ςπαρτῶν τε λαὸς ἅλις ὃς κεῖται vexpóc. 

Ion 616 ὅεας cpayàc δὴ φαρμάκων θαναείμων 

γυναῖκες εὗρον ἀνδράειν διαφθοράς. 

Hel. 905 ἐατέος δ᾽ ὁ πλοῦτος ἄδικός τις ὦν. 

Es würde auch der unechte Vers Or. 933 πάλαι Πελαςτοί, Δαναῖδαι 
δεύτερον hieher zu rechnen sein, wenn nicht schon der Sinn die 
Ergünzung von δὲ, welches vor δεζ(ύτερον) leicht wegfallen konnte, 
forderte. 

Wenn die vorhin berührte, durch die Kürze des Ausdrucks 
οἰκτρὰ μὲν τάδ᾽, ἀλλ᾽ ὅμως veranlasste Interpolation aus später Zeit 
herrührt, so wird dies auch der Fall sein mit der gleichen Bacch. 1027 

ὥς ce creváZu, δοῦλος ὧν μέν, ἀλλ᾽ ὅμως 
xpncroici δούλοις ξυμφορὰ τὰ δεςποτῶν, 





N. Wecklein: Studien zu Euripides. 351 


worin der zweite V. aus Med. 54 stammt. Den gleichen Ursprung 
hat auch in Herc. f. 1365 

οἴκει πόλιν τήνδ᾽, ἀθλίως μέν, ἀλλ᾽ ὅμως 

ψυχὴν βιάζου τἀμὰ ευμφέρειν κακά 
der bereits von Nauck als unecht bezeichnete V. ψυχὴν .. κακά; 
ebenso in der Rede der Kassandra Tro. 365 

πόλιν bé δείξω τήνδε μακαριωτέραν 

ἢ τοὺς ᾿Αχαιούς, ἔνθεος μέν, ἀλλ᾽ ὅμως 

TOCÓVbe γ᾽ ἔξω «τήςομαι βακχευμάτων 
der V. 367 τοςόνδε Y’.. βακχευμάτων, welcher den einfach 
schönen Ausdruck ἔνθεος μέν, ἀλλ᾽ ὅμως in ungeschickter Weise 
verwüssert. Wir haben noch ein anderes Zeugniss für den Ursprung 
derartiger Ergänzungen. In Soph. Ai. 839 


Kal cpac κακοὺς κάκιςτα xai πανωλέθρους 

ξυναρπάςειαν, ὥςπερ εἰεορῶς᾽ ἐμέ 

[αὐτοςφαγῆ πίπτοντα, τὼς αὐτοςφαγεῖς 

πρὸς τῶν φιλίετων ἐκγόνων ὀλοίατο] 
bemerkt der Schol. zu V. 841 ταῦτα νοθεύεςθαί φαςειν ὑποβληθέντα 
πρὸς ςαφήνειαν τῶν λεζτομένων. Die Form φίλιςτος wird es recht- 
fertigen, wenn wir die beiden Verse 841 f, welche zur Ergänzung 
von eicopWc’ ἐμέ angefügt sind, byzantinischen Grammatikern zu- 
schreiben. Ferner erfahren wir aus den Scholien, dass Androm. 6 

vOv δ᾽ εἴ τις ἄλλη ductuxectatn γυνὴ 

ἐμοῦ πέφυκεν ἢ τενήςεταί ποτε. 


der zweite Vers hinzugedichtet wurde, weil man die falsche Lesart 
δὴ τίς hatte; in νῦν δὴ τίς ἄλλη δυςτυχεςτάτη γυνὴ ἐμοῦ πέφυκεν 
f γενήςεταί ποτε sollte der Superlativ δυςτυχεετάτη statt des 
Komparativs stehen. Wir werden solche Weisheit nur byzantinischen 
Grammatikern zugestehen. Freilich heisst es im Scholion oi ὑπο- 
κριταὶ τὸν ἴαμβον προςέθηκαν; allein eben solchen Stellen verdankt 
man die falsche Ansicht von den ungeschickten Schauspielerinter- 
polationen; seitdem Heimsoeth de voce ὑποκριτής comment. aus dem 
Schol zu Med. 169 ᾿Απολλόδωρος μὲν οὖν @ncıv ὁ Tapcevc τῆς 
ἀμφιβολίας αἰτίους εἶναι τοὺς ὑποκριτὰς ευγχέοντας rà xopikà τοῖς 
ὑπὸ Μηδείας λεγομένοις nachgewiesen hat, dass ὑποκριτής in den 
Scholien häufig die Bedeutung „Interpret, Erklärer“ hat, wird manches, 
was früher den Schauspielern zur Last fiel, auf die Erklärer über- 
tragen werden müssen. Wenn wir in dem Schol. zu Med. 910 idiwc 
οὖν εἴρηκε «πόςει“ ἀντὶ τοῦ „röcioc“" οἱ δὲ ὑποκριταὶ ἀγνοήςαντες 
γράφουειν ἀντὶ τοῦ πόςει ἐμοῦ“, ὅπερ οὐ dei den Ausdruck γρά- 
qouciv ins Auge fassen, so werden wir auch hier an Erklärer denken 
und wir haben in εἰκὸς yàp ὀργὰς θῆλυ ποιεῖεθαι γένος γάμους 
. παρεμπολῶντος ἀλλοίους ἐμοῦ einen Text, welcher jener Annahme 
des Komparativs würdig zur Seite steht. Die byzantinischen Gram- 
matiker scheinen in die Fusstapfen der Alexandriner getreten zu sein, 





























372 N. Wecklein: Studien zu Euripides. 


φόνια φόνια, χάριτας iv’ ἐπὶ δάκρυςι 
παρ᾽ ἐμέθεν ὑπὸ μέλαθρα νύχια παιᾶνας 
vekucıv ὀλομένοις λάβῃ. 


Man könnte sich den Ausdruck vexucıv ὀλομένοις gefallen lassen; 
wenn nicht der Zusammenhang einen anderen Begriff verlangte, ab- 
gesehen davon, dass der Dativ vékuciv ὀλομένοις keine rechte Be- 
ziehung hat. „Persephone soll Melodieen, die in unsere Klagen ein- 
stimmen, emporsenden, damit sie zum Danke Lieder für die Todten 
empfange". Vollkommen befriedigt erst der Gedanke, wenn es heisst 
»damit sie zum Danke Lieder entgegennehme wie sie den Todten 
lieb sind", „damit wieder unsere Weisen in die Lieder der Todten 
einstimmen". Durch leichte Aenderung gewinnen wir diesen vor- 
trefflichen Gedanken: ' 

χάριτας ἵν᾽ ἐπὶ δάκρυει 

παρ᾽ ἐμέθεν ὑπὸ μέλαθρα νύχια παιᾶνας 

vékuci μελομένους λάβῃ. 
Vergl. Phoen. 1301 βοᾷ βαρβάρῳ crevakxràv ἰαχὰν μελομέναν ve- 
κροῖς Opnvncw. Das für den Sinn fast unbedingt nothwendige Wort 
παιᾶνας hat Dindorf weggelassen, sieht sich aber genöthigt zur Her- 
stellung der Responsion auch in der Antistrophe das von Hermann 
in xAayyaicıv emendierte κλαγγάς zu streichen. Mit dieser Text- 
gestaltung (bei welcher μελομένας geschrieben werden müsste) kann 
ich nicht einverstanden sein. 


Hel. 238. 


& δὲ δόλιος ἁ πολυκτόνος Κύπρις 
Δαναΐδαις ἄγουςα θάνατον ἸΠριαμίδαις τε. 
ὦ τάλαινα ευμφορᾶς. 
ἁ δὲ χρυςέοις θρόνοις.. Ἥρα... ἔπεμψε Μαιάδος γόνον. 
„Welcher Phrygier oder Hellene, klagt Helena, hat die für Dion 
thrünenreiche Fichte gefüllt, aus welcher der Sohn des Priamos das 
Schiff zimmerte um meine Schönheit heimzuführen?“ Darauf folgen 
die angeführten Worte. In dem ersten Satze fehlt das verb. finitum. 
Dieses kann kaum anderswo stecken als in ἁ δὲ. Wir müssen ἁ δὲ 
in Aye ändern: 
γε δόλιος à πολυκτόνος Κύπρις 
Aavaióaic ἄγουςα θάνατον Τ͵]ριαμίδαις τε 


Vergl. V. 1118 μέλεα Πριαμίδαις ἄγων... Πάρις αἰνόγαμος πομ- 
παῖειν ᾿Αφροδίτας, Iph. A. 392 ἦγε δ᾽ ἐλπίς, οἶμαι μέν, θεός. 
Hel. 344. 1340. 
f| ᾽ν νέκυει κατὰ χθονὸς 
τὰν χθόνιον ἔχει τύχαν; 
Nach κατὰ χθονὸς kann χθόνιον nicht richtig sein. Hartung 


hat dafür φόνιον vermuthet. Aber Menelaos kann Schiffbruch ge- 






































H* - LI 


N. Wecklein: Studien zu Euripides. 411 


solcher Gedanke hier möglich. Der Chor rühmt die Tapferkeit der 
Trojaner (Dolon ist ein Trojaner), nicht der Mysier; óc ἐμὴν ευμ- 
μαχίαν ἀτίζει heisst „wer meine Bundesgenossenschatt d. i. mich als 
Bundesgenossen verschmüht". Die Verbindung von ἔνι... αἰχμᾷ 
mit dem folgenden ist undenkbar. In ποτὶ MucWv muss der Inhalt 
eines Satzes liegen wie etwa in ἐς κόρακας, eine Verwünschung oder 
der Ausdruck des Abscheus gegen denjenigen, „der mich für einen 
verüchtlichen Bundesgenossen hält“. Die Anspielung an das sprich- 
wörtliche ἔςχατος Μυςῶν (ultimus Mysorum) haben schon die Scho- 
liasten im Sinne (ἢ ὡς εἰπεῖν ἔεχατος καὶ οὐδενὸς Aófou ἄξιος 
οἷον Mucöc écriv 6 ἀτιμάζων ἡμᾶς). Natürlich hindert den Ge- 
brauch des Sprüchworts bei einem griechischen Dichter nicht etwa 
der Umstand, dass die Mysier zu den Bundesgenossen der Trojaner 
gehóren (V. 541). Die Emendation ist einfach folgende: 


πόθι Mucáv, ὃς ἐμὰν ευμμαχίαν ἀτίζει; 
„wo unter den Mysiern ist derjenige der meine Bundesgenossenschaft 
verachtet d. h. der letzte der Mysier ist, niedertrüchtig ist wer etc." 


Thes. 683. 


OA. oU ce χρὴ elbévar: θανεῖ γὰρ εήμερον 6pócac κακῶς. 

HM. οὐκ ἐρεῖς ξύνθημα, λόγχην πρὶν διὰ crépvuv μολεῖν; 

OA. ἴετω᾽ θάρεει. HM. πέλας ἴθι. παῖε πᾶς. 

OA. fi có δὴ '"Pficov κατέκτας; XO. ἀλλὰ τὸν κτενοῦντα cé. 

OA. fcye πᾶς ric. HM. οὐ μὲν οὖν. HM. 6, φίλιον ἄνδρα μὴ 6évnc. 


Um Ordnung in diese Verwirrung zu bringen, ist vor allem 
festzuhalten, dass von Rhesus hier keine Rede sein kann: „absurde, 
ut iam Musgravius animadvertit, chorus quaereret ἡ cb δὴ 'Ῥῆςον 
κατέκτας, quasi iam compertum habeat, quod infra demum v. 747 
comperit, Rhesum ab Graecis esse occisum" (Dindorf) Vergeblich 
versucht Badham Philol X p. 338 die Worte im Munde des Odys- 
seus verständlich zu machen: ,Ulysses solus de caede lthesi loqui 
poterat qui solus caedem patratam sciret. Huius astutia ita depin- 
gere voluit auctor fabulae, ut facinoris quod ipse fecisset auctorem 
se persequi fingeret". Der Chor hat nachher keine Ahnung von der 
Ermordung des Rhesus und die Worte ἀλλὰ τὸν κτενοῦντα cé haben 
nach diesen Worten absolut keinen Sinn. Badham ordnet die ganze 
Stelle in folgender Weise: 

XO. οὐκ ἐρεῖς ξύνθημα, λόγχην πρὶν διὰ crépvuv μολεῖν; 
OA. ἡ εὑ δὴ 'Pficov κατέκτας; ΧΟ. ἀλλὰ τὸν κτενοῦντα cé 
ictopw. OA. θάρεει, πέλας ide. ΧΟ. παῖε παῖε παῖε πᾶς. 


Hierin kann ich ἀλλὰ τὸν κτενοῦντα cé IcTopw in keiner Weise ver- 
stehen. Dindorf schreibt OA. ἢ có που 'Pficov xareibec; HM. μάλλὰ 
τὸν κτενοῦντα cé und voraus OA. ἀλλὰ θάρςει. πέλας ἴθ᾽, icru. 
HM. παῖε παῖε παῖε πᾶς. Auch dieser Versuch, welcher übrigens 
dem Odysseus eine nach παῖε παῖε παῖε πᾶς durchaus nicht an- 























426 N. Wecklein: Studien zu Euripides. 


πόθεν épAacrov, τίς ῥίζα κακῶν, 

τίνα δεῖ μακάρων ἐκθυςαμένους 

εὑρεῖν μόχθων ἀνάπαυλαν. 
τίνα dei... ἐκθυςαμένους hat Valckenaer hergestellt für τίνα ὃ 
. ékOucapévoic. Damit ist die Emendation noch nicht abge 
Niemand wird τίνα mit ἀνάπαυλαν verbinden wollen, obwohl 
dem vorhergehenden τίς ῥίζα diese Beziehung gewiss den acc. 
veranlasst hat. Man kann aber éx0Uec0aí τι im Sinne ,durch( 
etwas sühnen, abwenden‘ erklären, nicht aber éxOUec0aí riva 
der Bedeutung „einen Gott durch Opfer versöhnen“. Die d 
ἐκθυςαμένοις angezeigte Verwirrung der Casus hat eben weiter 
sich gegriffen und man muss herstellen: 


τίνι bei μακάρων ἐκθυςαμένους 
εὑρεῖν μόχθων ἀνάπαυλαν. 


Vergl. oben S. 371 zu Hel. 127. 




















448 N. Wecklein: Studien zu Euripides. 


Seite. Seite. δ 
Hippol. 343 808 | Ion 700 312 | Tro. 728 i 
526 318 726 400 910 f. 
942 358 189 313 1093 
999, 1292 386 838, 928 400 1121 
1367 329 1014 f. 401 1144 
1381 387 | 1071 317 1196 
Iph. A. 72, 367 387| 1138 401 1245, 1247 
382 388] 1273 336 1326 
407 338 | Cycl. 93 353 | Phoen. 212, 221 
671 388 153 f. 402 251 
134 389 274 437 211 
981—989 360 361 402 312 
1018 389 310 f. 328 325 f. 
1082 329 394, 514 403 315 
1207, 1348, 526 404 404 
1395 389 545, 610 405 432 f. 
1594 390 | Med. 207 316 516 
Iph. T. 112 ff. 390 996 ff. 344 649 
145 392 | Orest. 60, 184 406 725 fl. 
247, 395, 309 307 916, 1040 
407, 414, 497 321 1158 
425 393 632, 712 ff. 407 1190 f. 
514 337 182, 335 1202 
640, 593 395 833 409 1302 
782 340 938 331 1304 
876 396 984 409 1358 
1120 325 1062 307 1514 ff., 155% 
1212 334 1107 ff. 353 1724 
1239 396 1129 331 | Fr . 50, 63, 89 
1309 319 1395 409| ed. Nauck 
1352 (schon 1447 410 106, 194, 211 
Bergk) 348 | Rhes. 251 410 288 
1394 349 434 321 340 
Ion 98 ff. 397 683 ff. 411 429 
134 398 | Tro. 154 320 416 
188 316 237 360 534 
326 ff. 3317 285 412 538 
361 f., 317 399 333 310 597, 640, 138 
518 310 356 314 770, 181 
566 399 367 351 803, 860 
602 322 466 418 832 
685 400 684 414 901, 901 


d. Fragmente der Tragiker: 


Seite, 
Agathon fr. 4 p. 593 N. . . 444 | Patrokles fr. 1 p. 645 . 
Kritias fr. 1 p. 598 . 361 u. 444 | Adesp. fr. 180, 321 . . 
Diogenes von Athen fr. 1p.602 315 | Adesp. fr. 434, 462, 451 


Moschion fr. 7 p. 633 . . . 444 | Adesp. fr. 458. 
Sosiphanes fr. 1 p. 638 . . 445 | 
e. Theognis: 
Seite. 


V. 668 . . . . . . . . 495 | V. 677 


t— —— —— o —— 





DIE BOTANISCHEN SCHRIFTEN 


DES 


THEOPHRAST VON ERESOS. 


VORARBEITEN ZU EINER UNTERSUCHUNG ÜBER ANLAGE, 
GLAUBWÜRDIGKEIT UND QUELLEN DERSELBEN. 


VON 


OSKAR KIRCHNER. 


Jehrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. VII. Hit. 8. 29 








454 0.Kirchner: Die botanischen Schriften d. Theophrast von Eresos. 


eine so grosse Menge von Einzeldingen einzugehen, als für jenen 
Zweck nötig wäre; hier soll vielmehr nur auf Anordnung und Plan 
in der Anlage der Schriften hingewiesen werden. 

8 3. Was zunächst die Wechselbeziehung betrifft, in der Pflan- 
zengeschichte und die Bücher von den Ursachen der Pflanzen stehen, 
80 ist folgendes zu bemerken. In der Pflanzengeschichte ist die Dis- 
position des Stoffes die, duss im 1. Buche von den Hauptverschieden- 
heiten der Pflanzen in Rücksicht auf die Unterschiede ihrer Organe 
und deren Zusammensetzung aus ersten Bestandteilen (Elementen), 
und über die Hauptabteilungen im Pflanzenreich gehandelt wird; 
das 2. behandelt das Süen und die Pflege und Vermehrung der Pflan- 
zen, Buch 3—8 enthält einzelne Pflanzenbeschreibungen, mit einer 
Kinschiebung am Ende des 4. Buches über Krankheiten und Tod der 
Gewächse; endlich das 9. die Säfte des Pflanzenreichs und deren An- 
wendung. Aus diesem Ueberblick ergiebt sich, dass abgesehen von 
Einzelnheiten sich die 6 Bücher über die Ursachen der Pflanzen auf 
Buch 2, 9 und das Ende des 4. der Pflanzengeschichte beziehen wer- 
den, da der übnge Inhalt nur selten Anlass zur Erürterung der 
„Ursachen“ bieten kann. So bildet denn auch, entsprechend der 
Entstehung und Fortpflanzung der Büume H. pl. II, 1, den Anfang 
der Ursachen eine Auseinandersetzung, wie man sich die verschie- 
denen müglichen Vermehrungsweisen der Büume zu erklüren habe 
(C. I, cap. 1—3.); und auf eine Hinweisung am Ende von H. pl. II, 
1, 4, dass über Pfropfen und Oculiren spüter gesprochen werden 
solle, kommt hier Th. im 6. Capitel zurück, wo jene Vermehrungs- 
arten ausführlich behandelt werden. Dem ersten Paragraphen von 
H. pl. II, 2, der die Fortpflanzungsweisen der Sträucher und Kräuter 
aufführt, entspricht C. I, 4; die Behauptung, dass aus dem Samen 
immer geringere Individuen hervorgingen, als aus Ablegern, wird 
C. IV, 1 ausführlicher dargetan. In ähnlicher Weise entsprechen 
sich, um es nur kurz anzudeuten: 

H. pl. II, 3: über generatio aequivoca und wunderbare Verände- 
rungen bei Bäumen = C. V, 1—4. 
H. pl. II, 4: über Verwandelungen einiger Krüuter in andere — 
C. II, 16. 
H. pl. IT, 5: über die beste Art, Ableger zu pflanzen und Auswahl 
des passenden Bodens — C. II, 1—15. 
H. pl. II, 6: über das Stecken und Pflanzen der Dattelpalme = 
CL 
H. pl. II, 7 u. 8: über die Pflege der Bäume = C. III, 1—18. 
H. pl. IV, 13—16: über Länge und Kürze des Lebens und die 
Krankheiten der Báume; dazu H. pl. VIIT, 10: über die Krank- 
heiten der Getreidearten = C. V, 8—18. 
. pl. VIL, 1 u. 2: über Saat und Vermehrung von Gemüsepflanzen 
— (. III, 19. 
H. pl. VIII, 6: überDüngung und Bewässerung — C. II, 20—24. 


ae) 


























462  O. Kirchner: Die botanischen Schriften d. Theophrast von Eresos. 


tümlichkeit, die mit Recht von Meyer rühmend hervorgehoben wird, 
denn sie ist viel mehr wert als prahlerische Zuversichtlichkeit, die 
hinter wunfehlbar scheinender Aussenseite mangelhafte und un- 
sichere Kenntnisse verbirgt.  Bescheiden ist sich Theophrast der 
Grenzen und der Lücken seines Wissens bewusst, keine falsche 
Scham hält ihn ab, offen zu sagen, wo seine Kenntnisse zu Ende sind, 
freimütig zu gestehen, dies oder jenes habe er noch nicht genügend 
untersucht, und überlasse es genauerer Prüfung!) 

8 9. Aus alledem ergiebt sich, dass Theophrast ein Schrift- 
steller ist, dem wir nach dem Eindrucke, den seine Schriften machen, 
sehr wol von vorn herein zutrauen dürfen, dass der grüsste Teil des 
Inhaltes seiner botanischen Schriften auf einem sicheren Wissen und 
auf eigenem Forschen beruht; dass er nichts von den charakteristi- 
schen Eigenschaften eines unwissenden Compilators an sich hat. 
Dass aber in Wahrheit die Hauptmasse der erwühnten Tatsachen auf 
seinen eignen Fleiss und auf seine eignen Beobachtungen zurück. 
geht, das lässt sich auch im besondern erweisen. Natürlich kann 
hier nicht auf die Masse der Einzelnheiten eingegangen werden, nur 
das soll, da es vom grössten Interesse ist, untersucht werden, ob 
und in wie weit Theophrast auf Reisen in und ausserhalb Griechen- 
lands botanische Kenntnisse gesammelt hat; ob er diejenigen Länder, 
welche er erwähnt, selbst gesehen oder nicht. Die Methode, dies 
auszumachen, wenn es anders auszumachen ist, scheint mir eine ziem- 
lich einfache, und doch nur eine mögliche. Nach sorgfültigem Sam- 
meln aller Stellen über irgend eine Gegend wird *nan zunächst zu 
prüfen haben, ob irgend etwas als von andern berichtet erzáhlt wird, 
was jeder Reisende, geschweige ein naturwissenschaftlich gebildeter, 
wenn er in jene Gegend kam, sehen musste: in einem solchen Falle 
hat natürlich Theophrast diese Gegend nicht bereist, wenn auch zehn 
andere Stellen noch so bestimmt dagegen zu sprechen scheinen. 
Wenn dagegen die Beschreibung einer Oertlichkeit oder einer Pflanze, 
oder ühnlicher Dinge der Art ist, dass man sich bei vorurteilsfreier 
Prüfung sagen muss, es könne sie in dieser Art nur jemand verfasst 
haben, der den besprochenen Gegenstand mit eigenen Augen gesehen 
und geprüft hat, so würe es iminer noch voreilig daraus zu schliessen, 
Theophrast sei an Ort und Stelle gewesen, denn er könnte eine solche 
Stelle ja etwa einem von einem Augenzeugen geschriebenen Werke 
wörtlich entlehnt, oder einen Bericht, dem er völligen Glauben 
schenkte, wie seine eignen Erfahrungen erzählt haben. Wenn sich 
jedoch an sich gegen die Wahrscheinlichkeit, dass Theophrast irgend 
ein Land bereist habe, nichts einwenden lässt, wenn ferner mehrere 
Stellen das Gepräge der eigenen Beobachtung tragen und keine 


— -- ο.-- -.»-. 


1) Vergl. H. pl. IIl, 3, 8. 5, 7. IV, 10, 4. V, 2, 1. VI, 3, 1. VIII, 
7, 3. — C. I, 5, 5. 20, ὃ. II, 3, 6. 14, δ. III, 21, δ. IV, 5, δ. 8, 8. 
i. 13, 1. 12, 1. V, 10, 4. Vl, 19, 1. u. a. 


3 


1, ὅ. 
9. 8, 


ou. 

















wir von der Zuverlässigkeit eines Autors halten, we 
„Der Ida hat einige von diesen Pflanzen (nämlich ? 
stanie, Weinstock, Apfelbaum, Granatbaum) gar nicl 
selten (H. pl. IV, 5, 4); die Eibe ist selten um den Ida t 
Ulme wächst nicht reichlich am Ida, sondern nur selt 
der Baum aber auf dem Ida, den man κολοιτία ı 
andere Art, strauchig, knotig und vielverzweigt, abe 
häufig (III, 17, 3);* wenn wir glauben wollten, er | 
selbst von dem Vorkommen jener Pflanzen am Ida übı 
allein die oftmalige Nennung des Ida und der ihm 
Gegenden macht es wahrscheinlich, dass Theophrast . 
Studien machte — oder dass ihm sehr genaue Berich 
diesen Punkt vorlagen; doch wird man letztere Mö, 
anzunehmen geneigt sein, wenn man die Árt und We 
nungen in Betracht zieht. Freilich hat Theophrasi 
digungen eingezogen, wie in Arkadien, und in zie 
Maasse da wo seine Erfahrungen nicht ausreichten. 
diesen Erkundigungen und also überhaupt mit Aeı 
„so sagen die Anwohner des Ida“ u. dergl. steht, daft 
gender Beweis H. pl. III, 11, 2: „Es wächst aber 
meistenteils an bewüsserten Stellen, wie die Bewohner 
und ist selten. In Bezug auf seine Blüte wussten s 
Frucht aber sei nicht sehr lang, ähnlich der des Pali 
länglicher.“ Also der Baum war selten, Theophrast 

zu Gesicht bekommen und erkundigte sich deshalb 

leuten; diese berichteten ihm, was sie wussten, nur i 
konnten sie ihm keine Auskunft geben — und alle: 
er uns, um ganz sicher zu gehen, ohne Rückhalt. Aus 
die Angaben der Bewohner des Ida nicht selten erwi 
hült sich damit ganz eben so, wie wir es bei Arl 
haben. 











A15 O.Kirchner: Die botanischen Schriften d. Theophrast von Eresoa. 


Indien. 


S 28. IH. pL IV, 4, 5: „Wie einige sagen, soll fast gar nichts 
unter den Bäumen und Sträuchern oder auch unter den Kräutern in 
Indien denen, die in Griechenland wachsen, ähnlich sein, mit Aus- 
nahme einiger weniger". H. pl. IX, 15, 2: „Bei den Indern giebt 
es auch noch mehr andere Arten; in sehr grosser Menge, sofern man 
die Wahrheit erzählt, die Planze, welche im Stande ist, das Blut zu 
zerteilen und gleichsam es zu fliehen, und wiederum die, welche e- 
zusammenbringt und an sich zieht; diese sollen gegen die Bisse tcl. 
bringender Schlaugen helfen". 

Diese beiden Stellen genügen, um zu zeigen, dass Theophrast 
nach Indien nicht gekommen ist; und dies wird auch erwiesen dureh 
den Bericht der Begleiter Alexanders des Grossen über die am indi- 
schen Ocean wachsenden Pilanzeu!) und andere Stellen*:. Folglich 
ist auch alles übrige, was über Indien erzühlt wird"), anderweitigen 
Berichten entnommen, deren gewiss damals mannigfache und reich. 
liche zugänglich waren. 


Italien. 


S 2% Ex werden unter verschiedenen Bezeichnungen verschie- 
dene Striche Italiens genannt, und da es möglich wäre, dass Theo- 
phrast nur den einen oder andern gekannt hat, die andern dagegen 
nicht, so müssen sie gesondert besprochen werden. 

Was zunächst die Ge;rend. betrifft, die Theophrast Ἰταλία nennt. 
so scheint er von Ihr, so weit sich aus den spärlichen Erwähnungen 
schliessen lisst ὃς nur nach dem Hórensagen zu berichten. 

Auch wenn er Etrurien (Tuppnvia) gekannt hätte, wäre es nich! 
nons sewesen. dafür dass diese Landschaft an Heilkrüutern reich 
sei. das Zeugnis des Aesehylus anzuführen^'; was sonst noch er- 
wähnt wird, lässt kein bestimmtes Urteil zu. 

Venetien scheint den Schriftsteller nicht bekannt gewesen zu 
sein: es wird nur zwei Mal die Stadt Adria erwähnt τς 

Dass ev von Latium wenigstens den Teil, der Kıpkaiov genaunt 
wurde Cireei', nicht selbst besucht hatte, zeigt H. pl. V. 8, 3: „Da: 
sogenannte Kirkaeon sch, eine hehe und bewachsene Rlippe sein, und 
Fuben tragen und vice Lorbeerbüume und Morten u. s. w." In 
Ber auf das Übrige Latium bin ich zweifelhaft, denn obwol es 
du wahrscheinlich iet. dass Theophrast einmal in diere Gegend 


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ΔῊ 21.7 EN, 61 0. S. $ 1n 1001.14. 11. 13. VI, 13, 
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516 O.Kirchner: Die botanischen Schriften d. Theophrast von Eresos. 


Beschreibung und Beobachtung einzelner Pflanzenarten, so finden 
sich in den Schriften des Aristoteles eben auch fast nur Fragmente, 
die sich im allgemeinen mit der Pflanze als Organismus beschäftigen, 
dagegen wenige Notizen speciellen Inhaltes. Und gerade hierauf 
beruht die Schwierigkeit einer Vergleichung Theophrasts mit seinem 
Lehrer, da jener von diesen allgemeinen Verhültnissen nicht oft 
spricht, sei es nun dass er ea absichtlich unterliess, weil er die Aus- 
führungen des Aristoteles für erschüpfend hielt, sei es dass er we- 
niger Neigung und Beruf fühlte, seine Untersuchungen darauf aus- 
zudehnen. In jedem Falle steht es fest, dass trotz des bedeutenden 
Umfanges der Schriften des Theophrast und trotzdem auch nicht 
wenig aristotelische Fragmiente botanischen Inhaltes sich erhalten 
haben, die Ansichten beider über denselben Gegenstand bei weitem 
weniger zahlreich sind, als man es in den Werken eines Lehrers und 
seines Schülers tiber die nämliche Wissenschaft erwarten würde. 
Selbstverständlich würde eine Vergleichung weit leichter sein und 
auch weit mehr Resultate liefern, wenn die beiden Bücher περὶ 
φυτῶν des Aristoteles uns noch vorlägen. Dann würde sich sofort 
constatiren lassen, ob Theophrast nur des Aristoteles Vorschriften 
befolgt und nichts neues hinzugetan habe als was jener vergessen, 
oder ob er eigentümliche Ansichten aufstellte und neue Principien 
für die Beobachtung und Auffassung der pflanzlichen Verhältnisse 
geltend machte; ob er nur die besonderen Anwendungen der all- 
gemeinen Maximen seines Lehrers im einzelnen machte, oder wie ein 
unverschümter Abschreiber die Schriften des Aristoteles plünderte. 
Da wir darauf verzichten müssen, so bleibt uns nichts anderes übrig, 
als aus den kürglicheren Notizen die sich in andern aristotelischen 
Schriften finden das heranszusuchen, was Vergleichungspunkte mit 
Theophrast bietet, und uns so ein weniger reichhaltiges und müh- 
sameres Urteil verschaffen. 

Zu keiner Zeit war es zweifelhaft, dass Theophrast, im Altertum 
als Philosoph und Stylist hoch gepriesen, doch an den allumfassenden 
und gottbegnadeten Geist seines Lehrers, eine der herrlichsten Dlüten 
die nieht nur die antike Welt, sondern der Menschengeist überhaupt 
zur Entfaltung gebracht hat, bei weitem nicht heranreiche. Wenn 
Aristoteles ,, solus fere ac proprio Marte ex summo tantum philoso- 
phiae fastigio in vegetabilium studium descendit" !), so ist Theophrast, 
der nur das Studium der Pflanzen nach allen Richtungen hin im 
Auge hatte, weit entfernt von jenem gewaltigen Wissen des Aristo- 
teles, dem es nicht verborgen blieb, welche Stellung die pflanzlichen 
Erscheinungen innerhalb der Reihe aller im Weltall beobachteten 
Vorgünge und Tatsachen einnühmen. Wenn Aristoteles in richtiger 
Erkenntnis, dass alle Philosophie, die den vorliegenden Tatsachen 
widerspricht, null und nichtig sei, sein Wissen und seine Philoso- 








1) Henschel a. a. O. $ 87. S. 87. 














533 O.Kirchner: Die botanischen Schriften d. Theophrast von Eresos. 


8 63. Wollen wir nun nach der Erschöpfung aller Verglei- 
chungspunkte, die sich zwischen Aristoteles und Theophrast in Bezug 
auf ihre botanische Wirksamkeit feststellen lassen, ein Endurteil 
über das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler füllen, so wird sich 
dieses etwa folgendermassen constituieren lassen. Des Aristoteles 
Bestreben war darauf gerichtet, die Tütigkeiten der Pflanzenseele, 
Fortpflanzung und Bewegung im weitesten Sinne nach denselben 
Normen zu erforschen, die er bei den übrigen belebten Wesen an- 
gewendet hatte; ferner darauf, die Analogie zwischen Tieren und 
Pilanzen klar zu stellen und zu verfolgen; die elementaren Bestand- 
teile der Pflanzen zu erkennen, und endlich auf Grund dieser Unter- 
suchungen ihnen ihre Stellung innerhalb des Weltganzen und im 
Rahmen seiner philosophischen Weltanschauung anzuweisen. Diese 
Gesichtspunkte, die sich in seinen phytologischen Fragmenten noch 
erkennen lassen, hat Aristoteles gewiss auch in seinen verlorenen 
zwei Büchern περὶ φυτῶν hauptsächlich erörtert; ein anderer Teil 
. dieser Schrift mag dann wol auch ziemlich allgemein von der Ein- 
teilung der Pflanzen in Familien und Classen, über die Pflege und 
die rationelle Begründung derselben bei Culturpflanzen gehandelt 
haben; natürlich lässt sich hierbei auch nur annähernde Wahrschein- 
lichkeit kaum erreichen. Interessant und anziehend würden jene 
Bücher gewiss für uns sein, und ihr Untergang ist sicher zu be- 
klagen — allein gar zu hoch ist wol ihr Verlust nicht anzuschlagen, 
eben weil wir des Theophrast Werk besitzen; so reicher Stoff, so 
gute Anordnung, eine solche Fülle von wertvollen Einzelheiten 
wie bei ihm dürften in jenen zwei Büchern wol schwerlich vor- 
handen gewesen sein. — Theophrast lüsst die philosophischen 
Tragen seines Lehrers fast ganz aus dem Spiele, sie sind für ihn 
eben bereits entschieden und abgetan, und seine Neigung ist mehr 
auf die Sammlung von Tatsachen gerichtet, die er nach gewissen 
Principieu einzuteilen und anzuordnen strebt; so weit er es für zu- 
lissig hält, folgt er des Aristoteles Ansichten, aber wo er sie nicht 
billigen kann, verlässt er sie ohne Bedenken, um sie zu ändern und 
zu verbessern. Namentlich aber liegt sein. Verdienst in dem anhal- 
tenden Fleisse und in der Gewissenhaftigkeit, mit der er Unter- 
suchungen anstellt, eigene und fremde Beobachtungen sammelt und 
einen weitschichtigen Stoff zum ersten Male im ganzen recht klug 
anordnet und zusammenhängend erörtert. Seine Verdienste liegen 
in einer andern Richtung als die des Aristoteles, und er darf sich 
selbst neben seinem grossen Lehrer auf diesem Felde wol sehen 
lassen, ohne dass man ihm das Lob der Originalität wird vorent- 
halten dürfen. Mag man auch der geschichtlichen Wahrheit das 
Zugeständnis machen, dass nicht Theophrast, sondern Aristoteles die 
bahnbrechenden Ideen auf botunischem Gebiete entwickelt habe, die 
bestimmt waren eine lange Reihe von Jahrhunderten Geltung zu 
behalten; mag man Recht daran tun, nicht Theophrast, sondern 





DE 
IMPERATORIS AUGUSTI DIE NATALI 
FASTISQUE AB DICTATORE CAESARE 


EMENDATIS 
COMMENTATIO CHRONOLOGICA. 


ACCEDUNT TABULAE PARALLELOE 


ANNORUM ROMANORUM ET IULIANORUM 
63 AD 46 A. CHR. 


Jahrb. f. claus. Philol Suppl. Bd. VII. Hft. 4. 35 





544 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali faatisque 


nullam fidem esse videbat, ipse annorum septendecim, qui fastorum 
emendationi antecesserunt, alias tabulas conficiendas curavit, quarum 
vel auctorem vel ducem audimus fuisse Leverrierium, summum Gal- 
lorum astronomum. Quas tabulas ab vero minus aberrare prioribus 
video, aberrare tamen manifestum est decepitque astronomum philo- 
logorum, quos de veterum scriptorum testimoniis  consuluerat, 
auctoritas. 

Quae cum ita esse intellexissemus, casu ad quaestionem de im- 
peratoris Augusti die natali instituendam delati quid in quoque 
superiorum vitiosum esse videretur explicavimus novaque quaedam 
temporum indicia persecuti sumus: quo in genere et dies 1110 natalis, 
quem diximus, fuit, a quo disputatio nostra profecta est, et dies Ca- 
tilinariarum Ciceronis orationum, de quibus insignis virorum doctorum 
et olim fuit et nunc est dissensio. Haec eodem quo quaesivimus 
ordine exponere visum est: ita et cur ab anno potissimum 63 a. Chr. 
inceperimus et cur alia copiosius tractaverimus, alia brevius trans- 
miserimus, apparebit. 

Nec vero sufficiebat aut aliorum errores redarguere aut nostram 
rationem demonstrare: ne illud quidem satis erat, initia vel annorum 
vel mensium commemorare; ita enim magnus labor singulorum dierum 
computandorum relinqueretur. Quare similiter ac Korbius et astro- 
nomus Gallicus iustas tabulas confecimus, quibus annorum septendecim 
Iulianorum diebus annorum veterum dies ascribuntur, ut qui verum 
tempus quaerat, quis cuiusque anni Iuliani dies dicatur, facile invenire 
possit. Placuit autem has, quas iam certas ac fide dignas esse cen- 
semus, tabulas ita confici, ut iis et qui res Romanas huius aetatis 
cognoscere cupiunt et qui scriptoribus operam dant, commode uti 
possent, quod qui facient, et historiae seriem et nobilissima ingenii 
monumenta imprimisque Ciceronianas epistolas rectius intelligent. 


Intereuntis libertatis Romanae constat nullum memoriam extare 
certiorem, nullam fide digniorem quam eam quae monumento An- 
cyrano continetur, quo imperator Áugustus res & se gestas posteris 
tradidit. De quo cum nuper disputaremus, hoc imprimis egimus, 
ut verba, quae exeso vetustate lapide perierunt, suppleremus: quae 
dum restituimus, faciendum erat, ut quae reliqui auctores tradunt, 
examinaremus eademque ab imperatore narrari ostenderemus. Qua 
disputatione si quid effecimus, eorum errores refelluntur, qui quia 
quid & quoque tradatur minus perspiciunt, veterum testimonia inter 
se discrepare existimant quaque ipsi laborant quadam quasi levitate, 
eam aliis exprobrant. Nunc quaestio nostra ab alio disputandi genere 
proficiscetur, non ut quae non sunt tradita divinando supplere cone- 
mur, sed ut quae certa fide ac quodammodo dupliciter supersunt, ex- 
plicemus, sed perveniet ad idem, ut eadem ab omnibus auctoribus 
tradi doceamus, quaeque comımuni consensu narrentur, qualia fuerint 








548 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


servarent pariterque atque in ferüs festisque publice praescriptum 
erat, privatim eum, quo quisque natus esset, contempta Caesaris 
ordinatione celebrarent aut computatione facta quo quisque die anni 
Iuliani se natum esse reperisset, in eum natalicia transferrent. Illud 
81 ipsius rei naturam spectes, probabile est fecisse eos, qui provectiore 
aetate essent, qui consueto die digredi nollent, hoc iuniores homines, 
qui neque consuetudine ulla tenerentur et maiorem vitae partem 
annis Iulianis agendam sibi esse viderent. Itaque Caesar ipse a. d. 
III Id. Quinct., quo die olim natus erat, non mutavit, id quod si 
fecisset, in tanta hominis gloria nobis traderetur nec qui divinos ei 
honores tribuerunt, quamvis dies ille religionis causa minus commodus 
esset (Dio Cass. XLVI, 18), mutare ausi sunt. Nec Cicero mutavit. 
Etenim a. d. III Non. Ian. natalem suum appellat et anno 50., cum 
nemo de anno immutando cogitaret (ad Att. VII, 5, 3) et anno 45. 
(ad Att. XIII, 42, 2), cum anno confusionis exacto novi fasti in 
omnium usu essent. 

Quare cum aliud ab alüs observaretur, quid fecit Augustus? 
qui quo tempore annus lulianus institutus est, et aliquamdiu con- 
spicuum in civitate locum tenuisset et adolescentulus esset. Imita- 
tusne est avunculi exemplum an aequalibus suis ipse fuit exemplo, 
ut novum annum in omnibus rebus etiam privatim sequerentur? Ac 
veleres quidem auctores de tantula re tacere non est mirum: nostri 
quidem homines in contrarias partes abeunt. Nam Ios. Scaliger, 
Petavius quique hos summos chronologos secutus est, cum eius artis 
ipse esset peritissimus, L. Ideler. (chronolog. IT, 113) Augusti nata- 
lem mutatum esse negant contemptaque fastorum diversitate et ipsum 
imperatorem et scriptores omnes eum quo quondam vere natus esset 
diem perpetuo observasse. Contra Dodwellus (de cyclis X, 3), item 
magna in hoc litterarum genere auctoritate, ait mutasse eiusque 
sententiae affert argumentum idem, quo nos paulo post utemur. 
Quod cum viris doctis diu non persuaderetur, G. F. Korb. in Ono- 
mastici Tulliani ab I. C. Orellio et G. Baitero editi parte prima 
p. 133 sq. veterum fastorum rationem exponens, diem natalem 
Augusti, qui communi consensu traditur, ex fastis Iulianis celebratum 
esse denuo demonstravit. Qui nisi de quibusdam rebus parum recte 
iudicasse videretur, totam eam rem tamquam certam praetermitterem; 
nunc universam quaestionem de integro suscipiendam esse putavi. 

Equidem mirari saepe consueveram, cur Augustus eum men- 
sem, quo natalis eius dies celebrabatur, Septembrem ex nomine suo 
appellari noluerit. Nam dictator Caesar, cuius ille perpetuo aucto- 
ritatem imitatus est, nec Sextilem, quo Pompeium, nec Aprilem, quo 
ad Thapsum, nec Martium, quo ad Mundam vicerat, Iulium appellari 
iussit, sed eum quo natus erat, Quinctilem. Idemque Augusto ab 
senatu offerebatur (Dio Cass. LV, 6), ut Augusti nomen in Septem- 
brem transferretur, sed ille Sextilem praetulit, quod eo mense et 
primum consulatum inisset et triumphos tres in urbem intulisset et 


ab dictatore Caesare emendatis commentatio chronolugica. — 54€ 


Aegyptum in potestatem suam redegisset, quemadmodum est. in Seo. 
apud Macrob. Sat. I, 12. Neque. eae non verae enusae erant, cur 
Augustus Sextrilem potissimum mensem eligeret, sed accedebat, ut 
Septembrem aspernaretur, quod eo se non natum esse sciret emen- 
dationeque fastorum accidisse, ut natus esse putaretur. 

Deinde quod iam Idelerus (chronolog. IT, 112) animadvertit, 
veteres auctores in aetate Augusti definienda incredibile prope est 
quantam diligentiam adhibeant. Nam Dio Cassius (LVT, 30) de- 
cessisse eum narrat a. d. XIV Kal. Sept. anni 14 p. Chr., postquam 
annos LXXV, menses X, dies XXVI vixit. Ea ratio prorsus constat, 
si Dionem anno Iuliano usum esse statuas. Eodemque modo constat 
ratio Suetonii (Aug. c. 100) septuaginta sex vitae annos ei tribuentis 
diebus quinque et triginta minus. Qui si veterum fastorum Roma- 
norum natalem Augusti diem fuisse statuerent, et menses intercalares, 
quos unum anno 52, tres anno 46 fuisse constat, et annorum inae- 
qualitatem, quae ante Caesarem fuerat, in rationem ducere debebant, 
nunc omnes, quos numerant, annos aequales fuisse significant; nam 
quod dies ex ratione Iuliana intercalatos neglexerunt, nemo vitu- 
perabit. Illud longe difficilius factu est, ut diversitatem veterum et 
novorum annorum ab utroque neglectam esse credamus, neque Idelerus 
ipse, qui hanc negligentiam excusandam esse putabat, eam rationem, 
qua praestantissimorum scriptorum diligentia conservaretur, praefe- 
rendam esse negasset. 

Atque haec quidem, quae dixi, tametsi levia esse videntur nec 
per se sola sufficere, eam tamen habent significationem, qua qui in 
suspicionem diei natalis translati inciderit, non incommode utatur. 
Tertium vero superest argumentum, quod solum per se ad rem demon- 
strandam satis sit. Nam Suetonius (Aug. c. 94) sic narrat: Quo 
natus est die (Augustus), cum de Catilinae coniuratione ageretur in 
curia et Octavius ob uxoris puerperium serius. affuisset, nota ac vul- 
gata res est P. Nigidium comperta orae causa, ut horam quoque 
partus acceperit, affirmasse, dominum terrarum. orbi natum. Rem 
notam ac vulgatam esse Suetonius ait, in qua si quid miraculi causa 
falso adiectum est, quamvis ipsi non credamus, tamen quod quo die 
Augustus nasceretur, eo in curia de coniuratione Catilinae actum esse 
narrat, in dubitationem vocari non licebit, eoque minus licebit, quod 
quae de Nigidii divinatione narrantur, cum significatione de die natali 
non cohaerent: quam ob causam Dio Cassius (XLV, 1) cum Suetonio 
auctore de Nigidio tradat, de coniuratione Catilinae tacet. Verun- 
tamen quis fuit ille, qui de Catilinge coniuratione habitus est, senatus? 
Non quaeritur, quando primum ea coniuratio inita sit, sed quando 
senatus primum de ea decreverit explicandumque est ipsum voca- 
bulum coniurationis. Neque enim dubium est, quin Catilina ex longo 
tempore opprimendae reipublicae consilia inierit, amicos undique col- 
legerit, coetus hominum perditorum ac seditiosorum habuerit. Sed 
eiusmodi sodalicia ac societates saepe a principibus civitatis inibantur 








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559 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


Nam cum veterum fastorum anni, quod decem vel undecim diebus 
breviores essent intercalationesque negligerentur, paulatim in eos, 
qui Caesariana ratione efficiuntur, annos processissent, factum esse, 
ut veteris anni 63 8. Chr. Kalendae Ianuariae in diem 14. Martii 
anni eiusdem Caesariani inciderent vetusque annus 63 die 3. Martii 
anni Caesariani 62 a. Chr. finiretur. Ita quot dies inter veterem et 
inter Caesarianam rationem interessent, tot diei 23. Septembris pro- 
cedendo fuisse addendos. At illum, qui Augusti diem natalem accom- 
modavit, non addidisse numerum dierum, qui interessent, sed rece- 
dendo detraxisse: qui recte ratiocinari vellet, eum addendo a Nonis 
Decembribus (hunc enim diem Augusti natalem ex veteribus fastis 
fuisse Korbius coniicit) pervenire debuisse ad 7. diem Februari, 
nunc perversa ratiocinatione instituta recedendo ad diem 23. Sep- 
tembris pervenisse. In his qualis sit coniectura Korbiana de Nonis 
Decembribus, qua coniectura omnia nituntur, qualis opinio de ratione, 
quae inter novum et inter veterem annum intercedat, paulo post 
examinabimus: nune de erroribus tantum Augusto exprobratis dice- 
mus, Quo in genere non dubium est, quin, si verae sint illae con- 
lecturae, quod de vetere anno ad rationem Caesarianam Accommo- 
dando disputatur, verissimum sit imperitosque pueros, qui nunc post 
tot annorum spatium ad accommodandum temere accedant, fortasse 
decipi posse concedimus. Αἱ Augustum in die suo natali transferendo 
tam pueriliter peccasse quis potest credere? Scilicet ignota erai, 
cum diem natalem adolescens mutaret, veterum mensium ratio nec 
modo ipse, quot quisque mensis habuisset olim dies, quot ex nova 
ratione haberet, oblitus erat, sed ne reliquorum quidem hominum 
quisquam recordabatur. Deinde ratiocinando tam turpiter errare 
convenit, credo, cum Augusti ingenio, qui paulo post orbis terrarum 
imperium obtinuit. Qui si ipse rationem instituere vellet, veteres 
fasti in multis monumentis extabant, novi anni Caesariani ratio 
publice erat proposita, ut dies singulos numerando ad verum diem 
pervenire liceret. At cum summo loco natus esset multosque viros 
doctos secum haberet, quorum consuetudine erudiretur, nec modo 
philosophiae et eloquentiae, verum etiam omnium artium mathema- 
ticarum peritos, hos, opinor, quid de die natali suo meditaretur, 
celabat nec quod invenerat, monstrabat examinandumque exhibebat. 
Idem frequens erat cum Caesare atque iis ipsis, quorum tunc aucto- 
ritate fasti emendabantur, qui nimirum adolescentem dictatori pro 
pinquum, qui adoptionem summamque potentiam speraret, diligen- 
tissime observabant eiusque diem natalem, si ad novos fastos etiam 
privatim commendandos corrigendus esse videretur, accuratissime 
investigabant. Denique ut Augustus adolescens errasset, quomodo 
per sexaginta annos eum diem tamquam natalem suum publice toto 
orbe terrarum celebrari pateretur, quem falsa ratione effectum eese 
non poterat non aut ipse animadvertere aut ab aliis admoneri? Hos 
tantos errores sapientissimo imperatori totique eius aetati a quoquam 





ab dictatore Caesare emendatis commentatio chronologica. 553 


iribui non posset credi, nisi homines alios omnes turpiter peccare 
quam se ipsos mediocriter vel falli vel nescire mallent. 

Nos quidem illud prorsus intelligimus, quod supra diximus, cum 
diem Augusti natalem ex posteriore aliquo die in a. d. IX Kal. Oet. 
retractum esse constet, non peccasse Augustum eiusque amicos, sed 
universum annum veterem 63 a. Chr. eidem anno Caesariano ante- 
currisse. Sed quantum antecurrerit quotque tunc omnino dies inter 
rationem veterem et inter Caesarianam interfuerint, difficillimum est 
invenire variaque temptarunt viri docti. Nam veteres chronologi, 
Scaliger, Petavius quique alii illorum secuti sunt auctoritatem, sic 
existimabant, quae confusio temporis anno 46 a. Chr. fuit, quo Caesar 
67 diebus intercalatis temporis rationem correxit, eandem confusio- 
nem iam fuisse anno 63 a. Chr. ac per totum hoc spatium inter- 
calationes tam religiose ex vetere lege servatas esse, ut nihil nec 
decederet nec accederet: quare initium consulatus, quem Cicero iniit, 
in diem vel 13. vel 23. Octobris anni antecedentis 64. incidisse. Haec 
ratio per se ipsa parum est probabilis. Quis enim tantam confu- 
sionem, qua anni tempora commutarentur, etiam in perturbatione 
intereuntis libertatis tam diu tanta constantia conservatam esse 
credat? Sed refutata etiam est luculentissimus argumentis ab Ide- 
lero, qui quae de ipso anno 63. narrantur, de quibus paulo post nos 
quoque dicemus, parum cum ea convenire docuit. Itaque superioris 
saeculi chronologus Gallicus Nauzius aliam rationem invenit. Qui 
cum apud Asconium p. 35 legisset anno 52. a. Chr. mensem 23 
dierum intercalatum esse, semel hoc per septendecim aunos, qui ab 
anno 63 a. Chr. ad emendationem Caesarianam sunt, factum esse con- 
iecit, reliquis sedecim annis intercalationes esse neglectas: sic Kal. 
Inn. anni veteris 63 a. Chr. in diem 14. Mart. eiusdem anni Caesa- 
riani transferuntur. Cui coniecturae ut probabilitatem aliquam cir- 
cumdaret, verbis Macrobii (Sat. I, 14) usus est, qui fuisse tempus 
Scribit, cum propter superstitionem intercalatio omnis omitteretur, 
nonnunquam etiam per gratiam sacerdotum, qui anni dies publicanis 
vel proferri vel imminui vellent, modo auctionem modo retractionem 
dierum provenisse. Addidit etiam talis pontificum libidinis exem- 
plum illud, quod anno 50 a. Chr. in Ciceronis proconsulatu accidit. 
Haec Nauzii coniectura num vera esset, Idelerus, qua erat prudentia, 
magnopere dubitabat imprimisque quae Macrobius diceret alio per- 
tinere videbat. Qui quod de intercalatione omissa scribit, ad anti- 
quiora tempora referendum est, quibus religio multum publice 
valebat (nam Ciceronis uetate fere negligebatur), quod de diebus 
auctis aut retractis, magis ad dies nonnullos additos aut demptos, 
quam ad mensem intercalarem omissum pertinet. Veruntamen Idelerus 
cum haec incertissima ac vix vera esse cognosset, tamen quia nihil 
aliud in promptu erat, si vera esset Nauziana coniectura, quam 
veteris et novi anni rationem consequi oporteret, tabula confecta 
demonstravit. 





ὅδ4. A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


Id cauti erat hominis et eruditi, qui coniecturis uti quam peri- 
eulosum esset, usu didicisset. At Korbius ille, quem dixi, Nauzianam 
opinionem non tantum modo valere arbitrabatur, ut vetustiorum chro- 
nologorum errores refellerentur, sed certissimam esse &c ne uno qui- 
dem die aberrare miro hoc modo docuit. Cum enim Augustus natus 
esse narretur eo die, quo senatus de coniuratione Catilinae habebatur, 
natum esse eo potissimum die coniecit, quo maxime de coniuratione 
illa in senatu actum sit, quo coniurati condemnati sint Ciceroque 
quartam orationem Catilinariam habuerit i. e. Nonis Decembribus, 
die quarto eius mensis. Is autem dies ab die 23. Septembris, quem 
ex ratione anni Caesarianı Augusü natalem fuisse constat, diebus 
13 distat totidemque diebus Nauzius, qui Kalendas lanuarias anni 
63. veteris in 14. diem Martii anni Iuliani incidisse putaret, anno 
63. inter rationem veterem et inter Caesarianam interesse coniecerat. 
Hinc duas res tamquam certissimas effecit, prinum Augustum Nonis 
Decenibribus veteris anni natum esse, deinde veterem rationem ab 
Caesariana ipsis illis 73. diebus diversam fuisse: qua in re cum pec- 
catum esse videret in die natali ad novos fastos accommodando, 
imperatori ipsi omnibusque Romanis errorem obiicere quam de con- 
lectura su& discedere maluit. Hoc modo illae septendecim annorum 
tabulae natae sunt, quibus cum editione Orelliana commendarentur 
ac propagarentur, plerique philologorum in comparandis veteribus et 
Iulianis annis uti iubebantur. Equidem in hac disputatione mirari 
Satis non possum, quot quibusque coniecturis quod verissimum esse 
videretur, effectum sit. Unum enim illud certum esse video de die 
natali Augusti quod supra diximus, ex ratione Caesariana eum esse 
constitutum, non ex veteribus fastis, reliqua omnia vel incertissima 
vel falsa esse reperio, ut usu veniat, quod a viris doctis observatum 
est, eum, qui coniecturis alias coniecturas superstruat, quo longius 
coniiciendo procedat, eo longius solere a vero aberrare. Nam quod 
Korb. Augustum eo die natum esse statuit, quo Catilinae socii con- 
demnati sint, id demonstrari nullo pacto potest. Si quidem unus 
Suetonius eo quem citavimus loco senatum nataliciis Augusti de Cati- 
linge coniuratione habitum esse scribit, quae verba qui diligenter inter- 
pretabitur, fortasse hoc inesse concedet, ut Catilinarii tunc condemnati 
esse dicantur, propius autem vero hoc esse videbit, ut non de pu- 
nienda tunc, sed de opprimenda coniuratione, non de hominibus, sed 
sed de re decretum esse narrelur. Nauzii vero illam coniecturam ex 
Macrobii verbis parum recte intellectis. eflectam, qua semel per 
septendecim annos intercalatum esse putatur, iam alis viris doctis- 
simis purum probabilem visam esse diximus: quare quod ex his 
eoniecturis utque 73 dierum intervallo vel fortuito vel eam ipsam 
ob causam excogitato colligitur, quomodo quisquam aut certum aut 
probabile esse arbitretur? At ille adeo cerium putavit, ut reliquos 
dies anni 63. resque iis gestas secundum eam, quam coniiciendo 
invenerat, rationem examinare nollet, reliqua etiam quae de tot annis 





556 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


esse existimarit, quae nulla sit, eaque causa ad pravam de inter- 
calationibus Caesarianis opinionem deductus sit, non potest esse 
dubium. Nam mensem illum 23 dierum, quem reliqui tres scriptores 
praeter 67 dies intercalatum esse scribunt, Suetonius de consuetudine 
adiectum esse scribit, siquidem annus 46 a. Chr. ex vetere ratione 
Romana eiusmodi erat, quo Mercedonium 23 dierum mense Februario 
intercalari oporteret intercalatumque non iubente Caesare, fortasse 
ne sciente quidem. Nimirum sic res gesta est. Initio anni 46. cum 
dictator abesset (nam a. d. VI Kal. Ian. eum in Africum profectum 
esse constat) Romae solito more, qui nisi quis intercederet (neque 
tune oppressa civitate quisquam intercedebat), observandus esset, 
mense Februario Mercedonius intercalatus est, cum de emendatione 
omnium fastorum nondum divinabatur: tum postquam Caesar a. d. 
VII Kal. Sex. in urbem ex África rediit, actum est de emendatione 
intercalatique iussu dictatoris 67 ilh dies, de quibus communiter 
omnes auctores narrant. Nihil igitur est, in quo Dio Cassius cum 
Suetonio et Censorino dissentiat: qui quod contra quosdam dissen- 
tientes disputat, fortasse ad auctores nobis ignotos pertinet, qui plus 
quam 67 dies intercalatum esse videntur tradidisse. Quam Dio 
Cassius de vero numero dierum intercalatorum quaestionem instituit, 
eandem instituerant Suetonius et Censorinus, sed commemorare 
noluerunt. Simplicior tamen ac verior illa est conciliandorum aucto- 
rum ratio, quam iam significavimus. Neque enim quot dies habuis- 
set annus 46., cum tot publica de eo exstarent monumenta, & quo- 
quam videtur potuisse dubitari aut diverso modo tradi: illud unum 
quaerebatur, cum nonaginta omnino dies intercalatos esse constaret, 
quot iussu Caesaris intercalati essent: Quo in genere Dio gloriatur, 
cum auctores alii nonaginta ei dies tribuerent, alii tantum sexaginta 
septem, quaestione instituta se reperisse de sexaginta septem diebus 
intercalandis edicto eum cavisse, ut scriptor Graecus, quod Latini 
iradunt, non infringat, sed confirmet. 

Veruntamen hunc virum doctum, qui recentissimas tabulas Gal- 
licas confecit, quid movebat, ut optimis auctoribus contemptis Dionem, 
qui si cum illis conferretur, minoris certe faciendus esset, sequeretur 
dissensumque, qui si unum suae artis principem Idelerum audiret, 
facile tolli poterat, statueret? Nimirum utrosque fastos et veteres 
et novos ad annum saecularem, quem appellat, 700. ab urbe (54. a. 
Chr.) referebat eiusque mense Martio veterem rationem Romanam 
cum cursu solis exaequandam fuisse putabat, cui anno saeculari nescio 
quam vim tribuit, ut Caesar eo potissimum fastorum suorum initium 
referri voluerit. Post hunc annum constat, uti tertio quoque anno 
fieri oportebat, interealatum esse et quidem 23 dierum mensem; sed 
cum anno 50. intercalari oporteret 22 dies, anno 48 dies 23, anno 
40. rursus 22 dies, has tres intercalationes Gallicus ille chronologus 
propter seditionem domesticam putat esse omissas. Ita efficiuntur 
67 dies, quos postquam Caesar inter Novembrem et Decembrem anni 





558 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


occuparet, aliquamdiu quievisse, tum quod eorum, quibuscum rem- 
publicam communiter gesserat, desiderium non ferret, tamen in Grae- 
ciam ad Pompeium traiecisse. lam a. d. XVII Cal. Iun. sic scribit 
ad Atticum (X, 17, 3): Nunc quidem aequinoctium nos moratur, quod 
valde perturbatum erat. Vernum aequinoctium dici apparet, sed id quo 
pacto efficiatur dubium est. Gallicus ille chronologus, qui anno 46. 
Mercedonium 23 dierum ex consuetudine intercalatum esse negaret, 
pervenit ad Iulianum diem 16. Aprilem: quo die aequinoctium ait 
21 dies praeterisse, sed fieri tamen potuisse, ut venti aequinoctio 
excitati perdurarent. Haec vix it& videtur disputasse, ut ipse vera 
esse crederet. Quid enim?  Aequinoctium si ante 21 dies fuisset, 
num Cicero dicere potuit nunc se retineri aequinoctio, non ventis 
aequinoctium consequentibus aut similiter? Immo id proximum esse 
necesse erai ei quo scripsit diei, ἃ. d. XVII K. Iun., ut esset aut eo, 
quo scriberet ipso aut paulum vel antecederet vel subsequeretur, 
neque ex omnibus dierum indicis, quae de hoc tempore traduntur, 
ullum luculentius aut magis necessarium esse censeo.  Biduum vel 
triduum concedas, 21 dies non sunt concedendi. Neque id ille non 
animadvertit ipse aut, quamvis breviter disputaret, dissimulavit. 
Áddit enim Ciceronem, quod ad Pompeium proficisci cunctaretur, 
excusatione quadam aequinoctii usum esse: in quo mirum hoc nar. 
rat, eum ut excusaretur apud amicum ementitum esse aequinoctium, 
quasi tam aperti mendacii convinci esset difficile. At si anno 46. 
omnino 90 dies intercalatos esse veteribus auctoribus credas anno- 
que 48., de quo nihil traditur, item ex consuetudine Mercedonium 
22 dierum interpositum esse statuas, a. d. XVII Kal. Iun. deveniet 
δὰ diem 2. Martii, qui tametsi ab aequinoctio non distat longius 
quam dies 16. Aprilis aptiorque ad excusationem Ciceronis videbitur, 
quod tempestatibus magis est obnoxius, tam longe distat, ut Ciceronis 
verba nu]lam iustam interpretationem admittant potiusque anno 48. 
nulla Mercedonii intercalatio statuenda esse videatur. Quam si tunc 
non minus quam anno 50. neglectam esse putes, a. d. XVII Cal. 
Iun. in diem 24. Martii incidet, quo aequinoctium si non fuit ipso, 
tamen tam prope fuit, ut Cicero recte et timeri id a se diceret et 
quale esset, cognosset. Hoc indicio vix quicquam potest esse mani- 
festius eoque quod nulla alia ratione constitui potest, ne 48. quidem 
ἃ Chr. anno veterem intercalandi morem conservatum esse demon- 
stratur. Causaque eius negligendi quae fuerit, coniectura potest 
inveniri. Caesar enim in Graeciam properarat nec cum bellum vehe- 
menter gereretur Italiaque obsideretur, per litteras consuli potersi: 
qui etiamsi quid de intercalando mandavit, id M. Caelii Rufi prae- 
loris seditione perturbatum est debitores excitantis ac de aere alieno 
novam legem ferentis. Huius maxime difficultatis causa intercals- 
tionem omissam esse coniicio, quae si admitteretur, novus mensis - 
usuraeque in eum pendendae novas angustias afferebant. 

Nec vero quae de profectione dictatoris Caesaris in Graeciam 


560 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


(p. 553) narravi chronologus Gallicus Nauzius, qui prudentioribus non 
persuasit, Korbium autem ita decepit, ut confirmandi causa incredi- 
bilia quaedam argumenta afferret tabulasque fraudis plenissimas ad 
communem usum proponeret. At alteram sententiam, ut ab anno 54. 
ad annum 63. a. Chr. omnes intercalationes religiose servatas esse 
censeret, amplexus est recens chronologus Gallicus, qui argumentis 
ille quidem, cur ita censeret, nullis usus est, sed hoc quod sane 
maximum est, nitebatur, ut cum tabulis ita confectis omnes dies, 
de quibus nobis traderetur, congruere doceret. Qui quod statuit, 
etiam argumento certissimo confirmari posse arbitror. Nam ex tem- 
porum notationibus quibus utitur, una certe est eiusmodi, ut ad id, 
quod demonstrari cupimus, sufficere videatur. L. Catilinam ex Dione 
Cassio (XXXVII, 39) constat victum atque interfectum esse a C. 
Antonio proconsule statim initio anni 62 a. Chr. (ἐν ἀρχῇ αὐθὺς τοῦ 
ἔτους), quo L. Murena D. Silanus consulatum gerebant, in quibus 
verbis haec sententia inerit, ut Ianuario fere mense Catilinam perisse 
existimemus. Qui si exeunte Februario vel Martio perisset, Dio ini- 
tium anni appellare potuit, primum initium non potuit. Iam Cicero 
pro Sestio (5, 12) de bello, quo Catilina periit, narrans sic ait, nisi 
ille, quem defendebat, P. Sestius, qui C. Ántonii tum quaestor fuerat, 
proconsulem ad bellum strenue gerendum excitasset, datus illo in 
bello esset hiemi locus neque unquam Catilina cum e pruina Aponnini 
atque e nivibus illis emersissel atque aestalem inlegram nacius Italiae 
calles et pastorum stabula praedari coepisset, sine mullo sanguine ac 
sine totius Italiae vastitate miserrima concidissel. Quo loco Idelerus, 
dum verba Latina male intelligit, mirum in modum abutitur. Vete- 
res enim olim chronologi, quia anno 63. tantundem dierum inter 
veteres fastos et inter emendatos interfuisse putabant quantum anno 
46. interfuisse constat, Calendas Ianuarias anni 62. fere in mensem 
medium Octobrem anni 63. conferebant, quos cum ille refellere cu- 
peret, hoc tempus, quo pruina ac nives commemorarentur, cum 
Octobri convenire negavit. At Nauzius, qui omnes ab anno 52. retro 
intercalationes tollebat, cuius sententiam et Idelerus, quamvis dubi- 
tans, sequebatur et Korbius tabulis confectis expressit, Cal. Ian. anni 
veteris 62. in diem 4. Martii eiusdem anni Iuliani conferebat. Id 
Idelerus cum verbis Tullianis congruere iudicabat; bellum enim cum 
Catilina gestum esse mense Februario Iuliano, ipsum occisum ineunte 
Martio. In quo quam prave verba Ciceronis intellecta sint, non dif- 
ficile est ad intelligendum. Qui cum futurum fuisse dicit, ut in bello 
hiemi locus daretur, hoc signifieat, ante hiemem bellum esse con- 
fectum itemque, cum Sestii industriam laudat, prope abfuisse ait, 
ut bellum in hiemem traduceretur. Quod si accidisset, bello per 
hiemem intermisso et C. Antonius quievisset et Catilina Apemmino 
se abdidisset, postea hieme exacta facile erupisset totique Italime 
vastitatem intulisset. Non dicit Cicero, quo tempore bellum gere- 
retur, fuisse pruinam et nives, sed, nisi celeriter esset confectum, 





562 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


inesse videmus, nondum admodum longas esse noctes, sed paulatim 
fieri longiores ac molestiores; id autem fit circum aequinoctium. Tam 
Gallicae tabulae ad diem 15. Octobrem perveniunt, nostrae ad 22. 
Septembris, quorum dierum uterque recte potest intelligi, possit 
etiam posterior aliquis, modo ne nimis prope ad brumam accedat 
spatiumque, quo coniuratio opprimi potuerit, relinquat. 

Demonstravimus quae praecipua erant, primum quot diebus 
anno 46. additis fasti a dictatore Caesare emendati sint, deinde quibus 
annis intercalatum sit: hinc tabulas, quibus anni veteres Romani cum 
Tulianis conferantur, certissime licet efficere. Restat unum idque 
perexiguum, nimirum hoc, quot dierum menses intercalares fuerint 
reliquis quidem annis; nam anno 46. &. Chr. 23 dies in mensem 
Februarium interiectos esse omnes scriptores tradunt. Anno autem 
52. item 23 dierum fuisse mensem intercalarem ex P. Clodii caede 
tunc facta, de qua plenior notitia ad nos pervenit, licet intelligere. 
Etenim Clodium ab T. Milone prope Bovillas interfectum esse narrat 
Asconius p. 32 ἃ. d. XIII K. Febr. anni 52 a. Chr., cui auctori, cum 
et causam ipsam et Ciceronis orationes diligenter expenderit, fides 
erit habenda. Is dies ex nostris tabulis efficitur 8. Dec. anni Iuliani 
53. Iam Cicero (ad Att. V, 13) de itinere, quod anno 51. in pro- 
vinciam suam Ciliciam habebat, narrans Epheswm, inquit, venimus a. 
d. XI Cal. Sext. sexagesimo el quingentesimo post pugnam Bovillensem, 
1 e. ex nostris tabulis d. 20. Iun. Iuliani. Hunc dierum numerum, 
qui inter Clodii caedem et inter Ciceronis in Asiam adventum fuisse 
dieitur, Korbianae tabulae, tametsi per hos annos usque ad annum 
54, quia et anno 46. iustum dierum numerum explent et bis inter- 
calarem mensem habent, verae sunt, tamen non conficiunt, propterea 
quod mensem intercalarem anni 52. non 23, sed 22 tantum dierum 
fuisse statuunt, Gallicae autem tabulae, tametsi propter 23 dies anno 
46. omissos parum verae sunt, tamen conficiunt; quia Mercedonio 
mensi anni 52 a. Chr. 23 dies tribuunt. Veritas igitur hoc conti- 
netur, ut mensem intercalarem 23, non 22 dierum fuisse statuas, 
quod si fecerimus, planissime cum Cicerone congruamus. Nam cum 
usque ad Cal. Febr. sint 12 dies, ipsius Februari cum Mercedonio 
51, 4d Cal. Martias efficiuntur 63 dies, inde ad Cal Martias proxi- 
mas 355 dies, quibus si addantur ad Cal. Iulias 120 Iuliique ipsius 
22, summa fit universa 560 dierum, quae ipsa apud Ciceronem 
iraditur. 

Quod si ita est, falsum per hos quidem, in quibus versamur, 
annos esse apparet, quod de diebus Mercedonii viri docti crediderunt, 
eum alternis intercalationibus viginti duorum vel trium fuisse die- 
rum. Cum enim et anno 52. et anno 46. Mercedonium 28 dierum 
fuisse, interiectis autem annis cum bis oporteret, omnino non inter. 
calatum esse constet, sive eos, quibus intercalari oportebat sed non 
est intercalatum, in rationem ducimus sive non ducimus ac tamquam 
nullos fuisse existimamus, alterutrum Mercedonium 22 dierum esse 





patens 05 dar δὲ qui A ΡΟΝ MC 














annis intercalatum esse ait, ipsum men- 
ME πὸ 0086.98 Aerum Suite sni auc ND 
i pouneripio. At Macrobius (Sat. I, 13) certum ordinem 
ie scribens alfermis ammis binos et vicenos, alternis ternos 
Se ineronlarts ezpensabanl isque auctor sententiae est ab 
"aditae. Qui tametsi multorum errorum saepe accusari 
o tamen num hoc loco peccarit, sic potius existimo, quod 
/$uos, maxime apud Varronem invenerat, ad antiquiora 
Sm iir Cream sm re Illud certe 
t eum ab anno 52. usque ad 63. a. Chr. sexiens interca- 
je docuerimus, quot quoque anno dies intercalati sint, dicere 
Rene gudoertan: dienen: nocidere pomi, de quo 







































3 quas 

s cum sos ratione misque tabulis convenire si, quae i 

UMS GRAS MON HMESAMONA tati tT 

E. Τὰς pondus afferrent. Primum enim Caesar 

ULT) His a mn ὅδ Ch cn qr pidan 

1am proficisci statuissent, diem ad Rhodani ripam conveniendi 

EN. Cu. Aprüis: in dies ex Gallicis tabulis est aequi- 
= Be mess eonsultoque a barbaris hie quasi inter 

' ver medius dicitur esse electus, quo iter destinatum 

. Quae si explieandi causa de aequinoctio, quud Nou 


Non qui ip hoo 1000, quod difßeile ad statuendum esse aenaeó, 

* conum astrque tam fuerint nota, ut aequinoetii die 
rei: i Xn ταῦ videlur opus eese, πὸ diei, quo convenire 
" aliqua ratio reperiatur. Quid igitur? a. d. V 
em nostrae tabulae diem 1. vel 2. mensis Martii luliani 
‚si nova luna erat futura vel alter tertiusve post 
l am di », num minus probabile est, barbaros non aequi- 
P quod e tiamei a paucs reperiri posee, vulgo tamen ignora 
esse. »outos, sed lunam, quam omnes facile observarent atque 
c» ob slorast? Nobis quidem id multo 
plac , Nem. Cien ipe nes de sequinoiío nee de nor 


——Ó 


radit, ; coniecturae, in quibus aliquid probabilitatie 


i * 





564 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


insit, liberae relinquantur. Unum Caesar narrat (bell Gall. I, 16), 
cum bellum cum Helvetiis aliquamdiu gestum esset, frumenta in 
agris nondum matura fuisse, quam ob rem chronologus Gallicus Ideleri 
Korbiique rationem, qua &. d. V Kal. Apr. in diem 16. Aprilis Tuliani 
transfertur, veram esse posse negat. Nostra quidem ratione etiam 
maius spatium &d multas res gerendas supererit. 

Deinde idem Caesar (bell. Gall. V, 23) anno 54. de altera expe- 
ditione Britannica narrans copias se in Galliam reduxisse ait quod 
aequinoctium suberat, Ciceroque (ad Att. IV, 17, 3) scribit datas ad 
se esse a Caesare ex Britannia litteras a. d. VI Cal. Oct., cum exer- 
citum reportaret. Hinc chronologus Gallicus tabulas suas vel veris- 
simas esse colligit, ex quibus cum a. d. VI Cal. Oct. in diem 21. 
Septembris Iuliani. incidat aequinoctiumque die 26. Sept. Iuliam 
fuerit, litteras illas cum aequinoctium subesset datas esse inter- 
pretatur ullamque aliam rationem veram esse posse negat. Haec 
cum rectissime disputata esse videantur magnamque continere necea- 
sitatem, si diligentius expendas, multiplicis fraudis plena tabulasque 
illas ipsas veras non esse intelligas. Cicero enim eo qui dictus est 
loco sic scribit Ab Quinto fratre et a Caesare accepi a. d. IX Cal. 
Novembres litteras, confecta Britannia, obsidibus acceptis, »wlla praeda, 
imperata lamen. pecunia. datas a litoribus Britanniae proximo a. d. 
VI Cal. Octobr. Exercitum Britannia reporlabant. Hic numquid 
Caesar dicit, quo tempore ad Ciceronem scriberet, se in Galliam 
iransisse? Certe non dicit: immo siipse transisset vel tunc ipsum 
vel proxime, litteras ex Britannia non dedisset. Hoc tantum ait, 
cum scriberet, se confecto bello Britannico consilium cepisse copis- 
rum reducendarum, in eo se fuisse ut reduceret, fortasse etiam non- 
nullas copias iam reduxisse. Poterant igitur nonnulli dies inter- 
cedere, dum primas copias reduxit, poterant alii, dum ultimas traiecit. 
Etenim Caesar ipse in commentariis suis narrat, se quod et magnum 
numerum captivorum haberet et nonnullae naves tempestate peris- 
sent, duobus commeatibus exercitum reportare instituisse priorisque 
commeatus militibus expositis accidisse, ut naves, quae inanes ad 
transportandos et reliquum exercitum et ipsum Caesarem remitte. 
rentur, perpaucae locum caperent, reliquae reicerentur. Quas cum 
aliquamdiu frustra expectasset, se ne anni tempore & navigatione 
excluderetur, quod aequinoctium subesset, necessario milites angustius 
collocasse atque in Galliam traiecisse. Ex hac ipsius Caesaris nar- 
ratione, si ea singillatim expendatur, tabulas Gallicas falsas eese 
hominemque eruditissimum, qui eas confecit, dum et litteras proximo 
ante transitum die scriptas et uno commeatu totum exercitum trans- 
portatum esse statuit, in errorem esse inductum intelligas. Litterae 
enim Caesaris et Q. Ciceronis quoniam non cum ipsis &ltero com- 
meatu in Galliam transire potuerunt, missae sunt aut ante priorem 
commeatum aut cum eo; nam inter priorem et alterum commeatum 
et tempestates videntur mare obtinuisse nec Caesar numerum navium 





566 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


Ac comitia quidem consularia anni 63 a. Chr. iam supra dixi. 
mus, quia interim de nova lege ambitus ageretur, contra consue- 
tudinem in a. d. XII Cal. Nov. esse dilata. Verum ne tunc quidem 
ea habita sunt. Nam cum ex candidatis, qui petebant, unus L. Cati- 
lina maxime timeretur nec «modo Romae inopem plebem nobilesque 
aere alieno oppressos concitaret, sed etiam ex Italia quicquid turbi- 
dum erat, arcesseret, pridie eius diei senatus Cicerone referente 
decrevit, ut comitia rursus in paucos dies differrentur. Eoque ipeo 
die quo comitia futura fuerant, i. e. ἃ. d. XII Cal Nov., senatus 
habitus est, quo Cicero Catilinam nominatim excitans quo pacto ille 
et Etruriam a. d. VI Cal. Nov. opera C. Manli perturbare et a. d. 
V Cal. Nov. in urbe caedem optimatium efficere constituisset, ex- 
posuit. Quare senatus, cum Catilina crimina non modo non negaret, sed 
oneraret adeo, decrevit, quod in magnis periculis fieri solebat, vide- 
rent consules, ne quid respublica detrimenti caperet. De his duobus 
senatibus prorsus certo primum ex iis, quae Cicero p. Mur!’ 25, 51 
et in Cat. I, 3, 7 narrat, colligitur. Priore enim loco referente se 
senatusconsultum ait esse factum, ne postero die comitia haberentur, 
ul de his rebus in senalu agere possemus. Quare cum comitia in a. 
d. XII Cal. Nov. constituta fuisse constet, senatus ille habitus est 
ἃ. d. XIII Cal. Nov. decretumque, ut ipso quo comitia futura fuerant 
die XII Cal. Nov. non populus, sed rursus senatus vocaretur. Itaque 
quod Cicero addit, postridie frequenti senatu ἃ se Catilinam esse 
excitatum iussumque de his rebus, quae ad se allatae essent, dicere, 
illud postridie ad priorem senatum refertur atque eundem diem a. d. 
XII Cal. Nov. significat. Confirmat autem atque auget haec Cicero 
altero quem dixi loco, quo se ait a. d. XII Cal. Nov. in senatu de 
lis rebus, quae ad eum de insidiis Catilinae allatae essent, dixisse, 
i e. de C. Manlio Etruriam turbaturo et de caede optimatium in a. 
d. V Cal Nov. constituta. Eodem denique altero senatu ultimum 
illud de republica tuenda Sconsultum factum esse intelligitur ex iis 
quae Cicero in Cat. I, 1, 3 narrat, cum extare ait vehemens ac grave 
Sconsultum, quo armatus Catilinum opprimere potuisset, sed vice- 
simum iam diem id hebescere atque in tabulis tamquam in vagina 
reconditum non proferri In quem locum insignis eat adnotatio Asco- 
nii p. 6, Ciceronem narrantis non recte vicesimum diem nominare, 
summatim pleno numero utentem; proprie enim duodevicesimo die 
post illud S. C. eum primam in Catilinam orationem habuisse. Nec 
dubitandum est, quin Ásconii subtilis ac vera fuerit computatio. Nam 
Cicero quia non historiam scribebat, sed tantum in negligendo per 
multos dies senatusconsulto lenitatem suam ostendere eupiebat, facile 
biduum adicere potuit, Ásconius, qui et omnia illius temporis monu- 
menta usurparet et Ciceronis auctoritatem plurimi faceret, errare vix 
potuit. Quod cum ipsius Ciceronis testimonio constet, senatusconsul- 
tum illud a. d. XII Cal. Nov. esse factum, senatum, in quo prima in 
Catilinam oratio habita est, in a, d. VII Idus Nov. incidisse cogmo- 





568 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 
videre nec tam &ua potentia quam communi consensu omnium rem 
publicam conservare cuperet. 

Quod' autem de prioris senatusconsulti, quo consulibus respublica 
permissa est, die dixi, Graeci auctores, si bis senatus eadem formulae 
sollemnitate usus est, excusari poterant, si errarent: quos tamen ne 
hoc quidem nomine recte vituperari intelligo. Ac Dio quidem 
(XXXVII, 31) illud quod unum commemorat prius senatuscon- 
sultum videtur post comitia consularia commemorare aique ita cum 
Cicerone dissentire: quem si accuratius quaeras quid scripserit et 
quomodo scripserit, non temporum sed rerum seriem sequi invenias. 
Orditur enim ab causa coniuratiopis Catilinariae, quam ab repulsa 
comitiis accepta repetens nimirum non esse Catilinam creatum com- 
memorat. Tum de sociis eius refert, qui eum non modo in petendo, 
verum etiam in coniurando adiuverint, denique dum hi socii sedi- 
tionem et in urbe et extra urbem comparant, indicium earum rerum 
ad Ciceronem ait esse perlatum senatumque indicio cognito summam 
consulibus rei publicae potestatem permisisse. Id, si ea quae proxime 
de coniuratione antecedant spectes, verissimum est; nam etiam ante 
comitia coniuratio comparabatur, cum comitiis vero ipsis nom debet 
tempore coniungi. Itaque Dioni fortasse, quod alterum senatuscon- 
sultum, quo Italiae securitati prospectum est, neglexit, exprobres, 
dissentire eum cum Sallustio non recte dicas. Immo narrationem 
eius supplet; solus enim quomodo natum sit senatusconsultum tradit, 
primum de tumultu quaestionibusque decretum, deinde sollemni illa 
formula de republica consulibus commendanda adiectum esse. Cicero 
quidem ipse, cum tot pericula imminere videret, etiam severiora iam 
tum auxilia ad rem publicam defendendam proposuerat, nimirum ut qui 
coniurasse viderentur, statim comprehenderentur (Cic. p. Mur. 25, 51), 
senatus autem cum praeter tumultum consulibus summam potestatem 
decresset, satis quieti consuluisse sibi videbatur. Quem autem Sel- 
lustio cum Dione Cassio consensum esse ostendi, idem prorsus est 
cum Plutarcho (Cic. 15). Nam hie quoque unius tantum senatus- 
consulti mentionem facit et quidem post comitia facti. Qui etiamsi 
quid in temporis ordine turbaret, tamen quia pro consilio librorum 
suorum historica minus curare debebat, facile excusaretur; sed eadem 
fere ratione utitur qua Dio. Quare si teneas, omnia, quae c. 16 
narrantur, non post comitia collocari, sed ante, initiumque eius capitis ' 
non ad comitia, quorum eventus extra locum suum adiicitur, referri, 
sed ad ea, quae priore capite de initiis coniurationis dicta erant, non 
landandum illum quidem existimes Plutarchum aut in coniuratione 
enarranda ducem esse eligendum, sed tamen non tantum valere, ut 
dissensio eius notanda esse videatur. 

Quamquam etiam Sallustium sunt qui simili de causa magno- 
pere reprehendant, qui nescio quo pacto accidit, ut in coniuratione 
Catilinaria incredibilem in modum vituperetur: perturbatam eius 
narrationem esse aiunt ac fide prorsus indignam. Hoc quidem loco illud 


570 A. W. Znmptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


nantur, ad diem comitiorum in urbem venisse ac post comitia 1u8808 
esse in suam quemque provinciam proficisci, vel sic, Catilinam spe 
consulatus amissa nuntios misisse, qui iis, quae nominaret locis, arma 
capere iuberent. Hoc alterum mihi magis placet; nam tametsi milites 
Catilinarios ad comitia adfuisse Plutarchus (Cic. 14) scribit, duces tamen 
ipsos belli parandi causa per Italiam fuisse arbitror. Verum utracun- 
que hoc ratione intelligitur, comitia bello fere triduum antecedere opor- 
tebat. Neque obstat quod Cicero (in Cat. I, 3, 7) iam a. d. XII Cal. Nov. 
se narrat in senatu dixisse, a. d. VI Cal. Nov. C: Manlium Faesulis 
arma esse capturum. Bellum enim subito geri non potest, sed tem- 
pore opus erat ad homines et cogendos et armandos. Quare omnia 
a Catilina iam ante comitia diligenter erant praeparata diesque ipsi 
constituti, ut, si ipse esset designatus, seditio ne fieret, si non esset 
designatus, certis diebus undique armata multitudo consurgeret. Itaque 
uno vel duobus diebus coniectura nostra errare poterit, sed per illos 
dies, i. e. post XII et ante VI Cal. Nov. comitia habita esse certum est. 

Tenemus igitur quattuor dies, quibus per tempus Catilinariae 
coniurationis senatus habitus sit, primum illum, in quo M. Cato Ca- 
tilinae iudicium ambitus denuntiavit, deinde eum, qui fuit a. d. XIII 
Cal. Nov., quo comitia iterum dilata sunt, tum a. d. XII Cal. Nov, 
quo consulibus summa omnium rerum potestas permissa est, denique 
a. d. III Cal. Nov., quo imperatores per Italiam dimissi praemiaque 
indicibus proposita sunt. Neque de ullo alio senatu traditur ante 
eum, quo Cicero primam orationem Catilinariam, quae extat, habuit. 
De quo senatu primum audiendus est Cicero p. Sulla 18, 51, ubi 
contra C. Cornelium filium, qui accusabat, »disputat. Comitiis enim 
consularibus, quibus ipse praesidio amicorum tectus insidias Catili- 
nariorum vitarit, P. Sullam interfuisse negat. Tum sic ait: Sed 
quoniam Cornelius ipse eliam nunc de indicando dubitat, μὲ dicitis, $n- 
format ad hoc adumbratum indicium filium, quid tandem de illa nocte 
dicit, cum inter falcarios ad M. Laecam nocte ea quae consecuta. est 
posterum diem Nonarum Novembrium me consule, Catilinae denuntia- 
tione conveni? Quae nox omnium temporum coniurationis acerrima 
fuit atque acerbissima. Tum Catilinae dies exeundi, tum ceteris ma- 
nendi condicio, tum descriptio tolam per urbem caedis atque incendi- 
orum constituta est, tum tuus pater, Corneli, id quod tandem aliquando 
confitelur, illam sibi officiosam provinciam depoposcit, ut, cum prima 
luce consulem salutatum veniret, intromissus el meo more et iure ami- 
citiae me in meo lectulo trucidaret. In his accurata est diei vel noctis 
notatio, qua coniurati ad M. Laecam convenerint: de qua si constet, 
rursus de die, quo prima oratio Catilinaria habita sit, certissime 
colligi posse videatur. Sed ecce exoritur dissensio virorum doctorum 
eam notationem dupliciter interpretantium. Nam cum olim P. Ma- 
nutius diem posterum Nonarum Novembrium de Nonis Novembribus 
ipsis intellexisset, qui dies esset postridie ea, quae ante narrata sunt, 
Ferratius (epist. V, 2, 308) id Latinum esse negavit intelligendum- 


512 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


tulit, unus et satis bonus aperte habet Nonas No vembris , idemque 
cum fuerit in Parcensi, probabile est fuisse etiam in eo, qui similli- 
mus est, Bruxellensi, de quo non minus quam de Tegernseensi Hal- 
mius iudicavit videri in iis fuisse Nonarum Novembrium. Quare olim 
ipse Halmius ediderat Nonas Novembres, quippe quo reliquorum 
etiam codicum vestigia ducere videret. Lectio igitur est incerta, 
praesertim cum de iis vocibus agatur, quae et antiquis temporibus 
et in codicibus per notas significari consuerint, quas librarii nonnun- 
quam ex libidine sua explerunt, sed ita incerta, ut maiore tamen 
auctoritate accusativus commendetur. Quem quidem accusativum 
dicendi usus utique flagitat. Nam cum posterum diem, quod apud 
Ciceronem est, accusativus quasi sit adverbii postridie, hoc similli- 
mumque pridie non modo apud Ciceronem, sed apud omnes bonos 
latinitatis auctores cum accusativo eius vel diei vel temporis, ἃ quo 
numeratur, coniungi video. Sollemnis illa quidem est formula postri- 
die eius diei et pridie eius diei, atque ita sollemnis, ut tamen apud 
Cic. ad Att. XI, 23, 2 pridie eum diem edi soleat; sed ubi aliud 
tempus significatur, accusativus constantissime additur. Neque ob 
eam, quam dixi, causam utar iis exemplis, cum a Calendis et Nonis 
et Idibus numeratur. Quamquam hoc quoque in genere, quod supra 
ex Livio VI, 1 attuli, multum valere debebit. Verum Cicero ad Att. 
XVI, 4, 1 postridie ludos Apollinares; ibid. II, 3, 8 pridie Compi- 
lalia; ibid. IX, 13, 2 pridie Quinqualrus; itemque Caelius apud Cic. 
epist. VIII, 2 postridie absolutionem; Suet. Aug. 92 posiridie num- 
dinas, Cal. 55 pridie Circenses; Fest. p. 281 s. v. repotia postridie 
nuptias; id. p. 289 pridie nuptiarun diem; Liv. XL, 2 pridie Parilia; 
ipsa Dig. XL, 3, 7 pridie vindemias, XLIII, 49, 1 pridie aequinoctium, 
ut prorsus locum, quo in hoc quidem genere genitivus apud bonum 
scriptorem additus sit, non invenerim. Tacitus demum, qui multa 
nova auderet, Graeco more et eo quem diximus loco genitivum addidit' 
et Ann. XV, 54 habet pridie insidiarum manavitque is usus paulatim 
longius, ut Spartianus Hadr. 4 quinto iduum Augusti die et tertio 
iduum carundem diceret pro eo quod vetustior usus postulabat a. d. 
V Id. Aug. Hinc quin apud Ciceronem hoc de quo disputamus loco 
esse oporteat posterum diem Nonas Novembres, vix erit dubium. 
Defendimus eam, quam plerisque viris doctis placuisse videmus 
interpretationem. At illa altera, olim Manutians, nuper repetita, 
num ferri potest per dicendi usum, num per sententiarum seriem, 
num denique per rerum certo nobis traditarum tempora? Ac de usu 
quidem latinitatis quis non recte dixerit diem Nonarum? quis non 
ei qui praecedit accusativo, alterum explicandi causa addat? Sed 
quis unquam dixit de nocte, quae consecuta sit, posterum diem? Quis 
non eam appellavit noctem alteram? Incredibilis ea esset verbositas, 
a simplici atque eleganti usu longe recedens. Deinde ille accusativus 
posterum diem ad quem diem referetur, quem consecutus esse dicetur? 
Ad diem comitiorum, inquiunt. :At ea aliquot sententis ante com- 





516 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


orationem continuo habuisset neque in posterum mane distu- 
lisset. 

Fortius longe egit Th. Mommsenus, cuius interpretationem diei 
posteri Non. Nov. cum auctoritatibus scriptorum certissimis pugnare dixi. 
Nam de duabus rebus constare censet, primum in exordio orationis 
primae Catilinariae duas noctes commemorari conventumque a con- 
iuratis esse ad Laecam nocte altera superiore ante eum diem, quo 
oratio prima habita est, deiude insidias Ciceroni factas esse eodem 
die, quo post paucas horas primam orationem habuit. Quare, cum 
conventum esse ad Laecam statuisset nocte ea, quae Nonas Novembres 
consecuta est, hunc ordinem rerum composuit, ut proxima insequenti 
nocte, i. e. ea, quae ἃ. d. VIII Id. Nov. consecuta est, insidias Cice- 
roni factas, tum a. d. VII Id. Nov. primam orationem habitam esse 
existimaret. liuic coniecturae apertissime adversatur Cicero ipse, qui 
is quos dixi locis duo equites Romanos ex conventu apud Laecam 
statim ad Ciceronem mane salutandum interficiendumque abisse 
narrat noctemque et insidias et orationem primam continuo tenore 
coniungit. Quae dissensio cum aliis merito gravissima esse videatur, 
a viro docto callidissima arte eluditur: Ciceronem ait esse mentitum, 
decipiendi causa falso narrasse. Tegitur tamen hoc tantum crimen. 
Accurate enim si Ciceronis verba interpretemur, hoc in iis inesse ait, 
ut equites illi polliciti sint, se eadem nocte ad Ciceronem interficien- 
dum ituros, poposcisse eos sibi hanc provinciam. lam potuisse fieri, 
ut conventus apud Laecam in lucem extraheretur Catilinaque ipse 
facinus in proximum mane differendum esse censeret. Ciceronem 
autem ut rei atrocitatem augeret, ita plane maluisse dicere, ut omnes 
existimare oporteret, eadem nocte illos domum suam venisse. Quasi 
maior sit atrocitas, si caedem subito facias, impetu quodam animi 
atque ira abreptus, quam si die intermisso, cum tempus poenitentiae 
interfuerit. Quasi etiam unus Cicero rei testis fuerit ac non plurimi 
introeuntes domo prohiberi viderint, plurimi ab iis qui viderant, ac- 
ceperint. Manetque ingens illud crimen, ut consul populi Romani 
publice apud eos mentitus esse putetur, qui ipsum facillime vanitatis 
convincerent. Atque etiam Sallustius eadem nocte qua constitutum 
esset, facinus peragi coeptum esse tradit. Scilicet ille omnia tempora 
coniurationis Catilinariae confundit fideque indignus est: qui cum 
universam historiam leviter scriberet, tum de insidiis Ciceroni factis 
potius temere orationibus Tullianis credidit quam acta senatus con- 
suluit. 

Haec vix euiquam probabuntur. Nam si ex duobus testibus, 
quos in omnibus rebus humanis locupletissimos existimari oporteat, 
unum mendacu condemnes, alterum erroris, quid non liceat pronun- 
tiari? Quamquam in verbis Tullianis, quae dixi, magna quaedam 
vel difficultas vel offensio est, qua virorum doctorum ingenia vehe- 
menter vexata esse non miramur. Non dico, quod quam noctem Cicero 
appellat proximam i. e. eam quae fuit inter diem VIII et VII Id. 








580 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


23. Sept. Iuliani in Idus Nevembres veteres conferetur, quo die quin- 
tum senatum, in quo Catilina hostis iudicatus est, commodissime 
haberi potuisse apparet. Nec causa deest, cur Ciceronis aetate omnes 
Mercedonios 23 dierum fecerint veteremque normam alternis 92 
dierum intercalandorum, quam olim fuisse Macrobio credo, reliquerint. 
Nam etiamsi nulla accurata ratione uterentur, tamen eum qui tunc 
observaretur annum fere mensem retro recessisse patebat amplifican- 
dumque esse, ut paulatim cum solis cursu exaequaretur. Quare si 
relicta vetere consuetudine ac variatione Mercedonio constanter 23 
dies tribuissent, se quinquaginta fere annis in ordinem ac veterem 
normam sine ulla perturbatione redituros esse videbant. Anno 48. 
demum cum omnis intercalatio bis omissa esset, tanta extiterat con- 
fusio, ut dictatorem gravioribus remediis obvium ire oporteret. Quae 
cum ita sint, intelligi existimo, superiorum chronologorum opinio intra 
annos 53. et 63. a. Chr. intercalatum esse negantium quantopere ab 
probabilitate discedat: longiores adeo solito Mercedonios intercalatos 
imperatoremque Augustum Idibus Novembribus veteribus natum esse 
statuimus. Ita omnia planissime inter se conveniunt, Suetonius veris- 
sime quo die Augustus nasceretur, de coniuratione Catilinae in 
senatu actum esse scribit, nullius omnino veteris scriptoris auctoritas 
violatur, nihil, quod & rerum probabilitate abhorreat, statuitur maxi- 
mumque rursus ex ea quam de Augusti die natali probare studuimus 
eoniectura argumentum nascitur, ut et de veteribus fastis et de Cae- 
saris emendatione recte ἃ nobis disputatum esse intelligamus. Qwuodsi 
cui Macrobii testimonium ad vetera tempora sola referri omnemque 
Mercedonii varietatem hac aetate toll displicebit, ne ille unum ex 
quinque illis, qui ante annum 52. fuerunt, 22 dierum fuisse statuat: 
ita dies ille, quo Catilina hostis iudicatus Augustusque natus est, in 
pr. Id. Nov. transferetur tantulumque unius diei discrimen cum rebus, 
quae a scriptoribus traduntur, non discrepet. Tamen Idus Novembres 
magis placent, non modo quod, cum veterem Mercedonli vicissi- 
tudinem utique sublatam esse constet, constantiam quandam, cuius 
probabilis causa afferri posset, adhibitam esse malo, verum etiam 
quod is dies sollemnis prope erat ad senatum cogendum, qui tametsi 
nulla singularis causa accidisset, tamen Idibus consulendus esset. 
Absolvimus, quae de imperatoris Augusti natali die indiciisque, 
quibus anni veteris Romani et luliani ratio definiri posset, dicenda 
esse viderentur. Quae si recte disputata erunt, omnes temporum ac 
dierum significationes, quae apud scriptores reperiantur, congruere 
oportebit. Neque eae non sunt multae, ex quibus eas quae 8 supe- 
rioribus chronologis commemoratae sunt, ne nobis quidem hoc loco 
praetermittendas esse duximus. Quo in genere tria afferuntur ex 
consulatu Ciceronis, quorum unum rursus ad Augusti natalem diem 
pertinet. Natum enim eum esse constat sidere Capricorno (Suet. 
Aug. 94), quod sidus postea in nummis suis signare solebat. De quo 
temporis indicio facere non possum, ut aut disputem aut iudicem; 





584 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


- eodemque die ἃ M. Tullio Albinovano de vi. Postea alia epistola (ad 
Q. fr. II, 4, 1) absolutum eum esse scribit a. d. V ld. Mart. (vel 
pr. Id. Mart.) Duo igitur iudicia subierat, prius de ambitu, alterum 
de vi; nam hoc ordine iudicia esse habita hinc colligitur, quod post- 
quam de vi absolutus est, liber omnino ἃ iudicibus neque in ullo 
amplius perieulo esse visus est. Iam, si anno 56. nulla erat Mercedo- 
nii intercalatio, viginti quattuor dies inter a. d. IV Id. Febr. et V 
Id. Mart. intersunt, quo exigno spatio non videtur fieri potuisse, ut 
duo tanta iudicia peragerentur. Nam illud certe, quod de vi fuit, 
magnıın fuisse scimus, in quo multi testes auditi atque interrogati 
sunt multique patroni orationes habuerunt. Itaque cum de his causis 
in libro nostro, qui de reipublicae Romanae processu criminali est, 
p. 515 et 531 ageremus, merito tantam iudiciorum celeritatem, quan- 
tam vix alias invenissemus, mirati sumus nec si hanc iam de fastis 
quaestionem instituissemus, Mercedonio interponendo spatium eorum 
proferre dubitassemus. Nune causis Sestianis quae aliis rationibus 
invenimus, non mediocriter confirmari existimamus. "Verum epistola 
illa Cieeroniana quid faciendum sit, difficile est dictu. Certe impro- 
banda veterum editorum opinio, qui diem in exitu epistolae sub- 
scriptum omittunt. Est enim in codice Mediceo, ab quo discedere 
non placet. Quodsi conservanda est haec subscriptio, non dubium 
est, quin tota ea pars epistolae, ad quam pertinet, segreganda sit. 
Neque id remedium cum in aliis scriptoribus vix admitti debeat, hoc 
loco aut temerarium aut violentum potest videri. Constat enim episto- 
larum ad Q. fratrem librum alterum in codice Mediceo mire confusum 
ac perturbatum legi, ut alias epistolas in diversas partes, ex quibus 
coaluerunt, discerpi, alias inter se coniungi oporteat, qua de confu- 
sione quaedam acutissime observavit Th. Mommsenus in Bergkii οὐ 
Caesaris annalibus antiq. anni 1844 p. 593 sq., cuius disputatio 
tametsi fortasse manca nunc atque inchoata videri possit, hoc tamen 
docuit, eam in epistolis illis aecidisse perturbationem, ut ex diversi- 
tate dierum, qui subscribuntur, nihil colligi liceat. Neque nos hoc 
loco id agere possumus, ut epistolae tertiae et spatium constituamus 
et, quue male adiecta sunt quo pertineant demonstremus. Illud tamen 
apparet priorem epistolam exire in his verbis, quae supra citata sunt, 
quaeque consequuntur Cefera sunt. in rebus nostris huiusmodi, ut mihi 
fere diffidenti praediccbas, plena dignitatis οἱ gratiae cet., ea pro exitu 
alius epistolae esse habenda. Quamvis enim epistolarum familiaritas 
ac prope licentia multa, quae nullo interno quasi vinculo consocientur, 
deinceps enumerari ac conglutinari patiatur, hoc tamen loco ridicula 
prope nascitur sententia. Quid enim est illud, quod, postquam apud 
Pomponium se coenaturum esse narravit, cetera in rebus suis addit 
esse plena dignitatis et gratiae? Quasi illa Pomponii coena item sit 
signum vel dignitatis vel gratiae. Quare, utut de epistola illa recte 
constituenda iudicabimus, diversitatem dierum, qui subscribuntur, ad 
fastos nihil pertinere intelligemus, 


588 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali 


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20 || VII v 
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Annus Iulianus 61 a. Chr., 693 ab urb. 





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5 || XIII XIII 
6 || XII XII 
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590 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 


August. | September. October. November. 
1 Ϊ XV K. Sept. | XIII K. Oct. | XIII K. Nov. XII K. Dec. | X K. Ian. IX K. Febr. 
XII XII XI IX VII 


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8 || XIII | XI XI x VIII VII 

4| XII x x IX vo VI 

5 XI IX IX VIII VI v 

6. X VIII VIII VII v IV 

7 || IX VII VII VI IV ITI 

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14 VI Nonas IV Nonas III Nonae VII Idus 
15 ! Κ΄. Sept. v III pr. VIII Idus vo 

16 ! IV Nonas IV pr. Nonae VII VI 

17 III Nonae VIII Idus VI v 

18 !| pr pr VIII Idus VII v IV 

19 Nonae Nonae ; VII VI IV III 
30 || VIII Idus VIII Idus ' VI v III pr. 
21 VII VII v IV pr. : Idus 
22 |. VI vi IV | II Idus [ΧΙ EK. Int. 
23 | Y. V Ul pr XVII K.Febr. | X 
24 || IV IV pr. Idus XVI IX 
25 |; III II | Idus XVII K.Ian.| XV VIII 
48 | pr. pr. ! X VIIK.Dec. | XVI | XIV vo 

27 | Idus Idus :XVI XV ' XIII VI 
98 | XVII Κ΄ Oct. | XVII K.Nov. : XV XIV XII v 
29 | XVI XVI : XIV XII XI IV 
30 LXV XV | XIII XI x XII 

31 | XIV XIV | ΧΙ pr. 

Annus Iulianus 60 a. Chr., 694 ab urb. 
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1 f K. Inter. ı IV Nonas | K. Apr. V Nonas IV Nonas IV Nonas 
2' IV Nonas 111 ı IV Nonas IV ΠΙ IJI 

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4: pr. Nonae pr. pr. Nonae Nonae 
5, Nonae VIII Idus Nonae Nonae : VIII Idus VYII Idus 
6 ; VIII Idus VII VIII Idus VII Idus | VII VII 

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14 | XVIK.Mart. | XVI XVIIK.Mai. | XVII K.Iun. | XVI ΧΥῚ 

15 | XV XV :XVI XVI XV XV 

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17 || XIII j XIII | XIV XIV XI XIII 

18 ı XII : XII XIII XIII XII xu 

19 xi | XI XII XII XI XI 

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21 | IX : IX IX x IX IX 

22 || VIII | VIII | IX IX VII VIII 

23 '| VII : VII ' VIII VIII VII vo 

24 ' VI vi ! VII VI1 VI VI 

95 | V v : VI | vi v v 

26 IV | IV ΕΥ̓ ΕΥ̓͂ iv IV 

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38 | pr. | PT- III i III pr. pr. 

39 | M. Mart. | pr. j Pr. K. Quin. K. Bex. 
30 . VI Nonas K. Mai. , K. lun. | VI Nonas [IV Monas 
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599 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque " 


August. 


September. 





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ab dictatore Caesare emendatis commentatio chronologica. 593 


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594 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque- 








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6 K. Int. IV 

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10 Nonae VIII Idus 
11 || VIII Idus vo 
12 || VII VI 
13 || VI v 
14 || V IV 
15 || IV III 
16 || III pr. 

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18 Idus | XVII K. Apr. 
19 | XVIK.Mart. | XVI 

30 || XV XV 

91 | XIV XIV 

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33 | XII XII 

24 | XI XI 

35 | X X 

26 | IX IX 

91 | VIII VIII 

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Annus Iulianus 55 a. Chr., 699 ab urb. 


ab dictatore Caesare emendatis commentatio chronologica. 595 
Iuli. August. September. October. | November. December. 
1 || IV pr. K. Sept. | VI Nonas | K. Nor. III Nonas pr. Nonas 
2 || III K. Sept. v | IV Nonas pr. Nonae 
3 || pr. IV Nonas IV | ILI Nonae VIII Idus 
.4 K. Sex | III III ! pr. VIII Idus VII 
5 || IV Nonas pr. pr. Nonae VII vI 
6 || III Nonae Nonae VIII Idus VI V 
7 || pr. VIII Idus VIII Idus VII V IV 
8 Nonae VII VII VI IV III 
9 || VIII Idus VI VI v III pr. 
10 || VII v v IV pr. Idus 
11 || V1 IV IV III Idus XVIIK.Febr 
12 || V III III pr. XVIIK.Ian.| XVI 
13 || IV pr. pr. Idus XVI XV 
14 || ITI Idus Idus XVII K.Dec. | XV XIV 
15 || pr. | XVII K. Oct. | XVIL K.Nov. | XVI XIV XIII 
16 Idus XVI (XVI XV XIII XII 
17 | XVII K.Sept. | XV (XV XIV XII XI 
18 || XVI XIV , XIV XIII XI Xx 
19 | XV XIII i XIII XII X IX 
20 || XIV XII , XII XI IX VIII 
21 || XIII XI ; XI X VIII VII 
23 ‚Au X ΙΧ ΙΧ VII VI 
23 |, XI IX ! IX VIII VI v 
44 X VII ; VIII vo IV IV 
45 | IX VII | VII VI IV III 
26 | VIII VI | VI ν ΠΙ pr. 
27 || VIE v | ν IV pr. K. Febr. 
$8 || VI IV IV III K. Iau. 55 ; IV Nonas 
29 || V | IH III pr. IV Nonas 
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596 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali faetisque 


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ab dictatore Caesare emendatis 












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commentatio chronologica. 597 





October. November. | December. 

1| VII K. Sex. | Y K. Sept III K. Oct IV K. Nov. | pr. K. Dec K. Ian. 53 

2 | VI IV pr. IH K. Dec. IV Nonas 

8v III K. Oct. pr. IV Nonas III 

4 | IV pr. VI Nonas K. Nor. pr. 

5 || III K. Sept. |V IV Nonas pr. Nonae 

6 IV Nonas IV Nonae VIII Idus 

7 K. Sex. III III pr. VIII Idus VII 

8 | IV Nonas pr. pr. Nonae VII VI 

9 Nonae Nonae VIII Idus VI v 
10 n pr. VTII Idus VIII Idus VII v IV 
11;  Nonse VII vn VI IV III 
12 | VIII Idus VI VI v III pr. 

13 | VII v v IV pr. Idus 
14 || VI IV IV III Idus XVIIK.Febr 
15 v HI III pr. XVIIK.Ian.| XVI 
16 ‚IV pr. pr. Idus XVI ΧΥ 
11 | DI Idus Idus * XVIIK.Dec. | XV XIV 
18 || pr. XVII K. Oct. | XVII K.Nov. | XVI XIV XIII 
19 Idus XVI XVI xv XIII XII 
20 | XVII K.Sept. | XV Xv XIV XII XI 
$91 | XVI XIV XIV XIII XI X 
22 | XV XIII XIII XII x IX 
23 | XIV XII XII XI IX VIII 
84 | XIII XI XI x VIII VII 
35 | XII x x IX VII VI 
36 | XI IX IX VIII VI v 
21|X VIII VIII VII v IV 
238 | IX VII VII VI IV III 
39 || VIII VI VI v DI pr. 
81 | VI IV II IV Nonas 
Annus Iulianus 53 a. Chr., 701 ab urb. 
Ianuar Februar. | Mart. April. Mai Iuni. 
1 | III Nonas pr. Nonas pr. Nonas pr. Nonas Nonae Nonae 
3 || pr. Nonae Nonae Nonae VII Id. Iun. | VIII Idus 
8 Nonae VIII Idus VIII Idus VIII Idus VII VII 
4 |j VIII Idus VII VII VII VI VI 
5 | VII VI VI VI v v 
€ | VI v v Y IV IV 
71V IV IV IV III III 
8 IV III III III pr. pr. 
9 || TII pr. pr. pr. Idus Idus 
10 || pr. Idus Idus Idus XVIIK Quin. | XVII K.Sex 
11 Idus XVIIK.Apr. XVIIK.Mai.| XVII K.Iun. | XVI XVI 
19 | XVIK.Mart. | XVI XVI XVI XV χν 
18 | XV ΧΥ XV xv XIV XIV 
14 ἡ XIV XIV XIV XIV XIII XIII 
15 || XIII XIII XIII XIII XII XII 

16 || XII XII XII XII XI XI 

17 1 XI XI XI XI x x 

18 | X x x x IX IX 

19 || IX IX IX IX VIII VII 

80 || VIII VIII VIII VIII VII VII 

$1 | VII VII VII VII VI VI 

33 | VI VI VI vI v v 

38 | V v v v IV IV 

34 | IV IV IV IV III III 

25 || III III III HI pr. pr o—— 
26 pt. pr. Pr. pr. K. Quin. e Sex. 
21 K. Mart. K. Apr. ; K. Mai. K. Iun. VI Nonas  |IV Nonas 
89 || VI IV Nonas  ' VI Nonas IV Nonas v III 

$9 | V v IV pr. 

30 | IV IV pr. III Nounsa 
81 1 III III pr. 








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&b dictatore Caesare emendatis commentatio chronologica. 60] 


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| X VII K.Sept. 


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K. Quin. K. Sex. 
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IV pr. 

III Nonae 

pr. VIII Idus 
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VIII Idus VI 

VII v 

VI IV 

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IV pr. 

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pr. XVIIK.Sept. 

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XVIIK.BSex.| XV 
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XV XIII 
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602 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque 





1| VII K. Sept. | V K. Oct V K. Nov IV X. Dec pr. K. Ian. K. Fehr. 
2 I I K. Ian. 48 |IV Nonas 
8!v III III r. IV Nonas m 
4 | IV p pr. K. Dec. III pr 
5 || III K. Oct. K. Nor. IV Nonas pr Nonae 
6 VI Nonas IV Nonas III Nonae VII Idus 
1 K. Sept. v pr. VIII Idus 
8 IV Nonas IV r. Nonae VII VI 
9 || III III Nonae VIII Idus vi ν 
10 || pr. pr VIII Idus vo v IV 
11 Nonae Nonae VII VI IV II 
12 || VIII Idus VIII Idus vi v III pr. 
18 || VII v IV pr. Idus 
14 | VI vi IV III Idus XVIK.Mart. 
15 | V v III pr XVIIK Febr. | XV 
16 | IV IV pr. Idus XVI XIV 
117 || III IH Idus XVIIK.Ian.| XV XIII 
18 || pr pr XVIIK.Dec.| XVI XIV XII 
19 Idus Idus XVI XV XIII XI 
20 | XVII K. Oct. | XVIIK.Nov.| XV XIV XII x 
41 | XVI XVI XIV XIII XI IX. 
22 | XV XV XIII XII x vin 
23 | XIV AIV XII XI IX vo 
: 24 || XIII XIII XI x via vi 
35 || XII XII Xx IX VII v 
$6 || XI XI IX VIIl VI IV 
297 || X x VIII vo ν III 
28 || IX IX vo vi 11V pr. 
99 || VIII VIII vi v III K. Kart. 
80 || VII vo v IV pr. VI Nonas 
81 || VI VI III v 








1|IV Nonas pr. Nonas V Nonas III Nonas IV Nonas pr. Nonas 
2 | III Nonae IV pr. III onae 
8 | pr VIII Idus III Nonae pr VIII Idus 
4 Nonae VII pr. VIII Idus Nonae VII 
5 || VIII Idus VI Nonae VII VIII Idus VI 
6 || VII v VIII Idus VI vo v 
7 || VI IV VII VI IV 
81V II VI IV v DI 
9 I IV pr ν III IV pr 
10 |III Idus IV ΠῚ Idus 
11 || pr XVII K. Mai. | III Idus pr XVIIK Sept. 
19 Idus XVI pr XVII E Quin Idus XVI 
18 | XVILK.Apr.| XV Idus XVI XVIIK.Sex. | XV 
14 | XVI XIV XVII K.Iun. | XV XVI XIV 
15 XIII XVI XIV XV XII 
16 j| XIV XII XV ΧΙ XIV XIX 
17 || XIII XI XIV xo XIII XI 
18 || XII x XIII XI XII x 
19 || XI IX XII x XI IX 
30 | X VII XI IX x VIII 
31 |IX VO x VII IX vo 
22 || VIII VI IX VII VIII VI 
23 || VII v VIII vI VII v 
24 || VI IV vo v VI IV 
25 | V III VI IV v II 
26 | IV pr. v III IV pr. 
27 || III K. Mal. |IV pr. HI K. Sept. 
28 | pe VI Nonas III K. Quin. |pr. IV Nonae 
29 K. Apr. pr. VI Nonas K. Sex. ITI 
30 || IV Nonas K. Iun. IV Nonas pr. 
81 || III IV Nonsea posi 





ab dictatore Caesare emendatis commentatio chronologica. 


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August. | September. 
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Nonae VII Idus 
VIII Idus VI 
VII v 
VI IV 
V III 
IV pr. 
III Idus 
pr. XVII K. Dec 
Idus XVI 
XVII K.Nov. | XV 
XVI XIV 
ΧΥ XIII 
XIV XII 
XIII XI 
XII X 
XI IX 
x VIII 
IX VII 
VIII VI 
VII v 
VI IV 
V IL 
IV pr. 
III K. Dec. 
pr. IV Nonas 
K. Nov. II 
IV Nonas pr. 
Nonae 
pr. VIII Idus 
Nonae VII 
VIII Idus 


| X VII EK. Mai. 


111 Idus 
pr. 

Idus 
XVII K.Iun. 
XVI 
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VI Idus 


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pr. 

K. Ian. 47 
IV Nonas 
III 
pr. 

Nonae 

VIII Idus 
VII 


VI 
V 





603 





November. | December. 
IV Idus | III Idus 
III pr. 
pr. Idus 

Idus XVIK.Mart. 
XVIIK.Febr.' XV 
XVI , XIV 
XV | XITI 
XIV : XII 
XIII XI 
XII ı X 
XI |. IX 
X ı VIII 
IX vu 
VIII | VI 
VII ΕΝ 
vi IV 
v | ITI 
IV pr. 
III ': K. Mart. 
pr. VI Nonas 

K. Febr. v 
IV Nonas IV 

III 
pr. pr. 

Nonae Nonae 
VIII Idus VIII Idus 
VII VII 
VI | VI 
V v 
IV IV 

III 





Januar. Februar. Mart. April. 





pr. Idus XVIIK.Sept. 
Idus XVI 
XVII K.Sex. | XV 
XVI XIV 
XV XIII 
XIV XII 
XII XI 
XII x 
XI IX 
X VIII 
IX VII 
VIII VI 
vo v 
VI IV 
v III 
IV pr. 
III K. Sept. 
pr. IV Nonas 
K. Sex. 
IV Nonas pr. 
Nonae 
pr. VIII Idus 
Nonae VII 
VIII Idus v1 
VII v 
VI IV 
v III 
IV pr. 
III Idus 
pr. XVII K.O«. 
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604 A. W. Zumptius: De imperatoris Augusti die natali fastisque ^ — ^ 


August. 


] Iuli. 
1||[ XVI K. Oct. | XVI K. Nov 
2 XV XV 
8| XIV XIV 
4 || XIII XlI 
5| XII XII 
6 || XI XI 
1 |xX x 
8 || IX IX. 
9 || VII VIII 
10 | VII VII 
11 | VI VI 
19 | V v 
18 || IV IV 
14 || III II 
15 || pr. pr. 
16 K. Oct. K. Nov. 
17 || VI Nonas IV Nonas 
18 | V 
19 || IV pr. 
20 || III Nonae 
21 || pr. VIII Idus 
22 Nonae vo - 
23 || VIII Idus vI 
94 || VII v 
25 || VI IV 
26 | V III 
27 | IV pr. 
28 || III Idus 
29 || pr. XVIIK. Dec 
30 Idus XVI 
31 | XVII K.Nov. | XV 





Beptember. 


October. 


November. 


XIII K. Ian. | XI K. Febr. 

XII x 

ΧΙ ΙΧ 

Χ vIH 

IX VII 

VIII VI 

VII v 

V1 IV 

v III 

IV pr. 

ΠῚ K. Febr. 

pr. IV Nonas 

K. Ian 46 | III 

IV Nonas pr. 

III Nonae 

pr. VIII Idus 
Nonae vo 

VIII Idus vI 

vu v 

VI IV 

V ΠῚ 

IV pr. 

ΠῚ Idus 

pr. XI K. Int 
Idus X 

XVIIK.Febr. | IX 

XVI VIII 

XV vo 

XIV VI 

XIII v 

XI 


Annus Iulianus 46 a. Chr., 708 ab urb. 


Februar. 


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December. 











1 ᾿ K. Mart. K. Apr. 
2 | VI Nonas IV Nonas 
9.,v ID 

4 | IV Pr. 

5 || III Nonae 
6 | pr. .VIII Idus 
7 Nonae VII 

8 | VIII Idus VI 

9 !| VII v 

10 | VI IV 

11 j| V LI 

12 | IV pr. 

18 || III Idus 
14 || pr. XVIIK.Mai 
15 Idus XVI 

16 | XVIIK.Apr. | XV 

17 | XVI XIV 

18 | XV XIII 

18 | XIV XII 

20 | XIII XI 

231 |, XII X 

22 | XI IX 

28 | X VIII 

24 | IX VII 

25 || VIII VI 

26 || VII v 
217 | VI IV 

28 | V ΠῚ 

29 | IV 


SEBEFELDINT: 


pr. K. Iun. 

K. Iun. 
IV Nonas 
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K. Quin. 
VI Nonas 


BIEEREFELTTTIT 


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11 || pr XXIII 
12 Idus XXII 
13 || XVII K. Oct XXI 
14 || X VI XX 
15 || XV XIX 
16 || XIV XVIII 
17 || XIII XVII 
18 || XII XVI 
19 || XI XV 
20 || X XIV 
41 ll IX XIII 
22 || VIII XII 
45 || VII XI 
34 || VI x 
25 || V IX 
36 || IV pr. 

$1 || XIII K. Int. Prior. VII 
48 || pr. IV Nonas VI 
49 K. Oet. HI M 
30 || VI Nonas pr. IV 
81 || V 


Jahrb. f. class, Philol. Suppl. Bd. VII. Hft. 4. 


39 





DE 
CODICUM PLATONICORUM 
AUCTORITATE, 


SCRIPSIT 


ALBRECHT JORDAN 


Dh. PHIL. 





Dissertationem, quae sequitur, diu iam conscripseram, cum 
Sauppii simul et Wachsmuthii benevolentia factum est, ut Schanzii 
opusculum novissimum, „Studien zur Geschichte des Platonischen 
Textes‘ (Würzburg 1874) acciperem, quo eadem fere tractavit, quae 
ego. Cur mea post Schanzium edere non dubitaverim, res ipsa 
docebit. Quae Schanzii opere perlecto addenda putavi uncis [] in- 
clusi. Alia, in quibus Schanzius mecum consentit, aut quae rectius 
perspexit, omisi. Quid ceterum de Schanzii libro iudicem, alio loco 
proponam. 

Si lectiones e codicibus manuscriptis Platonis opera continen- 
tibus ab hominibus doctis enotatas, imprimis autem si J. Bekkeri 
collationes, quibus distinctiores et planiores nullas, diligentiores pau- 
cissimas habemus, perscrutamur, fugere nos non potest, esse codices, 
qui cum easdem fere semper lectionum varietates praebeant, societate 
quadam inter se coniungi videantur. Si, ut exempla afferam, quas 
ad Cratylum ille adnotavit lectionum diversitates inspicimus, codices 
UATT et XY Z saepissime inter se congruere et a codicibus FBCE 
FHlm non minus inter se consentientibus discrepare invenimus; sic 
in Philebo codices AATT a ceteris TFABCEFHw et XZ non raro 
differre videmus. Ac ceteris quoque priorum VI tetralogiarum — 
nam de his hoc loco agere placet — dialogis perlustratis eosdem in 
omnibus codices inter se vel consentire vel dissentire facile intel- 
legimus. Atque ita quidem hae dissensiones et consensiones compa- 
ratae sunt, ut tribus familiis codices adhuc collati contineri videan- 
iur Ad quarum primam, quam familiam « vocamus, praeter alios 
codices 9, AO (= Vatic. Stallb.), TT (= Venet. 2 Stallb.), ad alte- 
ram (f) codices BCEFA, ad tertiam (£) Venetus Σ (et =) et Vindo- 
bonensis Y (= Vindob. 2 Stallb.) referendi sunt. E codicibus, 
quorum lectiones in farraginem suam contulit Stallbaumius, primae 
Vindobonensem LIV (Vindob. 1 apud Stallb. cfr. de eo Schanz. 
Euthyd. p. VII) et Tubingensem, alteri Florentinos a b c i, tertiae 
Zittaviensem adnumerandum esse h. l. addidisse satis habeo !). 


1) Quod non omnes hic enumeravi, eius rei facile veniam me impe- 
traturum esse spero, ab iis, qui centum fere codices ad priores VI tetra- 
logias collatos esse non ignorant, et quanto opere haec moles perepicwi- 
tati obstet, secum reputaverint. 


610 A. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


Huius cognationis hae lacunae testes sunt: . 

Euthyphr. (tetral. I, 1) 366, 1 Bekk. (= 8 D Steph.) ὡς ob 
τὸν ἀδικοῦντα δεῖ διδόναι δίκην" ἀλλ᾽ ἐκεῖνο Icwc ἀμφιεβητοῦει 
om. 9 VS et pr. TT; A non collatus. (Ex Schanzii, qui primus huius 
codicis lectiones ad Euthyphr. accurate enotavit, Studien p. 72 disci- 
inus in eo hanc lacunam non inesse.] 

Crito. (L 3) 151, 1 (47, A) οὐδὲ πάντων ἀλλὰ τῶν μέν, τῶν 
δ᾽ οὔ „om. IIYDS in mg. habet W“ (Bekk.), quibus Stallb. addit 
Flor. d., A non collatus. 

Theaet. (II, 2) 318, v. 3—21 (208, D) om. WATT, non omittit, ut 
intercedente Sauppio ab H. Hinckio certior factus sum, Vaticanus r. 

Phileb. (II, 2) 225, 11 (54, C) ξύμπαςαν δὲ γένεειν oícíac 
ἕνεκα γίγνεςθαι om. “ΔΤ (= familiae & codd. a Bekkero ad hunc 
dialogum collati). 

Politic. (II, 4) 312, 23 (287, E) καὶ ἐμπύροις καὶ ἀπύροις 
om. WATT (= fam. « Bekk.). | 

Alcibiad. I. (IV, 1) 303, 10 (105, E) ἐνδείξαςθαι, ὅτι ἀυτῇ 
παντὸς ἄξιος el, ἐνδειξάμενος δὲ οὐδὲν, ὅτι οὐ παραυτίκα δυνή- 
cecdaı om. AATT (= α Bekk.) ibid. 370, 6 (134, B) οὐκ ἄρ᾽ οἷόν 
τε, ἐὰν μή τις εὔφρων καὶ ἀγαθὸς ἧ, εὐδαίμονα εἶναι. ΑΛ. οὐχ 
οἷόν τε. XQ. Οἱ ἄρα κακοὶ τῶν ἀνθρώπων ἄθλιοι. ΑΛ. ς«φόδρα γε 
om. AA pr. TT. 

Alc. II. (IV, 2) 283, 21 (144, B) οὐκ dv μοι δοκῶ om. 
9L ATTG (= fam. α Bekk.). 

Hipparch. (IV, 3) 236, 11 (227, D) εἶναι ὠφελεῖεθαι. ET. 
Tí οὖν δὴ τοῦτο; 2. Ὅτι xoi τόδε αὐτῷ προςωμολογήςαμεν om. 
TTG w, in mg. habet 9. (AP). 

Protag. (VI, 2) inde a p. 186 complures lacunae in X et © 
inveniuntur: 186, 18; 186, 19; 187, 10, 11 etc. TT sexta tetral. caret. 

Gorg. (VI, 3) 80, 13 (483, A) αἴεχιον λέγοντος ci τὸν νόμον 
om. [Ac (= fam. « Bekk.) et e Stallbaumianis Vindob. 1 (et 
Vindob. 6 = 0). 

Theaet. (II, 2) 250, 12 (177, E) μὴ λεγέτω τὸ ὄνομα, ἀλλὰ 
c sis ὃ ὀνομαζόμενον θεωρεῖται om. FABCEFH Flor. abci 

= fam. p). 

Phileb. (III, 2) 246, 12 (64, B) ἄρξων καλῶς ἐμψύχου có- 
ματος om. [AZXBCEHw pr. F Flor. abci Palat. (= fam. f et E). 

Phacdr. (ΠῚ, 4) 97, 1 (274, E) ἃ λόγος πολὺς ἂν εἴη διελ- 
θεῖν om. ΓΒΕ Flor. ἃ Ὁ ci, in mg. apponunt CF. A initium 
tantum Phaedri usque ad 53, 2 continet, cfr. ibid. 90, 21 (271, D), 
ubi οἱ δὲ τοιοίδε διὰ τάδε δυςπειθεῖς om. 'BCH Flor. a bci. 

Alc. I. (IV, 1) 318, 4 (111, E) xoi ἀδίκων omittunt, si Bek- 
kero fides, omnes praeter V[ATT (= fam. « Bekk.). 

Menon. (VI, 4) 327, 8 (71, C) ἀνάμνηςον οὖν με πῶς ἔλεγεν 
om. [ BCEFr (= fam. f Bekk. AIX non coll. Stallb. tacet). 

Soph. (II, 2) 152, ὁ (228, Y) «à GbwiN om. ΣΎ. 





Α. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 611 


Politic. (II, 4) 309, 17 (286, B) τὴν τοῦ cogicroü περὶ τῆς. 
τοῦ μὴ ὄντος οὐείας, ἐννοοῦντες uc ἔςχε μῆκος πλέον καὶ ἐπὶ 
τούτοις δὴ om. ZY, cfr. 338, 18. 352, 2. 

Gorg. (VI, 3) 15, 10 (452, D) εἶναι τοῖς ἀνθρώποις omittunt 
omnes praeter ΣΎ. 

Menon. (VI, 4) 351, 19 εἰπεῖν — 355, 7 οὔ om. ΣῪ, cfr. 
363, 13—14. 376, 8—10. 381, 10—11. 384, 5—6. 384, 21—22 
(+ pr. 2) ete. . 

Ut lectionibus idem, quod modo lacunis probare studui, demon- 
strem, e. g. Phaedrum affero, in quo codices LATT!)GT (= fam. 
&) (et codices Hermiae commentarium continentes DNO et P, qui 
initium capit a pag. 46, 13) ceteris saepissime adversantur: 15, 16 
γενόμενοι &; γενόμένῳ BE. — 17, 14 δικαιοῦν a, καὶ δὴ οὖν f£. 
20, 1 εἰπόντος α, εἰπὼν τῶν BE. --- 20, 18 βίας e, βίαν BE. — 
22, 19 εἶχε a, ἔχει BE. — 23, 13 πολυμελές a, πολυμερὲς BE. — 
26, 1 κἂν α, ἂν BE. — 27, 16 ἄοικον α (AP), οἶκον BE. — 29, 8 
γήφοντες a, νήφοντος BE. — 31, 14 ἤδη α, ἡ δὴ BE. — 32, 16 
ἀμβλακὼν e, ἀμπλακὼν BE. — 33, 10 εἴτε a (AP), ἔτι τε BE. — 
38, 11 μήτε α, μηδὲ BE. — 35, 10 τοῦτο α, τούτου BE. — 35, 17 
λεκτέος om. a, add. BE. — 86, 5 ἐν θεοῖς a, ἐν Bew BE. — 37, 19 
τοι α, τοι BE. — 39, 19 καὶ ante πάντες add. e, om. BE. — ibid. 
T€ ante ἀγαθοὶ om. a, add. BE. — 40, 5 τε om. e, add. BE. — 8 
πάντα α, ἅπαντα BE. — 14 εἰδότες a, ἰδόντες BE. — 15 τὸ a, 
τι BE etc. 

His locis igitur familia « opposita est codicibus [ABCEFHr 
(== fam. B) et Veneto X (= fam. €). 

Aliis locis iisque non paucioribus X cum familia α΄ consentit (i. e. 
aut omnibus huius familiae codicibus aut certe plerisque atque vetus- 
tissimis): 8, 13 θηρίον τυγχάνω «£, θηρίον ὃν τυγχάνω f. — 11, 15 
ἡγήςαιντο αξ, ἡγήεωνται B. — 12, 21 ἂν add. e£, om. B. — 13,6 
ςεαυτοῦ a&, cavroü fj. — 13, 16 αὑτοῖς εἰ ἔτι αξ, εἰ ἔτι αὐτοῖς 
B (Ὁ). — 15, 14 προςερῶει e£, ἐρῶει f. --- 16, 1 μὲν a£, δὲ f. 
— 23, 17 κεκτῆςθαι αξ, κεκλῆςθαι f. — ibid. τε λόγου τοῦ a£, 
λόγου τε τοῦ fj. — 24, 8 ἑαυτῇ a£, ἑαυτῆς B. — 26, 6 βλαβε- 
ρώτερος a& (A?), βλαβερώτατος f. — 27,6 γε αξ, δὲ β. -- 
27, 8 καὶ om. a& (ATT?), add. β. — 28, 12 ἑκὼν ἀπολείπεται a£, 
ἀπολείπεται ἑκὼν f. — 29,9 Y’ om. c£, add. B. — 29, 10 οὖςαν 
om. «E, add. f. — 29, 16 οὔτ᾽ εἰ αξ, ὅτι f. — 30,3 ἐπιθειάζων 
«t£, ἐπιθεάζων B. — 30, 17 ἄλλ᾽ ἤδη a£, ἀλλὰ δὴ B. — 31, 10 
κἀγὼ αξ, καὶ ἐγὼ B. — 31, 19 om. λόγων a£, add. f. — 33, 19 
ö om. c£, add. fj, idem. 35, 18. — 40, 17 ταῦτα ξυμπεφυκότα a£, 
ξυμπεφυκότα β etc. 


1) Huius codicis in Phaedro ita raro mentionem facit Bekkerus, ut 
eum in hoc dialogo non ea qua ceteros diligentia contuliese, sed ad 
singulos tantum locos inspexisse videatur. 


612 A. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


Perpaucis denique locis omnes tres familias inter se dissentire 
videmus: 10, 8. γενομένων τούτων α, τούτων γενομένων f, τινο- 
μένων τούτων &. — 22, 18 (9). — 29, 2 ἀκαίρους τε καὶ ἐπαίνους 
9(ATIG, ἀκαίρους τε καὶ ἐγκαίρους ἐπαίνους Ez et DNO, ἀκαί- 
ρους τε ἐπαίνους FABCEFH (T?). Vindob. ®a propinquis suis 
discedens habet ἐπαίνους τε καὶ ἀκαίρους, Vatic. ὃ excerptos tan- 
tum e Phaedro locos continens hunc locum non exhibet. 

Haec exempla sufficere puto, ut tres esse codicum familias con- 
stituendas probetur. Si autem tertiae & naturam et cum ceteris 
consensum accuratius consideramus, facere non possumus, quin ean- 
dem esse eius conditionem atque ad verba Platonis restituenda aucto- 
ritatem ac celerorum negemus. Primum enim magna dialogorum 
pars uno tantum huius familiae codice Σ nobis tradita est, ut, quae 
in libro, ex quo hic descriptus est, quaeve in describendo peccata sint, 
discernere nequeamus. Praeterea si ordinem, quo Venetus 2. dialo- 
gos exhibet"), spectamus, dubitare vix possumus, quin ii, qui in eo 
post Sisyphum collocati sunt, ceteris eo consilio sint additi, ut, qui 
antea essent omissi, adjungerentur. Cum autem et Zittaviensis et 
Vindobonensis Y?) his dialogis postea additis careant, iam in com- 
muni horum trium archetypo eos defuisse atque in Venetum ex alio 
quodam codice transscriptos esse non sine quadam veritatis specie 
colligi potest. Insuper, qui in omnibus huius familiae codicibus tra- 
duntur dialogi, num ex eodem omnes fonte derivati sint, dubitaverit 
fortasse, qui ordinem ἃ Thrasyllo constitutum in iis iam mutatum 
esse respicit; Convivium (III, 3) enim post Hippiam maj. ponunt, 
atque Euthydemum et Protagoram (VI, 1, 2) post Timaeum, tertium 
octavae tetralogiae, quam alia omnino atque priores ratione ad nos 
pervenisse constat. 

Accedit denique aliud, quo, quod ex mutato Thrasylli ordine 
suspicati sumus, confirmari videtur. Si enim, quomodo in verbis 
Platonis referendis hae tres familiae inter se vel consentiant vel dis- 
sentiant, quaesiverimus, inveniemus esse dialogos, in quibus familia 
£ cum familia « artiore quodam cognationis vinculo contineri, alios, 
in quibus cum familia f potius coniuncta esse videatur, alios deni- 
que, in quibus locorum, quibus £ et ab « et ab f discrepat, numerus 
major est, quam eorum, quibus ab altera dissentiens cum alters 
facit. Velut in Cratylo familiae & et £ saepissime vel in vitiis mani- 
festis (αὐ 17, 16 ἐπίεταται τῷ a£, ἐπίεταιτο f. — 69, 4 ἴεχομαι 
ὥςτε «a£, icxouévuc f. — 43, 8 φαίνεται a£, φαίνει τι B. — 48, 
5 ὄνομα fipuocuévov «£, ὄνομα fipuocev ἕν ὃν f) consentire vide- 


1) tetral. I; II; III, 1; VI, 3, 4; VII, 1; III, 3 ; VIII, 3; IV, 1, 2; 
Axioch.; De iust., De virt., Demod., Sisyph. tetr. VII, 2, 4, 8; van, 1; 
II, 4; VIII, 4; Iri, 2; IV, 8, 4; V; ' VI, , 2; Eryx. Defin. (teste Theu- 
polo, Gr. D. Marci Bibliotheca 1740). 

2) Uterque hunc ordinem habet: tetr. 1; II; III, 1; VI, 3, 4; VIL, 1; 
III, 3; VIII, 3; IV, 1, 9; Ax., D. iust,, D. virk., Dem., Sisyph., Alayon. 


614 A. Jordan: De codicum Platonicorum aygctoritate. 


cum fide agitur, existit quaestio altera, qua diligentia utriusque fami- 
liae codices collati archetyporum suorum verba referant, altera, 
quanti ipsorum archetyporum auctoritas sit aestimanda, cur familiam 
α alteri anteponamus, causa in eo videlur posita esse, quod arche- 
typi eius lectiones melius ad nos pervenisse videntur, quam alterius. 
Habemus enim familiae « codicem saeculo IX (anno 896) conscri- 
ptum, familiae f) autem saeculo duodecimo vetustiores superesse hon 
videntur. Quominus &utem, cum archetypi « certiorem ad nos per- 
venisse notitiam concedamus, eos, qui alterius lectiones nobis tradunt, 
contemnamus, eo prohibemur, quod nonnunquam in verbis scriptorum 
bene conservandis inter saeculi IX et XII codices nihil paene inter- 
esse et aliis testimoniis cognitum et in ipsis Platonis operibus Tubin- 
gensis exemplo nuper a M. Schanzio probatum est, qui tantum huie 
codici saeculo fere XII scripto tribuit, ut, si & Bodleiano dissentiat, 
utri obsequendum sit, diiudicare dubitet (cfr. Nov. Comm. Platon. p. 
151). Praeterea autem non spernendos esse libros familiae fj ipsorum 
lectionibus probatur, ut e nonnullis, quas iam allaturi sumus, satis 
cognoscitur. 

Est in libris nullum vitiorum genus frequentius, quam illud, 
ut formas Atticarum proprias scribae submoveant, quibus ipsi utuntur, 
inferant. Quo vitio multis locis, ubi ceteri sunt inquinati, quod 
careat, Bodleianus recte laudatur. Sed non neglegendum est, neque 
deesse locos, in quibus ille ceteris non minus depravatus sit, neque 
quibus ipse recentiorum formis sit maculatus, antiquiores servaverint 
ali. Cuius rei e familiae fj codicibus haec afferam exempla. 

Politic. 271, D (277, 22) νομῆς pro νομεῖς contra ceteros ser- 
varunt [ABCH pr. F Flor. abc (= fam. fj). — Symp. 178, B 
(880, 17) γονῆς cum AAwt servarunt FF Flor. ἃ. — Phaedon. 
96, D (84, 7) contractam formam ὀςτοῖς serv. CEHIL Florr. abe 
im Augustanus Fischeri. (Ba Bekk. non collatus, Stallb. de eo tacet, 

oic 
A: ócréotc, Tub. ócréoic. Schanz N. C. Pl. p. 147.), 98, C (88,3 
et 6) óctüv FACEHIL Florr. abeim et Parisinus Stallb. (== B. 
Bekk.) Óctéuv fam. α (et £), 96, D (84, 7) et 98, C (88, 3) ócrü 
B cum UTT Tub., eandem formam omnes 99, A. (88, 18). — Atti- 
corum formam ἦ pro ἦν cum Bodleiano servavit Flor. b (in accentu 
peccans: f|) et complures eiusdem familiae Symp. 173, A (370, 9) 
et Paris. B Theaet. 155, C, vel contra Bodleianum Phaedon. 99, A 
(89, 3) adstipulantibus AI pr. FE; eandem formam Protg. 310, E 
Florr. aco retinuerunt. — Duobus locis forma ἔφης, quam U prae- 
bet, familiae f auctoritate expellenda est: Alc. I, 301, 8 (104, D), 
ubi U solus ὡς ἔφης pro ὡς φής, et Protg. 201, 4 (337, A), ubi 
U solus ἔφης pro ἔφη habet. Adde Parm. 6, 15 (128, A), ubi tv 
ἔφης in AATT (et DR codicibus Procli commentaria continentibus) 
pro ἕν φής legitur. ἔφης praeterea legitur Gorg. 43, 22 (466, E): 
δύναςθαι ἔφης ἀγαθὸν, ubi facili et probabili coniectura Hirschig 


616 A. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate, 


antequam faciamus, non supervacaneum esse videtur eam, quam 
plerique nune sequuntur, de arte critica in Platone recte exercenda 
sententiam paucis commemorare. 

Codicem Bodleianum, cum omnium vetustissimus sit, omnium 
optimum esse persuasum habent, e ceterorum autem numero quo 
quisque rarius ab eo discrepat, eo meliorem iudicant. Ita nuper 
Tubingensis praestantiam demonstraturus M. Schanz satis fecisse 
sibi visus est, si quantopere cum Bodleiano consentiret demonstrasset. 
Quam rationem si constanter sequi voluissent, eo fere essent per- 
ducti, ut vel recentissimum et deterrimum generis a librum (ofr. e. g. 
Stallb. ad Cratyl. 387 C: „Parisinorum optimus G^!!) omnibus alterius 
anteponere, et si quis forte codicum familiae ß ex alterius libro esset 
correctus, hunc ceteris eiusdem gregis non interpolatis meliorem 
existimare deberent. Cum igitur Bodleianum optimum esse ii8 con- 
stare visum sit, eum prae ceteris sequendum esse censuerunt. Quod 
cum iam I. Bekker fecisset, multo constantius Turicenses et C. F. 
Hermann fecerunt, sed eos omnes, qui nuper Platonem edere insti- 
tuit M. Schanz inconstantiae arguit. Is enim ei, qui Platonem edere 
velle& hanc legem proposuit (Praef. ad Euthyd. p. X) „Codicum B 
(i. e. Bodleiani) et (huius propinquissimi Vaticani) © vestigiis summs 
constantia ita tibi insistendum est, ut eorum corrupta verba malis 
corrigere, quam librorum deteriorum lectiones arripere". Quam legem 
ita est secutus, ut, si Bodleianum omnium esse archetypum demon- 
stratum esset, plus ei tribui vix ac ne vix quidem posset. Quod qui- 
dem si omnes codices nobis traditi ad unam familiam pertinerent 
minus improbandum esset, — vetustissimo enim exemplari id tribuere, 
ut archetypi verba recentioribus eiusdem familiae integrius ser- 
vasse, putetur, non sine certis causis negaveris — nunc vero, cum 
libros ex archetypo, &b illo, ex quo familia a originem duxit, di- 
verso, ortos superesse constet, minime probari potest. Cum enim 
qui libros scriberent et archetyporum vitia propagasse et nova — 
nam vel diligentissimum scribam, ὃς δὴ τῶν δημιουργῶν cra- 
γιώτατος ἐν ἀνθρώποις γίγνεται, hominem fuisse memores esse debe- 
mus — addidisse consentaneum sit, ne generis a quidem archetypum, 
nec eius apographa, nec Bodleianum [sive eum ex archetypo ipso, 
Sive ex eius apographo sive ex apographi apographo ortum puta- 
bimus] propriis suis vitiis adspersos esse negabimus. Quae vitia 
ut certa ratione sanare possimus, percommode accidit, ut altera (et 
tertia) familia nobis superstes sit, quae, quamvis ne ipsa quidem 
propriis suis mendis careat, iis iamen, quibus familia a affecta 
est, plerumque vacat. Ac non solum cum lectionem aliquo modo 
vitiosam familiam a praebere ultro appareat, quale sit mendum, ex 
altera discere possumus, sed saepissime etiam mendum omnino in 
fam. α esse ex eo tantum intellegimus, quod aliam lectionem familiam 
f aique a praebere videmus. Cum enim altera tantum a Platone 

profecta esse possit, quaerendum eek utra genuine putanda sit. Quam 


O18 A. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


προτρέψαιτε defendi recte adnotat Stallb. in ed. Weigeliana (De ε 
et at in Bodleiano permutatione cfr. e. g. Lys. IIT, 13 Ἐξωνέως pro 
Αἰξωνέως) 1). Desinamus denique, ut ad rem redeamus, ceteros 
omnes prae Bodleiano duobusque vel tribus ei proximis ut dete- 
riores contemnere. Duae praeter £ exstant codicum familiae, et utri- 
usque et deteriores et meliores codices supersunt. Illos neglegere 
possumus et debemus, his ad utriusque archetypi verba, quantum 
fieri potest, restituenda utendum est. — Sed iam ad eam, quam supra 
de horum duorum archetyporum auctoritate proposuimus quaestionem, 
revertamur singulasque, quae invenimus, duarum familiarum lectiones 
inter se conferre incipiamus. 

Atque ut exemplo plano et perspicuo qualis esset earum dissensio 
cognosci posset, primum omnem, quae in initio Cratyli (p. 1—50 Bekk.) 
invenitur, lectionum discrepantiam ante oculos ponere non inutile 
duxi Nec vero omnes accuratius tractare, nec nisi ex initio. Cratyli 
omnes enumerare necessarium putavi. Quoniam enim non omnia 
vitiorum genera ad auctoritatem codicum recte aestimandam pariter 
valent, ea accuratius tractasse satis est, qua gravioris sunt momenti. 
Praetermittemus igitur inde a p. 51 Bekk. eos locos, in quibus altera 
lectio ex iis, quae Plato scripsit, scribarum errore videtur orta esse, 
eosque tantum tractabimus, in quibus sciolorum coniectura aliquid 
& Platone non profectum illatum esse demonstrari posse videatur. 

Collati sunt ad Cratylum codices familiae 

a:  ATTG Flor. d. 
8g: TABCEFHIXIm Florr. ἃ Ὁ οἱ Darmst. 
Y: X Y (z) Zittav.?) 
Legimus igitur 
in fama. «. in fam. f. 
Bekk. pag. 
8,10 εἰ αὐτῷ πότερον Κράτυλος τῇ | el αὐτῷ KpáruAoc τῇ ἀληθείᾳ ὄνομα; 
ἀληθείᾳ ὄνομα ἔςτιν ἢ οὔ; 
8,11 αὑτῷ γε τοῦτο ὄνομα εἶναι | om. p seclus. Stallb. Turicc. Herm. 
addunt familiae a deteriores 
et WATT in mg. 
8,19 ἔφην ἐγώ 5) probb. editt. ἔφην 


1) De loco, qui e Schanzii certis restat Resp. X, 615, D. ofr. 
H. Sauppe ad Lycurg. p. 97 et Jackson Journ. of Philol. IV, 148. 

2) Familiam € in Cratylo fere semper cum a facere inm commemo- 
ravimus. 

3) eodem modo pronomen ἐγώ in initio Protagorae (311, B; 158, 6.) 
ad ἔφην addunt $9IT OZ Vindob. 1, Phaedonis (57, A; 8, 6.) (Δ ε Flor. d. 
ad ἀκούςαιμι, atque Parmenidis (126; 4, 1) codices DQR Procli commen- 
taria continentes ad εἶπον. Schanz N.C.Pl. p. 155 Bodleiani in Phae- 
donis loco scripturam defendere studuit. Nihil autem exemplis ab eo 
prolatis probari potest, nisi, id quod nemo nescit, ἔγωγε addi. si qui 
loquitur alii sese opponat. Cui autem in Phaed. Echecrates, in 
Hermogenes, in Prot. Socrates se opponat, now video. 


619 


Α. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


In his versibus familiam α interpolatam esse negari non 
potest nec negarunt editores. Tamen, cum voces πότερον (de- 
leto ei) et écriv ἢ οὔ et Erw in textum receperunt plus ei tribu- 
endum esse, censuerunt quam alteri, quam Platonis verba integra 
servasse cur negemus, nihil omnino causae est. Bodleiani prae- 
stantiam in locis ita comparatis, ubi non de singulorum librorum 
sed de duorum generum archetyporum scriptura agitur, afferre non 
possumus. 


4,7 ἔχειν add. a et, si Bekkeri 
silentio fides, BCEF. 

4,13 ἀκηκόει A ἀκηκόειν AG pr. TT. 

4,16 ἐκιύλυςε 

5,2 ἑκάςτοτε add. 

5,10 xal om. 


om AHIX. Florr. abci probb. 
Stallb. Turr. Herm. 

ἠκηκόειν 

ἐκώλυε probb. editt. 

om. 

&dd. prob. Bekk. 


5,11 οὐδὲν ἧττον τὸ Ücrepov ὁρ- 
θῶς ἔχειν τοῦ προτέρου, ὥςπερ 
τοῖς οἰκέταις ἡμεῖς μετατιθέ- 
μεθα οὐδὲν ἧττον τοῦτ᾽ εἶναι 
ὀρθὸν τὸ μετατιθέν τοῦ προ- 
τέρου κειμένου 


οὐδὲν ἧττον τὸ ὕςτερον ὀρθῶς ἔχειν 
τοῦ προτέρου, ὥςπερ τοῖς οἰκέταις 
ἡμεῖς μετατιθέμεθα (De Florr. b. i. 
Darmst. quod apud Stallb. legitur, 
dubito, num recte sese habeat.) 


familiae a scripturam, cum ita ut est retineri non posse Hermannus 
perspexisset, sanare sibi visus est εἰ post ὥςπερ addito. At non, 
quemadmodum, si servorum nomina commutamus, commutata non 
minus prioribus reota esse mihi videntur, sed, quemadmodum com- 
mutata non minus recta sunt, loci sententia postulat. Alii fortasse 
aliter hunc locum sanabunt (Baiter verba οὐδὲν ἧττον τὸ Ücrepov 
ὀρθῶς ἔχειν τοῦ προτέρου deleri vult, quod non improbat H. Schmidt 
Cratylus p. 14); cur autem coniecturis locum tentamus, quem familiae 
B codices plerique sanum atque integrum praebent? Qui enim prae- 
iudicati nihil afferens duarum familiarum lectiones comparat, quod 
in familia α additur, nihil nisi foedissimum lectoris ad voces ὥςπερ 
τοῖς οἰκέταις ἡμεῖς μετατιθέμεθα additamentum esse non dubito, 
quin iudicet, quod qui familiae a archetypum scripsit, recepit, 

5,91 θῇ fam. α et Florr. ac (B?) | qfic l'AlX1m, pr. F, Florr. bi 


5,91 καλεῖν καλεῖ 
5,231 Ecrıv add, om. 
6,231 ὅλος μὲν μὲν ὅλος 


7,1 τὸ ὄνομα τοῦτο (τοῦτο ὄνομα Γ] 1 corr. AX) 

Utrum a Platone sit profectum, utrum scioli inventum — nam 
de mero scribarum errore h.l. cogitandum non est — si diiudicare 
volumus, recordemur, non eam esse sciolorum consuetudinem, ut pro 


8 [Schanzius Studien p. 56 pro ei αὐτῷ coniecit ἐπ᾿ αὐτῷ, quod 8 
Platonis dicendi usu abhorret. Plato dixit τοῦτ᾽ ἔςτιν ἑκάςτῳψ ὄνομα — 
οὐκοῦν col γε. . ὄνομα '€puorévnc — οὔ pna coi '€puovévn ὄνομα. exo ἀκ. 
ἐπ᾽ αὐτῷ ἐςτιν ὄνομα non dixit.] 


690 Α. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


substantivis, de quorum significatione dubii esse non poterant, 
pronomina ponerent; sed, ubi in pronomen incurrerunt, quod pro 
quo nomine positum esset, non statim intellegerent, non raro factum 
est ut cum feliciter, quod loci sententia poscebat aut poscere iis 
videbatur substantivum repperissent, hoc pronomini adscriberent ne, 
ut ipsi, ita alii in eo loco haererent. Praeterea autem ne τὸ ὄνομα 
genuinam esse lectionem putemus, prohibet, quod sententiarum nexus 
non τὸ ὄνομα sed τὸ cyuikpórarov μόριον huius enuntiationis sub- 
iectum requirere videtur. Nam primum si τὸ ὄνομα legimus, quod 
sequitur 'AAn0éc γε ὡς φής aptum non est. Nihil enim Hermogenes 
dixerat nisi vel minimas partes verae orationis veras esse, et mini- 
mam orationis partem esse ὄνομα. Nondum autem dixerat ὄνομα 
ἀληθές esse, quod postea demum (vers. 14) colligitur. Accedit, 
quod in interrogatione simillima atque ἐκ παραλλήλου posita τὸ 
δὲ τοῦ ψευδοῦς μόριον οὐ ψεῦδος; invenimus non τὸ τοῦ ψευδοῦς 
ὄνομα. Itaque qui familiae « lectionem, quae non solum per se 
maiorem interpolationis suspicionem moveat, sed ne apta quidem 
videatur, alteri praetulerunt, non recte videntur iudicasse. — Non dis- 
similis est ratio loci Protg. 342, B (211, 7), ubi ad verba ἧγού- 
μενοι εἰ γνωςθεῖεν dj περίειειν πάντας τοῦτο dckncewv, in fam. a 
additur τὴν ςοφίαν. Hermann (vol. III, p. XIIL) ad hunc locum 
adnotat: τὴν cogíav post ἀςκήςειν ex Oxon. adjeci, quod etsi in 
alio codice interpretamenti suspicionem praebiturum sit, in hoc adeo 
non spernendum est, ut haud sciam, an acumen loci repetito voc# 
bulo, in quo omnis eius ironia inest, etiam augeatur". Quid autem 
unius cuiusdam codicis auctoritatem afferimus, ubi de duorum gene- 
rum archetyporum scriptura agitur? An ex eo, quod forte alterius 
generis vetustum est exemplar superstes, archetypum quoque eius 
alterius meliorem fuisse colligi potest? Quod cum non possit, restat, 
ut de eorum auctoritate ex scripturarum quas praebent natura iudi- 
cemus, Quid vero tum de vocibus a fam. a additis a ß omissis 
statuendum sit, a Bekk. Stallb. Turiec. (et ex ipsa Hermanni ad- 
notatione) discere possumus. Quod Sauppe quoque verba τὴν coqíav 
retinuit, miramur; at non raro vidimus homines doctos omnium arche- 
typum interpolatum esse concedere, in Bodleiano autem vel generis 
a archetypo interpretamentum inesse acerrime negare. 


7,12 ψευδοῦς a ψεύδους 
7,30 φῇ (Bekk. comm.: φῆ) τις τις φῇ 
8,1 ἰδίᾳ ἑκάςταις ἐνίοις ἐπὶ ἰδίᾳ ἐπὶ 


Hermann contra Bodleiani auctoritatem ἔνιοις expulit dittographia, 
„cuius alia quoque passim in hoc dialogo vestigia apparent", ortum, 
ἑκάςταις retinuit. Hoc quoque loco igitur familiae a, quam inter- 
polatam esse non negat, plus tribuit quam familiae B, contra quam 
nihil nisi Bodleiani vetustatem afferre licet. Plato certe ἰδίᾳ Exd- 
(Ταῖς non dixit, sed si haec verba PYekonis essent, ἰδίᾳ ἑκάςτῃ scri- 


A. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 6091 


bendum esset. Ut autem h.l. ἑκάςταις ita éxácrore p. 5, 2 (384, C) 
in fam. a et Phaedon. 41, 3 (75, D) in omniuni archetypo videtur 
additum esse. 


i 
8,4 εἰδῶμεν male (εἰδῶμεν A) ἴδωμεν (contra: 46, 14) 
8,8 ola μὲν ἂν ἐμοὶ φαίνηται τὰ | om. f εἶναι 
πράγματα εἶναι α 


Verbum substantivum retinuerunt editores. Male, ut ex Theaeteti 
loco ab editoribus laudato (152, A) apparet: οὐκοῦν οὕτω πως 
λέγει, ὡς οἷα μὲν ἕκαςτα ἐμοὶ φαίνεται, τοιαῦτα μὲν ἔςτιν ἐμοί᾽ 
οἷα δὲ coí, τοιαῦτα δὲ αὖ coi κτλ. Non οἷά τινι ἕκαςτα φαΐ - 
νεται εἶναι sed οἷά τινι φαίνεται, τοιαῦτα εἶναι αὐτῷ dixerat 
Protagoras. Itaque recte fecerunt Schleiermacher et Müller, qui 
verbum substantivum in versione omiserunt. 

8, 9 τοιάδε | τοιαῦτα δέ coi 


editores post Heindorfium τοιαῦτα δ᾽ au cot ex Gudiano, codice 
coniecturis iisque interdum non ita malis abundante, receperunt. — 
Contra τοιαῦτα male pro τοιάδε fam. a. Parm. 10, 20 (130, B). 
8,10 αὐτὰ ἄττα (contra Am. 288, 20) 
8,16 ταὐτὸ αὐτὸ probb. editt. 
8,20 πάνυ xpncroí οὔ T) co: ἔδο- | om. ἄνθρωποι 
ξαν εἶναι ἄνθρωποι 


9,1 οἷόντε οὖν ἐςτίν om. ἐςτίν 

9,9 φρονίμους εἶναι om. εἶναι 

9,258 πᾶςι πάντα πάντα πᾶει 

10,1 μῆτε ἑκάςτῳ ἰδίᾳ ἕκαςτον τῶν | om. τῶν ὄντων ἐςτί 
ὄντων ἐςτί 


quod ad sententiam attinet nihil interest, utram lectionem & Platone 
profectam putemus, quod ad sermonis elegantiam, verbis illis ἃ 
familia a additis facile carebimus. Nec deesse videtur causa, qua 
ex interpolatione orta illa esse probari videatur. Cum enim paulo 
post (p. 10, 16) verba τῶν ὄντων in fam. ß legantur, ubi a iis 
careat, suspicio oritur in margine omnium nostrorum archetypo ea 
adscripta esse indeque diversis locis in textum pervenisse. ὄντων 
male addunt & £ Phaedo 100, A (91, 2). Verbum substantivum 
praeterea in fam. a hoc loco, ut saepius, (efr. supra 9, 7 et 9, 9) 
additum. 


10,5 ἀλλὰ καθ᾽ ἀλλὰ καὶ καθ᾽ male 

10,7 ἔχειν add. | om. 

10,16 τμητέον Tunteóv τῶν ὄντων cfr. ad 10, 1. 
11,17 ὀνομάζοντες καὶ διονομάζοντες 

11,21 πρᾶξις πρᾶξίς τις probb. Bekk. Stallb. 


18,5 περὶ τρυπάνου a et BCEFH | περὶ τοῦ τρυπάνου altera familiae 
B pars: AIX Flor. b. 
18,9 ποιοῖμεν ποιοῦμεν probb, editt. 
Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. VII. Hft. 4. AQ 


dr. . 


19, 


9 to 
9o 9o 


t9 
ae 


4 ἔςτιν add. (at V supra versum) 

5 ὅταν τῷ τρυπάνῳ χρῆται add. 

8 ὁ τὴν τέχνην ἔχων [9 haec 
verba in mg. a manu anti- 
qua Schanz Stud. p. 57] 

15 ἂρ οὐχὶ ὁ νόμος δοκεῖ coi 
εἶναι ὁ παραδιδοὺς αὐτά; 

35 οὐκ ἄρα παντὸς ἀνδρὸς ὦ 
E. ὄνομα θέςθαι ἐςτίν 

2 6c δὴ τῶν δημιουργῶν crra- 
vidbraroc ἐν ἀνθρώποις γί- 
γνεται 

1 ὁ πεφύκει 

9 δαὶ 

14 οὐκοῦν --- 16 δοκεῖ om. (ho- 
moiotel.) 

1 τὸ φύςει Éékácry πεφυκός 

8 ἐξ οὗ ἂν ποιῇ τὸ ἔργον 

40 οὐδὲ 

20 εἰς τὸν αὐτὸν clönpov 

32 ἕως τὴν αὐτὴν ἰδέαν ἀποδιδῷ 

5 


12 ὁ χρηςόμενος ὑφαντής 


16 ἐπίςταται τῷ ἀνεργαζομένῳ 
male 

8 αὐτοῦ τὸ εἶδος 

8 πειςθήςεςθαί coi 

11 ἀλλ᾽ ἐπελάθου γε ὧν ὀλίγον 
πρότερον ἔλεγον 


19 αὖ écriv 

16 κατ᾽ ἐμέ τε καὶ cé (Ὁ) 
11 οὐκοῦν 

8 ἀλλ᾽ ὃ ἐὰν 

9 πολλὰ 

16 οὐδ᾽ εἰ 

19 προσιόντων male 

8 τι ἐπικοινιυνεῖ 

4 ἐπιτιθείς 


8 ἀτειρὰ AAG male 

12 ἀτειρές (ἀτειρεὺς Τῇ 
18 ἄτρεςτον 

13 αὐτῷ τὸ ὄνομα κεῖται 
15 τὸ ὄνομα plerique 


— M MM ——MÀÀ a aMÀ— — — 





A. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


om. probb. Turr. Herm. 
om. (homoiotel.) 

om. ἔχων probb. Bekk. Stallb. Turr. 
et Schanz 1. ]. | 


om. εἶναι 
om. ἐςτίν 


om. ἐν 


ὁ ἐπεφύκει, utrumque male. 
δὲ 


om. τὸ 

om. τὸ ἔργον 

om. δὲ cfr. 52, 16. 

om. αὐτὸν (homoiot.?) 

ἕως ἂν τ. d. Ll. d. probb. editt. 
toic om. l'ACIX FL Ὁ i. 

ὁ xpncópevoc, ὁ ὑφαντήῆς probb. 
Bekk. Stallb. Turicc. 

ἐπίςταιτο ἂν ἐργαζομένῳ 


αὐτοῦ τε εἶδος 

πείθεςθαί ce 

ἀλλ᾽ ἐπελάθου" ὀλίγον γὰρ πρότερον ἐ. 
in TERN vel l'ON offendisse videlur 
qui archetypum f scripsit. 

ἄν ἐςτιν 

om. T€ 

οὐκ αὖ 

ἄλλο ἐὰν 

τᾶλλα probb. editt. 

ἢ probb. Bekk. Stallb. 

Tpocóvtuv 

τι κοινωνεῖ (B?) 

ἐπιθείς cfr. 93, 5. τιθέμενος α θέ- 
μενος β 

ἀτηρὰ 

ἀτηρές male 

ἄτρεπτον 

αὐτὸ τ. O. κ. cfr. 29, 18 

TO0voua (cum A Flor. d) 





Α. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 623 


Ó " 
28, 31 ὅςης αὐτῶι δυεςετυχίας ἐνεπίμ- | αὐτῷ ὃ. ἐνεπίμπλητο pr. Bl'AIX 
πλη τὸ ἐγγὺς κτλ., in mg. | Florr. a (pr.) b (pr) c (pr) Darmst. 


T 
πίμπλη U (Gaisf), αὐτῷ ὃ. | ἐνεπίμπλατο ceteri 


TO 
ἐνεπίμπλη ceteri 
29, 4 αὐτὸν (cum Flor. b Darmst. | αὐτῶν (cum A) 


29, 9 θαυμαςτῶς dic θαυμαςτὴ ὡς probb. Bekk. Stallb. 
29, 13 τούτῳ τὸ ὄνομα τοῦτο τὸ ὄνομα 
29, 17 bé add. om. 


80, 6 Znvi (9?) cum Flor. be Palat. | τῷ Znvi reliqui (omnes??) 
30, 16 ἐπαυόμην cum Al XlIm et | ἐπαυςάμην altera familiae f pars 


Flor. bi 
80, 18 ταύτης εἴ τι ταυτηςὶ τί probb. editt. 
81, 15 ἂν add. om. male, cfr. 16, 22 
31, 18 ἀρξώμεθα ἀρξόμεθα 


ἐπ 
32, 2 ὁμωνυμίας (ὁμωνυμίας fam. | ἐπωνυμίας probb. Bekk. Stallb. 
£) probb. Turr. Herm. 


ὁμωνυμίας vocabulum ἢ. l. ferri non potest. Plato enim dicere non 
vult ,qui hominibus nomina imponebant, in iis eligendis eo sunt 
ducti, quod ὁμώνυμοι erant πρόγονοι, i. e. iisdem nominibus voca- 
bantur, sed eam ob causam, quod hoc vel illo nomine (ἐπωνυμίᾳ) 
erant nominali. Sie si Διονύειος τρις in lapidibus scriptum inveni- 
mus et ὁμωνύμους hos tres esse et ὁμωνυμίαν iis esse dicere pos- 
sumus, non item κατὰ προτέρων ὁμωνυμίαν (vel ὁμωνυμίας) tertium 
esse appellatum. Καθ᾿ ὁμωνυμίαν λεγόμενα quae sint, intellego; 
quid sit Crinagorae illud eic δ᾽ ἀνδρῶν ἦλθον ὁμωνυμίην scio; esse 
autem aliquem καθ᾽ ὁμωνυμίαν τινός appellatum non credo. Prae- 
terea ipsa illa, quam fam. « servat, forma ὁμωνυμίας demonstrari 
videtur, ὁμωνυμίας non esse genuinum. Nam pluralem vix credo 
defendi posse. In Phaedro quoque (238 C, 24, 10) lector codicis 
A in voce ἐπωνυμίαν offendit, marginique ἐπιθυμίαν adscripsit. 


82, 3 ἐνίοις cum parte fam. fi ἐνίοτε altera fam. 8 pars BCEF 
Flor. ac 
Εὐτυχίδην 





82, 4 Εὐτυχιάδην, nomen adhuc 
ignotum 
33, 2 ἔοικε... τῇ ἀληθείᾳ ! τῷ ἀληθεῖ prob. Bekk. 


non veritatis sed veri simile est, quod Plato dixit. Vides, quam 
facile fieri potuerit, ut ex litteris TOIAAHOCIHOY AEN ἀληθείῃ 
legeret scriba, quo facto articulum substantivo, quod vidisse sibi visus 
erat, adsimulavit. 

84, 20 ἐγώ 

85, 12 ῥήτορες καὶ δεινοί male 
86, 14 λέγομεν 





ἔγωγε (contra 74, 4) 

om. xal 

ἐλέγομεν prob. Bekk. 
. 40* 








Α. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 625 


ἄνθρωπος omittunt, Borbonicus!) retinet, 410, Α ὁ δὲ δὴ ἀὴρ ... 
ὅτι αἴρει τὰ ἀπὸ τῆς γῆς ἀὴρ κέκληται. — Verum iam recepit 
l. Bekker. 


4", 5 φερρεφάττα φερεφάττα 
4", 8 φερεεφόνην qepecepóvnv 
4", 10 τὴν θεόν ἃ τὴν θεάν 
47, 12 φερέπαφα φερεπάφα 
48, 1 κἀλλιςτα cum altera fam. 8 | κάλλιςττον AIX Flor. b 
parte 
48, 5 ὄνομα ἡρμοςμένον male ὄνομα fipuocev ἕν ὃν 
48, 15 τὰ ante λούτρα om. U?? 
48, 16 ἕν τι ταῦτα ταῦτα ἕν τι 
49, 4 ἁπλῶν ἁπλοῦν Flor. bi l'HXl1m, ἀπλὸν I, 


ἁπλὸν reliqui. Verum esse "AmAouv 
Bergkius Zeitschr. f. Alterth. 1848 
p. 23 probavit. 
49, 18 οὗ male om. AG pr. «t ἀντὶ τοῦ οὗ ἄλφα recte 
49, 19 ἐμβάλλοντες ἐμβαλόντες probb. editt. 
50, 5 ὁμοπολοῦντος male om. pr. 
AA (archetyp. fam. o?) 
50, 14 Ἄρτεμις δὲ τὸ ἀρτεμὲς φαίνε- | om. τὸ ante κόςμιον 
ται καὶ τὸ κόςμιον 


Sed ceteras scripturae diversitates omnes enumerare nolo; ex 
lis quae sequuntur singulas tantum afferam. Ac primum quidem 
subiungam locos, in quibus Bodleianum interpolatum esse, omnes 
editores concedunt. 79, 7 (420) fj τοῦν οἴηςις τούτῳ cuuquvei, 
οἷειν γὰρ τῆς ψυχῆς ἐπὶ πᾶν (sie B) πρᾶγμα οἷόν Ecrıv Exacrov 
τῶν ὄντων δηλούςη προςέοικεν κτλ. Quae vera est lectio olcıv, 
in nullo nostrorum codicum legitur. Codices fam. f enim praebent 
eicıv vel eici. A et TT pr. m. otcetv ἴεως, A, TT II. man. et £ solum 
Tcwc, TT III. man. etciv cuc. Quid familiae « archetypus in textu 
habuerit, erui non potest, postea olcetv ἴσως superscriptum est, quae 
verba aut ambo in textum pervenerunt aut alterum ἴσως. Cum 
autem v. 7 in familia « interpolationem deprehenderimus, dubito, 
num in versu proximo ei fidem habere possimus, ubi τὸ πρᾶγμα pro 
πᾶν πρᾶγμα habet. Alter locus est 107, 16 (433, E), ubi xai ἦ 
pro ἢ scribunt AO, καὶ ἢ TT, quod sensu caret. xalin fam. « temere 
insertum esse ad 35, 12 diximus. Tertius est 94, 10 (427, D), ubi, 
cum verae lectionis πότερον loco is, qui codicum AATT archetypum 
scripsit πρότερον (cfr. Gorg. 45, 11 πρότερον pro πότερον A) 
pinxisset, lector quidam locum sanare tentavit ἃ ante πρότερον in- 
teriecto. Quod his locis ab omnibus concessum est, alis quoque 


1) C. Wachsmuthi liberalitate factum est, ut quid in hoc cexexorwxe. 
arche insit, sciam. 


626 A. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


locis concedendum esse arbitror. 58, 10 (409, E) XQ εἴ τις ζητοῖ 
ταῦτα κατὰ τὴν Ἑλληνικὴν φωνὴν, dic εἰκότως κεῖται, ἀλλὰ pi) 
κατ᾽ ἐκείνην, ἐξ ἧς τὸ ὄνομα τυγχάνει ὄν, olcda ὅτι ἀποροῖ ἄν; 
ΕΡΜ. εἰκότως γε. pro ὡς εἰκότως κεῖται praebet fam. & ὡς ἐοικό- 
Tux κεῖται. Herm. vol. I p. XVIII ad hunc locum adnotat: „Revocavi 
p. 409, E ἐοικότως pro εἰκότως, quod etsi sententia fere pari tamen 
vel ideo non debebant B. S. T. recipere, quia mox in responso eadem 
vox aliorsum refertur, videturque Plato hac ipsa de causa rariorem 
formam usurpasse, ut non probabiliter vel merito sed apposite ad 
similitudinem interpretandam esse indicaret." Putat igitur Platonem 
finxisse Socratem daemonio ni fallor admonitum, providentem fore, 
ut, si ipse voce εἰκότως usurparet, et si forte accideret, ut εἰκότως 
respondere Hermogeni placeret, idem verbum bis brevi spatio diversa 
paulum significatione poneretur. Quod ne quis non intellegeret, Pla- 
tonem Socrati non vocem εἰκότως tribuisse, sed novum quoddam 
formasse vocabulum. Vides, quas argutias protulerint, ut quae in 
Bodleiano invenissent, tuerentur. Tardi sane ingenii sciolus in duplici 
illo εἰκότως haerere, et, postquam haesit, in interrogatione aliquid 
mutare vocemque Atticis ignotam inducere poterat, Platonem im 
talibus non haesisse arbitror, aut si haesisset in responso non in 
interrogatione alio vocabulo usurum fuisse; non enim interrogans 
est ambiguitates evitare, sed respondentis. — 52, 21 (407, C) ... 
"H6ovónv μὲν βούλεεθαι προςειπεῖν᾽ παραγαγὼν δὲ ἢ αὐτὸς ἤ τινες 
ücrepov ἐπὶ τὸ κάλλιογ, dic ᾧοντο, ᾿Αθηνάαν ἐκάλεςαν᾽ sic Bekker 
cum fam. B, fam. « ᾿Αθηνᾶν probb. Turicc. Herm. Formam ᾿Αθη- 
vaíac 74, 2 (417, " ex Bodl. (si Gaisfordii silentio fides est ha- 
benda) et ex dam. & (Aenváac ATT, ᾿Αθηνᾶς β recipere non dubita- 
verunt, 'A0nvain Euthyd. 302, D, quod Eustathius praebet contra 
codicum auctoritatem aut simpliciter, aut ita receperunt, ut in ’AQn- 
vaía (cod. omnes ᾿Αθηνᾶ) mutarent; hoc loco formam contractam 
(cum fam. «) praetulerunt. Longioribus autem formis (non minus 
quam verbis ab Attico sermone alienis, ut éráZu) cett.), si etymolo- 
giae, quam afferebat, melius convenirent, Plato uti non dubitavit. 
p. 43, 23 (402, E) veriloquii ratione ductus ἸΤοςειδῶνα (omn. codd.) 
et 49, 18 (405, E) ᾿Απόλλωνα (omn. codd.) dixit!), cum ceteris 
locis contracto horum nominum accusativo usum esse, codicum con- 
sensu satis demonstretur. (Ἀπόλλω Crat. 47, 18 (404, D), 46, 18 
(404, B), ubi IX peccant, Phaedo 9, 14 (60, D), ubi solus Flor. b 
peceat, Ποςειδῶ Cratyl. 43, 16 (402, D), ubi, qui codices IX abo 
(archetyp. 8?) scripserunt, eo, quod sequitur Πλούτωνα, in errorem 
perducti sunt) An qui his formis ab Atticorum consuetudine alienis 
non abstinuit, eum h. 1. longiorem formam recepisse negabimus, 
qua aliis locis usus est, quamque etymologia, quam proposuit, poscere 


1) Buttmanni de horum formis solutis sententiam quod non impro- 
bavit Kühner gr. gr. 1* 331 miror. 


628 Α. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


sunt loci: 87, 7 (424, A) εἰ dpa τοῦτο ἀληθὲς, ἤδη ἔοικεν émoexe- 
πτέον περὶ κτλ. ΓΔ pr. TT Flor. ἃ probb. Stallb. Turr. Herm., ante 
ἔοικεν addunt ὡς familiae β et & Quod additamento sane non dis- 
simile est, sed cur eum, qui paulo post 87, 11 ὥςτ᾽ temere omisit, 
quique Protg. 179, 18 (325, C) et, si Bekk, Stallb., Turicenses 
recte iudicaverunt, Parm. 16, 8 (133, A) omisso ὡς peccavit, hoc 
loco idem fecisse negemus, praesertim cum hoc quoque loco familia 
E in Cratylo cum « artissime cognata particulam praebeat? — 67, 
7 (414, C) ἐπεὶ (xal add. 8) ἐν τῷ κατόπτρῳ οὐ δοκεῖ cot ἄτοπον 
elvai τὸ ἐμβεβλῆςεθαι τὸ pij. Pronomen coi aute ἄτοπον om. 9(ATT Flor. 
d (= fam. «) et pr. Y, quod cum ne Hermann quidem expellendum 
esse censeat, ego interpolatori tribuere non audeo. Videtur igitur 
ab archetypi « scriba litterarum AOKEICOI similitudine in errorem 
perducto omissum esse, Quod autem ad particulam xal attinet, 
quam. fam. « omittit, B probb. Bekk. et Stallb. addit, idem invenimus 
factum esse 5, 10 (384, D) τοῦτο εἶναι καὶ τὸ ὀρθὸν (probb. Bekk.), 
10, 5 (386, E) ἀλλὰ καὶ καθ᾽, 89, 12 (425, B) eire . . εἶτε xai μὴ 
(prob. null), 92, 16 (426, E) διὸ φαίνεταί μοι τούτῳ καὶ πρὸς 
ταῦτα κατακεχρῆςθαι, 101, 21 (431, A) καλῶς ve cU ποιῶν, ὦ 
φίλε, καὶ εἰ ἔετι τοῦτο οὕτως (prob. null). Praeterea conferendus 
est locus 11, 17 (387, C), ubi pro οὐκοῦν τοῦ λέγειν μόριον τὸ 
ὀνομάζειν ὀνομάζοντες γὰρ ποῦ λέγουςειν τοὺς λόγους fam. 
B habet ὀνομάζειν᾽ καὶ διονομάζοντες. τὲ καὶ pro καὶ habet 57, 
17 (409, C) et 70, 4 (416, A). Articulum invenimus a familia « 
omissum, a fj additum his locis: 30, 5 (396, B) τῷ Διὶ καὶ τῷ Znvl 
probb. editt., 48, 15 (405, B) xai αἱ τοῖς μαντικοῖς περιθειώςεις TE 
καὶ τὰ λουτρὰ τὰ ἐν τοῖς τοιούτοις καὶ al rrepippávceic κτλ. probb. 
Bekk. Stallb. Turiec., 61, 5 (411, C) ἀλλ᾽ αὐτὰ τὰ πράγματα οὕτω 
πεφυκέναι probb. editt, 64, 9 (413, A) τί οὖν ποτ᾽ ἔςτιν, ὦ 
üpicre, τὸ δίκαιον probb. Bekk. Stallb. (omiserunt Turicc. et Herm.!) 
64, 17 (413, B) καταγελᾷ μου οὗτος ὁ ἀκούςας καὶ ἐρωτᾶ, prob. 
Bekk., 86, 10 (423 D) ἔοικε. . οὐδὲ περὶ ταύτας τὰς μιμήκεις 
f τέχνη fj ὀνομαςτικὴ εἶναι probb. Bekk. Turicc.!) — Praeterea 
autem addit fam. B pronomen τίς 11, 21 (387, C) οὐκοῦν καὶ τὸ 
ὀνομάζειν πρᾶξίς τίς écriv εἴπερ καὶ τὸ λέγειν πρᾶξίς τις ἣν περὶ 
τὰ πράγματα (probb. Bekk. Stallb.). — 79, 8 (420, B) scribunt πᾶν 
πρᾶγμα pro τὸ πρᾶγμα, quod & habet, cfr. supr. p. 625 et 46, 91 
(404, B) addit Δημήτηρ cfr. supr. p. 624. 

En habes locos, in quibus quis familiam (j in interpolationis 
suspicionem vocare possit — quo iure id h. L non decerno. Licet 
enim, id quod nemo dixit, nemo dicet, haec omnia & Platone non 
profecta sint, deteriorem hanc familiam altera esse ex iis colligi 


1) Particula καὶ vel articulo addito vel omisso saepissime disorepant 
duae quoque illae familiae in quas codices Aristotelis Politica continen- 
tes discedere docuit Susemibl. Οἷς. eundem in vreefet. 





630 A. Jordan: De codicum Platonicorum auetoritate. 


Plura quam de Parmenide de Phaedone'proferre liceet, ut 
quid de iis, quae nuper M. Schanz (Nov. comment. Plat. p. 129 sqq.) 
de hoc dialogo disputavit, iudicandum sit videamus. Collati sunt 
ad Phaedonem & Bekkero 

fam. & codd. 9 ATI Gs 
B , FAEHIL 
- » Y!) (Ξ) 
apud Stallbaumium collectae sunt lectiones Bodl (= 3), Vatic. 
(= A), Venet. b (— ΠῚ, Flor. d, Tubingensis (a Reussio collati, 
cfr. Fischer Platonis Euthyph. Ap. Crit. Phaed., Lips. 1783 p. VII) 
— fam. «*). 

Paris. (= B), Flor. abeim August. (Fischer l. L p. IV) τα 
fam. f. 

De Vindobonensibus, quos Stallbaum. (vol. IX p. XII, ed. Weigel.) 
inter eos, qui ad Phaedonem collati sint, affert, cfr. eundem 1. |. 
p.112. Lectiones, quas ex iis attulit W yttenbachius non sufficiunt, 
ut ex iis, cui quisque familiae in Phaedone adnumerandus sit, co- 
gnosci possit. Vindob. 2 — Y Bekk. ad fam. E pertinet, ceteri ut 
videtur, ad fam. a. 

Familia α in hoc dialogo in duas discedit partes, interpolutorum 
ATT®Gs Flor. d et non interpolatorum X Tub. Nam quod M. Schanz 
l. 1. p. 154 dicit codices ATT in Phaedone „alium fontem secutos" 
esse, errat. Eadem est eorum origo in hoc dialogo atque in ceteris. 
Cfr. hos locos, in quibus SL ATT Gs contra ceteros (fam. BE) consen- 
tiunt: 3, 16 add. οὖν, 6, 17 ὃ add., 7, 11 εἰςήειμεν (cum FC, ἥειμεν 
ceteri), 8, 17 ἐξέτριψε (cum C, ἔτριψε ceteri), 8, 21 ἐθέλειν (cum 
C, θέλειν ceteri), 9, 10 ἀλγεινὸν (pro „u“ apud Bekk. scribendum 
videtur „s“), 9, 11 ὦ C. ἔφη (cum FL, ceteri ἔφη ὦ C.), 11, 1 δή add., 
11, 3 τούτους (cum C, ceteri τούτων), 11, 5 dic τάχιςτα add., 11, 9 
ἄν om., 12, 12 ἀκούςαις (ceteri ἀκούςαιο C? G?), 15,1 πρὸς ταῦτα 
add. eum C, G habet πρὸς αὐτά, 17, 12 καὶ οἵου θανάτου add. 
24, 18 εἰ add., 30, 17 τοῦτο οὖν add., 31, 3 Ye om., 12 μέν add,, 
19 εἶναι ἐξ ἑκατέρων eic (8? ceteri εἶναι ἑκατέρου eic), 33, 9 
ἐδόκει add. cum C, 37, 20 μέντοι, ceteri τοίνυν, 38, 19 τόδ᾽ om. 
(52), 40, 2 πρὸ τοῦ ἄρα, ceteri πρὸ γὰρ τοῦ, 41, 6 ὦ Ciuuto add, 
42, 15 αὐτῶν add., 44, 21 ἔχειν, ceteri ἕξειν, 45, 6 τὲ om., 47, 11 
ἢ add., 48, 19, 55, δ ete. AATT® consentiunt praeterea 5, 18, 6, 7, 
8,2, 8,5, 9,18, 12, 4 etc. Cum autem codices Bodl. et Tubing. e 
codice descripti sint, qui archetypi sui lectiones integras serva&verat, 





— 


ex quo illi Platonis locos sumpserunt, composuit, Platonis codice usus 
esse videtur, qui neque ad ullam nostrarum iliarum pertinebat, neque 
ab archetypo his communi pendebat. 

1) Hic codex inde a. p. 85, 5 Bekk. rec. man. scriptus est. 

2) Novae collationis Bodleiani et Tubingensis accuratissime confectae 
specimen in Schanziü libro laodexXo invenitur. 





Α. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritàte. 631 


in eo, ex quo Δ ΤΠ cett. originem duxerunt'), homo aliquis non in- 
doctus multa mutavit atque addidit, quae postea in verborum ordinem 
recepta sunt, pauciora, ut videtur, ab illo, qui codicem TT scripsit, 
plura ab iis, qui ceteros scripserunt, cfr. Schanz l.l. p. 154. In 
Bodleiano magnam eorum p&rtem margini ἃ diversis manibus ad- 
scripta invenimus. Has codicum ATT® cett. lectiones a Bodleiano 
(I. m.) et Tubingensi non confirmatas Schanz, qui ne unam quidem 
earum neque sententiarum nexu, neque Platonis dicendi consuetudine 
postulari eximia diligentia exposuit, in Platonis verbis refingendis 
non curandas esse rectissime docuit. Non igitur, ut exemplo utar, 
Hermann p. 66 B, 21, 9 vocem ἣμᾶς in suspicionem vocare debebat, 
quia in codicibus certa sede careret (praef. vol. I, p. XII). Ubi enim 
huius verbi sedes esse debeat, cum 9I, Tub., fam. β et & consentiant, 
dubium esse non poteet. De his igitur recte iudicavit Schanz, erravit, 
quod ab his eas lectiones, quas codices familiae ß suppeditant, seiun- 
gendas esse non vidit. Non minus enim, quam in ceteris dialogis, 
in Phaedone hanc familiam ad familiae « vitia sananda adhiberi 
oportet. Schanzius ipse p. 148 locos non paucos attulit, in quibus, 
quae X pr. m. et Tubing. praebent, vitiosa esse negare non potest. 
Nec minus eum in X et Tub. peccatum esse, in familia ß genuinam 
lectionem servatam esse, his locis negare credo: 
16, 10 (63, E) μέντοι c, μέν τι B 
20, 5 n e τί δή 9 Tub. (Fischer 1.1. p. 271, 23), ἤδη f 
cum cett. 
28, 14 (69, D) ἀπολιπών ATT, ἀπολείπων f cum cett. 
46, 6 (78, A) ἀναγκαιότερον ἃ pro ἂν euxaipórepov 
78, 6 (98, ei ei ATTY Tub. (Fischer p. 394, 28) L pro fi 
86, 6 (97, C) αὐτῶν TT, pr. 9Í, αὐτός Tub. (Fischer p. 410, 9) 
pro αὐτῷ 
89, 11 (99, B) ὄμματι & pro ὀνόματι 
96, 21 (102, E) ἐκεῖνος 3(TT (Tub.?) pro ἐκεῖνο 
97, 3 (102, E) αἴτιον ATTY Venet. a (— X) Zitt. Tub. (Fischer 
p. 430, 19) 
98, 16 (103, Ἢ αὐτὸ ATTY pro αὐτῷ 
98, 18 (103, D) τολμήςειεν pr. A, τολμήςειε Tub. (Fischer p. 
433, 10) pro τολμήςτειν 
100, 16 (104, D) ἀναγκάζειν ATTY Tub. (Fischer p. 437, 3) pro 
ἀναγκάζει 
102, 6 e B) ὁρῶ α (de TT — Venet. b testatur Stallb.) pro ὁρῶν 
117, 17 (113, B) ἔτι ὀνομάζουειν U, pr. TT, Tub. pro értovouáZouciv 
efr. 117, 22 ὃν ἐπονομάζουςι (τύγιον 


[1) Hune codicis AO fontem ipsum Bodleianum esse docuit Schanz 
Stadien p. 51 seqq. Nam quod ille de nonnullis dialogis demovustrex, 
quin de omnibus priorum VI tetralogiarum valeat, cave dues 


632 A. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritaie. 


117, 20 (113, B) αὐτοῦ ΠῪ pr. X pro αὖ cfr. idem vitium in familia 
« Parm. 132, A, 14, 9, ubi Hermann Bodleiani scripturam 
tuiturus αὖ που scripeit 

124, 10 (116, C) ἄριετα 9(TT (Tub.?) pro ῥᾷετα 

125, 7 (117, A) ποιῶν ATT cum C, ἀπιών l'AG pro πιών. 


At haec sunt vitia scribarum errore in Bodleianum eique cogna. 
ios illata!), gravioris sunt momenti loci, in quibus minus errore 
quam consilio Platonis verba mutata, aut verba & Platone non pro- 
fecta videntur addita esse. His sciolorum interpretamentis vel addi- 
tamentis deberi codicis δ΄ lectiones omnes consentiunt his locis: 


10, 1 (60, D) dic ὅτε A Tub. (quod frustra excusare studet Schanz 
N. C. Pl. p. 155) pro ὡς 

13, 1 (62, C) gncí A Tub. pro ἔφη 

18, τ (a τὸ καὶ add. X Tub., cfr. 21,4 (66, A), et 112,3 (110,0 

19, 15 (65, C) ποῦ τοῦ ποτε δ΄ που rovrore Tub. (Fisch. 270, » 

inepte pro που τότε. 

27, 17 (69, C) εἶναι add. X Tub. (Fisch. p. 288, 44); errat, ut non 

. raro, Stallb., qui „unum Bodl." εἶναι additum habere narrat. 

31, 5 us. A) x&v ἄν U Tub. 

35, 21 (73, B) coí add. 9(TT Tub. (Fisch. p. 306,21), omittunt editores. 
46, 15 (78, B) τοῦ διαςκεδάννυςθαι ATT Tub. „quod redolet criti- 
corum sapientiam" Stallb., editores cum ceteris τὸ ὃ. 

54, 18 (82, B) add. οὐ ATT (Tub.?) 

79, 11 (94, B) ὡς εἰ A (Sehanz N. C. Pl. 150) et Tub. (Fischer p. 
395, 3), olov cum ceteris codd. editores, ὧς cum Bodleiani 
margine altera Schanz 

81, 6 (95, B) et 121, 20 (115, B) add. μέν ATTY Tub. om. fi 
et editores 

83, 2 (96, A) dv add. ATTs Flor. d Tubing. Zittav. et A teste 
Schoenio, qui huius codicis collationem confecit, quam 
Sauppius, qua est erga me benevolentia, inspicere mihi per- 
misit, om. ß et editores 

84, 2 (96, C) ὥςτε ἅποτ ἔμαθον xai ἅ A, ὥςτε ἄποτ᾽ ἔμαθον xal 
& Tub. (Schanz NCPI. p. 135) ὥςτε ἀπέμαθον καὶ ταῦτα 
& B, cui obsequendum. Idem enim, qui ex ἀπ fecit ἅποτ 
in fam. a, delevit ταῦτα 

86, 8 (91, D) add. ἐκείνου ATT Tub. et Venet. a (— X) Y Ζι 

— fam. £ 

86, 20 (98, A) in magna codicum dissensione verum praebent AE 
Flor. b pr. m. Eustath. 

91,2 (100, A) ὄντων add. αξ om. ß probb. editt. 

93, 18 (101, C) οἰόμεθα α ξ, oicda f probb. editt. 


1) Cum facile his locis, quid verum sit, inveniri possit, non raro in 
familiae « codicibus recentioribus (AGs) veram lectionem coniectura 
restitutam invenimus. 


636 A. Jordan: De codicum Platonicorum anctoritate 


πρὸς ἀρετὴν ἀλλαγή verbum ij in U male omitti, 118, 19 (113, E) 
autem διὰ τὰ μεγέθη τῶν ἁμαρτημάτων, A ἱεροευλίας πολλὰς xal 
μετάλας ἢ φόνους ἀδίκους κτλ. ἢ ante ἱεροευλίας, quod om. pr. X 
et Tub. recipere non vult (l.l. p. 139). Idem 70, 10 (94, B) πό- 
τερον ευγχωροῦςαν τοῖς xarà τοῖς cWua πάθεειν ἢ καὶ évavriov- 
μένην; (sic omnes codd. praeter A Tub., qui ἢ καὶ om., et omnes 
editt.) in omnium archetypo interpolationem (cuyxwpoücav) fuisse 
statuere mavult quam a Bodleiani Tubingensisque librario peccatum 
esse (l. 1. p. 150). 51, 3 (80) ἐννοεῖς οὖν, ἔφη, ὅτι, ἐπειδὰν ἀπο- 
θάνῃ ὁ ἄνθρωπος, τὸ μὲν ὁρατὸν αὐτοῦ [εὦμα quod βξ, vel τὸ 
cia, quod α addit, glossema esse 1088 hac familiarum discrepantia 
probatur] καὶ ἐν δρατῷ κείμενον, ὃ δὴ νεκρὸν καλοῦμεν i προςή- 
κει διαλύεςθαι καὶ διαπίπτειν καὶ dıanveichnn, οὐκ εὐθὺς τούτων 
οὐδὲν πέπονθεν, ἀλλ᾽ ἐπιεικῶς cuxvöv ἐπιμένει χρόνον. In his 
primum ὅτι deesse posse evincere studet, „nam notum est locutionem 
ὁρᾷς, pro qua variationis causa hic ponitur ἐννοεῖς, et cum ὡς vel 
ὅτι et sine ὡς vel ὅτι adhibitam esse". Eo autem, quod δρᾷς sine 
ὡς vel ὅτι ponitur, ἐννοεῖν quoque ita poni posse minime probatur. 
Quid vero ,variationis causa" voce ἐννοεῖν pro ὁρᾷν Platonem h. ]. 
usum esse dieit, non intellego; neque enim in iis quae praecedunt 
neque in iis quae sequuntur, ὁρᾷς legitur. Praeterea voces καὶ 
διαπνεῖςθαι quas om. pr. ATT Tub. „unde petierit interpolator" 
nescire se confitetur. Nisi Bodleiani admiratio animi eius aciem 
praestrinxisset, ex Stobaeo, Eusebio (Theodoreto) didicisset, iam in 
illo libro, qui ad florilegium, quo illi utebantur, componendum adhi- 
bitus est, et hoc καὶ διαπνεῖςθαι et illud ὅτι et illud ἤ (118, 19) 
fuisse. Cum hoc igitur et familia ß et & has voces retinebimus, 
eademque vitio in Bodl. Tubing. Venet. archetypo intercidisse eas 
putabimus, quo 24, 5 (67, D) vocem ψυχῆς intercidisse largitur 
(.. 1. p. 151). Idem de aliis eorum locorum, quos p. 151 et 152 
tractavit, statuere non dubitamus, sed accuratius eos tractare lon- 
gum est. 

Exempla prolata sufficere mihi videntur, ut ne optimos quidem 
familiae « libros multis variisque vitiis vacare probetur. Quod cum 
ita sit, non possumus, quin improbemus Schanzii sententiam, qui 
l.l. p. 131 ,, Tubingensem et Clark. I. m. nobis in Phaedone exhibendo 
solos duces esse debere" censet. In Phaedone, ut in ceteris dialogis, 
utraque familia ad verba Platonis refingenda adhibenda est. 

Paucis iam, quae Cratyli et Phaedonis exemplo usi de codicibus 
ad Platonis verba in integrum restituenda recte adhibendis nobis 
visa sunt, colligamus. "Tres sunt codicum ad sex priores tetralogias 
collatorum familiae, e, B, &. — "Tertia & ita est comparata, ut, quo- 
ties altera utra reliquarum, quod verum videatur, praebeat, ea ab- 
stineamus. — Familiae α et ß ex duobus unius archetypi apographis 
originem duxerunt, quorum uterque multis variisque vitiis erst 

affectus. — Harum duarum familiarum seripturse (quales vel omnes 








640 Α. Jordan: De codicum Platonicorum auctoritate. 


de republ. et de legib. adiecto Timaeo de anima mundi continentem: 
„Platonis textus maxima ex parte de cod. CLXXXVIIII sumptus est, 
80 proinde Convivii, Gorgiae et Phaedonis loca in eo erasa librarius 
praetermisit, at Bessario ea postea adiecit; qui quidem cum textum 
lotum varia manu exaratum recensuerit, glossas alque annotationes 
passim adscripserit, hoc praesertim codice ad Platonis philosophiam 
addiscendam usus fuisse videtur etc. — p. 113 ad cod. CLXXXVIIII 
(saec. XII.) Platonis dialogos exeptis de republ. et de legibus oonti- 
nentem (= X Bekk.): „De exemplari admodum vetere tum ex indiciis 
alis tum ex Tora ubique adscripto manasse hoc videtur. In convivio 
loca quaedam erasa videre est, in quibus aut impudicum amorem aut 
fati vim aut simile quidpiam Platonem probasse audax quidam reprehen- 
sor putavit. Sic nimirum est Tom. III p. 178 b ed. Henr. Steph. 
τίμιον, ἦ δ᾽ 6c .... πρεεβύτατος δὲ dv. pag. 180 d ἣ μέν γέ πον 
πρεεβυτέρα .... ἣν δὴ καὶ οὐρανίαν ἐπονομάζομεν. ἣ δὲ νεωτέρα 
SO. ἣ δὴ πάνδημον καλοῦμεν. pag. 181 C fj τῆς ἑτέρας ... ὁ δὲ 
τῆς οὐρανίας ... écnv οὗτος ὃ τῶν παίδων ἔρως. pag. 195 C ὡς 
ἔρως... ἀρχαιότατός Ecrıv. ἀλλά φημι νεώτατον αὐτὸν εἶναι 
θεῶν καὶ αἰεὶ νέον... νέος μὲν οὖν ἔςτι. p. 197 Ὁ αἴςχει γὰρ 
οὐκ ἔνεςτι ἔρως .... οὕτως ἐμοῖ δοκεῖ. In Gorg. itidem Tom. I p. 
523 a ἃ μέλλω λέγειν ... ἦν γὰρ νόμος ὅδε. p. 528 b τούτων δὲ 
δικαςταὶ. .. Cüvrec ἦταν. Et in Phaedone abrasis de animarum 
transmigratione in bestiarum corpora dictis Tom. I p. 81 évboüvtat 
δὲ͵ ὥςπερ εἰκὸς .... ἄλλῳ f) τῷ φιλομαθεῖ. Scholia uberrime adiecta 
sunt, quae iam reperiri solent, in cod. CLXXXIV translata" οἷο. — 
His nihil habeo, quod addam, nisi hoc exemplo demonstrari, fieri 
posse, ut e codice lacunoso originem ducat non lacunosus. 

In familia «, ut hanc quoque tangam, Florentinus d e Vaticano 
videtur descriptus esse. 





DER ZWEITE ATHENISCHE BUND 


UND 


DIE AUF DER AUTONOMIE BERUHENDE, HELLENISCHE POLITIK 
VON DER SCHLACHT BEI KNIDOS BIS ZUM FRIEDEN DES 
EUBULOS. 


* 


MIT EINER EINLEITUNG: 


ZUR BEDEUTUNG DER AUTONOMIE IN HELLENISCHEN 
BUNDESVERFASSUNGEN 


vON 


GEORG BUSOLT, 





Vorwort. 


In einer Zeit, in welcher wir Deutsche die Zersplitterung in 
eine Vielheit zum grószten Theil für sich leistungsunfähiger Staats- 
wesen überwunden haben und in einem groszen politischen Aufgaben 
gewachsenen Bundessysteme vereinigt sind, wird naturgemiisz nament- 
lich der deutsche Geschichtsforscher veranlaszt seinen Blick auf die 
entsprechenden Verhältnisse eines Volkes zu werfen, dessen Geschichte 
wie die des deutschen die Aufgabe hatte eine Entwickelung aus der 
Unzahl von kleinen, in bestündigen Fehden unter einander ihre 
Kraft aufreibenden Politien zur nationalen, auf fóderativer Basis 
beruhenden Einheit darzustellen. Das deutsche Volk hat, soweit es 
sich bisher übersehen läszt, seine Aufgaben zum groszen Theil ge- 
löst oder schreitet in der Lösung derselben erfolgreich vor. Nicht 
so die Hellenen. Erfüllt von einem nationalen Gefühle der Ueber- 
legenheit und Zusammengehörigkeit gegenüber den Nicht-Hellenen, 
den Barbaren, waren sie doch von einem durch die geographische 
Gestaltung des Landes begünstigten, ausgeprägten particularistischen 
Geiste durchdrungen, der das Interesse des eigenen besondern Ge- 
meinwesens über das allgemein-hellenische setzte. So vermochten 
die Hellenen nicht durch eigene Kraft die vielen selbstständigen 
- Gemeinwesen zu einer leistungsfähigen, föderativen Bildung zu 
vereinigen. Die Versuche der Lakedaemonier, Athener, Thebaner 
scheiterten einerseits an der engherzigen Politik ihrer leitenden Staats- 
münner, welche einseitig das Interesse ihrer eigenen Stadt, des Vor- 
ortes, gegenüber dem der Bundesgenossen hervorhoben, und nicht 
‘das Gemeinsame’ zur Grundlage ihrer Politik machten, andererseits 
an der durch dieses Verhalten der Hegemonie gesteigerten, stets 
wachsenden, autonomistischen Reaction der Bundesgenossen. 

Das traurige Resultat der politischen Geschichte der Hellenen 
ist daher die Schlacht bei Chaeronea. Die Niederlage der Deutschen 
hütte wahrscheinlich einen Rheinbund zur Folge gehabt, die der 
Hellenen bezeichnete einen groszen hellenischen Bund unter der 
Hegemonie ihrer Sieger, der Makedonen. Die politische Kraft der 
Hellenen war so weit gebrochen, dasz sie nicht mehr in dem Masze 
Selbststündigkeit zu erringen vermochten, wie es die Möglichkeit 
einer unabhängigen, allgemein-hellenischen Fideration xoreosedus. 


644 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Das Ziel der folgenden Untersuchungen ist eine Geschichte der 
Entwickelung und Krisis derjenigen bundesstaatlichen Bildungen bei 
den Hellenen, von welchen eine nationale Einigung ausgehen konnte, 
die den Kern einer solchen zu bilden fühig waren. Zwar bewogen 
theilweise äusserliche Gründe mit Forschungen zur Geschichte des 
zweiten athenischen Seebundes zu beginnen, doch machen eine Heihe 
nicht unwesentlicher Momente gerade Untersuchungen über die 
Föderations- Verhältnisse dieser Epoche geeignet, eine sichere Grund- 
lage für die ferneren Forschungen zu bilden. Dazu gehört unter 
Anderem auch der Umstand, dass die unvermeidliche Basis aller 
grossen politischen Verhandlungen dieser Periode die Frage der 
Autonomie ist, wodurch natürlich das Quellenmaterial für diese Zeit 
die reichste Ausbeute zur Bestimmung des so wichtigen Begriffes 
der Autonomie von Bundesmitgliedern darbietet. Dann erscheinen 
die Anfänge etwa des peloponnesischen Bundes, die in das sechste 
Jahrhundert fallen, beinahe selbstverständlich in der Ueberlieferung 
in so undeutlichen und schwankenden Umrissen, dass es nahe liegt 
erst die Bundesverhältnisse einer spätern Zeit eingehend zu durch- 
forschen, um dann auf Grund einer Vorstellung solcher Verhältnisse 
in die dunkelern Partien zurückzugehen und in diese schwierigere 
Materie erfolgreicher einzudringen. 

Sollte im Folgenden die Durchführung einer von den bisher 
geltenden Auffassungen gänzlich abweichenden Beurtheilung und Dar- 
stellung einer Reihe von wichtigen Ereignissen im Besondern und 
der politischen Verhältnisse dieses Abschnittes der griechischen Ge- 
schichte überhaupt gelungen sein, so würde dieses Resultat die Recht- 
fertigung der Veröffentlichung dieser Forschungen in unserer an 
Literatur so reichen Zeit enthalten. 


Königsberg, September 1874. 


Georg Busolt. 











650 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


regeln trafen, wobei ihnen nach den Bundesgesetzen die Bundes. 
genossen unbedingt Folge zu leisten hatten.  Religióse Bedenken 
bildeten allein einen genügenden Grund dem Aufgebote des Vorortes 
nicht zu folgen.) Wenn nun die Bundesgenossen an dem Beschlasse 
Krieg zu führen nicht theilnahmen und gegen jede Stadt ins Feld 
ziehen mussten, welche der führende Staat als Feind erklärt hatte, 
so kam dieses der Verpflichtung: τοὺς αὐτοὺς Λακεδαιμονίοις φίλους 
καὶ ἐχθροὺς νομίζειν gleich, welches ein wesentliches Kennzeichen 
unterthüniger Bundesgenossen war. Die autonomen Bundesgenossen 
der Lakedaemonier (d. h. im Wesentlichen die Peloponnesier) schwören 
nur ἀκολουθεῖν ὅποι κτλ., die unterthänigen (wie eine Zeit lang 
Athen und eine Reihe von Seestüdten) ausserdem noch τοὺς αὐτοὺς 
Λακεδαιμονίοις KTA., vgl. Xen. Hell. II, 2. 20. 

Autonome Bundesgenossen haben nothwendig, ausser in den 
vorhergesehenen Füllen, das Recht, an Beschlüssen über einen Bun- 
deskrieg theilzunehmen. Wäre der Vorort für sich berechtigt ge 
wesen Krieg zu erklären, so würden die Bundesgenossen bei der 
Häufigkeit der Kriege in jenen Zeiten zu einer schweren, sklavischen 
Stellung herabgedrückt sein, da jeder Feldzug bedeutende persön- 
liche und reale Lasten erforderte. In enger Verbindung mit dem 
Rechte, an Beschlüssen über Krieg sich zu betheiligen, steht die 
Mitwirkung bei Friedensverhandlungen und bei Abschluss von Ver- 
trägen überhaupt, sofern dieselben den Bund als solchen betreffen. 
vgl. Thuk. I, 97 : ᾿Αθηναῖοι ἡγούμενοι αὐτονόμων τῶν ευμμάχων xal 
ἀπὸ κοινῶν cuvóbuv βουλευόντων Tocábe ἐπῆλθον πολέμῳ καὶ 
διαχειρίςει πραγμάτων κτλ. Ueber die Bedeutung von πράγματα 
im politischen Sinne vgl. Polyb. VII, 12. 2. Thuk. III, 98. 63. 
72 u.s. w. Ueber einzelne Fülle der Theilnahme autonomer Bun- 
desgenossen an Friedensverhandlungen und an Berathungen über 
Verträge mit auswärtigen Mächten überhaupt, vgl. Thuk.IV, 118—119. 
V, 18. 29. VIII, 18. 36. 137. Xen. Hell. V, 2. 12 und 18. II, 9. 20. 

Es kommt ohne Zweifel noch in Frage, welcher Art die Theil. 
nahme sein muss. An jener Stelle bei Xenophon (Hell. VI, 8. 7) 
steht ἀνακοινοῦςθαι d. h. “mit Jemandem etwas in Gemeinschaft 
treiben,” dann 'Jemandem etwas zur Berathung mittheilen,' ohne 
dass derselbe mehr als berathende Stimme hat, aber auch “Jeman- 
dem etwas zur Entscheidung mittheilen” Im lakedaemonischen 
Dunde wird Krieg und Friede bei freier Berathung und Stimmabgabe 
aller Bundesgenossen beschlossen, die Majorität des Bundestages ist 


1) Ueber religiöse Bedenken vgl. Thuk. V, 30 θεῶν A ἡρώων κιύλυμα. 
Xen. Hell. Il, 4. 80. 1V, 2. 16. V, 2. 2. Wurde ein Theil des Bundes- 
gebietes plötzlich angegriffen oder einem Angriff ausgesetzt, so war 
natürlich ein Beschluss des Bundesrathes über den Kriegefall unnöthig, 
der Vorort bot einfach ohne Verletzung der Autonomie die Conti te 
auf. vgl Xen. Hell. Il, 8. 13 und 25. II, 4. 30. ΠῚ, δ. 5. 5. 8. "Thuk. 
V, 4. 64. Diod. XV, 35 unà 36. 


654 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Nun sagt aber Thukydides, nachdem er eben über die Einschätzung 
einer grossen Zahl von Bundesgenossen zur Phoroszahlung berichtet 
liat: ᾿Αθηναῖοι ἡγούμενοι αὐτονόμων τῶν ευμμάχων (I, 96). Ferner 
heisst es in der Urkunde bei Thuk. V, 18: Τάς τε πόλεις φερούςας 
τὸν φόρον τὸν ἐπ᾽ 'Apicreíbou αὐτονόμους εἶναι. 

Da die Glaubwürdigkeit dieser sich widersprechenden Stellen, 
weil sie thukydideisch oder urkundlich sind, keinem Zweifel. unter- 
liegt, so könnte sich in dem zwischen beiden Urkunden liegenden 
Jahrhundert der Begriff der Autonomie so veründert haben, dass 
ein autonomes: Bundesmitglied als solches mehr Rechte als früher 
in Anspruch nahm. Dieses ist jedoch nicht der Fall, denn obwohl 
die Grundsütze des zweiten athenischen Bundes in jener Urkunde 
verbieten μὴ φόρον φέρειν, so zahlen doch dessen Mitglieder sogleich 
regelmässige Geldbeiträge (cuvrá£eic), welche wesentlich zu demselben 
Zwecke wie ursprünglich φόροι dienen und ebenso erhoben werden. 
Daraus folgt, dass sich vielmehr der Begriff von Phoros verändert 
hat, und dass die Bundessteuer, welche ursprünglich φόρος hiess, 
jetzt mit cóvra£ic bezeichnet wurde. 

Phoros war ursprünglich eine bundesgenössische Leistung an Geld 
und zwar von derselben Art, wie die an Schiffen und Mannschaften. 
Sie war durchaus nicht mit einer formell grössern Beschränkung der 
Autonomie verbunden, obschon naturgemäss factisch der Vorort auf 
einen Staat, der keine Kriegsschiffe besass, einen grösseren Einfluss 
ausübte Wenn nämlich eine Bundesstadt zu klein oder ihrer Lage 
nach nicht geeignet war, selbst bemannte und ausgerüstete Flotten- 
abtheilungen zur Bundesmarine zu stellen, so trat die Geldzahlung 
an Stelle der ausgerüsteten Schiffe. vgl. Thuk. I, 96: ἅς τε παρέ- 
χειν τῶν πόλεων χρήματα ἅς τε ναῦς κτλ. I, 99: χρήματα ἐτάξαντο 
ἀντὶ τῶν νεῶν κτλ. II, 9 u. s. w. dazu vgl. Plut. Arist. 24. Xen. 
Hell. V, 2. 20. 3. 10. VI, 2. 16. 

Ausserdem machten andere Kosten der Kriegsführung (Besoldung, 
Verpflegung, Kriegsmaterial u. s. w.) Auslagen erforderlich, welche 
auch in dem auf Autonomie beruhenden lakedaemonischen Bunde die 
Bundesgenossen selbstverständlich ohne weitere Schädigung ihrer 
Stellung entrichteten, vgl. Thuk. II, 7. V, 47. (über Sold und Ver- 
pflegung überhaupt) Diod. XIV, 17. Wenn man sich dem Bunde 
wenigstens formell durch eigenen Entschluss angeschlossen hatte, so 
musste man pflichtgemäss alle Leistungen, welche derselbe auf- 
erlegte, erfüllen. Zu diesen Leistungen gehörte auch die regel- 
müssige Bundessteuer, φόρος oder cóvra£ic. vgl. Isokr. Panath. 68: 
πρῶτον μὲν γὰρ οὐ προςταχθὲν ὑφ᾽ ἡμῶν τοῦτ᾽ ἐποίουν (φόρον 
φέρειν) ἀλλ᾽ αὐτοὶ γνόντες ὅτε περ τὴν ἡγεμονίαν ἡμῖν τὴν κατὰ 


πάτρια δίκας δόντες. Eine Analogie bieten mittelalterliche Urkunden 
über Vergabung von Hoheitsrechten, in denen eine Heihe der wesent- 
lichen, aus denselben resultirenden WBetugovwwe Vesouders aufgezählt ist. 














658 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


seiner eigenen Bürger anzulegen, wie es Athen als Vorort seines 
ersten Bundes that. Athen occupirte ohne Rechtstitel öfter grosse 
Ländereien im bundesgenóssischen Gebiet, um darauf Kleruchien zu 
zu gründen. vgl. die Bundesurkunde bei Thuk. V, 79: πόλιες ταὶ 
ἐν Πελοποννάςῳ xoivaveóvruv τᾶν ευμμαχιᾶν αὐτόνομοι καὶ αὐτο- 
πόλιες τὰν αὐτῶν (τᾶν) ἔχοντες. . 

Es haben sich also folgende Merkmale für den Begriff einer 
autonomen, bundesgenössischen Gemeinde ergeben: 

1) Integrität des Gebietes der Bundestadt. 

2) Selbstbestimmung der Verfassungsform. 
Ν᾽ Selbststindige Bestimmung der innern Gemeindeangelegen- 
heiten. 

4) Theilnahme an Beschltissen über Krieg, über Friedens- und 
andere Vertrüge. 

5) Freisein von einem regelmässigen Geldbeitrag, welcher seinem 
Wesen nach eine tributäre Leistung an die führende Stadt ist 
(φόρος im spätern Sinne). 

6) Formell freiwiller Anschluss an den Bund. 

Es bleibt noch übrig, zur Ergänzung einer deutlichen Vorstellung 
von der Stellung autonomer Bundesgenossen eine Reihe von Ver- 
pflichtungen aufzuführen, die sie ohne Schädigung ihrer Autonomie 
übernehmen konnten. Natürlich ist die Stellung autonomer Bundes- 
genossen in den verschiedenen Bünden eine andere und nur insofern 
eine gleiche als sie in den angeführten Punkten ihre Selbstbestim- 
mung behalten mussten. Man darf indessen nicht daran denken, 
dass der Begriff der bundesgenössischen Autonomie als ein genau 
begrenzter, staatsrechtlicher Begriff im Bewusstsein der Hellenen 
feststand. Es könnte die zum Zwecke möglichst grosser Praecision 
und scharfer Hervorhebung dessen, worauf es ankommt, gewählte 
Form der Untersuchung zu einer solchen Vorstellung Veranlassung 
geben. Diese Bemerkung wird indessen genügen, eine solche Auf- 
fassung zu verhüten. Es handelt sich weniger um einen festen, 
staatsrechtlichen Begriff als um eine Reihe von Bedingungen, die 
sich mit der Zeit als solche festgestellt hatten, unter denen eine 
autonome Stadt bundesgenössisch werden konnte, ohne formaliter 
nach der Auffassung der Hellenen ihre Autonomie zu verlieren. 

Sowohl der erste athenische Bund von seiner Begründung bis 
zur καταδούλωεις der Bundesgenossen als auch der lakedaemonische, 
soweit er sich über den Peloponnes erstreckte, beruhten auf 
dem Grundsatze der Autonomie der Bundesgenossen, welche ohne 
Widerspruch gegen diesen Grundsatz folgende Verpflichtungen zu 
erfüllen hatten: 

I. Dem Beschlusse des Bundestages über Krieg, Friedens- und 
andere Verträge Folge zu leisten und die sich daraus ergebenden 
Verpflichtungen zu übernehmen. Demgemäss mussten sie z. B. auf 
das Aufgebot des Vorortes ihre Conüngente un Mannschaften und 





660 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Im Gegensatze zur vollen Autonomie bedeutet also bundes- 
genössische in Kürze ungefähr den Inbegriff von folgenden Rechten: 
Selbständigkeit in Bezug auf innere Gemeindeangelegenheiten mit 
Berticksichtigung der durch den Bund geforderten Leistungen und 
Pflichten. Abhängigkeit vom Bunde in auswärtigen Angelegen- 
heiten unter Mitwirkung bei diesen und allen andern Bundesange- 
legenheiten, die nicht dem Vororte als solchem übertragen sind, 


Die Quellen und Literatur zur Geschichte des zweiten 
athenischen Bundes. 


Die Quellen für den zweiten athenischen Bund stehen an Werth 
und Reichhaltigkeit denen für den ersten athenischen und den lake- 
daemonischen Bund bedeutend nach. Zur Geschichte des ersten 
athenischen Bundes ist ein grosses Urkundenmaterial erhalten und 
namentlich in letzter Zeit durch neue Ausgrabungen erheblich ver- 
mehrt worden. Daneben.ist Thukydides eine Quelle mit ebenso zahl- 
reichen, wie werthvollen Angaben, deren Praecision wenig zu wtn- 
schen übrig lässt. Der peloponnesische Bund hat war nur äusserst 
wenige Urkunden aufzuweisen, ein Mangel, der jedoch durch Thuky- 
dides und die Berichte Xenophons, eines lebhaft interessirten Auger- 
zeugen und Kenners des lakedaemonischen Kriegswesens einiger- 
massen ausgeglichen wird. 

Das Urkundenmaterial für den zweiten Bund ist im Vergleiche 
zu dem des ersten klein zu nennen. Es besteht namentlich aus 
einigen wichtigen Volks- und Senatsbeschlüssen, deren wichtigster 
das Psephisma aus dem Archontenjahre des Nausinikas bereits öfter 
citirt ist. Es bezieht sich auf das Verbot der Erwerbung von Be- 
sitzungen durch die Athener im Gebiete der Bundesgenossen und 
enthält daneben einige wichtige Grundsätze der Bundesconstitution 
nebst einem chronologischen Verzeichnisse der bis zum Sommer des 
Jahres 374 beigetretenen Mitglieder. Dieses Psephisma ist heraus- 
gegeben von Rangabé “Antiqu. hell.” 391. 392 und von Arnold 
Schaefer in der Abhandlung ‘De sociis Atheniensium Chabriae et 
Timothei aetate in tabula publica inscriptis! Leipzig 1856. Die 
übrigen Volks- und Senatsbeschlüsse findet man bei Rangabé und 
und zum Theil bei Boeckh “Corpus inscriptionum". 

Von zeitgenössischen Historikern ist zunächst Xenophon hier 
zu nennen. Seine Hellenika kommen in Bezug auf die geschichtliche 
Entwickelung dieser Epoche überhaupt an erster Stelle in Betracht. 
Die Hellenika tragen indessen ihren Namen mit Unrecht. Durch 
den unglaublich beschränkten Geschichtekreis dieses officiósen Seri- 


662 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


delphischen Tempels interessiren, und zwar gegen diejenigen, welche 
es unternommen hätten das Heiligthum einzunehmen, nachdem es 
die Phokier verlassen hätten (καταλαμβάνειν ἐκλιπόντων τῶν Pw- 
xewv). Diese Ereignisse können nur in gezwungener Weise auf 
eine andere Zeit als die nach der Capitulation der Phokier bezogen 
werden. Nach dieser Capitulation hatten die Thebaner eine Zeit 
lang das Heiligthum in ihrer Gewalt!) Aussserdem kommt der 
unverkennbare Zusammenhang mit der Politik des Eubulos in Be- 
tracht, die darauf ausging, den Athenern durch eine allgemeine 
hellenische Allianz eine Stütze zu geben und darum nach allen helle- 
nischen Städten Gesandte schickte. 

Von nicht-zeitgenössischen Historikern sind Plutarchos (nament- 
lich Phokion) und mehr Diodoros (XIV, 79 bis XVII) zu berück- 
sichtigen. Beide Schriftsteller enthalten wenig Brauchbares und 
lassen namentlich an Genauigkeit des Ausdruckes viel zu wünschen 
übrig". In Bezug auf die Quellen Diodors sind im Wesentlichen 
die Resultate der Untersuchungen Volkquardsens acceptirt worden. 
Die Hauptmasse des Materials findet sich zerstreut in den Werken 
der zeitgenössischen Redener, deren Unzuverlässigkeit, sobald das 
eigene Interesse ins Spiel kommt, hinlänglich bekannt ist, so dass 
. eine einfache Hinweisung darauf zur Würdigung des Werthes der 
Quellenmasse zunächst genügen wird. Eine eingehendere Kritik 
wird späterhin namentlich an Isokrates geübt werden. Am meisten 
sind zu berücksichtigen die Reden des Demosthenes?) Hierher ge- 
hören auch die in den Gesammtausgaben der Reden des Demosthenes 
gewöhnlich mitherausgebenen Reden anderer Zeitgenossen wie des 
Appollodoros und Hegesippos. Ferner kommen in Betracht die Reden 
des Aeschines, welche recht brauchbare Bemerkungen enthalten und 
die Reden des Isokrates, die leider als eine Hauptquelle zu nennen 
sind. Daneben finden sich einzelne brauchbare Notizen bei Aeneas 
dem Taktiker, Nepos, Philochoros n. A. 

Das Quellenmaterial ist also weder zusammenhängend noch der 
Hauptsache nach zuverlässig. Die grosse Zersplitterung erschwert 
die Vervollständigung und Uebersicht, während die, wie sich zeigen 
wird, wesentlich nach Einer Seite hingehende tendenziöse Färbung 
leicht in die Irre leitet. Dieser Umstand hat das Urtheil über Athen 
und dessen Politik zu einem ebenso einseitigen gemacht, wie es die 
erhaltenen Quellen der grossen Mehrzahl nach in rhetorischer Steige- 
rung wiedergeben. 


1) Es stimmt diese Bemerkung Hagens mit IV, 46 überein. Hier 
findet sich nämlich eine Hindeutung auf einen möglicher Weise statt- 
findenden Einfall der Thebaner in einem Krieg gegen die Athener. 

2) Ueber die Tendenz der ihnen zu Grunde liegenden primären 
Quellen wird späterhin gesprochen werden. 

3) Die Paragraphenzahl ist nach der grossen Dindorfschen Ausgabe 
gegeben worden. 


664 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Vor der Betrachtung der Ereignisse, welche zur Gründung des 
zweiten Bundes führten, wird es nöthig sein die Verhältnisse der 
Seestädte zu Athen von der Schlacht bei Knidos bis zum Frieden 
des Antalkidas einer Erörterung zu unterziehen, weil einerseits 
die Entstehung und erste Gestaltung des zweiten athenischen Bun- 
des nur so verständlich wird, andrerseits man gewöhnlich an- 
nimmt, dass die Athener schon damals einen zweiten Bund gestiftet 
hätten, welchen der Friede des Antalkidas wieder auflöste. So sagt 
Boeckh, dem Schaefer und Andere folgen, Athen habe nach der 
Schlacht bei Knidos, welche die lakedaemnonische Seemacht er- 
schütterte, einen Bund unter den alten Verhältnissen der Bundes- 
genossen gegründet, obwohl man in dieser Periode über dieselben 
nicht genau unterrichtet sei: (Sth. I, 540) “Athen übte von Neuem 
seine Seeherrschaft aus, beinahe ganz Hellas war ihm unterthänig, 
aber der unselige Friede des Antalkidas liess den Athenern nur ihre 
alten eigenthtimlichen Inselu' Grote (Uebersetzung von Meissner, 
Bd. V, 302 und 318) lässt allein eine andere Ansicht durchblicken, 
ohne indessen seine, wie es scheint, von der gewóhnlichen abwei- 
chende Auffassung als solche zu prücisiren oder sich auf eine Be- 
gründung derselben einzulassen, so dass eine Untersuchung der in 
Frage kommenden Verhültnisse durchaus nothwendig wird. Grote 
sagt nämlich einfach: “Im Jahre 387 gab es keine grössere Körper- 
schaft von Unterthanen, die frei zu machen gegeben wäre, ausser 
den Verbündeten Spartas selbst’ '). Grote rechnet den boeotischen 
Bund nicht mit, von einem athenischen schweigt er ganz. Dann 
giebt er (8. 319) als Folge des antalkidischen Friedens für Athen 
nur an, dass Athen dadurch seiner thebanischen und korinthischen 
Verbündeten beraubt worden sei, was mit einem fest organisirten 
Seebunde natürlich nichts zu shaffen hat. Endlich heisst es in Bezug 
auf diese Frage noch deutlicher, S. 302: “Wie die Athener die 
Kosten des Krieges von 395 — 387 ohne beisteuernde Bundesgenossen 
trugen, darüber haben wir keine Nachricht'*). Nach der Beendigung 
des peloponnesischen Krieges, der Vernichtung der athenischen See- 
herrschaft und der Aufnahme des grössten Theiles der athenischen 
Bundesgenossen in die lakedaemonische Symmachie hatten die 
Lakedaemonier eine Politik eingeschlagen, welche nur geeignet sein 





1) Grote irrt sich, wie späterhin eine ausführliche Darlegung zeigen 
wird, wenn er meint, die Bundesgenossenschaft Spartas sei damals eine 
unterthänige gewesen, welche also nach den Bestimmungen des antalki- 
dischen Friedens aufzulösen war. Dieser Irrthum beruht darauf, dass 
Grote unter Autonomie ohne Weiteres volle Unabhängigkeit versteht. 

2) Die folgenden Untersuchungen wenden sich bei der Durchführung 
einer von der gewöhnlich geltenden abweichenden Auffassung zunächst 
und direkt gegen die Hauptkenner dieser Periode, es würde zu weit 
führen und diese Forschungen unleebar machen, wenn sie in gleicher 
Weise Rang&bé, E. Curtius und Andere berückäichügen würden, 


666 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Xenophon selbst ein, dass bei der Mehrzahl des Heeres der Wider- 
wille gegen Hellenen zu ziehen herrschend war. Da aber sonst die 
Hellenen sich kein grosses Gewissen daraus machten auf einander 
bis zur Vernichtung loszuschlagen, und auch das nationale Gefühl 
der Zusammengehórigkeit wührend der letzten asiatischen Feldzüge. 
nicht so gesteigert war, dass man gegen Stammesgenossen nicht mehr 
ziehen wollte!),so war ohne Zweifel der Grund dieser Weigerung der, 
dass die Bundesgenossen nicht gegen die Hellenen ziehen wollten, 
welche gegen die drückende Hegemonie Lakedaemons aufstanden. 
Ferner findet sich eine für die Beurtheilung der Stimmung der Bundes- 
genossen wichtige Bemerkung Hell. IV, 3. 12, wo Xenophon die 
Schlacht bei Knidos beschreibend sagt: τοὺς μὲν ἀπὸ τοῦ εὐιυνύμου 
ευμμάχους εὐθὺς φεύγειν. (vgl. Diod. XIV, 83. 6.) Diese sofort 
eintretende Flucht hatte schwerlich ihren Grund in der Feigheit, 
denn bei andern Gelegenheiten zeigen sich die Seebundesgenossen 
recht tapfer, sondern eher in der schlechten Gesinnung en Lake- 
daemon. Ergiebt sich schon aus Xenophon, dass die Hegemonie 
Lakedaemons nicht gerade beliebt war, so erzählt Ephoros (bei Dio- 
doros) von einer allgemein gegen Sparta herrschenden Erbitterung 
und von der Bereitwilligkeit der Bundesgenossen abzufallen: Micov- 
μένων τῶν Λακεδαιμονίων ὑπὸ τῶν ευμμάχων διὰ τὸ βάρος τῆς 
émicráceuc (Diod. XIV, 82), vgl. Isokr. Plat. 27. Nur die pelopon- 
nesischen Bundesgenossen mit Ausnahme der Korinthier hielten nach 
Ephoros zu den Lakedaemoniern. Indessen selbst im Peloponnes 
wird nicht bei allen Staaten der Eifer für Lakedaemon gross gewesen 
sein. Nach Xenophon sagte damals der thebanische Gesandte in 
Athen, die Eleer und Achaeer seien den Lakedaemoniern feindlich 
gesinnt (ἐχθροὶ Λακεδαιμονίοις προςγεγένηνται. Hell. VII, 5 12). 
In Bezug auf die Eleer beruht diese Aeusserung unzweifelhaft auf 
Wahrheit, denn erst vor sechs bis sieben Jahren hatten die Lake- 
daemonier mit ihnen einen erbitterten Krieg geführt und ihnen die 
Landschaft Triphylia genommen. 

Es steht mithin fest, dass zur Zeit der Feldzüge des Agesilaos 
in Asien äusserlich zwar die lakedaemonische Macht sich am glänzend- 
sten entfaltete, im Innern aber das lakedaemonische Bundessystem 
schon bedenklich zerrüttet war. Eine Erhebung gegen die Ueber- 
macht Lakedaemons hatte daher nicht ungünstige Aussichten. Ausser 
dem musste eine Zeit als der nchtige Moment erscheinen, in der 
Spartas bester Feldherr mit einem bedeutenden Heere fern in Asien 
stand. Eine lebhafte antilakedaemonische Bewegung griff um sich, 
sie wurde geschürt durch persische Agenten, welche in den griechi- 


— — - -—— 


1) Die Contingente der asiatischen Bundestädte und das kyreiache 
Heer, welche auch die Feldzüge des Agesilaos eben mitgemacht hatten, 
gehen bereitwillig nach Hellas mit und fechten bei Koronea mit der 
grössten Erbitteruug gegen andere WeWevew, 


668 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Theil: Boeoter, Athener, Korinthier, Argiver (Diod. XIV, 82.) Man 
schickte Gesandte in die griechischen Städte und forderte sie auf, sich 
vom lakedaemonischen Bunde loszusagen. Um einen gemeinsamen 
Mittelpunkt zu haben, setzte man in Korinth, dem geeignetesten 
Orte, einen Bundeskriegsrath ein. Die Competenz dieses Rathes be- 
schränkte sich nur auf die Kriegsangelegenheiten. vgl. Diod. XIV, 82: 
πρῶτον μὲν cuvébpiov κοινὸν ευςτηςάμενοι ἐν τῇ Κορίνθῳ τοὺς 
βουλευςαμένους τὰ κατὰ τὸν πόλεμον. 

Ein solcher Kriegsrath zur Leitung der Operationen war noth- 
wendig, weil kein Staat die formell anerkannte Hegemonie des Bünd- 
nisses hatte und somit Operationsplüne in gemeinsamer Berathung 
festzustellen waren. Es konnte auch der Natur des Bündnisses ge- 
mäss dasselbe kaum ein anderes Organ haben als ein Synedrion für 
die Kriegsangelegenheiten, denn man hatte gar nicht die Begründung 
eines über die Dauer des Krieges hinausreichenden Bundes ins Auge 
gefasst, sondern nur ein Kriegsbündniss zur Auflósung der lake- 
daemonischen Uebermacht (καταλύειν τὴν ἡγεμονίαν). War dieser 
Zweck erreicht oder gab man ihn auf, so ging das Bündniss ein- 
fach auseinander, sofern nicht neue Verabredungen getroffen wur- 
den. Die erwähnten vier Mittelstaaten bildeten den Kern der Coali. 
tion, welcher sich im Laufe des Jahres 395 andere Staaten anschlossen: 
Euboeer, Leukadier, Amprakier, Akarnanen, die thrakischen Chal- 
kidier, Medias, Dynast von Larissa, Aenianen, Athamanen (ein 
epeirotischer Stamm), opuntische und ozolische Lokrer, Melier. vgl. 
Xen. Hell. IV, 2. 17. Diod. XIV, 84. Der Bund hatte dadurch noch 
entschiedener den Charakter eines Landstaatenbundes erhalten, was 
auch für die kriegerischen Operationen bestimmend war. 

Man schlug sich im Jahre 395/4 in Boeotien bei Haliartos und 
am Isthmos bei Nemea, ohne zu einer endgültigen Entscheidung zu 
kommen. Es erfolgte diese auf einem andern Schauplatze und zwar 
gerade als Agesilaos aus Asien heranrückte, kurz vor seinem Siege 
bei Koronea. 

Schon im Herbst 395 musste der an der asiatischen Küste 
stationirte lakedaemonische Nauarch Pharax aus Besorgniss vor einer 
heransegelnden persischen Flotte die Belagerung von Kaunos auf 
heben. Auf dem Rückzuge verschlossen ihm die Rhodier den Hafen 
ihrer Stadt. Es war eben in Rhodos die Oligarchie gestürzt, eine 
demokratische Regierung eingerichtet und der Abfall vom lakedae- 
monischen Bunde erklärt. Dieser erste Abfall von der Hegemonie 
der Lakedaemonier machte in ganz Hellas einen tiefen Eindruck. 

Bald nach diesen Ereignissen erschien die persische Flotte unter 
Konon und Pharnabazos!) Im August des Jahres 394 erfolgte die . 


— --- -....-.-- . 


1) vgl. Dem. g. Lept. 76: Κόνων «ςτρατηγῶν Baceé κτλ. Diese 
Stellung Konons als persicher Admiral ist im Auge zu behalten, um nicht 
gewisse Verhältnisse von einem falschen Gesichtspunkte aufzufassen. 


X 


610 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


so gehörte er zu den auf den Krieg bezüglichen Angelegenheiten 
(rà κατὰ τὸν πόλεμον), und das Synedrion war befugt ihn abzu- 
schliessen. 

Bisher hatten die Perser unter Konon und Pharnabazos mit 
ihren verbündeten Seestädten unabhängig von der Coalition operirt, 
jetzt schlossen sich in Korinth beide Bündnisse zusammen. Von 
einem athenischen Seebunde oder einer athenischen Hegemonie zur 
See findet sich bisher keine Spur. 

Nach diesen Verhandlungen ging Pharnabazos nach Asien zu- 
rück, Konon segelte nach Athen. (Xen. Hell. IV, 8. 6.) Mit per- 
sischen Geldmitteln, dem Schiffsvolke seiner achtzig Trieren, der 
Bevölkerung Athens und mit boeotischen Handwerkern stellte er die 
Mauern seiner Vaterstadt wieder her!) Als aber die Lakedaemonier 
hörten, ὅτι Κόνων καὶ τὸ τεῖχος τοῖς ᾿Αθηναίοις ἐκ τῶν βαειλέως 
χρημάτων ἀνορθοίη καὶ τὸ ναυτικὸν ἀπὸ τῶν ἐκείνου τρέφειν, τάς 
τε Vfjcouc καὶ τὰς ἐν τῇ ἠπείρῳ παρὰ θάλατταν πόλεις ᾿Αθηναίοις 
εὐτρεπίζοι κτλ. (Xen. Hell. IV, 8. 12) suchten sie die Absetzung 
des Konon durchzusetzen. Aus dieser Stelle geht einerseits hervor, 
dass die Athener ihre Marine nicht mit bundesgenössischen Steuern 
neu begründeten — wie auch Grote bemerkt hat — und ergiebt 
sich andrerseits der erste Nachweis über die von Grote nicht ge- 
kannten Mittel zur Flottengründung. Man darf aus den Worten 
Xenophons nicht schliessen, dass Konon die Seestädte und Inseln zu 
Bundesgenossen der Athener machte, Konon bereitete sie nur zu 
einem bundesgenössischen Verhältniss vor, indem er eine den Athenern 
günstige Wendung der Stimmung hervorzubringen suchte (eUtperriZoi). 
Aehnlich nennt Demosthenes (g. Lept. 76) bei der Aufzählung der 
Thaten Konons nicht die Begründung eines neuen athenischen Bundes, 
sondern giebt als Resultat seiner erfolgreichen Operationen nur an, 
dass er den Athenern ermöglichte τὸν λόγον πρὸς Λακεδαιμονίους 
εἶναι περὶ τῆς ἡγεμονίας. 

Unterdessen hatten die Gegner Konons eine Ánklage gegen 
ihn eingebracht, weil er persische Flottengelder zu speciell dem 
athenischen Interesse dienenden Agitationen verausgabt habe: ὡς 
ἀδικῶν τὸν βαειλέα ὅτι ταῖς βαςειλικαῖς duvanecı τὰς πόλεις ᾿Αθη- 


1) Es ist die Frage, aus welcher Machtvollkommenheit dieses Konon 
ausführte, ob aus eigener oder im Auftrage der Perser. Diodoros sagt 
nur: Κόνων τοῦ Bacuuxo0 cröAou τὴν ἡγεμονίαν ἔχων ὀγδοήκοντα τριήρεα 
παραπλεύςας εἰς τὸν Πειραιᾶ κτλ. Nach Xen. Hell. IV, 8. 9 überredet 
Konon den Pharnabazos die Mauern Athens herzustellen, weil er dadurch 
die Lakedaemonier am meisten verletzen würde, ὁ δὲ Φαρνάβαζος ταῦτα 
dxobcac ἀπέςτειλεν αὐτὸν προθύμως eic τὰς Αθῆνας xal χρήματα spocé- 
θηκεν. Bei Diodoros erscheint Konon als selbstständiger, persischer 
Admiral, bei Xenophon als Rathgeber und Unteradmiral des Pharna- 
bazos. Xenophon hält in seiner ganzen Darstellung an dieser Auffassung 
fest (vgl. IV, 8. 2. 8. 6) und giebt wohl die richtigere Dastellung. Eine 
nähere Begründung dieser Auffassung würde zu weit führen. 


612 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


dass wirklich die Insel sich bereits in einem Unterthünigkeitsver- 
hültnisse befand, soweit sie in den Händen der Demokraten war. 
Gegen diese Darstellung!) der rhodischen Verhältnisse lassen sich 
jedoch manche Bedenken erheben. Die Athener können nicht mit 
der Unterwerfung einer so grossen Insel beschäftigt gewesen sein, 
da sie überhaupt erst nach der Ankunft jenes lakedaemonischen Ge- 
schwaders von 8 Schiffen in Knidos eine Flotte unter Thrasybulos 
nach Rhodos absenden (Hell. IV, 8. 23). Es fällt ferner 'auf, dass, 
obwohl bereits 395 die demokratische Umwälzung stattfand und die 
Demokraten auf dem grössten Theile der Insel zur herrschenden Partei 
machte, erst im Herbst 391 eine oligarchische Gesandtschaft in Sparta 
um Hülfe bittet. Diodors Erzählung löst diese Schwierigkeiten, indem 
sie XIV, 97 berichtet: oi λακωνίζοντες τῶν Ῥοδίων éravacrávrec 
τῷ δήμῳ ἐξέβαλον τοῦς τὰ τῶν ᾿Αθηναίων φρονοῦντας ἐκ τῆς 
πόλεως" εὐθὺς δὲ καὶ πρέεβεις ἀπέςτειλαν εἰς Λακεδαίμονα περὶ 
βοηθείας εὐλαβούμενοι μή τινες τῶν πολιτῶν νεωτερίςεωειν. 

Diodoros weicht also wesentlich von Xenophon ab, stimmt mit 
ihm aber darin überein, dass eine oligarchische Gesandtschaft nach 
Sparta abging. 

Da Ephoros — unzweifelhaft die Quelle Diodors —, der schon 
nach dem Zeugnisse der Alten mehr Interesse und Verständniss für 
die See als für die Landverhältnisse zeigte, jene Bedenken beseitigt, 
so wird man seinen Bericht dem des Xenophon vorziehen müssen. 
Nach Diodors Darstellung wird durchaus verstündlich, warum jetzt 
erst Gesandte der Oligarchen nach Lakedaemon abgehen. Die Ver- 
anlassung war ein Aufstand der Oligarchen gegen die seit 395 be- 
stehende demokratische Regierung, durch den die — Demokraten 
aus der Stadt Rhodos vertrieben wurden. Auf dem Lande behauptete 
sich die Volkspartei und bekriegte τοὺς κατὰ τὴν πόλιν. ᾿ 

Sie muss in der Stadt Verbindungen gehabt haben, denn die 
Oligarchen befürchten eine Erhebung (μή τινες τῶν πολιτῶν veu- 
tepícuav) (Diod. XIV, 99). An eine Unterwerfung durch die Athener 
ist also nicht zu denken. Es handelt sich nur um die Frage, ob die 
oligarchische oder demokratische Partei die Oberhand gewinnen wird 
und damit zugleich, nach der traditionellen Politik einer jeden Partei, 
um einen Anschluss an Athen oder Sparta, um das Vorherrschen 
des athenischen oder lakedaemonischen Einflusses. 

Hütten nach Xenophon die Demokraten und Athener — die 
Ephoros gar nicht für sich besonders erwähnt — in Rhodos ge- 
herrscht, so würden die Lakedaemonier offenbar eine bedeutende 
Flotte nach Rhodos geschickt haben. Die 8 Schiffe konnten dann 
nichts ausrichten und nur Gefahren laufen. Als Unterstützung da- 


1) Rehdantz S. 21 acceptirt sie vollständig. Konon bewegt die 
Rhodier ad foedus inenndum cum Atheniensibus. Primores a plebe expulsi 
Lacedaemona etc. 


674 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


befand sich zu Chrysopolis auf dem Gebiete von Chalkedon, Byzanz 
gegenüber. Dass Byzanz Bundesgenosse Athens wurde, sagt weder 
Xenophon noch der auf diese Ereignisse näher eingehende Demosthe- 
nes,  Mittelbar lässt sich aus Xenophon sogar das Gegentheil 
schliessen, denn er berichtet sogleich darauf, dass Thrasybulos 
Χαλκηδονίους φίλους ᾿Αθηναίοις ἐποίηςεν, d. h. mit den Chalke- 
doniern ein Freundschaftsbündniss abschloss oder sie überhaupt nur 
den Athenern zu Freunden machte. Würde nun mit Byzanz ein 
bundesgenössischer Vertrag geschlossen sein, so hätte Thrasybulos 
gegen das schwächere Chalkedon wohl dieselbe Politik befolgt. Man 
wird durch sein Verhalten gegen Chalkedon zu der Annahme genöthigt, 
dass Athen bei dem in den Seestädten herrschenden Misstrauen gegen 
eine Hegemonie ihres frühern Vorortes es noch nicht für geeignet 
hielt bundesgenössische Verträge abzuschliessen. Selbst wo dieses 
möglich war, verzichtete man darauf, um nicht die grosse Masse 
der übrigen Seestädte noch zurückhaltender zu machen, und begnügte 
sich zunächst mit den ehemaligen Bundesstüdten überhaupt wieder 
engere Beziehungen anzuknüpfen. Von Byzanz begiebt sich Thrasy- 
bulos nach den rhodischen Gewässern, legt aber auf der Fahrt in 
Lesbos an, schlägt den lakedaemonischen Harmosten, zwingt Eresos 
und Antissa zu capituliren (καθ᾽ ὁμολογίαν ἔλαβε), während Methymna 
widersteht. (Diod. XIV, 94. Xen. Hell IV, 8. 37.) Zwischen 
Capitulation und Aufnahme in einen Bund ist indessen noch ein 
grosser Unterschied. Die betreffenden Städte wurden nattirhch, wie 
es in ähnlichen Füllen stets geschah, nach Kriegsrecht bis zum 
Frieden von den Athenern besetzt gehalten, wenn nicht der Capitu- 
lationsvertrag (ὁμολογία) ausdrücklich andere Bestimmungen enthielt. 
Der Friede hatte über das weitere Schicksal und die Räumung der 
betreffenden Städte zu entscheiden. Dagegen, dass die Athener jetzt 
schon beabsichtigten Eresos und Antissa als autonome oder unter- 
thänige Mitglieder eines Bundes aufzunehmen, spricht auch der Um- 
stand, dass, als Thrasybulos zur Verstärkung seiner Hoplitenschaaren 
bei den Operationen gegen Antissa, Eresos, Methymna eine Kern- 
schaar von Hopliten aus Mitylene heranzog, er den Mitylenaeern ver- 
sprach, diese Städte unter ihre Botmässigkeit zu stellen, vgl. Hell. 
IV, 8. 28: προεέλαβεν αὐτῶν Μιτυληναῖΐῖων τοὺς ἐρρωμενεςτάτους 
καὶ ἐλπίδας ὑποθεὶς τοῖς Μιτυληναίοις ὧς ἐὰν λάβη τὰς πόλεις 
προςτάται πάκεης τῆς Λέεβου ἔςονται. 

Nach Beendigung dieser Operationen auf Lesbos segelte Thrasy- 
bulos Χίων xai Μιτυληναίων ευμμάχων dOpoícac ναῦς eic Ῥόδον. 
(Diod. XIV. 94.) Chios und Mitylene hatten i. J. 394 die lakedae- 
monische Besatzung vertrieben, waren erst Verbündete der Perser 
und durch den Vertrag von Korinth Verbündete der Coalition und 
also auch der Athener geworden. (ζύμμαχοι heissen sie also nicht 
als Bundesgenossen, sondern als Verbündete Athens in dem Kriege 

gegen Lakedaemon. Man wird es ganz nattrich Sedem, dass der 


616 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


εἰς κτλ. (Xen. Hell. V, 1. 6.) So sind wir, ohne dass ein athenischer 
auf den alten Bedingungen organisirter Bund erkennbar gewesen 
wäre, bis zum Frieden des Antalkidas gelangt. Dieser Friede, wel- 
cher von den Lakedaemoniern beim Grosskönig ausgewirkt, dem seit 
395 geführten Kriege ein Ende machte, bestimmte: πόλεις μικρὰς 
xai μεγάλας αὐτονόμους ἀφεῖναι“. Da die Athener, nachdem ihnen 
Lemnos, Imbros, Skyros, d.h. ihr alter Colonialbesitz, garantirt ist, 
sogleich ihre Opposition gegen den Frieden aufgeben und ihn aner- 
kennen, so hatten die Athener offenbar nichts weiter zu verlieren. 
Die Anerkennung des Friedens würde die Auflösung einer unter- 
thünigen Bundesgenossenschaft zur Folge gehabt haben, und Xeno- 
phon durfte bei der eingehenden Besprechung der Folgen des Antal- 
kidischen Friedens (V, 1. 36) um so weniger eine solche Auflösung 
unerwühnt lassen, als sie ein Resultat der lakedaemonischen Politik : 
gewesen wäre, deren Erfolge Xenophon hier auseinandersetzt. 

Ausserdem sagt Xenophon an der betreffenden Stelle ganz 
positiv, welche Bundesgenossenschaft die Lakedaemonier im Auge 
hatten und welche Stadt sie treffen wollten, als sie in die Friedens- 
urkunde die Áufnahme der Bestimmung durchsetzten, man solle alle 
Städte autonom lassen: οἱ Λακεδαιμόνιοι τὴν αὐτονομίαν ταῖς 
πόλεςει πράττοντες, αὐτονόμους ἀπὸ τῶν Θηβαίων τὰς Βοιωτίδας 
πόλεις émoíncav, οὗπερ πάλαι ἐπεθύμουν. Man muss im 
Auge behalten, dass Theben an der Spitze der boeotischen Städte 
den Kern der Coalition gegen die Lakedaemonier bildete. Es hatten 
die Lakedaemonier naturgemüss zunächst beim Frieden die Absicht, 
die Macht ihres Hauptgegners zu brechen. 

Es bliebe noch die Möglichkeit, welche von Boeckh, Schaefer 
u. 8. w. offenbar gar nicht in Betracht gezogen ist, dass die Athener, 
(wenn wir von der ganzen bisherigen Ausführung absehen) eine 
autonome Bundesgenossenschaft gestiftet hatten, welche der Friede 
ebensowenig berühren konnte als den lakedaemonischen Bund und 
den in den nächsten Jahren gestifteten zweiten athenischen, der ihn 
ausdrücklich anerkannte, so weit eine solche besondere Anerkennung 
überhaupt erforderlich war. In diesem Falle würden natürlich die 
Quellen ebenso von einem athenischeh Bunde schweigen, wie sie es 
in Bezug auf den lakedaemonischen thun. Ein solcher Bund kann 
aber deshalb nicht schon zur Zeit des Friedens von 387 bestanden 
haben, weil die Athener neun Jahre später mit der Begründung 
eines auf Autonomie beruhenden Bundes beginnen. Hütte der Friede 
einen auf Autonomie beruhenden athenischen Bund bestehen lassen, 
so wäre damit die Thatsache unvereinbar, dass wenige Jahre darauf 
ein solcher begründet wurde. Es steht mithin fest, dass nach der 
Schlacht von Knidos und in Folge derselben nur eine athenische 
Marine von Neuem entstand, und freundschaftliche Beziehungen mit 
den Seestädten angeknüpft oder Bündnissverträge geschlossen wurden, 
dassaber keineswegsein neuer athenischerBundetziachaninslaeben trat. 


618 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Man sieht nicht, wann im korinthischen Kriege die Thebaner von 
Athen gerettet sein sollen, eine solche Rettung fand hóchstens 379 
statt. Isokrates setzt aber dieses Ereigniss von 379 vor den Frieden 
des Antalkidas, um das Vergehen der Thebaner, dass sie nach diesem 
Frieden der lakedaemonischen Politik folgten, um so grösser erschei- 
nen zu lassen. Dann sollen 381 die Thebaner ihre Politik treulos 
verändert, nach dem Friedensschlusse die Athener im Stiche gelassen 
und sich dem lakedaemonischen Bunde angeschlossen haben. Es 
steht aber fest, dass die Thebaner, die heftigsten Gegner des antal- 
kidischen Friedens, in dieser Opposition und in einem freundschaft- 
lichen Verhältnisse zu Athen bis zum Jahre 382 beharrten. In 
diesem Jahre wurde aber von den Lakedaemoniern durch einen Ge- 
waltstreich die bestehende demokratische Regierung gestürzt und 
eine lakonisirende Oligarchie ans Ruder gebracht, die sich kaum vier 
Jahre lang halten konnte. (Xen. Hell. V, 1, 32. 2, 15. 27.) Was 
auf die Rechnung einer Fraction und der gewaltsamen Politik der 
Lakedaemonier zu setzen ist, das wird von Isokrates ohne Weiteres 
den Thebanern überhaupt angerechnet. Die betreffende Eidesformel 
endlich wurde nie gegen einen bestimmten Feind geschworen, sondern 
lautete, zu Gehorsam im Kriege überhaupt verpflichtend, „N μὴν 
ἀκολουθεῖν ὅποι ἂν Λακεδαιμόνιοι ἡγῶνται “. 

Von solcher Unzuverlüssigkeit ist die Stelle, in welcher be- 
richtet wird, die Chier, Byzanthier etc. seien, entgegengesetzt dem 
Verhalten der Thebaner, trotz des antalkidischen Friedens treu ge- 
blieben. Wenn sich Isokrates und Diodor widersprüchen und zwischen 
den Angaben beider zu wählen wäre, so würde man wohl ohne 
Zweifel dem Historiker mehr Glauben schenken als dem Rhetor. 
Aber es widersprechen sich nicht einmal, wie Schaefer annimmt, die 
Angaben beider Schriftsteller. Schaefer fasst nur den Begriff von 
cuuuaxia zu enge und übersieht, dass dieses Wort nicht nur Bundes- 
genossenschaft, sondern auch Bündniss in der von uns diesem Worte 
gegebenen Bedeutung bezeichnen kann. lsokrates sagt ganz unbe- 
stimmt Cuurrapeneivav, womit noch nicht ein Bundesverhältniss be- 
zeichnet ist, sondern ohne Zweifel, da diese Städte mit Theben in 
eine Linie gestellt werden, ein Bündniss, cuuuoxia im weitern Sinne. 
Isokrates rühmt aber von den Insulanern, dass sie trotz des Druckes, 
welchen die lakedaemonische Macht durch das persische Bündniss 
und den Frieden des Antalkidas übte, im Bündniss oder in freund- 
schaftlichen Beziehungen mit Athen blieben, Diodor erzählt dagegen 
den Eintritt dieser Städte in den 378 gegründeten athenischen Bund, 
beide Schriftsteller berichten also etwas Verschiedenes und wider- 
sprechen sich durchaus nicht. 

Die andere Stelle, welche Schaefer noch zur Begründung jener 
Behauptung anführt, ist ebenfalls aus Isokrates und zwar aus Panegyr. 
16, einer um 380 gehaltenen Rede. Diese Stelle jedoch ist so all- 

gemein gehalten, dass sie an ich ohne Qe erkiure Gv diesen be 


680 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


versuchte, oder vielmehr nach seiner etwa im Sommer 378 erfolgten 
Freisprechung, d. h. erst nach einem unmittelbaren Angriffe auf ihr 
Gebiet, an die Neubegründung einer Marine — dieselbe war in dem 
letzten Jahrzehend wieder verfallen — und einer Bundesgenossen- 
schaft herangegangen. Wäre diese Darstellung richtig, so würde 
die Erhebung und Befreiung Thebens mehr ein vereinzeltes lokali- 
sirteres Ereigniss und nicht das erste Symptom, die erste auch äusser- 
lich hervortretende Thatsache einer grossen, allgemeinen oppositio- 
nellen Bewegung gegen die Uebermacht der Lakedaemonier gewesen 
sein. Es würde auch die Begründung des neuen Seebundes in keinem 
so engen Zusammenhange mit dem Verlust der Stellung der Lake. 
daemonier in Theben stehen. 

Schaefer begründet seine Auffassung durch folgende Belegstellen. 

Xen. Hell. V, 4. 34: ἐκ τούτου (der Freisprechung des Spbodrias) 
oi ᾿Αθηναῖοι ἐπυλώςαντο τὸν Πειραιᾶ ναῦς τε ἐναυπηγοῦντο τοῖς 
τε Βοιωτοῖς πάςῃ προθυμίᾳ ἐβοήθουν. Plut. Pelop. 15: ἐκ τούτου 
(dem Einfall des Sphodrias) πάλιν προθυμότατα ᾿Αθηναῖοι τοῖς Θη- 
βαίοις cuvendxouv καὶ τῆς θαλάττης ἀντελαμβάνοντο καὶ περιόντες 
ἐδέχοντο καὶ TTPOCHTOVTO τοὺς ἀποςτατικῶς τῶν ᾿ἱξλλήνων ἔχοντας. 
Schaefer polemisirt gegen Diod. XV, 28 und 29, wo erzählt wird, 
die Athener hätten sogleich nach der Befreiung Thebens zu den be- 
deutendsten Seestädten Gesandte mit der Aufforderung geschickt, an 
der Erhebung gegen die lakedaemonische Herrschaft theilzunehmen 
und sich ihnen anzuschliessen. Chios, Byzanz, Mitylene, Rhodos und 
einige andere Städte traten zuerst mit den Athenern in engere Be- 
ziehungen, in Athen versammelte sich ein Synedrion aus Abgesandten 
dieser Städte und auf diesem Bundestage wurde eine Bundesconsti- 
tution auf Grundlage voller Gleichberechtigung und Autonomie der 
Bundesmitglieder vereinbart. Die Lakedaemonier erwarteten einen 
gefahrvollen Krieg mit Athen und Theben. Man wusste, dass Athen 
mit Theben verbündet war und an die Bildung einer neuen Sym. 
machie heranging. Die Lakedaemonier erkannten, von welcher 
Bedeutung es sein würde, wenn man sich Athens versichert oder 
es wenigstens durch Einnahme des Hafens matt gesetzt hätte. Der 
König Kleombrotos überredete daher ohne die nöthige Befragung 
der Ephoren den in Boeotien mit einer Heeresabtheilung stehenden 
Sphodrias zu einem Handstreich auf den Piraeeus. Der Streich 
missglückte, und die Athener beschlossen in grosser Erbitterung 
»λελῦςθαι τὰς cmovbüc καὶ πολεμεῖν“. Athen geht nun energisch 
mit der Ausrüstung einer Land- und Seemacht vor, nimmt Theben 
in die Bundesgenossenschaft auf und erlässt dann, um die Seestädte 
günstiger zu stimmen, das Psephisma, welches den Besitz von 
Grundeigenthum im Bundesgenossengebiet den athenischen Bürgern 

untersagt. 

Schaefer hat allerdings darin Recht, dass Diodor die ganze Reihe 
dieser Ereignisse um Ein Jahr zu ey exse, trouAsm kann die Folge 


082 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Parteilage in Athen eine unerwartete Thatsache war und also nur 
durch eine während der Bestürzung über den Anmarsch eines grossen, 
feindlichen Heeres plötzlich eingetretene Aenderung der Parteiver- 
hältnisse bewirkt sein konnte. Xenophon sagt nämlich: οἱ ᾿Αθηναῖοι 
οὕτως ἐφοβοῦντο ὥςτε καὶ τὼ δύο CTpamyw κρίναντες κτλ. Es 
fand also etwa Ausgang Winter eine spartafreundliche Umwülzung 
statt, welche wenigstens auf einige Monate die lakedaemonische, wohl 
im Wesentlichen aus oligarchischen Elementen zusammengesetzte 
Partei ans Ruder brachte, während vorher die thebanisch-demokra- 
tische Partei den Staat geleitet hatte!) Man hatte sicherlich in 
Athen mit den vertriebenen Führern der thebanischen Demokratie 
über eine allgemeine Erhebung gegen Lakedaemon Pläne gemacht. 

Was die beiden Feldherrn betrifft, so hatten sie höchst wahr- 
scheinlich eine, wie es bei der Lage der Dinge kaum anders sein 
konnte, unbestimmtere, weitern Spielraum lassende Instruktion er- 
halten, welche sie in der den Thebanern günstigsten Weise auslegten 
und anwandten. Auf diese Weise würden die diametralen Gegen- 
sätze beider Ueberlieferungen erklärt, ebenso jene Verurtheilung, 
welche zu den bei politischen Umwälzungen in hellenischen Städten 
— in Athen freilich im Ganzen nur bei oligarchischen — gewöhn- 
lichen Erscheinungen gehört. Man darf aus der Verurtheilung der 
beiden Strategen der athenischen Demokratie keinen besondern Vor- 
wurf machen. Es bleibt noch eine Berücksichtigung und Kritik der 
beiden Stellen übrig, auf welche Schaefer seine entgegengesetzte 
Auffassung stützt. Xenophon sagt nur, dass die Athener nach der 
Freisprechung des Sphodrias mit allem Eifer an die Befestigung des 
Piraeeus gingen, Schiffe bauten und den Boeotern halfen. Wie über- 
all so hüllt sich auch hier Xenophon über die maritimen Verhältnisse 
im Allgemeinen, sofern dabei Lakedaemon nicht unmittelbar be- 
theiligt ist, und die neue Seebundesgenossenschaft im Besondern in 
ein bedauerliches Schweigen. Xenophon widerspricht also gar nicht 
der Erzählung, dass nach der Befreiung der Kadmes sogleich die 
einleitenden Schritte zur Begründung einer neuen Seemacht und 
eines neuen Bundes gethan wurden. 

Der politische Umschwung Anfang März 378 wirkte ohne Zweifel 
sehr lähmend auf diese Operationen, so dass dieselben allerdings 
erst mit Energie aufgenommen sein werden, als der Einfall des 
Sphodrias wieder die Parteiverhältnisse in Athen umgestaltete und 
Athens Stellung entschied. Man wird dann mit noch grösserm Eifer 


1) Es weist darauf auch die von Xenophon erzählte Thatsache hin, 
dass dem heranrückenden lakedaemonischen Heere unter Kleombrotos 
der athenische Feldherr Chabrias mit einer Heeresabtheil den W 
von Eleutherae nach Boeotien verlegte. Der Umschlag in Athen fan 
also statt, nachdem Kleombrotos einige Zeit in drohender Hal an 
der boeotischen Grenze gestanden hatte, Ende Februar oder An 
Mürz 378. 


686 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. | 


Bundes zu werden. '€áv τις βούληται τῶν ᾿ξλλήνων ἢ τῶν Bap- 
βάρων τῶν ἐν ἠπείρῳ ἐνοικούντων ἢ τῶν νηειωτῶν, ócot μὴ Bacı- 
λέως εἰείν, ᾿Αθηναίων εύμμαχος εἶναι καὶ τῶν ευμμάχων ἐξεῖναι 
αὐτῷ. 

Für die neu eintretenden Mitglieder gelten dieselben Verfas- 
sungsbestimmungen, wie sie auf dem constituirenden Bundestage 
vereinbart sind: ἐπὶ τοῖς αὐτοῖς ἐφ᾽ oicmep Xior καὶ Θηβαῖοι καὶ 
oi ἄλλοι εύμμαχοι. Vgl. Diod. XV, 28: ἐπὶ τοῖς Tcoıc πᾶειν. 


8. Stellung der einzelnen bundesgenössischen Gemeinden 
zum Bunde als solchem und zur führenden Stadt. 


Alle Mitglieder des Bundes sind autonom, sie haben die Form 
der Verfassung, welche ihnen beliebt, sie erhalten keinen Stadt- 
vorsteher oder Aufsichtsbeamten, zahlen keinen Phoros und erhalten 
keine stehende Besatzung, οαὐτονόμῳ, πολιτείαν πολιτευομένῳ ἣν 
ἄν τις βούληται, μήτε ἄρχοντα ὑποδεχομένῳ, μήτε φόρον φέροντι 
μήτε φρουρὰν eicdexouevw“. Um die Garantie der Selbststündigkeit 
und der Integrität des Gebietes der einzelnen Bundesstädte zu er- 
hóhen, verzichten die Athener in diesem von Aristoteles beantragten 
Volksbeschlusse auf den Erwerb irgend welcher Besitzungen im 
bundesgenössischen Gebiete. Weder die athenische Bürgerschaft als 
solehe noch der einzelne Privatbürger soll in dem Gebiete der Bundes- 
genossen Besitzthümer erwerben dürfen. Vgl. v. 25: ἀφεῖναι τὸν 
δῆμον τῶν ᾿Αθηναίων τὰ ἐγκτήματα, ὁπός᾽ ἂν τυγχάνῃ ὄντα ἢ ἴδια 
ἢ δημόεια ᾿Αθηναίων ἐν τῇ χώρᾳ τῶν ποιουμένων τὴν ευμμαχίαν. 

Schaefer drückt seine Auffassung dieser Bestimmung in folgen- 
dem Satze aus: ,,Es handelt sich dabei nicht um Grundstücke, welche 
die Athener augenblicklich in Hünden hatten, denn mit dem Aus- 
gang des peloponnesischen Krieges war aller auswärtige Besitz, 
namentlich die Kleruchien, ihnen entrissen worden. Aber wenn wir 
bedenken, wie hart dieser Verlust die Athener betroffen hatte, und 
wie zühe dergleichen Ansprüche unter den Hellenen festgehalten 
wurden, so können wir das Opfer, welches die Athener mit dieser 
Politik dem Gemeinwohl brachten, nicht hoch genug anschlagen'. 
Nach Schaefer handelt es sich also nicht um Aufgeben von Besitzungen, 
sondern von Ansprüchen auf gewisses Grundeigenthum. Allerdings 
haben die Athener nach dem peloponnesischen Kriege schwerlich 
Kleruchien errichtet und, wenn sie es hätten, so würden sie dieselben 
durch den Frieden des Antalkidas verloren haben, denn dieser machte 
alle Gemeinden autonom — was den vollen, uneingeschränkten Be- 
sitz des Gebietes bedingte — und liess den Athenern ausdrücklich 
nur die alten kleruchischen Gebiete: Lemnos, Imbros und Skyros. 
Vgl. Xen. Hell. II, 8. Boeckh Staatsh. I, 559 f. Die Athener konnten 
aber andere Besitzungen als gerade Kleruchien, oder von pachtzins- 
pflichtigen Gemeinden — wie auf Lesbos nach dem Falle Mitylenes 


688 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


sogar unter athenischen Einfluss gerathen. Selbst nach dem Frieden 
des Antalkidas sagt Isokrates in einer 380 gehaltenen Bede mit 
einem etwas starken Ausdruck Ελλήνων oí μὲν ὑφ᾽ ἡμῖν οἱ δὲ 
ὑπὸ Λακεδαιμονίοις eiciv“ (Paneg. 16). 

Byzanz, Mitylene, Chios und dndere Stüdte unterhielten mit 
Athen fortdauernd gute Beziehungen. Ausserdem war nach der 
Schlacht von Knidos Athen bedeutend in der Gunst der Seestädte 
gestiegen, ein Athener, Konon war es, den man als den Befreier 
bezeichnete. 

Es muss in der That ein Bestand von athenischen Privat- und 
Staatsbesitzungen vorhanden gewesen sein, sonst würde entschieden 
der betreffende Passus in dem Psephisma in etwas anderer Form 
ausgedrückt sein. Er lautet nämlich: ἀφεῖναι τὸν δῆμον .. τὰ év- 
κτήματα ὄντα ἐν τῇ χιύρᾳ, „Das Volk soll aufgeben die Besitzungen, 
welche vorhanden sind in dem Lande der Bundesgenossen", Würden 
die Besitzungen nicht mehr vorhanden gewesen sein, 80 hätte man 
nicht mehr Besitzungen, sondern nur Ansprüche (etwa δικαιώςεις) 
aufgeben und das Psephisma nur von diesen reden können. Dann 
heisst es weiter: ,'Anó Ναυεινίκου ἄρχοντος μὴ ἐξεῖναι μήτε ἰδίᾳ 
μήτε δημοςίᾳ ᾿Αθηναίων μηδενὶ ἐγκτήςαςθαι ἐν ταῖς τῶν ευμμάχων 
χώραις μήτε οἰκίαν μήτε χωρίον μήτε πριαμένῳ μήτε ὑποθεμένῳ 
μήτε ἄλλῳ τρόπῳ μηδενὶ. 

Wenn es nach dem Archontat des Nausisikos ausdrücklich ver- 
boten wird Besitzungen zu erwerben, so muss es wohl vorher er- 
laubt und in der That der Fall gewesen sein, nicht nur vor 30 bis 
40 Jahren, sondern bis in die Zeit hinein, als das Gesetz erlassen 
wurde. Endlich bemerkt Schaefer: “Hätten die Athener sich eines 
nutzbaren Besitzes und nicht eines Rechtstitels entäussern wollen, 
so würden sie bestimmt haben, der gegenwärtige Inhaber solle seineh 
Grundbesitz in bestimmter Frist verkaufen’. 

Auch dieser Grund ist nicht ziehend, zunächst beschliessen die 
Athener, dass die Besitzungen überhaupt aufzugeben sind, in welcher 
Weise dieses geschehen soll, ist eine andere Frage. Die Bestim- 
mungen über die Ausführungen eines Gesetzes stehen häufig nicht 
im Gesetz selbst, sondern bilden den Inhalt eines folgenden Erlasses. 
Es konnte die Ausführung des Beschlossenen nicht in einigen Worten 
geregelt werden, denn es war offenbar nicht gentigend einfach zu 
befehlen, bis zu welchem Termine die athenischen Bürger ihre Be- 
sitzungen zu verkaufen hätten. Ein einfacher Befehl des Zwangs- 
verkaufes an einzelne Bürger der betreffenden Bundesstadt oder an 
die Stadt selbst hätte bedeutende Schädigungen des Privateigenthums 
der betreffenden Athener zur Folge gehabt. Es waren jedenfalls eine 
Anzahl von Bestimmungen zu treffen, die den Inhalt anderer Volks- 
beschlüsse bildeten und nicht wohl in dieses Psephisma von allgemei- 
ner Bedeutung passten. Ueberdies befindet sich auf der Säule, welche 
dieses Psephisma enthält, noch ein anderes von demselben Aristoteles 


690 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


kennbar aus dem urkundlich überlieferten Geschäftsgange, der bei 
Staatsvertrügen und politischen Verhandlungen befolgt wurde und 
nur bei einer Organisation des Synedrions, als Rathes allein der 
Bundesgenossen denkbar ist. Im Jahre 371/0 schickte Dionysios I. 
von Syrakus eine Gesandtschaft nach Athen, um mit dem athenischen 
Bunde Frieden zu schliessen. Die athenische Bule empfängt die 
Gesandtschaft, nimmt von ihren Schriftstücken und ihrer Botschaft 
Kenntniss und fasst über die Behandlung der Anträge des Dionysios 
und über diese selbst ein Probuleuma. Die Vorsitzenden der Pry- 
tanen (die Proedroi) sollen die Bundesgenossen zusammenberufen 
und mit ihnen tiber die Botschaft des Dionysios verhandeln, die 
dann ihr Gutachten dem Demos, was aus andern Urkunden hervor- 
gehen wird, zur endgültigen Entscheidung vorlegen. Der bundes- 
genössische Rath wird an dieser Stelle geradezu als „ol cuupaxoı“ 
bezeichnet; der athenische Demos erscheint als ein ausserhalb der 
Bundesgenossenschaft im engern Sinne stehendes Element des Bundes: 
Da die Bule über dieselbe Angelegenheit ebenfalls ein Gutachten 
dem Demos vorlegt, so liegen demselben zwei δόγματα vor, das der 
Bule und das der Bundesgenossen (δόγμα τῆς βουλῆς und κοινὸν 
δόγμα τῶν ευμμάχων. Aesch. v. d. Trugges 60). vgl. Corp. Inscr. 
Gr. Nr. 85 b, 8. 898: — ı0c εἶπεν᾽ περὶ ὧν οἱ πρέεβεις οἱ παρὰ 
Διονυείου ἥκοντες λέγουςιν δεδόχθαι τῇ βουλῇ. περὶ ὧν μὲν τῶν 
γραμμάτων, ὧν ἐπέμψε Διονύειος πρὸς τὸν δῆμον τῶν ᾿Αθηναίων 
καὶ τῆς εἰρήνης τοὺς ευμμάχους δόγμα ἐξενεγκεῖν ἐς τὸν δῆμον, 
ὅποις ἂν αὐτοῖς βουλευομένοις δοκῇ ἄριετον εἶναι. προςαγαγεῖν 
δὲ τοὺς πρέεβεις πρὸς τὸν δῆμον εἰς τὴν πρώτην ἐκκληςίαν καὶ 
ευλλέξαντας τοὺς ευμμάχους τοὺς προέδρους μὲν χρηματίζειν περὶ 
ὧν ἀγτέλουςει,. γνώμην δὲ ευμβάλλεεθαι τῆς βουλῆς πρὸς τὸν 
δῆμον κτλ. 

Der athenische in der Ekklesia versammelte Demos bestätigt 
oder verwirft das, was Bule und Synedrion vorlegen, er ist eine 
Instanz ausserhalb des Rathes der Bundesgenossen und nicht ein 
durch einen ,Mitsitzer" (cüvedpoc) vertretenes Glied im Synedrion. 
Dasselbe war auch nach dem Bundesgenossenkriege der Fall, obwohl 
dieser Krieg in der Entwickelung des Bundes einen bedeutenden 
Abschnitt bezeichnet. 

In der ersten Volksversammlung zur Besprechung über den 
Frieden von 346, wird ein δόγμα κοινὸν τῶν cuupóyuv' vorge- 
lesen, Athen gehört offenbar nicht zu denen, die es beschlossen haben. 
Das Dogma lautet nach Aesch, g. Ktes. 69 fg.'): ᾿Αθηναίους ὑπὲρ 
εἰρήνης βουλεύεεθαι, ἐξεῖναι. τῷ βουλομένῳ τῶν “Ελλήνων ἐν tpici 


1) Es gehört dieses Dogma nicht zu den später hinzugefügten, 
unüchten Urkunden, welche der Redner verlesen lüsst, und die darum 

nicht dem Texte selbst angehören. Aeschines referirt selbst über den den 
Beschluss. 


692 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


nur der athenische Demos als der entscheidende Factor: erwähnt. 
Ausserdem weist auf die Richtigkeit dieser Auffassung die Bemer- 
kung des Schol. 2. Arist. S. 174, 15. cuvébpiov] τοῦτ᾽ Ecrı Bov- 
λευτήριον cnpaíivei δὲ τὴν ἡγεμονίαν, ἴδιον γὰρ τῆς τῶν ἀρχόν- 
τῶν πόλεως τὸ ευνέδριον εἶναι παρ᾽ αὐτοῖς τῶν ἀρχομένων ᾿). 

Eine Erklärung, warum die Bundesgenossen, trotz der im 
Psephisma aus dem Archontenjahre des Nausinikos über den atheni- 
schen Grundbesitz hervortretenden Nachgiebigkeit der Athener, nur 
berathende Stimme hatten, findet man darin, dass, als ein Jahr vor 
dem Psephisma die Bundesverfassung vereinbart wurde, die Athener . 
noch nicht die Concessionen zu machen brauchten, welche späterhin 
nöthig wurden. In der ersten Zeit der Erhebung zeigten sich die 
'Seestädte den Athenern geneigt, dann aber stellte sich heraus, dass 
ibr Misstrauen gegen dieselben doch so erheblich war, dass sie 
Bedenken trugen als Mitglieder in die Bundesgenossenschaft einzu- 
treten. Ferner waren zur Vereinbarung der Bundesverfassung nur 
sechs bis sieben Seestädte in Athen vertreten, welche den Athenern 
gegenüber eine so geringe Machtstellung einnshmen und sich zum 
Theil, wie Byzanz, so sehr dureh athenischen Einfluss bestimmen 
liessen, dass die Athener natürlich bei jener Berathung massgebend 
sein mussten, 


2. Der Sitz des Synedrions 


ist Athen, als Vorort des Bundes, vgl. Diod. XV, 28: cuvedpıov 
cuvedpeverv ᾿Αθήνηειν. Für die Zeit nach dem Bundesgenossen- 
kriege, vgl. Aesch. v. d. Trugges 89, wo berichtet wird, dass 
Kallias von Chalkis fordert: μὴ cuvedpeveiv Χαλκιδέας κτλ. Dazu 
vgl. v. d. Trugges: 62 und 86. 


3. 


Das Synedrion ist eine permanente Versammlung d. b. es tritt 
nicht periodisch oder in bestimmten Monaten des Jahres zusammen, 
sondern ist das ganze Jahr hindurch in Athen anwesend. Zu einer 
Sitzung versammelt es sich in dem einzigen bekannten Falle auf Be- 
rufung der Vorsitzenden des athenischen Benates, der Proedroi, vgl. 
den Senatsbeschluss bei Boeckh (Οὐ. I. Nr. 85b, S. 898:... καὶ 
ςυλλέξαντας τοὺς ευμμάχους τοὺς προέδρους χρηματίζειν περὶ ὧν 
ἀγτέλουει κτλ. 

Im ersten athenischen und im lakedaemonischen Bunde traten 
die Bundesräthe periodisch zusammen und zwar in Athen zur Zeit 
der Dionysien, in Sparta gewöhnlich im Frühjahre. In beiden Bundes- 


1) In Eretria heisst die Bule mit berathender Stimme cuwébpiov. 
vgl. den Beschluss des Senats von Eretria bei Rang. Nr. 689: Οἱ mpó- 
βουλοι εἶπαν" ἐπειδὴ Θεόπομπος ᾿Αρχεδήμου ευντηρῶν κτλ... δεδόχθαι τοῖς 
τε ςυνέδροις καὶ τῷ δήμῳ ἐποινέςοαιλ wx. 


694 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


heiten, wo der Lückenhaftigkeit der Quellen wegen keine Einsicht in 
dessen Thütigkeit ermöglicht ist. Diese vielfachen Geschäfte konnten 
&uch der Árt nach, wie sie zu erledigen waren, nur einer Versamm- 
lung übertragen werden, welche, wie die athenische Bule, im Stande 
war, sich tüglich zu versammeln. 


4. 


Das Synedrion hat über alle gemeinsamen Angelegenheiten des 
Bundes, soweit diese nicht durch die Constitution dem Vorort allein 
übertragen sind, zu berathen und den gefassten Beschluss dem Demos 
als Probuleuma vorzulegen. Der Demos, dessen Verhandlung das 
Gutachten der Bule und des Synedrions zu Grunde liegt, entscheidet. 
Das Synedrion nimmt Theil: 


a) An den politischen Verhandlungen mit auswärtigen Mächten, 
an Beschlüssen über Krieg, über Friedens- und andere, Ver- 
träge. vgl. Boeckh C. I. gr. Nr. 85b, S. 898 und die oben 
citirten Stellen aus Aesch. g. Ktes. und v. der Trugges. 


B) An Processen gegen die, welche eines Vergehens gegen den 
Bund angeklagt sind. Das Nühere vgl. g. 


Y) An der Beschwörung und dem formellen Abschluss von Frie- 
dens- und anderen Vertrügen. Jeder Mitsitzer leistet für seine 
Stadt besonders den Eid. vgl. Xen. Hell. VI, 3, 20: Ἐπὶ τού- 
τοῖς ὥμοςαν Λακεδαιμόνιοι μὲν ὑπὲρ αὑτῶν xal τῶν ευμμά- 
χων, ᾿Αθηναῖοι δὲ καὶ οἱ εύὐμμαχοι κατὰ πόλεις ἕκαςτοι. 
Dasselbe geschieht beim Frieden von 346, vgl. Aesch. v. d. 
Trugges 86: ἐξώρκιζον τοὺς ευμμάχους οἱ τοῦ Φιλίππου 
npecßeic ἐν τῷ cTparnyiw ὑμετέρῳ κτλ. 


Dass der bundesgenössische Rath auch noch bei anderen ge- 
meinsamen Angelegenheiten z. B. beim Finanz- und Kriegswesen 
berathend theilnahm, lüsst sich nicht durch Belege als thatsüchlich 
beweisen, sondern nur als hóchst wahrscheinlich hinstellen, weil die 
Bundesgenossen autonom waren. Die Verwaltung der Bundes- 
geschäfte und die Besorgung der laufenden Angelegenheiten hatte 
wohl der Vorort allein, wie es im ersten athenischen und im lake- 
daemonischen Bunde der Fall war. Etwas Sicheres lässt sich hierbei 
ebensowenig ausmachen wie über die Frage, wie weit sich die Bun- 
desgenossen beim Gesandtschaftswesen betheiligten, ob ihre Bethei- 
ligung dem Ermessen des Vorortes anheimgegeben oder verfassung- 
mässig wenigstens bei gewissen Gesandtschaften unumgänglich war. 
Nur so viel steht fest, dass die Bundesgenossen bald in Gesandt- 
schaften vertreten sind, bald nicht, vgl. Xen. Hell. VI, 3, 20 und 
Aesch. v. d. Trugges 20 und 97 einerseits, andrerseits Xen. Hell. 
VII, 1, 33. 


696 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Anvalwv καὶ ὁ ταμίας. ...... λου καὶ Φαίδρος 6 ςτρατηγὸς ἐπήτγτει- 
λεν, δεδόχθαι τῷ δήμῳ τὴν μὲν φιλίαν καὶ τὴν ςυμμαχίαν ὑπάρ- 
χειν τῷ δήμῳ τῶν Μυτιληναίων πρὸς τὸν δῆμον τῶν ᾿Αθηναίων, - 
ὧς ευνέθεντο πρὸς ἀλλήλας αἱ πόλεις τὰ ευνθήματα τῆς ἡγεμονίας, 
ÉUC .. lle eee νιν νιν νιν pum 9 lh nnn 

Dass die Athener allein aufnahmen, wird man auch aus Diod. 
XV, 29 folgern: TTpoceAóBovro δὲ καὶ τοὺς Θηβαίους ἐπὶ τὸ xoi- 
νὸν cuvedpıov ἐπὶ τοῖς ἴςοις πᾶςιν, ἐψηφίςαντο δὲ καὶ τὰς γενο- 
μένας κληρουχίας ἀποκαταςτῆςαι. Dass über den letzteren Punkt 
nur die Athener beschlossen, geht aus dem erhaltenen Psephisma 
hervor. Es liegt kein genügender Grund zu der Annahme vor, dass 
sich hier Diodor ungenau ausgedrückt, man wird zunächst annehmen, 
dass das Verfahren bei der Aufnahme richtig angegeben ist. 

Aehnlich sagt Dem. v. Kr. 123 fg.: Εὐβοιέας Ecwcev ἣ πόλις 
καὶ μετὰ ταῦτα ευμμάχους ἐποιήςατο. 

Zu einem gleichen Resultate führt der Bericht des Aeschines 
in der Rede gegen Ktesiphon 90 — 94 über die einige Jabre nach 
dem Frieden von 346 geführten Verhandlungen mit Chalkis. 349 
waren die euboeischen Städte für die athenische Symmachie verloren 
gegangen. Kallias, der leitende Staatsmann von Chalkis, hatte sich 
damals auf die Seite der Gegner gestellt, jetzt, nachdem er sich mit 
Philipp und den Thebanern überworfen, strebte er dahin, das bundes- 
genössische Verhältniss mit Athen zu erneuern. Chalkis schickte 
Gesandte nach Athen und verlangte: μὴ διαςφαλῆναι τῆς πρὸς "A0n- 
vaiouc ευμμαχίας, μὴ cuvebpeueiv. "Adnvncı Χαλκιδέας. μὴ τελεῖν 
ουντάξεις. Der folgende Satz: οὐδὲν γὰρ ἦν τὸ μέοον, εἰ μνηςθεὶς 
τῶν προτέρων ἀδικημάτων ὁ δῆμος μὴ προςδέξαιτο τὴν ευμμαχίαν 
zeigt ganz deutlich, dass der Demos über das Gesuch zu entscheiden 
hatte. Nun ist dieser Bundesvertrag, welcher wirklich zu Stande 
kam, nicht, wie sich zeigen wird, ein Vertrag von Chalkis mit Athen 
als Vorort einer Symmachie d. ἢ. mit den Athenern und ihren 
Bundesgenossen, sondern eine Abmachung .der Chalkidier mit den 
Athenern für sich. Es heisst z. B. im Vertrage: νΧαλκιδέας βοηθεῖν 
ἐάν Tic ἴῃ ἐπ᾽ ᾿Αθηναίους“ (Aesch. g. Ktes. 93) nicht mehr ἐπὶ 
τοὺς ποιηςαμένους τὴν ευμμαχίαν oder ἐπὶ τοὺς ᾿Αθηναίους xai 
τοὺς ευμμάχους. Dennoch ist diese Verhandlung aus folgendem 
Grunde hierher zu ziehen. Factisch waren die euboeischen Städte 
349/8 von Athen unabhängig geworden, ob aber Athen diese Un- 
abhüngigkeit anerkannte, oder ob es nicht vielmehr die Chalkidier 
als rechtlich zum Bunde gehörig betrachtete, ist eine andere Frage. 
Auf die letztere Eventualität weist aber entschieden die, wie Schaefer 
bemerkt, zühe Anhänglichkeit der Griechen an solchen Ansprüchen 
und der Ausdruck διαςφαλῆναι. Chalkis bittet der Mitgliedschaft 
nicht verlustig zu gehen. Ein solcher Ausdruck konnte nur gebraucht 
werden, wenn die Chalkidier rechtlich noch Bundesgenossen waren. 
Die Athener beschlossen, dass Chalkıa nicht mehr das Synedrion be- 


698 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Resultates für den athenischen herbeigezogen werden. Es fand also 
bei der Aufnahme folgendes Verfahren statt: Die Gesandten tragen 
der Bule ihr Gesuch vor, der Senat beschliesst über die Zulassung 
der Gesandten zur Ekklesia und fasst über die Aufnahme ein Pro- 
buleuma, das der Verhandlung des Demos zu Grunde gelegt wird, 
der Demos entscheidet definitiv über die Aufnahme. Dann findet 
die Beschwörung der Symmachie statt und der Rathsschreiber ver- 
zeichnet den Namen des neuen Mitgliedes auf der gemeinsamen 
Säule der Bundesgenossen am Tempel des Zeus Eleutherios des 
Befreiers, der als Symbol des Bundes, welcher die Befreiung der 
Hellenen von der lakedaemonischen Herrschaft bezweckte, ange- 
nommen war. 


3. 


Der Vorort (und zwar das Praesidium der Bule) beruft das 
Synedrion zur Sitzung, macht der Bundesgenossenschaft die nöthigen 
Vorlagen und nimmt ihr Gutachten entgegen, um es der Verhandlung 
über den betreffenden Punkt zu Grunde zu legen. Ueber die Beleg- 
stellen vgl. 6, 3. 


4. 


Der Vorort leitet unter berathender Betheiligung der Bundes- 
genossen die auswärtigen Angelegenheiten des Bundes. Die athenische 
Bule hat das Gesandtschaftswesen, sie entsendet die Gesandtschaften 
— bei denen in gewissen Fällen die Bundesgenossen vertreten sind 
— und empfängt die Gesandten auswärtiger Mächte, nimmt Kenntniss 
von ihren Aufträgen, beschliesst über die Behandlung derselben und 
fasst über die Aufträge selbst ein Probuleuma. Die Vorsitzenden 
der Bule versammeln die Mitsitzer der Bundesgenossen und ver- 
handeln mit ihnen über die Botschaft der Gesandten. . Der Demos 
entscheidet auf Grund der ihm vorliegenden Gutachten der Bule und 
des Synedrions über Krieg, über Friedens- und andere Verträge, 

Ueber den Empfang der Gesandtschaften durch die Bule, die 
Kenntnissnahme ihrer Botschaft und die Verhandlung darüber vor 
den Bundesgenossen vgl. die bereits citirten Stellen, besonders Rang. 
II, S. 50. Einen Blick in die Führung der Verhandlungen mit aus- 
wärtigen Mächten gewährt Xenophons ausführlicher Bericht über die 
Friedensverhandlungen zu Sparta im Jahre 371. Xenophon erzählt: 
Ψηφιςάμενος ὁ δῆμος εἰρήνην ποιήςεαςθαι schickt Gesandte nach 
Theben und Lakedaemon. Xenophon erwühnt zwar nicht die bundes- 
genóssischen Vertreter in dieser Gesandtschaft, sondern sagt nur 
ἐξέπεμπον xai αὐτοὶ (die Athener) πρέεβεις, ἦν δὲ τῶν αἱρεθέν- 
Tuv: Namen von 7 Athenern. Aber dieser Bericht schliesst die 
Theilnahme der Bundesgenossen an die Gesandtschaft nicht aus, denn 
unter den 7 Namen ist nicht einmal Kallistratos, der leitende Staats- 
mann, aufgeführt, der nachher Wei den Verhandlungen für Athen 


100 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Bule durch ihr Dogma, die Volksversammlung, für welche sich 
"Xenophon interessirt, zu berufen gehabt, so wlirden wir von dem 
Senatsbeschlusse garnichts erfahren. 

Bei der Diskussion in der Ekklesia wenden sich alle Bedner an 
die Versammelten mit ὦ ἄνδρες ᾿Αθηναῖοι, nicht etwa mit ὦ ἄνδρες 
᾿Αθηναῖοι καὶ oi εύμμαχοι, wie es sonst vorkommt, wenn Bundes- 
genossen bei den Verhandlungen zugegen sind, vgl. Thukyd. I, 120. 
III, 9. IIT, 13. Nach Schluss der Debatte ἐβουλεύοντο οἱ ᾿Αθηναῖοι, 
éyngicavro δὲ βοηθεῖν καὶ Ἰφικράτην crpamyöv εἵλοντο. In 
diesem Beschlusse ist zugleich die Kriegserklärung gegen Theben 
enthalten, über die also nach dem keinem Zweifel unterliegenden 
Berichte Xenophons der athenische Demos entschieden hat. 

Im Sommer dieses Jahres 369 kommen Gesandte der Lake- 
daemonier und ihrer Bundesgenossen nach Athen, um die Normen 
festzustellen, auf denen das Bündniss der Athener und der Lakedae- 
monier beruhen soll: „BovAeucönevor καθ᾽ ὅτι f ευμμαχία Aakebai- 
μονίοις xai ᾿Αθηναίοις écorro*. Da Xenophon eben die Anwesenheit 
von Bundesgenossen der Lakedaemonier erwühnt hat, und dieselben 
sich auch bei der foJgenden Debatte betheiligen, so schlossen nicht 
nur die Lakedaemonier, wie es nach der citirten Stelle scheinen 
dürfte, sondern die Lakedaemonier und ihre Bundesgenossen den 
Vertrag ab. Analog darf man schliessen, dass der andere Contrahent 
nicht nur Athen, sondern der athenische Bund war, für den Athen 
als Vorort die entscheidende Verhandlung führte. Es findet dieselbe 
in der Ekklesia statt, der über diesen Gegenstand ein Probuleuma 
des Senats vorliegt. Dieser hatte also wieder bereits von der Bot- 
schaft Kenntniss genommen und darüber berathen. Der Athener 
Kephisodotos erwähnt den Senatsbeschluss: „A μὲν οὖν βουλῇ προ- 
βεβούλευται ὑμετέραν (Αθηναίων) τὴν κατὰ θάλατταν ἡγεμονίαν 
εἶναι, Λακεδαιμονίων δὲ τὴν κατὰ γῆν“. Kephisodotos beantragt 
dagegen, dass die Lakedaemonier und Athener abwechselnd sowohl 
zu Wasser als zu Lande je 5 Tage lang den Oberbefehl haben sollen: 
ἀκούςαντες ταῦτα οἱ ᾿Αθηναῖοι μετεπείεθηςαν καὶ éyngícavro κατὰ 
πενθήμερον ἑκατέρους ἡγεῖεθαι. Dieser aus der Mitte der Ver- 
sammlung heraus gestellte Antrag wird angenommen. Der Beschluss 
des Demos machte, um einen Ausdruck des Aeschines zu gebrauchen, 
das Dogma der Bule „äkupov“, ebenso das des Synedrions. 

Vor dem Bundesgenossenkriege sind keine ausführlicheren Be- 
richte über solche Verhandlungen erbalten, erst über die zum Frieden 
des Philokrates (i. J. 346) führenden giebt es wieder eine ein- 
gehendere Darstellung bei Aeschines und Demosthenes. Es wird 
auf den Antrag des Philokrates eine Gesandtschaft gewählt, welche 
den Philippos auffordern soll, eine Gesandtschaft nach Athen zu 
Schicken, die αὐτοκράτωρ ὑπὲρ τῆς εἰρήνης ist. Zu dieser Gesandt- 
Schaft wühlt der Demos 10 Athener und einen Vertreter der Bundes- 
genossen (Aglaokreon von Tenedos), ταὶ. Assch. v. d. Trugges 20: 


102 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


v. d. Trugges 60 fg., g. Ktes. 71 ἔμ. Dem. v. d. Trugges 16 fg.), 
sondern nur darauf, dass ein Gutachten der Bundesgenossen auf den 
Antrag des Demosthenes verworfen und anders von dem Demos be- 
schlossen wird. Der Demos beschliesst nitmlich trotz des Dogma der 
Bundesgenossen sogleich über Frieden und Bündniss zu berathen, 
und zwar ist der Beschluss so kategorisch gefasst, dass damit die 
Möglichkeit der Bestätigung durch das Synedrion ausgeschlossen 
wird: νἀποδοῦναι τοὺς ὅρκους τοῖς Trpecßecı τοῖς παρὰ Φιλίππον 
ἐν τῇδε τῇ ἡμέρᾳ τοὺς cuvébpouc τῶν ευὐμμάχων“. 


ὅ. 


Der Vorort hat die Verwaltung des Finanz- und Heerwesens 
des Bundes. Das Nähere vgl. d) und e) und 8. 703 fg. 


6. 
Der Vorort leitet die Seepolizei, vgl. f. 


1. 


Der Vorort hat die Befugniss zur Sicherung des Handels und 
Verkehrs und zur Aufrechterhaltung des Friedens im Bundesgenos- 
sengebiete Verordnungen zu erlassen. 

Es steht dieses unzweifelhaft fest, wenn das g. Theokr. er- 
wähnte Gesetz gegen die, welche Seeräuber aufnehmen und tiber die 
Massregeln gegen Seeräuberei, wenn ferner das 357 erlassene Pse- 
phisma gegen diejenigen, welche feindliche Bewegungen gegen ein 
von der Gegenpartei (etwa Aristokraten gegen eine von Demokraten 
regierte Stadt) beherrschtes Gemeinwesen unternehmen, ohne Be- 
theiligung der Bundesgenossen zu Stande gekommen ist. Es ist zu 
bedauern, dass wir kein Psephisma haben, welches den Bund als 
solchen betrifft und von den Áthenern unter Betheiligung der Bundes- 
genossen erlassen ist, es würde indessen ein solches unzweifelhaft 
in folgender Weise beginnen: ἔδοξε ᾿Αθηναίοις καὶ τοῖς ευμμάχοις 
oder ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ τῷ κοινῷ cuvedpiw τῶν ευμμάχων καὶ τῷ 
δήμῳ τῶν ᾿Αθηναίων. Hierauf deutet 2. B. die officielle Erwähnung 
in dem urkundlich überlieferten Texte des Eides der Coalition von 
370: ἐμμενῶ τοῖς ψηφίεμαςει ᾿Αθηναίων καὶ τῶν ευμμάχων. Findet 
sich keine Erwähnung der Bundesgenossen am Eingang eines solchen 
Beschlusses, so muss man annehmen, dass er allein durch die gesetz- 
gebenden Factoren Athens zu Stande gekommen ist, wie es bei dem 
Psephisma über den athenischen Grundbesitz im bundesgenössischen 
Gebiete unzweifelhaft feststeht, obwohl es in hohem Grade den Bund 
als solchen betrifft. Bei den erwähnten beiden Beschlüssen werden 
aber nirgends die Bundesgenossen so erwähnt, dass man auf ihre 
Mitwirkung am Zustandekommen derselben schliessen dürfte. Ausser- 
dem ist in dem Psephisma von 351 wegen eme Bestimmung über 


704 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


zahlten keine Bundesbeiträge zur Flotte, obwohl sie dazu verpflichtet 
waren”. Xenophon berichtet einfach die Thatsache der Nichtzahlung, 
woraus man an dieser Stelle noch keinen Schluss auf die Verpflich- 
tung zur Zahlung oder Berechtigung zur Nichtzahlung ziehen darf. 
In der That ist. die Auffassung, dass die Thebaner keine Flotten- 
gelder zahlten, weil sie nach dem Bundesvertrage nicht dazu ver- 
pflichtet waren, gerade die falsche, wie sich aus Folgendem ergiebt. 

Apollod. g. Tim. 11 fg. berichtet tiber die Verwaltung von 
Flottengeldern dureh den Strategen Timotheos, ein Bericht, über den 
hier ausführlicher referirt wird, weil er bei andern Punkten späterhin 
noch sehr in Betracht kommt. Timotheos zwang während seines 
zweiten grösseren Commandos einer athenischen Bundesflotte im 
Jahre 373 die sechzig Trierarchen seiner Flotte je sieben Minen den 
Seeleuten als Verpflegungsgelder zu geben. Es erfolgte dann die 
Absetzung des Timotheos, weil er nach der Ansicht der Athener die 
Zeit in ungehöriger Weise hinbrachte. Als Timotheos über die 
‘Verwaltung und Verausgabung der ihm überwiesenen Flottengelder 
Rechnung ablegte, setzte er die 420 Minen unter die Ausgaben aus den 
CTPATIWTIKA χρήματα, obwohl sie nicht zu denselben grhörten, αὐτὸς 
δεδωκὼς εἰς τὰς ναῦς τὰς ἑπτὰ μνᾶς ταύτας τότε. Dainit aber beim 
Zeugenverhör die Trierarchen nicht etwa aussagen möchten, dass 
es sich anders verhalte, dass Timotheos diese Summe nicht aus der 
Kriegskasse genommen, sondern von ihnen erpresst habe, so lässt 
sich Timotheos diese Gelder nachträglich von den Trierarchen auf 
sein Privatvermögen leihen und trägt es als Hypothek auf seine 
Grundstücke ein. Als nun gerade Timotheos zum Process nach 
Athen gehen sollte, hatten die boeotischen Trieren keine Ver- 
pflegungsgelder, und in der Kriegskasse war kein Heller!), daher 
weigern sich die boeotischen Trierachen, „ei μή τις αὐτοῖς τὴν καθ᾽ 
ἡμέραν τροφὴν δώςοι", noch ferner bei der Flotte zu bleiben. Timo- 
theos sieht ein, dass, wenn das boeotische Contingent die Flotte ver- 
lassen und dadurch deren Stärke bedeutend verringern würde, ein 
neuer gravirender Umstand für ihn hinzukommen müsste. Daher 
leiht er sich 1000 Drachmen 'iva διαδοίη τοῖς βοιωτίοις Tpın- 
ράρχοις᾽, er hofft sie dadurch so lange zum Bleiben zu bewegen, 
als in Athen der Process währte. Timotheos giebt das Geld 'TÓ) 
Βοιωτίῳ ἄρχοντι τῶν vedv'. Er führt dann in der Rechnung auf, 
er hätte 1000 Drachmen an Verpflegungsgeldern (citmpécia) aus der 
Flottenkasse an die. boeotischen Trierarchen gegeben (δεδωκὼς eic 
τὰς Borwriac ναῦς ἐκ τῶν ςτρατιωτικῶν χρημάτων), weil, wie es 
weiterhin im Paragraphen 49 heisst: Tpocfke τῷ μὲν Βοιωτίῳ 
ἄρχοντι παρὰ τούτου (Τιμοθέου) τὴν τροφὴν τοῖς ἐν ταῖς vauci 


- ^ e —— — —- -— ἡ 


1) Ob durch die Schuld des Timotheos und seines. bald darauf in 
Athen zum Tode verurtlieilten Zahlmeisters, möge hier dahin gestellt 
leiben. ᾿ 


106 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


stadt an den Vorort Syntaxis. Athen wies dem Strategen eines Ge- 
schwaders, wenn in Áthen selbst nicht die nóthigen Summen vor- 
handen waren oder praktische Gründe dieses empfahlen, die erforder- 
lichen Gelder zur Verpflegung und Besoldung der Mannschaften an 
und zwar aller Mannschaften, gleichviel welchem Staate die Trieren 
angehürten, auf denen sie dienten. Das ausserordentlich ausgedehnte 
Soldwesen konnte ohne Zweifel nur dann gehörig verwaltet werden, 
wenn die Sóldner, aus denen wesentlich die Mannschaft zusammen- 
gesetzt war, alle gleichmässig aus Einer Hauptkasse bezahlt wurden. 
Wäre jeder Bundesstadt, die eigene Schiffe mit eigenen Officieren 
und selbstgemietheter Mannschaft stellte, die Besoldung überlàssen 
worden, so konnte sich unter Umstünden ein Contingent plótzlich 
auflósen, wenn die betreffende Stadt nicht genügend oder nicht zur 
rechten Zeit Sold zahlte, und die Bundesflotte empfindlich geschwücht 
werden. Dieser so nahe liegenden Móglichkeit durfte man sich auf 
keinen Fall aussetzen. 

Schaefers Behauptung, dass Theben von der Bundessteuer be- 
freit gewesen sei, wird also unrichtig sein, und ebenso erhellt eigent- 
lich schon aus den bisherigen Ausführungen die Unhaltbarkeit der 
Annahme, dass nur die kleinern Städte cuvrafeıc zahlten. Schaefer 
nennt beispielsweise Mitylene als eine Stadt, welche nicht Bundes- 
steuern entrichtete, dennoch führt er selbst den Volksbeschluss an, 
welcher den athenischen Feldherren Chares, Phokion, Charidemos 
eine Anweisung auf χρήματα τῶν cuvrafewv τῶν ἐλ Λέεβῳ giebt. 
Dass Mitylene allein von den lesbischen keine cuvrafeıc zahlte, lässt 
sich weder genügend begründen, noch darf man es so ohne Weiteres 
annehmen. Wenn aber Mitylene wirklich von der Bundessteuer frei 
war, so würde bei der peinlichen Genauigkeit der athenischen Volks- 
besshlüsse eine Angabe der zahlungspflichtigen Städte erfolgt und 
nicht allgemein der Tribut von Lesbos genannt sein. Vgl. Rang. II 
Nr. 398. Schaefer Dem. u. s.Z. II, S. 27, Anm. 2. Dazu heisst es 
Apollod. g. Polykl. 53: Auxivoc οὐκ ἐδίδου τοῖς ναύταις cımnpecıov, 
οὐ γὰρ ἔφη ἔχειν, ἀλλ᾽ ἐκ Μιτυλήνης λήψεςθαι κτλ. Schaefer muss, 
um seine Ansicht zu halten, dieser Stelle die gesuchte Deutung 
geben, dass die kleinern Gemeinden der Insel Antissa, Eresos, Me- 
thymna (eine Stadt die nach der Katastrophe Mitylenes im Jahre 427 
kaum unbedeutender als Mitylene sein konnte) ihre Syntaxeis nach 
dem steuerfreien Mitylene gebracht hütten, von wo sie Lykinos ab- 
holte. Auch daraus, dass Jason bei Xen. Hell. VI, 1, 2 verüchtlich 
von den 'Inselchen' spricht, welche den Athenern Einkünfte lieferten, 
folgt noch nicht, dass nur die kleinern Städte cuvräfeıc zahlten. 
Es werden an dieser Stelle offenbar Inseln überhaupt den Länder- 
massen des Festlandes gegenübergestellt, im Vergleich zu denen sie 
kleine Territorien und deshalb in einer solchen Gegenüberstellung 
"Tnselchen' (vncóópia) zu nennen waren. Μὴ εἰς vncóópia. ἀποβλέ- 
ποντες, ἀλλ᾽ ἠπειρωτικὰ ἔθνη καρπουγέξνους ... οἶεθα γὰρ δήπου, 


110 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Sammelplatze?!) erscheinen zu können, Mannschaften haben müssen. 
Die Mannschaft war, wie eine Darlegung in einem der folgenden Ab- 
schnitte zeigen wird, entweder nach dem Kataloge (κατάλογος) der 
Dienstpflichtigen ausgehoben oder angeworben oder theils dieses 
theils jenes. Es kam nämlich vor, dass patriotische Trierarchen, 
denen die zugewiesenen Leute sich nicht stellten oder zu schlecht 
erwiesen, Fremde oder Einheimische an deren Stelle aus eigenen 
Mitteln anwarben. Eine deutlichere Vorstellung von diesen Verhält- 
nissen erhält man durch den Bündnissvertrag zwischen Athen, Argos, 
Elis und Mantinea. Man darf nach Analogie der Bestimmungen dieses 
Vertrages annehmen, dass die Städte, welche eigene Flottencontin- 
gente hatten, ihren Seeleuten auf eine für alle Fälle bestimmte An- 
zahl von Tagen oder bis zur Vereinigung ihres Contingentes mit der 
Bundesflotte an dem angesagten Sammelplatze die Löhnung gaben. 
Dann wurden die nöthigen Unterhaltungskosten der Mannschaften 
aus der Kasse, in welche die Syntaxeis flossen, in gleicher Weise 
bestritten, wie aus Apollod. g. Tim. 11 fg. hervorgeht. 

Dass Theben, obwohl es zum Landheere Abtheilungen schickte 
und zur Flotte ausgerüstete und bemannte Schiffe stellte, dennoch 
für Sold und Verpflegungsgelder Syntaxeis zu zahlen hatte, folgt aus 
Xen. Hell. VI, 2, 1. Xenophon berichtet nämlich, die Athener seien 
gegen die Thebaner deshalb missgestimmt worden, weil sie nicht 
Geld zur Flotte zahlten. Wäre Theben durch andere Leistungen von 
der Verpflichtung zur Bundessteuer frei gewesen, so konnten die 
Athener keinen Grund zur Verstimmung haben. Die Thebaner leiste- 
ten auch nicht nach dem Bundesantrage weniger als die andern 
Bundesgenossen, denn es heisst in dem Psephisma über den Grund- 
besitz (v. 6 fg.), alle Städte sollen unter denselben Bedingungen wie 
die Thebaner, Chier und die übrigen Bundesgenossen aufgenommen 
werden. Theben trug, natürlich nach Verhältniss seiner Bedeutung, 
in gleicher Weise bei wie die andern Bundesgenossen. Die Thebaner 
waren offenbar zur Entrichtung einer gewissen Summe verpflichtet, 
und die Athener gegen sie aufgebracht, weil sie nicht pflichtgemäss 
beisteuerten. 

Ganz ähnlich wie mit Theben steht es mit Korkyra. Einerseits 
befanden sich korkyraeische Schiffscontingente in der athenischen 
Bundesflotte, andrerseits zahlen sie bedeutende Summen an Syntaxeis. 
Vgl. Xen. Hell. V, 4, 60: Τιμόθεος ἐπεὶ ἅς TE ναῦς εἶχεν ἐπε- 
ckeuace καὶ ἐκ Κερκύρας ἄλλας προςεπληρώςατο κτὰ. Polyaen. III, 
10, 16: Τιμόθεος μετὰ Κερκυραίων καὶ τῶν ἄλλων ςυμμάχων πρὸς 
Λακεδαιμονίους ναυμαχῶν κτλ. Vgl. die Rede der korkyraeischen 
Gesandten bei Xen. Hell. VI, 2, 9: Ἐξ οὐδεμιᾶς πόλεως πλὴν 'A0n- 
γῶν οὔτε ναῦς οὔτε χρήματα πλείονα ἂν γενέεθαι. Zu dieser Kate- 








1) Ueber die Bestimmung «ines Sammelplatzes durch den Vorort vgl. 
Thuk. I, 80 fg. 67 und 64. Xen. Yeu. WX, 4, 8. 5, 1. 


1129 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


δὲ πλείους cuvráEeic ὑποτελοῦντας καὶ τὸ προςταττόμενον ποι- 
oóvrac. | 

Nach diesem Satze wäre also der eine Theil der Bandesgenossen 
gern bereit gewesen den Athenern, sobald sie dessen bedtirfen sollten, 
Hülfe zu bringen, d. h. er hätte im Kriegsfall Contingente zu stellen, 
der andere dagegen Syntaxeis zu zahlen und zu thun, was die Athener 
geboten. Nun ist es allerdings möglich, dass sich hierin, wie die 
Bundespolitik der Athener nach dem Bundesgenossenkrieg, so such 
die Bundesverfassung geändert hatte, denn alle bisherigen Stellen 
gingen auf die Zeit vor diesem Kriege. Indessen haben Schaefer 
und Rehdantz wohl Recht, wenn sie annehmen, dass die Bundesver- 
fassung in allen wesentlichen Momenten unverändert geblieben sei. 
Eine unmittelbare Erläuterung dieser Stelle wird zeigen, dass in der 
That auch in dieser Hinsicht keine Veränderung stattfand. Vor dieser 
Erläuterung dürfte es nicht unangemessen sein zur Darlegung der 
ungenauen Ausdrucksweise und Flüchtigkeit des Isokrates Folgendes 
zu bemerken: Isokrates sagt, die Athener hätten πολλοὺς ςυμμάχους 
und dann noch πολὺ πλείους, wenige Paragraphen weiter aber: 
ἐοίκατε γὰρ οὕτω διακειμένοις ἀνθριύποις οἵτινες ἁπάςας μὲν τὰς 
πόλεις τὰς ἐπὶ Θράκης ἀπολωλεκότες, πλείω δὲ f| χίλια τάλαντα 
μάτην εἰς τοὺς ξένους ἀνηλωκότες ... τοὺς δὲ ἡμετέρους αὐτῶν 
ςυμμάχους ἀπολωλεκότες (Areopag. 9— 10). Also das ‘viele’ und 
“noch viel mehr” Bundesgenossen an jener Stelle wird keine grosse 
Bedeutung haben, denn Isokrates widerspricht sich so weit, dass 
wenigstens aus ihm nichts Sicheres über die Zahl und Bedeutung der 
Bundesgenossen zu entnehmen ist. In der That kommt die letztere 
Stelle der Wahrheit näher als die erstere. Die Bundesgenossenschaft, 
welche den Athenern nach dem Bundesgenossenkriege geblieben war, 
bestand weder aus vielen, noch aus verhältnissmässig bedeutenden 
Städten. Daher waren die Bundesgenossen naturgemäss in ein sol- 
ches Abhüngigkeitsverhültniss zu Athen gerathen, dass Isokrates 
nieht ohne Grund sagen konnte, sie thüten das, was die Athener 
anordneten. Der Einfluss des Synedrions war damals, wie sich zeigen 
wird, ziemlich gering. Höchst wahrscheinlich wird jedes Mitglied 
der Bundesgenossenschaft ςυντάξεις gezahlt haben. Es fragt sich 
dann aber, was man sich unter den zur andern Gruppe gehörigen 
Bundesgenossen zu denken hat. Ohne Zweifel stehen diese εὐμμάχοι, 
welche keine cuvróEeic entrichten und politisch unabhängiger von 
Athen sind, aber bereitwillig im eintretenden Falle Hülfstruppen 
schicken, ausserhalb der in den alten Formen organisirten Bundes- 
genossenschaft und sind als ούμμαχοι im weitern Sinne aufzufassen, 
d. h. als Verbtindete, Staaten, mit denen Athen einen ἘΔ δη 8. öder 
Freundschaftsvertrag geschlossen hatte. Die athenibche Politik war 
damals suf: den" "Abschluss solcher Verträge bedacht. E! sehickten 
die Athenéi' im Jahre 346 zu allen hellenischen Gémeinden'Gésandt- 
schaften, um mitikmen: €àge Beächungen auzuintgfen und wong: 


114 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


24.) Da das Vermögen sich ündern konnte, só fand mit Rücksicht 
darauf alle 5 Jahre eine neue Schätzung des Vermögens statt. Zu 
diesem Zwecke setzte der Demos eine Commission von Mitgliedern 
(raxtai genannt) ein (vgl. Köhler S. 60 fg.), welche in fünf Abthei- 
lungen von je zwei Mitgliedern in die fünf Steuerdistrikte ging, das 
Vermögen jeder Bundesstadt feststellte und demgemäss die Höhe 
der Bundesbeisteuer nach einer für alle Bundesgenossen festgesetzten 
Quote des Vermögens bestimmte. 


Die Feststellung des Vermögens war die Hauptsache, denn 
daraus ergab sich unmittelbar die Summe der jährlich zu zahlenden 
Bundessteuer. Zunächst gab die Bundesstadt ihr Vermögen durch 
Selbstschätzung an, acceptirten die τακταί diese Angabe, so war 
damit diese Bundesstadt eingeschätzt, vorbehaltlich der Bestätigung 
der Bule und, was indessen nicht mit Sicherheit anzunehmen ist, der 
zur endgültigen Prüfung der Phoros-Ansätze gewählten 500 Dikasten. 
Diese Städte sind die in den Phoroslisten aufgeführten πόλεις αὐταὶ 
φόρον ταξάμεναι. Gaben sich die τακταί nicht mit der Selbstein- 
schätzung zufrieden, sondern nahmen selbst eine Schätzung vor, so 
hiessen die Städte, welche gegen diese Taxe keinen Recurs erhoben: 
πόλεις, ἃς ἔταξαν οἱ τακτοί. 


Wurde Recurs erhoben, so ging die Sache an den Senat, in 
welchem auch Privatleute Vorschläge machen konnten, und zuletzt 
an die 500 vom Demos erwühlten Dikasten, welche für den Demos, 
der seine gesetzgebenden Functionen gewöhnlich durch Commissionen 
austibte, endgültig entschieden. Daher die Rubriken: πόλεις, ἃς fi 
βουλή, fj ὁ δεῖνα ἐγγραμμάτευεν ἔταξεν, ferner πόλεις ἃς oí ἰδιῶται 
ἐνέγραψαν φόρον φέρειν, oder endlich *róAeic, ἃς f| βουλὴ καὶ οἱ 
πεντακόειοι οἱ δικαςταὶ ἔταξαν᾽. 


Da der zweite Bund lange nicht die Ausdehnung des ersten 
hatte, so konnten hier die Strategen das Amt der τακταί überneh- 
men. Dass dieses höchst wahrscheinlich der Fall war, geht aus der 
Rede g. Theokr. 37 fg. hervor. Ebenso kann man aus dieser Stelle 
schliessen, dass das Recursverfahren dem im ersten Bunde ähnlich 
war. Der Redner legt hier den Abfall der Aenier (ungefähr im Jahre 
341) dem Theokrines und seinem Genossen Charinos zur Last, weil 
sie gegen einen Beschluss des athenischen Demos, der den Tribut 
der Aenier so normirte, wie sie ihn mit dem Strategen Chares ab- 
gemacht hatten, die γραφὴ παρανόμων einbrachten, wodurch sich 
diese Angelegenheit so in die Länge zog, dass die Aenier, denen 
jener Volksbeschluss offenbar die Bundesbeisteuer herabsetzte, ab- 
fielen. πύνθανόμενοι Alvıoı γεγράφθαι τὸ ψήφιεμα παρανόμων, ὃ 
πρότέρον Χαρῖνος ἐγράψατο, τοῦτο περὶ cuvráEeuc, ὃ Θουκιδίδης 
εἶπε, καὶ πέρας τῶν πραγμάτων οὐδὲν γιγνόμενον, ἀλλὰ τὸν μὲν 
δῆμον ευγχωροῦντα, τὴν εύὐνταξιν διδόναι τοὺς Αἰνίους, Ócnv 
Χάρητι τῷ ς«τρατητῷ εὐνεχώρνκον. τοῦτον τὸν μιαρόν κτλ. 


116 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


neten auch die Quote von !/,, des Phoros, welche an den Schatz der 
Góttin abzuführen war. Die Listen dieser von den Logisten berech- 
neten Quoten sind erhalten und unter dem Namen Tributlisten be- 
kannt. Solange ein Synedrion der Bundesgenossen bestand, war 
demselben von der Finanzverwaltung Rechenschaft abzulegen. 


Manches von diesem Verwaltungsschema ‚mag auch im zwei- 
ten Bunde wiedergekehrt, an Stelle der Hellenotamien mag ein 
anderes Collegium von dem Namen nach verschiedenen Beamten 
getreten sein. Fest steht es, dass es wieder eine besondere Kasse 
und Verwaltung der bundesgenössischen Gelder gab. Das Psephisma 
über die athenischen Besitzungen im bundesgenóssischen Gebiete be- 
stimmt V. 45, dass die Anzeige dem Synedrion zu machen sei, dass 
der Process vor Athenern und Bundesgenossen geführt werde, und 
dass die Hälfte der Strafsumme, zu welcher der Schuldige verurtheilt 
wird, dem Kläger, die andere Hälfte der gemeinsamen Kasse der 
Bundesgenossen anheim fallen soll (κοινόν ἔςτω τῶν ευμμάχων). 
Die Einnahmen dieser Kasse werden, wie aus dem Fragment eines 
Voiksbeschlusses hervorgeht, wie im ersten Bunde, auf der ςτήλη 
τῶν κοινῶν Tpocóbuv verzeichnet. Aehnlich wie in dem obigen 
Psephisma wird in einem andern aus dem Jahre 357 (Rangabé Nr. 
392) bestimmt, dass gewisse Strafsummen für Vergehen gegen ein 
Bundesgesetz „eic τὸ κοινὸν τῶν cuuudxwv“ zu zahlen seien. In 
diese Kasse flossen offenbar auch die Syntaxeis, sie wurde, wie man 
aus der Stellung Athens als der obersten Verwaltungsbehórde des 
Bundes und nach Analogie des ersten Bundes schliessen kann, von 
athenischen Behörden verwaltet. 


Ob eine Rechnungsablegung vor dem Synedrion erfolgte, ist 
aus dem Quellenmaterial nicht zu erkennen, jedoch wahrscheinlich, 
weil sonst die Athener mit den Bundesgeldern ganz nach Willkür 
hätten schalten können. Dass zu den laufenden Ausgaben Athen 
allein die nöthigen Summen anwies, folgt aus einigen Volks- und 
Senatsbeschlüssen, welche über Verwendung von cuvtáEeic zur Unter- 
haltung von Heeresabtheilungen bestimmen. Vgl. den Volksbeschluss 
aus dem Jahre 356 bei Rang. Nr. 393: Ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ τῷ 
δήμῳ. Avcavbpoc εἶπε. Ὅπως ἂν Avakyeic bc τῷ δήμῳ τῷ 
᾿Αθηναίων καὶ τῷ δήμῳ τῶν ᾿Ανδρίων καὶ Exwcıv οἱ φρουροὶ oi ἐν 
"Avbpu μιςθὸν ἐκ τῶν cuvräkewv κατ᾽ ἄνδρα παρὰ τῶν ευὐμμάχων 
κτλ. . .. Εἰεπράξαι δὲ καὶ τὰ ἐγ... . χρήματα ᾿Αρχέδημον κτλ. 
Vgl. ferner das Fragment des Volksbeschlusses bei Rang. Nr. 398, 
Ap. g. Tim. 11—49. Isokr. v. Umtausch 109: eic μὲν τὸν περί- 
TÀouv τὸν περὶ TTeAorróvvncov τριςκαίδεκα μόνον τάλαντα δούεης 
αὐτῷ τῆς πόλεως καὶ τριήρεις πεντήκοντα. 


Zu der Flotte des Timotheus gehörten ohne Zweifel bundes- 
genössische Contingente oder sie war wenigstens eine Flotte des 
athenischen Bundes, zu der also Gelder aus deu Syntareis gezahlt 


118 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


der Gefahr mit der Erhebung der, Phoroi beauftragt waren vfjec 
ἀργυρολόγοι. Vgl. Thuk. II, 19. IW 50. IV, 75. 


4. Rechnungsablegung für eingenommene und veraus- 
gabte Bundesgelder. 


Solange im ersten Bunde die Bundesgenossenschaft autonom 
war, fand eine Rechnungsablegung des Vorortes vor der Vertretung 
der Bundesgenossen statt. Nach der Auflösung des Bundesrathes 
übernahm die athenische Oberrechnungskammer die Dechargirung. 
Für den zweiten Bund fehlen die Nachrichten, doch ist schon darauf 
hingewiesen, dass eine Rechnungsablegung vor dem Synedrion grosse 
Wahrscheinlichkeit hat. Die Feldherren, welche Syntaxeis zur Er- 
hebung und sofortigen Verwendung erhalten hatten, mussten darüber 
Rechnung führen und dieselbe den competenten athenischen Behór- 
den zur Prüfung vorlegen. Vgl. Ap. g. Tim. 49: ἐκ γὰρ τῶν κοινῶν 
εὐυντάξεων fj μιςθοφορὰ ἦν τῷ ετρατεύματι, τὰ δέ χρήματα ci 
ἅπαντα ἐξέλεξας ἐκ τῶν ευμμάχων καὶ cé ἔδει λόγον ἀποδοῦναι 
κτλ. ἐν τῷ λόγῳ ἀπήνεγκεν αὐτοῖς δεδωκὼς εἰς τὰς γαῦς τὰς 
ἑπτὰ μνᾶς. - 


5. Die Hóhe der Einnahmen und Ausgaben der 
Bundeskasse. 


Bei der Berechnung der Einnahmen der Bundeskasse ist auch 
Athens Beisteuer zu dem, was durch die bundesgenössischen Gelder 
bestritten wurde, d. h. also zur Kriegsmacht, mit in Rechnung zu 
ziehen. Wenn auch die von Athen für sich zur Kriegsführung aus- 
gesetzten Gelder vielleicht nicht von den Beamten der Bundeskasse 
verwaltet wurden und sogar höchst wahrscheinlich nicht in die Kasse 
flossen, welche als κοινὸν τῶν εὐυμμάχων bezeichnet wird, so trug 
dennoch Athen zu Bundeszwecken bei Der Bund hatte den Zweck 
die Autonomie und die Sicherheit seiner Mitglieder gegen auswürtige 
Angriffe zu schützen. Zu diesem Ende musste der Bund eine be- 
deutende Kriegsmacht und im Besondern zur Sicherung des See- 
friedens eine starke Flotte unterhalten. Stellte nun der athenische 
Staat bedeutende Contingente zu derselben, erhob er von seinen 
Bürgern grosse, wesentlich zur Kriegsführung bestimmte, direkte | 
Vermögenssteuern (elcpopot), so muss man diese Leistungen, sofern 
man Áthen in seiner Stellung als Vorort und als ein Element des 
Bundes betrachtet, bei einer Uebersicht der Einnghmen und Aus- 
gaben des Bundes mit in Betracht ziehen. Diese Auffassung von 
den Flottencontingenten und den Kriegsgeldern, welche der athe- 
nische Staat selbst aufbrachte, blickt auch aus der Aeusserung der 
korkyraeischen Gesandten bei Xen. Hell. VI, 2, 9 hervor, in welcher 
es heisst, dass die Leistungen der Korkyraser, Mitgliedern des Bundes, 


120 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


von 376/5 eine wohlerworbene Beute im Werthe von 110 Tal. nach 
Hause brachte. Vgl. Dem. g. Lept. 77. 

Ausser durch Beutezüge, und Erlös von Gefangenen verschaffte 
man sich auch dadurch Geld, dass man von feindlichen oder mit dem 
Feinde in Beziehung stehenden Gemeinden Kriegscontributionen er- 
hob. Es ist bereits früher dargelegt, in welcher Weise dieses ge- 
schah und wie Thrasybulos dabei seinen Tod fand. Für die Erhebung 
von Contributionen giebt Xen. Hell. VI, 3, 38 Beispiele. Iphikrates 
segelt von Korkyra mit der Flotte nach den lakedaemonischen (d. h. 
feindlichen) Küsten hin. Ἰρῶτον μὲν εἰς Κεφαλληνίαν πλεύςας 
χρήματα ἐπράξατο, τὰ μὲν παρ᾽ ἑκόντων τὰ δὲ παρ᾽ ἀκόντων. 
Diese kephallenischen Städte waren kurz. vorher bekriegt und unter- 
werfen worden (VI, 2, 33). Ἑκόντων ist hier in dem an einer 
frühern Stelle besprochenen Sinne aufzufassen, dass die Städte keinen 
Widerstand leisteten, es auf die Anwendung von Zwangsmitteln zur 
Realisirung der Forderung nicht ankommen liessen. Es ergiebt sich 
dieses aus dem folgenden Satze, der das ganze Verfahren noch deut- 
licher zeigt: Ἔπειτα παρεςκευάζετο τὴν TE τῶν Λακεδαιμονίων - 
χώραν κακῶς ποιεῖν καὶ τῶν ἄλλων τῶν κατ᾽ ἐγεῖνα πόλεων 
πολεμίων oUcUv τὰς μὲν ἐθελούςεας παραλαμβάνειν, ταῖς δὲ 
μὴ πειθομέναις πολεμεῖν. Es sind feindliche Städte, von denen 
diese Contributionen einzutreiben sind, gaben sie nicht auf die ein- 
fache Forderung die verlangten Summen, so schritt man zu Zwangs- . 
mitteln, eröffnete die Feindseligkeiten, blokirte die Stadt und plün- 
derte ihr Gebiet. 

Unvergleichlich höher im Allgemeinen als die Summen, welche 
der Stratege sich verschaffte, waren diejenigen, welche der Staat 
selbst seinen Heeren gab und für die Kriegsmacht überhaupt ver- 
brauchte Athen reichte mit den gewöhnlichen Staatseinnahmen 
nicht aus. Schon in der Blüthezeit Athens, in den ersten Jahren des 
peloponnesischen Krieges hatte man direkte, ausserordentliche Ver- 
mögenssteuern (eicpopaí) ausschreiben müssen. Im ersten Jahre des 
neuen Bundes, im Archontenjahre des Nausinikos (378/7) wurde 
auf Grund eines reorganisirten Schätzungs- und Steuersystems eine 
grosse direkte Vermögenssteuer ausgeschrieben. Nach Grote betrug 
die Summe aller Eisphorai von 378/7 —355/4 300 Tal, Boeckh und 
Schaefer haben aber entschieden Recht, wenn sie annehmen diese 
300 Tal. seien allein im Archontenjahre des Nausinikos ausgeschrie- 
ben und in Theilzahlungen im Laufe der nächsten Jahre erlegt wor- 
den!) Da das eingeschätzte Steuerkapital Attikas damals 5750 Tal. 
betrug (Polyb. II, 62 und Boeckh a. O.), so belief sich die Ver- 
mögenssteuer von 378/7 auf circa 5°/, desselben. Die Eisphorai von 
176/5—166/5 machten 10°), des eingeschätzten Vermögens aus, d. h. 


1) Vgl. Grote deutsch von Meissner X, 150 fg. Thirlwall Hist. of 
Gr. V, 45 fg. Boeckh Sth. 1,8. 691 fg, Schaefer, Dem. u. 8. Z. I, S. 20 fg. 





199 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund.. 


leer war, dass man nach einer Angabe des Isokrates (v. Umt. 120) 
dem Timotheos für seine Flotte von fünfzig Trieren nicht mehr als 
dreizehn Talente mitgeben konnte. Vgl. Xen. Hell. V, 4, 63. Isokr. 
v. Umtausch 120. Schaefer, Dem. u. s. Z. I, 8. 45. Zu den fünf- 
hundert Talenten mögen, was sich aus einer späterhin zu gebenden 
Berechnung der ungeführen Gesammtsumme der Syntaxeis folgern 
lässt, von der damaligen Bundesgenossenschaft an Syntaxeis ungefähr 
zweihundert Talente beigetragen und hundert Talente mit den Beute- 
geldern bestritten sein. Ungeführ zweihundert Talente brachten also 
die Athener auf. 

Diese Summe von zweitausend Talenten, welche die Kriegs- 
führung von 378 bis 374 kostete, steht in richtigem Verhältnisse 
zu der Summe, welche nach bestimmten Angaben für den Bundes- 
genossenkrieg vom Sommer 357 bis Frühjahr 355 und den gleich. 
zeitig wenn auch mit schwachen Mitteln’mit Philippos von Make- 
donien geführten Krieg verausgabt wurde. Im Jahre 357 hatten 
die Athener eine Hauptflotte von sechzig Trieren in See. Es waren 
also monatlich 40 Tal. für die 12,000 Köpfe der Bemannung an 
Kostgeld und Sold auszugeben, so dass in den fünf bis sechs Kriegs- 
monaten dieses Jahres die Ausgabe für diese Eine Flotte ungefähr 
200 Tal. betrug. Dazu kommt ohne Zweifel eine Anzahl kleinerer 
Geschwader und Abtheilungen, durch welche die Gesammtausgabe 
mindestens auf 300 Tal. steigen dürfte. Im Jahre 356 waren 120 
Trieren zu einer grossen Flotte vereinigt, welche bis zum Hochsom- 
mer, wo der persische Satrap Artabazos die Löhnung übernahm, 
ungefähr 500 Tal. kosten mussten. Ein und ein halbes Kriegsjahr 
verschlang, wenn man die Summen einrechnet, die Pharnabazos gab 
und in Rechnung zieht, dass bis zum Frieden eine grosse Kriegs- 
macht unterhalten wurde, 1200 Tal. Demosthenes nimmt keine zu 
hohe Summe an, wenn er behauptet (Ol. III, 32), dass vom Jahre 
351 bis zum Jahre, in welchem er spricht, d. h. bis 349, für den 
Krieg wirklich 1500 Tal. ausgegeben seien. (Vgl. Aesch. ν. ἃ. Trugges 
70.) Der dritte oder vierte Theil der Kriegskosten wurde ohne 
Zweifel durch das, was sich der Feldherr selbst verschaffte (Beute- 
züge, Contributionen), aufgebracht, denn es beliefen sich wohl die 
gesammten Kriegskosten auf mindestens 2000 Tal. Dem. ΟἹ. ΠΙ, 32: 
TMeiw δὲ ἢ χιλία καὶ πεντακόεια τάλαντα ἀνηλώκαμεν εἰς οὐδὲν 
δέον. Aeschines giebt v. d. Trugges 70 an, dass die Kriegsführung 
des Chares in diesen Jahren der Stadt 1500 Tal. und 150 Kriegs- 
schiffe gekostet habe. Isokrates meint in der areopagitischen Rede 
(gehalten nach dem Jahre 353), dass πλείω ἢ χιλία τάλαντα μάτην 
auf die Söldner verwandt seien (Areop. 9). Es war natürlich, dass 
unter solchen Umständen, da beinahe unausgesetzt grössere Kriege 
geführt wurden, fortwährende Geldnoth herrschte. Man braucht 
durchaus nicht zur Erklärung der Geldnoth in den athenischen Staats- 
kassen die hoch gegriffenen Angaben den Uemosthenes über die 


724 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


schwächeren Bundesstädte den Athenern verblieben waren, so belief 
sich dennoch die Zahl der Bundesgenossen immerhin ungefähr auf 
fünf und zwanzig. Dazu gehörten die euboeischen Städte, welche 
nach Maassgabe dessen, was Eretria und Oreos jährlich zahlten, 
zusammen wenigstens 30 Tal. entrichten mussten. Kallias rechnet 
bei Aesch. g. Ktes. 95 seinem Zwecke nach eine hohe Summe an- 
setzend, dass alle euboeischen Städte als Mitglieder eines euboeischen 
Städtebundes unter der Führung von Chalkis 40 Tal. an Beisteuern 
aufbringen würden. Ausser den euboeischen Städten gehörten, wie 
sich späterhin ergeben wird, noch 15 bis 17 andere Gemeinwesen 
dem Bunde an. Zahlten nun diese im Durchschnitt nur je 4 Tal. 
— Andros, Thasos und andere Mitglieder trugen wohl die drei bis 
vierfache Summe bei — so würde sich bis zum Jahre 349/8, in 
welchem die euboeischen Städte verloren gingen, die Gesammtsumme 
der Syntaxeis auf mindestens 90 Tal. belaufen haben. Es erheben 
sich daher schwere Bedenken die von Demosthenes angegebenen 45 
Tal. als die Gesammtsumme der Syntaxeis zu betrachten, die im 
Jahre 355/4 eingehen sollten, aber bereits im Voraus erhoben waren. 
Man darf auch die 45 Tal. nicht als diejenige Summe auffassen, 
welche in Folge der Schädigungen durch den eben erst beendigten 
Bundesgenossenkrieg von den fälligen 90 Tal. thatsächlich nur ein- 
ging. Nach der gewöhnlichen Auffassung der Stelle waren die 45 
Tal. als die gesammte Bundessteuer bereits im Voraus wirklich 
erhoben. Ausserdem ist die Wirkung des Bundesgenossenkrieges 
auf das Eingehen nicht zu hoch anzuschlagen. Die Bundessteuer 
war niedrig, und unmöglich kann das Vermögen der Bundesstädte 
während eines und eines halben Kriegsjahres bis auf die Hälfte ge- 
sunken sein, so dass nach der gewöhnlichen, allgemeinen Quote nur 
45 Tal. zu fordern waren. Betrug aber die Gesammtsumme der 
Syntaxeis mehr als 45 Tal., so ist nicht abzusehen, warum dieselbe 
nicht in dieser Zeit, da See-Friede war, wie gewöhnlich einkommen 
konnte. Lassen wir zunächst diese Stelle auf sich beruhen und gehen 
zu einer andern Angabe tiber, die Aeschines in Bezug auf die Ge- 
sammtsumme der Syntaxeis macht. 

Es heisst v. d. Trugges 70: Βούλομαι δ᾽ ὑμᾶς καὶ τοὺς καιροὺς 
ὑπομνῆςαι ἐν οἷς ἐβουλεύεςεθε κτλ. beim Frieden des Philokrates 
im Jahre 346 --- — — τὴν μὲν ἀρχὴν τοῦ πολέμου ἐποιηςάμεθα 
ὑπὲρ ᾿Αμφιπόλεως, cuveßaıve ἡμῶν τὸν ςτρατηγὸν ἐν τῷ πολέμῳ 
ἑβδομήκοντα καὶ πέντε πόλεις ευμμαχίδας ἀποβεβληκέναι, ἑκατὸν 
καὶ πεντήκοντα τριήρεις δὲ λαβόντα ἐκ τῶν νεωρίων μὴ κατακεκο- 
μικέναι, χίλια καὶ πεντακόεια τάλαντα δὲ οὐκ eic ςτρατιώτας ἀλλ᾽ 
εἰς ἡγεμόνων ἀλαζονείας ἀνηλωκέναι, Διάρην τε καὶ Δηΐπορον 
καὶ ἸΤολυφόντην, δραπέτας ἀνθρώπους ἐκ τῆς Ἑλλάδος ευνειλε- 
γμένους καὶ χώρας eic τοὺς περὶ τὸ βῆμα καὶ τὴν ἐκκληςίαν μιςθο- 
φόρους oi τοὺς μὲν ταλαιπώρους νηςιώτας καθ᾽ ἕκαςτον ἐνιαυτὸν 
εἰεέπραττον ἑξήκοντα τάλοντο cwiaEN, κατῆγον δὲ πλοῖα 


126 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Berechnung wäre falsch und 45 Talente damals die rechtmässige, 
einfache Summe der Syntaxeis gewesen, so hätte in den Jahren zur 
Zeit des Bundesgenossenkrieges die um den dritten Theil erhöhte 
Syntaxis 67'/, Talente betragen müssen, und Aeschines, dem es an 
der betreffenden Stelle darauf ankommen musste, eine hohe Zahl zu 
nennen, bätte er nicht unterlassen 70 Talente statt 60, anzugeben. 
Es bleibt noch die Erklärung der Aussage des Demosthenes übrig, 
über welche nicht ohne Weiteres hinwegzugehen ist. Demosthenes 
sagt also, als er die politische Laufbahn begonnen hätte (ein halbes 
oder ein Jahr nach dem Bundesgenossenkriege) seien an Syntaxeis 
45 Tal. eingekommen, “und auch diese waren bereits im Voraus er- 
hoben’ (xai ταῦτ᾽ ἦν προεξειλεγμένα). Diese Stelle lässt, woran 
Boeckh, Schaefer und die, welche ihnen folgen, gar nicht gedacht 
haben, zwei Erklürungen zu. Erstens: Die Syntaxeis des Jahres, in 
welchem Demosthenes spricht, betrugen 45 Tal., sie waren aber bereits 
im Voraus, wührend des Bundesgenossenkrieges, erhoben, so dass 
in diesem Jahre 3565/4 realiter nichts einkam. Zweitens: die 45 Tal., 
welche in dem Jahre 355/4 realiter einkamen, waren eine auf die 
Bundessteuern der nüchsten Jahre im Voraus erhobene Summe. 
Schaefer und Boeckh nehmen offenbar ohne Weiteres die erstere 
Deutung an, denn nur $0 ist die Annahme, dass die 45 Talente die 
damalige reguläre Summe der Syntaxeis, und die 60 Talente eine 
Erhöhung um den dritten Theil gewesen, möglich. Die Consequenzen, 
welche sich aus dieser Annahme ergeben, ergeben indessen Wider- 
sprüche, man muss sich also an die zweite Deutung halten, nach welcher 
45 Talente in jenem Jahre realiter eingingen, aber von den Syn- 
taxeis der folgenden Jahre im Voraus erhoben waren, und ausserdem 
die grosse Wahrscheinlichkeit für sich habende Voraussetzung an- 
nehmen, dass die Syntaxis des Jahres 355/4 im vorhergehenden 
Kriegsjahre bereits erhoben war. Es war das Kriegsjahr, in welchem 
man 120 Trieren aufstellen musste, aber sich so in Geldnoth befand, 
dass der athenische Feldherr Chares mit dem ganzen Heere, um es 
zusammenzubalten und etwas Geld zu verdienen, bei einem persischen 
Satrapen Solddienst nahm. Man hatte demnach in dem Jahre 355/4 
nichts von den Bundesgenossen rechtlich zu fordern — und hierin 
kommt unsere Erklürung mit Schaefer und Boeckh überein — der 
athenische Staatsschatz war aber gänzlich erschöpft, die athenische 
Bürgerschaft in Folge der vielen Vermögenssteuern und der durch 
den Krieg erlittenen Schädigungen nicht im Stande eine bedeutende 
Summe aufzubringen, und doch brauchte man Geld zur Unter- 
haltung der Kriegsmacht, denn in Thralien dauerten die Feindselig- 
keiten fori, man musste dem Vorgehen des Philippos entgegentreten, 
und auch der Chersonesos war ernstlich bedroht. Nun konnte es 
den Bundesgenossen nicht schwer fallen, einen Theil ihrer an sich 
nicht hohen Bundessteuer im Voraus zu bezahlen, es musste den 
Athenern in ihrer Geldnoth nahe liegen, einen gewissen Procentsatz 


128 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


jährlich 1200 betragen. Es ist hier nicht der Ort auf eine Unter- 
suchung der Einnahmen des athenischen Staates als solchen einzu- 
gehen, doch erscheint auch diese von Boeckh angenommene Summe 
wohl zu hoch. Was jedoch die Summe der Bundessteuern betrifft, 
so ist sie eine Unmöglichkeit, denn jede der damals übrigen fünf- 
zehn bis zwanzig Städte hätten im Durchschnitt 25 Talente bei- 
steuern müssen, was. ganz ausser Verhältniss zu dem steht, was sonst 
die Bundesstädte beitrugen. 


e. Die Kriegsmacht des Bundes. 
^L 


Der Vorort hat die Leitung und Verwaltung des gesammten 
Heer- und Flottenwesens des Bundes. Er bestimmt die Stürke der 
zur Kriegsführung nöthigen Streitkräfte und das Oberkommando. 
Stellt ein Bundesstaat eigene Contingente, so stehen dieselben unter 
einheimischen, eigenen Unterbefehlshabern. 

Die Bundesgenossen werden bei der Kriegserklärung, bei der _ 
Normirung der Leistungen der Bundesgenossen zur Kriegsmacht 
überhaupt mitberathen haben, sobald aber der Krieg erklärt war, 
bestimmte der Vorort allein die Stärke der ausziehenden Heeres- 
macht und damit auch die Höhe der Contingente, welche die Bundes- 
genossen in dem betreffenden Falle zu leisten hatten. Es war dieses 
auch im lakedaemonischen und ersten athenischen Bunde Bundes- 
recht. Lakedaemon sagte nach erfolgter Kriegserklärung an, welche 
Quote ihrer Wehrmannschaft die Bundesgemeinden nach einem als 
Sammelplatz bestimmten Orte zu schicken hatten, und verfügte dann 
allein über die Verwendung der Contingente zu den kriegerischen 
Operationen. Vgl. Thuk. II, 10. III, 15; Xen. Hell. III, 1, 4. 
4,2. V, 2, 21. Im ersten athenischen Bunde hatten die bundes- 
genössischen Contingente ihre eigenen Führer, im lakedaemonischen 
erhielten sie ihre Hauptleute „die Fremdenführer“ (ξεναγοί) von dem 
Vorort. Vgl. Thuk. II, 75; St. d. Laked. 18; Xen. Hell. III, 5, 7. 
V, 1, 33. 

Dass im zweiten athenischen Bunde die bundesgenössischen 
Contingente eigene Abtheilungsführer hatten, ergiebt sich mit hin- 
reichender Gewissheit aus Appollod. g. Tim. 11 fg., wo von boeoti- 
schen Trierarchen und dem boeotischen Nauarchen die Rede ist. 
Hierher gehört auch der Volksbeschluss, der den Führern einer 
Schaar Arkarnanen, welche als Hülfscontingent zur Schlacht von 
Chaeronea gekommen sind, den Dank des athenischen Volkes aus- 
spricht, vgl. Monatsb. d. Berl. Ak. 1856, S. 121 fg. 

Was das Oberkommando und die Bestimmung der Stärke der 
operirenden Heereskürper betrifft, so sagt Diod. XV, 29 beim Ausbruche 
des Krieges im Jahre 371: Οἱ ᾿Αθηναῖοι κρίναντες πολεμεῖν crpa- 


— M 


180 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


8. Die Bestandtheile der Mannschaften und das 
| Soldwesen. 


Das Heer und die Flottenmannschaft bestand aus dem athenischen 
Contingent und den bundesgenössischen Abtheilungen. Jeder von 
diesen beiden Theilen des Heeres war zusammengesetzt entweder 
aus Bürgern der eigenen Stadt, welche zum Kriegsdienst ausgehoben 
waren, oder aus im Auslande oder im eigenen Gebiete angeworbenen 
Leuten, vgl. d. 2. Die Löhnung wurde der Hauptsache nach von 
den Áthenern aus der gemeinsamen Kriegskasse bestritten. Athen 
zahlte den Strategen die nöthigen Summen aus.oder wies sie an, 
der Stratege gab dann an die Trierarchen die ihnen zukommenden 
Summen an μιςθός und cirpéciov. Ebenso erhielten von ihnen die 
Fültrer der bundesgenóssischen Contingente die Lóhnung für ihre 
Mannschaft, vgl. die betreffenden Stellen aus Apollod. g. Polykl. 
14 fg. u. g. Tim. 11 fg. Es würde zu weit führen alle Stellen auf- 
zureihen, aus denen hervorgeht, welche Ausdehnung die Söldnerei 
damals in Griechenland überhaupt und besonders auch in den Staaten 
des athenischen Seebundes gewonnen hatte, und wie angeworbene 
Schaaren an die Stelle der Bürgerwehren getreten waren. Das 
Süldnerwesen ist Gegenstand der bestündigen Klage patriotisch ge- 
sinnter Männer, eine fortwührende Plage ebenso sehr der Athener 
als ihrer Bundesgenossen. Vgl. den eben citirten Volksbeschluss bei 
Rang. Nr. 393: Ὅπως μὴ ἀναλτγεῖς da τῷ δήμῳ τῷ ᾿Αθηναίων 
καὶ τῷ δήμῳ τῶν ᾿Ανδρίων καὶ Exwcı οἱ φρουροὶ οἱ ἐν "Avdpw 
μιςθὸν κτλ. Obwohl in vielen Kreisen sicherlich die nöthige Einsicht 
und auch der Wille vorhanden war, dem Söldnerwesen ein Ende zu 
machen, so besassen dennoch die Áthener nicht die nöthige Kraft, 
sich, wenn nöthig, aufzuraffen, auf eine Zeit lang den friedlichen 
Beschäftigungen und dem ruhigen Leben zu entsagen, statt auf dem 
Marktplatz mit Reden, im Felde gegen den Feind mit Waffen zu 
k&mpfen. In der ersten Zeit des Bundes finden sich noch Bürger- 
heere, spüterhin nur in gefahrvollen Momenten oder bei grossen, 
entscheidenden Kämpfen, wie bei Mantinea, Chaeronea u. 8. w. In 
Bezug auf die Flottenmannschaft gilt dasselbe, nur hatte hier noch 
mehr die Söldnerei Platz gegriffen. Als im Jahre 376 von der lake- 
daemonischen Flotte den Athenern die pontischen Zufuhren abge- 
schnitten und damit die Athener in eine arge Lage gebracht wurden, 
so dass man einen entscheidenden Kampf wagen musste, γνόντες 
οἱ ᾿Αθηναῖοι τὴν ἀνάγκην ἐνέβηςαν αὐτοὶ eic τὰς ναῦς καὶ ναυ- 
μαχήςαντες κτλ. (Hell. V, 4, 61). Da das αὐτοὶ ἐνέβηςαν hier als 
etwas Besonderes hervorgehoben wird, so muss man annehmen, dass 
damals bereits die Flottenmannschaften gewöhnlich aus Söldnern 
bestanden. Von der lakedaemonischen Flotte sagt dieses der Athener 
Kephisodotos bei Xen. Hell. VI, 1, 12 ganz positiv: Δῆλον ὅτι 
Téuyouct τοὺς μὲν τριηράρχους Λακεδαιμονίους xai Icwc τοὺς 


1 32 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund, 


demos, der drei Jahre lang von Iphikrates gemiethet war, dann, als 
Timotheos an Stelle des Iphikrates das Commando in Thrakien und 
auf dem Chersones erhielt, zu Kotys überging, nachdem er den 
Athenern und natürlich auch den Bundesstädten an jener Küste 
gehörigen Schaden zugeftigt hatte. Spüterhin dient Charidemos unter 
dem persischen Satrapen Pharnabazos und scheut sich nicht be- 
freundete, wegen der Nühe der Truppen ihres Herrn sorglose und 
unbewachte Städte zu nehmen, die er nur besonderer Umstände 
wegen ungeplündert wieder verlässt. Wenn dieses geschah, während 
. der Satrap, dem diese Städte gehörten, mit dem Heere nicht fern 
stand, so lässt sich denken, dass oft genug athenische Bundesstädte, 
zu deren Schutz nicht immer eine genügend starke Streitmacht zur 
Hand sein konnte, von Söldnern arg zu leiden hatten. 

Nach dem Bundesgenossenkriege und in Folge désselben wurde 
das Sóldnerwesen noch schlimmer als vorher. Demosthenes, der nicht 
oft genug darauf dringen kann, dass die Bürger selbst ins Feld ziehen 
sollen, begnügt sich Phil. I, 3 mit der Forderung von 500 Bürgern 
auf 2000 Hopliten, von 50 Bürgern, auf 200 Reiter. Es würde 
leichter sein, meint Demosthenes, ein grósseres Heer aus den herum- 
streichenden Leuten als aus Bürgern zusammenzubringen: οὕτω γὰρ 
ἔχει τὰ τῆς πόλεως ὥςτε ῥᾷον εἶναι ευςετῆςαι crparómebov μεῖζον 
καὶ κρεῖττον ἐκ τῶν πλανωμένων ἢ τῶν πολιτευομένων. Und 
Isokrates sagt v. Fr. 44: "Apyeiv μὲν ἁπάντων ζητοῦμεν, ετρατεύ- 
εεθαι δ᾽ οὐκ ἐθελοῦμεν, ἀλλ᾽ ἀνθρώπους τοὺς μὲν ἀπόλιδας, τοὺς 
δ᾽ ἐκ τῶν ἄλλων κακουργιῶν cuveppunxórac, οἷς ὁπόταν τις διδῷ 
«πλείω μιςθὸν (vgl. Ap. g. Polykl. 14) μετ᾽ ἐκείνων ἐφ᾽ ἡμᾶς ἀκο- 
λουθοῦειν...... αὐτοὶ μὲν ἐνδεεῖς τῶν καθ᾽ ἡμέραν ἐεμὲν, ξενο- 
τροφεῖν δ᾽ ἐπιχειρήκαμεν καὶ τοὺς ευμμάχους τοὺς ἡμετέρους 
αὐτῶν ἰδίᾳ λυμαινόμεθα καὶ δεεμολογοῦμεν, ἵνα τοῖς ἁπάντων 
ἀνθρώπων κοινοῖς ἐχθροῖς τὸν μιςθὸν ἐκπορίζομεν. 


f. Die Seepolizei. 


Ein Hauptvortheil, welchen der Bund nicht nur seinen Mit- 
gliedern, sondern den hellenischen See- und Handelsstüdten über- 
haupt gewührte, war die von ihm unter Leitung des Vororts geübte 
Seepolizei. Eine solche war ein dringendes Bedürfniss, denn die 
Seeräuber setzten sich mit Vorliebe an den belebtesten Strassen des 
Seeverkehres fest und brachten ihre Beute in schwer zugüngliche, 
leicht zu vertheidigende Schlupfwinkel in Sicherheit, um sie dann in 
den mit ihnen in Beziehungen stehenden Seestädten abzusetzen. Der 
Archipelagos ist besonders in Folge seiner Küstenbildung stets eine 
Lieblingsstation der Seeräuber gewesen, und wenn auch die See- 
räuberei nicht in solcher Stärke auftrat wie dreihundert Jahre später, 
als der mächtigste Staat der Welt Anstrengungen machen musste sie 
zu bewältigen, so zeigt doch der Umstand ihre Bedeutung, dass im 


184 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Bundesstüdte eigene Gerichtsbarkeit gehabt. Boeckh hat entshieden 
Recht, es würe die Entziehung der hóhern Gerichtsbarkeit durchaus 
der Autonomie zuwider gewesen, es lassen sich nur solche Processe 
in Athen und nur dann Eingriffe Athens in die polizeiliche und 
richterliche Gewalt der Einzelstaaten nachweisen, wo es sich um 
Bundesinteressen handelt. Die einzige Stelle, welche zu einer ent- 
gegengesetzten Auffassung führen könnte und von Rehdantz auch 
eitirt wird, ist Isokr. Panath. 63: Οἶμαι δὲ τοὺς ἀηδῶς ἀκούοντας 
τῶν λόγων τούτων (dass die Athener sich mehr um Hellas verdient 
gemacht als die Lakedaemonier und besser als diese die bundes- 
genössischen Seestädte behandelt haben) τοῖς μὲν εἰρημένοις οὐδὲν 
ἀντερεῖν ὧς οὐκ ἀληθέειν oUciv, οὐδ᾽ αὖ πράξεις ἑτέρας ἕξειν 
εἶπειν..... κατηγορεῖν δὲ τῆς πόλεως ἡμῶν ἐπιχειρήςειν, ὅπως 
ἀεὶ ποιεῖν εἰώθαει, καὶ διεξιέναι τὰς δυςχερεςτάτας τῶν πράξεων 
τῶν ἐπὶ τῆς ἀρχῆς τῆς κατὰ θάλατταν γεγενημένων, καὶ τάς τε 
δίκας καὶ τὰς κρίςεις τὰς ἐνθάδε τιγνομένας τοῖς ευμμάχοις 
καὶ τὴν τῶν φόρων εἴςπραξιν διαβαλεῖν, καὶ uädıcra διατρίψειν 
περὶ τὰ Μηλίων πάθη καὶ Cırıwvaiwv καὶ Τορωναίων οἰουμένους 
ταῖς κατηγορίαις ταύταις καταρρυπανεῖν τὰς τῆς πόλεως εὐερτγε- 
cíac κτλ. Das τὰς κρίςεις τὰς ἐνθάδε γιγνομένας scheint auf den 
ersten Blick darauf hinzuweisen, dass die Processe damals geführt 
wurden, als der Redner sprach. Allein γιγνομένας kann auch das 
Participium des Tempus, welches die Dauer in der Vergangenheit 
bezeichnet, vertreten. Man muss diese Möglichkeit hier als Wirklichkeit 
betrachten, weil alles Uebrige, was sonst angeführt wird, der Zeit 
des ersten Bundes entnommen ist, so das Eintreiben von Phoros, 
das Verfahren gegen Melos (im Jahre 416), gegen Torone und 
Skione (im Jahre 423/2). Ausserdem würe, wie schon bemerkt, 
dieses eine zu auffallende Verletzung der Autonomie gewesen, welche 
die Athener zur Zeit des zweiten Bundes nicht wagen durften, sie 
erkannten die Autonomie und die sich aus diesem Begriffe ergebenden 
Rechte der Bundesgenossen wenigstens formell an. Processe dagegen, 
welche diejenigen Fülle betrafen, in denen sich Jemand gegen den 
Bund als solehen vergangen hatte, wurden natürlich im Vororte des 
Bundes von Athenern und Bundesgenossen gemeinsam geführt, vgl. 
das Psephisma über den athenischen ‚Grundbesitz im bundesgenössi- 
schen Gebiete, wo bestimmt wird, ἐάν τις κτᾶται κτλ... ἐξεῖναι 
τῷ βουλομένῳ φῆναι πρὸς τοὺς cuvéópouc τῶν ευμμάχων. Wer 
einen Antrag auf Umstossung dieses Psephisma einbringt, der soll 
ὡς διαλύων τὴν ευμμάχιαν angeklagt, und sein Process vor einem 
aus Athenern und Bundesgenossen zusammengesetzten Gerichte ge- 
führt werden, xpıvecdw ἐν ᾿Αθηναίοις καὶ τοῖς εὐμμάχοις. Der 
schuldig Befundene verliert sein Vermögen, die eine Hälfte desselben 
fällt an den Kläger, die andere an die bundesgenóssische Ksbse, er 
selbst wird verbannt oder hingerichtet und darf im ganzen Bundes- 
gehiete nicht beerdigt werden. 


136 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund, 


Bill des Aristokrates ohne Verurtheilung durch die Erklärung zum 
ἀγώγιμος Strafe verhänge. Auserdem sei die Bill mit den Gesetzen 
unverträglich, weil τῶν νόμων οὐδὲ τοὺς ἑαλωκότας διδόντων 
ἀπάγειν ἐν τῇ ἡμεδαπῇ, εὺ γράφεις ἄνευ κρίςεως τινὰ ἀγώγιμον 
εἶναι ἐκ τῆς ευμμαχίδος πάςης. Wenn es schon ungesetzlich sei, 
Jemanden als ἀγώγιμος im eigenen Lande zu erklären, um wie viel 
mehr im ganzen Bundesgenossengebiete, weil offenbar dieses nicht 
nur ein grösseres Gebiet ist, sondern gar nicht unter der Jurisdiction 
der Athener steht. Die Athener konnten auch ein solches Recht 
nicht haben, weil es ein zu grosser, die Autonomie verletzender Ein- 
griff in die richterliche Gewalt und in das Asylrecht. der Bundes- 
städte gewesen wäre. 


2. Streitigkeiten zwischen bundesgenössischen Städten. 


Im ersten athenischen Bunde griffen die Athener bei Streitig- 
keiten zwischen Bundesstaaten nur dann ein, wenn sie eine Partei 
anrief. Dasselbe geschah im lakedaemonischen Bunde vgl. Thuk. 
V, 1. 31. IV, 134. Xen. Hell. IIT, 5. 4. V, 2. 9. Sonst hatten die 
Bundesgenossen das Recht durch schiedsrichterliche Entscheidung 
einer dritten, von den streitenden Parteien dazu ausersehenen Stadt 
oder durch die Waffen ihre Streitigkeiten auszumachen. Wenn ein 
Bundeskrieg erklärt war, musste jedoch bei solchen Fehden der 
einzelnen Bundesstädte unter einander sofort Waffenruhe eintreten, 
vgl. Thuk. V, 31. V, 79. Xen. Hell. V, 4. 37. 

Was den zweiten Bund betrifft, so sind über diesen Punkt nur 
kurze Andeutungen erhalten. Die Athener zwangen die Maroniten 
und Thasier, die sich über den Ort Stryme stritten und mit einander 
Krieg führten λόγοις διακριθῆναι. Athen entschied zu Gunsten der 
Thasier. Apollod. g. Polykl. 14. Brief Phil. 19. Da sich die Maro- 
niten dem Spruche nicht fügen wollten, so schritten die Athener 
mit Waffengewalt ein und bekriegten mit den Thasiern zusammen 
die Maroniten. Ein Angriff auf das von den Maroniten besetzte 
Stryme schlug indessen fehl. Ap. g. Polykl. 21 und 29 fg., vgl. 
Schaefer Dem. u. s. Z. I, S. 135. 

Dieses Einschreiten der Athener darf man sicherlich nicht ohne 
Weiteres für “ungerechtfertigt’ erklären, man müsste erst festgestellt 
haben, dass die Bundesgesetze dieses nicht zuliessen, was nicht ein- 
mal a priori als wahrscheinlich anzunehmen ist. Schaefer meint in- 
dessen — was übrigens seiner gesammten Auffassung entspricht — 
die Intervention der Athener wäre durchaus ungerechtfertigt gewesen 
“und um so unverantwortlicher, da wenige Tage vorher athenische 
Kriegsschiffe den Maroniten auf ihr Verlangen freundschaftliche 
Dienste geleistet hätten”. Die Maroniten hatten nämlich den auf 
dem Chersonesos stationirten athenischen Strategen ersucht, ihre 
pontischen Getreide- und Handelsschiffe sicher von Sestos nach Marones 
führen zu lassen. Zu den dazu vom Strategen bestimmten Trier- 


(38 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. : 


Lakedaemoniern keine Unterdrückung zu befürchten hatte und 
auch sonst keins Gefahr drohen sah, so blieb man der Natur der 
Hellenen gemäss lieber ganz unabhängig, als dass man sich einem 
Bundessysteme anschloss. Ausserdem hatte das vieljährige Bestehen 
der athenischen See-Hegemonie, die jede freie Bewegung der ab- 
hängigen Gemeinden unterdrückte, einen so ungünstigen Eindruck 
hinterlassen, dass die Bildung eines neuen athenischen Seebundes 
mit grossem Misstrauen betrachtet wurde. Diod. XV, 23. 4. Dem. 
g. Lept. 5. 480, 5. 

Rhodos, Chios, Mitylene, Methymna, Byzantion, Perinthos, 
welche sogleich der Aufforderung der Athener Folge leisteten, stan- 
den noch vom korinthischen Kriege her mit Athen in guten Be- 
ziehungen. In Byzantion war während jenes Krieges eine entschie- 
dene und durchaus athenisch gesinnte Demokratie ans Ruder gekom- 
men, welche trotz des antalkidischen Friedens mit den Athenern 
enge Beziehungen unterhielt. Ebenso hatte in Rhodos die Demo- 
kratie mit Hülfe Athens gesiegt, nicht minder verdankten Chios und 
Mitylene in hohem Grade der Action der Athener ihre Unabhängig- 
keit von der lakedaemonischen Herrschaft. Diese Städte hatten 
‘daher genügende Gründe den Athenern näher zu treten als andere 
und lagen gerade nahe genug dem Gebiete persischer Satrapen und 
entfernt genug von Athen, um mehr jene als dieses zu fürchten. 
Man sicherte sich gern durch den Eintritt in die athenische Sym. 
machie eine bedeutende Unterdrückung im Falle eines Angriffes, 
dem man in isolirter Stellung kaum auf die Dauer Widerstand ge- 
leistet hütte. Was der Rückhalt an die athenische Symmachie für 
diese Städte bedeutete, zeigt die Thatsache, dass nach der Katastrophe 
des athenischen Bundes und der Isolirung dieser Politien Kos und 
Rhodos von dem karischen Dynasten abhängig wurden, während 
auf Lesbos der persische Satrap schaltete. Auf Samos, einer Insel, 
die im Jahre 365 für Athen gewonnen wurde, befindet sich in der 
vorhergehenden Zeit eine persiche Besatzung. 

Zwischen diesen an der asiatischen Küste hin gelegenen Inseln 
und Attika liegt die Inselgruppe der Kykladen, welche als Central- 
stellung des Archipelagos für den neuen Seebund von der grössten 
Wichtigkeit sein musste. Die Schlacht bei Knidos und das Er- 
scheinen der persischen Flotte hatte diese Inselu zum Abfall von 
den Lakedaemoniern veranlasst, dem Frieden des Antalkidas ver- 
dankten sie auch eine formelle Garantie ihrer Selbständigkeit, denn 
die Lakedaemonier durften sie nicht zwingen in das frühere bundes- 
genössische Abhüngigkeitsverhültniss zurückzukehren. Doch gelang 
es den Lakedaemoniern durch den Druck ihrer auf einem grossen 
Theil von Hellas lastenden Uebermacht die Gestaltung der Partei- 
verhältnisse wesentlich zu beeinflussen, so dass die oligarchische 
Partei in vielen Seestädten ans Ruder kam, wodurch. diese von der 
lakedaemonischen Politik abhängig wurden. In ähnlicher Weise 


140 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


nicht dem “Könige” angehören, in mittelbarer Weise zum Beitritt 
auf. Als Zweck des Bundes wird die Befreiung der Hellenen von 
der Herrschaft der Lakedaemonier, Autonomie der hellenischen Ge- 
meinden und Schutz eines jeden Bundesmitgliedes gegen jeden Angriff 
hingestellt. Alle Bundesgenossen sollen autonom sein und gleiche, 
Recht haben. 

Die Autonomie und im Besondern die Integrität des Gebietes 
erhält dadurch eine stärkere Garantie, dass weder die athenische 
Bürgerschaft als solche, noch ein einzelner Büger im Bundesgenossen- 
gebiet Häuser oder Landgüter besitzen darf. Gegen Zuwiderhan- 
delnde wird vor Athenern und Bundergenossen der Process gemacht, 
und ihr Vergehen mit den schwersten Strafen geahndet. Die Dauer 
der Gültigkeit dieses Psephisma selbst wird dadurch gesichert, dass 
derjenige, welcher es aufzuheben beantragt, als Hochverräther am 
Bunde ἄτιμος wird und Todesstrafe oder Verbannung erleidet. Ein 
letzter Artikel bestimmt, dass der Volksbeschluss auf eine Säule 
geschrieben werden soll, auf welcher auch die Namen der Bundes- 
genossen zu verzeichnen sind. V, 69: εἰς δὲ τὴν «ςτήλην ταύτην 
ἀναγράφειν τῶν TE OUCWV πόλεων ςυμμαχίδων τὰ ὀνόματα καὶ ἥτις 
ἂν ἄλλη εύμμαχος τίγνηται. 

Die Namen der Bundesgenossen stehen theils unter dem Texte 
des Volksbeschlusses auf der Vorderseite der Säule, theils auf den 
Seitenflächen, von denen die rechte völlig verstümmelt ist. Auf das 
Stück des Verzeichnisses, welches die Vorderseite enthält, folgt 
wieder der Text eines Psephisma, von dem jedoch nur die Einleitung 
und wenige Worte erhalten sind. Da es von demselben Aristoteles 
beantragt ist und statt des gewöhnlichen vollen Einganges eines 
selbstständigen Volksbeschlusses (ἐπὶ τοῦ δεῖνος ἄρχοντος κτλ. ἔδοξε 
τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ) nur den Namen des Antragstellers, nicht 
einmal das Archontenjahr giebt, so wird dieses zweite, mit kleinern 
Buchstaben geschriebene Psephisma als Ánhang oder Ergünzung des 
zuerst beschlossenen zu betrachten sein. Dass dieses andere Pse- 
phisma im engen Zusammenhange mit dem vorhergehenden steht 
und wohl im Wesentlichen Ausführungsbestimmungen, wie über dic 
Aufnahme eines neuen Bundesmitgliedes gab, darauf deutet der 
fragmentarisch erhaltene Anfang: Ἐπειδὰν ἑκόντες mpocyupuc .... 
éyngicuéva τῷ δήμῳ xoi 1(oic cuuuáyoic).... vricuv eic τὴν ευμ- 
uaxíav. Es wird hier von einem freiwilligen Beitreten gesprochen, 
wie es bei einer auf Autonomie beruhenden Bundesgenossenschaft 
nothwendig war, und wahrscheinlich von der Verpflichtung des 
neuen Mitgliedes die Beschlüsse der Athener und ihrer Bundesge- 
nossen anzuerkennen und zu befolgen. 

In Bezug auf das Recht überhaupt Mitglied des Bundes zu 
werden ist es höchst bemerkenswerth, dass alle hellenischen und 
nicht-hellenischen Gemeinden, sofern sie dem Grosskünige gehüren, 
von der Theilnahme an der Bundesgenossenschaft ausgeschlossen 


143 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


bisher ohne Zweifel nächst Athen die erste Stadt im Bunde, während 
Chios schon lange vor der Begründung des Bundes zu Athen und 
ausserdem eine grosse und reiche Insel war. Ueber die Blüthe der Insel 
zur Zeit des peloponnesischer Krieges vgl. Thuk. VII, 24 und 45. 
An die Seite von Chios und Theben konnte sich von den neu 
hinzugekommenen Bundesstädten ohne Zweifel vor allen andern 
Korkyra stellen. Keine Stadt hatte mehr Anrecht auf diese Stelle 
als die der Korkyräer, welche, abgesehen von Athen, von allen 
zum Bunde gehörigen Staaten die meisten Schiffe stellte und die 
höchsten Summen zahlte!. Eine derartige Abweichung von der 
chronologischen Folge konnte natürlich nur in äusserst wenigen 
Fällen und nur da stattfinden, wo einerseits die über andere Städte 
hervorragende Stellung eine ganz unbestrittene war, — denn fernere 
Abweichungen zu Gunsten höherer Bedeutung hätten das Verzeich- 
niss zu einer Rangliste gemacht und eine unfibersehbare Reihe sach- 
licher und politischer Streitigkeiten hervorgerufen — andrerseits 
die technischen Schwierigkeiten nicht zu hindernd in den Weg traten. 
In der That ist auch ausser an der ersten Stelle nirgends Rücksicht 
auf das Machtverhältniss genommen worden: Methymna steht vor 
Rhodos, Dia vor Paros, Pronnos vor dem Molosserkönige Alketas. 
Die Anordnung der Namen auf der Seitenfläche erfordert keine 


— — . ----.....- 
. 


1) Die Art und Weise, wie Korkyra verzeichnet ist, muss zu einer 
Bemerkung darüber veranlassen. Wührend sonet nümlich einfach Θάειοι, 
᾿Αβδηρῖται κτλ. steht, findet sich hier Κερκυραίων ὁ δῆμος. Eine Er- 
klärung ist auf zwiefachem Wege möglich. Es könnte ein solcher Aus- 
druck darauf hinweisen, dass nur die damals auf der Insel herrschende 
demokratische Partei zu Athen hielt, denn ähnlich liest man Ζακυνθίων 
ὁ δῆμος ὁ ἐν τῷ Νήλλῳ, weil die Zakyntbier gespalten waren und nur 
die Demokratie von Zakynthos zu Athen hielt. Während nämlich auf 
dieser Insel die Oligarchen die Stadt behaupteten und auf der Seite der 
Lakedaemonier standen, bildeten die Demokraten auf einem andern 
Theile der Insel eine besonders organisirte Politie, bauten sich einen 
festen Vertheidigungsplatz Nellos und liesen sich in den athenischen 
Bund aufnehmen. Indessen nur eine ähnliche schroffe Spaltung, wie sie 
auf Zakynthos bestand, durfte zu einer besondern Verzeichnung des 
Demos veranlassen, denn wenn man nur damit sagen wollte, dass die 
herrschende demokratische Partei die Trägerin des Bundesverhältnisses 
war, so hätte man sicherlich die meisten Städte in gleicher Weise ver- 
zeichnen müssen, in Bezug auf Korkyra ist aber eine derartige Trennung 
des Gemeinwesens in zwei getrennte staatliche Organismen nicht be- 
kannt. Eine andere Erklärung hat wohl die grössere Wahrscheinlichkeit 
für sich, nämlich die, dass der Schreiber aus rein äusserlichen Gründen, 
weil etwa der Name der folgenden Bundesgemeinde bereits in den Stein 
eingehauen und ein zu grosser Raum für den Namen der ersten Stadt 
gelassen war, Κερκυραίων ὁ δῆμος schrieb, um eine in die Augen fallende 
Lücke zu vermeiden. Es finden sich genug Beispiele, welche beweisen, 
dass auch hierbei der "ästhetische Sinn der Hellenen massgebend ‚war. 
Eine leere Stelle in einem fortlaufenden Verzeichnies musste missfallen. 
Ueberdies ist in einem demokratischen Staate der Demos mit dem 
Staate selbst staatsrechtlich identisch, ᾿Αθηναῖοι und ᾿Αθηναίων ὁ δῆμος, 
wie auch in dieser Inschrift steht, bedeutet ein und dasselbe. 


144 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


man neben Chios und Rhodos, weil die Namen jener Inseln zu kurz 
waren, um den Raum zu füllen und eine auffallende Lücke liessen. 
Weiter unten finden sich ähnliche Fälle. Der Grund, weshalb Theben, 
das der Zeit seines Beitrittes nach zwischen Perinthos und Peparethos 
seinen Platz haben sollte, an der Spitze der zweiten Reihe steht, ist 
oben berührt worden. Auf die Mitglieder, welche den Bund über- 
haupt erst stifteten, und auf Theben folgen die Namen euboeischer 
Stüdte und der bei Euboea liegenden kleinern Inseln. Es stimmt 
dieses vollkommen mit der Ueberlieferung bei Diodoros (also Epho- 
ros) überein und muss das Zutrauen zu der Zuverlässigkeit dieser 
Quelle, wenigstens in Bezug auf die maritimen Verhältnisse, 
erhöhen, vgl. Diod. XV, 30: πρῶται xai πρυθυμόταται cuveuáyncav 
αἱ κατὰ τὴν Εὔβοιαν oikoücaı πόλεις κτλ. Die Zeit der Aufnahme 
der euboeischen Städte ergiebt sich daraus, dass die Euboeer bald 
: nach dem Erlasse des Psephisma und vor der athenischen See-Expe- 
dition unter Chabrias nach Euboea und den umliegenden Inseln sich 
anschlossen. Nach der Publication des Psephisma d. h. nach Fe- 
bruar/Mürz 377 erfolgte der Beitritt der euboeischen Städte, sofern 
man sich auf Diodoros verlassen kann, der erst über das Psephisma 
berichtet und dann sagt: πρῶται καὶ προθυμόταται cuveu&yncav κτλ. 
Das πρῶται ist nicht so zu verstehen, als ob sie überhaupt als die 
Ersten dem Bunde sich anschlossen, denn sie gehóren nicht zu den 
Stüdten, welche sich zur ersten Berathung und Begründung des Bun- 
des in Athen vereinigten. Diese euboeischen Städte waren vielmehr 
die ersten, welche nach der erneuerten Aufforderung und den in dem 
Psephisma durch die Athener geleisteten Garantien dem Bunde 
beitraten. 

Gerade in Euboeg musste das Gesetz, welches alle athenischen 
Besitzungen im bundesgenössischen Gebiete aufhob und fernerhin 
den Erwerb solcher verbot d. h. den Verzicht auf Kleruchien im 
Gebiete der Bundesgenossen aussprach, eine günstige Wendung der 
Stimmung hervorbringen und eine bedeutende Wirkung üben. Euboea 
lag den Athenern am nächsten und bot für Anlegung von Colonien 
einen äusserst günstigen Boden. Die Athener hatten hier in Chalkis 
ihre erste Kleruchie angelegt und viele Besitzungen erworben. Die 
euboeischen Städte mussten gerade im Hinblick auf die Möglichkeit 
neuer Kleruchien und eines dadurch hervorgebrachten, überwültigen- 
den Einflusses der Athener zögern, sich dem Bunde anzuschliessen. 
Diese Bedenken beseitigte im Wesentlichen das Psephisma über den 
athenischen Grundbesitz im Gebiete der Bundesgenossen, und nun 
trugen die euboeischen Städte kein Bedenken sogleich Mitglieder des 
Bundes zu werden. Auf das προθυμότατα ist kein zu grosses Ge- 
wicht zu legen, doch wird es jedenfalls einigen Grund haben. Die 
plötzliche grosse Bereitwilligkeit findet leicht ihre Erklärung, wenn 
man die erregbare und leicht veränderliche Stimmung der Euboeer 
in Betracht zieht, auf welche die vielfachen politischen Wandelungen, 


146 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit ausmachen, doch dürfte 
folgende Vermuthung Manches für sich haben. Dieselbe ist als Er- 
klärung einer Abweichung von der im Princip angenommenen chrono- 
logischen Ordnung des Verzeichnisses nicht unwesentlich, Ab- 
weichungen ohne Grund würden die Reihenfolge der Städte zur 
einer durch Zufälligkeiten, nicht durch die Zeitfolge bedingten 
machen. Als die euboeischen Städte beitraten, standen auf dem für 
die Namen der Bundesgenossen freigelassenen Raume: 

Xior Tevedıor Θηβαῖοι 

Μυτιληναῖι. | | | | ...... 

Mneuuvaioun  . | |. | —  —  ...... 

Póbior Tlorjcciotn......-.-......... 

Βυζάντιι . | | | | |  ...... 

Περίνθιι . | | | ...... 

Theben war die erste Stadt, welcher nach der Bundesverfassung 
noch vor dem Psephisma über den Grundbesitz sich dem Bunde an- 
schloss, unmittelbar nach dem Psephisma folgten die euboeischen 
Städte und zwar ganz bereitwillig, bevor noch eine athenische Flotte 
in See ging und dadurch naturgemäss eine gewisse Beeinflussung 
ausübte. Peparethos und Skiathos traten dem Bunde erst nach dem 
ersten Erscheinen einer athenischen Kriegsmacht bei. Es bildeten 
daher Theben und die euboeischen Stüdte in gewisser Hinsicht eine 
zusammengehürige Gruppe, und man setzte aus diesem Grunde ihre 
Namen unmittelbar unter Theben und ging dann nach der andern 
Seite zurück mit Πεπαρήθιοι, (κιάθιοι κτλ. 

Dieses ist die letzte Abweichung von der chronologischen Folge, 
die wir als Norm der Aufzeichnung in Uebereinstimmung mit Schaefer 
angenommen haben. Einzelne Ausnahmen sind zu erklären und 
kommen daher nicht so weit in Betracht, dass man die Annahme 
einer principiell chronologischen Ordnung bei der Verzeichnung der 
Namen der Bundesstädte verwerfen müsste, da diese Annahme auf 
gewichtigen Gründen beruht. Es muss dagegen bedenklich erscheinen 
auf Grund dieses von uns angenommenen Princips der Aufzeichnung, 
das doch nur die Bedeutung einer wohlbegründeten Hypothese hat, 
ohne Weiteres bestimmte Quellenangaben so zu corrigiren, wie es 
Schaefer mit denen des Diodoros thut. Nach unserer Annahme bleibt 
der Bericht bei Diodoros intakt, ohne dass man die angenommene 
Norm der Aufzeichnung im Allgemeinen zu verlassen braucht. 

Nach Peparethos und Skiathos muss Chabrias zunächst wohl 
Paros berührt und die Insel zum Eintritt in den Bund bewogen 
haben, denn Paros ist im Verzeichniss der dritte Name nach Skiathos. 

Περίνθιοι.  . | | ...... 
Πεπαρήθιι One 
CxuóáQii .— — |— | ...... 
Mapuvirai MEE 


748 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


andern, den Lakedaemoniern untergebenen Inseln rechnen können, 
welche nach Diod. XV, 35 Chabrias auf seiner Fahrt dem Bunde gewann. 

In dem Verzeichnisse der Bundesgenossen ist als Anfangsbuch- 
stabe eines Namens O erhalten und Raum für höchstens noch sechs 
Buchstaben, ferner neben ᾿Αθηνῖται ein IT... und Platz für höchstens 
vier Buchstaben. Die Ergänzung dieses O und TT ist bisher noch 
nicht versucht oder gelungen, doch wird es móglich dieselbe mit 
ziemlicher Sicherheit vorzunehmen. Zugleich soll dabei untersucht 
werden, welche Namen jene Lücken auf der rechten Seite erfüllt 
haben mögen. Eine solche Untersuchung, deren Resultat nur eine 
annehmbare Hypothese sein kann, hat dennoch für diese Forschungen 
Werth, weil sie immerhin ein deutlicheres Bild von der Ausdehnung 
des Bundes überhaupt und über einzelne Gebiete im Besondern ge- 
wühren muss. Einen wichtigen Anhalt bietet eine erhaltene, vom 
Sommer 378 bis Sommer 374 reichende Rechnung der delischen 
Amphiktyonen," das sogenannte “Marmor Sandwiciense’ bei Boeckh 
C. L gr. I, 8. 252 und Sth. II, S. 78 fg. Diese Amphiktyonen, 
welchen die Verwaltung des Apollotempels auf Delos und die Aus- 
richtung der daselbst stattfindenden Feste oblag, wurden von Athen 
ernannt. Ihre Beziehung zu Athen und Abhängigkeit von dieser Stadt 
lässt sich auch aus der Ueberschrift ihrer Rechnungen erkennen: Τάδε 
ἔπραξαν ᾿Αμφικτύονες ᾿Αθηναίων ἀπὸ Καλλέου ἄρχοντος κτλ. 

Die Amphiktyonen datiren also ihre Rechnungen nicht nur nach 
athenischen Archonten (Kalleas ist ein solcher), sondern nennen sich 
geradezu Amphiktyonen der Athener. Man darf ohne Zweifel am 
nehmen, dass zu einer so verwalteten Kasse nur solche Staaten bei- 
steuerten, die mit Athen in einem freundschaftlichen oder bundes- 
genössischen Verhältnisse standen. (Dieser Ansicht ist auch A. Schaefer, 
De soc. Ath. S. 19.) 

Nach der Rechnung wurde damals von folgenden Gemeinwesen 
der Betrag regelmässig entrichtet. Keos, Syros, Tenos, Mykonos, 
Seriphos, Siphnos, Paros, los, Oenaea und Therma auf Ikaros. In 
dem ganzen bis Sommer 374 reichenden Verzeichnisse auf der Säule : 
der Bundesgenossen fehlen von den angeführten Städten: Syros, 
Seriphos, los, Oenaea und Therma. Da nun, wie das τινές bei 
Diodor andeutet, ausser Paros noch andere kykladische Inseln bei- 
traten und in der Nühe des Namens von Paros verzeichnet wurden, 
da ferner unter den andern Seestädten oder Inseln kein Name zu 
finden ist, der den hinter dem O für 6 Buchstaben passenden Raum 
füllen würde, so bleibt nur OINAIHC übrig, wenn nicht, was in- 
dessen unwahrscheinlicher ist, OAIAPIOI gestanden hat. 

Was das TT in der folgenden Zeile betrifft, so steht es am 
Anfange der Verstümmelung und ist nicht mehr vollstündig erhalten, 
80 dass es zum Theil nur Conjectur ist. Nun fehlt unter den See- 
städten eine solche, deren Name der kleine Raum einschliessen 
könnte, dagegen würde IHTAl (Bewohner von Ios, einer Insel bei 


160 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


aussen^hin besonders thütig: Timotheos, Iphikrates, Chabrias. Heh- 
dantz stellt mit der ihm eigenthümlichen Vorliebe für Timotheos 
diesen nach seiner Ansicht vom athenischen Demos so ungerecht 
und in so undankbarer Weise behandelten Mann sehr entschieden 
in den Vordergrund. 'Ac si uni viro, quod multorum opera fuit, 
vindicare in animo est, Timotheus profecto tibi eligendus erit, (vgl. Vit. 
Iph. S. 202). Rehdantz hat zuerst die Behauptung ausgesprochen, 
dass die erste Unternehmung der neuen Seemacht Athens, die Ex. 
pedition nach Euboea uud den Kykladen von Timotheos geleitet sei, 
und dass diesem Feldherrn die erste wesentliche, durch das Auf. 
treten einer athenischen Flotte bedingte Ausdehnung des Bundes 
zu verdanken ist. A. Schaefer, De soc. Ath. S. 9 fg. und Dem. 
u. 8. Z. I, S. 33 lässt die euboeische Expedition unter der Leitung 
des Chabrias von Statten gehen, ohne sich indessen auf eine Wider- 
legung der von Rehdantz aufgestellten Behauptung einzulassen, so 
dass sich zunächst zwei Behauptungen (von denen nur die erstere 
durch Belegstellen zu begründen versucht ist), gegenüberstehen. 
Schaefer ist indessen geneigt, wenigstens etwas von dem Verdienste, 
das in Betreff dieses Zuges von Rehdantz dem Timotheos zuertheilt 
wird, zu retten: “Es scheint, sagt Schaefer, dass Timotheos, der als 
Befreier Euboeas genannt wird, den Eifer der euboeischen Städte 
für Athen und ihre Lossagung von Sparta hervorgerufen hat’. Sollte 
Schaefer nur auf Grund der unmittelbaren, sich gegenüberstehenden 
Quellenangaben zu diesem Resultat gelangt sein, was übrigens zu- 
nüchst dahingestellt bleiben mag, so würde insofern eine falsche 
kritische Methode befolgt sein, als deshalb, weil ein Theil der 
Quellen die Ausführung des Ereignisses allein dem einen Manne, 
der andere dagegen allein dem andern mit einfachen, kurzen Worten 
zuschreibt, eine Vereinigung der beiden entgegengesetzten Angaben 
durch die Annahme versucht wird, dass beide Männer sich um den 
Gewinn der euboeischen Städte verdient machten. 

Es kann sich in solchen Fällen im Allgemeinen nur um die 
Verwerfung der einen oder der andern Quelle handeln, ein kritisches 
Princip, für dessen Richtigkeit auch die folgende Erörterung ein Bei. 
spiel bietet. Wenn, was nicht unwahrscheinlich ist und Schaefer 
annimmt, Timotheos sich bei der Vorbereitung der Expedition aner- 
kennenswerthe Verdienste erworben hat, so geht es doch nicht an, 
dieses aus den direkt auf dieses Ereigniss bezüglichen Quellenangaben 
zu erschliessen und deren Wiedersprüche durch eine solche Vermittelung 
zu beseitigen. Es wird sich zeigen, dass aus Berichten über andere 
Vorgänge auf Grund einiger Andeutungen sich vermuthen lüsst, dass 
Timotheos bei der Ausrüstung der Expedition in beschtenswerthei 
Weise sich betheiligt hat. 

Rehdantz stützt seine Ansicht auf folgende Stellen: Plut. v. 
Ruhm d. Ath. 8: Ἰςοκράτης δὲ μικροῦ τρεῖς Ὀλυμπιάδας ἀνήλωςεν 
ἵνα γράψῃ τὸν ἸΤανηγυρικὸν λόγον, ἐν ᾧ Τιμόθεος Εὔβοιαν 


159 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


der des Kallistratos nur hin und wieder eine abgerissene Notiz, wäh- 
rend sich sowohl Xenophon als Ephoros bei Diodoros nicht selten 
in einer breiten Schilderung von verhältnissmässig unwichtigen 
Kriegsereignissen ergehen. Timotheos und Kallistratos werden, ob- 
wohl von ihrer Thätigkeit nichts erwähnt wird, in jener Zeit bei der 
Reorganisation des Finanzwesens, der Kriegsmacht, der bundes- 
genössischen Verhältnisse ete. eine grosse Arbeitskraft haben ent- 
falten müssen. Es ist die Frage, was sie eigentlich gethan, wenn 
sie kein Commando gehabt hätten, ganz unbegründet. Das Amt des 
Strategen erstreckte sich nicht bloss auf das Commando der Flotte 
und des Landheeres, sondern auf die wichtigsten Gebiete des ge- 
sammten staatlichen Lebens, vgl. Boeckh, Sth. I, 7. S. 248 fg. 
Dann sagt Rehdantz: 'Isocrates dicitur rem publicam Chiorum con- 
stituisse’, Isokrates sei aber der stehende Begleiter des Timotheos 
gewesen, Timotheos habe sich also auf Chios und auf See befunden. 

Vorausgesetzt, dass dieses dicitur sich auf eine Thatsache be- 
zieht und nicht bloss dicere ist, so bleibt dennoch das Jahr, in wel- 
chem dieses geschah, ganz unbestimmt. Timotheos aber befand sich 
auch in den Jahren 365 bis 364 und 363 bis 362 in den Gewässern 
von Chios. Bis Chios ist überhaupt die Expedition des Jahres 377 
schwerlich gekommen. Rehdantz hätte eine solche Begründung gar 
nicht beibringen sollen. Weiter heisst es bei Rehdantz: Chabrias 
könne unmöglich in einem Jahre das ausgeführt haben, was ihm 
Diodoros zuschreibe. Nach Diodoros befehligte er innerhalb eines 
Archontenjahres die euboeische Expedition, operirte in Boeotien, 
siegte bei Naxos, ‘ne horror tibi incidat, his rebus omnibus spatium 
unius anni suffecisse". Auf das Zeugniss des Diodoros, wonach die 
angeführten Thaten des Chabrias in das eine Archontenjahr fallen, 
ist zwar wenig Gewicht zu legen, denn Diodoros vertheilt, wie Volk- 
quardsen nachgewiesen hat, die in den Quellen erzühlten Ereignisse 
willkührlich unter die einzelnen Jahre, allein es ist die Móglichkeit, 
dass dieses sehr wohl in etwas mehr als Jahresfrist stattfinden konnte, 
leicht nachzuweisen. 

Wir haben gesehen, dass die euboeische Expedition zwischen 
Mai und Herbst 377 stattfand, d. h. noch in das Archontenjahr 3777/6 
hineinreichte. Ferner nimmt Rehdantz, was ganz richtig ist, an, 
dass im Frühjahre 376 Chabrias in Boeotien war und im Sommer 376 
die Flotte befehligt habe, welche in der ersten Hälfte des September 
bei Naxos siegte. Der letzte Theil der Expedition von 377 und der 
Anfang von den See-Operationen des Jahres 376 fällt in dasselbe 
Archontenjahr, überdies hat Diodor überhaupt die Gewohnheit, die 
Ereignisse des Frühjahrs in das nächste Archontenjahr zu ziehen, 
so dass es sich eigentlich nur um ungefähr zwei Monate handelt, 
welche von dem Zeitraume, in dem sich die in Betracht kommenden 
Ereignisse vollzogen, nicht in das Archontenjahr. 377/6 gehören. 
Dass also Diodor die Schlacht von Naxos, welche den Abschluss der 


754 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


tarchos), welche direkt die Leitung der euboeischen Angelegenheit dem 
Timotheos zuschreibt, gar nicht das Jahr 377 betrifft, dass zweitens 
die andern Citate und Erwägungen, durch welche Rehdantz darthun 
will, dass Timotheos im Sommer 377 in der Gegend von Euboea 
oder überhaupt in See gewesen sei, ohne die geringste Beweiskraft 
sind. Es bleibt also die Angabe bei Diodoros bestehen, dass Chabrias 
die euboeische Expedition im Jahre 377 geleitet hat. Indessen aus 
einem ganz andern Grunde, den jedoch Rehdantz — und wohl auch 
Schaefer, weil der Grund ziemlich fern liegt — nicht bemerkt hat, 
lässt sich auf einen beachtenswerthen Antheil des Timotheos an dem 
Zustandekommen der euboeischen Expedition ein berechtigter Schluss 
ziehen. Die Thatsache nämlich, dass Timotheos im Jahre 357 sich 
in hervorragender Weise für die Expedition nach Euboea interessirte 
und die Athener mit dem grössten Eifer zu dieser Unternehmung 
antrieb, spricht ohne Zweifel für die Annahme, dass Timotheos über- 
haupt den euboeischen Angelegenheiten ein dauerndes, besonderes 
Interesse schenkte und auch im Jahre 377 bei der Beschlussfassung 
über die Expedition und bei der Ausrüstung derselben sich that- 
kräftig betheiligte. Als Stratege konnte Timotheos jedenfalls dem, 
was für die Expedition geschah, nicht fern stehen. Chabrias aber 
führte die Expedition aus, und wenn man nur Einen Mann nennen 
will, so muss man den Chabrias nennen, dessen Name allein aus- 
drücklich und bestimmt in der Ueberlieferung mit dieser Unterneh- 
mung in Zusammenhang gebracht wird. Wenn man den Timotheos 
als den nennen wollte, der sich um die Vorbereitung und Ausrüstung 
der Expedition vor allen Andern verdient gemacht habe, so würde 
dieses, weil keine bestimmten Angaben vorliegen, gegen Kallistratos, 
Chabrias und andere Männer, die möglicherweise das gleiche Ver- 
dienst haben, nicht ganz gerecht gehandelt sein. Chabrias leitete” 
diese erste Flottenbewegung des neuen Bundes, dann die entschei- 
denden Operationen im nächsten Sommer, die in der Schlacht von 
Naxos ihren Abschluss fanden und den Athenern das Uebergewicht 
zur See gaben. Wie Kallistratos der Begründer der innern Organi- 
sation des Bundes ist, so hat Chabrias den Bund nach aussen hin 
zuerst wesentlich entwickelt und sicher gestellt. 

Im Herbste 377 war Chabrias von seinem Seezuge zurück- 
gekehrt, das Resultat desselben musste hóchst befriedigend sein, 
mit verhültnissmüssig geringer Machtentfaltung war eine ganze 
Reihe von Städten gewonnen worden. Diese Städte sind mit den- 
jenigen, welche sich unmittelbar bei der Begründung der Bundes. 
verfassung betheiligt hatten, auf der Vorderseite der Bundessäule 
unmittelbar unter dem Texte des Psephisma verzeichnet. Die 
nüchste Gruppe von Bundesgenossen, deren Namen auf einer Seiten- 
fläche stehen, beginnt mit Korkyra, d. h. mit einem Mitgliede, das, 
wie alle folgenden, erst nach der Schlacht bei Naxos beitrat. Zwi- 
schen der ersten Gruppe von Bundesgenossen, denen, welche sich 


' ᾿ N 
756 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


von 377 kann noch nicht bedeutend gewesen sein. Obwohl es von 
einem trefflichen Strategen geführt war, gelang es nicht Oreos zu 
nehmen, man musste sich mit der Verwüstung des Gebietes begnü- 
gen. Ausserdem beschränkte sich die Thätigkeit dieser ersten Flotten 
auf die benachbarten Gewässer, Chabrias wagte nicht entscheidende 
Operationen gegen die Centralstellungen der Lakedaemonier im Archi- 
pelagos zu beginnen. 

Diese Expedition von 377 ist also sicherlich noch kein Beweis 
von einer die See beherrschenden Stellung Athens. Die Lakedae- 
monier sahen offenbar diese Seemacht, welche nicht einmal eine kleine 
Stadt auf Euboea eingenommen hatte, und sich nicht weit heraus- 
wagte, für nicht mächtig und geführlich genug an, um grössere See- 
rüstungen zu veranstalten und mächtigere Flotten in See zu schicken. 
Die Mittel dazu hatten die Lakedaemonier, sie verfügten über eine 
starke Marine, welche noch im Frühjahre 376 nach der nicht so 
unrichtigen Auffassung der lakedaemonischen Bundesgenossen der 
athenischen Flotte weit überlegen war. Da nämlich die Lakedae- 
monier und ihre Bundesgenossen zu Lande keiue derartigen Fort- 
schritte machten, dass eine günstige Beendigung des Krieges bald 
zu erwärten war, so bewogen die Bundesgenossen die dem Seekriege 
überhaupt stets abgeneigten Lakedaemonier, in maritimen Bewe- 
gungen die Entscheidung zu suchen. Man hielt es nicht für schwer 
und sich für stark genug, Athen auf ähnliche Weise matt zu 
setzen, wie vor dreissig Jahren. ., ἐξεῖναι γὰρ ςφίειν ναῦς πληρώ- 
ςαντας πολὺ πλείονας τῶν ᾿Αθηναίων ἑλεῖν λιμῷ τὴν πόλιν αὐτῶν." 
Vgl. Xen. Hell: V, 4, 60. Der lakedaemonische Bund beschliesst 
den Seekrieg, und bald darauf ist eine gut ausgerüstete Flotte von 
sechzig Trieren in See. Dieselbe beherrscht Monate lang die See, 
hült die nach Athen bestimmten Getreideschiffe aus dem Pontos auf, 
nimmt Stellungen in den der Stadt Athen benachbarten Seehäfen 
und auf den nüchsten Küsten und Inseln, wodurch es gelingt, den 
Athenern völlig die Zufuhr abzuschneiden und sie in die tibelste Lage 
zu bringen. Erst nach den grössten Anstrengungen vermögen die 
Athener eine den Lakedaemoniern gewachsene Flotte auslaufen za 
lassen. Von einer Seeherrschaft der Athener vor der Schlacht von 
Naxos kann nicht die Rede sein. Auch Dem. Phil. III, S 116, 22 
und 117, 13 betrachtet erst die Niederlage der Lakedaemonier bei 
Naxos als das Ende ihrer neun und zwanzig Jahre dauernden See- 
hegemonie. 

War also die maritime Machtentwickelung der Athener nicht 
ausreichend, um eine entschiedene Wirkung auf die Parteiverhältnisse 
dieser Seestädte auszuüben, so arbeiteten anderseits die Lakedae- 
monier gerade in dieser Zeit energisch durch eine liberalere Bundes- 
genossenpolitik dem Einflusse der liberalen Haltung Athens entgegen, 
man sah ein, dass die bisherige drückende Hegemonie nur zum Abfall 
der Bundesgenossen hinführe. Vgl. Diod. XV, 31: ἐπαύςαντο (οἱ 


158 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Seemacht zwar für den Augenblick, aber lange noch nicht so nieder- 
geschlagen, dass die Naxier tiberhaupt alle Hoffnung auf Entsatz bei 
einer neuen Belagerung aufgeben mussten. Schon im nächsten Som- 
mer operirte eine der im vorigen Sommer ausgerüsteten durchaus 
nicht nachstehende Flotte gegen die Athener unter Timotheos. Erst 
nach zwei Seetreffen erringt Timotheos das Uebergewicht in den 
westlichen Gewässern. Auch nach dem Jahre 374 ist Naxos schwer- 
lich Mitglied des Bundes geworden. Athen brauchte seine Kraft auf 
andern Gebieten, es war in die festländischen Wirren und den gros- 
sen Kampf zwischen Lakedaemon und Theben verwickelt und als es 
sich wieder mehr den Seeverhältnissen zuwandte, bemühte es sich 
am Hellespont, in Thrakien und an der Küste Kleinasiens festen 
Fuss zu fassen. Kaum war dieses theilweise gelungen, als der 
Bundesgenossenkrieg ausbrach und Athen völlig zerrüttete, so dass 
in der folgenden Zeit nicht an Ausdehnung der Seeherrschaft über 
die Kykladen zu denken war. 

Die Thatsache, dass die Athener eine so wichtige Insel wie 
Naxos demsBunde nicht einverleiben konnten, würde auffallen, wenn 
sie bei der nicht zu verachtenden Stärke des Seebundes vereinzelt 
.dastünde, allein dieses ist durchaus nicht der Fall Das näher lie- 
gende Aegina hat niemals dem zweiten athenischen Bunde angehört. 
und eine feindselige Stellung gegen denselben eingenomimen (vgl. 
Schaefer, De soc. Ath. S. 17). 

Schaefer führt indessen zur Begründung seiner Ansicht eine 
Belegstelle aus Ampelius, Lib. mem. 15, 18 an, der von ihm selbst 
als „perexiguae auctoritatis scriptor" bezeichnet wird. In der That 
ist dieses ein noch gelinder Ausdruck!). Die betreffende Stelle enthält 
nur offenbare Unrichtigkeiten, wenn man von der wenigstens nichts 
Unwahrscheinliches habenden Notiz, dass Chabrias Naxos nahm, ab- 
sieht. Die Stelle lautet würtlich: Chabrias, qui Cypron et Naxon et 
omnes asiaticas insulas Athenis adjunxit. Auf Kypros haben die 
Athener gleich bei der Begründung des zweiten Bundes urkundlich 
verzichtet und auch nie einen Versuch gemacht, diese Insel für die 
Bundesgenossenschaft zu erwerben, sie würen sonst in grossen Con- 
flict mit dem Grosskónige gekommen, welchem der antalkidische 
Friede die Insel zugesprochen hatte. Was die asiatischen Inseln be- 
trifft, so könnte damit Rhodos, Kos, Samos, Chios, Lesbos, Tenedos 
bezeichnet sein, allein keine derselben wurde durch Chabrias zum 
Anschlusse bewogen. Es liegt der Gedanke nahe, dass hier Chabrias 
mit Kimon verwechselt ist, der bei der Begründung des ersten Bundes 
in hervorragender Weise thütig war und damals insofern den Athe- 
nern die asiatischen Inseln verband, besonders da Lesbos, Chios, 
Samos die ersten Inseln waren, welche sich unter die Hegemonie 
Athens und seiner damaligen Strategen Kimon und Aristides stellten. 


1) Ampelius giebt ein flüchtiges Excerpt aus Nepos, De excell. duc. 


160 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Naxos durch eine kurze Belagerung der Hauptstadt ausser Stande 
gesetzt sein sollte, die verhältnissmässig geringe Beisteuer zu zahlen. 
Hier war hóchst wahrscheinlich der andere Grund massgebend, d. h. 
die Naxier wollten nicht zahlen, weil sie mit Athen schlecht standen. 
In Naxos nahm die Oligarchie stets eine höchst einflussreiche Stellung 
ein, die Insel hielt es daher mit den Lakedaemoniern, und da nichts 
von einer gewaltsamen Bezwingung bekannt ist, muss man anneh- 
men, dass sie nie Mitglied des zweiten Bundes war. 

Die athenische Flotte hatte in voller Stärke bei Naxos gefoch- 
ten, sie hatte so erheblichen Schaden gelitten, dass die Athener nicht 
sofort ihren Sieg verfolgen konnten. Erst nachdem der Schaden aus- 
gebessert, die Flotte durch neue Schiffe verstärkt war, liefen Anfang 
375 von Athen zwei Geschwader aus, um das durch die Schlacht 
gewonnene Uebergewicht zur See zu behaupten und die Bundes- 
genossenschaft zu erweitern. Mit dem einen Geschwader ging Cha- 
brias nach Osten, nach Thrakien und den Inseln des aegaeischen 
Meeres, mit dem andern Timotheos nach Westen, um auch im ioni- 
schen Meere festen Fuss zu fassen. Vgl. Diod. XV, 36 und das Ver- 
zeichniss, wo die auf beiden Expeditionen gewonnenen Städte durch- 
einander stehen. 

Chabrias eilte zunächst der von den Triballern hart bedrängten 
und um Unterstützung bittenden Stadt Abdera zu Hülfe, befreite 
dieselbe und legte zum Schutz gegen weiterhin drohende Angriffe 
eine Besatzung hinein. Abdera trat, wie das Verzeichniss beweist, 
dem athenischen Bunde bei (Frühjahr 375). Bei Diodoros, der ein- 
zigen Quelle für diesen Zug des Chabrias, bricht der Bericht mit der 
durchaus falschen und offenbar auf Missverständniss beruhenden 
Bemerkung ab, dass Chabrias von Meuchelmördern umgebracht sei. 
So bleibt das Verzeichniss der Bundesgenossen der einzige Halt be- 
züglich der weitern Fahrt des Chabrias. Auf Abdera folgt nach dem 
Verzeichnisse Thasos, Chabrias wird es berührt und von da seinen 
Weg etwa über Aenus nach Samothrake genommen haben. Aenus 
und Samothrake sind ebenfalls verzeichnet, zwischen beiden Chalkis 
am Berge Athos. Vgl. Schaefer, De soc. Ath. S. 15. Auch Dikai- 
opolis wird als Bundesstadt aufgeführt, eine von Abdera nur hundert 
Stadien entfernte Stadt. 

Während dieser Erfolge des Chabrias hatte Timotheos den 
Peloponnesos umsegelt und so erfolgreich operirt, dass Pronnos 
auf der Insel Kephallene und die Molosserfürsten Alketas und Neo- 
ptolemos Mitglieder des Bundes wurden. Alketas und Neoptole- 
mos beherrschten überdies ausser den Molossern noch eine Anzahl 
von Nachbarstämmen, so die Athamanen und Chaonen. Vgl. das 
Bundesgenossenverzeichniss Diod. XV, 36. Xen. Hell. V, 4, 64. 
Cornel. Nep. Tim. 2. Strabo VII, S. 323. A. Schaefer, Dem, u. s. 
2. I, S. 41 und De soc. Ath. S. 15. 

Pronnos war nicht die erste unter den kephallenischen Stüdten, 


162 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


lasse sich doch ein Schluss aus Diod. XV, 47, 2 ziehen, wo berichtet - 
werde, die Athener hätten im Frühjahre 373 den Timotheos mit 
sechzig Trieren den Korkyraeern zu Hülfe geschickt, Timotheos δὲ 
πρὸ τῆς ευμμαχίας ταύτης πλεύςας ἐπὶ Θράκης καὶ πολλὰς πόλεις 
ἐπὶ ευμμαχίαν προκαλεςάμενος προςέθηκε τριάκοντα τριήρεις" τότε 
δὲ καθυςτερῶν τῆς τῶν Κερκυραίων ευμμαχίας τὸ μὲν πρῶτον ἀπέ- 
βαλε τὴν ς«τρατηγίαν, τοῦ δήμου χαλεπῶς πρὸς αὐτὸν διατεθέντος᾽ 
ὡς δὲ παρέπλευςεν εἰς τὰς ᾿Αθήνας ἄγων πρέςβεων πλῆθος τῶν 
τὴν ευμμαχίαν ευντιθεμένων καὶ τριάκοντα τριήρεις προςτεθεικὼς 
πάντα τε τὸν CTÖAOV εὖ κατεςκευακὼς πρὸς τὸν πόλεμον μετενό- 
ncev ὁ δῆμος, setzte ihn wieder in sein Amt, worauf Timotheos mit 
]phikrates, seinem Collegen, nach Korkyra abging. 

Schaefer bemerkt richtig, dass diese Stelle vieles Falsche ent- 
halte. So wurde Timotheos nicht wieder in sein Ámt eingesetzt, 
vielmehr erhielten seine Ankläger Iphikrates und Kallistratos von 
Aphidnae an seiner Stelle den Oberbefehl. Ferner begründet der 
Bericht bei Diodoros die Anklage unrichtig, er wurde nicht angeklagt, 
weil er auf eigene Faust nach Thrakien segelte, sondern “quod per 
insulas Cycladas cireumvehens classiariis conquirendis tempus tereret’, 
denn Xen. Hell. VI, 2, 12 sagt: Τιμόθεος ἐπὶ vricuv rrÀeUcac éxei- 
θεν ἐπειρᾶτο ευμπληροῦν (ναῦς), oi δ᾽ ᾿Αθηναῖοι νομίζοντες αὐτὸν 
ἀναλοῦν τὸν τῆς ὥρας eic τὸν περίπλουν χρόνον ευγγνώμην οὐκ 
Ecxov, ἀλλὰ παύςαντες αὐτὸν τῆς «ςτρατηγίας Ἰφικράτην ἀνθαι- 
ροῦντο. Nun sei es nach den Angaben bei Apollod. g. Tim. 6 fg. 
nicht zu bezweifeln, führt Schaefer fort, dass Timotheos im April 
373 aus dem Peiraieus auslief, im Herbste bei der Insel Kalauria 
sich aufhielt und im November sich in Athen vor Gericht stellen 
musste. Es würde Niemand im Ernste meinen, dass Iphikrates in 
der Zwischenzeit von sechs Monaten weiter nichts gethan habe als 
Schiffsvolk sich zu besorgen. Timotheos sei offenbar, wie Diodoros 
erzühle, durch das aegaeische Meer nach Thrakien gefahren und habe 
die letzterwähnte Reihe von Städten dem Bunde zugefügt. 

Es wird sofort auffällig, dass Schaefer sich hier in einem eigen- 
thümlichen Widerspruche befindet, nachdem er vorher die Anklage 
acceptirt hat, dass Timotheos mit der Bemannung der Flotte die 
günstige Jahreszeit unnütz hingebracht habe, sagt er hier ohne Wei- 
teres, es sei unglaublich, dass Timotheos in so langer Zeit so Weniges 
gethan habe, man müsse deshalb annehmen, dass in derselben Timo- 
theos noch andere Thaten vollbracht habe. Indessen, weil gerade 
Timotheos in unglaublicher Weise die Zeit vertrödelte, klagten ihn 
Kallistratos und Iphikrates an und setzten seine Verurtheilung durch, 
weil er sich nicht genügend rechtfertigen konnte. Timotheos wurde 
für so schuldig befunden, dass er in den nächsten Jahren gar kein 
Commando erhielt. 

Da Timotheos ohne Zweifel ein recht tüchtiger Feldherr war, 
so wird kaum seine Verurtheilung wegen eines rein strategischen 


164 | Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


αἰτίας τῆς μεγίςετης τυχὼν, ἐφειςτήκει δ᾽ αὐτῷ Καλλίετρατος xai 
Ἰφικράτης, οὕτω διέθεεαν, ὑμᾶς κατηγοροῦντες αὐτοί τε καὶ oi 
ευναγορεύοντες αὐτοῖς, ὥςτ᾽ ᾿Αντίμαχον μὲν ταμίαν ὄντα καὶ 
TICTÖTATOV διακείμενον τούτῳ κρίναντες ἐν τῷ δήμῳ ἀπε- 
κτείνατε καὶ τὴν οὐςείαν αὐτὸν ἐδημεύςατε, αὐτὸν δὲ τοῦτον ἐξαι- 
τουμένων μὲν τῶν ἐπιτηδείων αὐτοῦ ἁπάντων, ἔτι δὲ καὶ ᾿Αλκέτου 
καὶ Ἰάςονος μόλις ἐπείςεθητε ἀφεῖναι, «τρατηγοῦντα δὲ αὐτὸν ἐπαύ- 
cate κτλ. 

Eine Flotte, die unvollständig bemannt und deren Mannschaft 
unzufrieden war, weil sie nicht regelmüssig Geld erhielt, von der 
das Contingent der Boeoter nach Hause zu gehen drohte, wenn es 
nicht die Lóhnung erhielte, konnte nicht zu so erfolgreichen 
Zügen nach Thrakien und im Archipelagos geeignet sein. Es liegt 
der Gedanke nahe, dass Diodoros in seiner nachlässigen Weise 
einen Bericht über die Rückkehr des Timotheos aus den westlichen 
Gewässern im Sommer 374 hier hinein gesetzt hat. In diesem 
Sommer brachte allerdings Timotheos eine reiche Beute und eine 
Menge bundesgenössischer Gesandten nach Athen, auch seine Flotte 
befand sich nach dem siegreichen Feldzuge unzweifelhaft in gutem 
Zustande. Ein Prozess gegen Timotheos wegen seines Eingreifens 
auf Zakynthos trotz des abgeschlossenen Friedens ist nicht unwahr- 
scheinlich, Timotheos würde dann den Prozess glücklich bestanden. 
haben. Diese zakynthische Frage bildete nämlich sofort den Gegen- 
stand neuer Erörterungen mit Sparta und trug dazu bei, dass im 
nächsten Frühjahr 373 der Krieg von Neuem begann, Athen musste 
also das Verhalten des Timotheos gebilligt haben. Auf den Bericht 
des Diodoros ist mithin nicht viel zu geben, da er thatsächlich Falsches 
enthält, und die Quellen, mit denen er nicht im Einklange steht, ein 
grösseres Gewicht haben. Xenophon schweigt an der betreffenden 
Stelle vollständig über einen Zug des Timotheos nach Thrakien. 
Schaefer meint, das Sehweigen Xenophons dürfte nicht auffallen, er 
habe ebenso über die Expedition des Chabrias im Jahre 377 und 
375 nichts gesagt. Xenophon hüllt sich allerdings in Bezug auf 
manche wichtige Seeoperationen in ein bedauerliches Stillschweigen, 
allein über andere berichtet er mit einer Genauigkeit, die nichts zu 
wünschen übrig lüsst. Dieses Verfahren wird bedingt und erklürt 
durch die Anlage seines Werkes, das immer mehr zu einer Geschichte 
des Peloponnesos wird. Er tibergeht die See-Expeditionen des Cha- 
brias in den Jahren 377 und 75, des Timotheos in den Jahren 367 
bis 363, des Epaminondas im Jahre 365, weil diese nicht unmittelbar 
mit den peloponnesischen Verhältnissen in Beziehung stehen, und 
die Lakedaemonier nicht unmittelbar dabei betheiligt sind. Aus dem 
entgegengesetzten Grunde berichtet er über die Schlacht bei Naxos 
und die Operationen des Timotheos im Westen, namentlich eingehend 
über den Periplus des Iphikrates (Ende des Jahres 373) und er- 
wähnt das Auslaufen des Timotheos, seine Thätigkeit und seine 


166 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


die Thaten des Timotheos so gross und zahlreich als möglich er- 
scheinen zu lassen, er wird also nichts Nennenswerthes übergangen 
haben, weder aus Nachlässigkeit, denn die Aufzählung geschieht 
doppelt, und die Rede ist wohl gefeilt, noch aus Unkenntniss, denn 
Niemand kannte die Thaten des Timotheos so gut als Isokrates, sein 
fast bestündiger Begleiter. Hütte wirklich die thrakische Expedition 
unter Timotheos stattgefunden, und sein Zug nach den Kykladen 
solche Erfolge gehabt, so würde Isokrates offenbar es nicht unter- 
lassen haben zwischen Korkyra und Samos mindestens etwa Ἄνδρον 
καὶ Κέω τῶν vnawrıkWv einzufügen. Inseln wie Andros und Keos 
waren um Vieles wichtiger für Athen als Krithote und Torone, 
Orte die Isokrates aber aufführt, um auf die Thätigkeit des Timo- 
theos am Hellespont und Thrakien aufmerksam zu machen. 


Indessen nicht nur Isokrates schweigt und bietet damit ein 
genügendes argumentum ex silentio gegen die Annahme eines 
erfolgreichen Zuges des Timotheos nach Thrakien, sondern auch 
Deinarchos und zwar unter gleichen Umständen. Es heisst bei Dein. 
g. Philokl. 17: Οὐχ ὑμεῖς écre (ὦ ἄνδρες ᾿Αθηναῖοι) καὶ οἱ üpé- 
τεροι πρόγονοι, οἱ Τιμοθέῳ ἸΠΤελοπόννηςον περιπλεύςαντι καὶ τὴν 
ἐν Κερκύρᾳ ναυμαχίαν νικήεαντι καὶ Cápov λαβόντι καὶ Μεθώνην 
καὶ Πύδναν καὶ Ποτίδαιαν καὶ πρὸς ταύταις ἑτέρας εἴκοςι πόλεις 
οὐδὲν τούτων ὑπόλογον ποιηςάμενοι κτλ. Aehnlich lautet eine 
Stelle in der Rede gegen Demosthenes 14, so dass Deinarchos in 
zwei Reden dieselben Feldzüge anführt wie Isokrates: Korkyra im 
Jahre 375, Samos im Jahre 3606/5, Potidaea, Methone, Pydna auf 
dem thrakisch - makedonischen Feldzuge im Jahre 364,3, von dem 
Isokrates Torone anführt, weil offenbar, wie aus einer Diodorstelle 
hervorgeht, diese Stadt mit Gewalt bezwungen werden musste, so 
dass die Thütigkeit des Timotheos hier mehr hervortrat, als wenn 
selbst wichtigere Stüdte capitulirten, vgl. Diod. XV, 81, 5 und Isokr. 
v. Umt. 113. Die Auslassung von Sestos und Krithote darf nicht 
auffallen, weil die Feldzüge des Timotheos am Hellespontos und an 
der thrakischen Küste eine fast ununterbrcchene Folge sind, aus 
welcher Reihe von Thaten dem Deinarchos der Gewinn von Methone, 
Potidaea, Pydna am wichtigsten erschien. 


Endlich nóthigen Consequenzen aus Schaefers eigenen Behaup- 
tungen zu einem andern Resultate als das ist, zu dem er in Bezug auf 
den Anschluss dieser Gruppe von Bundesstädten gekommen. Schaefer 
nimmt “De soc. Ath.? 8, 14 unzweifelhaft mit Recht an, die Bundesstädte 
Seien je nach der Zeit ihrer Aufnahme in dem Verzeichnisse eine hinter 
der andern aufgezeichnet d. h. das Verzeichniss enthalte die chrono- 
logische Folge ihrer Aufnahme in die Bundesgenossenschaft. Ferner 
sagt Schaefer “De soc. Ath.' S. 19: Der zakynthische Demos sei bereits 
Mitglied des Bundes gewesen, als die Athener im Frühjahre 373 
die Erneuerung des Krieges gegen die Lakedaemonier beschlossen, 


168 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Amorgos, Sikinnos, Siphnos, Tenos, Ándros, Keos weist auf einen 
solchen Weg hin. | 

Das Verzeichniss schliesst mit dem Demos der Zakynthier in 
Nellos und enthült ungeführ, die Ergünzungen einbegriffen, sechzig 
Mitglieder. Auf der andern verstümmelten Seitenfläche der Säule 
standen ungefähr achtzehn Namen, vgl. Schaefer ‘De soc. Ath.^ S. 19, 
welche den Zuwachs des Bundes nach dem Jahre 374 ergeben. Der 
Bund hüfte mithin zur Zeit seiner gróssten Ausdehnung acht und 
siebenzig Mitglieder gezühlt. Diese Mitgliederzahl ist jedoch zu 
keiner Zeit erreicht, denn während Timotheos den grössten Theil 
der genannten achtzehn Städte hinzufügte, begannen sich schon 370 
einzelne Städte zeitweilig vom Bunde abzulösen. Kurz vor dem Aus- 
bruche des Bundesgenossenkrieges erlangte der Bund seinen grössten 
Umfang, doch waren Sestos, Theben, Maronea bereits verloren, so 
dass sich die Zahl der bundesgenössischen Städte auf fünf und siebenzig 
belief. Diese Ziffer giebt auch genau Aeschines v. d. Trugges 70, 
obwohl nicht als höchste Zahl der Bundesstädte überhaupt, sondern 
als die Summe derjenigen, welche Timotheos gewonnen und Chares 
in dem Kriege seit 357 verloren habe. Abgesehen von der unrich- 
tigen Angabe, dass Timotheos allein die im Kriege von 357 und in 
den folgenden Jahren verlorenen Städte gewann, enthält, wie auch 
Schaefer bemerkt, die Stelle die ürgsten Uebertreibungen nach jeder 
Seite hin. Timotheos hat lange nicht fünf und siebenzig Gemeinden 
dem Bunde hinzugefügt. Isok. v. Umt. 113 sagt: Διὰ βραχέως 
εἰπεῖν τεττάρων xai etkoci πόλεων κυρίους ὑμᾶς Erroince.und Iso- 
krates wird wahrlich nicht die niedrigste Ziffer genannt haben. Er 
konnte auch die Zahl der von Timotheos gewonnenen Städte seinem 
Verhültnisse zu diesem Feldherrn gemüss sehr genau wissen, und 
die Richtigkeit seiner Angabe bestätigt folgende Berechnung!) 


1) Schaefer ‘De soc. Ath. S. 20 fasst dieses 'kupiouc ἐποίηςε᾽ so auf, 
dass es nicht alle Städte bezeichne, welche Timotbeos überhaupt ge- 
wonnen habe, sondern nur die mit Gewalt genommenen. Schaefer führt 
keine weiteren Gründe dafür an, sondern sagt eben.einfach: κυρίους 
ἐποίηςε videri non de civitatibus, quae sua sponte societatem inierunt loqui, 
sed quae vi expugnatae et sub imperium redactae sunt. Dieser Sinn 
liegt aber nicht in den Worten des lsokrates, sie bezeichnen nur 'brachte 
unter die Botmässigkeit’ oder “den herrschenden Einfluss der Athener’, 
was lsokrates etwas stark ausgedrückt hat, weil es so zu seinem Zwecke 
passte, denn er will zeigen, wie Timotheos die Autorität der Athener 
verstärkte. In welcher Weise man derartige Ausdrücke des Isokrates 
aufzufassen hat, zeigt das zwei Paragraphen vorher stehende “Τιμόθεος 
Κόρκυραν eiAe?. αἱρεῖν heisst in solcher Verbindung gewöhnlich ‘im 
Kriege erobern? (vgl. Pape Lex. αἱρεῖν) und Schaefer “Dem. u. s. Ζ.᾽ 
I, S. 40 hat selbst ausgeführt, dass Korkyra den Timotheos sofort als 
Freund aufnahm und freiwillig beitrat. Korkyra war schon vorher zum 
Anschlusse geneigt, es bedurfte kaum mehr als der Vermittelung des 
Timotheos, um diese Politie als Mitglied in die Bundesgenossenschaft auf- 
zunehmen. Eine ühnliche Abschwüchung wie bei αἱρεῖν in Bezug auf 


170 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


mitglieder am Anfange des Krieges, in welchem Chares einer der 
Hauptfeldherren war, und beinahe drei Viertheile der Bundesgenossen 
verloren gingen. Er setzte an Stelle des grössten Theiles übertreibend 
gleich das Ganze. Er musste die Zuhörer an die damalige Aus- 
dehnung und die derzeitige geringe Bedeutung der Bundesgenossen- 
schaft erinnern und dies war ganz geeignet, was Aeschines bezweckt, 
gegen Chares den vermeintlichen Urheber dieser Verluste zu erbittern. 
Die Zahl fünf und siebenzig würde also die Anzahl der Bundesmit- 
glieder am Anfange des Bundesgenossenkrieges bezeichnen und zwar 
in Ueberstimmung mit dem Verzeichnisse. Auf dasselbe Resultat 
führt Diod. XI, 30. Hier heisst es: Πολλαὶ μὲν οὖν καὶ τῶν ἄλλων 
πόλεων διὰ τὴν εἰρημένην αἰτίαν προςκλήθηςαν πρὸς τοὺς 'A0n- 
γαίους ἀποκλῖναι, πρῶται δὲ καὶ προθυμότατα ευνεμάχηςαν αἱ 
κατὰ τὴν Εὔβοιαν οἰκοῦςαι χωρὶς '€criatac. οὐ μὴν ἀλλὰ τοῖς 
᾿Αθηναίοις εἰς ευμμαχίαν cuveßncav ἐβδομήκοντα πόλεις καὶ μετ- 
Ecxov ἐπ᾽ icc τοῦ κοινοῦ cuvebpiou. Sowohl das urkundliche Ver- 
zeichniss als die übrige Ueberlieferung thut dar, dass unmittelbar 
nach dem Erlasse des Psephisma — dieses ist die εἰρημένη αἰτία — 
nicht siebenzig Stüdte beitraten. Es ist dieses vielmehr die Anzahl 
derjenigen Stüdte, welche sich in der Folge dem Bunde überhaupt 
anschlossen. Da Diodoros nicht μετεῖχον sagt, d. h. nicht einen 
Zustand bezeichnet, sondern das Eintreten in einen solchen, 80 ist 
siebenzig auch nicht die Anzahl von Städten, aus deren Vertretern 
das Synedrion zur Zeit der grössten Ausdehnung des Bundes zu- 
sammengesetzt war, sondern die Zahl derjenigen, welche nach dem 
Erlasse des Psephisma in das Synedrion eintraten. Um also die 
Gesammtzahl der Bundesgenossen zu erhalten, muss man noch die 
neun Städte hinzurechnen, welche noch vor dem Psephisma die 
Bundesgenossenschaft bildeten. Dieses würde auf die Zahl neun und 
siebenzig führen, d. h. auf die früher gewonnenen Resultate. Die 
Differenz um eine Stadt lässt sich ebenso daraus erklären, dass 
Diodoros die näher liegende volle Zahl siebenzig giebt (statt neun und 
sechzig), wie aus der Möglichkeit eines kleinen Fehlers bei den Con- 
jeeturen zur Ergänzung des Psephisma. 

Nach der gewöhnlichen Auffassung gehörten deın zweiten athe- 
nischen Bunde, ähnlich wie dem ersten, fast sämmtliche Seestüdte 
und Inseln des aegaeischen Meeres an und die Zahl der Bundes- 
mitglieder musste auf Hunderte zu berechnen sein. Unsere Unter- 
suchung, deren Ergebniss wohl genügend gesichert ist, hat ein wesent- 
lich verschiedenes Resultat ergeben. Auf Grund derselben wird das 
Bild von den politischen Verhältnissen des Gebiets der zahlreichen 
Insel- und Küstengemeinwesen der östlichen Hellenenwelt ein ganz 
anderes. Nicht die ganze Masse dieser Städte und Städtchen ist wie 
im ersten Bunde durch ein fóderatives Band einigermassen zu 
einem staatlichen Organismus vereinigt, nur etwa der dritte oder 
vierte Theil gehörte dem Verbande an, denn nach der Zahl der 


112 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


beiträge zahlten, vielmehr ihre Kraft auf die Unterjochung der 
boeotischen Städte verwandten, vgl Hell VI, 2, 1: Οἱ δ᾽ ᾿Αθηναῖοι 
αὐξανομένους μὲν ὁρῶντες διὰ «φᾶς τοὺς Θηβαίους, χρήματα δὲ 
οὐ ευμβαλλομένους εἰς τὸ ναυτικόν. Die Athener sahen eine Stadt, 
mit der sie früher lange Zeit in Feindschaft gelebt hatten, die ihre 
bundesgenóssischen Pflichten nicht erfüllte, eine Landmacht bilden, 
welche dem benachbarten Athen gefährlich werden konnte. So ent- 
stand eine immer mehr sich erweiternde Spannung zwischen dem 
Vororte des Bundes und der mächtigsten bundesgenóssischen Stadt. 
Ein schlechtes Verhältniss zu Theben führte naturgemäss zu einer 
Annäherung an die Lakedaemonier, deren sehnlichster Wunsch die 
Demüthigung der Thebaner war. Auch die fortwährenden Plünde- 
rungen der attischen Küste durch die von Aegina auslaufenden 
Kaperschiffe und Geldmangel machten den Athenern den Frieden, 
trotz der Erfolge, welche sie bisher errungen hatten, immer wün- 
schenswerther. Dass andrerseits die Lakedaemonier den unglück- 
lichen Krieg zu beendigen wünschten, ist erklärlich. (Xen. Hell. 
VI, 2, 1.) - 

Die beiden Berichte über den Frieden bei Xenophon und Diodoros 
stimmen nicht ganz überein. Xenophon erzählt kurz: “Die Athener 
begehrten deshalb den Krieg zu beendigen, schickten nach Sparta 
Gesandte und schlossen Frieden'. Unter welchen Bedingungen, wer 
an den Verhandlungen theilnahm, wird nicht gesagt. Diodoros giebt 
insofern eine abweichende Darstellung, als er von Artaxerxes, dem 
Könige von Persien, den Frieden vermitteln lässt. Die Hellenen 
hätten bereits so viel in dem Kriege gelitten, dass sie bereitwillig 
.auf den Frieden eingingen. Alle Städte sollen autonom und frei von 
einer Besatzung (ἀφρούρητοι) sein. Nur die Thebaner gingen auf 
diese Basis des Friedens nicht ein, sie wollten für alle Boeoter 
schwören und wurden in Folge dessen ἔκεπονδοι. Epaminondas 
spricht für Theben, Kallistratos für Athen. Endlich sagt der Bericht 
bei Diodoros XV, 38, 4: Οἱ Λακεδαιμόνιοι καὶ ᾿Αθηναῖοι περὶ ἧγε- 
μονίας πάλαι φυλοτιμούμενοι παρεχώρουν ἀλλήλοις, οἱ μὲν τῆς 
κατὰ γῆν οἱ δὲ τῆς κατὰ θάλατταν ἀρχῆς ἄξιοι κρινόμενοι. Mit 
Ausnahme dieser letzten Bestimmung ist das dieselbe Geschichte, 
die Xenophon (Hell. VI, 3, 10 fg.) von dem Friedenscongresse des 
Jahres 371 in Sparta erzühlt. Kallistratos tritt als Sprecher Athens 
auf, lässt in seiner Rede persische Vermittelung durchblicken, nur 
die Thebaner wurden ἔκοπονδοι, weil sie für alle boeotischen Städte 
schwören und den Vertrag unterzeichnen wollen. Epaminondas ist 
nach Plut. Ages. 28 der Wortführer Thebens. Endlich wiederholt 
Diodoros selbst mit Ausnahme der letzten die Hegemonie betreffen- 
den Abmachung den Bericht über die Verhandlungen von 374 im 
Jahre 511. 


114 Georg Busolt: Der zweite athenisehe Bund. 


war in der Quelle des Diodoros ohne die betreffenden Wórtchen bereits 
enthalten, indem der Verfasser aus Nachlüssigkeit oder Vergesslich- 
keit zweimal dasselbe erzühlte. Nun bemerkte Diodoros, dass zweimal 
dasselbe erzühlt sei, besass aber nicht die genügende Kritik diese 
Dittographie als solche zu erkennen und zu entfernen, er bezeichnete 
nur die ihm auffallende Erscheinung durch ein bezügliches πάλιν und 
ὥςπερ καὶ πρότερον. Indessen erheben sich Bedenken dagegen, dass 
Ephoros, der nach den Untersuchungen Volkquardsens wohl als Quelle 
des Diodoros feststeht, diese Verwirrung angerichtet hat, weil Ephoros 
exact arbeitet und beinahe zeitgenössische Ereignisse darstellte, 
während der minder begabtere Diodoros auch nachlässiger schrieb.') 

Es würde eine eingehendere Erörterung, ob Diodoros oder seine 
Quelle die Dittographie veranlasst hat, für eine Quellenkritik des 
Diodoros von Interesse sein, eine solche liegt aber ausserhalb des 
Bereiches dieser Untersuchungen, hier kommt es nur darauf an zu 
zeigen, dass überhaupt eine Dittographie vorliegt, dass die Wörtchen 
πάλιν und ὥςπερ καὶ πρότερον nicht berechtigt sind, weil diese 
Ereignisse sich nicht wiederholten, vielmehr nur im Jahre 371 
stattfanden. In Bezug auf die persische Vermittelung ist das πάλιν 
sicherlich unrichtig und zwar aus folgenden Gründen. Erstlich 
schweigt Xenophon, obwohl er als Freund der Lakedaemonier ein 
lebhaftes Interesse haben musste, persiche Vermittelung in den 
Vordergrund zu stellen und derselben es zuzuschreiben, wenn die 
Athener so günstige Bedingungen erlangten, so dass weniger die 
Athener selbst den Erfolg über die Lakedaemonier errungen zu 
haben schienen. Zweitens sagt Isokrates in der 373 gehaltenen 
plataeischen Rede, dass der König sich in der letzten Zeit der Ein- 
mischung in griechische Angelegenheiten entbalten habe. Isokr. 
Plat. 41: Ἔξω γὰρ αὐτοῦ (τοῦ Bacıkewc) πραγμάτων γεγενημένου 
ὅμως Λακεδαιμονίων TOCOUTOV TIEPIETEVECHE πολεμοῦντες, WCT 
ἐκείνους ἀγαπητῶς ἰδεῖν τὴν εἰρήνην γενομένην ........ τούτων 
ὡς οὐ ὁ βαεςειλεὺς αἴτιος ἦν ὁ τελευταῖος χρόνος ςαφῶς ἐπέδειξεν. 
vgl. A. Schaefer, Dem. u. s. Z. S. 46. Unger, Chronologie des Manetho 
S. 302 fg. 

Ebensowenig entspricht es dem wahren Sachverhalt, wenn 
Diodoros im Berichte über die Ausschliessung Thebens von dem im 
Jahre 371 geschlossenen Friedensvertrage ein ὥςπερ xai πρότερον 
hinzufügt. Xenophon, der eben das Verhältniss Thebens zu Athen 
auseinandergesetzt hat, der kaum bei einer Sache mehr interessirt 
sein konnte als bei einem Ausschlusse des ihm verhassten, den Lake- 
daemoniern am schlimmsten verfeindeten Theben und daher im Jahre 


1) Vgl. Joseph. g. Apion. I, 12. S. 183: Οἱ δοκοῦντες Axpıßecraroı 
ευγγραφεῖς, ὧν écriv Ἔφορος. Josephus hatte für ein solches Urtheil 
das nóthige Verstündniss, vgl. Polyb. V, 33. VI, 45. XII, 25. Strabo VIII, 
S. 382 fg. A. Schaefer Abriss der Quellenkunde der griechischen Ge- 
schichte $ 28. 


Li 


716 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


der lakedaemonischen Gesandten würde also cuvedpıov heissen. 
In gleicher Weise wäre das κοινὸν cuvébpiov bei Diodoros die Con- 
vention der zur Berathung des Friedens von den hellenischen Staaten 
nach Lakedaemon geschickten Gesandten. Ueberdiess bezieht sich 
κοινὸν cuvébpiov bei Diodoros ebenso auf die Verhandlungen im 
Jahre 371, nicht bloss auf die im Jahre 374. Wenn es aber den 
im Jahre 371 zu Sparta berathenden allgemeinen Congress von Ge- 
sandten der hellenischen Staaten bezeichnen kann, so ohne Zweifel 
auch einen solchen von 374. Ausserdem sagt Xenophon ausdrücklich, 
die Athener hätten Gesandte nach Sparta geschickt und Frieden 
geschlossen. Vgl. Hell. VI, 2. 1: πέμψαντες πρέεβεις εἰς Λακε- 
δαίμονα εἰρήνην ἐποιήςαντο. Auch Schaefer bezieht ohne Weiteres 
das κοινὸν cuvedpıov auf Athen und sucht die Schwierigkeit, welche 
dann die Xenophon-Stelle bietet, dadurch zu umgehen, dass er eine 
nach den Vereinbarungen in Sparta zu Athen zur Ratification des 
Friedens geführte Verhandlung annimmt. Eine solche ist indessen 
durchaus überflüssig, wie aus den im Jahre 371 geführten Friedens- 
verhandlungen hervorgeht. In diesem Jahre beschwören die von 
allen athenischen Bundesstädten in Sparta anwesenden Vertreter den 
Vertrag sofort nach seiner Vereinbarung, denn die Thebaner ver- 
langen bereits am nächsten Tage eine Abänderung in Bezug auf die 
Tragweite des von ihnen geleisteten Eides, vgl. Xen. Hell. VI, 3. 2 
fg. und 3. 19. Unger, Chronologie des Manetho S. 302 fg. verwirft 
zwar mit Recht die Annahme Schaefers von zwei in Sparta und in 
Athen geführten Verhandlungen, im Uebrigen aber gilt auch gegen 
Unger das hier Bemerkte. Dass der Friede, wie Unger meint, ohne 
Wissen der Thebaner und athenischen Bundesgenossen abgeschlossen 
sei, ist eine ebenso unbegründete wie falsche Hypothese. Es wird 
dieses aus dem, was vorher über die Verfassung des athenischen 
Bundes und den vermeintlichen Ausschluss der Thebaner gesagt ist, 
hinreichend klar sein. Das κοινὸν cuvébpiov bei Diodoros bedeutet 
also nicht den Rath der athenischen Bundesgenossen und damit füllt 
auch Ungers Annahme einer Verwechselung der Friedensverhand- 
lungen vom Jahre 374 mit den zu Athen gepflogenen Verhandlungen 
über die athenische Bundesverfassung. 

Ferner nimmt Unger eine Vermischung mit dem Frieden des 
Antalkidas an. Aus dem antalkidischen Frieden sei der Passus über 
die Autonomie aller Städte entnommen, es liege daher auch in Be- 
zug auf diesen Frieden in dem Berichte über die Verhandlungen 
und Resultate vom Jahre 374 eine Dittographie vor. Allein diese 
Bestimmung über die Autonomie kommt nicht nur in dem Frieden 
vom Jahre 371 ebenfalls vor, sondern bildet die unvermeidliche 
Grundlage der grossen, politischen Verhandlungen vom antalkidischen 
Frieden bis in die Zeit Philipps. Es liegt also gar kein Grund vor 
die Wiederholung dieser Bestimmung über die Autonomie als blosse 
Dittographie zu betrachten. Unger meint dieser Passus hätte gar 





118 Georg Busolt: Der zweite athenische Buud. 


kidas im Sinne. Allein, obschon cuvOf]kat bei Isokrates stets, wie 
auch Grote darthut, den antalkidischen Frieden bezeichnet, so hebt 
dieses nicht die Möglichkeit auf, dass derselbe im Frieden von 
374 erneuert wurde und einen integrirenden Bestandtheil des- 
- selben bildete. ‚Eine solche Erneuerung wurde öfter in Scene gesetzt, 
so gleich im Jahre 370 von den Athenern. Es hatte dieser Friede 
durch das Vorgehen der Lakedaemonier gegen Theben im Jahre 379 
und gegen einige peloponnesische Städte einen bedenklichen Stoss 
erlitten, die Bestimmung über die Autonomie aller Städte war bereits 
von geringer praktischer Bedeutung, und eine Erneuerung des 
Friedens hatte um so mehr Sinn, als man den in der Bildung be- 
griffenen thebanischen Bund auflösen. wollte. Die häufigere Berufung 
in der plataeischen Rede auf die Verträge, in denen die Garantie der 
Autonomie aller Städte ausgesprochen sei, macht es noch wahr- 
scheinlicher, dass eine Erneuerung desselben im Jahre vorher statt- 
gefunden hatte, denn die Politik war seit der Besetzung der Kadmea 
und dem versuchten Handstreich auf den Peiraieus bereits factisch 
über den im Jahre 387 geschlossenen Frieden zur Tagesordnung 
übergegangen. Der Hauptzweck der Untersuchung Ungers über 
den Frieden von 371 ist der Nachweis, dass die Perser bei diesem 
Frieden nicht vermittelt haben. Indessen eine Erneuerung des 
antalkidischen Friedens involvirt durchaus nicht die Vermittelung 
des Kónigs. Dem König lag damals am meisten daran, dass die 
Bestimmung des antalkidischen Friedens über die hellenischen Städte 
Kleinasiens aufrecht erhalten würde, wenn man nur diesen Punkt 
nicht antastete, kümmerte er sich (wie auch der Friede vom Jahre 
371 zeigt) wenig um eine Veränderung des Friedens und noch 
weniger um eine Erneuerung desselben. 

Unger meint, es hätte überdies die Zerstörung Plataeaes im 
Jahre 375 stattgefunden, und wenn daher von einer Verletzung des 
Friedens die Rede sei, so könne man diese nicht auf den von 374 
beziehen. Es werde zwar in der plataeischen Rede gesagt, die 
Stadt sei mitten im Frieden überfallen, allein dieser Friede wäre 
der factische Friedenszustand, der nach dem Abzug der Lake- 
daemonier in Boeotien eintrat. Das Participium oVcnc und der Mangel 
des Artikels in dieser Stelle: ἥκομεν ἱκετεύζςοντες μὴ περιιδεῖν 
ἡμᾶς εἰρήνης οὔςης ἀναςτάτους ὑπὸ Θηβαίων γεγενημένους (Plat. 1) 
liesse es nicht zu, den erwühnten Frieden als den von 374 aufzufassen. 
Dieser Friede sei überhaupt bloss an der Stelle berührt, wo es 
heisst: ὅμως αὐτῶν (Λακεδαιμονίων) τοςοῦτον περιεγένεςθε πολε- 
μοῦντες ὥςτ᾽ ἐκείνους ἀγαπητῶς ἰδεῖν τῆν εἰρήνην γενομένην 
(Plat. 41). Es würe aber in der That wunderbar, wenn den eben ge- 
schlossenen Frieden der Redner nur einmal in Betracht gezogen hätte. 

Auch der Mangel des Artikels und das Participium oÜcnc ist 
kein Grund gegen eine Beziehung auf den Frieden vom Jahre 374. 
“Wir kommen Euch bitten, nicht ruhig zuzusehen‘, dass wir von den 


180 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Diese Unterwerfung ging durchaus nicht in aller Ruhe vor sich, 
sondern erforderte, wie aus andern Stellen hervorgeht, vielmehr 
harte Kämpfe, die aber Unger ohne Weiteres übersieht und ‘Frieden 
in Boeotien’ nennt. 

Es hat sich also ergeben, dass sämmtliche Gründe, die Unger 
dagegen anführt, dass der Friede von 374 eine Bestimmung über 
die Autonomie aller Städte enthalten habe, gänzlich ohne Bedeutung 
sind, und dass daher die Annahme, es liege hier bei Diodoros eine 
Vermischung mit dem Frieden des Antalkidas vor, durchaus unbe- 
rechtigt ist. Eine weitere Kritik der Untersuchungen Ungers im 
Allgemeinen verbreitetdie Begrenzung des Objectes dieser Forschungen, 
doch ist eine solche sehr zu empfehlen. 

Es findet also bei Diodoros nur eine Vermischung der Friedens- 
verträge vom Jahre 374 und 371 statt, es fragt sich noch, wie 
dieselbe móglich war, ob es Gründe giebt, die einen nachlüssigern 
Historiker zu einer Dittographie hier verführen konnten. 

Fehlen solche Gründe, so wird man die Annahme einer Doublette 
mit grosser Skepsis aufzunehmen haben. Es sind indessen Momente 
vorhanden, die zu einer Doublette verleiten konnten. In beiden Jahren 
374 und 371 war eine Hauptveranlassung des Friedens die Spannung 
zwischen Athen und Theben, wodurch Theben beide Male bei den 
Verhandlungen isolirt wurde. Ferner machten hier wie dort Mangel 
an Geldmitteln und Erschöpfung in Folge des Jahre lang geführten 
Krieges den Frieden wünschenswerth. Auch enthielt der Friede von 
374 ebenso wie der von 371 ohne Zweifel die in allen Verträgen 
jener Zeit vorkommende Bestimmung: alle Städte sollen autonom, 
frei von Besatzungen u. s. w. sein, vgl. Isokr. Plat. 5, Schaefer 
Dem. u. s. Z. II, 8. 47. Endlich erfolgten beide Friedensschlüsse 
zu Sparta, wobei wahrscheinlich Kallistratos, als der leitende Staats- 
mann Athens, und Epaminondas, als einer der hervorragenden Po- 
litiker Thebens, jedes Mal das Wort ergriffen, obwohl dieser nur 
von den Verhandlungen im Jahre 371 bestimmt berichtet wird. 
Eine Vermischung beider Verhandlungen und Dittographien lagen 
also für Diodoros nahe. 

Nun findet sich aber bei Diod. XV, 88 ein Satz, der XV, 50 
nicht vorkommt, nämlich die Bestimmung, dass den Athenern die 
Hegemonie zur See, den Lakedaemoniern die zu Lande zuerkannt 
sei. Es war dieses für die Athener von grosser Bedeutung, indem 
dadurch ihre Hegemonie und ihr Seebund anerkannt und ihnen die 
Berechtigung zugestanden wurde, die:elben über die Inseln und 
Küstenstüdte auszudehnen. Die blosse Anerkennung war nicht von 
rein formeller Bedeutung, sondern hatte auch wichtige praktische 
Folgen. Es galt unter Anderem bei den Hellenen als ein anerkannter 
politischer Grundsatz, dass der Vorort befugt sei, seine Bundes- 
genossen als solche zu bestrafen und gegen sie mittelst Execution 
vorzugehen, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkamen. So 








> thatsüchlich in einem grossen Theile Griechenlands ausser 
z und verlor schnell an praktischer Bedeutung. Es war klar, 
» sich weder der Grosskönig noch eine hellenische Grossmacht 


n 37 1 und das Scheitern der Eidgenossenschaft von 370 gezeigt 
hatte. pue Theben in Hellas massgebend war, hatte von den 
' ρος να des antalkidischen Friedens wirkliche Bedeutung die 
[T ' der hellenischen Küstenstädte Asiens an den Grosskönig. 
ie Macht in Hellas, welehe diese Abtretung anerkannte und Garantien 
e Aufrechterhaltung dieser Friedensbestimmung zu bieten schien, 
h: à: die Aussicht ein Bündniss mit Persien zu erlangen und Pro- 
| des Friedens zu werden. Ausser an dem Besitze der asiati- 
n Hellenenstüdte hatte der Grosskönig noch ein bes os Inter- 
| an einem gutem Verhältniss mit dem wichtigsten Staate v von x Hellas, 
m für die Feldzüge gegen die fortwührenden Aufstände von Satrapen 
5. Schwierigkeiten hellenische Söldner zu erhalten. Xen. Hell. 
2t. 35, 
Das waren die Momente, welche es dem Pelopidas möglich 
machten, mit dem Könige in Verhandlung zu treten, obwohl Theben 
ı Frieden bis aufs Aeusserste bekämpft hatte, Nach Xen. Hell. 
d 36 forderte und erlangte Pelopidas folgende Friedensbestim- 
1: Μεςεήνην αὐτόνομον εἶναι ἀπὸ Λακεδαιμονίων, καὶ ᾿Αθη- 
ναίου AW τὰς vaüc' εἰ δὲ ταῦτα μὴ πείθοιντο, «τρατεύειν 
m’ αὐτούς εἴ τις δὲ πόλις μὴ ἐθέλοι ἀκολουθεῖν ἐπὶ ταύτην 
nv ἱέναι. Von der Autonomie “aller Städte, grosser und kleiner" 
t nicht die Rede, im Gegentheil, es wird ein Zwang auf sie aus- 
En übt, da eventuelle Kriegsfolge gegen die Lakedaemonier edat 
 Athener verlangt wird. 
Dieser Vertrag ist ganz im Geiste der thebanischen Politik 
gehalten, Seine Bestimmungen wurden wahrscheinlich als Zusätze des 
. &ní: τ πο Friedens hingestellt. Bei Plut. Pelop. 30 wird als Inhalt 
Vertrages der Thebaner mit dem Könige angegeben: Αὐτονό- 
E 





N 
: εἶναι τοὺς "EAAnvac, οἰκεῖεθαι δὲ Mecchvnv, womit angedeutet 
l, dass der antalkidische Friede bestehen blieb und ergünzt wurde. 
iden Arladerholten Auflagen des antalkidischen Friedens in den 
politischen Verhandlungen der letzten zwanzig Jahre, denen er als 
unum sgliche Basis diente, war der Inhalt der Bestimmung über 


— wendige Eingangsformel eines Friedens zu betrachten gewohnt war. 
"Wenn man erwägt, dass oft in Friedensvertrügen Sätze stehen, an 
eee praktische Bedeutung oder Durchführung nie gedacht wird, 
dass ferner in desem Falle die Lakedaemonier bereits als Vorsteher 
des Friedens denselben je nach ihrem Interesse entweder entschieden 
| durchgeführt oder verletzt hatten (Verhalten gegen Theben uud 





ich um seine Durchführung kümmerte, was besonders der Friede - 


oun allmählich zur blossen Phrase geworden, die man als noth- 


Bir ᾷ 







































800 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Olynth einerseits, andrerseits gegen Mantinea und Phlius), so darf 
es nicht Wunder nehmen, wenn nun die Thebaner selbst einen Frieden 
vornghmen, der zwei Jahrzehende vorher gerade gegen sie gerichtet 
war. Damals hatte Lakedaemon die Macht, jetzt Theben; damals 
 erklürte Lakedaemon die Forderung Thebens: die Lakedaemonier 
sollten die Perioekenstüdte autonom lassen, wenn sie von Theben 
die Freigebung der boeotischen Städte verlangten, als unberechtigt, 
jetzt machte es Theben umgekehrt. In den Jahren 371 vnd 370 
waren die Zusätze zum Frieden vom Sonderinteresse der lakedae- 
monischen und athenischen Politik bestimmt, jetzt von der theba- 
nischen. 371 hatte man Amphipolis als den Áthenern zugehóng 
anerkannt, jetzt strich Theben diesen Zusatz, Amphipolis sollte 
autonome Stadt sein. Schaefer “Dem. ἃ. s. Z^ I, S. 84. Ferner 
wurde in einem weitern Zusatze bestimmt, dass Messene autonom 
sein solle, endlich den Athenern geboten, ihre Kriegsschiffe ans 
Land zu ziehen. Theben wollte für sich die See klar haben und des- 
halb athenische Kriegsschiffe nicht dulden. Diese Absicht ist im 
Hinblicke auf die See- Expedition, die im folgenden Jahre Epami- 
nondas unternahm, unzweifelhaft. Einer der athenischen Gesandten 
in Susa setzte zu diesem für Athen ungünstigen Frieden die Schluss- 
klausel durch, εἰ δέ τι δικαιότερον τούτων Yıyvuckoucı, οἱ 'A0n- 
ναῖοι ἰόντας πρὸς Bacıkea διδάςκειν, wodurch die Möglichkeit einer 
Verständigung zwischen den Athenern und dem Könige erhalten 
blieb. Vgl. Xen. Hell. VII, 1, 37. 

Als Pelopidas mit diesem Frieden nach Hellas zurückgekehrt 
war, beriefen die Thebaner einen allgemeinen hellenischen Congress 
nach Theben, sie wollten in Theben wiederholen, was nur in anderm 
Sinne in den vahren 387, 374, 371 in Sparta, 370 in Athen ge- 
schehen war. Allein dieser Plan Thebens, als Prostates des Friedens 
aufzutreten, scheiterte vollständig. Die Städte verweigerten ent- 
schieden den Schwur auf den zu offen in thebanischem Interesse 
veränderten Frieden. Ausserdem war früher der Friede von einem 
Staate zur Beschwörung vorgelegt, der wenigstens formell und zur 
Zeit auch thatsächlich die Autonomie der Bundesgenossen anerkannte, 
jetzt setzte sich Theben so über alle Rücksichten hinweg, dass es 
selbst an der Spitze einer unterthänigen Bundesgenossenschaft stand. 
Eine solche Politik musste natürlich entschiedene Opposition hervor- 
rufen. Der grösste Theil der hellenischen Städte erklärte, man be- 
dürfe durchaus nicht gemeinschaftlicher, eidlicher Abmachungen mit 
dem Grosskönige. “Und diese Bestrebungen des Pelopidas und der 
Thebaner wurden so vereitelt.” Xen. Hell. VII, 1, 40. 

Theben dachte auch daran auf die Seeverhältnisse seinen Ein- 
fluss auszudehnen und hier den Athenern entgegenzutreten, weil nur 
so die neue Machtstellung derselben zu brechen war. Die erste Hin- 
weisung auf derartige Pläne der Thebaner findet sich bei den Ver- 
handlungen des Pelopidas mit dem Könige und zwar in der von 





Georg Busolt; Der zweite athenische Bund. , 


land Hohen sollen. (Hell. VII, 1, 36). Wis mus Di. 
1,79 ch, begannen damals die "Thebaner eine Flotte zu 
Theben erstrebte nicht nur die Hegemonie in Mittelgriechen- 
oder tiber die Landstaaten, sondern über ganz Hellas, wie sie 
Lakedaemor besessen hatte. Dazu war eine Marine nothwendig, 
re Begründung war die natürliche Consequenz der Pläne, welche 
© leitenden Staatsmänner Thebens nach dem grossen Siege von 
gefasst hatten. Vgl. Xen. Hell. VII, 1, 33: ζυνεχῶς δὲ 
Beußpevo: Θηβαῖοι ὅπιυς ἂν ἡγεμονίαν τῆς Ἑλλάδος λάβοιεν | 
po XV, 50: ἥτε πόλις τιὺν Θηβαίων φρονήματος ἦν 
ς καὶ μετάλων ὀρέγετο πρατμάτων κτλ. Diod, XV, 87: Ἐπα- 
μεινιίύνδου ευμβουλεύςαντος ὅτι. . . . τοὺς τῆς τῶν Ἑλλήνων 
nreuovia ὀρετομένους κτὰ. Isokr. Phil. 58. 
pe Thebaner knüpften, noch bevor ihre Flotte in See ging, im 
e 366 mit den bedeutendsten athenischen Bundesstädten: Rhodos, 
s Byzanz Beziehungen an!). Schwerlich dürften die Thebaner 
> Aussichten auf Erfolg diese Verhandlungen begonnen haben, 
‚heinlich liessen gewisse Anzeichen darauf schliessen, dass die 
x der Seestäidte gegen Athen seit der Gründung des Bundes 
westlich zum Nachtheile der Athener verändert hatte. In der 
hat war dies der Fall, und zur Erklärung dieser Thatsache genüge 
; Folgendes. 
Die Seestädte hatten sich nicht aus Zuneigung gegen Athen, 
1 aus Hass gegen die Lakedaemonier dem Bunde angeschlossen, 
E βόδι sich von der lüstigen und drückenden Hegemonie der- 
selber emancipiren. Athen nahm zur Zeit der Begründung des Bun- 
3 keineswegs eine Machtstellung ein, von der man eine ähnliche 
Bedrohung der Selbstständigkeit wie durch die Lakedaemonier zu 
xm | hatte. Athen hatte sogar zu grossen Concessionen sich 
gt xóthig gt gesehen, um überhaupt ein Bundessystem zu begründen. 
Jet: Eigen die Verhältnisse anders, Athen hatte in wenigen Jahren 
unerwarteten Aufschwung genommen, es beherrschte die See | 
ınd musste dadurch von selbst auf die einzelnen Seestädte einen f, 
Fühlbaren, bestimmenden Einfluss ausüben, ohne dass gerade die | 

fassung verletzt wurde. Ein fremder. Einfluss war aber 3 

C ellenisohen Gemeinden unertrüglich, man suchte sich so viel als 
iim von ihm zu emancipiren. Man hatte Athen für sehwach 
x gehalten, um sich unter seiner Hegemonie viel freier als unter —  . 
de Bsuemosisibet bewegen zu künnen, man fiel daher von der 
Lakedaemoniern ab und stellte sich unter die Führung der Athener 
oed aer war Athen zur See wenigstens gleich einflussreich wie 
or Lakedaemon, formell erkannte es die Autonomie der Bundes- 


i. =, 


En Bei reni findet, man natürlich über diese 
zen Thebens kein Wort. 


































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802 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


genossen an, thatsächlich wurde den Machtverhültnissen gemäss die 
freie Bewegung der Bundesstädte in den mannigfachsten Beziehungen 
wesentlich beeinträchtigt. 

So erwachte die autonomistische Reaction der Bundesgenossen. 
Gegenüber der mächtigen Marine der Athener war die der Thebaner 
erst im Entstehen, und nie hatte Theben zur See eine bedeutende 
Rolle gespielt oder Aussichten eine solche zu spielen!) Von dieser 
Seite fürchtete man zunüchst keine wesentliche Beschrünkung der 
Selbstständigkeit. Es wird erklürlich, warum man die maritimen 
Pläne der Thebaner, die darauf abzielten der Machtentwickelung 
Athens entgegenzutreten, günstig aufnahm. Ausserdem gab es noch 
andere Gründe, welche die Seestädte von Athen abwendeten. Die 
Bundesgenossen der ersten Symmachie waren durchaus geneigt in 
Ruhe und Frieden, Ackerbau, Handel und Gewerbe zu treiben. Vgl. 
Thuk. I, 97 —99. Man lebte lieber der Fórderung seiner materiellen 
Interessen, als dass man einen Feldzug mitmachte.e Nun geht 
namentlich aus den Reden des Demosthenes hervor, dass sich der 
Charakter der Athener nach derselben Richtung hin umgebildet 
hatte, und dass die τόλμη und πολυπραγμοςύνη, welche Thukydides 
als charakteristisches Merkmal der Athener hervorhebt, zum grossen 
Theil geschwunden war. Es ist dieses ein sicheres Anzeichen, dass 
diese friedliche, auf Fórderung der materiellen Interessen gerichtete 
Tendenz in dem letzten Jahrhundert noch weitere Ausdehnung ge- 
wonnen hatte. Ebenso sehr wie eine autonome Stellung wünschten 
die Seestädte Ruhe und Frieden als sie sich unter die Hegemonie 
der Athener stellten. Vgl. das Psephisma über den Grundbesitz im 
Gebiete der Bundesgesossen 6: ἐν βεβαίῳ τὴν αὑτῶν ἔχοντες fjcuxiav 
ἄγειν. Bis zur Bewültigung der Uebermacht Spartas stellte man gern 
Kriegscontingente, weil es das eigene Interesse erforderte. Doch 
schon im Jahre 374 hatte Lakedaemon auf die Hegenomie zur See 
verzichtet, seit der Schlacht von Leuktra vollends war von dieser 
Seite auf lange Zeit nichts zu besorgen. Es schien nun nach sieben- 
jährigem Kriege die Zeit der erwünschten Ruhe zu kommen, be. 
sonders da Athen am Anfange des grossen Kampfes zwischen Theben 
und Lakedaemon eine neutrale Stellung einnahm. Der so plötzliche 
und mächtige Aufschwung Thebens zwang die Athener Stellung zu 
nehmen, es gelang ihnen eine Zeit lang auch in den landstaatlichen 
Verhältnissen die leitende Rolle zu spielen. Athen zog natürlich 
seine Bundesgenossenschaft in diese politischen Bewegungen mit 
hinein, es musste dieselbe in Folge der Theilnahme an der Eid- 
genossenschaft vom Jahre 370 neue Verpflichtungen zu kriegerischer 
Hülfeleistung übernehmen. So waren die Bundesgenossen in unab- 





1) Ueber die Unfähigkeit Thebens auf einige Dauer eine seebeherr- 
schende Stellung einzunehmen vgl. Schaefer “Dem. u. s. Ζ.᾽ I, 8. 104; 
Grote “Hist. of Gr.’ X, S. 417. 




















P d 


son 


‚hbaı Wirren verwickelt, anstatt dass sie die erwilnschte. 
Be iu de Thobener im. Haben Sen nik des MIRO ) 
Be iei ingen anknüpften, gab es wieder seit drei Jahren Krieg ohne | 
ıssicht auf baldigen Frieden. Es wird daher eine Verstimmung 
leicht erklärlich. Gerade eine Anzahl der be- 
enderen Städte wie: Chios, Rhodos, Byzanz, deren Bedeutung und 
lauf Ackerbau, Handel und Gewerbe beruhte, die daher 
T o RR RI mussten schliesslich entschiedene Opposition gegen 
je. Politik machen, die aus Kriegen gar nicht herauskam. ! 


— Js ist zweifelhaft, wie weit die Verhandlungen Thebens mit 
diesen Seestüdten bereits gediehen waren, als im Jahre 365 Epami- 
nondas mit einer thebanischen Flotte in See ging und zunächst seinen 
Curs naeh Byzanz nahm. Diod. XV, 99; Isokr. Phil. 53; Schaefer 
‘De m.w s 2 I, 8. 105 und 109 Anm. 2. Eine ihm 

de athenische Flotte trieb er zurück und 'ibíac τὰς πόλεις τοῖς 
Θηβαίοις émoínce'. Diod. XV, 79. 


L Dieser Ausdruck ist zu unbestimmt, um daraus auf das Ver- 
Miliniss der Städte zu Theben einen Behluse zu ziehen und zu ent- 
cheiden, ob sie Bundesgenossen oder Verbündete Thebens wurden. 
I Letztere ist wahrscheinlicher, denn Diodoros hätte sonst wohl 
2 daft gewöhnlichen Ausdruck cuuuäxouc gebraucht. Wie diese 
dte nach der Schlacht bei Knidos mit Athen, so mögen sie jetzt 
Eiheben ein Schutz- und Trutzbündniss geschlossen haben. Byzanz 
| ohne Zweifel schon damals aus dem athenischen Bunde aus, 
δὰ führte in den nächsten Jahren in Verbindung mit Kotys gegen / 
‚die Athener Krieg. Dem. g. Arist. 149 fg.; Corn. Nep. Tim. 1; " 
Rehdantz * Vit. Iph." S. 138 fg. 
.  hios und Rhodos hat wohl Epaminondas nicht berührt, die 
. Quellen geben wenigstens in dieser Hinsicht keine Andeutung, wobei 
der Umstand in Betracht kommt, dass Epaminondas hätte auf 
^ das Geschwader des Timotheos stossen müssen, das damals noch vor 
Samos lag. Vgl. Schaefer “Dem. u. s. Z^ 8. 106. Auch Isokrates 
. weiss bei der Aufzühlung der Schädigungen, welche die Thebaner 
nach der Schlacht bei Leuktra den Athenern zugefügt hätten, nur 
von der Sendung einer thebanischen Flotte nach Byzanz, obwohl 
Tsokrates sicherlich alles, was er wusste, anfülhrte (Isokr. Phil. 53). 
Chios und Rhodos werden kaum einen Bündnissvertrag mit Theben - 
‚abgeschlossen haben, sondern nur mit dieser Stadt in freundliche 
Beziehungen getreten sein, die Lüsung des bundesgenüssischen Ver- 
hältnisses zu Athen trat sicher erst in den nächsten Jahren ein. 
Der Verlust der euboeischen Stüdte, von Oropos und Byzanz, 
Be Bencheinen eines thebanischen Geschwaders in ‚See, se ee 


bd 














Bs 















A jede lankliches Zurückgehen “ὦ Nac Cr Macht. "moi y theo | 
es, der ihr einen neuen Aufschwung gab, der wesentlich di 








Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. BOT 


der heutigen Zeit beurtheilen, sondern nach den Culturverhältnissen 
der betreffenden Periode messen. 
Endlich sagt man, es sei die Einrichtung einer Kleruchie eine 

schnöde Verletzung der Grundsätze gewesen, die Athen in dem Pse- 
phisma über den Grundbesitz im Gebiete der Bundesgenossen aus- 
gesprochen hatte, Athen hätte sich auf seine Macht trotzend über 
die Bundesverfassung und alles Recht hinweggesetzt. Allein in dem 
Psephisma steht nur, was man durchaus tibersehen hat, Athen ver- 
zichte auf den Grundbesitz: ἐν ταῖς τῶν ευμμάχων χιύραις, oder 
Ev τῇ τῶν ποιηςαμένων ευμμαχίαν χιώρᾳ, es ist nicht den Athenern 
verboten, in andern, rxicht-bundesgenóssischen Gebieten, Grundbesitz 
zu erwerben und Kleruchien zu gründen. 

Samos war aber gar nicht bundesgenössisches Gebiet und wurde 
es niemals, Athen hatte einer auf die Barbaren sich stützenden 
Faction die Insel entrissen und behielt sie nach Kriegsrecht. Man 
siedelte wie einst auf Lemnos, Imbros, Skyros, welche Inseln trotz 
des Psephisma nicht von Athen geräumt wurden, athenische Bürger 
an. Samos wurde nicht bundesgenóssisch, sondern so zu sagen eine 
Deme des athenischen Staates. Die Einwohner von Samos hiessen 
fernerhin zwar noch 'Samier', aber auch “Volk der Athener in Samos’, 
vgl. Boeckh, Sth. III, 18, 3. 460 fg. Das Psephisma verbot nur den 
Athenern, irgend eine passende Gelegenheit zu ergreifen, um, wie es 
im ersten Bunde geschah, auf einer bundesgenössischen Insel ein 
Stück Land zu occupiren und dorthin eine Colonie athenischer Bürger 
zu schicken, welche nun die Insel vollständig in der Hand haben 
mussten. Es verbot ferner selbst einzelnen athenischen Bürgern auf 
eigene Rechnung Grundbesitz zu erwerben, weil natürlich diese als 
Bürger des leitenden Staates häufig Mittel und Wege finden mussten, 
zu ihrem Vortheil und zum Nachtheile der bundesgenössischen Ge- 
meinde Erwerbungen zu machen und auf die Verwaltung der Ge- 
meindeangelegenheiten fühlbaren Einfluss zu üben. In den Seestädten, 
welche nach der Auflösung des ersten athenischen Bundes Mitglie- 
der des lakedaemonischen geworden waren, machte sich der Einfluss 
der einzelnen lakedaemonischen Bürger in so hohem Grade geltend, 
dass Xen. Anab. VI, 4, 12 sagt: ἱκανοὶ δέ eicı καὶ εἷς ἕκαςτος Λακε- 
daınoviwv ἐν ταῖς mökecıv ὅτι βούλοιτο διαπράττεεθαι. 

Athen würde vielleicht im Jahre 378/7, um den neuen Bundes- 
genossen nicht die geringste Veranlassung zum Misstrauen zu geben, 
keine Kleruchie ausgeschickt haben, seitdem hatten sich aber die 
politischen Machtverhültnisse der Athener zu ihrem Vortheil, nicht 
in dem Grade ihre Gesinnungen zum Nachtheil veründert. Neuere 
Darsteller pflegen ebensosehr die hohe, wohlwollende Willensrichtung 
der Athener in den Jahren der Entstehung des Bundes hervorzuheben, 
wie fünfzehn Jahre später ihre egoistische, nur auf Befriedigung 
ihrer Herrschsucht hinzielende. Man geht darin entschieden fehl, ein 
solcher Contrast besteht nicht, denn ein Volk, das wie das athe- 


1 4 


808 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


nische eine lange historische Entwickelung hinter sich hai, wird 
ohne grosse innere Umwälzungen innerhalb eines Jahrzehends schwer- 
lieh seinen Charakter veründern, dass es aus einem durch wohlwol- 
lende Humanitüt ausgezeichneten zu einem von rücksichtsloser 
Herrschsucht getriebenen, sich über alles Recht und Gesetz hinweg- 
setzenden wird. Zu einer solchen Annahme werden diejenigen ge- 
nöthigt, welche die Ursachen einer weniger Rücksichten nehmenden 
und selbstbewussteren Politik Athens in einer Charakterveränderung 
der Athener und nicht in einer andern Gestaltung der politischen 
Verhültnisse suchen. Früher bei der Begründung des Bundes war 
eine so ausserordentliche Liberalität politisch, und darum zeigte man 
sich mehr nachgiebig und liberal als es in der eigentlichen Gesin- 
nungsrichtung lag. Jetzt war eine solche Liberalität nicht mehr 
nöthig, vielleicht sogar unpolitisch, und man trat so wie gewöhnlich 
auf. Jedenfalls ist von einer flagranten Verletzung der Bundesver- 
fassung durch die von Eigennutz verblendeten Athener nicht die Rede. 

Nach der Einnahme von Samos begab sich Timotheos nach dem 
Hellespontos (vgl. Isokr. v. Umtausch 111) und wurde höchst wahr- 
scheinlich eine Veranlassung, weshalb Epanimondas so schnell den 
Hellespontos verliess und nach Boeotien zurückging. Timotheos aber 
nahm einen grossen Theil der Chersonesos, darunter die Städte Kri- 
thote und Sestos, wodurch zuerst wieder die Aufmerksamkeit der 
Athener in höherm Masse nach dieser Seite hin gerichtet wurde. 
Nach diesen bedeutenden Erfolgen wurde Timotheos nach der thra- 
kisch-makedonischen Küste geschickt, wo seit dem Jahre 368 im 
Bunde mit Makedonien der Krieg um Amphipolis gegen den chal- 
kidischen Städtebund ohne ersichtlichen Erfolg geführt wurde. Vgl. 
Isokr. v. Umtausch 113. Dem. Ol. II, 14. Ps. Aristot. Oik. II, 23. 
. Timotheos begann den Krieg mit neuer Energie, errang wesentliche 
Vortheile und gewann eine Reihe von Städten: Torone, Methone, 
Pydna, Potidaea und andere. Vgl. Dem. Phil. II, 20. Heges. v. Hal. 
10. Isokr. v. Umt. 111 und 113. Diod. XV, 81. Schol. z. Dem. 
Ol. III, 36. Dein. g. Philokl. 17. Corn. Nep. Tim. 1. Ein Angriff 
auf den Hauptgegenstand des Kampfes, auf Amphipolis, schlug jedoch 
fehl (Polyain. III, 10, 8). In welches Verhältniss diese von Timo- 
theos gewonnenen Städte zu Athen traten, ist nach den Quellen nicht 
vollständig zu bestimmen. In Bezug auf Potidaea braucht Isokr. v. 
Umtausch f13 den Ausdruck εἷλε, was in der Regel gewaltsame Ein- 
nahme durch Belagerung oder Sturm bedeutet. Diodoros bestätigt. 
die Angabe des Isokrates, sie dahin ergänzend, dass er sagt πολιορ- 
xncac (XV, 87). 

Dasselbe geschah mit Torone. Von Krithote und Sestos sagt 
Isokrates an der einen Stelle &xtncato, an der andern ἔλαβε, woraus 
auf ein gütlicheres Abkommen zu schliessen ist. Freiwillig im 
vollen, wahren Sinne des Wortes werden diese Städte schwerlich 
dem Bunde beigetreten sein, sondern unter dem Einflusse der sieg- 





810 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Stadt zu machen, weil Kotys im Bündnisse mit den Byzantiern einen 
erfolgreichen Angriff auf den Chersonesos gemacht hatte. Im Herbst 
363 begab sich daher Timotheos nach dem Hellespontos und errang 
über die Byzantier bedeutende Erfolge. Vgl. Dem. g. Arist. 149 fg. 
Corn. Nep. Tim. 1. Rehdantz, Vita Iph. S. 138 fg. Cornelius Nepos 
sagt zwar: "Timotheus Byzantios bello subegit", und Schaefer lässt 
es dahingestelli sein, ob die Unterwerfung von Byzanz Thatsache sei, 
aber es ist zweifellos, dass diese Bemerkung eine starke Uebertreibung 
enthält. Die Hauptstütze für die Angabe Cornels wäre Diod. XV, 7, 
wo es bei Ausbruch des Bundesgenossenkrieges, im Jahre 357 heisst: 
Χίων καὶ Podiwv xal Κώων ἔτι δὲ Βυζαντίων ἀποςτάντων. Die 
Möglichkeit eines Abfalles im Jahre 357 setzt natürlich eine vorher- 
gehende Unterwerfung voraus. Indessen hat dieser Satz bei Diodoros 
geringe Bedeutung, da sich erstens Diodoros dadurch selbst wider- 
spricht, indem er im Jahre 365 (XV, 70) den Abfall von Byzanz 
zu den Thebanern berichtet, aber bis 357 keine Nachricht giebt, 
dass die Athener diese Stadt wiedergewannen. Zweitens bedient sich 
Demosthenes, indem er über dasselbe Ereigniss vom Jahre 357 be- 
richtet, eines umfassenderen Ausdruckes als dnecıncav, es heisst 
. nämlich in der Rede von der Freiheit der Rhodier 3: Χίοι καὶ Ρόδιοι 
καὶ Βυζάντιοι cuvectncav. Dieser Ausdruck ist natürlich auch auf 
Byzanz anwendbar, selbst wenn es nicht mehr zum Bunde gehörte. 
Dazu sprechen gegen die Annahme einer Unterwerfung andere Gründe. 
Cornelius sagt an der betreffenden Stelle Olynthios et Byzantios 
bello subegit, obwohl von einer Unterwerfung Olynths nicht die 
Rede ist, und Timotheos nur unbedeutende kriegerische Erfolge über 
diese Stadt errungen hat. Man wird in Bezug auf Byzanz den Aus- 
druck “bello subegit’ in derselben abgeschwächten, dadurch der Wahr- 
heit entsprechenden Bedeutung nehmen, wie in Bezug auf Olynth. 
Ferner befehligte Timotheos am Hellespontos vom Herbst 363 bis 
Herbst 862 ἢ). Vgl. Rehdantz, Vita Iph. S. 138 fg. 

Noch im Herbst 362 bringen aber die Byzantier verbündet mit 
den Chalkedoniern?), Kyzikenern athenische aus dem Pontos zurück- 
kehrende Getreideschiffe auf und zwingen sie ihre Ladung in Byzanz 
zu löschen, was eben nicht auf eine vorhergehende Unterwerfung 
hindeutet. Vgl. Ap. g. Polykl. 6 und 22: Βυζάντιοι xai Χαλκηδόνιοι 
πάλιν κατάγουςι τὰ πλοῖα καὶ ἀναγκάζουει τὸν cirov ἐξαιρεῖςθαι. 
Schaefer, Dem. u. s. Z. III, Beilage 5, S. 149. 








. 1) Schaefer, Dem. u. s. Z. I, S. 108 setzt die Zeit des Commandos 
auf 364/63, was nicht weniger für die folgende Ausführung passen würde. 
- 9) Chalkedon gehörte, weil es auf dem Festlande von Asien lag und 
somit als Eigenthum des Kónigs anerkannt war, nie zum zweiten athe- 
nischen Bunde (vgl. Dem. v. d. Fr. d. Rhod. 33). Ausser in einer flüch- 
tigen Bemerkung bei Diod. XV, 81 wird nirgends über Kyzikos etwas 
berichtet. Schaefer hält Kyzikos für eine unabhängige Stadt. Dem. u. 
8. Z. I, S. 108, Anm. 1. 





812 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


deren-Opfer zwei Jahre darauf Alexander fiel, weitere Seeunter- 
nehmungen. 

Ueber die Thätigkeit des Chares giebt Diodoros folgenden Be- 
richt: Χάρης δὲ τοὺς μὲν πολεμίους εὐλαβούμενος τοὺς δὲ ευμμά- 
χους ἀδικῶν διετέλει᾽ καταπλεύςας γὰρ εἰς Κέρκυραν, ευμμαχίδα 
πόλιν, ς«τάςεις ἐν αὐτῇ μεγάλας ἐκίνηςε, ἐξ ὧν ευνέπεςε τενέεθαι 
ςφαγὰς πολλὰς καὶ ἁρπαγὰς, δι᾽ ἃς cuveßn τὸν δῆμον τῶν ᾿Αθη- 
γαίων διαβληθῆναι παρὰ τοῖς ευμμάχοις (Diod. XV, 95). 

Man wird dieser Nachricht an sich mit grossen Bedenken ent- 
gegentreten, denn so arg waren doch nicht die Zustünde in einer 
Stadt, wo noch Münner wie Chabrias, Timotheos, Iphikrates, Phokion 
mit bedeutendem Einflusse wirkten, dass ein Stratege, nachdem sein 
Vorgünger seine Nachlässigkeit mit dem Tode gebüsst hatte, es 
wagen durfte, dem Feinde furchtsam auszuweichen, statt dessen die 
Bundesgenossen zu plagen und die bedeutendste bundesgenóssische 
Stadt in die furchtbarste Verwirrung und alle Schrecken des Bürger- 
krieges zu stürzen. Was sollte man von einem Volke sagen, dass 
denselben Mann noch über ein Jahrzehend lang nach diesen ihm bei 
Diodoros vorgeworfenen Thaten oft und für die schwierigsten Auf. 
gaben zum Feldherrn erwühlt? Ein solches Staatswesen wäre rein 
unmöglich, eine solche Wirthschaft ist mit einem Staat von so geord- 
neter Verwaltung, wie sie der athenische hatte, unvereinbar. Trotz- 
dem wird diese Erzühlung Diodors von den meisten neuern Darstel- 
lern unbedenklich copirt und natürlich zur Charakteristik der bundes- 
genössischen Politik Athens angeführt. 

Schaefer, Dem. u. s. Z. II, S. 49 fg. zeigt, dass Chares besser 
sei als sein Ruf, dass die schlimmen Schilderungen von ihm meist 
in Folge seines Zerwürfnisses und der heftigen Feindschaft mit Timo- 
theos und Iphikrates entstanden sind. Diese fanden an Aeschines, 
Isokrates und den mit dem Letztern in enger Beziehung stehenden 
Historikern Ephoros und Theopompos warme Vertheidiger, während 
Chares von denselben Schriftstellern nach Kräften herabgesetzt und 
getadelt wurde. Die meisten Nachrichten über Chares stanımen aber 
gerade aus diesen Quellen (Diodoros und Plutarchos geben hier im 
Wesentlichen Ephoros und Theopompos), nur bei Demosthenes finden 
sich einige Hinweise über die Beurtheilung, die Chares in andern 
Kreisen fand. So heisst es v. d. Trugges S. 447, 21: TTavra τρόπον 
κρινόμενος Χάρης εὕρηται πιςτῶς καὶ εὐνοικῶς Ócov ἦν ἐπ᾿ ἐκείνῳ 
πράττων ὑπὲρ ὑμῶν. Bei Diodor. XVl, 21 und 22 erscheint Chares 
auf Grund der daselbst erzählten Thatsachen als siegreicher und 
kühner Feldherr. Da das an dieser Stelle über Chares Berichtete 
doch in zu offenem Widerspruche mit dem früher Erzühlten stand 
und Diodor denselben auch bezweckte, schob er naiver Weise hier 
παρὰ φύειν ein, Chares habe ganz gegen Natur gehandelt, dass er 
z. B. eine Seeschlacht liefern wollte (παρὰ φύειν Χάρητος βουλομέ- 
vou ναυμαχεῖν). Dass dieses nicht παρὰ φύειν war, zeigt das, was 





814 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


der über kurz oder lang zum Ausbruch kommen musste (δέον γενέ- 
c0oi) Man schlug los, als Chares angekommen war, nachdem man 
ihn für die eigenen Parteizwecke gewonnen hatte, Eine solche Dar- 
stellung dieser Ereignisse stösst auf keine Bedenken und erklärt 
deutlich, wie Chares dazu kam, sich in die innern Angelegenheiten 
dieser Insel einzumischen. 

Was aber weiterhin auf Korkyra geschah, die cpayoi καὶ ἁρπαγαί 
wird sicherlich nicht auf die Rechnung des athenischen Befehlshabers 
zu setzen, sondern von den wegen ihrer Rohheit in Hellas bekann- 
ten Korkyraeern verschuldet sein. Auch Diodoros sagt nicht, Chares 
habe sich bei dem Gemetzel und den Plünderungen betheiligt, sondern 
nur, die ςφαγαΐ und ἁρπαγαί waren die Folgen von den Unruhen, 
welche Chares hervorrief: cráceic ἐκίνηςεν, ἐξ ὧν cuveßn γενέεθαι 
-cpayüc καὶ ἁρπαγάς κτλ. 

Obwohl solche Ausschreitungen der siegenden Partei gerade bei 
den Korkyraeern und Oligarchen nicht auffallend sein würden, so 
sind sie doch sehr anzuzweifeln, da Aeneas mit keinem Worte auf 
Hinrichtungen, Plünderungen u. 8. w. hindeutet, sondern nur sagt 
nedictacav τὰ ἄλλα πρὸς τὸ εὐμφέρον αὐτοῖς, “sie veränderten 
das Uebrige gemäss ihrem Interesse’. 

Man wird das Verhalten des Chares ohne Zweifel tadeln, weil 
er sich gegen die Bestimmungen der Bundesconstitution in die innern 
Angelegenheiten eines Bundesstaates einmischte, allein sein Vergehen 
ist durchaus nicht ein in der griechischen Geschichte in hervorragen- 
der Weise als solches bemerkenswerthes. Namentlich griffen die 
Lakedaemonier sehr oft in die Parteiungen ihrer Bundesstädte ein, 
obwohl deren Autonomie anerkannt war. Endlich darf man das, was 
Chares that, nicht in vollem Umfange dem athenischen Staate zur 
Last legen. Chares kann auf eigene Faust gehandelt haben, und 
gegen einzelne derartige Vorkommnisse konnte sich selbst der wohl- 
geordnetste Staat nicht schützen. 

Der Staat der Lakedaemonier war von einer als musterhaft an- 
erkannten Disciplin, dennoch konnten Fülle wie der Hochverrath des 
Pausanias vorkommen, und es wagten Phoebidas und Sphodrias zu- 
nächst ohne Autorisirung durch die Staatsregierung Unternehmungen 
von der grüssten politischen Tragweite ins Werk zu setzen. Die 
politische Moralitát der griechischen Staatsmünner war, wie nament- 
lich Grote hervorgehoben hat, eine sehr schwache, bei der grossen 
Ueberzahl derselben war vor dem Staatsgedanken der Egoismus mass- 
gebend. Namentlich aber gehörte Bestechlichkeit zu den gewöhn- 
lichen Fehlern, von denen wenige Staatsmänner frei waren. 

Nach Diodoros kam wegen dieses Verhaltens eines seiner Feld. 
herren ‘der athenische Demos in übeln Ruf bei den Bundesgenossen'. 
Es konnte ein Sinken der guten Stimmung gegen Athen nicht aus- 
. bleiben, denn die Thatsache stand fest, dass ein athenischer Stratege 
sich mit einer oligarchischen Faction zum Sturze der bestehenden 





Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 815 


Staatsordnung verbunden hatte, mochte auch Athen selbst mit dem 
Verhalten des Feldherrn höchst unzufrieden sein, Es lag eine ent- 
. schiedene Verletzung der Grundsätze der Bundesverfassung vor, 
welche jeder bundesgenössischen Stadt volle Selbstständigkeit in 
Bezug auf die Bestimmung der Verfassungsform und die Verwaltung 
der innern Angelegenheiten garantirt hatte. Da in fast allen Bundes- 
-  Büüdten demokratische Regierungen bestanden, so mussten diese 
überall mit berechtigter Besorgniss vor ähnlichen Fällen erfüllt wer- 
den. Um so stärker musste diese Besorgniss sich geltend machen, 
als die Demokratien, wie aus der wenige Jahre darauf erfolgenden, 
grossen oligarchischen Reaction zu schliessen ist, mehr oder weniger 
| In Athen 'selbst hatte man sicherlich nicht Grund mit dieser 
Politik des Chares zufrieden zu sein. Die Bundespolitik war wesent- 
- lich eine demokratische, denn die demokratische Partei war in Athen 
Trägerin der Idee einer grossen Seebundesgenossenschaft, batte den 
zweiten Seebund ins Leben gerufen und stützte sich naturgemäss 
auf die Vertreter der Demokratie in den Bundesstaaten. Das Ver- 
hältniss des oligarchischen Korkyra zu Athen konnte kein vertrau- 
liches sein, wenige Jahre darauf nimmt Korkyra eine entschieden 
feindselige Haltung gegen die athenische Demokratie ein, die kor- 
-  kyraeische Öligarchie war bereits abgefallen. Vgl. Dem. v. Kr, 293; 
v. d. Fr. d. Rhod. 3; g. Timokr. 230, Wie sich indessen die Athener 
ihrem eigenmlichtigen Feldherrn gegenüber verhielten, ob dieser 
einen Process oder gar eine Verurtheilung zu erleiden hatte, darüber 
schweigen die lückenhaft oder kurz gefassten Quellen gänzlich. 

Es bleibt noch die Frage übrig, ob Chares, wenn er also nicht 
eines ausgebrochenen Bürgerkrieges wegen nach Korkyra geschickt 
war, ein anderes Ziel seiner Fahrt haben konnte, welches seinen 
zeitweiligen Aufenthalt in Korkyra erklärt, In der That lässt sich 
diese Frage in befriedigender Weise beantworten und ein anderes 
Ziel der Expedition des Chares ausfindig machen, eine Bestimmung, 
welche zugleich einen längern Aufenthalt in den Korkyraeischen Ge- 
wässern zur Folge haben musste, Die gegenüberliegende Küste des 
Festlandes gehörte zum Reiche des Molosserfürsten Neoptolemos, 
dessen Vater schon Mitglied des Bundes geworden, und dessen Name 
selbst auf der Bundessäule unter den übrigen Bundesgenossen Athens 
verzeichnet war. Gegen diesen Fürsten hatte sich gerade zu dieser 
Zeit ein Prütendent Arybos erhoben, der für sich den Thron in An- 
spruch nahm. Vgl. Schaefer, Dem. u. s. Z. II, S. 297. Athen durfte 
natürlich die Entwickelung dieses Streites nicht ruhig mit ansehen, 
es konnte auch in dem Verhältnisse zu Athen Arybos als Herrscher 
dieser Stämme eine seinem Rivalen entgegengesetzte Politik befolgen, 

— es handelte sich um die Sicherung des athenischen Einflusses bei den 
- epeirotischen Küstenstäimmen. Wahrscheinlich wurde also Ühares, 
dessen Geschwader nach dem Abzuge des Alexandros von Pherai 
ox* 






- 


816 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


verfügbar war, zur Vertretung der athenischen Interessen dorthin 
geschickt. 

Während also im Westen die Lage sich zu Ungunsten der Athe- 
ner gestaltete, hatten sie an den Küsten des aegaeischen Meeres 
nicht grósseres Glück. Der Odrysenfürst Kotys hatte den ganzen 
Chersonesos ausser den beiden Stüdten Sestos und Krithote ein- 
genommen. Vgl. Schaefer, Dem. u. 8. Z. I, 8. 134 bis 145. Obwohl 
im Jahre 360/59 dieser geführliche Gegner etmordet wurde, so hatten 
die Athener zunächst doch noch weitere Demüthigungen zu erleiden. 

An der thrakisch-makedonischen Küste ging es ebenfalls nicht 
sonderlich, Als Timotheos diesen Kriegsschauplatz verlassen und 
sich nach dem Hellespontos begeben hatte, ging Perdikkas, König 
von Makedonien und bisher Verbündeter Athens, zu den Gegnern 
über, Amphipolis erhielt eine makedonische Besatzung. Zwar er- 
folgten nach dem Tode des Perdikkas (im Jahre 360/59) in Make- 
donien Thronstreitigkeiten zwischen Philippos und Argaios, weshalb 
Philippos, um sich die Athener günstig zu stimmen, mit ihnen einen 
‘ Vertrag schloss, nach welchem die Makedonier Amphipolis räumen 
sollten. Amphipolis war aber damit noch nicht gewonnen (Diod. 
XVI, 4). Bevor jedoch die Katastrophe über die athenische Macht 
hereinbrach, schien dieselbe noch einmal einen Aufschwung zu 
nehmen, der namentlich dureh die Wiedergewinnung Euboeas be- 
zeichnet wird. 

Die Ueberlieferung über diese für eine Geschichte des zweiten 
Bundes wichtigen Ereignisse auf Euboea ist sehr fragmentarisch, sie 
besteht aus einzelnen Notizen bei Demosthenes und Aeschines nebst 
einem kurzen Berichte Diodors. Diodoros sagt XVI, 7, 2: “Die 
Euboeer écraciacav πρὸς ἀλλήλους, ein Theil rief die Thebaner, 
der andere die Athener herbei. Zur athenischen Partei gehörte 
Eretria unter der Leitung des Themison und Theodoros, welche 
einst zur boeotischen Partei gezählt und sich mit Hülfe derselben 
zur einflussreichsten Stellung in der Stadt emporgeschwungen hatten’. 
Vgl. Aesch. v. d. Trugges. 164, g. Ktes. 85. 92. 103. Dem. v. Kr. 
123. Diod. XV, 76. Themison und Theodoros hatten sich aber mit 
ihren bisherigen Freunden überworfen und knüpften wieder mit 
Athen an. Aeschines betont ausdrücklich diese Veränderung ihres 
Verhältnisses zu Athen. Mit Eretria verbündet war Chalkis, wo 
Mnesarchos, der Vater der beiden späterhin bekannten Führer der 
Demokratie von Chalkis, Kallias und Taurosthenes, an der Spitze 
des Staates stand. Aesch. g. Ktes. 85. Schaefer, Dem. u. s. Z. II, 
S. 75. Endlich hatte sich Korystos dieser Partei angeschlossen. Vgl. 
das Psephisma bei Rangabóé Nr. 391 und 392. 

Welche Städte der Gegenpartei angehörten, ist zwar nicht direkt 
überliefert, ergiebt sich aber mittelbar aus dem, was tiber die athe- 
nische Partei bekannt ist. Oreos nahm schon im Jahre 377 eine 
andere Haltung ein als Chalkis und Eretria, es stand jetzt sicherlich 


818 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Als die Athener von Euboea zurückkehrten, traf gerade ein 
Hülfegesuch von Amphipolis gegen Philipp ein. Die Stadt erklärte 
sich zur Uebergabe an Athen bereit, wenn die verlangte Unterstützung 
gewährt würde. Schaefer, Demosth. u. s. Z. I, S. 143 fg. Athen 
hatte zwar eben durch Chares ein Söldnerheer anwerben lassen, 
dieses war aber nach dem Chersonesos bestimmt, weil durch das 
Erscheinen einer athenischen Kriegsmacht sich dort die Verhältnisse 
wieder zu Gunsten Athens ändern mussten. Athen machte keinen 
politischen Fehler, wenn es den Chares nach dem Chersonesos und 
nicht nach Amphipolis schickte, denn dort war eine athenische Streit. 
macht ebenso nothwendig wie hier, und der Chersonesos bedeutete 
wohl für Athen noch mehr als Amphipolis. Sehr zu tadeln ist aber 
die Schwüche der Athener, dass sie selbst in einer solchen Zeit sich 
nicht aufrafften und für die wichtigsten Interessen des Staates ins 
Feld zogen. Persönlicher Dienst der Bürger war aber durchaus 
nöthig, denn es fehlte an Geld und Zeit, um ein zweites Söldnerheer 
für Amphipolis zusammenzubringen. Da man kein Bürgerheer auf- 
stellte, so war nur das Söldnerheer des Chares verfügbar und dieses 
schickte man mit Recht nach dem Chersonesos, weil dort eine schnelle 
Ordnung der Verhältnisse zu Gunsten Athens zu erwarten war, wäh- 
rend anderseits das feste Amphipolis längere Zeit den Angriffen Phi- 
lipps Stand halten konnte, so dass Chares, nachdem er den Cherso- 
nesos gesichert hatte, nach Amphipolis voraussichtlich nicht zu spät 
kam. Nicht die Politik der Athener war “thöricht’, wie Schaefer 
meint!) sondern Tadel verdient ihr Mangel an Thatkraft und Selbst- 
überwindung, welcher so weit ging, dass sie nicht einmal, wenn es 
das Interesse des Staates durchaus erforderte, ihre friedliche Beschäf- 
tigung aufgaben und persönlich ins Feld zogen. 

Die Athener liessen sich mit Philipp in Unterhandlungen ein, 
die keinesfalls so thöricht sind, wie es späterhin Demosthenes 
und andere Redner, um die Athener zu energischen Leistungen an- 
zutreiben, schildern. Athen liess sich von Philipp durchaus nicht 
wie ein unerfahrener Knabe leiten, es hatte wegen des eben aus- 
brechenden Bundesgenossenkrieges das hóchste Interesse mit Philipp 
nicht völlig und offen zu brechen, sondern einen offenen Bruch durch 
Verhandlungen aufzuhalten. Man durfte auch hoffen durch Verhand- 
. lungen seine Operationen gegen Amphipolis etwas aufzuhalten und 
so einen längern Widerstand der belagerten Stadt zu ermöglichen. 
Es wird gewöhnlich der Bundesgenossenkrieg nicht in dem Zusam- 
menhange mit Philipps Operationen betrachtet, wie es offenbar zu 
betrachten ist. Wenn man bedenkt, dass die Athener damals mit 
den abgefallenen Bundesgenossen, auf dem Chersonesos mit den 
Thrakerfürsten, mit Philipp zu gleicher Zeit zu thun hatten, so ist 


——— 


1) Schaefer copirt Dem. Ol. I, 6, wo Domosthenes aus begreiflichen 
Gründen Athens Politik recht schlecht macht. 





Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 819 


es weniger tadelnswerth als natürlich, dass sie nicht überall mit 
genügender Kraft und Entschiedenheit auftraten. Inwiefern ein 
Tadel Berechtigung hat, ist bereits gesagt worden. 

Auf dem Chersonesos schloss Chares mit dem Tihrakerfürsten 
Kersobleptes einen nach Demosthenes für Athen vortheilhaften und 
gerechten Vertrag ab. Sestos, von den Abydenern genommen, blieb 
jedoch noch vorläufig in der Hand des Feindes, Im Ganzen war 
auch der Chersonesos wiedergewonnen. Vgl. Schaefer, Dem. u, 8, Z. 
1, 5, 147 fg. 

Grote meint, dass jetzt kurz vor dem Ausbruche des Bundes- 
genossenkrieges die Macht Athens in der Periode ihrer zweiten 
Seeherrschaft ihren Höhepunkt erreicht hatte. Allein diese Ansicht 
wäre nur dann richtig, wenn man die Macht eines Staates nach 
seiner äussern Ausdehnung messen würde, Es erlangte der athenische 
Bund allerdings trotz des Verlustes von Byzanz und Sestos jetzt im 
Sommer 357 seine grösste Ausdehnung, allein die Grundlagen des 
Gebäudes waren bereits erschüttert und der ganze Bau hatte keinen 

- innern Halt mehr. 

Der Vorort wurde nicht von einem bedeutenden Staatsmann 
wie Kallistratos geleitet, der damals einflussreichste Politiker 
Aristophon stand jenem weit nach. Die vortrefflichen Feldherren 
Iphikrates, Timotheos, Chabrias waren alt geworden und nicht mehr 
fühig mit derselben Kühnheit und Entschlossenheit Krieg zu führen 
wie in der frühern Zeit ihrer Laufbahn, sie wurden durch Chares 
und Phokion nicht ersetzt. Dann hatten sich die Athener immer 
mehr an die immer grössere Ausdehnung gewinnende Söldnerei 
gewöhnt, die Bürger waren des Kriegsdienstes entwöhnt und konnten 
nur in den höchsten Nothfüllen zu persönlichem Dienst bewogen 
werden. Nachdem während und in Folge der grossen, erhebenden 
Ereignisse zur Zeit der Befreiung Thebens und der Constituirung 
des Bundes die Eigenschaften, welche die. Athener zur Zeit des 
Perikles ausgezeichnet hatten, wieder eine Zeit lang hervorgetreten 
waren, folgte auf die mehrjährige Anspannung naturgemäss eine 
allmählige Ermattung. Neigte schon an sich die Entwickelung des 
Charakters der Athener nach einer Seite hin, welche einer entschie- 
denen auswärtigen Politik wenig entsprach, so befürderten die 
politischen Verhältnisse von Hellas nach der Schlacht bei Leuktra 
entschieden diese Richtung. Der Kampf um die Seeherrschaft war 
durchgefochten, und von Lakedaemon durfte man nicht befürchten, 
dass es nach so bedeutenden Verlusten die Seebundesgenossenschaft 
gefährden würde. Zwar nahm nun Theben einen solchen Aufschwung, 
dass einige Gefahr von diesem durch einen grossen Mann geleiteten 
Staate zu drohen schien, aber einerseits war Boeotien von Natur zu 
einer maritimen Politik nicht geeignet, anderseits zeigte der kurze 
Seezug des Epaminondas, dass die Kräfte Thebens für so weit- 
gehende Pläne nicht ausreichten. Theben machte keinen Versuch 





820 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


mehr den Athenern die Seeherrschaft streitig zu machen, welche 
durch die erfolgreichen Operationen des Timotheos noch mehr 
befestigt wurde. 

In Athen begann man sich deshalb sicherer zu fühlen, sich 
mehr seinen friedlichen Beschäftigungen hinzugeben als mit der 
gehörigen Aufmerksamkeit die Entwickelung der bundesgenössischen 
Verhältnisse und der Ereignisse auf der thrakisch-makedonischen 
Küste zu verfolgen und zur rechten Zeit mit der nöthigen Energie 
und Entwickelung genügender Streitkräfte einzugreifen. Man liess 
den ohne die gehörige Anstrengung um Amphipolis geführten Krieg 
sich Jahre lang ohne Entscheidung hinziehen und statt hier eine 
feste Stellung zu gewinnen, blieb eine Wunde offen, die dem ganzen 
Staatsorganismus der Athener gefährlich werden sollte. 

An guten Rathschlägen fehlte es nicht, Psephismata wurden 
erlassen, aber, wie Demosthenes beständig klagt, nicht ausgeführt. 
Man blieb stehen, während Makedonien fortschritt, und als man sich 
schliesslich aufraffte, war es zu spät. 

Doch nicht nur der Mangel an tüchtigen Männern, an τόλμη 
und πολυπραγμοςύνη war die Ursache, weshalb Athen nicht mehr 
die hervorragende Stellung wie in den Jahren von 374 bis 370 ein- 
nahm, auch der Mangel an finanziellen Mitteln hinderte, wie schon 
in den Jahren 374 und 371, die Actionen Athens. Schon damals 
war die Geldnoth gross, und seitdem hatte man fast ununterbrochen 
Krieg geführt und zwar hauptsächlich mit Sóldnerschaaren, die noch 
grössere Summen verschlangen als Bürgerheere, namentlich erforderten 
die grossen Operationen vom Jahre 362 in Arkadien sehr erheblichen 
Aufwand. Diesem matter gewordenen Vorort stand eine Bundes- 
genossenschaft gegenüber, die nicht mehr durch die politischen Ver- 
hältnisse, um von einer lästigen Herrschaft befreit zu werden, 
genöthigt war der Führung Athens zu folgen, sondern mit autono- 
mistischer Tendenz gegen Athens Hegemonie stärker reagirte und 
durch ein weniger Rücksichten nehmendes Auftreten des Vorortes 
und einige Fehlgriffe athenischer Feldherrn erbittert war. 

Ausserdem waren die Demokratien in den Seestädten zerrüttet 
d. h. die Verfassungen und Parteien, auf welche der Seebund mit 
einem demokratischen Vorort wesentlich begründet sein musste, 
denn ein dauerndes Zusammengehen einer Demokratie mit Oligarchien 
war, was Demosthenes in der für die Rhodier gehaltenen Rede 
betont, undenkbar. Unter diesen Umständen wird es erklärlich, 
warum jetzt bei einem von zwei Seiten her geführten, kräftigern 
Stoss der grösste Theil dieses Gebäudes der athenischen Politik 
zusammenbrach, 





Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 821 


| Cap. V. 


Die Ursachen des Bundesgenossenkrieges. und die Beur- 
theilung der bundesgenössischen Politik Athens. 
| 


| Man sucht gewöhnlich, ohne indessen alle hierher gehörigen 
Stellen einer genauen Prüfung zu unterziehen, die Gründe des Ab- 
falles der meisten Bundesgenossen in einer von den Athenern getibten 
unerträglichen Willkürherrschaft, welche sich, wie Schaefer meint, 
über die Bundesverfassung und überhaupt den Bundesgenossen 
gegenüber über Recht und Gesetz hinwegsetzten. Selbst Grote, der 
- in Bezug auf den ersten Bund — worin ihm Köhler noch weiter 
gehend folgt — so trefflich Athen gegen viele Vorwürfe vertheidigt 
hat, theilt diese Ansicht, wobei jedoch zu bemerken ist, dass er sich 
_ keineswegs auf eine so eingehende Untersuchung wie früher ein- 


gelassen hat. 





Dass es genug Gründe giebt, welche einen Aufstand der Bundes- 


genossen auch ohne ein so arges Verhalten der Athener veranlassen 
- konnten, ist schon mehrfach angedeutet, fassen wir, was an ver- 
schiedenen Stellen zerstreut ist, nochmals in Kürze zusammen und 
- fügen noch Weiteres hinzu. 
Die Bundesgenossen hatten Befreiung von der lüstigen lake- 
— daemonischen Herrschaft verlangt, dieser Hauptzweck des Bundes 
war erreicht, und somit ein sehr wesentliches Interesse, das sie an 
denselben fesselte, fortgefallen. Sie hatten freiere Bewegung erstrebt, 
- aber nur zum Theil erreicht, denn das seebeherrschende Athen übte 
- thatsüchlich auf sie in jeder Weise einen bestimmenden Einfluss aus, 
- Die Folge davon war eine stärker werdende autonomistisehe Oppo- 
sition gegen den Vorort und ein intensiveres Streben der Bundes- 
genossen unabhüngiger zu werden, da man im Allgemeinen weder 
"von Sparta, noch von Theben, noch von Persien einen gefährlichen 
- Angriff zu befürchten hatte. 
Die Bundesgenossen wünschten ferner in Ruhe der Förderung 
Drs materiellen Interessen zu leben, sie wurden aber durch ihren 








Vorort in die grossen landstaatlichen Wirren verwickelt, so dass die 
Kriege und die dazu nóthigen Auflagen kein Ende nahmen. Erhielt 


man einerseits nicht den gewtinschten Frieden, so zeigte sich ander- 


seits der Vorort keineswegs fähig vor Plünderungsztigen das Gebiet 
der Bundesgenossenschaft sicher zu stellen, was man ohne Zweifel 
—wom Seebunde erwartet hatte. Der Dynast von Pherai konnte 
Monate lang die Kykladen und die benachbarten Küsten brand- 





Eingriff in die innern Angelegenheiten zum Sturze der bestehenden 
Ordnung in der angesehensten Bundesstadt und half einer olggexeh- 










schatzen. Bald darauf erlaubte sich ein athenischer Stratege einem | 





822 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


schen Faction die Regierung der Demokratie entreissen. Jede Bundes- 
stadt sah darin eine Geführdung der eigenen Autonomie. Wenn der 
müchtigste Bundesgenosse gegen derartige Vorkommnisse nicht 
geschützt war, so hielten sich mit Recht die andern Städte noch 
mehr gefährdet. Dadurch wurde das Misstrauen gegen Athen 
bedeutend gesteigert, nachdem dasselbe bereits durch die Kleruchien, 
die nur zu sicherer Beherrschung der Bundesgenossen bestimmt 
schienen, erregt war. Wie stark aber ein solches Misstrauen, eine 
solche Besorgniss vor künftigen Angriffen auf die Autonomie wirkten 
und das Verhalten der Bundesstädte bestimmten, wird kaum deut- 
licher als durch die Gründe, mit welchen im Jahre 428 die Mity- 
lenäer ihren Abfall rechtfertigen. Man erwartet, sagt Grote, in 
der Rede der mitylenäischen Gesandten an die Peloponnesier eine 
Sammlung von Ungerechtigkeiten und Bedrückungen, die sich Athen 
gegen Mitylene hatte zu Schulden kommen lassen, aber man findet 
nichts dergleichen. Die Gesandten gestehen vielmehr ein, dass die 
Mitylenäer von Athen bisher eine ehrenvolle Behandlung erfahren 
hatten!) und führen als Hauptgrund ihres Abfalles an, ‘sie hätten 
keine Bürgschaft, dass sie von Athen nicht auch in die Stellung von 
unterthänigen Verbtindeten herabgesetzt würden’. Dazu kommt noch 
dass, als die Mitylenüer in dieser Weise ihren Abfall motivirten, die 
Athener in den gefährlichsten Krieg verwickelt waren und mehr auf 
die Erhaltung ihrer Machtstellung als auf die Ausdehnung ihrer 
Herrschaft bedacht sein mussten, wührend die Bundesgenossen 
weniger als früher für ihre Autonomie zu fürchten hatten. 


Um wie viel mehr musste jetzt im Jahre 357 diese Besorgniss 
wirken, da Athen nach der glücklichen Seeexpedition und dem 
Wiedergewinne Euboeas in seiner Machtentwickelung entschiedene 
Fortschritte zu machen schien. Diese Erwägungen wurden vollkom- 
men gesichert durch das Zeugniss des Demosthenes, welcher geradezu 
als Ursache des Abfalles der Rhodier, Chier, Byzantier die gleichen 
Befürchtungen anführt, welche trotz ehrenvoller, guter Behandlung 
die Mitylenäer zum Aufstande bewogen hatten. Demosthenes sagt 
einige Jahre nach dem Bundesgenossenkrieg: 'Htiácavro yàp ἡμᾶς 
ἐπιβουλεύειν αὑτοῖς Χίοι καὶ Βυζάντιοι καὶ Ῥόδιοι καὶ διὰ ταῦτα 
ςυνέετηςαν ἐφ᾽ ἣμᾶς τὸν τελευταῖον τουτονὶ πόλεμον v. d. Fr. d. 
Rhod. 8, vgl. περὶ πόρων LI: Εἰ τοῦτο γένοιτο νομίζων .. ... 
ἐπικεκουρῆςθαι ἂν, καὶ τοῦ ἀνυπόπτους τοῖς Ἕλληειν εἶναι. 

Dazu kommen die allgemeinen Ursachen, welche das Bestehen 
hellenischer Bünde überhaupt geführdeten, der eigenthümlich aus- 
geprügte, autonomistische Charakterzug der Hellenen und das zu 
unvermittelte Gegenüberstehen der beiden Elemente eines Bundes, 


1) Ma Thuk. III, 10: ἐν τῇ εἰρήνῃ τιμώμενοι ὑπ᾽ ᾿Αθηναίων κτλ. 
III, 12. III, 89. 





Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 823 


Vorort und Bundesgenossen, worüber an einer andern Stelle ge- 
‚sprochen ist. 

Der Hauptfehler der Athener lag, wie Grote in Bezug auf den 
ersten Bund ausgeführt hat, auch beim jüngern Bunde darin, "dass 
sie nicht verstanden bei den Bundesgenossen ein Gemeininteresse 
für den Bund zu erwecken, dass sich der athenische Staatsmann 
zuerst und vor Allem als Athener und dann erst als Hellene fühlte’. 
Der Vorort versäumte die Schöpfung und Entwickelung von Bundes- 
organen und Zwecken, welche geeignet waren ein solches allgemeines 
Interesse hervorzurufen und zu erhalten. Der gemeinsame Haupt- 
zweck dieses Seebundes war mit der Niederlage der Lakedaemonier 

- und der Befreiung von ihrer Herrschaft erreicht und fortgefallen, es 
zeigte sich, dass die übrigen gemeinsamen Interessen nicht stark 
genug waren, um die Symmachie zusammenzuhalten. 

Der bundesgenössische Rath war seiner beschränkten Competenz 

| und Zusammensetzung nach nicht geeignet auf sich ein gemeinsames 
| Interesse zu concentriren. Es führte in ihm jede bundesgenössische 

Stadt eine Stimme, Korkyra ebenso wie Athenai Diades. Man 

machte keinen Versuch das gerechtere Princip einzuführen, welches 
in dieser Hinsicht für den deutschen Bundesrath gilt.') 

' Endlich war der grösste Uebelstand die Abneigung der Athener 
gegen den persönlichen Dienst und das dadurch veranlasste Ueber- 

, handnehmen der damals allgemein verbreiteten Söldnerei, gegen 
welche Demosthenes unaufhórlich mit den stürksten Ausdrücken zu 
Felde zieht. Abgesehen von den andern damit verbundenen Miss- 
"Binden kommt namentlich in Betracht, dass Schädigungen der 

-  Bundesgenossen durch die verwilderten, vaterlandslosen Schaaren 

beim besten Willen der Athener und ihrer Feldherrn nicht zu ver- 
meiden waren. Namentlich stand es schlimm, wenn die athenischen 

Strategen nieht die nóthige Energie besassen oder wenn gar der 

Anführer nicht ein Athener, sondern ein Soldnerhäuptling war, den 

Athen mit seiner Schaar gemiethet hatte. In allen Füllen waren 

die Bundesstädte bereit die Schuld auf ihren Vorort zu werfen, 
obwohl diese Missstünde nicht sowohl in der bundesgenössischen 

Politik oder in der Rücksichtslosigkeit Athens, sondern in dem 

System selbst begründet waren, das die Bundesstädte nicht weniger 

als Athen angenommen hatten. 

- Diese Gründe bewogen die athenischen Bundesgenossen abzu- 

fallen, besondere Gewaltthaten, Bedrückungen und Willkürlichkeiten, - 
welche sich der führende Staat erlaubte, braucht man zur Erklürung 





| | 1) Das Synedrion bestand focos: nur aus bundesgenóssischen Dele- 

gi war nicht darin vertreten, folglich fehlte in ihm das eine 
: des Bundes, der Vorort, und es war nicht, wie der deutsche 
E, eigentlich ein Organ des Bundes als solchen, sondern nur 





— . MEN 


824 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


des Abfalles durchaus nicht anzunehmen. Es sind jedoch derartige 
Vorwürfe mit den stärksten Ausdrücken den Athenern von Schaefer, 
Rehdantz und überhaupt im Allgemeinen von den neuern Darstellern 
gemacht worden, es wird daher nóthig sein alle Stellen, auf welche 
sich solche Vorwürfe stützen kónnen, einer genauen Untersuchung 
zu unterziehen, nm zu erforschen, ob uud wie weit die gegen Athen 
gerichteten Anklagen wirklich begründet sind, worauf dann Zeug- 
nisse, welche für eine andere Ansicht sprechen, folgen sollen. 


Beginnen wir mit den Quellen im Allgemeinen, deren Aussagen 
man ohne Weiteres copirt hat, ohne auf die Parteistellung und 
Tendenz derselben die Aufmerksamkeit zu richten. Die Hauptquelle 
ist Isokrates, ein Redner, der an Unzuverlässigkeit nicht nur bei 
Angabe von Motiven, sondern auch von etwas ferner liegenden 
Ereignissen durch keinen andern attischen Redner übertroffen wird. 
Einige Beispiele sind bereits angeführt worden, im Uebrigen ist das 
über Isokrates Gesagte etwas so Áusgemachtes, dass es einer neuen, 
weitern Begründung nicht bedarf. Am vorsichtigsten muss man 
aber die Angaben der attischen Redner überhaupt und namentlich 
des Isokrates in dem Falle aufnehmen , wo es zum Zwecke der Rede 
passt zu übertreiben oder Thatsachen in einem falschen Lichte 
erscheinen zu lassen. Nun war Isokrates ein Mann, der eine Politik 
des Friedens und der materiellen Interessen vertrat, der, wie aus 
der Rede vom Frieden hervorgeht, eine grundsätzliche Abneigung 
gegen die Bildung eines seiner politischen Doctrin entgegenseienden 
Seebundes hatte und nicht frei von oligarchischen Anschauungen 
war, vgl. v. Fr. 13. 51. 186. 


Als Lehrer und intimer Freund des Timotheos sucht er diesen 
gegen seine zahlreichen Feinde zu vertheidigen, setzt jene in der 
Weise attischer Redner nach Krüften herab und stellt den Timotheos 
so hoch wie möglich, preist dessen Verdienste und weist die An- 
schuldigungen zurück, als sei Timotheos μιςόδημος xai ὑπερήφανος 
(Isokr. v. Umt. 131). Dieser Redner musste natürlich an geeigneten 
Stellen seiner Reden alles das vorbringen, was sich gegen die See- 
bundspolitik Athens, die Feinde des Timotheos und dessen Hand- 
lungsweise vorbringen liess. Er wird sich auch nicht, wie es über- 
haupt die attischen Redner pflegen, darauf beschränken alles für 
seine Ansicht sprechende Material zu sammeln und objectiv zusammen- 
zustellen, sondern, wofür schon Beispiele angeführt sind, aus 
unsicherer Quelle Stammendes, sofern es dem Zwecke entspricht, 
wie thatsächlich Feststehendes erwähnen und vielfach übertreiben. 


Wenn man daran denkt, dass Demosthenes und Aeschines 
häufig über dasselbe Ereigniss einen diametral entgegengesetzten 
Bericht geben, wie arg sie manche Thatsachen entstellen und geradezu 
lügen, so wird es nicht auffallen, wenn von einem zeitgenössischen 
Rhetor Aehnliches gilt. 


" 





Georg Büsolt: Der zweite athenische Bund. 895 


Dazu macht Isokrates gern Phrasen, — er bittet an einigen 
Stellen selbst seine Schwätzerei zu entschuldigen — unter denen 
zwar, wie Körner unter Spreu, gesunde Gedanken zu finden sind, 
die aber oft in übertriebene Aeusserungen  hinauslaufen. Zwei 
Beispiele werden als Probe genügen, wie Isokrates zu sprechen 
pflegt: τοὺς πονηροτάτους τῶν ἐπὶ ro βῆμα παριόντων ücketre καὶ 
νομίζετε (ὦ ἄνδρες ᾿Αθηναῖοι) ónuixurépouc εἶναι τοὺς μεθύοντας 
τῶν νηφόντων. (v. Fr. 13). Die πονηρότατοι sind die Redner der 
demokratischen Partei. Ferner: οὖς yüp ὁμολογήςαιμεν ἂν πονη- 
poTárouc εἶναι τῶν πολιτῶν τούτους πιςτοτάτους φύλακας 
ἡγούμεθα πολιτείας, v, Fr. 124. Dann heisst es v. Fr. 133: Παυ- 
εἰὐὐμεθα δημοτικοὺς μὲν εἶναι νομίζοντες τοὺς cuxopóávrac, ὀλιγαρ- 


χικοὺς δὲ τοὺς καλοὺς κἀγαθούς. 


Natürlieh wird man solehe Phrasen als Aeusserungen eines 


Rhetors behandeln, die man nicht wörtlich aufzunehmen hat, am 


wenigsten wird man darnach die innern Zustände des athenischen 
Staates schildern können, dennoch werden ähnliche Aeusserungen 
des Isokrates über die. bundesgenössische Politik Athens wörtlich 
eitirt.!) 

Die Hauptmasse dieser Aeusserungen des Isokrates findet sich 
in der Rede 'über den Frieden', welche bei Gelegenheit der mit 
den abgefallenen Bundesgenossen stattfindenden Friedensverhand- 
lungen geschrieben und bestimmt ist, den Athenern darzulegen, wie 
verderblich und fehlerhaft ihre bisherige Seebundspolitik gewesen 
sei. Isokrates meint, man müsse auf Seebund und Seeherrschaft 
vollständig verzichten und durch Frieden das materielle Wohl zu 
fórdern suchen, dadurch werde sich auch der Staat wieder heben. 


Ἐγὼ γὰρ ἡγοῦμαι καὶ τὴν πόλιν ἡμᾶς ἄμεινον οἰκήςειν καὶ 
βελτίους αὐτοὺς ÉcecOai καὶ πρὸς ἁπάςας τὰς πράξεις ἐπιδιύςειν 
ἣν παυεώμεθα τῆς ἀρχῆς τῆς κατὰ θάλατταν ἐπιθυμοῦντες. (v. Fr. 
172) δεῖ γὰρ ἡμᾶς, εἴπερ βουλόμεθα διαλύςαςθαι μὲν τὰς διαβολὰς 
ἃς ἔχομεν ἐν vi) παρόντι, παύςαςθαι δὲ τῶν πολέμων τῶν μάτην 
γιγνομένων, κτήςαςθαι δὲ τῇ πόλει τὴν ἡγεμονίαν eic τὸν ἅπαντα 
χρόνον μιεῆςαι μὲν ἁπάςας τὰς τυραννικὰς ἀρχὰς καὶ duvacreliac. 
"EEapkécetev. ἡμῖν, εἰ τὴν πόλιν ἀςφαλῶς οἰκοῖμεν, καὶ τὸν βίον 
εὐποριύτεροι γιγνοίΐμεθα καὶ τά re πρὸς ἡμᾶς αὐτοὺς ὁμονοοῖμεν 


1) Natürlich werden übertriebene Aeusserungen des Demosthenes 
ühnlich aufzufassen sein, wenn man auch Aeusserungen dieses vorz 
lichen Redners rücksichtsvoller behandeln muss. Der gesunde Kern in 
den Aeusserungen des Demosthenes ist ein viel grösserer und meist sehr 
bedeutender. Wunderbar aber ist es, wie Grote aus dem spütern Mach- 
werke περὶ cuvrá£euc ohne weitere Anmerkungen Belegstellen anführt. 

2).Man erinnere sich, dass der griechische Begrif τυραννικός nicht 
unser “tyrannisch’ deckt, dass eine τυραννική ἀρχὴ nur eine wider Willen 
des Beherrschten erlangte Herrschaft ist, mag sie auch noch so gut sein. Ὁ 


826 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


καὶ παρὰ τοῖς “ἕλληςειν εὐδοκιμοῖμεν᾽ ἐγὼ γὰρ ἡγοῦμαι τούτων 
ὑπαρξάντων τελέως τὴν πόλιν εὐδαιμονήςειν .... ἀδεῶς γεωρ- 
γοῦντες καὶ τὴν θάλατταν πλέοντες καὶ ταῖς ἄλλαις Epyaciaıc 
ἐπιχειροῦντες, αἱ νῦν διὰ τὸν πόλεμον ἐκλελοίπαςειν ὀψόμεθα τὴν 
πόλιν διαπλαείας μὲν ἢ νῦν τὰς προςόδους λαμβάνουςαν μεςτὴν 
δὲ γιγνομένην ἐμπόρων καὶ ξένων καὶ μετοίκων, v. Fr. 19 fg. 
133 fg. 142 fg. e 


Das sind die Grundsätze des Isokrates, die den politischen 
-Doctrinen der meisten Staatsmünner des heutigen England nahe 
verwandt und schwer mit einer auf eine hervorragende Machtstellung 
des Staates gerichteten Bundespolitik vereinbar sind. Es ist sehr 
zu beachten, dass Isokrates seine Rede “Ueber den Frieden’ zu einer 
Zeit verfasste als der Krieg mit dem abgefallenen Bundesgenossen 
zu einem neuen Ruin des Staates geführt hatte, und eine grosse 
Reaction gegen das ganze bisherige politische System natürlich war. 
Die oppositionellen Kreise hörten ebenso gern die schärfsten An- 
schuldigungen und Verurtheilungen wie sie dieselben zu glauben und 
zu vertreten geneigt waren. 


Man erwartet an irgend einer Stelle der Rede eine Sammlung 
von Füllen als Beispiele und Belege, wie sich die Athener über Recht 
und Gesetz hinweggesetzt haben, Fülle wie der, welchen Diodoros 
von den Handlungen des Chares auf Korkyra erzählt (XV, 95). 
Isokrates giebt aber nicht eine solche bestimmte Thatsache, sondern 
ergeht sich in unbestimmten, allgemeineren Aeusserungen, die man 
dahin zusammenfassen kann, dass die athenischen Feldherrn die 
Städte, welche die Bundesbeisteuer (cóvra£ic) verweigerten, nicht 
gerade schonend und nachsichtig, sondern streng behandelten, dass . 
ferner Athen einen ungerechtfertigten Zwang übte, indem es die 
Bundesgenossen wider deren Willen anhielt Bundesbeisteuern zu 
zahlen und im Bunde zu bleiben. Von einer Willkürherrschaft und 
Bedrückung der Bundesgenossen ist nicht die Rede. 


Wenn die athenischen Feldherren Zwangsmassregeln gegen 
Bundesstädte anwandten, so waren dieselben durch Verweigerung 
der dem Vororte nach Bundesrecht zustehenden Syntaxeis veranlasst 
und gerechtfertigt. Vgl. Isokr. v. Fr. 24: Ὁπότε Τιμόθεος μέλλοι 
παραπλεῖν τῶν μὴ cuvráEeic biboucüv πέμψας προηγόρευε 
τοῖς ἄρχουειν, ἵνα μὴ πρὸ τοῦ λιμένος ἐξαίφνης ὀφθεὶς εἰς θόρυβον 
καὶ ταραχὴν αὐτοὺς καταςτήςειεν᾽ εἰ δε τύχοι καθορμιςθεὶς πρὸς 
τὴν χώραν οὐκ ἂν ἐφῆκε τοῖς ς«τρατιώταις ἁρπάζειν καὶ κλέπτειν 
καὶ πορθεῖν οἰκίας κτλ. Eine gleiche Beziehung hat Plut. Phok. 11: 
Koi μὴν ot γε cóupaxot καὶ νηειῶται τοὺς ᾿Αθήνηθεν ἀποςετόλους 
(Erhebung der Syntaxis) ἑτέρου μὲν ἐκπλέοντος «τρατηγοῦ πολε- 
μίους νομίζοντες ἐφράγνοντο τείχη καὶ λιμένας, ἀπεχώρεςαν καὶ 
κατεκόμιταν ἀπὸ τῆς χώρας εἰς τὰς πόλεις βοςκήματα καὶ 
ἀνδράποδα καὶ γυναῖκας καὶ παῖδας᾽ εἰ δὲ Φωκίων ... διαλεχθεὶς 








Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 827 


n peo καὶ ευγγενόμενος τοῖς Apxoucıv ἐπιεικῶς καὶ ἀφελῶς 
KT 

Dass ausser Phokion noch andere Strategen so milde verfuhren, 
ist sicher, Isokrates rühmt dasselbe von seinem Freunde Timotheos, 
Was aber die Verhandlung mit den bundesgenössischen Behörden 
über die Syntaxis betrifft, so war diese, da die Zahlung der Bundes- 
beisteuer einfach Bundespflicht war, nur in dem Falle móglich, dass 
die betreffende Bundesstadt nieht zahlen wollte. Es bezieht sich 
also die Stelle bei Plutarchos ebenfalls auf Steuerverweigerungen. 
lsokrates v. Fr. 36 führt eine Polemik gegen diejenigen, welche 
behaupten, ὡς χρὴ τοὺς προγόνους μιμεῖεθαι καὶ μὴ περιορᾶν ἡμᾶς 
αὐτοὺς καταγελωμένους μηδὲ τὴν θάλατταν πλέοντας τοὺς μὴ τὰς 
ευντάξεις ἐθέλοντας ὑποτελεῖν. 

Es scheint uns heute sehr hart, dass die athenischen Feldherrn 
gleich mit der Verwüstung des Landes vorgingen und durch Plün- 
derungen sich für Nichtzahlung der Syntaxeis schadlos hielten, allein 
nach den Anschauungen jener Zeit ist dieses nicht der Fall, und 
deshalb wird von den Lobrednern des Phokion und Timotheos ihr 


1) Aus diesen Stellen sur auch NUN dass durchaus nicht wie 
im ersten Bunde die Behö in den Bundesstüdten von den Athenern 
eingesetzt waren, sondern dam die Bundesstüdte ihre eigenen M 
(äpxovrec) hatten, so dass in dieser Beziehung die Autonomie der Bundes 
genossen ewahrt blieb, vgl. auch die Urkunde des Handelsvertrages 
zwischen Athen und den Städten der Insel Keos: Ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ 

abri ne Ἰουλιήτων. 

rdings &nd yos Fülle bekannt, dass athenische Besatzun 

mit BiadtharDtleuten in den Stádten li liegen, allein in allen diesen Fü 
ist der betreffende Ort feindlichen Angriffen ausgesetzt, so dass eine 
onem TB zu grüsserer Bicherheit, die der Bund wesentlich bezweckte, 
nothwen war. — sind erwühnt: in Potidaia bei der Ein- 
nahme de Stadt durch Philipp, im Chersonesos und namentlich in 
Krithote (Dem. g. Arist, 188 und 190) zu einer Zeit als der ganze 
Chersonesos bis auf Elaius und Krithote verloren gegangen, und auch 
dieser Rest von thrakischen Dynasten und andern Feinden bedroht war 
in Andros zur Zeit der en er che des Dynasten von Pherai un 
während des Bundesgenossenkrieges, Andros offenbar mit Athen in 
quee Beziehungen stand, vgl. den Volksbeschluss über die Auszahlung 

Soldes an die Phylake in Andros, dazu Aesch, Tim. 126, wo 
"Timarchos als Archon in Andros genannt wird. Dass Timarchos diesen 
Posten durch Bestechung erlangt hatte und in Andros Unzucht mit den 
Frauen der andrischen n Bürger trieb, wurde erst spüterhin üffentlich be- 
kannt, als diese Verbrechen Aeschines in der gegen Timarchos gerich- 
teten Rede aufdeckte. Timarchos soll nach der Prothesis der Rede 
‚seiner gerechten Strafe nicht entgangen sein. Dass solche Leute zu 
Bene Aemtern Belangen konnten, wird zu bedauern und zu tadeln 
sein, allein solche sind selbst in dem geordnetsten Staatswesen 
nicht zu vermeiden, am wenigsten aber bei den Hellenen, deren politische 
Moralität eine ziemlich geringe war. Man darf keineswegs diesen Fall 

Moment Er willkürlichen, von Herrschsucht geleiteten Politik 


Bundesgenossen betrachten, denn der Staat identificirte 
= sich nicht mit 4 dem Uebelthüter, sondern bestrafte ihn und that damit 


* 
 — 


828 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


abweichendes Verfahren hoch gepriesen. Es ist dieses das gebräuch- 
liche Zwangsverfahren, welches man ebenso gegen steuerverweigernde 
Bundesgenossen, wie gegen feindliche Städte anwandte, von denen 
man die Zahlung einer Kriegscontribution vergeblich gefordert hatte. 
Man drohte mit Verwüstung der Felder und Fortführung des Viehes, 
um daraus die schuldige Steuer zu lósen, half die Drohung nicht, 
so wurde geraubt und gepltündert, bis die Zahlung geleistet wurde 
oder nichts mehr zu nehmen war. 

Bundesstädte, welche die verhältnissmässig niedrige Syntaxis 
zahlten, hatten solches Verfahren nicht zu erleiden, die andern zogen 
es sich wesentlich durch eigene Schuld zu. Zur Erläuterung des 
hier Gesagten dient sehr gut das, was Thuk. I, 99 vom ersten Bunde 
erzählt: Oi γὰρ ᾿Αθηναῖοι ἀκριβῶς érpaccov καὶ λυπηροὶ ?fjcav οὐκ 
εἰωθόειν οὐδὲ βουλομένοις ταλαιπωρεῖν προςαγαγόντες τὰς ἀνάγκας" 
ὧν αὐτοὶ αἴτιοι ἐγένοντο οἱ εὐμμαχοι. 

Wenn Timotheos und Phokion ausnehmend milde und nach- 
sichtig verfuhren, die meisten Andern aber mit Härte und Strenge 
vorgingen, 80 thaten diese es nicht aus blosser Lust am Rauben 
und Plündern, sondern weil sie von der bei den Hellenen überhaupt 
herrschenden Ueberzeugung durchdrungen waren, dass nichts ge- 
fährlicher als Nachgiebigkeit gegen die Bundesgenossen sei Perikles 
theilte durchaus diese Anschauung und rieth den Athenern ‘die 
Bundesgenossen fest und streng in der Hand zu halten. (διὰ χειρὸς 
ἔχειν Thuk. II, 13). Eingehend wird über das gegen die Bundes- 
genossen einzuhaltende Verfahren bei der Debatte über das Schicksal 
der Mitylenaeer im Jahre 427 gesprochen, eine Erörterung, welche 
vortrefflich von Thukydides wiedergegeben ist, vgl. Thuk. III, 36 fg., 
dazu die Ausführungen Grotes (III, 510 fg. der Uebersetzung). In 
der ersten zur Behandlung dieses Gegenstandes angesetzten Volks- 
versammlung entscheidet sich die Majorität, in der zweiten eine 
starke Minorität für den Antrag Kleons, ein furchtbares Strafgericht 
über die abgefallenen Bundesgenossen ergehen zu lassen, Tausende 
hinzurichten u. s. w. Und dass konnte in der anerkannt human- 
sten Stadt von ganz Griechenland votirt werden. Wie würde 
Sparta, Theben oder gar Korkyra in einem ühnlichen Falle gehandelt 
haben? Die Geschichte darf Handlungen nicht sowohl von einem 
absoluten Standpunkte wie nach den allgemeinen Culturverhültnissen 
der Zeit beurtheilen, in welcher sie sich vollziehen. Man begreift 
z. B. die Abstimmung der Athener über die abtrünnigen Mitylenaeer, 
wenn man sich an die furchtbaren Bürgerkriege auf Korkyra, an die 
Wirthschaft der lakedaemonischen Harmosten und der lakonisirenden 
Oligarchien erinnert, wenn man daran denkt, dass sechzig Jahre 
nach der Bestrafung der Mitylenaeer bei einem Bürgerkriege in 
Argos in einem Strassenkampfe Tausende mit Knütteln erschlagen 
wurden. 

Kleon forderte damals Gerechtigkeit, nichts weniger und nichts 


830 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Willkür behandelten und unterthänig machten. Es ist jedoch nur 
die eine bestimmte Thatsache bekannt, dass Chares die Verfassung 
auf Korkyra stürzen half, und es ist bereits ausgeführt, dass er bei 
dieser Gelegenheit eigenmüchtig handelte oder dass wenigstens eine 
Mitschuld des athenischen Staates schwer nachzuweisen ist. 

Es gehört in diesen Zusammenhang die Stelle bei Isokr. 
Panath. 99 fg. — — τὴν δ᾽ ἡμετέραν πόλιν οὐδεὶς ἂν οὐδ᾽ εἰπεῖν 
τολμήςειε πρὸ τῆς ἀτυχίας τῆς ἐν ξλληςπόντῳ γενομένης ὡς τοι- 
oütov ἐν τοῖς ευμμάχοις τι διαπραξαμένην. Ἐπειδὴ Λακεδαιμόνιοι 
κύριοι καταςτάντες τῶν '€AArjvuv πάλιν ἐξέπιπτον ἐκ τῶν πραγ- 
μάτων, ἐν τούτοις τοῖς καιροῖς «ταςιαζουςῶν τῶν ἄλλων πόλεων 
δύ᾽ ἢ τρεῖς τῶν ς«τρατηγῶν τῶν ἡμετέρων, οὐ γὰρ ἀποκρύψομαι 
τ᾽ ἀληθὲς, ἐξήμαρτον περί τινας αὐτῶν ἐλπίζοντας, fjv μιμήεωνται 
τὰς (παρτιατῶν πράξεις, μᾶλλον αὐτὰς δυνήςεςθαι κατακχεῖν. 

Dass diese Eingriffe von zwei oder drei athenischen Feldherren 
Interventionen bei Parteikämpfen zu Gunsten der athenisch gesinnten 
Partei waren, geht aus dem vorhergehenden Paragraphen hervor: 
ἀλλὰ μὴν τὰς ctóceic καὶ τὰς ςεφαγὰς καὶ τὰς τῶν πολιτειῶν 
μεταβολὰς ἃς ἀμφοτέροις (Lakedaemoniern. und Athenern) τινὲς 
ἡμῖν ἐπιφέρουειν ἐκεῖνοι (die Lakedaemonier) μὲν ἂν φανεῖεν ἁπάςας 
τὰς πόλεις πλὴν ὀλίγων MECTÄC πεποιηκότας τῶν τοιούτων 
ευμφορῶν. Wie die Lakedaemonier die oligarchische Partei ans 
Ruder zu bringen strebten, ebenso werden zwei oder drei athenische 
Feldherren in einigen Städten zu Gunsten der demokratischen Partei 
eingegriffen haben. Isokrates sagt weder Näheres über die Art und Weise 
dieser Interventionen, noch über die Zeit, in welcher sie geschahen. 
Die Zeit bestimmt er nur so weit, dass dieses in den Jahren geschah, 
als die Lakedaemonier wieder die leitende politische Stellung ver- 
loren und die andern Stüdte sich im Bürgerkriege befanden. 

Es passt die Schilderung der politischen Verhültnisse, welche 
Isokrates an dieser Stelle giebt, auf die Zeit nach der Schlacht von 
Knidos, als sich die demokratischen Parteien in einer grossen Anzahl 
von Städten gegen die herrschenden Oligarchen mit Erfolg zu erheben 
begannen, so dass ein Theil der Städte unter athenischen Einfluss 
gerieth, wührend der andere noch sich vom lakedaemonischen be- 
stimmen liess. Die Erwähnung der Schlacht bei Aigospotamoi (99) 
und der Niederlage bei Knidos (105) legen es nahe, dass nicht die 
Zeit nach der Schlacht von Naxos oder bei Leuktra gemeint ist. 
Noch vor der Niederlage der Lakedaemonier bei Knidos stürzten 
die Demokraten das oligarchische Regiment in Rhodos, dann erhoben 
sich die Oligarchen wieder, bemächtigten sich der Hauptstadt Rho- 
dos, wührend die Demokraten das platte Land und die übrigen 
Städte der Insel behaupteten. Als sich in dem langen Bürgerkrieg 
die Entscheidung zu Gunsten der Demokraten hinneigte, wandten 
sich die Oligarchen an die Lakedaemonier, welche darauf ein Ge- 
schwader nach Rhodos abschiekten. Athen konnte unmöglich zusehen, 


832 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Es würde dieses Urtheil keine Aenderung erfahren, wenn sich 
das Isokrateische ἐξέπιπτον ἐκ τῶν πραγμάτων nicht auf die Zeit 
nach der Schlacht bei Knidos beziehen würde, wo es überhaupt noch 
keine Bundesstädte gab, in deren innere Angelegenheiten einzugreifen 
durch die Bundesverfassung verboten war, sondern auf die Zeit 
nach der Schlacht bei Naxos. Auch zu dieser Zeit gab es eine Reihe 
von Städten, in denen die Parteiverhältnisse derartige waren, dass 
wohl eine Reihe von Fällen denkbar ist, welche eine Intervention der 
Athener rechtfertigen konnten. Immerhin möglich ist es, wenn nicht 
sogar höchst wahrscheinlich, dass sich noch einige andere athenische 
Strategen ausser Chares Vergehen gegen Bundesstädte zu Schulden 
kommen liessen, konnte dieses der Staat nicht vollständig verhüten, 
so war es seine Sache diese Uebelthüter zu bestrafen. Dieses geschah 
aber in Athen, wie aus einzelnen Fällen, welche die höchst frag- 
mentarische Ueberlieferung erhalten hat, ersichtlich wird. Der 
Stratege Aristophon hatte sich aus Geldgier, wahrscheinlich bei der 
Erhebung der Syntaxeis, gegen die Einwohner von Keos Bedrückungen 
zu Schulden kommen lassen (vgl. Schol. z. Aesch. g. Tim. 66), er 
wurde aber von dem jungen Hypereides zu Athen angeklagt und 
entging nur mit zwei Stimmen Majorität, der Verurtheilung, weil' 
offenbar der junge Ankläger noch nicht geübt genug war, die 
Geschworenen (Dikasten) von der Schuld des Angeklagten zu über- 
zeugen, oder weil diese überhaupt nicht zu erweisen war. Timarchos, 
der auf Andros unsittliche Handlungen gegen die Frauen von bundes- 
genóssischen Bürgern verübt hatte, wurde in Athen vor Gericht 
gezogen und verurtheilt. Den einflussreichsten Männern liess man 
es nicht durchgehen, wenn sie sich derartige Vergehungen zu Schulden 
kommen liessen. Timotheos und dessen Schatzmeister wurden ver- 
urtheilt, weil sie mit den bundesgenössischen Geldern schlecht ge- 
wirthschaftet hatten. Dann hatte Timotheos die enorm hohe Geld. 
strafe von hundert Talenten zu erlegen, weil er die Beschuldigung, 
von Chios und Rhodos Geld genommen zu haben, nicht als ungerecht- 
fertigt erweisen konnte (Dem. g. Dein. S. 94, 14). 

Die athenischen Geschworenengerichte kónnen auf einen hohen 
Grad von Unparteilichkeit ihrer ganzen Organisation nach Anspruch 
machen. Die Richter liessen sich durch alle Verdienste des Timotheos 
nicht bewegen, nicht streng nach dem Gesetze zu urtheilen und von 
ihrem Eide abzugehen (οὐδὲ τῶν ὅρκων, οὖς ὀμωμοκότες ἐφέρετε 
τὸν ψῆφον, ἀντικατηλλάξαςθε τὰς τοιαύτας εὐεργεςίας). Indessen 
ist hier zu bemerken, dass Timotheos von den Chiern und Rhodiern 
nicht Geld erpresst hatte, sondern von diesen Inseln, die sich gegen 
Athen im Aufstande befanden und Krieg führten, offenbar bestochen 
worden war, 80 dass er im Jahre 356 unter günstigen Umstünden 
in keinen Kampf sich einliess. Dieses mag, nebenbei gesagt, der Grund . 
gewesen sein, warum Iphikrates, der wie Timotheos vor ein Kriegs- 
gericht gestellt wurde, weil er die Flotte der Aufstündischen nicht 


834 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


durch Menschen verdorben, die nur leeres Geschwätz machen können, 
' oi λέγειν τολμῶειν ὧς χρὴ τοὺς προγόνους μιμεῖςθαι καὶ μὴ Trepi- 
ορᾶν ἡμᾶς αὐτοὺς καταγελωμένους μηδὲ τὴν θάλατταν πλέοντας 
τοὺς μὴ τὰς cuvrá£eic ἐθέλοντας ἡμῖν ευντελεῖν (v. Fr. 36). Οὕτω 
χαίρομεν ταῖς τῶν ῥητόρων πονηρίαις ὥςθ᾽ ὁρῶντες διὰ τὰς ταρα- 
χὰς... τούτους ἐκ πενήτων πλουείους τεγενημένους οὐδὲ φθο- 
γοῦμεν ταῖς εὐπρατίαις αὐτῶν ἀλλ᾽ ὑπομένομεν τὴν μὲν πόλιν δια- 
βολὰς ἔχουςαν ὡς λυμαίνηται καὶ δεςμολογεῖ τοὺς “ελληνας (125). 
Er klage die Stadt an τῆς δυναςτείας τῆς ἐν τοῖς "€AAnct καὶ τῆς 
ἀρχῆς τῆς κατὰ θάλατταν, ἀποφαίνων αὐτὴν οὐδὲν διαφέρουςαν 
οὔτε ταῖς πράξεειν οὔτε τοῖς TrAdecıv τῶν μοναρχιῶν (v. Um- 
tausch 64). Er erinnere an das viele Unheil, das dadurch über die 
Athener und L&kedümonier und Andere gekommen sei. Wenn man 
einen Seebund bilde, so müsse man wenigstens die Seestädte nicht 
knechten und herrisch behandeln, sondern ihnen als Bundesgenosse 
vorstehen. Μηδὲ δεςποτικῶς, ἀλλὰ ευμμαχικῶς émcrareiv. Ἐγὼ 
γὰρ ἡγοῦμαι καὶ τὴν πόλιν ἡμᾶς ἄμεινον οἰκήςειν καὶ βελτίους 
αὐτοὺς Ececdaı . . ἣν παυςώμεθα τῆς ἀρχῆς τῆς κατὰ θάλατταν 
(v. Fr. 172). Allerdings lösen sich dadurch, dass Athen auf eine. 
Seeherrschaft und Bundesgenossenschaft verzichtet, alle Schwierig- 
keiten und Uebelstände, welche eine bundesgenössische Politik mit 
sich bringt, schlägt man ein Glied ab, so thut es nicht mehr wehe, 
aber man wird das Glied selbst nicht entbehren können. Ebenso 
verhält es sich mit Athen und seiner Bundesgenossenschaft, in der 
Stellung als Vorort eines abhängigen Seebundes hatte es seine Blüthe 
gehabt, die Bundesgenossenschaft war mit den glänzendsten Epochen 
der athenischen Geschichte eng verflochten. Man konnte es keinem 
patriotischen Athener zumuthen, dass er der Bürgerschaft das Aufgeben 
der abhängigen, wenn auch autonomen Bundesgenossenschaft, unter 
gewöhnlichen Umständen empfehlen sollte. Recht hat aber Isokrates, 
wenn er darauf dringt, wenigstens ςυμμαχικῶς ἐπιςτατεῖν. Athen 
musste sich selbst als erstes Glied der Bundesgenossenschaft auf- 
fassen, durfte sich nicht, wie es bei den meisten hellenischen Bünden 
dieser Epoche geschah, als einen ausserhalb derselben stehenden 
Factor und herrschenden Staat betrachten. 

Isokrates beklagt sich ferner an der angeführten Stelle, dass 
die Städte von den Athenern zur Errichtung von Bundesbeisteuern 
gezwungen würden. Es war allerdings durch die Bundesverfassung 
verboten, weil es die Autonomie verletzt hätte, Städte durch Be- 
lagerung oder sonst durch Gewalt zu zwingen bundesgenössisch zu 
werden, jede Stadt musste ἑκών beitreten, wenn auch nur “freiwillig”. 
in dem weiten Sinne hellenischer Staatsmänner. Es ist kein be- 
stimmter Fall sicher überliefert, in welchem die Athener in dieser 
Hinsicht sich über die Grundsätze des Bundes hinwegsetzten. Der 
Ausdruck des Isokrates kann ebenso gut heissen (und zwar hat 
hier diese Bedeutung die grössere Wahrscheinlichkeit), dass die 


836 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


bedeutend heruntergekommen und weniger als je im Stande war, 
Ausschreitungen der Söldner zu verhüten!). 

Ferner ist zu beachten, dass diese Stellen, da Demosthenes 
Redner (ist, der nicht ungern stark aufträgt und besonders hier 
seinem Zwecke gemäss schwarz malt, Uebertreibungen enthalten. 

Will man also eine Anwendung seiner Aeusserungen auf die 
Periode vor dem Bundesgenossenkriege machen, so wird aus doppelten 
Gründen eine Abschwächung derselben nöthig sein. Dieses ist in- 
sofern auch wichtig als eben in der Zeit vor dem Bundesgenossen- 
kriege die athenische Symmachie einen wichtigen Faotor in der 
allgemeinen Geschichte der Hellenen bildet, während sie späterhin 
wegen der geringen Zahl und Bedeutung der Bundesgenossen eine 
unwichtigere Rolle spielt. Vor Allem kommt aber in Betracht, dass 
in diese Zeit die Ereignisse und Momente fallen, aus denen sich der 
Bundesgenossenkrieg entwickelte, nach denen man Athens Verhalten 
zu den Bundesgenossen und seine bundesgenössische Politik be- 
urtheilen muss. 

Besonders zieht Demosthenes auch in den philippischen Reden 
gegen die Söldnerei los, so heisst es Ph. I, 52: Οἱ μὲν ἐχθροὶ κατα- 
γελῶςι τοὺς τοιούτους ἀποςτόλους᾽ oU γὰρ Ecrıv ἕνα ἄνδρα δυγη- 
θῆναι πότε ταῦθ᾽ ὑμῖν πρᾶξαι παντ᾽ Óca βούλεεθαι; 22: φημὶ δεῖν 
μή μοι μυρίους ξένους, ἀλλὰ δύναμιν fj πόλεως ἔςεται... . x’ ἂν 
ὑμεῖς τὸν δεῖνα CTPATNTÖV χειροτονήςετε τούτῳ πείςεται xai ἀκο- 
λουθήςει. Demosthenes sagt hier also ausdrücklich, dass der Staat 
und zunüchst dessen Feldherren nicht im Stande waren die Disciplin 
in dem aus Söldnern zusammengesetzten Heere aufrecht zu erhalten 
und das, was gelegentlich an Bundesgenossen und Fremden .verübt 
wurde, zu verhindern?). Demosthenes fährt fort, früher, als wenigstens 


1) Ueber den Zustand des athenischen Staates nach dem Bundes- 
enossenkriege vgl. Dem. v. Kr. 292 fg.; Isokr. v. Frd. 20, 44 fg.; 
Schaefer “Dem. u. s. Z.' II, S. 166: enn wir von Kallistratos auf 
Eubulos, den leitenderi Staatsmann in den ersten Jahren nach dem 
Frieden von 355, kommen, so bemerken wir bald, dass wir es mit einem 
andern Geschlecht zu thun haben. Selten war die Stadt in ürgere Ver- 
kommenheit gerathen als nach der Beendigung des Bundesgenossen- 
krieges (vgl. S 157). 

2) Arges mögen oft befreundete oder bundesgenössische Städte er- 
duldet haben, aber so schlimm stand es doch nicht wie eine Phrase 
im pseudo-demosthenischen, περὶ cuvráEeux betitelten Machwerke späterer 
Rhetoren glaubhaft machen will. Es heisst in dieser Schrift, welche 
Schaefer, Dem. u. s. Z. III, Beilage 4, 2, S. 82 fg. eine Schrift ‘voll 
leerer, geschwülstiger Declamationen’ nennt: Οἱ crparnyol ξένους ἔχον- 
TEC τοὺς μὲν ευμμάχους ἄγουει Kal pépoum, τοὺς δὲ πολεμίους und’ ópia. 
Es ist dieses offenbar eine verstürkte Auflage übertriebener Aeusserungen 
des Demosthenes, Grote führt sie jedoch wörtlich ohne weitere An- 
merkung zur Charakteristik der Zeit und der athenischen Herrschaft an. 

Ueber Gewaltthütigkeiten gegen Bundesgenossen, wenn der Sold nicht 
vollständig gezahlt wurde, vgl. Isokr. v. Fr. 44 und Dem. Ph. I, 33. 


838 Georg Busolt: Der zweite athenisché Bund. 


Vor dem Bundesgenossenkriege müssen übrigens die Bundes- 
genossen weit weniger von Söldnerhaufen gelitten haben, denn damals 
hatte Athen mehr Geld als nach dem grossen Kriege, und es führten 
den Oberbefehl zum gróssten Theil jene grossen Feldherren, deren 
erfolgreiches Streben ihre Haufen in Zucht und Ordnung zu halten 
allgemein gerühmt und anerkannt wurde. Um die Jahre vor dem Frie- 
den von 371, in welcher Zeit man keine Klagen hört, zu übergehen, 
befehligte, als Athen im Jahre 368 die Seeoperationen wieder aufnahm, 
368 bis 365 Iphikrates an der thrakischen Küste, während Timotheos 
366 bis 365 an der jonischen und hellespontischen, 365 bis 363 an 
der thrakischen, 363 bis 362/1 wieder an der hellespontischen Küste 
die Führung des Krieges hatte. 

Manche Ausschreitungen liessen sich wohl auch die Mann- 
schaflen der kleinen Geschwader zu Schulden kommen, welche zur 
Sicherung des Meeres gegen die Seeräuber kreuzten. Vgl. Heges. 
v. Hal. 14 fg.: Ἢ ἐν τῇ θαλάττῃ φυλακή xrÀ. .. . περιπλέων καὶ 
δρμιζόμενος eic τὰς vricouc ἐπὶ τῶν ληςτῶν φυλακῆῇ᾽ — Φίλιππος 
ςυμπέμπων τοὺς ευμπλευςαμένους μετὰ τῶν CTPATNTYWV ὑμετέρων 
κτλ. g. Theokr. 68 fg.; Phil. Brief. IT, 8. 159; Schaefer “Dem. u. 

s. Z II, S. 220. 

| Wenn ein solches Geschwader auf einer der Inseln oder in einer 
Seestadt Station machte, so verübten, was kaum zu vermeiden war, 
die rohen Seeleute manche Gewaltthaten. Indessen steht das Uebel, 
welches mit diesen Kreuzfahrten verbunden war, gar nicht im Ver- 
gleich mit der Grösse des Nutzens, welcher sich aus dem Schutze 
gegen die so ausgedehnte Seerüuberei ergab. Vgl. die Rede des 
Hegesippos über Halonesos und Dem. g. Arist. 197. 

Nun scheint eine Aeusserung des Demosthenes in der Rede vom 
Chersonesos 24 gerade im Gegentheil darauf hinzuweisen, dass sich 
die athenischen Feldherren arge Störungen des Handels zu Schulden 
kommen liessen, statt den Seeverkehr zu schützen und das Auf. 
blühen der See- und Handelsstädte zu fördern. Es heisst hier: 
Πάντες ὅςεοι πώποτ᾽ ἐκπεπλεύκαςι παρ᾽ ὑμῶν ςετρατηγοὶ καὶ παρὰ 
Χίων καὶ Ἐρυθραίων καὶ παρ᾽ ὧν ἂν ἕκαςτοι δύνωνται τούτων 
τῶν τὴν 'Acíav οἰκούντων χρήματα λαμβάνουςι᾽ λαμβάνουει δὲ οἱ 
μὲν ἔχοντες μίαν ἢ δύο ναῦς ἐλάττονα, οἱ δὲ μείζω δύναμιν ἔχοντες 
πλείονα καὶ dıddacı οἱ διδόντες οὔτε μικρὰ οὔτε τὰ πολλὰ ἀντ᾽ 
αὐδενὸς, ἀλλ᾽ ὠνούμενοι μὴ ἀδικεῖεθαι τοὺς παρ᾽ αὑτῶν ἐκπλέ- 
οντας ἐμπόρους μὴ ευλᾶςθαι, παραπέμπεςθαι τὰ πλοῖα τὰ αὑτῶν 
τὰ τοιαῦτα. 

Diese Stelle hat jedoch auf die Bundesgenossenschaft keine 
Beziehung. Die Rede ist gehalten im März 341, d. h. fünfzehn Jahre 
nach dem Bundesgenossenkriege, in welchem Chios von Athen ab- 
gefallen und unabhängig geworden war. Es herrschte damals in 
Chios eine Oligarchie und es stand die Insel mit Athen bis in die 
Zeit, wo es darauf ankam Byzanz gegen die vordringende Macht 


849 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


war diese Ausgabe nicht so gross und verderblich, wie es Demosthenes 
darzulegen sucht und auf Grund von dessen Aeusserungen von 
Neuern dargestellt wird. Nicht die Theorika, sondern die Kriege 
und die Söldner zehrten an dem Marke des Staates. Das wurde auch 
allm&hlich einer Reihe von namentlich durch Kenntniss des Finanz- 
wesens bedeutenden Staatsmännern wie Eubulos klar. Die Schrift 
περὶ πόρων kommt zu demselben Resultat wie Isokrates in seiner 
Rede über den Frieden. In dieser Schrift werden nicht die Theorika 
als ‘Krebs der athenischen Staatswohlfahrt' (Boeckh, Sth. I, S. 235) 
hingestellt, sondern die “πόλεμοι καὶ crparórmeba ξενικά᾽. Der Ver- 
fasser, ein Anhänger der Politik des Eubulos!), sagt V, 12: “Man 
wird finden, dass in früherer Zeit im Frieden sehr viel Geld in die 
Stadt eingeführt, im Kriege aber alles dieses verbraucht wurde. 
Dasselbe gilt von der jetzigen Zeit, denn durch den Krieg enstehen 
Ausfälle in den Einkünften und das, was einkommt, wird durch 
allerlei Kriegsausgaben verbraucht. Sobald Friede zur See herrscht, 
werden die Einkünfte vermehrt und stehen den Bürgern zur freien 
Verfügung. Wenn man endlich Frieden halten wird, ὁ μὲν δῆμος 
εὐπορήςει, oi δὲ πλούειοι τῆς eic τὸν πόλεμον δαπάνης ἀπαλλα- 
“γήζονται μεγαλοπρεπέςτερον μὲν ἔτι ἢ νῦν ἑορτὰς ἄξομεν, ἱερὰ 
δ᾽ ἐπιεκευάςομεν τείχη δὲ καὶ νεώρια ἀνορθώεοομεν κτλ. 

Aehnlich liest man bei Isokr. v. Fr. 44 und 47: crpatevecdaı 
μὲν οὐκ ἐθελοῦμεν, πόλεμον δὲ μικροῦ δεῖν πρὸς ἅπαντας ἀνθρύώ- 
πους ἀναιρούμεθα.... fj δημοκρατία ἐν μὲν ταῖς ἡευχίαις καὶ ταῖς 
ἀςφαλείαις αὐξανομένη ἐν δὲ τοῖς πολέμοις δὶς ἤδη καταλυθεῖςα κτλ. 
. Vgl. ferner v. Fr. 51, 115, 128 fg. 

Selbst Demosthenes der Führer der Kriegspartei, hält im Jahre 
346 einen Frieden auf mehrere Jahre für durchaus nothwendig, 
damit sich der Staat von den schweren Wunden des Krieges erholen 
kónne. 


€ 

1) Der Verfasser gehórt übrigens seiner politischen Stellung nach 
zu denjenigen, welche die Bundesgenossenpolitik, aus der sich zum 
grossen Theil die Kriege ergeben, entschieden verurtheilten, er stimmt 
daher in das Geschrei über die unrechtmüssigen Bedrückungen der See- 
städte durch Athen mit ein. Gleich am Anfange spricht der Verfasser 
diese Ansicht entshieden aus, doch muss man anerkennen, dass er sich 
sonst von den masslosen Declamationen gegen die bisherige athenische 
Politik fern hält. Es heisst I, 1: Man sage von einigen Leitern des 
athenischen Staates, dass sie ebenso wie andere Menschen wüssten, dass 
man ungerecht handele, dass sie aber der Meinung wären, wegen der 
Armuth der grossen Masse zu einem ungerechtern Verfahren gegen die 
Städte gezwungen zu sein — διὰ δὲ τὴν τοῦ πλήθους πενίαν ἀναγκά- 
ζεεθαι ἔφηςαν ἀδικώτεροι εἶναι περὶ τὰς πόλεις, — Er habe in Folge 
dessen sich an die Untersuchung herangemacht, ob die Bürger von den 
Erträgen des eigenen Landes leben könnten. Wenn dieses möglich wäre, 
so würde sowohl der Nothstand als der gegen die Athener gehegte 
Argwohn aufhören. 


844 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Summe, würde jedoch nicht Xenophons Aeusserung rechtfertigen, die 
Athener seien durch direkte Vermögensteuern erschöpft gewesen 
(ἀποκναιόμενοι eicpopaic, Hell. VI, 2, 2). Am Ende des Bundes- 
genossenkrieges hatte die athenische Bürgerschaft die Grenze ihrer 
Steuerkraft erreicht. Isokr. v. Fr. 90, 128, vgl. Schaefer, Dem. u. 
s. Z. I, S. 168. fg. 

Es wird allerdings in Frage kommen, was eigentlich geschah, 
wenn in- Athen nicht genug Geldmittel vorhanden waren, um die 
Kosten der Kriegführung zu bestreiten. Diese Frage meinen neuere 
Darsteller einfach so zu beantworten, dass sie annehmen, Athen hätte 
die Bundesbeisteuer nach Belieben erhöht. Allein an keiner Stelle 
wird von einer solchen Erhöhung gesprochen, auch nicht bei Aesch. 
v. d. Trugges 78 und Dem. v. Kr. 293, wo es nicht unberührt bleiben 
konnte, wenn Athen in der höchsten Bedrängniss wirklich die Steuer 
erhöht hätte. Schaefer und Boeckh nehmen an, dass Athen mit Zustim- 
mung des Bundesrathes während des Bundesgenossenkrieges die Steuer 
um den dritten Theil erhöhte. Wäre dieses der Fall gewesen, so würde 
die Erhóhung in Anbetracht der geringen Hóhe der Steuer nicht gerade 
drückend gewesen sein, jedenfalls würe sie nicht willkürlich auferlegt, 
sondern auf legalem Wege erfolgt. Es fand aber, wie nachgewiesen 
wurde, gar keine Erhöhung statt, sondern Athen erhob nur Steuern des 
folgenden Jahres im Voraus, weil der Krieg die Kassen vollständig 
geleert hatte. Weshalb aber Aeschines die Inselbewohner, von denen 
Chares und sein Anhang jährlich sechzig Talente erhoben, “unglück- 
liche’ nennt, ist klar, weil nämlich Chares sein Gegner ist, den er 
auf jede mögliche Weise herabsetzt. Aeschines lügt bekanntlich nicht 
selten, um seinem Feinde etwas anzuhängen, er führt Thatsachen 
an, die weder einen Vorwurf verdienen, noch überhaupt der be- 
treffenden Person vorzuwerfen sind, obwohl es der Ausdruck des 
Aeschines so erscheinen lüsst. Dieses ist auch hier der Fall. Es mag 
in der Zeit des Krieges die Bundessteuer etwas drückender gewesen 
sein, allein die 60 Tal. waren keine willkürliche Erhóhung oder durch 
Vermittelung des Chares und seines Anhanges erpresste Summe, 
sondern die regelmüssige Syntaxis, welche wahrscheinlich zur Zeit 
des Krieges durch Chares im Auftrage des Staates erhoben wurde, 
eine Thatsache, die Aeschines nach seiner Weise in einer solchen 
Form ausdrückt, als ob damit eine unrechtmässige Handlung ver- 
bunden war. Erhóhte man aber nicht einmal wührend des Bundes- 
genossenkrieges und trotz des grüssten Geldmangels die Bundessteuer, 
sondern beschloss nur Steuern des folgenden Jahres im Voraus zu 
erheben, so ist nicht daran zu denken, dass jemals vorher in besserer 
Zeit die Syntaxis willkürlich erhöht wurde). 


1) Es ist auffallend, dass Rehdantz zur Begründung seiner Behaup- 
tung: 'Athenienses videntur tamen saepius supra certum debitumque 
exegisse’ ausser Aesch. v. d. Trugges 69 fg.: Oi περὶ τὸ βῆμα καὶ τὴν 


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846 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Schlacht bei Leuktra wurde der Bund mehr und mehr in rein athe- 
nischem Interesse erweitert. Athen hatte Samos, Pydna, Potidaea, 
Methone, den Chersonesos erobert, was alles Eroberungen waren, 
die es für sich allein machte, ohne dass die Bundessynode davon 
einen Vortheil gehabt hätte’. 

Vgl. dazu Schaefer, Dem. u. s. Ζ. I, S. 145: “Sie unterjochten 
von Neuem hellenische Städte u. s. w.' Dass bis zum Jahre 371 die 
beiden Kriege gegen die Lakedaemonier im Interesse der Bundes- 
genossen geführt wurden, wird zugegeben und auch den Athenern 
daraus kein Vorwurf gemacht. Dann bildete im Jahre 370, als 
Theben sich zu einer &usserst drohenden Macht entwickelt hatte, 
Athen eine Coalition, wodurch den Bundesgenossen die Pflicht Hülfs- 
contingente zu stellen auf einen neuen Fall erweitert wurde. Man 
wird unmöglich Athen wegen dieses Schrittes tadeln, welcher zu- 
nächst aus der Sorge für die eigene Sicherheit hervorging, wobei die 
Bundesgenossen insofern ebenfalls interessirt waren, als ihr Vorort 
nicht wenig durch die sich entwickelnde, mit Athen rivalisirende 
Macht bedroht wurde. 

Eine besonders herrschsüchtige Politik wird man darin nicht 
finden, dass Athen im Jahre 370 die Gunst der politischen Verhält- 
nisse benutzte, um eine massgebende und sichere Stellung einzuneh- 
men. Insoweit ist der Egoismus eines Staates natürlich und berech- 
tigt. Eine Consequenz der Eidgenossenschaft war, dass man den von 
den Thebanern bedrängten Lakedaemoniern Hülfe brachte. Ausser- 
dem machte die Stellung Athens in der Mitte zwischen den beiden 
streitenden Mächten eine Neutralität kaum möglich. So wurde Athen 
und seine Bundesgenossenschaft in die grossen landstaatlichen Ver- 
wickelungen hineingezogen. Es war den Ruhe liebenden Bundes- 
genossen nicht sehr angenehm und in der That weniger in ihrem 
Interesse als in dem Athens. Allein sollte sich Athen den Bundes- 
genossen zu Liebe politisch bedeutungslos machen lassen? Es konnte 
leicht der umgekehrte Fall vorkommen, wo Athen einen mehr im 
Interesse der Bundesgenossen geführten Kampf ausfechten musste. 

Die Operationen Athens mit dem persischen Satrapen und auf 
dem Chersonesos gingen allerdings die Bundesgenossen zunüchst 
wenig an. Athen führte die Kriege hóchst wahrscheinlich nicht als 
Vorort der Bundesgenossenschaft, sondern mit eigenen Mitteln. Im 
lakedaemonischen Bunde sind nicht wenige Fülle bekannt, in denen 
Lakedaemon oder ein Mitglied der Bundesgenossenschaft für sich 
besonders einen Krieg führte, der den Bund als solchen gar nichts 
anging. Vgl. Xen. Hell. V, 4, 37. Thuk. I, 27 fg. über den Krieg 
Korinths mit Korkyra und die Theilnahme einer Anzahl von Bundes- 
genossen an demselben; V, 115: Κορίνθιοι ἐπολέμηςαν ἰδίω v τινῶν 
διαφορῶν ἕνεκα τοῖς ᾿Αθηναίοις. Daher ἰδίᾳ πολεμεῖν im Gegen- 
satze zu den vom Bunde als solchen geführten Kriegen. Thuk. I, 
105. V, 90. 


848 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


deter, Lakedaemon und Theben gingen in der Stellung als Vorort 
in dieser Hinsicht viel weiter. Vgl. Isokr. Panath. 99 und 100. 

Hat aber Athen zu egoistische auswärtige Politik getrieben, 
hat es die Bundesstädte nur in eigenem Interesse ausgesogen und 
in durchaus unberechtigter Weise die bundesgenóssischen Gemein- 
den im Bunde festgehalten und gezwungen ihre Bundesverpflichtun- 
gen zu erfüllen?  Hatten die Bundesgenossen keinen wesentlichen 
Nutzen von ihrer Vereinigung unter der Führung Athens? Einen 
Massstab wird man an der deutschen Politik Preussens finden. Wie 
diese Politik trotz der Zwangsmassregeln gegen eine Anzahl deutscher 
Staaten und trotz des Egoismus, der offenbar eine Haupttriebfeder 
dieser Politik war, als eine wohlberechtigte gilt, weil sie die in ihrer 
Vereinzelung keinen Halt habenden Klein- und Mittelstaaten zu einem, 
nationalen und politischen Aufgaben gewachsenen Staatsorganismus 
vereinigte, so wird ähnlich von einem solchen Gesichtspunkte die 
Seebundpolitik der Athener zu rechtfertigen sein. Die vielen kleinen 
Stadtgemeinden waren einzeln für sich nicht im Stande dem ernst- 
lichen Angriffe einer barbarischen Macht ‚Widerstand zu leisten, sie 
konnten so nicht erfolgreich die nothwendige Seemacht üben, kurz 
ohne ein fóderatives Band waren die meisten dieser Politien leistungs- 
unfähig. 

Damit sind im Wesentlichen die Stellen und Momente bespro- 
chen, die zur Begründung von Vorwürfen gegen Athen gedient 
haben. Als Resultat der Untersuchung hat sich ergeben, dass das 
gewöhnliche, so ungünstige Urtheil über Athens Politik keine ge- 
nügende Basis hat. Der Mangel einer eingehenden Untersuchung 
hat zum Theil dazu beigetragen dieses Urtheil zum geltenden zu 
machen. Bemerkenswerth ist, dass Schaefer zur Begründung seines 
Urtheils über die Bundespolitik nur folgende Belege anführt: Isokr. 
Fr. 29. 36. 125. 134. 

Schwäche gegen die eindringende Söldnerei, zu geringes Ver- 
ständniss für eine wirklich bundesgenössische Politik, Missgriffe in 
der Wahl von Beamten und eine zu engherzige und egoistische Han- 
delspolitik') wird man den Athenern vorwerfen müssen, aber nicht 
systematisches Ausgehen auf die Unterdrückung der hellenischen 
Seestädte, unersättliche Herrschsucht, unnützes Verschleudern der 
bundesgenössischen Gelder, unberechtigte und Willkürherrschaft. 

Vor der Anführung von Belegen für eine von der gewöhnlichen 
Auffassung abweichende Beurtheilung wird es nöthig sein zu fragen, 


1) Vgl. den Handelsvertrag Athens mit den Städten Julis, Koressos, 
Carthaea auf Keos bei Rangabé Nr. 677, dazu Boeckh, Sth. II, S. 349, 
Schaefer, De soc. Ath. 8. 18. In diesem Handelsvertrage wird bestimmt, 
dass die Ausfuhr von Róthel oder Mennig nur nach Athen sfatifinden 
darf und zwar auf von Athen bezeichneten Schiffen. Die Art der Aus- 
fuhr ist genau geregelt und eine Reihe von Vorsichtamassregeln und 
Strafbestimmungen gegen Sehmuggelei aufgestellt. 


850 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


sen Lob nach Plut. Lys. 30 mehr Glauben verdient als dessen Tadel, 
die bundesgenössische Politik der Athener in höchst- ungünstigem 
Lithte darstellte, würde a priori anzunehmen sein, wenn es nicht 
noch ausserdem bei Athen. VI, 254 b gesagt würde. Trotzdem wer- 
den von Boeckh und Schaefer ohne weitere Bemerkung Stellen aus 
Theopompfragmenten wörtlich zur Beurtheilung von athenischen Zu- 
ständen und athenischer Politik angeführt. " 

Ephoros ist ebenfalls Schüler des Isokrates, er stammt aus 
Kyme und hat warme Sympathien für Theben, mit welcher Stadt 
die Athener seit dem Jahre 375 und 374 immer mehr zerfielen. Er 
hat nicht gerade Zuneigung zu den Athenern, die keine Miene mach- 
ten gegen den Grosskönig zu ziehen (was Isokrates so empfiehlt) 
und seine Stadt von dessen Herrschaft zu befreien, im Gegentheil 
diese asiatischen Seestädte als Besitzungen des Königs anerkannt 
hatten und bei ihnen sogar gelegentlich, wenn sie mit dem Könige 
schlecht standen, durch die Feldherren Contributionen erheben liessen. 

Der dritte Historiker dieser Periode, Xenophon, war von der 
leitenden Demokratie in Athen verbannt, officiöser Scribent im 
lakedaemonischen Lager und Gegner der ganzen von der Demokratie 
ausgehenden traditionellen Politik. Er ignorirt den athenischen See- 
bund, wo es angeht, nicht nur weil sein Gesichtskreis ausserordent- 
lich einseitig und beschränkt ist, sondern weil er diesen Verhält- 
nissen abgeneigt ist. Xenophon, der Freund des mehrere Male von 
athenischen Gerichten verurtheilten Timotheos, unterlässt es nicht, 
hier und da, wo er die maritimen Verhältnisse berührt, den Gegnern 
seines Freundes einen Seitenhieb zu versetzen. So schiebt er in den 
kurzen Bericht über den Gewinn der Insel Korkyra durch Timotheos 
die Bemerkung ein: oU μέντοι ἐφυγάδευςε, xai cpayüc xai πολι- 
τειῶν μεταβολὰς émoínce, was offenbar auf Chares und dessen Ver- 
fahren auf Korkyra abgezielt ist. Zu diesen historischen Darstellun- 
gen kommt die rednerische Ueberlieferung, sie besteht hauptsächlich 
aus Isokrates, Aeschines, Demosthenes. Ihre Reden sind in einer 
Zeit gehalten, welche unmittelbar der grossen Katastrophe des athe- 
nischen Staates in Folge des Bundesgenossenkrieges folgte, und 
natürlich stark beeinflusst von der sich gegen die bisherige Politik 
müchtig erhebenden Reaction. Isokrates ist ausserdem principieller 
Gegner der bundesgenóssischen Polítik, Aeschines als Feind des 
Chares und Freund des Eubulos, welcher den die Unabbängigkeit 
der Bundesgenossen anerkennenden Frieden abschloss, mit dieser 
Strömung in enger Beziehung. Es bleibt noch Demosthenes übrig, 
der grósste und glaubwürdigste zeitgenóssische Redner. Demosthenes 
aber macht den Athenern nur ihre Schwüche zum Vorwurf, dass sie 
nicht im Stande waren, sich aufzuraffen und von dem Söldnerwesen 
zu emancipiren, er schildert alle Uebel, welche sich aus diesem 
System ergaben, Uebel, zu denen auch Schädigungen der bundes- 
genóssischen und verbündeten Städte durch die Söldnerhaufen ge- 





852 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 

Streben nach Unabhängigkeit überhaupt. Die Verdüchtigungen we- 
gen oligarchischer Gesinnung, denen diejenigen ausgesetzt waren, 
welche im Jahre 355 zum Frieden mit den abtrünnigen Bundes- 
genossen riethen (Isokr. v. Fr. 50) bestärkt die Auffassung des 
Bundesgenossenkrieges als eines wesentlichen Gliedes in der zur Zeit 
eintretenden allgemeinen oligarchischen Reaction gegen die bisherige 
demokratische Entwickelung, welche selbst im Peloponnesos (in Ar- 
kadien, Argos, Megalopolis) Wurzel geschlagen hatte. Demosthenes 
aber betont emphatisch, eine aufrichtige, dauernde Verbindung zwi- 
schen einer Demokratie und Oligarchien sei undenkbar. Der Bundes- 
genossenkrieg hat offenbar diese an mehreren Stellen entschieden 
ausgesprochene Ueberzeugung zur Reife gebracht, Vgl. v. d. Fr. d. 
Rhod. 21. 40: Πρὸς μὲν γὰρ τοὺς δήμους A περὶ τῶν ἰδίων ἐγκλη- 
μάτων ἢ περὶ γῆς ὅρων f| φιλονεικίας ἢ τῆς ἡγεμονίας πρὸς δὲ 
τὰς ὀλιγαρχίας ὑπὲρ πολιτείας καὶ τῆς ἐλευθερίας. 

War aber mit der oligarchischen Bewegung in den einzelnen 
Bundesstädten der Abfall verbunden, so darf man weiter schliessen, 
dass der Demos durchaus nicht mit Athen brechen wollte. Die Be- 
rechtigung zu einem solchen Schlusse findet man auch in den ganz 
analogen Verhültnissen zur Zeit des ersten Bundes. Vgl. Thuk. III, 
47: νῦν μὲν γὰρ ᾿Αθηναῖος ὁ δῆμος ἐν ἁπάςαις ταῖς πόλεειν εὔνους 
ἐςτὶ καὶ ἢ οὐ ευναφίεταται τοῖς ὀλίγοις ἢ ἐὰν βιαςθῇ ὑπάρχει τοῖς 
ἀποςτήςαςει πολέμιος. ᾿ | 

Welche Wohlthat für die einzelnen Seestädte die Zugehörigkeit 
zum athenischen Bunde war, ersieht man ferner mittelbar aus der 
übeln Lage, in welche sie nach dem Frieden von 355, der ihre Un- 
abhüngigkeit erklürte, geriethen. Sich selbst überlassen konnten sie 
den mannigfachen Feinden nicht widerstehen. Chios gerieth unter 
die Herrschaft einer oligarchischen Faction, welche sich auf eine 
persische Besatzung stützte. Erst Alexander machte diesem schlim- 
men Regimente ein Ende, wie es die Athener im Jahre 365 auf 
Samos beseitigt hatten. Vgl. Monatsb. d. Berl. Ak. 1863. S. 265 fg. 
Schaefer, Dem. u. 8. Z. III, S. 157 und 162 bis 170. Die lesbischen 
Städte gelangten durch das Stadium der Oligarchie zur Tyrannis. In 
Mitylene wurde freilich 347 die oligarchische Regierung gestürzt 
und die Demokratie hergestellt, sofort trat aber der Demos unter 
den alten Bedingungen dem athenischen Bunde bei. Es ist dieses 
eine bemerkenswerthe Thatsache insofern als sie beweist, dass die 
Bemerkung des Thukydides in Bezug auf die politischen Verhältnisse 
des ersten Bundes auch für die des zweiten passt. Vgl. den Volks- 
beschluss über die Wiederaufnahme der Mitylenaeer, Rangabe Nr. 
401 und Schaefer, Dem. u. s. Z. IIT, 8. 40. Rhodos und Kos ge- 
riethen unter die Herrschaft einer von den karischen Dynasten ab- 
hüngigen Oligarchie. Vgl. Dem. v. Fr. 25. Die blühende Insel Kor- 
kyra kam immer mehr und mehr herunter. Vgl. Schaefer, Dem. u. 
8. Z. III, S. 46. 


854 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


Dem. v. d. Fr. d. Rhod. 13. 23. v. d. Anordn. 8. Aristot. Pol. V, 2. 
V, 4. Die von Mausolos in Bewegung gesetzten Elemente traten 
bald mit andern Bundesstädten in Verbindung. Auf der Nachbar- 
insel Kos hatte auch bald die autonomistisch -karische Partei grosse 
Ausdehnung gewonnen. Vgl. Rehdantz, Vita Iph. S. 206. Anm. 15. 
Rhodos stand in enger Handelsverbindung mit Chios, eine Anknüpfung 
der in Rhodos bereits herrschenden oligarchischen, den Athenern 
feindlichen Partei mit Gleichgesinnten auf Chios war daher leicht zu 
erreichen. Die demokratische Regierung der Chier wurde durch eine 
Oligarchie ersetzt, welche sofort bereit war, sich der gegen die 
demokratische Bildung regenden Reaction anzuschliessen. Vgl. Dem. 
v. d. Fr. d. Rhod. 23: Ὀλεγαρχουμένων Χίων xrÀ. Isokr. v. Um- 
tausch 23. v. Fr. 16. Diod. XVI, 7. 

Byzanz, bereits seit acht Jahren mit Athen im Kriege oder ver- 
feindet, trat natürlich sofort der Conföderation der Aufständischen 
bei (Diod. XVI, 7). Den oligarchischen Charakter der ganzen Be- 
wegung zeigt deutlich das, was Demosthenes in der im Jahre 352, 
d. h. sechs Jahre nach dem Ausbruch des Bundesgenossenkrieges, 
gehaltenen Rede über die Freiheit der Rhodier 23 sagt: es sei die 
athenische Demokratie geführdet, weil überall oligarchische Regie- 
rungen bestünden. “Πάντων ὀλίγου δέω λέγειν eic ταύτην τὴν 
δουλείαν ὑπαγομένων, εὐγκινδυνεύειν δὲ τὴν παρ᾽ ἡμῖν πολιτείαν 
εἰ δι᾿ ὀλιγαρχίας ἅπαντα ευςτήςεται.᾽ Vgl. περὶ πόρων V, 8. 

Als Glieder der Confóderation werden an allen Stellen, wo ihrer 
Erwühnung geschieht, nur Mausolos, Rhodos, Kos, Chios, Byzanz 
genannt. Nun steht es aber fest, dass am Ende des Bundesgenossen- 
krieges eine Reihe anderer Seestädte sich vom Bunde emancipirt 
hatte, wie Korkyra, Mitylene u. A. Vgl. Dem. v. Kr. 293: Ὅτ᾽ eic 
τὰ πράγματα eicneıv (Sept. 355) οὔτε Κέρκυρα μετ᾽ ἡμῶν ἦν κτλ. 
v. d. Fr. d. Rhod. 23: ὀλιγαρχουμένων καὶ Μιτυληναίων κτλ. 

Es wird ferner nichts über die active Theilnahme dieser Städte 
am Kriege berichtet, obwohl Korkyra, wenn es sich betheiligt hätte, 
mit seinen fünfzig bis neunzig Trieren eine so hervorragende Rolle 
spielen musste, dass es unmüglich von allen Quellen übergangen sein 
würde. Endlich sind zu den Friedensverhandlungen des Jahres 355 
nur Gesandte von Rhodos, Chios, Byzanz in Athen erschienen (Isokr. 
v. Fr. 6). Es lässt sich hieraus der Schluss ziehen, dass in dem 
Kriege eine grosse Anzahl von Städten den Athenern zwar nicht 
gegen die Conföderirten bundesgenössische Hülfe leistete aber auch 
nicht activ an der Conföderation theilnahm, um sich offenbar bei den 
äusserst schwankenden Verhältnissen nach keiner Seite hin zu stark 
einzulassen und mehr freie Hand zu behalten. Man konnte voraus- 
sehen, dass selbst, wenn Athen siegreich blieb, es jedenfalls einen 
grossen Krieg bestanden haben musste und zu ermattet sein würde, 
um mit entschiedenen Massregeln gegen die neutral gebliebenen 
Bundesgenossen vorzugehen. Siegten die Conföderirten, so hatte 


862 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


während Athen ebenfalls Hülfe brachte, wenn eine der verbündeten 
Städte einem Angriffe ausgesetzt war. Es heisst z. B. in einem 
Bundesvertrage, welchen Athen zu dieser Zeit mit Chalkis schloss, 
nicht mehr wie in dem Psephisma über den Grundbesitz vom Jahre 
377: '€áv τις βούληται τῶν Ἑλλήνων ᾿Αθηναίων εύμμαχος εἶναι 
καὶ τῶν ευμμάχων ἐξεῖναι αὐτῷ sondern μὴ διαςφαλῆναι τῆς 
᾿Αθηναίων (nicht καὶ τῶν ςυμμάχων) ευμμαχίας; nicht mehr Ἐάν 
τις ἴῃ ἐπὶ πολέμῳ ἐπὶ τοὺς ποιηςαμένους τὴν ευμμαχίαν ... 
βοηθεῖν ᾿Αθηναίους καὶ τοὺς ευμμάχους sondern Χαλκιδέας βοηθεῖν 
ἐάν τις ἴῃ ἐπ᾽ ᾿Αθηναίους (Aesch. g. Ktes. 98). 

Athen war bestrebt in Bezug auf die auswürlige Politik, die 
Staaten, mit denen es gelang einen Bündnissvertrag abzuschliessen, 
so abhängig wie möglich zu machen. Während es, wie den Chal- 
kidiern, Freiheit von der Syntaxis und der Theilnahme am Synedrion 
zugestand, d. h. gerade davon abging, was wesentliche Grundlagen 
des auf den alten Bedingungen noch fortbestehenden Restes der 
Bundesgenossenschaft waren, verlangte es die Beschwörung einer 
Formel, auf welche unterthünige Bundesgenossen verpflichtet wurden, 
deren Beschwörung bundesgenössische Städte als unterthünige kenn- 
zeichnete. Oreos und Eretri& wurden, als sie mit Athen im Jahre 
341/0 wieder in enge Beziehung und Symmachie traten, ebenfalls 
von der Verpflichtung zur Bundessteuer und zum Synedrion befreit. 
Oreos musste jedoch beschwören “τὸν αὐτὸν ᾿Αθηναίοις φίλον xai 
ἐχθρὸν νομίζειν᾽ Aesch. g. Ktes. 100). Athen hatte also jetzt neben 
dem Ueberreste der alten Bundesgenossenschaft, welche im Synedrion 
vertreten war und Syntaxeis zahlte, ein System von Verbündeten, 
das weniger ein Bundesstaat als eine Reihe von Staatenbünden war, 
das dadurch zusammengehalten wurde, dass Athen in jedem Btind- 
nissvertrage den einen Factor bildete. Wie weit Athen dieses neue 
Fóderalsystem ausgedehnt hat, ist deshalb noch weniger wie die 
Ausdehnung der eigentlichen Bundesgenossenschaft aus den Quellen 
ersichtlich, weil es sich hier nicht um Einfügung in feste bundes- 
‚staatliche Formen, sondern um einzelne Staatsverträge handelt. 
. Wenn Athen die alte Bundesgenossenschaft nicht erweiterte, so 
musste der tibrige Theil derselben, wegen seiner im Vergleich zur 
ganzen frühern Bundesgenossenschaft geringen Macht, immer mehr 
unter den bestimmenden Einfluss Athens gerathen. Athen durfte hoffen 
denselben allmählig ganz athenisch zu machen und so einen festen 
Kern zu erhalten, von dem aus es die Verbtindeten leiten und näher 
heranziehen konnte. 

Die Städte, welche in der letzten Zeit mit Athen ein solches 
Bündniss geschlossen hatten, wurden wesentlich durch eigenes 
Interesse veranlasst sich den Athenern anzuschliessen, denn, während 
. sie sonst unabhängig blieben, erhielten sie gegen Angriffe von aussen 
her an Athen eine Stütze, ohne die sie sich schwerlich gegen einen 
kräftigen Angriff halten konnten, vgl. Dem. v. d. Fr. d. Rhod. 44. 


864 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


zuschlagen, von Athen ungenügend unterstützt, musste es im Früh. 
jahre 348 capituliren. Philipp nahm alle chalkidischen Städte und 
auch, wenn dieses bisher noch nicht geschehen war, die athenischen 
Bundesstädte auf Athos und Sithonia. 

Vergeblich versuchte Athen die hellenischen Staaten ähnlich 
wie im Jahre 370 zu einer Coalition zu vereinigen, man ging auf 
die athenischen Anträge nicht ein, es blieb für Athen nichts als 
Friede mit dem siegreichen Philippos übrig, denn es war, wie auch 
Demosthenes einsah, eine Zeit der Ruhe nöthig, damit Athen seine 
erschöpften Kräfte erholen konnte. Im April 346 wurde der Friede 
abgeschlossen, nach dessen Bestimmungen jeder Contrahent das 
behalten sollte, was er am Tage des Abschlusses hatte. Damit 
wurden dem Makedonerkönige die von ihm seit dem Jahre 357 
eroberten Bundesstädte zuerkannt. Als Contrahenten des Friedens 
werden im Vertrage bezeichnet Philippos, Athen und die Bundes- 
genossen beider Theile. Die athenischen Bundesgenossen leisten wie 
371 einzeln, ein jedes Bundesmitglied für seine Stadt, den Eid. 
Ausser dem Frieden wurde ein Bündniss abgeschlossen, welches 
gegenseitige Unterstützung bei einem Angriffe festsetzte. 

In den folgenden Friedensjahren nahm der Handel und Wohl- 
stand Athens wieder lebhaften Aufschwung. Die Marine konnte 
bedeutend verstärkt werden, was um so wichtiger war, als die Be- 
ziehungen zu Philippos sehr bald wieder gespannter wurden. Es 
gelang auch auf Euboea wieder einigen Einfluss zu gewinnen. Im 
Jahre 343/2 half eine Abtheilung makedonischer Sóldner mehrere 
demokratische Verfassungen auf Euboea stürzen und dem make- 
donischen Könige völlig ergebene Tyrannen einsetzen. Die Demokratie 
neigte sich in Folge dessen wieder zu Athen hin. Es setzte sich im 
nüchsten Jahre Kallias, der leitende Staatsmann von Chalkis, mit 
Athen auseinander. 

Athen verzichtete auf die Vertretung im Bundesrathe und die 
Zahlung der Bundessteuer, verlangte aber dafür die Stellung eines 
Hülfscontingentes im Kriegsfalle. Noch in demselben Jahre vertrieb 
Kallias den Tyrannen von Oreos und stellte die Demokratie her, 
Oreos trat zu Athen in eine ähnliche, doch abhängigere Stellung wie 
Chalkis. Im Frühjahre 340 ging Phokion mit einer athenischen 
Heeresabtheilung nach Euboea ab und machte im Verein mit Kallias 
in Eretria der Tyrannenherrschaft ein Ende. Die eretrische Demo- 
kratie schloss mit Athen ein Bündniss ab. Alle euboeischen Städte 
wurden zu einem Bunde unter dem Vorsitz von Chalkis vereinigt. 

Mit Philippos hatte es wnterdessen neue Streitigkeiten über 
chersonesische Verhültnisse und die Insel Halonesos gegeben. Die 
Fortschritte des Makedonerkónigs waren jetzt so bedrohlich geworden, 
dass die hellenischen Staaten bereitwilliger auf die erneuerte Auf. 
forderung Áthens zur Dildung einer Coalition eingingen. Im Mürz 
340 kam eine grosse antimakedonische Coalition zu Stande, der 


866 Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 


verfassung und des “gesetzmässigen Gehorsams' der Bürger nur auf 
sehr kurze Zeit und beinahe gelungen war, was die Athener trotz 
ihrer Bildung und fein organisirten Staatsverfassung, welche die 
freie Entwickelung aller Krüfte des Individuums erstrebte, vergeblich 
versucht hatten, was zuletzt die Thebaner unter der Führung eines 
Epaminondas nicht durchführen konnten, das gelang jetzt einem 
halbbarbarischen Könige der Makedonen. An der Spitze eines wohl- 
geschulten Heeres seiner makedonischen Bauern schlug er die durch 
das Unwesen der Söldnerei und die unkriegerische Entwickelung 
ausser Uebung gekommenen und den alten, kriegerisch-patriotischen 
Sinn zum grossen Theil entbehrenden Bürgerheere der hellenischen 
Städte. Rühriger Eifer, Wagen und kühne Entschlossenheit hatten 
einst die Athener in ihrer glänzendsten Epoche ausgezeichnet und 
ihnen die Hegemonie über die ruheliebenden, der Förderung ihrer 
materiellen Wohlfahrt ergebenen Insulaner verschafft, dieselben 
Eigenschaften gaben jetzt dem Makedonenfürsten die Hegemonie der 
hellenischen Gemeinden, in denen während eines vieljährigen Ringens 
unter einander politische Thatkraft und grosshellenischer Sinn 
ermattet war. 

























UNIWERSITT 


N 
2509 7620 





Dual