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II
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JAHRBUCH
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GesellscM fllr die Geschiclite des ProtestantisniDS
in Oosterreioh.
Siebenter Jahrgang.
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Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt
1886.
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JAHRBUCH
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Siebenter Jahrgang,
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JAHRBUCH
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^
I.
Or. Martin Luther 's 400jährige Geburtstagsfeier
in Oesterreich
am 10. und 11. November 1883.
Von Johann DEDIC, evang. Pfarrer in Olmütz.
I.
Einleitnzig.
Hatte das Jahr 1881 der evangelischen Kirche beider Bekenntnisse
in den österreichischen Erblanden die erste Säcularfeier
ihrer Wiedererweckung durch des unvergesslichen Kaisers Joseph IL
Toleranz-Patent gebracht und die Freude bereitet, dass ihr bei diesem
Anlasse sowohl vom Throne herab die Versicherung der Gewogen-
heit und Huld des kaiserlichen Schirmherrn zu Theil geworden, als
auch von den Glaubensgenossen des Auslandes reichliche Beweise
brüderlicher Liebe und Theilnahme entgegengebracht worden sind,
so ward mit dem Jahre 1883 der evangelischen Gesammtkirche aller
Länder und Sprachen, soweit sie als Tochter der lutherischen
Reformation sich betrachtet, ein neues erhebendes Fest beschieden,
das im Hinblick auf seinen weiten Schauplatz ein wahrhaft öku-
menisches, hinsichtlich seines weihevollen Verlaufs ein kirchliches
Fanrülienfest genannt zu werden verdient, — der 400ste Gedenktag
der Geburt Dr. Martin Luther's, des thüringischen Bergmanns-
sohnes, welcher das kostbare Metall des reinen Evangeliums an's
Licht gefördert aus dem Schachte und durch sein Riesenwerk, die
Reformation, die Bahn frei gemacht hat für die höchsten Güter der
Menschheit. Auch die wenig zahlreiche, über ein weites Gebiet
zerstreute, im Schmelztiegel der Verfolgungstrübsal vielgeprüfte und
wohlbewährte rechte Tochter der deutschen Reformation, die evan-
gcHsch-lutherische Kirche Oesterreichs, konnte einen solchen
Jahrestag nicht vorübergehen lassen, ohne mit tiefempfundenem
Danke in den grossen Kreis der Festfeiernden einzutreten und den
ro. November 1883 in allen ihren Kirchen- und Schul-Gemeinden
Jahrbuch des Protestantismus x886. H. I. \
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je nach Massgabe der vorhandenen Mittel und Kräfte zu einem
für Alt und Jung unvergesslichen Jubelfeste zu gestalten. An der
rechten Feststimmung sollte es da nicht fehlen. Denn das Jahr 1883 ist
auch sonst durch die Wiederkehr wichtiger geschichtlicher Erinnerungs-
tage innerhalb und ausserhalb der evangelischen Kirche hierzulande
ein wahres Jubeljahr geworden. Nicht weniger als vierzehn evang.
Gemeinden (Wien A. C, Weissbriach - Weissensee , Eisentratten,
Fresach, Zlan, Trebesing, Eferding, Thening, Neukematen, Ramsau,
Lipkowitz, Opatowitz, Teplitz) haben in diesem Jahre die erste
Säcularfeier ihres kirchlichen Bestandes begangen. Ausserdem haben
die Wiener evang. Gemeinden gemeinsam mit der Reichshauptstadt
im September das Andenken an die vor 200 Jahren erfolgte Be-
freiung dieser Stadt von der Türkennoth gefeiert. Auch soll in einer
Chronik des Jubeljahres nicht unerwähnt bleiben, dass in demselben
Jahre unsere höchsten kirchlichen Vertretungskörper, die evang.
General-Synoden, zum vierten Male getagt haben und unser öster-
reichischer Hauptverein der evang. Gustav- Adolf-Stiftung in der
freundlichen Stadt Asch, deren Lutherfeier einen Glanzpunkt in
der Geschichte des österreichischen Lutherfestes bildet, zu seiner
21. Jahresversammlung eine überaus herzliche Aufnahme gefunden hat.
Bevor wir daran gehen, von den Erwartungen, Vorbereitungen
und dem Verlaufe der Lutherfeier nach den uns zur Verfügung
gestellten Detailberichten ein Bild zu entwerfen, wollen wir gleich
hier bemerken, dass der äusserliche Charakter der in unseren,
zum grössten Theile armen Gemeinden begangenen Luther festfeier,
im Vergleiche zu den grossartigen Kundgebungen der Schwester-
kirche des deutschen Reiches, allerdings nur schlicht und bescheiden
in die Erscheinung treten konnte, dass jedoch dieser Mangel an
äusserem Gepränge angesichts der allgemeinen herzlichen Begeisterung,
womit unsere Gemeinden die Wiege ihres Luther umstanden, nicht
im Mindesten störend empfunden wurde, und wir darum hoffen
dürfen, es werde auch der geistliche Segen jener Tage unter uns
der Wirkung nicht nachstehen, welche das Lutherfest auf dem
classischen Boden der Reformation zurückgelassen hat.
I.. Vorbereitung auf die Lutherfeier.
Schon Wochen, ja Monate vor dem Anbruch des in Aussicht
stehenden Gedenktages war in den einzelnen Gemeinden und ihren
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3^_
Functionären eine gewisse Unruhe bemerkbar, wie sie die Erwartung
grosser Ereignisse mit sich zu fuhren pflegt. Allgemein herrschte
das Gefühl, eine so seltene und für die evangelische Kirche so
bedeutsame geschichtliche Erinnerung dürfe man nicht vorübergehen
lassen, ohne dass das evangelische Bewusstsein in angemessener
und auch nach Aussen hin unzweideutiger Weise zum Ausdruck
komme; es müsse etwas geschehen, damit auch die Andersgläubigen
sehen, dass lutherischer Geist auch hierzulande fortlebe, und die
Nachkommen der alten heimischen Martyrerkirche so treu und offen
vor aller Welt sich zu Luther's Werke bekennen, wie es einst unter
schweren Verhältnissen ihre Väter gethan.
Im Hinblick auf diese Stimmung hat unsere oberste Kirchen-
behörde, der k. k. evangelische Oberkirchenrath, ddo. Wien,
14. September 1883, Z. 1550, an alle Gemeinden seines Amts-
bereiches einen Hirtenbrief gerichtet, in welchem er, der Bedeutung
des kommenden 400jährigen Geburtstages Dr. Martin Luthcr*$ ge-
denkend, die Ueberzeugung ausspricht, die evangelische Kirche
Oesterreichs werde jenen Tag in dem Geiste des , alten treuen
vaterländischen Pfarrherm Johannes Matthesius* feiern, j^der seinen
Bergleuten in Joachimsthal Luther's, seines Lehrers und Freundes,
Leben in seinen Bergpredigten treuherzig imd erbaulich erzählt und
damit das Vorbild einer rechten kirchlichen Lutherfeier gegeben
hat*. Zugleich wurde die eigentliche Festfeier für Kirche und Schul-
jugend auf den 11. November angeordnet. — Gleichzeitig haben
auch die einheimischen Kirchenblätter es nicht unterlassen, ihren
Leserkreis auf die bevorstehende Feier vorzubereiten.
Nun entfaltete sich eine rege freudige Geschäftigkeit in den
weiten Gauen unseres Vaterlandes. Ueberall, wo nur immer ein
evangelisches Häuflein ein Heim begründet, wurde geplant und
berathen, gesorgt und gerüstet, wie die seltene Feier am würdigsten
zu gestalten wäre. Die Presbyterien und Gemeindevertretungen wett-
eiferten mit einander in Anträgen und Beschlüssen, um in dem
engen Rahmen der vorhandenen Mittel dem Ehrentage auch ein
solennes Aeussere zu geben. Dass das Lutherfest vor Allem durch
eine entsprechende Gottesdienst feier begangen und fiir die evan-
gelische Schuljugend zu einem unauslöschlichen Erinnerungstage
gestaltet werden müsse, darüber herrschte von vornherein nur Eine
Meinung. Nichtsdestoweniger fühlte die dankbare Pietät sich gedrungen,
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das Andenken des theueren Gottesmannes auch durch ein nach Aussen
hin festliches Gepräge auszuzeichnen und durch ein erweitertes Fest-
programm auch den, nicht wenigen, Gesinnungsgenossen unter den
anderen Confessionen Gelegenheit zu bieten, ihre Verehrung für
Luther zum Ausdruck zu bringen ^). Leider musste, was die materielle
Seite der Vorbereitungen anlangt, an manchen Orten das Können
hinter dem Wollen zurückbleiben. Auch fanden es in manchen
Gegenden die evangelischen Gemeinden mit Rücksicht auf die
katholische Umgebung gerathen, alles äussere Gepränge zu ver-
meiden, um nicht die Feier dem naheliegenden Verdachte demon-
strativer Provocation auszusetzen. So z. B. in Lipkowitz, wo seit
dem Toleranz-Patente um das Augsburgische Bekenntniss heftige
Kämpfe, wie nirgends sonst in Böhmen, gekämpft worden waren,
und heute noch das Sprichwort gilt: „Zähe, wie der lutherische
Glaube unter dem ßip* (ein Berg in Nordböhmen). Die dortigen
Ev^gelischen werden vom Volksmunde bis heute nicht anders als
, Augsburger* bezeichnet. ^) '
Um die geistige Empfänglichkeit fiir die P^estfeier zu erhöhen
und das Verständniss für die weltgeschichtliche Bedeutung des
grossen Reformators zu fördern, hatten die Pfarrer und Religions-
lehrer schon wochenlang vorher in Predigten, Unterrichtsstunden
und populären Vorträgen die Evangelischen, Alt und Jung, sorg-
fältig vorbereitet, selbst in den Kreisen der Andersgläubigen hatten
sie gelegentlich aufklärend zu wirken gesucht. So hat Pfr. Ergen-
zinger in Reichenberg vom i6. September bis 4. October
zusammenhängende Predigten unter dem gemeinsamen Gesichts-
punkte ,die Wiedergeburt der christlichen Kirche* vor sehr zahlreich,
selbst von Katholischen, besuchten Versammlungen gehalten. Um
das Volk auch in den weiteren Kreisen mit dem äusseren Lebens-
gange des Reformators, wie mit der inneren Nothwendigkeit, aus
welcher die Reformation hervorging, bekannt zu machen, hielt der-
^) So namentlich in Wien und Asch. Letztere Gemeinde fasste in Folge der
in einer Abendgesellschaft am 28. Januar 1883 vom Bürger Johannes Krautheim
gegebenen Anregung mit Begeisterung den Plan. Dr. M. Luther ein Denkmal zu setzen.
*) Zweimal seit ihrem Bestände sah sich die dortige ev. Gemeinde genöthigt,
um des Friedens willen ihren Gottesdienstort zu wechseln. — Ohne alles äussere
Gepränge musste auch die böhmische Gemeinde Wilimow ihre Lutherfeier begehen,
da sie alter Mittel baar ist und der Pfarrer zugleich den Organistendienst zu ver
sehen hat.
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selbe in der dortigen Kirche an drei Sonntagen Nachmittags Vor-
träge: I. ,Wie Luther ein Reformator wurde*, 1483 — 1517 (18. Febr.)
2. 5 Wie die Reformation durch Luther begann*, 1517 — 152 1 (8. Apr.) ;
3. ,Wie Luther die Kirche ausbaute*, 1521 — 1546 (4. Nov.). Diese
Vorträge erfreuten sich ebenfalls der lebhaftesten Theilnahme, auch
von Seite der Katholiken und Altkatholiken. Der Genannte hielt
auch einen Vortrag im ^Reichenberger Lehrerverein* am 20. Oct.
über , Luther als. Pädagog* und veröffentlichte entsprechende Artikel
zum Festtage sowohl in der ^Reichenberger Zeitung* vom 9. Nov. 1883,
als auch in der dortigen , Freien Schulzeitung*, X. Jahrg. N. 5.
In Weissbriach ^) ward schon am 5. August, in Weissensee
am 4. Oct. anlässlich des loojährigen Gedenktages der Einweihung
der dortigen Gotteshäuser auf die Lutherfeier hingewiesen. Auch in
Ruzenmoos, Weiern und Lipkowitz hatten die Prediger in
mehreren Kanzelvorträgen des Festtages gedacht, während in anderen
Gemeinden das Reformationsfest zu. einer Vorfeier gestaltet wurde
Olmütz, Gross-Wrbka u. a.). In Oernilow wurde bereits seit Trini-
tatis die , Augustana* in den Sonntagsgottesdiensten erklärt und am
4. Oct. mit den Zöglingen des Königgrätzer , Lutherstiftes* ein
eigener Vorbereitungsgottesdienst gehalten, während inHumpoletz
in der Woche vor der Lutherfeier täglicher Gottesdienst mit Gesang
der Lutherlieder und entsprechenden Textauslegungen stattgefunden
hat. In der Kinderrettungsanstalt zu Weiern hielt der dortige
Pfarrer vor und nach der Feier sonntägliche Vorträge über Luther.
Ein besonderes Augenmerk wurde hierbei auf die heranwachsende
Jugend gerichtet. Schon seit Sommer wurden die Kinder der meisten
Gemeinden anlässlich des Religionsunterrichtes und der Christen-
lehren mit Luther's Leben und Wirken vertraut gemacht, wobei
Redenbacher's , Reformations-Geschichte* und Völter 's Lutherbüchlein
(letzteres für böhmische Schulen bearbeitet von Pfr. Pospüil in
Humpoletz) als Leitfaden dienten. Auch der unvergleichliche Schatz
des evang. Kirchenliedes sollte in dem jugendlichen Nachwuchs die
Liebe zur evang. Kirche entfachen, und wurden namentlich Luther^s
Kernlieder nach Inhalt und Melodie mit den Kindern fleissig ein-
geübt, so dass letztere in nicht wenigen Kirchen einen erhebend
mitwirkenden Sängerchor zur Lutherfeier beistellen konnten.
M Weissbriach hatte das erste gemauerte Bethaus in ganz Kärnten.
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Zu diesen Rüstungen geistiger Art gesellten sich, je näher
der sehnlich erwartete Festtag rückte, nunmehr auch mancherlei
Vorbereitungen materieller Natur. Einem so freundlichen Feste zu
Ehren galts, auch die wettergebräunte Aussenseite der kirchlichen
Gebäude mit einem heiteren Gewände zu kleiden und etwaige Ge-
brechen zu heilen. So wird aus der armen Bergwerksgemeinde
Bleiberg berichtet, wie die Herzen der dortigen wackeren Berg-
leute, u. z. ohne Unterschied der Confession, der Feier des grosssen
Bergmannssohnes begeistert entgegenschlugen, wie aber mit dieser
Begeisterung weder das ,der Neubedachung dringend bedürftige
Gotteshaus*, noch die ,das Sprechen versagende Orgel* in Einklang
zu bringen gewesen, so dass Manche statt der gehobenen Stimmung
banger Verzagtheit sich hingeben wollten. Doch die Losung: Es
gilt die Lutherfeier 1 spornte zu neuer Kraftentfaltung, und siehe da,
beiden Uebelständen ist noch rechtzeitig abgeholfen worden. Welche
Begeisterung der Gedanke an die herannahende Feier bis in die
entlegensten Alpenthäler hinein weckte, zeigt uns eine Schilderung
aus Arriach: »Wie beim Alpenglühn die höchsten Spitzen der
Berge in rosigem Lichte erglänzen, so erglühten die Höhen der
Arriacher Gemeinde im neuen Roth des Glaubens, als es hiess,
am lo. und ii. Nov. d. J. werde die 400jährige Feier des Geburts-
t£^es Dr. Martin Luther's festlich begangen werden. Das Presbyterium
der Gemeinde beschloss dies in würdigster Weise zu veranstalten.
Und je näher das Fest rückte, desto mehr ging eine tiefe Bewegung
durch die Gemüther, desto höher wuchs die Begeisterung.* Eine
ähnliche Kunde dringt aus dem oberen Ennsthale, wie auch dort,
wo im 16. Jahrh. evang. Silberarbeiter den Marktflecken Schladming
zur Blüthe gebracht und ihren evangelischen Glauben unversehrt
erhalten haben, mit einer unbeschreiblichen Freude dem Ehrentage
des aus der edlen Knappengilde hervorgegangenen kühnen Glaubens-
helden entgegengesehen wurde.
Als aber vollends die Festwoche angebrochen war, was gab*s
da für eine emsige Rührigkeit allenthalben, um den festlichen Tag
im würdigen Sckmucke begrüssen zu können! Welch' ein frohes
Treiben entfaltete sich nunmehr in Kirche und Schule, in Pfarrhaus
und Gemeinde, welch' ein reger Wettstreit entspann sich zwischen
Alt und Jung, Jungfrauen und Jünglingen, die kirchlichen Gebäude
vom Thurme bis an die Hörner des Altars mit Fahnen und Wappen,
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Kränzen und Guirlanden, Transparenten und Sinnsprüchen, Luther-
bildern oder Lutherbüsten zu schmücken, ja selbst die Plätze und
Wege mit duftigen Reisiggewinden oder frisch grünenden Wald-
bäumchen zu besäumen. Je nach Ortslage und Verhältnissen der
einzelnen Gemeinden reicher oder einfacher in der äusseren Aus-
stattung, war der angelegte Festschmuck überall, selbst in der
letzten Gebirgsgemeinde, ein spontaner treuherziger Ausdruck der
dankbaren Freude, einen so segensvollen Gedenktag durch Gottes
Güte erlebt zu haben. Trotz der Ungunst der spätherbstlichen,
mitunter sogar winterlichen Witterung nahmen diese Vorarbeiten
einen ungestörten Verlauf. Der Morgen des lo. November sah
hernieder auf die im freundlichsten Festgewande prangenden evan-
gelischen Gemeinden. Es verdient anerkennende Erwähnung, dass
an manchen Orten auch die katholischen Mitbürger ihre Häuser
geschmückt, an anderen wieder den Evangelischen thatkräftige
Handreichung geboten haben. So hat die Bleiberger Unions-
Gewerkschaft der dortigen mittellosen evang. Kirchengemeinde ihre
Fahnen, Wappen und bergmännischen Embleme zum Festschmucke
in zuvorkommender Weise zur Verfügung gestellt.
n. Vorfeier des Luthertages.
Wie beim Einzüge des Frühlings zuerst einzelne wenige Tage
sich einzustellen pflegen, welche uns einen erquickenden Vorgeschmack
der Lenzesherrlichkeit geniessen lassen, noch lange bevor diese
selbst alle ihre Reize vor uns ausgebreitet hat, so gingen auch dem
grossen Luthertage einzelne Vorboten voraus, nämlich vereinzelte
Festlichkeiten, die hie und da in Kirche und Schule zu Ehren
Luther's mit Rücksicht auf locale Verhältnisse schon vor dem
10. Nov. veranstaltet wurden. Den Festreigen eröffnete unsere wackere
Diaspora: Gaishorn, Filialgemeinde von Wald, hatte schon am
I. Nov., eine zweite Filialgemeinde von Wald, Grünbühl (nächst
Rothenmann), am 4. Nov. ihr Lutherfest unter sehr zahlreicher
Theilnahme mit Dankgottesdienst und Communion gefeiert. Am
letztgenannten Tage wurde auch in Neunkirchen, Filial von
Wiener-Neustadt, die Lutherfeier Vorm. durch eiiien solennen Gottes-
dienst, Nachm. durch einen Festvortrag begangen, in welchem der
dortige Presbyter Otto Schwabe den »culturellen Zustand Europas
beim Beginne der Reformation und Luther's Bildungsgang bis 1517*
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einem zahlreichen Auditorium vor Augen führte. Gleichzeitig wurde
auch im Schulhause der Mitterbacher Diasporag^meinde Lahn-
sattel ein Festgottesdienst mit Predigt, Gesang, den ein Kinder-
chor wirksam verstärkte, und hl. Abendmahl gefeiert, während der
Nachmittag der Prüfung und angemessenen Ansprache an die
Schuljugend geweiht war. Gleichfalls die Diaspora im nordöstlichen
Böhmen war mit ihrer Lutherfeier der eigentlichen Festwoche
vorangeeilt. In Trautenau durfte in dem vom Pfr. Kupka aus
Hermannseifen am i. Nov. im Turnsaale der dortigen Oberrealschule
abgehaltenen Lutherfestgottesdienste, welchem der Bürgermeister der
Stadt, die Spitzen der Bürgerschaft und auswärtige Theilnehmer aus
dem Aupäthale anwohnten, die evangelische Predigt zum erstenmale
seit 200 Jahren wieder erschallen. In der von Opatowitz aus be-
gründeten Predigtstation Caslau wurde zum Gedächtnisse des
400jährigen Geburtstages Luther's schon am 4. Nov. eine gottes-
dienstliche Feier mit Communion veranstaltet. Auch die Gottes-
dienste in der Olmützer Diaspora, am 30. Sept. in Prerau und
am 14. Oct. in Mährisch-Schönberg, galten der Gedächtniss-
feier des grossen Reformators.
Und wie in der Gemeinde der Erwachsenen, so stellte sich
auch in einigen evangelischen Schulen die Nothwendigkeit heraus,
die Feier mit der Schuljugend zu anticipiren. In Gosau, wo
auf den 10. Nov. ein Ferialtag fiel, an dem eine Versammlung der
Kinder nicht thunlich war, wurden dieselben schon am Tage vorher
durch einen Vortrag des Pfarrers über , Luther's Kindheit* auf das
Fest in gebührender Weise vorbereitet. Luther ward ihnen als ein
Muster dargestellt, dem sie i. in Frömmigkeit, 2. im Gehorsam gegen
die Eltern, 3. in des Lebens mannigfacher Noth, 4. in Bescheidenheit
und Demuth nachzufolgen haben. — In den evangelischen Schulen
in Scharten und Jebenstein fand gleichfalls schon am 9. Nov.
die Schulfeier statt. ^Nach dem Gesänge entsprechender Lutherlieder
wurden die Kinder durch Vorträge ihrer Lehrer auf die Bedeutung
Luther's für unsere evang. Kirche und Schule hingewiesen. Hierauf
folgten poetische Declamationen der Schüler über Ereignisse aus Luther's
Leben und der Reformationsgeschichte, abwechselnd mit Chorliedern,
sowie die Vertheilung von Lutherbüchlein an die weniger bemittelten
Schüler und Schülerinnen. Gebet und Schlusschoral beendeten die
einfache, aber der Bedeutung des Festes entsprechende Feier.*
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Eine erhebende Vorfeier wurde in Wien veranstaltet, indem
am 7. November Abends der Professor Dr. Adalbert Horawitz
im , Wissenschaftlichen Club* einen Vortrag über Luther hielt,
worin die universalgeschichtliche Bedeutung desselben mit begei-
sterten Worten gefeiert und die grossartige Erscheinung des ein-
stigen Augustiner-Mönches in das hellste Licht gestellt wurde.
Die k. k. evangelisch-theologische Facultät beging ihre
Lutherfeier, welcher Sectionsrath Dr. Franz als Vertreter des k. k.
Ministeriums für Cultus und Unterricht, der Präsident Freiherr
Schmidt v. Altenheim und die Räthe des Oberkirchenrathes
Dr. V. Tardy und Dr. v. Trauschenfels, der Curator der evang.
Gemeinde A. C. Dr. Bauerreiss u. A. als Gäste, dann das Pro-
fessoren-Collegium und die Studirenden vollzählig beiwohnten, am
9. November 1883. Nach dem Gesang des Liedes von der festen
Burg hielt der Dekan Dr. G. Frank die Festrede über das Thema:
»Luther im Spiegel seiner Kirche*. Der Rede Inhalt charakterisiren
ihre Schlussworte: , Luther hat nicht ein Fragment, er hat den
ganzen Reichthum des Protestantismus, seine ganze künftige Ent-
AHcklung auf seinem grossen Herzen getragen, sein Name deckt
kein Parteiprogramm. Und ich meine: gerade dieses, dass keine
kirchliche Partei ihn allein hat, keine ihn ganz für sich reclamiren
kann, dass aber die verschiedenen Richtungen bei ihm Anknüpfungs-
punkte finden, macht ihn gross und vorbildlich für Alle. Darum
die mit VorHebe an den zweiten Luther, den dogmatischen sich
halten, sollen über diesen den ersten, den heroischen, nicht ver-
gessen, dessen Glaubensmuth und Heldenkraft unverwüstlichere Wahr-
heiten bleiben werden, als die dogmatischen Formen, mit welchen
er seine Frömmigkeit umschirmt hat. Wer an seines Kleides Saum
sich hängt, hat seinen Geist noch lange nicht erfasst. Die Andern
aber, die seiner Heldengrösse mehr als seinem Dogma huldigen,
seien dessen eingedenk, dass Luther's Reformation nicht aus bewusstem
Freiheitsdrang, aus vorbedachter liberalistischer Tendenz geboren
wurde, sondern aus Furcht und Zittern um der Seelen Seligkeit,
und dass seine spätere Lebensperiode, wenn sie auch nicht im
Glorienschein der früheren erglänzt, doch die auferbauende, die
kirchenbegründende, die das erstrittene Gut conservirende war. Unsere
Jubelfreude gelte dem ganzen, dem allseitig begriffenen Luther. Als
Heiligen zwar verehren wir ihn nicht: aber uns ist er und wird
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allezeit sein, was er selbst sein wollte, ein Evangelist von Gottes
Gnaden, ein auserwähltes Organ der Vorsehung, das persönlich
gewordene Princip des Protestantismus.*
Nach der Rede wurde die Verpflichtung der neueingetretenen
Studirenden vorgenommen, welcher der Dekan die nachstehenden
Worte folgen Hess: ,Commilitonenl Luther ist Professor gewesen,
die Studenten waren seine Freunde. Die lebensfrische academische
Jugend hat sofort für den Reformator Partei genommen gegen den
Ablasskrämer. Sie zogen mit ihm hinaus vor das Elsterthor zu
Wittenberg und waren Zeugen des historischen Actes, da er die
päpstliche Bulle, weil sie den Heiligen des Herrn betrübt, mitsammt
dem kanonischen Recht in's Feuer warf. Sie haben ihm, mit Helle-
barden bewaffnet, als freiwillige Ehrenwache das Geleite gegeben
zur Disputation auf der Pleissenburg. Und als das Jubelfest der
Reformation zum dritten Male wiederkehrte, da zogen die deutschen
Burschen hinauf zur Wartburg, der Stätte durch Luther geweiht,
zur Feier ihrer romantischen Ideale. Treten Sie in die Fussstapfen
der Studenten von Wittenberg, schaaren Sie geistig sich um Luther, des
alten Spruches eingedenk : quo propior Luthero, eo melior Theologus.
Und wie Mancher des Wartburgsfestes nachmals sich erinnerte wie
eines Maientages seiner Jugend, so bleibe Ihnen der heutige Festtag
unserer Facultät eine weihevolle Erinnerung fiir jene Zeit, wo Sie
unter Luther 's Siegesfahne Ihren Dienst thun werden, Ihren Dienst
an der ewigen Wahrheit.*
Wir wenden uns zu einer zweiten in Wien stattgefundenen Luther-
feier, zu der feierlichen öffentlichen Sitzung der evangelischen Ge-
meindevertretung A. C, welche unter dem Vorsitze des Curators
der Gemeinde, k. k. Notars Dr. Carl Bauerreiss, am Vorabend
des lo. Nov. in der evangelischen Kirche A. C. (I. Dorotheerg. i8)
abgehalten wurde. Ueber diese Sitzung, der auch ein zahlreiches
Publicum auf den Oratorien beiwohnte, hat die ^Neue freie Presse*
vom lo. Nov. einen ausfuhrlichen Bericht gebracht, aus welchem
der ,Oesterr. Protestant* Nr. 22, vom 25. Nov. einen Auszug gibt,
aus dem wir Folgendes mittheilen: Die äussere Pforte, die Säulen
des Altars, die Brüstung der Kanzel und das Gitter des Presbyteriums
waren mit frischem Tannenreisig geschmückt, hinter dem, den Raum
vor dem Altare abgrenzenden Gitter erhob sich inmitten einer Cy-
pressengruppe Luther's Büste, ein Abbild des von Rietschel model-
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Hrten Kopfes auf dem grossen Reformationsdenkmale in Worms. Die
ganze Kirche war festlich beleuchtet. Vor den Stufen des Altars,
auf welchem sechs Kerzen brannten, stand der grüne Tisch für den
Curator und für die Pfarrer (Kanka, Zimmermann, Formey, Marolly) ;
di^ Presbyter nahmen in den Chorstühlen zu beiden Seiten des Altars,
die Gemeindevertreter in den Bänken im Schiffe der Kirche Platz.
Unter den Mitgliedern des Presbyteriums waren Univ.-Professor
Dr. Salzer und Reichsraths- Abgeordneter Dr. Bareuther, unter
den Gemeinde- Vertretern die Professoren der k. k. evang. -theologi-
schen Facultät DD. von Vogel und von Otto, femer die Herren
Ritter von Hornbostel, Director der Creditanstalt, Gustav
Leonhardt, General-Secretär der österr.-ungar. Bank, u. s. w. an-
wesend.
Eingeleitet wurde die Feier durch Luther's mächtiges Reforma-
tionslied ,Ein' feste Burg ist unser Gott*. Dann hielt der Curator
Dr. Bauerreiss die Festrede. Er wies auf den Gegensatz zwischen
1483 und 1883 ^^^ u"d gedachte der grossen Wandlungen und Neu-
gestaltungen, welche die Welt und die Menschheit im Laufe dieser
vier Jahrhunderte erfahren hat. Aber hoch über allen diesen Wand*
lungen stehe jene, welche durch den Mann bewirkt wurden, dessen
Geburtsfest in diesen Tagen von der ganzen gebildeten Welt gefeiert
wird. Der Vortragende gab ein treffendes Charakterbild Luther's,
als des unerschütterlichen Kämpfers gegen den Glaubenszwang und
für die Gewissensfreiheit und warf einen Rückblick auf die Haupt-
momente des Reformationswerkes. Namentlich hob er die Festigkeit
hervor, womit Luther auf dem Reichstage zu Worms vor Kaiser
und Reich jeden Widerruf seiner Ueberzeugung verweigerte, und
citirte die berühmt gewordenen Worte des Reformators in dem
historisch treuen Texte: j^Ich kann nicht anders, Gott komme mir
zu Hilfe, Amen! Da bin ich!*)*
Der Redner erinnerte weiter an das Verdienst, welches sich
Luther durch das Riesenwerk der Uebersetzung der Bibel in's
Deutsche um die Entwicklung der neu-hochdeutschen Sprache er-
worben hat. Er betonte ferner Luther's Bedeutung als Schulmann,
indem er auf die Aufforderung hinwies, welche Luther an die christ-
lichen Rathsleut* aller Städte in deutschen Landen gerichtet, christ-
») Siehe „Martin Luther" : Nation alreitung in Berlin, Nr. 519 v. 4. Nov. 1883,
und ^Berliner Erang. Sonntagsblatt", Nr. 451, 1883.
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liehe Schulen zu errichten und zu halten, denn das sei einer Stadt
reichstes, bestes Gedeihen, Heil und Kraft, dass sie viel freier, ge-
lehrter, ehrbarer und wohlgezogener Bürger habe. Auch an einen
zweiten, diesbezüglichen Ausspruch Luther's wurde erinnert, worin
derselbe erklärt hat, dass keine Sünde so schwer sei, wie die Ver-
nachlässigung der Kindererziehung. Im Anschlüsse daran erwähnte
der Redner, welche hohe Wichtigkeit Luther der Muttersprache für
die Lehre des Evangeliums beigemessen und citirte dabei folgende
bezeichnende Worte des deutschen Reformators: ,Die Sprachen
sind die Scheiden, darin das Messer des Geistes steckt; sie sind
der Schrein, darin man das Kleinod trägt, und das Gefäss, darin
man den Trank fasst.* Dr. Bauerreiss schloss seine Rede ungefähr
mit folgenden Worten: ,So ist durch die evangelische Freiheit und
durch die Schule auch die staatliche Freiheit angebahnt worden, die
auch in unserem Vaterlande durch die Gleichberechtigung aller Con-
fessionen und durch die Freiheit des Glaubens gewährleistet ist.
Dieses grosse Erbe ist uns trotz aller Widersacher und Gegner er-
halten geblieben, und die Lutherfeier ist eine Mahnung zur ferneren
Behauptung und Vertheidigung der durch die Reformation ge-
wonnenen geistigen Güter.* Zum Zeichen des Dankes hiefiir und
um das Andenken des Reformators pietätvoll zu ehren, erhob sich
schliesslich, auf die Aufforderung des Redners, die ganze Versamm-
lung von den Sitzen.
Dr. Bauerreiss hatte in seinem Vortrage, fern von confessioneller
Einseitigkeit oder kirchlicher Beschränkung, ein volles Bild der bis
in unsere Tage reichenden culturhistorischen Bedeutung Luther's
gegeben und dabei auch der deutsch-nationalen Bedeutung der Ge-
dächtnissfeier entschieden Rechnung getragen. Der Vortrag wurde
zwar, dem Charakter des Ortes entsprechend, von der Versammlung
mit Schweigen angehört und aufgenommen, hatte aber sichtlich tiefen
Eindruck gemacht.
Dr. Bauerreiss verlas hierauf das Programm der vom Pres-
byterium veranstalteten Feier, indem er dazu bemerkte, dass die-
selbe wesentlich auf die Räume innerhalb der evangelischen
Kirchen und Schulen beschränkt bleiben solle. Ferner erstattete er
die Mittheilung über die von anderen Seiten veranstalteten Luther-
festivitäten, und dass seitens des Presbyteriums nebst der Vertheilung
von Liebesgaben an ärmere und alte Mitglieder der Gemeinde und
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von Festschriften an die evangelischen Schulkinder in Wien — be-
absichtigt sei, als Denkmal der Feier einen , Luther-Fonds* zu
schaffen, aus welchem Kirchen und Schulen für die in den Vororten
und in der Diaspora von Wien lebenden Protestanten errichtet werden
sollen. Der evangelischen Gemeinde Asch wurde im Namen der
Wiener Schwestergemeinde ein Kranz gesendet, den ihre Vertreter
bei der morgigen Feier an dem dortigen Denkmale niederlegen sollen.
Sonach wurden einstimmig die Kosten für die Lutherfeier wie
auch für die demnächst folgende Feier zur Erinnerung an den ersten
vor hundert Jahren (2. Dec. 1783) in Wien gehaltenen evangelischen
Gottesdienst bewilligt.
Nach Erledigung dieser Gemeindeangelegenheit sprach Ober-
kirchenrath Pfarrer Kanka das Schlussgebet, eine freie, aus der
Stimmung des Momentes hervorgegangene Gefühlskundgebung. Er
dankte dafür, dass das Licht der evangelischen Lehre bis heute er-
halten geblieben ist, nachdem Gott durch sein auserwähltes Rüstzeug
Martin Luther uns von dem Joche der geistigen Knechtschaft erlöst
hat. Mit der Bitte, der Herr möge heute, wie auch immer, der
evangelischen Kirche eine , feste Burg* wider alle List und Gewalt
ihrer Feinde und Widersacher sein, schloss das Gebet.
Nunmehr wurde von der Versammlung die erste Strophe des
Chorals 3^ Nun danket alle Gott* gesungen.
Die Mehrzahl der Mitglieder der Gemeinde- Vertretung begab
sich hierauf in Begleitung von anderen Glaubensgenossen beider
Bekenntnisse in's Musikvereinsgebäude zu einer geselligen Feier
Luther's im sogenannten Silbersaale, welche bis gegen Mitternacht
währte. Ks folgte eine Reihe ernster Toaste, welche von der tiefen
Bewegung der Gemüther zeugten. Dem ersten Toaste auf Seine
Majestät den Kaiser, welchen der Curator ausbrachte, folgte ein
Trinkspruch des Advocaten und Presbyters Dr. Capesius auf die
Wiener Schwestergemeinden A. C. und H. C, ein Toast des Pres-
byters Taubler auf die Pfarrer, welchen Pfarrer MaroUy mit einem
Trinkspruche auf die evangelischen Gemeinde- Vertreter weltlichen
Standes erwiderte. Dann toastirte Dr. Bauerreiss auf die Lehrer,
Schuldirector Eckhardt auf den Gustav-Adolf-Verein, worauf über
Antrag des Curators an den Central- Vorstand des Gustav-Adolf-
Vereins in Leipzig ein Telegramm gerichtet wurde, womit die Ver-
sammlung ihren herzlichen Dank, für die den ärmeren österreichischen
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Schwestergemeinden erwiesenen grossen Wohlthaten ausdrückte und
um fernere Hilfe und Unterstützung des Vereines für Schul- und
Kirchenzwecke minder bemittelter evang. Gemeinden in den öster-
reichischen Landen bat. Weiter toastirten Schuldirector Pile6ka auf
den , Luther-Fonds*, Presbyter Flögl auf den Curator, u. s. w.
Nach Schluss dieser geselligen Zusammenkunft und als Nach-
klang des schönen Festes wurde in einem kleineren, beisammen ge-
bliebenen Kreise die Errichtung eines Luther-Denkmals in Wien
angeregt und von drei Mitgliedern der Gemeinde- Vertretung zu
diesem Zwecke sofort der Betrag von 125 fl. dem Curator über-
geben.
Es sei hier auch noch des vom Akademischen Leseverein
in Graz (im Hotel , Stadt Triest*) am 8. Nov. veranstalteten deutschen
Geselligkeits-Abends gedacht, welcher ~ nach dem Berichte der
, Tagespost* — wenn auch nicht in der Form, so doch in der Sache
eine Art Lutherfeier gewesen. Nach der Ansprache des Vereins-
präses Dr. Star ekel und dem vom akademischen Gesangvereine
gesungenen Chore , Liederfreiheit* hielt Professor Dr. K. Reissen-
b erger einen geistreichen Vortrag über Luther^s Bedeutung für
die deutsche Literatur. Er betonte, dass Luther nicht blos seiner
Kirche, sondern dem ganzen deutschen Volke angehöre *).
m. Die Lutherfeier am 10. und 11. November.
Hatten schon die Vorbereitungen der Feier eine begeisterte
Stimmung geweckt, so wurden die eigentlichen Festtage mit
einem Jubel begrüsst, wie ihn die evangelische Kirche Oesterreichs
nie zuvor erlebt hat. Keine Feder vermöchte erschöpfend und nach
Gebühr all die Manifestationen zu beschreiben, in welchen die Jubel-
freude der Evangelischen in Stadt und Land, in den behaglichen
Wohnstätten der fruchtreichen Ebene wie in den wetterfesten Hütten
des rauhen Hocligebirges nach Ausdruck rang. Höhenfeuer und
Häuserbeleuchtung kündeten mit weithin sichtbaren Schriftzeichen
die Ehre des Mannes, welcher die helle Fackel evangelischer Wahr-
heit wieder angezündet. Dröhnende Pöllerschüsse waren gleichsam
der donnernde Wiederhall jener denkwürdigen Hammerschläge, wo-
mit der Reformator seine welthistorische Mission begonnen. Feier-
1) Vgl. „Oesterr. Protestant* 1883. Nr. 22.
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liches Glockengeläute rief es tausendstimmig in die Lande hinaus,
dass die evangelische Kirche ihrem glaubensmuthigen Wecker ein
Dankfest bereite, dass die anbrechende Feier weder eine nationale
noch eine politische Demonstration bedeute, sondern als eine aus-
schliesslich evangelisch-kirchliche Kundgebung betrachtet und ge-
würdigt werden wolle.
Wenn wir die Festivitäten, welche zu Ehren des 400jährigen
Geburtstages Dr. Martin Luther's veranstaltet wurden, überblicken,
so sehen wir sie im Ganzen und Grossen vorzugsweise in den drei
Formen auftreten: i. als Schulfeier, 2. als Kirchenfeier, 3. als
gesellige Feier. Wir werden den Verlauf derselben nach diesen
drei Gesichtspunkten unter gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer
chronologischen Reihenfolge schildern, wobei des einzig
dastehenden Festes der Enthüllung des ersten österreichischen
Lutherdenkmals zu Asch an geeigneter Stelle im Besonderen ge-
dacht werden soll.
aj Der 10, November.
Der IG. November — Luther*s Geburtstag — gehörte vor-
zugsweise der evangelischen Schuljugend. In den Vormittags-
stunden wurden in den meisten Gemeinden ^) die evangelischen
Schulkinder des ganzen Schulsprengels, unter Führung ihrer Lehrer
und in Begleitung vieler Erwachsenen, zumeist Eltern und Gemeinde-
Vertreter, in den festlich geschmückten Schulräumlichkeiten, oder,
wo keine confessionelle Schule vorhanden, in der Kirche versammelt,
wo für sie eine eigene, den jugendlichen Gemüthern entsprechende
Lutherfeier veranstaltet wurde. Das Programm derselben war je
nach den zu Gebote stehenden Kräften und Mitteln sehr verschieden-
artig, doch bildete überall nebst Gesang und Gebet eine Luther's
Leben und Bedeutung für Schule und Jugenderziehung zeichnende
und Luther's Vorbild der Kinderwelt warm an's Herz legende An-
*) In einigen Gemeinokn wurde aus localen Gründen die Schiilerfeier schon vor
dem 10. November (Scharten, Gosau), in anderen (Ruzenmoos, Öemilow, Kreuzberg)
erst nach der allgem. Lutherfeier veranstaltet, während dort, wo eine besondere
Schülerfeier überhaupt nicht möglich war, wie r. B. in Wald, wo die evang.
Schäler in 20 öffentlichen Schulen, oder wie in St. Ruprecht, wo dieselben in 9
auswärtigen Schulen zerstreut sind und im Kirchorte nur eilf ev. Kinder die Schule
besuchten, — auf die heranwachsende Jugend beim Festgottesdienste Bedacht ge-
nommen wurde.
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spräche von Seite der Lehrer und Pfarrer den Mittelpunkt der
Schulfeier. Ueberali zeigte sich das ernste Bestreben, dem jugend-
lichen Nachwuchs nicht blos die Bedeutung des seltenen Festes un-
vergesslich zu gestalten, sondern dadurch zugleich die Liebe zu dem
theuren Erbe der Väter und die Werthschätzung der evangelischen
Lehre in den Kinderherzen zu einer dauernden, fruchtbringenden
Lebensrichtung zu machen. Es ist selbstverständlich, dass in Ge-
meinden, die so glücklich sind, eigene evangelische Schulen und
tüchtige evangelische Lehrkräfte zu besitzen, auch die Schulfeier,
weil sie seit Langem wohlvorbereitet werden konnte, eine durch
herzerhebende Kindergesäng6 und passende Declamationen, aus
Luther's Kindheit und Leben entnommen, reiche Ausgestaltung und
anziehende Mannigfaltigkeit erfuhr. Doch dürfen wir getrost der Zu-
versicht leben, dass die Kinderfeier selbst dort, wo sie in ganz
schmuckloser Weise begangen wurde, nicht ohne tiefen Eindruck
und segensvolle Weihe auf die jungen Seelen geblieben ist.
Ueber den Verlauf solcher Schulfeierlichkeiten mögen hier einige
Detailberichte Platz finden:
Aus R am sau wird geschrieben: Am lo. November, welchen
der rein evangelische Ortsschulrath zu einem Ferialtage bestimmt
hat, versammelte sich über gemeinsamen Beschluss des Presbyte-
riums und des Ortsschulrathes die reifere Schuljugend nebst mehreren
Eltern und dem Oberlehrer im Lehrzimmer der I. Classe, woselbst
die , Lutherschulfeier* sich nach folgendem Programm abwickelte:
I. Gesang: ,Lobe den Herrn, meine Seele!* Str. i — 3; 2. Ge-
bet, gesprochen vom Ortspfarrer; 3. Vortrag des Ortspfarrers : , Luther's
Bedeutung fiir die Entwicklung des Schulwesens* ; 4. Luther's Lebens-
geschichte I. Theil, erzählt von der Schuljugend; 5. Declamation:
j^Der Witwe Haus zu Eisenach*, von K. Rud. Hagenbach, von ein-
zelnen Schülern; 6. Gesang: »Ein' feste Burg*; 7. Luther*s Lebens-
geschichte II. Theil (Worms- Eisleben 1546), wie oben; 8. Declamation:
,Vor Kaiser und Reich*, von F. A. Feddersen^ wie oben; 9. Gesang:
, Erhalt' uns Herr bei Deinem Wort*; 10. Schlusswort und Gebet
vom Ortspfarrer; 11. Gesang: ,Ach bleib' mit Deiner Gnade*.
Aus Eferding wird berichtet: Um 9 Uhr Morgens waren in
den beiden mit Tannenreisig und dem Bildniss Luther's geschmückten
Schulzimmern die in Festkleidern erschienenen Schüler mit den beiden
Lehrern, dem Pfarrer, Presbyterium und vielen Gemeindegliedern
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versammelt. Nach Begrüssung und kurzer Ansprache seitens des
Schullehrers wurde der erste Vers von »Ein' feste Burg* von allen
Anwesenden gesungen. Hierauf verlas der erste Schüler der 2. Classe
den ii8. Psalm. Darnach stimmten Alle den 2. und 3. Vers des
Lutherliedes an. Nun hielt der Schullehrer die Ansprache, in welcher
er Luther i. als Reformator, 2. als Christen und Familienvater und
3. als deutschen Mann schilderte. Zwischen dem ersten und zweiten
Theile des Vortrags wurden von Schülern die Gedichte declamirt:
,Wo keine Bibel ist im Haus*, das Bibelwort von Robert Schmeil:
»Erschalle laut mein Preisgesang* u. s. w., Luther der Reformator:
,Ein kühner Held ist auferstanden in Sachsen* u. s. w. Nach Schluss
der Ansprache trug noch ein Schüler Luther's Tod »Die Sonne sinkt
zur Erde nieder* vor, worauf noch der Lehrer die Worte sprach:
,Wer so stirbt, der stirbt wohl.* Zum Schlüsse hielt der Pfarrer
eine auf das Fest bezügliche Ansprache und ertheilte den Segen.
Mit dem Verse ,Das Wort sie sollen lassen stahn* endete die Feier.
Bemerkt wird noch, dass die Schüler der 2. Classe, um ihnen die
Wichtigkeit und Bedeutung dieser Festfeier an's Herz zu legen und
besser zum Verständniss bringen zu können, von Mitte August bis
zur Feier über Luther's Leben und Wirken nach der im Besitze
fast eines jeden Schülers der 2. Classe sich befindenden , Reforma-
tionsgeschichte von W. Redenbacher* unterrichtet wurden.
Sehr erbaulich und reich an Abwechslung verlief die Schulfeier
in Wallern. Sie fand am Samstag den 10. Nov. 1883 in dem
ijrösseren, festlich geschmückten Lehrzimmer für die Schuljugend
statt. Zu derselben hatte sich ausser der Schuljugend eine grössere
Zahl erwachsener Gemeindeglieder eingefunden. Die Feier begann
mit dem Gesänge der ersten 2 Verse des Liedes: ,Ein' feste Burg*.
Hierauf verlas der Ortspfarrer, Superintendent Koch, den 100. Ps.,
worauf Vers 3 des Anfangsliedes gemeinschaftlich gesungen wurde.
Sämmtliche Schüler beteten nun den Eingang und die erste Bitte
des , Vaterunsers*, wornach ein Schüler die Erklärung Luther's zur
ersten Bitte, und eine Schülerin das Lied , Erhalt' uns, Herr, bei
Deinem Wort* vortrug und der Schülerchor den Vers ^Herr, Dein
Wort, die edle Gabe* sang. Hierauf hielt der Schulleiter Ernst
XadI er eine Ansprache, in welcher er, anknüpfend an die Broschüre
von Ernst Lausch : , Die Lutherfeier in der Volksschule*, das Lebens-
bild Luther's zeichnete. An den betreffenden Stellen wurden Decla-
Jahrbuch d«« Protestantismus x886. H. I. 2
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mationen passender Lieder durch Schüler und Schülerinnen einge-
schaltet, ^von welchen ,Der 31. October (die 95 Thesen)*, , Luther
vor Kaiser und Reich in Worms*, »Die Wartburg*, ,Wo keine
Bibel ist im Haus*, ,Dr. Luther bei dem Tode seines Lenchen's*,
,Dr. Luther's Ende und sein letztes Ja* — der im Verlage der
Beck'schen Buchhandlung zur Lutherfeier in der Schule erschienenen
Sammlung von Gedichten und ,Dr. Luther's Bild* den Stuttgarter
Jugendblättern vom ii. Nov. 1883 entnommen waren. Hierauf
wurde der letzte Vers des Liedes ,Ein' feste Burg* gesungen. Alle
Schüler erhielten als Geschenk seitens der Gemeinde das DisselhofTsche
, Jubelbüchlein* nebst dem , Gedenkblatte*. Ueberdies wurden noch
50 Exemplare der von ungenannten Frauen in Cannstatt gespendeten
Lutherbüchlein von Pfr. Wetzel, sowie mehrere vom »Vereine für
innere Mission* geschenkte Lutherschriften von Frommel, Völter,
Lauxmann, Fries und Rogge an die Schulkinder vertheilt. Nach
der Vertheilung dieser Festgaben hielt der Ortspfarrer eine Ansprache
an die Kinder, in welcher er zeigte, wie sich bei ihnen der Dank
fiir das Grosse, was Gott durch Dr. M. Luther gethan hat, zeigen
solle. Gebet, Segen und Gesang des Liederverses »Lass* uns Dein
sein und bleiben* schloss die Schulfeier.
Der Bericht aus Salzburg lautet: Die Schulfeier fand am
10. Nov. von 9 — Vi ^2 Uhr im festlich decorirten, mit einem grossen
Lutherbilde geschmückten Schulzimmer unter Betheiligung der diese
Schule besuchenden Kinder, deren Eltern und zahlreichen Freunde
statt. (Die ungefähr 70 evang. Kinder, welche öffentliche Schulen
besuchen, waren bereits am 9. Nov. Nachmittags von 4 — 5 Uhr vom
Pfr. Aumüller von der Bedeutung der bevorstehenden Festtage
unterrichtet und zur Theilnahme am Festgottesdienste geladen worden.)
Sie begann mit dem Liede ^^Ein' feste Burg* u. s. w. Hierauf wurde
von dem ältesten Schüler Luther's Lieblingspsalm (118) gebetet. So-
dann hielt Lehrer Stöber eine Ansprache an die Versammlung^
über , Luther's Leben und Wirken*. Nunmehr folgten Declamationen
und Gesänge in Abwechslung: »Der Witwe Haus in Eisenach*,
, Luther im Kloster*, , Luther und Frundsberg*, ,Wo keine Bibel
ist im Haus*, »Die Bibel ein Baum*, ,Die edle Musica*, »Luthers
Brief an Hänschen*, »Luther beim Tode seines Töchterleins*,
»Luther's letztes Ja'*; Gesänge: »Immer muss ich wieder lesen*,
»Alles, was Odem hat* u. s. w. Zum Schlüsse erfolgte die Ver-
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theilung der von den Gönnern der Schule dargereichten Luther-
büchlein (von Rodemann und Fries) und Luther-Albums (aus Stange's
Verlag). AusAnlass derselben hielt vorher noch Pfarrer A um ül 1er
eine kurze Rede über ^Luther's Verhältniss zur Schule*, wobei er
auf drei Punkte hinwies : i. Wie Luther ein musterhafter Schüler,
2. ein tüchtiger Lehrer und 3. ein unseres innigsten Dankes würdiger
Schulbegründer gewesen. Mit dem Liede »Nun danket Alle Gott*,
endete die Feier, die sichtlich bei Allen einen tiefen Eindruck
hinterliess.
Ueber die , Wiener Schulfeier* schreibt der »Oesterr. Protestant*
Nr. 23 vom 10. Dec. : ^^Um 9 Uhr Vorm. begann die Schulfeier
in der evangelischen Bürgerschule auf der Wieden. Sowohl das
Schulgebäude, von dessen Giebel Fahnen in den Reichs- und Landes-
farben und in Schwarz-Roth-Gold wehten, als auch die imposante
Halle, wo sich die Feier vollzog, waren geschmackvoll decorirt. An
der Stirnseite des Vestibules erhob sich eine mit farbigen Draperien
versehene Estrade, über welcher mitten aus einem Blumenhaine die
Büste Luther's hervorsah. In der Mitte der Halle nahmen die Ehren-
gäste, darunter Superintendent Schack, die Curatoren beider evang.
Gemeinden (A. C. und H. C), Dr. Bauerreiss und Heimann, die
evang. Schulvorstände u. s. w. Platz, während die Galerien von der
festlich geputzten Schuljugend gefüllt waren. Der Choral ,Ein' feste
Burg ist unser Gott*, vorgetragen von Schulkindern, eröffnete unter
Posaunenbegleitung den Festactus, worauf Director Eckardt die
Festrede hielt. Der Festredner skizzirte das Jugendleben Luther's
und ermahnte die Kinder, den grossen Reformator stets als Vorbild
und Muster vor Augen zu halten. Der Festrede folgten abermals ein
Chor: ,Lass Gott uns gnädig sein*, welcher von fünfzig weissge-
kleideten, auf der Estrade postirten Mädchen gesungen wurde, und
mehrere Declamationen. Nachdem noch Director Pileöka einige
Worte an die Kinder gerichtet, wurde die Feier mit der Absingung
der Volkshymne geschlossen. Eine ähnliche Feier fand um dieselbe
Zeit in der evangelischen Schule in der Gumpendorfer Strasse,
welche ebenfalls aussen und innen geschmückt war, statt. Diese
Feier, wobei der Bürgerschullehrer Jessen die Festrede hielt, nahm
einen ähnlichen Verlauf, wie jene im Schulhause auf der Wieden.*
Unter den am Vormittage des 10. Nov. abgehaltenen Schul-
feierlichkeiten sei hier schliesslich ein Bericht eingefügt, welcher die
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Schulfeier in Meran schildert: Die Feier, welche im Betsaale der
evangelischen Gemeinde, der in den Wochentagen als Schullocal
dient, abgehalten wurde und an welcher nebst der Schuljugend,
deren Eltern und Freunde, das Presbyterium und die Lehrer theil-
genommen haben (der beschränkte Raum Hess eine weitere Betheili-
gung nicht zu), wurde, um einer Ueberfiillung vorzubeugen, schon
um 9 Uhr Morgens — eine für hiesige Verhältnisse frühe Stunde —
begonnen. Lucas Cranach's Lutherbild, umgeben von einem Kranze,
in welchem Rosen und Lorbeeren nicht fehlten, schmückte den Saal.
Die Feier schloss sich im Allgemeinen der Lutherfeier an, wie sie
der Lehrer Ernst Lausch in Wittenberg zusammengestellt und heraus-
gegeben hat. Zur Eröffnung derselben wurden die beiden ersten
Verse von ,Ein' feste Burg* gesungen, dann betete eine Schülerin
Ps. 46, 8 — 22 und sangen die Kinder und die Versammlung aus
dem begonnenen Liede Vers 3 und 4. Einem Gebete des Pfarrers
folgte der 100. Ps., den ein älteres Mädchen sprach. Nun trat Lehrer
Kropp vor die Versammelten und hielt einen für die Jugend be-
rechneten Vortrag über Luther's Leben, in dem er besonders die
Schuljahre Luther's betonte und die Zeit bis 1521 ausfuhrlicher be-
handelte. An diesen Vortrag schloss sich ein Gesang der Kinder
nach der Melodie , Harre meine Seele*, der mit den Worten be-
ginnt: , Lasset laut erklingen festlichen Gesang*, und folgten nun
9 sehr ausdrucksvoll und verständlich vorgetragene Declamationen :
I. , Luther als Reformator* (Lausch entnommen), 2. »Der Witwe
Haus zu Eisenach* von C. R. Hagenbach, 3. , Luther und Frunds-
berg* von Demselben, 4. »Vor Kaiser und Reich* von F. A. Fed-
derson, 5. »Luther, der Familienvater (Lausch entn.), 6. »Dr. Luther
beim Tode seines Lenchens* von Julius Sturm, 7. »Luther's Brief
an sein Söhnlein Hänschen*, von C. R. Hagenbach, 8. »Luther
und die Vögelein* von Jul. Sturm, 9. »Luther's Tod* (Lausch entn.).
Die Kinder sangen die 2. Strophe des angefangenen Liedes »Lasset
laut erklingen* u. s. w. und die ganze Versammlung die erste
Strophe des Liedes »Nun danket Alle Gott*. Das »Vater unser*,
von einem kleinen Knaben gebetet, und eine Ansprache des Pfarrers
schloss diese Schulfeier.
Die vorangefiihrten Beispiele genügen, um aus ihnen zu ersehen,
wie sorgfältig die Schulfeierlichkeiten vorbereitet waren und wxlch'
einen tief an's Herz dringenden erhebenden Verlauf dieselben ge-
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nommen. An dieser Stelle gebührt eine rühmliche Erwähnung unserem
evangelischen Lehrerstande, welcher durch seine mitunter
Monate hindurch währende unermüdliche Thätigkeit, die Schuljugend
auf den Festtag würdig vorzubereiten, wie nicht minder durch seine
umsichtige Leitung der Schulfeier wesentlich zu dem schönen Ge-
lingen beigetragen und sich auch bei dieser Gelegenheit ein bleibendes
V'^erdienst erworben hat.
Damit die Schuljugend neben den bei der Feier empfangenen
Eindrücken auch ein bleibendes, sichtbares Andenken an
den , Luthertag* behalte, wurde dieselbe aller Orten, sei es im un-
mittelbaren Anschlüsse an die Schulfeier, sei es bei Anlass der nach-
folgenden Festgottesdienste, theils mit Lutherbüchlein von B.
R-Ogge, E. Frommel, Jul. Disselhofif, Fries, Lauxmann, Lemon, Völter,
Wangemann, Wetzel u. A., theils mit W. Redenbacher's Reforma-
tionsgeschichte, wie auch mit der im Calwer Verlage er-
schienenen Jubelausgabe der Reformationsgeschichte, theils mit illu-
strirten , Lutherbüchlein für Schule und Haus* von K. Mayer, theils
mit , Bilder aus Luther's Leben* nach G. König, Luther-Albums,
Gedenkblättern, Luther-Bildern, Luther-Medaillen, kleineren Fest-
schriften (, Luther's Brief an Hänschen) und Tractaten beschenkt.
In Neukematen standen 6 schön gebundene Neue Testamente zur
Verfugung. — Für die Schulkinder böhmischer Zunge hat Pfr.
PospiSil in Humpoletz eine Bearbeitung v^on Völter's Lutherbüchlein
erscheinen lassen, welche in unseren slavischen Gemeinden zur Ver-
theilung kam.
Die unentgeltliche Vertheilung einer so grossen Menge von
Festgaben ist nur dadurch ermöglicht worden, dass wohlhabendere
Gemeinden die Tragung der Anschaffungskosten freiwillig auf sich
nahmen, fiir die ärmeren aber sich hochherzige Wohlthäter fanden
welche dem Mangel liebevoll zu Hilfe kamen. Im Nachstehenden
geben wir den Ausweis über die von auswärtigen freundlichen
Gebern eingegangenen Spenden, soweit sie uns bekannt geworden.
Der Leipziger Hauptverein der ev. Gustav- Adolf-Stiftung
hat, einer Meldung des ,Ev. Cirkevnfk**) zufolge, allen evangelischen
Gemeinden A. C. in Oesterreich zum lo. Nov. als Erinnerung an
das Luther-Jubiläum je i Exemplar von Dr. Burk's Luther-Biographie
und je I Ex. des , Concor dienbuches* nebst kleineren Lutherfest-
*) Redigirt von Pfr. Pospi§il in Humpoletz (Böhmen), 1883, Nr. 11 S. 277.
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Schriften zum Geschenke gemacht. Derselbe Verein hat überdies
den Gemeinden Klagenfurt und Gross- Wrbka die zur Kinderbethei-
lung erforderlichen Luther-Büchlein gespendet. — Der Chemnitzer
Hauptverein der G.-Ad.-St. schenkte den Gemeinden Reichenberg
und Gablonz Exemplare von , Luther *s Leben* von Rogge und des
gleichnamigen Werkes von Frommel. Der Grossherzog Friedrich
Franz III. von Mecklenburg-Schwerin spendete der Gemeinde
Ischl fur's Schulzimmer eine Luther-Statue, für die Schulbibliothek
I Exemplar von Dr. Burk's Luther-Biographie, und für die Schul-
jugend eine Anzahl von J. DisselhofTs , Lutherbüchlein*, Württem-
bergs Frauen haben nach Attersee zahlreiche Festschriften ge-
sandt, ^dass jedes Schulkind mit einem Büchlein über Luthers
Leben betheilt werden konnte*. Wallern erhielt von ungenannten
Frauen in Cannstadt 50 Exemplare von Wetzel's Lutherbüchlein
nebst mehreren sonstigen Festschriften vom , Vereine für innere
Mission* (vgl. S. 18), während dieselben Frauen auf Anregung der
Frau Helfer Osiander in Cannstadt für die Schulkinder zu Gmunden
25 Expl. derselben Festschrift gespendet und durch die Seniorswitwe
Frau Marie Trautenberger in Stuttgart übersendet haben. — Den
Kindern zu Meran wurden von Kaisers werth 25 Exp. des , Ge-
denkblattes* zum Geschenke gemacht, während die Zöglinge des
, Luther-Stiftes* zu Königgrätz von Senior Baltik aus Ungarn mit
je I Exp. der von ihm herausgegebenen ,Augsb. Confession* be-
schenkt wurden.
Hatte die evangelische Schule den 400jährigen Geburtstag ihres
grossen reformatorischen Neubegründers in ansprechender Weise
gefeiert, so sollte die Schuljugend nun auch an der Erbauungs-
stätte der Erwachsenen in wirkungsvoller Weise daran gemahnt
werden, dass sie dereinst berufen sein werde, die Kirche des Herrn
zu bauen, und dass auf reformatorischem Boden Schule und Kirche
nicht neben einander gehen oder gar gegen einander arbeiten, sondern
vielmehr als Töchter Eines Geistes, als Hüterinnen des gleichen
Erbes mit einander wirken sollen an Jung und Alt nach der
Einen Devise: , Halte, was Du hast, auf dass Niemand Deine Krone
nehme!* Um der Schuljugend diese Wahrheit vor Augen zustellen,
wurden in mehreren Gemeinden (Asch, Aussig, Gmunden, Humpoletz.
Linz, Reichenberg, Rossbach, Teschen, Thening, Weikersdorf und
Wien) im Laufe des Tages eigene Kiii dergottesdienste ab-
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gehalten, welche auf junge und alte Herzen einen mächtigen Ein-
druck übten.
In Linz betheiligten sich an dem Jugendgottesdienste alle evan-
gelischen Kinder der Volks-, Bürger- und Mittelschulen. Nachdem
der Gesang »Ein' feste Burg* die Gemüther in die rechte Stimmung
versetzt und die Verlesung des .apostolischen Symbolums an die
Grundwahrheiten des evangelischen Glaubens erinnert hatte, entwarf
Pfr. A. Koch in einer Ansprache das Bild des Reformators nach
den drei Gesichtspunkten: Luther in der Schule, in der Kirche, im
Hause.
In Thening versammelten sich die Kinder der 3 Schulge-
meinden (Thening, Appersberg und Traun), nachdem sie Vormittags
in ihren Ortsschulen der Schulfeier beigewohnt, um 2 Uhr im Schul-
hause, und zogen von da unter Vorantritt des Pfarrers mit ihren
Lehrern in die Kirche. Die Feier wurde mit dem Altargrusse er-
öffnet: ,Dem Gott aller Gnade, der uns berufen hat zu seiner ewigen
Herrlichkeit in Christo Jesu, sei Ehre und Preis von Ewigkeit zu
Ewigkeit 1 Amen.* Hierauf folgte ein Wechselgesang zwischen den
Qiören der Knaben und Mädchen: ,Herr Gott, Dich loben wir*.
Nach dem Gebete sang die Gemeinde »Ein* feste Burg* und wurde
Rom. VIII I — 6, 14 — 18, 31 — 39 verlesen. Nach der Strophe ^^Mit
uns'rer Macht ist nichts gethan* folgte die Festkatechese über
Luther's Werk, Leben und Glauben, nach welcher die Kinder das
Lied , Vater unser in Himmelreich* sangen. Mit Gebet, Segen und
der Schlussstrophe des Lutherliedes endete die schöne Feier.
In Reichenberg hat über Ansuchen des Pfarrers sowohl der
k. k. Bezirksschulrath als auch die Direction der Mittelschule den
evangelischen Schülern den 10. Nov. als Ferialtag freigegeben und
versammelten sich diese um 9 Uhr Vormittags zu einem Festgottes-
dienste, der so gut besucht war, dass die gegen 1000 Personen
fassende Kirche gefüllt genannt werden konnte. Die dem kindlichen
Geiste angepasste Festpredigt des Pf. Ergenzinger behandelte , Luther
als unser Vorbild* — in Bezug auf kindlichen Gehorsam, Glaubens-
treue, Arbeitsfreudigkeit und Wahrhaftigkeit. Nach beendigtem
Gottesdienste wurden die Schüler mit Rogge's und Frommel's Luther-
Büchlein beschenkt.
Aus Rossbach wird berichtet: Am 10. November wurde um
10 Uhr Vormittags in der bereits festlich decorirten Kirche für die
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drei Schulgemeinden Rossbach, Friedersreuth und Gottmannsgrün
Kindergottesdienst mit einer Ansprache an die Schuljugend gehalten.
Dieselbe führte unter Zugrundelegung von Hebr. 13, 7 die Jugend-
geschichte Luther's in kurzen Zügen vor, mit dem Hinweis, wieso
Luther der Lehrer auch für die Jugend der Gegenwart geworden:
nämlich durch die Bibel, den Katechismus, das Lied und den Ge-
sang. Der Gottesdienst war von den Kindern trotz ungünstiger Witte-
rung gut besucht und waren auch viele Erwachsene zugegen.
Unter den Wiener kirchlichen Feierlichkeiten aus Anlass des
Luthertages nahm der am 10. Nov. Nachmittags in der aussen und
innen geschmückten Gumpendorfer Kirche abgehaltene Kinder-
gottesdienst, dem auch der Präsident des k. k. evangel. Oberkirchen-
rathes, der Curator und viele Mitglieder der Gemeinden A. C. und
H. C. beiwohnten, eine hervorragende Stelle ein. Die fiir die jugend-
lichen Zuhörer leicht fassliche begeisterte Festpredigt des Pfarrers
Formey gab der Feier das geistliche Gepräge. Der Redner schilderte
alle Phasen des sturmbewegten Kampflebens Luther's, den er als
grossen Mann gleich dem Lieblingsdichter der Deutschen. Schiller,
ja als einen Mann, den man einen Propheten und Apostel nennen
dürfe, charakterisirte. Derselbe wies auf die Grossartigkeit der Feier
in Deutschland, ja in ganz Europa hin, und erwähnte besonders
das Wittenberger Lutherfest und als Hauptmoment desselben den
Huldigungsact des deutschen Kronprinzen, der mit Thränen in den
Augen auf das Grab Luther's den Lorbeerkranz niederlegte, den
seine Gemahlin eigenhändig gebunden hatte Vor dem Altare war
eine Büste Luther's, umgeben von grünen Pflanzen, aufgestellt*).
Obwohl der 10. Nov. auf einen Werktag fiel, und der festliche
Hauptgottesdienst für den nachfolgenden Sonntag angesetzt war, so
hinderte dies nicht, die festliche Stimmung in mannigfacher Weise
zum Ausdrucke zu bringen. Wo es nur irgend thunlich war, hatte
man den Luthertag zu einem Feiertag gestaltet. In der betrieb-
samen Gemeinde Asch wurden schon Mittags sämmtliche Fabriken
geschlossen. Um iV« Uhr versammelte sich die Schuljugend mit
dem Lehrkörper, der Stadtvertretung, dem Ortsschulrathe, Denkmal-
comite, Presbyterium und der Kirchengemeinde- Vertretung im Bürger-
schulgebäude und begab sich im Festzuge, voraus die Mädchen,
dann die Knaben, zur Kirche, wo Pfr. Hildemann eine Luther's
1) Nach dem Wiener Bericht im .,Oesterr. Protestanten" Nr. 23.
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Bedeutung erläuternde Predigt hielt. Nach dem Gottesdienste, an
den sich Abendmalsfeier anschloss, erfolgte der Rückzug zum unteren
Schulgebäude und wunderbar erhebend erklang aus den jugendlichen
Kehlen der herrliche Choral: ,Nun danket alle Gott*. — Da die
Gemeinde Neuberg sich am ii. Nov. an der Enthüllungsfeier des
Lutherdenkmals in der Schwestergemeinde Asch betheiligen wollte,
so wurde der Lutherfestgottesdienst daselbst schon am lO. Nov. abge-
halten. Um 9 Uhr Vorm. nämlich versammelte sich das Presby-
terium im Schulhause, wo sich auch die politische Gemeindevertretung
sowie die Schuljugend aus der Ortsgemeinde und den eingepfarrten
Dörfern Thonbrunn, Krugsreuth und Grün eingefunden hatte. Der
Festzug, von der freiwilligen Feuerwehr geordnet, bewegte sich
unter Glockengeläute und den Klängen des Chorals ,Ein* feste
Burg ist* u. s. w., der von einer heimischen Musikkapelle intonirt
wurde, in die festlich mit Reisig und Kränzen geschmückte Kirche.
Die Räume des Gotteshauses füllten sich trotz ungünstiger Witterung
mit einer grossen Menge von Festtheilnehmern. Den Gottesdienst
leitete das Lied ein: »Wir glauben AU' an einen Gott*. Nachdem
Superintendential-Vicar Geipel die Altarliturgie gehalten und den
Bibelabschnitt Kol. i, 9 — 14 verlesen hatte, stimmte die Gemeinde
unter Begleitung des Musikchors das Triumphlied »Ein' feste
Burg* an, worauf die Festpredigt des Superintendenten Alberti
folgte. Das ihr zu Grunde gelegte Schriftwort war Ps. 92, 2 — 3.
Im Anschlüsse an dieses Wort wurde des grossen Reformators
gedacht in der Weise, dass i. ein Bild aus Luthers Leben, 2. ein
Wort aus seinen Liedern, 3. ein Trost aus seinen Kämpfen den
Zuhörern vor die Seele geführt wurde. Der Predigt schloss sich
die Communion mit liturgischem Gesänge an. An derselben nahmen
alle Presbyter und Lehrer Theil.
Und wie der Tag, so sollte auch der Abend des 10. Nov.
nicht ohne gottesdienstliche Weihe vorübergehen. In so manchen
Gemeinden sammelten sich dichtgedrängte Schaaren Andächtiger
in den hell erleuchteten Kirchen, um sich an Gottes Wort zu
erbauen, ihres Luther zu gedenken und ihre Lob- und Danklieder zu
singen. So fanden in Arriach, Hermannseifen, Graz (Predigt
über 130. Ps.), Bohuslawitz (über Ps. 119, 107), Kfi21ic (i. Tim. 4,
i—g), Wsetin (Matth. 11, 7), Zauchtel (Off. Joh. 3, 11) und
Humpoletz sehr besuchte Abendgottesdienste statt. Bei letzterem
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Gottesdienste entrollte der Festprediger auf Grund des Textes
Spr. 4, i8 ein Bild des Helden der Reformation, erörterte den Ein-
fluss Luther's auf die böhmische Heimat und seinen Verkehr mit
den , böhmischen Brüdern*, den Besuch des böhmischen Bruder-
bischofs Augusta in Wittenberg und Luther's Briefwechsel mit ihm,
aus welchem sich der letzte Brief Luther's vom Jahre 1542 vorfinde.
Auch dort, wo keine gottesdienstlichen Versammlungen gehalten
werden konnten, war man bemüht, dem denkwürdigen Tage ein
festtägliches Gepräge zu verleihen. Feierliches Glockengeläute, wie
an Sonn- und Festtagen, verkündigte die Bedeutung des Tages,
und als die Schatten der Nacht sich hemiedersenkten, flammten in
Nord und Süd, auf den Hängen der Alpen, den Bergrücken der
Beskiden und den Anhöhen der nordböhmischen Berge Tausende
von Freuden feuern*), mit weithin sichtbarer Flammenschrift
deutend, dass unten im Thale noch evangelischer Glaube die Herzen
erwärmt, während in den Chor der Abendglocken das Echo dröh-
nender PöUerschüsse") sich mischte und zu den weit über Berg
und Thal zerstreuten Glaubensgenossen die Mahnung trug, dem
Herrn der Kirche ein Lob- und Dankopfer anzuzünden, dass es den
österreichischen Protestanten endlich im 19. Jahrhunderte möglich
geworden, mit Deutschlands Mutterkirche gemeinsam das Andenken
Luther's öffentlich zu feiern.
Die Freudenfeuer auf Bergeshöhen fanden einen glänzenden
Widerschein in der prächtigen Illumination, in welcher hie und
da Kirchen und Thürme, anderwärts der Kirchplatz, in überwiegend
evangelischen Gegenden sogar ganze Ortschaften strahlten •), während
von der Höhe des Kirchthurmes die Feierklänge des Luther-
chorals ertönten*). Festliche Umzüge mit Fackeln oder Lampions
und Lobgesänge beschlossen den denkwürdigen Tag.
*) Höhenfeuer: Arriach, Asch, Feld, Ramsau, Schladming.
') Pöllerschtisse: Arriach, Asch, Bleiberg, Dornbach, Feld, Goisern, Gröbming.
Kfi21ic, Mitterbach, Opatowitz, Schladming, Teschen, Trebesing, Watschig, Zauchtel,
Zlan und in vielen ostschlesischen Landgemeinden.
*) Illumination: i. der Kirchen und Thürme in Arriach, Bohuslawitz, Gablonz,
Hermannseifen, Humpoletz, Marburg, Reichenberg, Schladming, Wsetin, Zauchtel;
2. des Kirchplatzes in Bielitz, Reichenberg; 3. der ganzen Ortschaft: Asch, Rossbach,
Gnoinik in Ostschlesien.
*) Thurra Choral: Asch, Gablonz, Reichenberg.
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lieber den Eifer, womit die äussere Verherrlichung des Luther-
tages in Scene gesetzt wurde, wird unter Anderem aus Arriach
berichtet: „Am Abend des lO. November fand eine Höhenbeleuch-
tung statt. Schon vorher waren von allen höher wohnenden evang.
Bauern grosse Massen Brennholz auf die Berghänge zusammen-
getragen worden. Jeder wollte hierbei den Anderen überbieten,
Keiner aber zurückbleiben. Punkt 6 Uhr Abends fing es an auf
allen umliegenden Höhen zu schimmern, zu lodern und zu flammen
in zauberhafter Weise, während im hellerleuchteten Gotteshause in
Arriach die nächstwohnenden evang. Glaubensgenossen versammelt
Lutherchoräle sangen. Wer da weiss, dass der Ort von hohen, bis
6700' emporragenc^en Bergen umschlossen ist, und dass das Gottes-
haus von allen diesen Höhen gesehen wird, der wird sich eine Vor-
stellung machen können von dem aus dunkeln Schatten herauf-
schimmernden Bilde, das sich dem Auge darbot." — Einen gross-
artigen Anblick gewährte auch die Vorfeier in der Gemeinde Schlad-
ming: Am 10. Nov. 4 Uhr Nachm. begann das Festeinläuten mit
allen Glocken durch eine volle Stunde, von Pöllerschüssen unter-
brochen. Kaum war das Dunkel der Nacht angebrochen, als von
unzähligen Lämpchen erleuchtet, mit mancherlei auf die Bedeutung
des Tages weisenden Transparenten verziert, der Kirchthurm ein
freundlich mahnendes Bild dem Beschauer darbot, umgeben von
finsterer Nacht, ein leuchtender Wegweiser nach aufwärts. Bald
stiegen von der Gallerie des Thurmes Raketen zum gestirnten Himmel
empor, den Anfang eines zwei Stunden währenden Feuerwerks
bildend. Zwei Stunden aufwärts, zwei Stunden abwärts von Schladming,
zur Rechten und zur Linken der Enns, zieht sich eine Kette von
hell lodernden Dank- und Freudenfeuern. Im tiefsten Thale sowohl,
als auf den Höhen der Berge, so weit der frisch gefallene Schnee
nur Menschen dringen lässt, sind solche oft viele Meilen weit leuch-
tende Zeichen dankbarer Herzen sichtbar. — Einen nicht minder
imposanten Anblick bot die Abendfeier in Reichenberg, über
welche wir der ,Reichenberger Zeitung* Nachstehendes entnehmen:
»Nach Anbruch des Abends nahm die Schuljugend mit Lampions
vor der Kirche Aufstellung. Die zur Feier eigens bestellten Lampions
trugen auf der einen Seite das Brustbild Luther 's, auf der anderen
den ersten Satz seines Kampfliedes: ,Ein' feste Burg ist unser Gott*.
Die Illumination der Fenster des Kirchenschiffes und des Thurmes,
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von dessen Spitze im grellen Lichte des griechischen Feuers und
elektrischen Lichtes die deutsche Tricolore herabwehte, war zu dieser
Zeit bereits vollendet ; auch sämmtliche Häuser des Lindenplatzes *)
wiesen hellleuchtende Fensterfronten auf, nur das Portal der Kirche
lag noch im Dunkel. Da züngelten einzelne Flämmchen auf und sie
griffen weiter und weiter und bildeten prächtige, in Sterne geformte
Strahlenbüschel, über denen in der Mitte des Thurmes das transpa-
rente Bild •) des Reformators auf die inzwischen herbeigeeilte Menschen-
menge herabblickte. In einem in der Eingangsvorhalle improvisirten
Lorbeerhaine war die Büste Luther's aufgestellt, und wiederholt
erschien diese Halle sowie das ganze Schiff der Kirche in das rothe
Licht bengalischer Flammen getaucht. Erhebend klangen die Glocken
und trugen in das Land hinein die Kunde von der würdigen Feier
des grossen Gedenktages. Dann ertönten wie aus weiter Feme von
der Galerie des Thurmes herab, von Posaunisten der Zittauer
Militärkapelle vorgetragen, die feierlichen Klänge der Choräle, an
deren herzinniger Einfachheit und wahren Frömmigkeit unsere Vor-
fahren schon yor Jahrhunderten ihre Glaubenstreue stählten, und aus
frischen jugendlichen Kehlen strömten die frommen Gesänge himmel-
aufwärts. Nach mehr als einstündiger Dauer war die imposante Vor-
feier beendet.*
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass zum dauernden Andenken
an den denkwürdigen Tag in einigen Gemeinden am Kirchen- oder
Schulplatz ^Luther-Bäume*') gepflanzt wurden.
Doch nicht allein in Schule und Kirche, auch in den Kreisen
freier froher Geselligkeit wurde den Manen des grossen Refor-
mators eine Huldigung dargebracht. Am Abende des Geburtstages
Dr. Luther's fanden sich mancher Orten evangelische Gemeinde-
glieder mit andersgläubigen Verehrern Luther's zusammen, wobei
in Ansprachen und Gesängen sein Gedächtniss gefeiert oder im
*) Auf dem Lindenplatze befinden sich blos zwei Häuser, welche protestantischen
Familien gehören. Aber sämmtliche Fenster, auch der Katholischen und Juden gehö-
renden Häuser, waren reich illuminirt, selbst mit Luther's und Melanchthon's Bildniss
geschmückt.
2) Das Bild wurde eigens zu diesem Zwecke über Lebensgrösse von Herrn
Tal 1er, dem Schwiegervater des Herrn von Criegern in Leipzig, gemalt.
') So wurden in Asch zwei, in Freiwaldau eine „Luther-Eiche*, in Graz
(am II. November) und Mitterb ach je eine ^Luther-Linde" gepflanzt.
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traulichen Beisammensein Altes und Neues aus Vergangenheit und
Zeitgeschichte mitgetheilt wurde. Es sei uns gestattet, auch hierüber
authentische Berichte sprechen zu lassen. Ueber die gesellige Luther-
feier in Gablonz am lo. Nov. schreibt die ,Gablonzer Zeitung"
unter Anderem: Abends 8 Uhr versammelten sich die Mitglieder
der evang. Gemeinde im geschmackvoll decorirten, mit der Büste
Luther's geschmückten Saale des neuen Schützenhauses. Allein nicht
nur die Gemeindeangehörigen, auch zahlreiche Vertreter der Katho-
liken und der Judenschaft nahmen an der Zusammenkunft Theil.
Wir bemerkten unter den Versammelten den Herrn k. k. Bezirks-
hauptmann Baron von Wrazda an der Spitze der erschienenen
k, k. Beamten, den Herrn Bürgermeister Posselt mit dem Stadtrath,
den Lehrkörper der Fachschule, die Vertreter der Grossindustrie,
die Vorstände der Vereine u. s. w. Um 9 Uhr begrüsste der Curator
der evang. Gemeinde, Herr Rob. Henke, die Versammelten, und
gleich darauf erhob sich Pfr. Ergenzinger (aus Reichenberg) zur
Festrede; diese schilderte das Leben Luther's, sein Streben und
seine Bedeutung für die Geschichte, für Volk und Reich. Der Herr
Redner sagte nach den einleitenden Worten: „Wir sind heute
zusammengekommen, um das Andenken eines Mannes zu feiern,
dessen Schöpfung weit hinausgedrungen über die Grenzen seines
Vaterlandes. Es kann nicht meine Aufgabe sein, ein vollständiges
Lebensbild des grossen Mannes zu entwerfen, nur einzelne Züge
aus demselben will ich berühren.* Er schildert den Aufgang Luther's,
wie dieser sich emporrang und losriss von den bindenden Ketten,
und durch grosse Arbeit bis zu dem Punkte gelangte, wo er der
Schöpfer einer neuen Zeit wurde. Femer berührt er die Zeit, in
welcher Luther sein grosses Werk begann, weist dann nach, wie
Luther nicht blos der Reformator auf kirchlichem Gebiete war.
sondern wie er auch das staatliche und sociale Leben umformte.
Luther war auch der Vater der modernen Schule; er schuf die
Grundlage der heutigen Pädagogik und schon vor 400 Jahren
forderte er den Schulzwang, welcher heute als eine grosse Errun-
genschaft gepriesen wird. Weiter feiert der Redner Luther als
den Mann, welcher die deutsche Sprache reformirte, und kommt
dann auf die religiöse Bewegung in Oesterreich zu sprechen, wo
die Gegenreformation die Anhänger der neuen Lehre verfolgte,
bis endlich Joseph IL sein Toleranzpatent erliess. »Was er", so
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ruft Redner am Schlüsse aus, ^was er, der grosse Sohn seiner
grossen Mutter, in Liebe zu seinem Volke begonnen, hat Franz
Joseph I. vollendet, indem er die Protestanten gleichstellte mit
den Katholiken, indem er decretirte. dass Alle gleich seien vor dem
Gesetze. Es erscheint mir mehr als Pflicht, Sie aufzufordern sw
einem Hoch auf diesen Fürsten, und ich bin überzeugt, dass Sie mit
mir einstimmen in den Ruf : ,Es lebe Kaiser Franz Joseph L,
getragen von dem Segen Gottes!* Brausender, minutenlanger
Beifall folgte der herrlichen Rede des Pfarrers Ergenzinger. Es folgte
noch eine Reihe wilder Toaste, und bei gemüthlicher Unterhaltung
blieben die Anwesenden bis nach Mittemacht beisammen. Die
Altkatholiken des Gablonzer Bezirkes sandten ein Begrüssungs-
Telegramm, worin sie aussprachen, dass auch sie an der Feier als
begeisterte Verehrer des berühmten Reformators den freudigsten
Antheil nehmen. „Mögen die Freundschaftsbande, die uns mit den
Protestanten verbinden, in Anbetracht der gemeinsamen Anfein-
dungen, denen wir von einer reactionären, den Geist und die Freiheit
hemmenden, aber mächtigen Partei in gleichem Masse ausgesetzt
sind, uns immer enger und immer fester verbinden!* — In Troppau
fand ausser der kirchlichen ebenfalls eine gesellige Lutherfeier statt.
Nach einem Berichte des ,Oesterr. Protestanten" Nr, 22 versam-
melten sich am Abende des 10. Nov. die Mitglieder der protestan-
tischen Gemeinde in der festlich decorirten Halle des Troppauer
Turnvereins, um im Vereine mit zahlreichen Angehörigen anderer
Glaubensbekenntnisse den 400jährigen Gedenktag der Geburt des
Reformators zu begehen. Herr Oberlehrer Schulig aus Jägerndorf
hielt die Festrede, in welcher er insbesondere die ethische Bedeutung
des Wirkens Luther's erörterte. ,Ein' feste Burg* wurde hierauf
intonirt und bildete den Uebergang zu der Rede des Herrn Dr. Horny,
welche Luther's Bedeutung in nationaler Hinsicht auseinandersetzte.
— Ueber die am selbigen Tage um 8 Uhr Abends zu Wiener-
Neustadt in der Dreher'schen Bierhalle stattgefundene Vorfeier,
an welcher sich auch gebildete Katholiken, Vertreter der Local-
presse u. Andd. betheiligt haben, meldet das dort erscheinende
^Deutsche Volksblatt* in seiner Nummer vom 15. Nov. unter An-
derem: Die Feier begann mit einer von einem gemischten Chore
vorgetragenen Festhymne. Darnach bestieg Pfarrer Tillian die
Tribüne, um die bahnbrechende, vielseitige Wirksamkeit Luthers
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darzulegen. Dann erörterte Oberlehrer Wachowski eingehend Luther's
Verdienste um die Heiligung des Familienlebens, des Grundpfeilers
menschlicher und staatlicher Ordnung, und feierte ihn als sittlich
vor und in der Ehe tadellosen Mann, als liebevollen Gatten und
zärtlichen Vater, und berührte kurz Luther's Bedeutung als Päda-
gogen. Es folgten unter der Leitung des Lehrers Karl Macher vor-
trefflich executirte Chöre, Festdeclamationen der Lehrer Grabolle,
Ebenberger und Adam und Vorträge von Clavierpiecen. Das Fest
währte bis nach Mittemacht. — Schliesslich sei hier noch einer
Feier gedacht, die, wenn auch nicht im kirchlichen Rahmen begangen,
doch mit dem grossen Gedenktage in innigem Zusammenhange
stand und ein Zeugniss ablegte für die ungetheilte Begeisterung,
welche das Andenken Luther's auch in den Herzen der studirenden
Jugend mächtig erweckt hat. Es war dies die am lO. Nov. um
8 Uhr Abends von den an Wiener Hochschulen Studirenden
zu Ehren Luther's im grossen Musikvereinssaale veranstaltete Fest-
feier, über welche der ,Oesterr. Protestant*, Nr. 23, einen Bericht
bringt, dem wir Folgendes entnehmen: Diese Feier versammelte
ein überaus zahlreiches, den besten Kreisen angehöriges Publicum.
Sie wurde mit einem von Labor vorgetragenen Bach 'sehen Orgel-
präludium eröffnet, worauf Mitglieder des Akademischen Gesang-
vereins Beethoven*s ,Ehre Gottes* vortrugen. Der herrliche Chor
mit Orgelbegleitung machte einen tiefen Eindruck. Hierauf hielt
Dr. Dittes die Gedenkrede auf Luther. Er entwarf ein lichtvolles
Bild von dem Leben und Wirken Luther's, wobei er auf seine
nationale Bedeutung besonders Gewicht legte. Stellenweise schlug
Dr. Dittes einen scharf polemischen Ton an, so als er von Luther's
selbstlosem Patriotismus und seinem mannhaften Eintreten für das
als recht und wahr Erkannte sprach. Aus dem nationalen Wirken
Luther's leitete der Redner die Berechtigung ab, den heutigen Tag
zu feiern, so weit die deutsche Zunge klingt. »Und sie klingt auch
in Wien*, fuhr er fort, „welches durch Jahrhunderte die erste deutsche
Stadt war und auch jetzt noch die zweite ist, wo deutsches Lied
und deutsches Wort erschallt. Es ergeht nun heute an diese Stadt
die ernste Gewissensfrage : Bist du noch deutsch mit Leib und Seele,
bekennst du dich noch zu deiner Nation, nicht blos, wo man auf
j^efahrlose Weise Popularität gewinnen kann, sondern wo es gilt
einzutreten für jene Ideale, welche die grössten Geister unserer
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Nation aufgestellt und verfochten haben? Die Frage war, soll die
Erinnerung an Luther eingeengt bleiben in den Kirchen Jener, die
seinen Namen tragen, oder darf sein hoher Geist noch frank und
frei einherschreiten unter allem Volke, das deutschen Namens sich
rühmt ? " Nach einer eingehenden Besprechung der Verhältnisse, aus
denen Luther hervorgegangen, und der Bedeutung, die er für seine
und alle Zeiten gewonnen, forderte der Redner die Anwesenden
auf, im Geiste Luther*s fortzuwirken, und schloss mit den Worten :
Liegt das Gestern klar und offen,
Wirkst Du heute kräftig frei,
Kannst Du auch ein Morgen hoffen,
Das nicht minder glücklich sei.
Langanhaltender Beifall folgte diesen Ausführungen. Den Be-
schluss der Feier bildete die Absingung des Chorales „Ein' feste
Burg ist unser Gott** mit Orgelbegleitung, durch Mitglieder des
akademischen Gesangvereines, in welchen Chor bald die Versamm-
lung begeistert einstimmte.
(Fortsetzung folgt.)
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IL
Nachricht vom Entstehen, Fortgang und der gegen-
wärtigen Lage hiesiger Evangelischen Gemeinde
Helvetischer Konfession.
Von Karl Wilhelm HILCHENBACH, Superintendent und Prediger der Gemeinde i).
Mitgetheilt von Dr. thcol. C. A. WITZ.
Wie Se. Kays. Königl. Majestät, unterm 13^ October 1781, das
Toleranz-Edikt für sämtliche deutsche Erblande erließen, befanden
sich in hiesiger Residenz und den benachbahrten Ortschaften von
Reformirten Konfessions Verwandten, denen bis dahin vergönnet
war die Holländische Gesandschafts Kapelle allhier zu besuchen,
56 Familien — oder solche Haushaltungen, welche entweder von
Seiten des Hofes einen öffentlichen Karakter bekleideten, oder sonst
tin eigenes Etablissement hatten — und nahmentlich aus 16 gleichen
und 22 vermischten Ehen (deren 14 mit Augsburgischen Konfessions
Verwandten und 8 mit Katholischen Glaubensgenossen getheilet
waren), 1 1 Verwittweten und 7 Unverheyratheten — oder, die übrigen
Communikar\ten mitgerechnet, aus einer Anzahl von beyläufig 100 Per-
sonen bestanden. Man freuete sich allgemein der erhaltenen Vor-
rechte und Freyheiten und diese Stimme des Dankes vereinigte sich
zulezt zu einer schriftlichen Bezeugung desselben, welche der K. K.
Kämmerer und Reichshofrath, Reichsgraf und Edler Herr zur Lippe
Sr. Majestät in einer besondern Audienz zu überreichen die Gnade
hatte, welches mit Merkmahlen der höchsten Zufriedenheit ange-
nommen wurde.
* Superintendent Karl Wilhelm Hilchenbach war der erste Prediger der evange-
liichen Gemeinde H. C. in Wien. Schon deshalb wird obige denf Archive der Ge-
meinde H. C. entnommene und hier zum ersten Mal veröffentlichte Nachricht, namentlich
für die Mitglieder der Wiener Gemeinde, von Interesse sein. Ueber die evangelische
Gemeinde H. C. vgl. ^G. Franz): „Die evang. reformirte Gemeinde zu Wien." Wien 1852,
und Dr. C. A. Witz: „Zur hundertjährigen Jubelfeier der evang. Kirchengemeinde H. C.
.n Wien^ Wien 1884.
JahTi>uch des Protestantismus x886. H. I. 3
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In dieser Rücksicht verabredete man sich hierauf (1782) zu einer
Subscription, welche den ersten Grund einer zu errichtenden ordent-
Hchen Gemeinde und ihres erforderlichen kirchlichen Etablissements
legen sollte. Auch vereinigte man sich dahin, die Besorgung dieses
wichtigen Geschäftes und Alles dessen was damit verbunden war,
Hochgedachtem Herrn Grafen zur Lippe, dem K. K. wirklichen Hofrathe
Herrn Reichsfreyherrn Johann von Fries und dem K. K. Niederlags
Verwandten Herrn Peter Ochs zu übergeben, welche von nun an, als
Vorsteher der Gemeinde, im Nahmen derselben, jedoch mit Rük-
sprache an sämtliche Subscribenten, für sie redeten und handelten.
Der Erfolg erwähnter Subscription war von der Art, daß man,
im Vertrauen auf weitere Hülfe durch Beyträge auswärtiger Wohl-
thäter, nähere Entwürfe machen und nach und nach auf ihre Aus-
führung rechnen konnte.
In dieser Rücksicht wurden Sr. Majestät, mit Beziehung hierauf,
die Bitten überreicht: einen Prediger berufen, ein Bethaus bauen,
und hierzu ausserhalb Landes sammlen zu dürfen (15. Febr. 1782) —
zu welchem Ende der Entwurf eines Cirkularbriefes beygeleget wurde ;
und diese Bitten wurden, ohnerachtet der abgängigen, im Toleranz-
Edikt auf 100 bestimten, Familien Zahl, unterm 2^^ März, gnädigst
gestattet.
Man fing sogleich nunmehr an, vermittelst des gedachten und
von jedem Absender mit Privatschreiben und näherer Empfehlung
begleiteten Cirkularbriefes, bey auswärtigen Glaubensgenossen, und
sonstigen hohen und mildthätigen Gönnern und Wohlthätern Bey-
träge zu erbitten. Und dieses entsprach den gehoften Erwartungen
insoweit, daß, bis zu Ende September desselbigen Jahres, zu denen
Subscriptionen der Gemeinde, welche zu der Zeit f. 13260 betrugen
bereits die Summe von f. 16519 : 30 xr. eingekommen war. Wes-
halb izt der wirkliche Anfang, durch Umstimmung, beschlossen, auch
zugleich der Unterzeichnete, als damaliger Gesandschafts Prediger
derer Herrn Generalstaaten der Vereinigten Niederlande, zum Prediger
der Gemeinde einhellig erwählet wurde. Und Se. Majestät genehmigten
nicht allein dieses, unterm 17^ Febr. 1783, sondern auch, zufolge
eines Regierunf sdekretes, vom iilü? Märtz, die angesuchte Bewilligung,
denjenigen Theil des aufgehobenen Königlichen Klosters, wo izt das
Bethaus stehet, zu diesem Endzwek kaufen zu dürfen.
Nachdem solches am 23^41^ Märtz geschehen, und die bisherige
Gesandschafts Kapelle mit dem Ende dieses Monates aufhörte, wurde,
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am 17?^ Aprill, der eigene Gottesdienst der Gemeinde in dem
erkauften Gebäude angefangen.
Neben der Fortsetzung der schriftlichen Kollekte, welche der
Reichsgraf zur Lippe mit unermüdetem Eyfer, und besonders von
dieser Zeit an, hauptsächl. besorgte, wurde es für nötig gehalten,
daß Unterzeichneter eine Kollektenreise nach Holland und England
vornehme (1783), und zugleich es dahin einzuleiten suchte, daß Ihro
Hochmögende die Herren Generalstaaten von demjenigen was Sie
bisher auf den hiesigen Gottesdienst zu verwenden pflegten und
nunmehr in Erspahrung kam, einen Theil wenigstens, der Gemeinde
zufließen lassen möchten, wie auch die bisherigen Kirchenbücher
der Kapelle, oder doch vidimirte Extrakte derselben und den baaren
Betrag der Armen Kasse, welchen der Unterzeichnete, bey seinem
Austritt von der Gesandschaft, dem damaligen Herrn Abgesandten,
nebst jenen Büchern, mit f. 838 : 2 xr. überlassen mußte, der Ge-
meinde zukommen ließen.
In Rüksicht dieser Reise wurde der Kandidat, und dermalige
Professor zu Heidelberg, Herr Fauth, zur einstweiligen Versehung
des Predigerdienstes, hieherberufen und Unterzeichneter reiste, mit
Beglaubigungen der Staats Kanzley und sonstigen guten Empfeh-
lungen und Bekantschaften versehen, zu Betreibung dieser Geschäfte,
mit dem Anfange des Junius ab.
Der Bau wurde um diese Zeit angefangen, und nach dem,
höchsten Orts genehmigten Plane des Hofarchitekten, Herrn Nigelli,
unter seiner und der Maurer- und Zimmer Meister, Herren Meusel
und Wohlsperger Aufsicht betrieben, und im Spätjahre 1784 glücklich
vollendet — * so daß die Einweyhung des Bethauses sogleich nach
der erfolgten Zurückkunft des Unterzeichneten, am ersten Christtage
desselben Jahres geschehen konnte.
Der Erfolg vorgedachter Reise des Unterzeichneten war im
Ganzen zwar vortheilhaft, da die wenige Zeit, welche derselbe den
Umständen nach aufs eigentl. Kollektiren verwenden konnte, und
die Art, wie er dasselbe betreiben mußte, nichtsdestoweniger genüg-
same Beweise mildthätiger Theilnehmung aufbrachte, und er bey
vseiner Abreise solche Einleitungen zurückließ, welcHe, in künftigen
glücklicheren Zeiten, weitere Hülfe noch erwarten ließen. Jedoch
waren die mancherley Verzögerungen höchst unangenehm und
würden für die Gemeinde nachtheiliger geworden seyn, wenn er
nicht so viele freundschaftliche Unterstützungen, besonders bey dem
3*
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Handeismanne Hm. von Gall zu Amsterdam und bey einigen andern
Freunden in dem Haag genossen, und selbst manche Aufopferungen
gemacht hätte. Er hatte nehmlich die erwünschteste Aufnahme und
Geneigtheit zur Beförderung seiner Aufträge, bey Personen von der
Regierung sowohl (welche er theils der Verwendung des K. K.
Ministers Freyh. von Reischach, theils denen sonstigen Empfehlungen
seiner Sache und vorzüglich einem solchen Schreiben der Frau Gräfin
von Degenfeld, an einen Jhrer Verwandten zu verdanken hatte) als
auch bey der Geistlichkeit und anderweitigen Orten gefunden und
gute Hoffnung dadurch beydes, die eingereichte vorgedachte Bitt-
schrift an Jhro Hochmögende die Herren Generalstaaten, und die,
auf erhaltene sichere Weisung an die Herren Staaten der Provinz
Holland übergebene, um öffentliche Kollekte begünstiget zu sehen.
Allein der Umstand, daß der damalige hiesige Gesandte der Republik
gegen ersteres Gesuch Einwürfe vorbrachte, die erst gehoben werden
mußten, hielt den Fortgang desselben auf und verzögerte zugleich
auch den Bescheid auf lezteres.
Daher Unterzeichneter indessen, um nichts unversucht zu lassen,
in einigen andern Provinzen etwas auszuführen trachtete. Jedoch
fand er auch da, mit einziger Ausnahme der Geldrischen Staaten,
daß die Hauptsache auf die vorhergegangene Entscheidungen im
Haag verschoben wurde, indem er nur allein auf dem Landtage zu
Zütphen die Bewilligung eines Geschenkes von loo Dukaten erhielt.
Und so wurde er hierdurch und vermittelst des Ertrages seiner
stillen Privatkollekte in denen Hauptorten von Geldern, Ober-Yssel
und Utrecht, bis zum Schlüsse des 1783!^^ Jahres, nur in den Stand
gesetzet, eine Rimesse von f. 2000 zusammenzubringen.
Hierauf erhielt er zwar, mit dem Anfange des folgenden Jahres
(1784), die günstige Resolution derer Herrn Staaten von Holland,
welche für diesen, wie für andere ausserordentl. Fälle eine öffent-
liche Kollekte genehmigten. Allein die Zeitumstände des äusserst
harten Winters und der darauf folgenden starken Ueberströmungen
veranlaßten bald nacheinander besondere Kollekten für die Einwohner
des Landes, welche der erforderlichen Betreibung der seinigen im
Wege standen, -und, sowohl nach dem bestgemeynten Rathe seiner
Freunde, als nach zweymaliger Weisung derer Herren Burgermeister
von Amsterdam, von einer Zeit zur andern verschoben. Worüber
zulezt die an den Brabantischen Gränzen entstandenen Dififerentien in
eine solche Lage kamen, daß er für izt dieses Geschäfte abbrechen
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und sich damit begnügen mußte, in Amsterdam und einigen andern
Orten der Provinz Holland, die er auf seiner Rükreise besuchte,
diese Sache für die Zukunft zu empfehlen und mithin seine Kollekte
überhaupt auf dasjenige einzuschränken, was er auch hier von seinen
Freunden und durch deren Vermittlung von andern Gutthätern und
verschiedenen Kirchenkassen empfing; wodurch er noch weitere
f. 4715 : 51 xr. zusammenbrachte.
Und da sowohl der erlittene Zeitverlußt, als die ohnehin be-
stehende Unsicherheit eines glücklicheren Erfolges in England (über
welchen von ihm und Andern Nachrichten und Gutachten eingezogen
worden) die Reise dahin aufzugeben nötigten, so benuzte er noch
(1784) einige Zeit auf seiner Reise durch das Bergische zu weiterer
Betreibung der bisherigen schriftlichen Kollekte, und brachte dadurch
zu ihr noch einen Nachtrag von f 310:32 xr. zu wege; wie ihm
denn auch bis Ende 1785 annoch f 215 : 17 xr. aus Holland zuge-
sendet wurden; welches zusammen die in der Berechnung aufge-
führte Summe von f. 7241 : 40 xr. ausmacht.
Da nun der meiste Erfolg der Kollekte eingekommen, der
Gottesdienst angefangen und somit ein Abschnitt in Führung der
Kirchengeschäfte entstanden war, so äusserte der Herr Reichsgraf
zur Lippe — welchem die Gemeinde besonders den grössten Theil
des so glücklichen Erfolges der schriftlichen Kollekte zu verdanken
hat — den billigen, auch sonst durch seine Lage nötigen Wunsch,
mit Anfang des 1785S1? Jahres, der näheren Besorgung dieser
Geschäfte entlediget zu seyn. Der Herr Reichsgraf von Fries hatte
sich auch schon seit einiger Zeit hiervon zurückgezogen, und dessen
Neveu, Herr von Franck, statt seiner, den Zusammentrettungen über
dieselbe beygewohnt. Es wurden darum von der Gemeinde, neben
Herrn von Ochs und von Franck, zu weiteren Vorstehern noch die
Handelsleute Herr Himly und Herr Malvieux erwählet.
Und da im . vorhergegangenen Jahre bereits von einer hoch-
leiblichen Landes-Regierung die Verordnung herabgekommen war,
daß von sämtlichem Bethaus Vermögen jährl. hinfort eine Rechnung
einzureichen sey; und unterm i8I^ Februar ein Formular derselben
mitgetheilet, auch mit Anfang des Jahres 1786, vermittelst des
inzwischen errichteten K. K. Konsistoriums für sämtl. Gemeinden
der deutschen Erblande, diese Verordnung, auf höhere Weisung,
neuerdings in Erinnerung gebracht worden, so wurde nunmehr, in
Bezug auf gedachte Vorschriften und nach Anleitung der von Hrn.
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von Ochs bis zu Ende des Jahres 1785 geführten Hauptrechnun^^
(welche durch den Herrn Reichsgrafen zur Lippe von Blatt zu Blatt
coUationiret und mitunterfertiget worden) eine summarische, jedoch
in allen einzelnen Posten auf die erforderlichen Belege sich bezie-
hende Rechnung von sämtlichen Einnahmen und Ausgaben für die
Gemeinde, von ihrem Entstehen im Jahre 1782 bis zu Ende - 1785
verfasset und, der erhaltenen Erinnerung zufolge, durch das Kon-
sistorium an eine hochl. Landesstelle eingebracht.
Sodann wurde von nun an unter denen Herrn Vorstehern die
Einrichtung getroffen, daß die Obligationen, welche den Fonds der
Gemeinde ausmachen, nebst der jedesmaligen Baarschaft, in einer
dreyfach verschlossenen Kassa verwahret, die Rechnung darüber
in einem Cassa-Journal- und Hauptbuch geführet, die erforderliche
Eintragungen der abgeschlossenen bisherigen Rechnung des Herrn
von Ochs in diese neuen Bücher gemacht und dieselbe künftighin,
vom Anfange des 17865^ Jahres an, in Rüksicht des vorgeschrie-
benen Rechnungs-Formulares, geführet, auch vierteljährig und so
oft es sonst erforderlich wäre, mit Zuziehung des Unterzeichneten
Zusammentrettungen gehalten und alles Wichtigere schriftlich ver-
handelt werden solle.
Auf diese Art sind denn bisher die Geschäfte versehen und
dabey, von Zeit zu Zeit, alle zu den gewönlichen Ausgaben ent-
behrliche, durch ferner eingegangene Kollekten Gelder und einige
Legate hauptsächl. entstandene Baarschaften, in denen öffentlichen
Fonds, auf den Nahmen der Gemeinde, zu 4 pC. angeleget worden.
Wodurch sich das eigentliche Kapital der Gemeinde, welches bey'm
ersten Rechnungsschlusse, am Ende 1785 f. 20500 ausmachte, bis
dato (1788) auf f. 22800 verstärket hat. Auch befindet sich noch
in der Kassa neben diesen tragenden Kapitalien, eine zur Kollekte
verehrte Bayrische Hof Kammer Obligation von f. 1000, welche mit
gehöriger Cession an die Gemeinde versehen und zu München vor-
gemerket worden — doch erst Ende des künftigen Jahres zahlbar
und bis dahin ohne Intressen ist.
Eine Vorlegung dieses ganzen Status an die Gemeinde ist bisher
noch nicht geschehen und von einer Zeit zur andern verschoben
worden, weil zu erwarten gewesen, daß von einer hochl. Landesstelle
über die eingereichte Berechnungen dieser Gelder, nach genommener
Einsicht der dasigen Buchhalterey, wie es in andern Fällen gewönlich
ist, eine Erledigung herabkomme. Da sich indess solches länger
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zu verzögern schiene, als die Umstände jenes aufzuhalten zuließen,
so wurde, bey Uebergabe der lezteren Jahres Rechnung, um diese
Erledigung angesucht und da hierauf, unterm 14^55 May dieses Jahres,
über die beyden Rechnungen von 1786 und 1787 diese erwartete
Approbation von Seiten der Landesstelle, herablangte — mithin
die erste Hauptrechnung vom Anfange des Entstehens 1782 bis Ende
1785 noch zurück war — so wurde hierüber eine nochmalige Bitte
eingereichet und auch diese hierauf, unterm 30'^? October lezthin,
auf gleiche Weise erlediget. Worauf, zur allgemeinen Uebersicht des
jetzigen Vermögensstandes und der dermaligen jährlichen Erfor-
dernisse, beygehender Auszug sämtlicher Rechnungen von Unter-
zeichnetem nach den Büchern entworfen und nochmals von denen
Herren Vorstehern übersehen und nebst demselben ausgefertiget
worden ist.
Sodann komt noch über den gegenwärtigen Zustand der
Gemeinde hauptsächlich zu bemerken:
Vors erste, daß sich dieselbe, bis Ende Septembers dieses
Jahres, von obgedachten 56 Haushaltungen, ohnerachtet des Ab-
ganges von 8 Familien, durch neue Ehen und hinzugekommene
PVemde, auf die Zahl von 152 Haushaltungen vermehret — und zwar
in 53 gleichen und 64 vermischten Ehen (deren 24 zwischen beyden
protestantischen Konfessionen und 40 mit katholischen Glaubens-
genossen getheilet sind), in 14 verwittweten und 21 unverheyratheten
Personen bestanden hat. Unter welcher Anzahl jedoch weder die
jeweiligen Garde-Officiere und sonstiges Militaire, noch diejenigen
insgesamt gerechnet sind , welche , gleich ihnen , keinen festen
Auffenthalt allhier haben oder nur eine Zeitlang hier verbleiben.
Zweytens, daß sich in derselben eine Anzahl Jugend befindet
und, dem gegenwärtigen Stande nach, ferner befinden und so ver-
mehren wird, daß der Unterricht derselben, so lange er von Unter-
zeichnetem alleine besorget werden muß, kaum anders als mit Ver-
nachläßigung seiner übrigen, von Zeit zu Zeit ohnedies mit der
Gemeinde zunehmenden Geschäfte und mit seiner großen Beschwehrde
besorget werden kann — und das um so mehr, da, ausser den öffent-
lichen Katechisationen, auch noch Privat-Unterricht erforderlich wäre
und würklich von mehreren gewünschet wird, ohne daß Unter-
zeichneter in seiner dermaligen Lage diese Wünsche zu befriedigen
vermag.
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40
Drittens, daß unter den gegenwärtigen Gliedern der Gemeinde,
so viel Unterzeichnetem bekannt geworden, bereits 8 französische
Familien und überhaupt zwischen 20 und 30 Personen befindlich
sind, welche die deutsche Sprache gar nicht, und einige derselben
nur wenig verstehen. Daß auch in dieser Rücksicht von denen Hrn.
Vorstehern, als sie nach geendigten Unruhen in den Vereinigten
Niederlanden, mit Einstimmung des dermaligen Herrn Abgesandten,
bey Jhro Hochmögenden, obgedachte Bitten des Unterzeichneten,
unterm 12^ Aprill dieses Jahres neuerdings vorgetragen haben, die
Bitte um Bewilligung eines jährlichen Beytrages an die Gemeinde,
mit dem Grunde unterstützet worden ist : Man müsse auf einen
Gehülfen des Unterzeichneten auch um deswillen dencken, damit
ein solcher hiehergezogen werden könne, welcher zu Befriedigung
der französischen Mitglieder und gewiß auch zur Zufriedenheit der
Gesandtschaft, nach Erforderniss, neben dem deutschen, auch fran-
zösischen Gottesdienst zu halten im Stande sey; welches aber die
Gemeinde, ohne die erbetene Unterstützung, nicht vermöge. Und
ist dieses Gesuch von dem Herrn Gesandten mit aller Theilnehmung
aufgenommen und empfohlen, auch seitdem wieder in Erinnerung
gebracht, jedoch bis jetzo noch mit keinem Erfolge begünstiget
worden. Weshalb Unterzeichneter gedachten Gemeindsgliedern unter-
dessen einen Privat-Gottesdienst in ihrer Sprache zu halten ange-
fangen hat und bis so lange, oder auch, wenn jenes nicht zustande
kommen sollte, fernerhin zu thun gerne erbötig ist.
Viertens, daß, da Herr von Franck nunmehr verstorben, und
Hr. Malvieux seit dem leztern Frühjahr auf eine längere Zeit von
hier abwesend ist, schon hierdurch eine neue Vorsteherwahl nötig
gemacht werde ; überdieß aber auch noch der Umstand hinzukommt,
daß Hr. von Ochs seit dem Anfange der Gemeinde, mithin bey
7 Jahre und Hr. Himly auch schon bey 4 Jahre ihr dienen; und
da Jener in denen ersteren Jahren mit der Kassaverwaltung und
sämtlichen Rechnungen viele Mühe gehabt — dieser, besonders in
dem lezteren Jahre, die Rechnungsscripturen allein besorget hat, so
wird wohl der bezeigte Wunsch des Ersteren, diese Stelle niederlegen
zii können, von jedem Mitgliede als höchst billig angesehen und mit
Dankbahrkeit erwiedert, auch auf gleiche Weise das Vertrauen
erkennet werden, welches Hr. Himly in sämtliche Mitglieder setzet,
daß wenn Er auch schon noch ein Jahr lang seine jetzigen Dienste
der Gemeinde zu widmen bereit sey. Er doch, nach dessen Verlauf,
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ebenfalls auf Abtrettung rechnen dürfe. Weshalb dann mit Anfang
des neuen Jahres die Wahl eingeleitet werden wird.
Fünftens komt zu bemerken daß alle die Gemeinde betref-
fende Gegenstände, welche nicht lediglich politisch sind, unter der
Aufsicht und Leitung des Konsistoriums stehen und von da aus
höheren Ortes vorgebracht, oder nach bestehenden Vorschriften
entschieden und abgethan werden.
Bey welcher Bemerkung auch hier zugleich erinnert werden
kann, daß auf Vorschrift desselben und mit höchster Genehmigung,
seit vergangenem Jahre, fiir sämtliche evangelische Gemeinden der
deutschen Erblande, der erste Sonntag nach dem 13^ October, zu
einem Toleranz-Dankfeste, und der 8^ Dezember, zu einem beson-
dern Büß und Bettage festgesetzet worden ist.
Schließlich legt Unterzeichneter noch die Hauptideen der Statuten
vor, nach welchen die Besorgung sämtlicher Kirchengeschäfte theils
bisher schon gefiihret worden, theils fernerhin zu fuhren seyn werden,
in so ferne dieses mit Genehmigung der übrigen Gemeindsglieder
geschiehet. Welche darinn bestehen: daß
a) vier Vorsteher und der Prediger in diese Verwaltung solcher-
masen eingetheilet sind, daß Ersteren die Besorgung der Haupt-
rechnung und aller nötigen Dispositionen welche den Fonds der
Gemeinde angehen, lezterem, ausser seinen eigentlich Amts- Verrich-
tungen, die Verpflegung der Armen und Kranken und vierteljährige
Berechnung der Allmosen Kassa, wie auch die vorkommenden Aufsätze
und allenfalsige Korrespondenz zu versehen zukommen — von allen
zusammen aber die Obsorge für das Haus und alle Ausfertigungen
und besonders auch die jährliche Rechnungs- Ablegungen an die Län-
desstelle und hinfort jederzeit an die Gemeinde besorget werden ;
6) daß diese Vorsteher, um nicht in solchen Verwendungen
fiir das allgemeine Beste Einem mehr als dem andern zuzutheilen,
zwey Jahre nur am Dienste bleiben und darum hinfiihro jährlich
zweye von Jhnen abgehen und durch neugewählte ersetzet werden
sollen; oder aber vier Jahre — wo dann alle Jahre nur ein Platz
zu verändern käme; und da
c) zu dieser Geschäftsbesorgung nicht ein jedes Glied der
Gemeinde auf gleiche Art die Hände bieten, wohl aber von Zeit
zu Zeit und nach jedesmaliger Erforderniß, mit denen Herrn Vor-
stehern, es sey mündlich oder schriftlich, in Berathung tretten kann,
so würden diejenigen Mitglieder der Gemeinde, welche bisher schon
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sowohl auf solche Weise als durch Geldbeyträge zu ihrem Besten
mitgewirket haben, und jene neu hinzugekommenen Glieder, welche
auf gleiche Art im Stande und geneigt hierzu sind, als Repräsen-
tanten der ganzen übrigen Gemeinde anzusehen seyn ; und in solchen
Fällen, wo die Vorsteher etwas nicht vor sich abthun können, z. B.
bey der Wahl eines Predigers, oder sonst einer Hauptveränderung —
oder wo dieselbe sonst weitere Rücksprache zu nehmen wünschten,
würden dergleichen Geschäfte vorläufig mit Jhnen behandelt und
von diesem engeren Ausschusse der ganzen Gemeinde, mit ihrem
vorläufigen Gutachten begleitet, zur Kentniß und Beurtheilung aller
übrigen angesessenen Mitglieder gebracht.
d) Die eigentlichen Vorsteher würden sodann von Jahr zu Jahr,
sobald die vorjährige Rechnung geschlossen und abgeleget ist, aus
der Zahl dieser Repräsentanten gewählet; wobey übrigens darauf
zu sehen seyn würde, daß die äussere Lage derselben die Über-
nehmung dieser besondere Bemühungen schiklich macht ; in welcher
Rüksicht die Nahmen dieser Gemeindsglieder bey jeder neuen
Vorsteher Wahl sämtlichen Gliedern der Gemeinde zu Jhrer Ent-
scheidung durch Stimmen Mehrheit vorzulegen wären;
e) würde diese Wahl dadurch am leichtesten und besten bestimmt
werden können, daß jedes Gemeindsglied unter den verzeichneten
Nahmen denjenigen unterstriche, welchem es seine Stimme zutheilet,
und diesen Zettel versiegelt zurücksendet oder in dem Bethause
abgiebt; worauf an dem bestimmten Tage, in einer diesfälligen
Zusammentrettung derer Herrn Vorsteher, die Stimmenzählung vor-
genommen, gehörig protokoUiret, und die getroffene Wahl am nächsten
Sonntage, wie es auch anderwärts üblich ist, der versamleten Ge-
meinde angezeiget würde.
Übrigens wären der näheren Ausführung dieser Statuten, in
wie ferne diese Hauptideen derselben genehmiget werden, in einem
Anhange für sämtliches der Gemeinde dienendes und ihr allein
unterstehendes Personale solche Instruktionen beyzufügen, welche
deren Dienst auf das genaueste bestimmten und dadurch die Be-
urtheilung seiner Erfüllung leiteten, um Jedem derselben bey seiner
Annahme mitgetheilet und in lezterer zum entscheidenden Grunde
gelegt zu werden.
Wien den I2i55 November 1788.
Karl Wilhelm Hilcheiibach,
Superintendent und Prediger der Gemeinde.
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IIL
Bericht über das Martyrium zweier Lutheraner im
Sohler Comitate vom 24. August 1Ö27.
Mitgetheilt von JOS. RYDEL, Cand. theol.
Die hier zum Abdruck gelangende Handschrift, fünf Seiten
kl. 4« enthaltend, ist einem Buche, welches einst Eigenthum des
evang.-lutherischen Pfarrers und slowakischen Dichters Samo Chaliipka
(geb. 12. Februar 1812, f 12. Mai 1883) war *), entnommen, wo sie
zusammengebunden mit mehreren kleineren Abhandlungen *) die zwei
letzten Blätter bildete, so zwar, dass die 5. Seite der Handschrift
schon auf der inwendigen Seite des Deckels selbst geschrieben steht.
Die Sache, von der die Handschrift berichtet, ist keineswegs
unbekannt. Schon Peter Petsch weist in seinem 1612 bei Joh. Fischer
in Kaschau gedruckten , Malleus Peniculi Papistici*, also noch zwölf
') Diese Handschrift ist jetzt Eigenthum der Gesellschaft für die Geschichte des
Protestantismus in Oesterreich, ein Geschenk des evang. Pfarrers Christ. PospfSil in
Humpoletz an die Gesellschaft.
*) Der Reihe nach sind es folgende Abhandlungen:
a) Relatio historica de habito nuper Ratisbonae CoUoquio inter Augustanae
Confessionis Theologos et Pontificios. Autore Aegidio Hunnio. Witebergae 1602.
b) Apologia pro Synodo Solnensi, eiusque Constitutionibus : opposita turgidae
contradictioni et inhibitioni Illustrissimi Domini Francisci Forgach de Ghimes, Archi-
episcopi Strigoniensis et Ecclesiae Cardinalis. Cassoviae 1610.
c) Decreta et Sanctiones Synodi Provincialis ab Illustrissimo atque Reverendissimo
in Christo Patre Francisco Forgacz de Ghimess etc. Posonii 1611. (Eine Abschrift.)
d) Peniculus papponim Apologiae Solnensis Conciliabuli etc. Johannes Jemicius,
Parochus Senquicensis, scribebat. Posonii 16 10.
e) Malleus Peniculi Papistici adversus Apologiam Solnensis Synodi editi, id est,
Refotatio errorum, calumniarum etc. Scribebat Petrus Petschius, minister Ecclesiae
Freywaldensis. Cassoviae 16 12. — Im ersten Capitel dieses Malleus, welches über-
schrieben ist: „De origine et statu contröversiae", wird S. 9 des Martyriums vom
24. August 1527 mit folgenden Worten Erwähnung gethan: „Exstat etiam litteris a
Lconhardo Stoeckelio proditum, quo pacto et Pastor Ecclesiae Libethensis et Scholae
ejusdem Rector, ob denegatum Mariae invocationis honorem, vivi ustulati et incinerati
faerint, aller Veterisolii, alter prope Dobronnam." Durch die Randbemerkung „Vide
infra historiam manuscriptam" wird auf unsere Handschrift hingewiesen.
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Jahre vor der Abfassung unserer Handschrift, auf eine durch den
berühmten Rector der lutherischen Schule in Bartfeld Leonhard
Stöckel verfasste schriftliche Aufzeichnung des Martyriums vom
24. August 1527 hin. Aber viel mehr als Petsch weiss über das
Martyrium vom 24. August 1527 Ribini zu erzählen, der sich sowohl
auf die ,Micae historico-chronologicae* des Joh. Burius, als auch auf
das mündliche Zeugniss eines Freundes, der diese Geschichte in der
Matrikel der Stadt Liebethen gelesen haben soll, beruft. Bauhofer,
Kuzmany, und unter Berufung auf diese Borbis *), sind dann schon
im Stande anzugeben, dass der eine Märtyrer, der Prediger, Gregori,
der andere, der Schulrector, Philipp Nicolai geheissen habe. —
Hieraus erhellt mit Deutlichkeit, einmal, dass die Sache genugsam
bekannt, und sodann, dass sie in mehreren Varianten vorhanden ist.
Die vorliegende Handschrift ist eine jener Variationen. Sie hat
bis jetzt noch kein Historiker gekannt und benutzt. Dieser Umstand
gab den Anlass zu ihrer Veröffentlichung.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass die Handschrift auf schwachem
Papier geschrieben und daher minder gut conservirt ist, sich aber
dessenungeachtet vollständig und sicher hat ablesen lassen.
De Ministro Ecclesiae Libetensis et Scholae Rectore loci ejnsdem
Martyribiis, qiwrum 74terque cremati sunt, et hie qjtidem Veterisolii ad
siatuam publicani, ille vero inter castelliim et oppidum Dobronam Ajino
Christi 1527. 2^, Aug.
Valde prodest Martyrum exempla ac eorum memoriam in Ecclesia
extare, eaque studio et opera diligenti saepius animis hominum in-
culcare, ut penitus animis hominum inhaereant, ne fractae imbecil-
liorum mentes facile patiantur se suppliciis a doctrina Christiana
deterreri et excuti. Et constantia confessorum ac fortitudo martyrum
confirmat alios, non solum quia miraculum est, quo deus ostendit
se robur addere contra terrores et supplicia, et praesentiam suam
multipliciter declarat : sed etiam quia celsitudo animorum in his qui
supplicia placide sustinent ostendit, Evangelium efficax esse in his,
et semen esse dei, quo inchoatur vita aetema, justitia et laetitia.
Quare de Ecclesia optime meretur qui scriptis suis posteritati martyria
piorum bona fide confirmat. Et mirum est profecto nationes alias
Christianas suorum martyria accuratiori diligentia consignare, nostram
vero patriam suorum silentio ingrato praeterire, qualia fortassis plura
*) Die evang.- lutherische Kirche Ungarns (NÖrdl. 1861), S. 10.
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extant, quam credi posset, sed nos referemus ea tantum, quae hie
apud nos Veterisolii et Dobronae facta sunt, ea fide, qua nobis
relatum est ab iis qiii meminere et oculati festes fuere.
Turcarum Imperator progressus in Hungariam cum Ludevicum
Regem proelio superasset, et is in fuga miserabiliter fuisset extinctus,
Ferdinandus Regnum sibi deberi contendebat, sed adversarium habuit
Johannem Voyvodam Transylvanum Sepusiensem. Dissidio inter
ordines Regni Hungariae orto, bello res gesta est, quod Germanis
aliisque finitimis etiam exitiale fuit. Nam Turcarum Imperator in
suam fidem ac tutelam postea recepit Voivodam, et tradita Buda
Regem constituit beneficiarium ac clientem, Jovio teste üb. 28, quod
factum est Anno Christi 1526. Anno postea sequente Metallici Novi-
solienses saepius questi, tardius quam par esset, sibi satisfieri, seque
sua fraudari mercede, consensu unanimi, Regis infra Villam (Krälovna)
armati consedere. Sed Voyvoda expeditis Sobi Michaele, Magistro
Stephano et Rackaij Casparo demandavit, ut sopito tumultu rem
componant. Inclarescere tum incipiebat in Hungaria, praecipue in
Montanis Civitatibus, lux Evangelii, sed obscurius, Apud Libetenses
tarnen faeiliori progressu opera Nicolai cujusdam ministri verbi
divini, qui fuit vir doctus et masculo animo, adjuncto sibi velut fideli
Tiapaora-qj Rectore Scholae ejusdem loci, viro sincerioris religionis
studiosissimo. Dolebat Satanae suas sensim pelli tenebras, neque
prius quievit, quam per sua flabella incendisset hosce Regis Com-
missarios, ut in istos Sectarios saevire inceperint. Missis itaque
apparitoribus a Libetensi Ecclesia Ministrum exposcunt sibi dari, in
quem ut in haereticum sceleratissimum ex officio et fide animad-
vertant. Renuunt illi primo, et Ministro, ut sese in locum tutiorem
recipiat, tantisper dum impetus iste resideat, consulunt. Commissarii
quos diximus, suos administros manu armata Libetenses invadere
praecipiunt. Capti sunt itaque ex ordine Senatorio sex, unaque cum
Rectore Scholae, qui sibi incautius cavit, Veterisolium bini et bini
catenis vincti adducuntur. Examinati in religione veritatem fatentur
ingenue et aperte. Monent primum eos, ut Satanica illa haeresi
abjurata redeant in Ecclesiae Catholicae gremium. Recusant ilH
veritatem contra conscientiam negare, hominis esse fanatici, asserentes.
Minis tum eos absterrere tentant, sed nullo profectu. Quos cum usque
adeo constantes viderent, haereticos, et qui igne sint digni, palam
nullo contradicente proclamant. Rapitur ad rogum, qui ad statuam
in Civitate publicam congestus fuit, Scholae moderator, tanquam qui
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et confidentius responsaret adversariis, et ad constantiam suos Cives
captivos hortaretur animosius. Cui rogo cum impositus in carpento
quodam esset, acclamabant, ut Mariäm tanquam suam Patronam et
Advocatam compellaret ; fore ut hoc pacto liber evadat. Quod ut
faceret, se nullatenus adduci passus est, Jesum Christum intercessorem
suum unicum, in quo solo acquiescat nee alios exoptet, agnoscens.
Constanti tum animo perfert supplicium et inter preces animam
exhalat. Spectatum fuerant producti et senatores vincti, quibus
etiam minitati sunt, eos eundem vitae exitum manere, nisi ministrum
Ecclesiae patefaciant et ex latibulis producant, ipsique poenitentia
seria repudiatis erroribus se denuo matri Ecclesiae incorporent.
Veniunt interea legati Montanarum Civitatum et pro captivis inter-
cedunt, neve ad supplicium cum ipsis properetur obnixe orant : quod
etiam impetrant. Non potuit autem Minister latere: productus ex
fodinis locis, in quos concesserat, in manus Inquisitorum venit. Hunc,
postquam diu multumque deliberassent, Budam ad Regem una abdu-
cendum censent. Progressi uno milliari ad Dobronam Castellum
usque, nescio quo spiritu illos exagitante, mutant animum. Varie
tum illum dehortati sunt a proposito, utque redeat ob sacra obtestan-
tur, impunitatem pollicentur, beneficiis allicere Student, gratiann et
Regis favorem prolixe offerunt, igne, aut si quid majus est ig'ne,
poenis denique infernis avocare pertentant. Sed Dei spiritu eum
confortante invictus intrepidusque permanet. Stat sententia quo deus
velit sequi, paratus deteriorem etiam mortem subire, addit, se sibi
perbene esse conscium, se verum ad coelestem patriam iter tenere,
nee expedire, ut gradum revocet, se non morari ipsorum aut Regis
quoque in se futuram quam promittant benevolentiam, se praeferre
Salvatoris sui Christi gratiam et impensum erga quosvis, qui vera
fide ad ipsum confugiant, amorem. Non insuper se terreri flammis
gehennae, Christum esse suum refrigerium, qui sit ipsum in coelestenn
Paradysum translaturus, simulac hisce flammis dissolveretur. Quo
responso accepto, Inquisitores cremari jubent. Sic in vera fide Filii
dei agnitione, professione, invocationeque est mortuus.
Hanc historiam ego de verbo ad verbum inserueram: sed non
placuit eam, nescio quo consilio, publici juris fieri, ne Pontificii ex-
tenderent nigrum Artyculum de comburendis haereticis, et inde
stabilirent hodie suam tyrannidem.
A. S. Ao. 1624.
4. Mali.
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IV.
Bericht des Central -Vorstandes über das Vereins-
jahr 1885.
In der Versammlung des Centralvorstandes am 16. Februar 1886
berichtete der Präsident, dass der Stand unserer Gesellschaft im
Wesentlichen derselbe wie im vorigen Jahre sei; es bleibe sehr
erwünscht, dass sie im Interesse ihres hochwichtigen Zweckes unter
den Protestanten Oesterreichs eine lebendigere und thatkräftigere
Theilnahme finde.
Darauf erstattete der Schatzmeister Herr Dr. R. von Sääf den
Cassabericht über das abgelaufene Vereinsjahr unter gleichzeitiger
Vorlage der Belege.
I. Einnahmen.
A. Saldo vom Jahre 1884 1360 fl. 27 kr.
B. Eingegangene Mitgliederbeiträge:
pro 1881: I Beitrag ä 5 fl. = S fl.
pro 1882: 2 Beiträge ä 5 fl. = IG fl.
I Beitrag ä 3 , = 3 > I3 3
pro 1883: 15 Beiträge ä 5 fl. = 75 fl.
12 , ä 3 , = 36 > in ,
pro 1884: 36 Beiträge ä 5 fl. = 180 fl.
22 , a 3 , =_ö6__»_246 ,
pro 1885: 84 Beiträge ä 5 fl. = 420 fl.
n . ä 3 , = 33 ,
I Beitrag ä 6 , = 6 ^ 459 , 834 , — ,
C. Für Verlauf des Jahrbuches* im Buchhandel
in den Jahren 1884 und 1885 100 ^^ 44 ,
D. An Interessen von den Einlagen bei der De-
positenbank Buch Nr. 21.047 u^d 26.696 . . 33 » 47 >
Gesammteinnahme 2328 fl. 18 kr.
II. Ausgaben.
A. Druckkosten des IV. Heftes des Jahrg. 1884
und des I., IL, III., IV. Heftes 1885 . . . 612 fl. 18 kr.
B. Honorare an die Mitarbeiter am Jahrbuch* 234 , — ,
C. Regiespesen für Schreiber, Eincassirer der Mit-
gliederbeiträge, Portis, Stempel u. s. w. . . 60 ^^ 60 ,
Gesammtausgabe 906 fl. 78 kr.
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48
Stellt man den Einnahmen per 2328 fl. 18 kr.
gegenüber die Ausgaben , 906 » 78 ,
so ergibt sich Ende December 1885
ein Rest von 1421 fl. 40 kr.
Hievon sind bei der Allgemeinen Depositenbank laut
Einlagebuch Nr. 21.047 178 fl. 66 kr.
, , 26.696 888 , 12 ,
und in Händen des Rechnungslegers 354 j^ 62 ,
Zusammen 142 1 fl. 40 kr.
Dem Schatzmeister wurde für seine Mühewaltung der gebührende
Dank ausgesprochen.
V.
Fünftes Verzeichniss der Geschenke für die Bibliothek
und das Archiv der Gesellschaft.
(Jahrbuch, I. Jahrg. l88o, S. 79—82, 174 f.; II. Jahrg. 1881, S. 185 f.;
VI. Jahrg. 1885, S. 98.)
1. Von Pfarrer Dr. Elze in Venedig: seine Abhandlung in Herzog's Real-Ency-
klopädie, II. Aufl., Band 16, über „Trüber und die Reformation in Krain*.
2. Von Dr. Rud. Wölk an in Prag: seine Schriften .Nordböhmen und die Re-
formation. Barmen 1885** und „Leipa zur Zeit der Reformation. Prag 1885, I".
3. Von k. k. Oberfinanzrath und Finanzdirector Aug. Dimitz in Laibach: seine
„Kurzgefasste Geschichte Krains mit besonderer Rücksicht auf Culturentwicklung.
Laibach 1886".
4. Von Professor Dr. Gotthardt Lech 1er in Leipzig: „Die Vorgeschichte der
Reformation Leipzigs". 1885. (Ausschnitt.)
5. Von Pfarrer Sehe uff 1er in Lawalde (Sachsen): M. F. Schmaltz, „Erbauungs-
stunden für Jünglinge und Jungfrauen**. 8. Aufl. Leipzig 1843.
6. Von Pfarrer PospiSil in Humpoletz: Altes Manuscript, drei Quartblätter, ent-
haltend „De Ministro Ecclesiae Libetensis et Scholae Rectore loci eiusdem
Martyribus, quorum uterque cremati sunt, et hie quidem Veterisolii ad statuam
publicam, ille vero inter castellum et oppidum Dobronam Anno Christi 1527.
24. Aug.^
7. Von Emil D. Fr au er in Triest: Flacio. Studio biografico storico del Dr. Er-
manno Nacinovich. Fiume 1886. — Biblioteca della rlforma Italiana raccolta
di scritti Evangelici del secolo XVI. Volume Primo. Trattatelli di P. P. Vergerio.
Roma 1883. — Volume Secondo. Seguito de' trattatelli di P. P. Vergerio e sua
storia di Francesco Spiera. Roma 1883.
Für diese Geschenke dankt Namens des Central Vorstandes auf
das Wärmste
Alfred Qrenser, z. z. Archivar.
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Jß) fSS
•r¥! ijtenum^ikrifkt (Uiiteiuah) iSc
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redactiun
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Unheil können wir . . . nur wieder-
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evai.-
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorig<rri
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Pror<-
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per-
sönliches und Allgemeines" u. s. w.
Neue Evani^elische Kirchenueitung (Berlin) i8Sj. AV. 40
„Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treflfliches
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvol! sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen*^ u. s. w.
(Prof Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung, Wien iS8j. Nr. 410J.
j,. . . Wir verfelilen nicht, die Freunde reformations-liisiorischer Forschung au:
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen.**
(Prof. Dr. Zöckler) Evangelische Kirchenzeitung (Greifsw.) 18 Sj. Nr. 48,
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wissen-
schaftliche Gesellschaft unserer evangelis-chen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
und nach jeder Richtung hin zu fördern."
Evangelische Kirchen%eitung für Oesterreich (Bielitz) 1884, Nr. i.
Znr Nachricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnau bei Kulmbach ir
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Central-
vorstande unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von
der Meisterhand Sandrart s ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künst
lerischer Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die
Inschriften :
Geh nur davon,
Sey fromm für mir,
Gib Armen hier,
Ich bin dein Lohn.
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf I. Mos. 12 :
Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm,
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild,
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron.
Der Central vorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) a i li.
zu haben ist.
Druck von Wilhelm Kühler. Wien, VI. Mollardffiuisc 41.
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Inhalt Ton Heft II.
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Zur Beacntung.
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VI,
Dr. Martin Luther's 400jährige Geburtstagsfeier
in Oesterreich
am 10. und II. November 1883.
Von Johann DEDIC, evang. Pfarrer in Olmütz.
n. (Fortsetzung.)!)
b) Lutherfeier am 11. November,
Den Mittel- und Höhepunkt der zu Ehren Dr. Martin Luther's
veranstalteten Festivitäten bildete die — des grossen Gottes- und
Kirchenmannes unstreitig würdigste — Feier in der Kirche am
II. November. In allen evangelischen Gemeinden wurden an diesem
Tage tiefergreifende, begeisterte und begeisternde Festgottesdienste
veranstaltet.
Schon bei Tagesgrauen verkündete ein längeres Festgeläute im
Vereine mit gelösten Pöllersalven, welch letztere hie und da die
fehlenden Kirchenglocken ersetzen mussten (wie in Arriach, Ramsau
und anderwärts), den Anbruch eines hohen Festtages. Gleich in
den frühen Morgenstunden ward dem Herrn das erste Lob- und
Dankopfer gebracht in den ergreifenden Chorälen, welche von den
Thürnren •) herab in kräftiger Instrumentalmusik nach allen vier
Himmelsgegenden hinaus in die Lande erklangen. Und als dann neuer-
liches Geläute den Beginn der gottesdienstlichen Feier angekündigt,
da sah man festlich gekleidete Gruppen, Alt und Jung, trotz aller
Unfreundlichkeit des Novemberhimmels, welche!- im Tieflande reich-
liche Regenschauer, auf den Höhen aber Wintersturm und Schnee-
flocken herniedersandte, auf allen Stegen und Wegen, von Nah und
Fern, einem Punkte zueilen, der, durch reichen Tannen- und Fahnen-
schmuck aus seiner Umgebung weithin sichtbar hervortretend, Kirche,
Schule und Pfarrhaus vereinigte.
i) Vergl. H, I. S. 1—32.
>) Thurmchoräle in Gablonz, Reichenberg, Salzburg, Weiem, Zaachtel u. a.
Jahrbuch des Protestantismus 1886. H. H. 4
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50
Um bei dem grossen Andränge jegliche Störung zu verhüten
und eine würdige äussere Ordnung leichter aufrecht erhalten zu
können, sammelte sich die Schuljugend nebst den Gemeindevertretern,
Honoratioren und Gästen zunächst im Schulhause, anderwärts (z. B.
in Arriach und Mitterbach) im Pfarrhause, von wo aus dann unter
Glockengeläute, Pöllerschüssen, Vorantragung der Schulfahne (Her-
mannseifen), mit klingendem Spiele (Rossbach, Neuberg) oder Choral-
gesange (Arriach) der Fe^zug ^) sich nach dem Gotteshause in
Bewegung setzte, wobei verschiedene Vereine des Ortes (in Ross-
bach sogar 19 Vereine) Spalier bildeten").
Auch die inneren Räume der Kirche trugen ein festliches
Gewand. War wegen der vorgerückten Jahreszeit kein Blumenschmuck
in den Gärten und Fluren zu holen, so boten doch die Fichten-
wälder ihr Grün zu Festons und Guirlanden, und wo auch diese
mangelten, da wurde zu Epheugewinden (Lipkowitz) oder Kunst-
blumen (Gr.-Lhota) Zuflucht genommen. Kanzel und Altar hatten
ihre schönste Festbekleidung angelegt, und die Bildnisse oder Büsten
der Reformatoren, passende Altartransparente (Dornbach: „Hier
stehe ich!") und Inschriften') mit historischen Angaben, wie auch
bezügliche Schriftstellen vervollständigten die festliche Ausstattung
des Inneren. — In der lutherischen (böhmischen) Kirche Prags
lagen vor dem Altar Lutherschriften in 20 Folianten, sämmtlich
Ausgaben des 18. Jahrhunderts, ausgebreitet, ein sinniges Zeugniss
der hohen Werthschätzung der evangelischen Literatur, aus welcher
die heimische Kirche unter den Stürmen der Gegenreformation im
Verborgenen ihre Nahrung und Lebenskraft geschöpft hatte.
Doch den schönsten Schmuck des Festtages bildeten ohne
Zweifel die Schaaren Andächtiger, welche die Gottes-
häuser füllten. Es war erhebend, die ausserordentliche Theil-
nahme von Jugend und Erwachsenen zu sehen, die ungeachtet des
1) Festzug in Arriach, Asch, Gnesau, Goisern, Hermannseifen, Mitterbach,
Neuberg, Reichenberg, Rossbach, Watschig, Weiern, Zauchtel u. a.
*) In Bleiberg, Dombach u. a. war der Weg zur Kirche mit Alleen junger
Waldbäumchen besäumt.
») Historische Daten: Eisentratten: „10. November 1483", — ZI an rechts
▼om Altare aus der Reformationsgeschichte, links aus der österr. Kirchengeschichte
seit 13. October 1781.
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abschreckenden Wetters und der oft meilenweiten Wege *) herbei-
gekommen waren, um an heiliger Stätte sich mit Gleichgesinnten
des edlen Glaubenshelden zu freuen. Nicht minder erfreulich war
die Wahrnehmung, dass in vielen Gemeinden auch Andersgläub^e ')
und selbst Behörden ') sich eingefunden. Auch dem evangelischen
Militär ist in mehreren Gamisonsorten (Görz, Olmütz, Salzburg) die
Theilnahme an der gottesdienstlichen Festfeier ermöglicht worden.
Waren die Gemüther schon durch den symbolischen Fest-
schmuck und den Anblick der ungewöhnlichen Versammlung gehoben,
so wurden sie durch den nun folgenden herrlichen Festgottes-
dienst vollends zu freudigster Begeisterung fortgerissen. Derselbe
begann mit der in den meisten lutherischen Gemeinden nur an den
höchsten Festtagen üblichen Antiphone, oder einem Lobgesange,
worauf eine solenne Liturgie*) mit passenden Gebeten und Bibel-
lectionen (wobei vielfach auf von Luther selbst besonders beliebte
Schrifstellen *) Rücksicht genommen wurde) nebst Ablegung des
apostolischen Glaubensbekenntnisses (Trebesing, Zlan. Gallneukirchen,
Linz, Thening u. a.) folgte. An die Bibellection schloss sich in
den Gemeinden, wo eine Auslegung des Altartextes noch gebräuch-
lich ist (Attersee u. a.), eine die Bedeutung der Feier beleuchtende
Altarfestrede an. Anderwärts, wie z. B. in St. Ruprecht, wurden
nach der Altarliturgie Züge aus Luther's Leben mitgetheilt. Den
Uebergang zum Haupttheile des Gottesdienstes, zur Predigt, bildete
in fast allen Gemeinden Luther's Kampf- und Siegeshymnus: ,Ein'
feste Burg ist unser Gott,* hie und da auch mit Posaunenbegleitung
1) Z. B. die Mitglieder der vacanten Gemeinde Ober-Dubenky betheiligten sich an
der Gottesdienstfeier in dem vier Standen entfernten Gross-Lhota.
') So in Bleibergf Dombach^ Eisentratten (unter 1500 Theilnehmern V« Katholiken),
Marburg, Pettau, Schladming, Salzburg, Gablonz, Hermannseifen, Pilsen, Reichenberg,
Zauchtel, Wsetin, Olmütz, Freiwaldau, Wr.-Neustadt, Laibach, Cilli u. a.
•) In Asch, Aussig a. d. E., Bielitz, Bleiberg, Olmütz, Reichenberg.
*) Grosse Liturgie in Gnesau, Linz, Gmunden, Scharten (zum ersten Male), mit
Benützung des liturgischen Theiles des Natorp-Rink*schen Choralbuches. — In Attersee
wurde hierbei Herold's Schrift : „Liturgische Vesper zur 400jährigen Gedächtnissfeier*
benfitzt. — In Graz: altlutherische Altarliturgie.
Luther's Lieblings psalm n8 in Gosau, Linz u. a. — i. Thess. 4, 13 — 17:
der Ton Bugenhagen bei Luther's Beerdigung gebrauchte Leichentext in Attersee.
— Luther's letzter Predigttext, Matth. I|, 15 — 16 in Gnesau. Zum liturgischen
Theile wurde das Lied Nr. 82 aus dem Liederbuche für Sonntagsschulen von H. Meyer
und L. Tiesmeyer gesungen.
4*
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(Wien, Brunn, Olmütz, Graz — hier zugleich mit Glockengeläute — ,
Krakau, Lemberg), wie denn dieser gewaltige Choral an den Fest-
tagen in verschiedenen Sprachen in den weiten Gauen Oesterreichs
angestimmt wurde.
Zur grösseren Verherrlichung der Gedenkfeier haben es die
meisten Kirchengemeinden an Bemühungen nicht fehlen lassen, aus
ihrer Mitte eigene Gesangschöre, hier Kinder- *), dort Männer- '),
anderwärts wieder sogar gemischte Chöre ■) zu errichten, eine Auf-
gabe, welche namentlich in ländlichen Gemeinden nicht leicht durch-
zuführen war und zu deren erfolgreicher Lösung wiederum die
evangelischen Lehrer in unverdrossener Mühewaltung die Haupt-
sache beigetragen haben. Und wo zu diesem schönen Zwecke die
eigenen Gesangskräfte nicht ausreichten, da haben auswärtige
Gesangvereine *) oder Musikkapellen *) bereitwilligst die Mitwirkung
beim Festgottesdienste übernommen. Auf diese Weise hat das
Gottesdienst -Programm vieler Orte durch Einlagen von Gesangs-
vorträgen, Wechselgesängen, Festeantaten eine vortheilhafte Be-
reicherung erfahren.
Als Beleg hiefiir sei das Programm angeführt, nach welchem
die Lutherfeier in der evang. Kirche A. C. in Tri est (gemein-
schaftlich mit der Kirchengemeinde H. C.) eingerichtet gewesen:
I. Gemeindegesang: Nr. 5 V. i (Württemb. Gesangb.) , Womit soll
ich Dich wohl loben* u. s. w.; 2. Altardienst: Gebet, Sonntags-
Collecte, Epistel i. Thess. 4, 13 — 15 (Vicar Jurany H. C.) ; 3. Gemeinde-
gesang: V. 2 des obigen Liedes; 4. Altardienst: Festgebet (Pfr.
Medicus A. C); 5. Chorgesang: »Lob des Herrn*, von J. Clarke;
6. Predigt und Gebete; 7. Chorgesang: »Lobe den Herrn*, von
Joh. Seb. Bach; 8. Altardienst (Medicus); 9. Gemeindegesang:
»Ein* feste Burg*; 10. Segenswunsch. Die Kirchengemeinde Blei-
berg erhielt zu diesem Jubelfeste von ihrem ehemaligen Pfarrer
1) Kinderchöre in BohusIawitK, Gross-Lhota, Opatowitz, Zauchtel a. a.
') Männerchöre: Asch, Reichenberg, Scharten, Trebesing, Zauchtel u. a.
') Gemischte Chöre: Attersee, Gmunden, Goisem, HalUtatt, Ischl, Wr.Neu*
Stadt, Ramsau, Vöcklabnick, Wien u. a.
*) Aussig, Bleiberg, Brunn (unter Leitung des Dirigenten Kitzler), Dombach,
Eisentratten, Graz, Hermannseifen, Krakau, Lemberg, Olmütz (Opernkräfte), Pilsen,
Rossbach, Trebesing u. a.
>) Neuberg, Olmütz (k. k. Militärkapelle), Zlan.
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Ed. Schmidäg sechs passende GelegenheitsHeder, von denen zwei
beim Gottesdienste zur Verwendung kamen *).
Selbstverständlich bildete den Kernpunkt der Festgottesdienste
die Predigt *) des durch Dr. Martin Luther wieder zu Tage
geförderten lauteren Gotteswortes. Aus den begeisterten Herzen
der Festprediger floss inniger Dank gegen Gott, der einen schlichten
thüringischen Bergmannssohn zu seinem Rüstzeuge sich auserwählt
und durch dasselbe der ganzen civilisirten Welt, namentlich aber
unserer theuren Kirche einen unerschöpflichen Segen bereitet hat.
Es ist unmöglich, im Rahmen eines knappen Festberichtes auf alle
die treffenden Gedanken, ergreifenden Schilderungen, erbaulichen
Ermahnungen der einzelnen Predigten einzugehen; nur so viel sei
bemerkt, dass alle Festredner redlich bemüht waren, ihrer Aufgabe,
Luther's Leben und unvergängliche Bedeutung dem heutigen Ge-
schlechte nachdrücklich zum Bewusstsein zu bringen, vollauf gerecht
zu werden. Es verdient angesichts der leidigen nationalen Wirren
ausdrücklich hervorgehoben zu werden, dass die Prediger slavischer
Zunge überdies die Gelegenheit benützten, um in voller Ueberein-
Stimmung mit ihren Gemeinden vor ihren nichtevangelischen Lands-
leuten laut und offen Zeugniss abzulegen für den deutschen Re-
formator, dessen Culturarbeit nicht dem deutschen allein, sondern
namentlich auch dem böhmischen Volke einen Segen gebracht, an
dem heute noch selbst Diejenigen zehren, welche in nationaler
Verblendung sich gegen alles , Lutherische* und somit j^Deutsche*
ablehnend verhalten.
Das der Predigt sich anreihende Kanzelgebet brachte vor
Gottes Thron heisse Fürbitten der evangelischen Gemeinden für
den erhabenen Schirmherrn unserer Landeskirche, Se. Majestät den
Kaiser Franz Joseph I. und sein durchlauchtigstes Herrscherhaus.
In zahlreichen Gemeinden ') wurde im Anschlüsse an den
Hauptgottesdienst das hl. Abendmahl gespendet, wobei man dank-
*) Siehe Anhang.
*) Die Texte und die Dispositionen der am il. November 1883 gehaltenen
Festpredigten, so weit wir zu deren Kenntniss gelangten, bringen wir im Anhange.
>) Bohnslawitz, Cemilov, Gallneukirchen (Text zur Beichtrede Matth. 11, 25 — 29),
Jasscna, Kfiilic, LibStät, Meran, Mitterbach, Mödling, Prag (böhmisch), Salzburg
(79 Communicanten), Scharten (Vor- und Nachmittags), Thening (108 Communicanten),
Wald und Wallern.
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bewegt Luther's gedachte, der die Darreichung dieses Sacramentes
unter »beiderlei Gestalt* der Christenheit zurückerobert hat.
Mit Gesang von Lutherliedern, Altar*Collecte und Segen wiu-de
der Vormittagsgottesdienst unter Glockengeläute und PöUersalven
geschlossen.
Wir erwähnen noch, dass in den Gemeinden der oberöster-
reichischen Diöcese anlässlich des Festgottesdieitstes ein auf die
Gedächtnissfeier bezugnehmender Hirtenbrief des Superintendenten
den Hausvätern eingehändigt wurde; wie auch, dass in nicht wenigen
Gemeinden die schon bei der Schulfeier angeführten Festschriften,
'Lutherbilder, Lutheralbums u. s. w., wo dies nicht schon früher
•geschah, nach dem Vormittagsgottesdienste an die Schuljugend *)
vertheilt wurden und auch unter den Erwachsenen ') vielen Absatz
fanden.
Ueberdies hat das Festprogramm in einzelnen Gremeinden durch
hinzutretende kirchliche Amtshandlungen eine unverhoffte Bereicherung
erfahren. So in Reichenberg durch den Umstand, dass dem Pfarrer
Ergenzinger am Geburtstage Luther's ein Sohn geboren vmrde, der
-am 'II. Nov. nach dem Vormittagsgottesdienste vom Hofprediger
Dr. Bernhard Rogge aus Potsdam die hl. Taufe erhielt, wobei das
•Presbyterium in Stellvertretung der ganzen Gemeinde, welche als
solche die Pathenstelle vertrat, den Taufetein umstand. Der Täufling^
•erhielt die Namen Martin Bernhard Oswald. In Cernilov und
Kti2lic wurde je eine katholische Person in die Gemeinde auf-
genommen. In Mitterbach fand vor dem Gottesdienste die Ein-
weihung der Tags zuvor gepflanzten Lutherlinde mit dem Lobgesange
.,Lobe den Herrn, den mächtignen König* u. s. w. und eine Weihe-
rede über Col. 3, 17 am Kirchplatze statt; nach dem Gottesdienste
wurde ein Brautpaar eingesegnet.
In dem Rahmen des Fostgottesdienstes wurde namentlich dort,
wo die Veranstaltung einer Schulfeier nicht möglich gewesen, auf
die geistlichen Bedürfnisse der anwesenden Schuljugend noch
im Besonderen Bedacht genommen. In Tressdorf, Nasswald, Feld,
1) In Feld, Görz, Gr.Lhota, Gn«sau, HallsUtt, Ischl, Linz, MödUng, OlmüU.
Steyr, Vöcklabruck, Weiern u. a. erhielt jedes Schulkind eine Festschrift.
*) In Goisern (300 Expl.), Gosau, Görz, Attenee, Feld, Triest (200 Expl.),
Vöcklabrack, Weiern, St, Ruprecht (auch 28 Expl. „Evangelien-Predigten aus Luther s
Postille*«) u. s. w.
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Gnesau, Görz, Mödling wurde den Kindern in einer passenden An-
sprache die Bedeutung des Tages nahegelegt. Auch in den anderen
Gemeinden hat die Schuljugend sich an der gottesdienstlichen Feier
der Erwachsenen sehr eifrig betheiligt.
Das bei der iLutherfeier eingegangene Festopfer wurde zu-
meist kirchlichen Stiftungszwecken gewidmet, oder diente zur Deckung
der Auslagen für Festschriften' u. s. w. (Cernilov, Ramsau). In Triest
ward eine Festcollecte für die Armen veranstaltet, welche 107 fl.
ergab. In Mödling wurden am Festtage Mittags die Armen der
Gemeinde gespeist.
Doch einige evangelische Gemeinden konnten den Jubeltag
nicht in festlicher Weise begehen, da in ihnen damals die Pfarr-
stelle erledigt war. Nicht alle waren so glücklich, einen Festpredtger
zu finden, wie Gablonz, wo Cand. theol. Härtig aus Leipzig den
Vormittagsgottesdienst leitete, oder Steyr, wo Pfr. Koch aus Linz
einen Nachmittagsgottesdienst abhielt; manche mussten sich mit
einfachen Lesegottesdiensten begnügen, wenn sie, der grossen Ent-
fernung wegen, nicht in der Lage waren, sich am Festgottesdienste
in einer Nachbargemeinde zu betheiligen. So wird aus Rybnik
(Böhmen) berichtet: ,Mit Thränen in den Augen, eine Heerde ohne
Hirten, feierten wir den 400jährigen Geburtstag Luther's mit einer
schlichten Andacht, wobei ,Ein' feste Bui^ ist unser Gott* an-
gestimmt, der 44. Psalm und eine Predig^ aus Sartorius' Postille
über Matth. 24, 15 — 28 vorgelesen wurde. Mit dem Gesänge von
,Herr Gott, Dich loben wir* endete die überaus einfache Feier,*
Auch in den von ihren Muttergemeinden weit abgelegenen Filialen
konnten nur Lesegottesdienste statthaben ^). So wurde in Ischl eine
Predigt von Römheld über Gal. 5, i vom evang. Lehrer gelesen.
Wo es die localen Verhältnisse gestatteten, wurde auch eine
kirchlich e Nachmittagsfeier veranstaltet. Darüber ist Folgendes
zu berichten: In Eferding.Scharten, Steyr, Thening, Asch, Bohuslawitz
und im Lutherstifle zu Königgrätz fand .ein feierlicher Festgottesr
dienst der Gemeinde mit Gesang, Altarliturgie und Predigt statt;
anderwärts, wie in Jassena, Olmütz, Gross-Wrbka, Hermannseifen
(im Schulhause), KfiXlic, Libitat (im Pfarrhause), Hallstatt, Ischl
und Attersee ein Gottesdienst für die Schuljugend mit einer An-
^) Ein solcher wurde auch in Neuberg abgehalten, während der grösste Theil
der Gemeinde sammt Pfarrer und Presbyterium bei der Lutherfeier in Asch zugegen war.
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Sprache an dieselbe und Erzählungen aus Luther's Leben, passenden
Chören und Declamationen. In Attersee fand nach kurzer Liturgie
und Gebet und einer Ansprache des Pfarrers über i. Sam. III eine
Festkatechese durch den Lehrer statt; die von den Kindern vor-
getragenen Gedichte waren der von Dr. Braun herausgegebenen
Sammlung: ^Martin Luther*, die Kinderchöre der vom oberösterr.
Superintendenten den Lehrern zugesandten Schrift: , Lutherfeier*
entnommen.
In einigen Gemeinden gestaltete sich der Nachmittagsgottes-
dienst zu einer erhebenden liturgischen Feier, welche auf die An-
wesenden um so mächtiger wirkte, als sie in künstlerisch vollendeter
Form nur äusserst selten geboten werden kann. Nach einem sehr
reichhaltigen Programm wurde dieselbe in Gmunden abgehalten,
wo freie Vorträge über Luther 's Leben mit Gesängen der Gemeinde
und des Kirchenchors abwechselten. Der liturgische Gottesdienst,
welcher von 2 — 4 Uhr dauerte, nahm hier folgenden Verlauf: Nach
dem Gemeindegesange »Ach, Gott vom Himmel sieh' darein*
(Str. I, 3, 4) warf der Ortspfarrer einen kurzen ^^ Rückblick auf das
Ende des Mittelalters, die Vorläufer Luther's, ferner dessen Geburt,
Jugend und Klosterleben*. Hierauf sang der Kirchenchor: »Der
Winter ist vergangen* u. s. w., worauf der Pfarrer die »Frucht
des Klosterlebens in Erfurt* schilderte. Nach dem Gemeindegesange
»Aus Gnaden soll ich selig werden* u. s. w. folgte ein Vortrag
über »Luther als Professor und Prediger in Wittenberg, seine
95 Thesen und seine Romreise*. Nun stimmte die Gemeinde an:
»Wachet auf, ruft uns die Stimme* u. s. w. Damach wurde die
»erste These* verlesen, und auf die Busse als den Anfang aller
Predigt hingewiesen; worauf der Kirchenchor das »Bussgebet* zum
Vortrage brachte. Den alsdann entwickelten Gedanken über »die
Wirkung der Thesen und das Evangelium von der Gnade und
Herrlichkeit Gottes* gab auch das nun von der Gemeinde gesungene
Lied »Wie herrlich strahlt der Morgenstern* feierlichen Ausdruck.
Nun folgte die Schilderung der »Thätigkeit Luther's von 1517 — 1521*
und sein Bekenntniss vor dem »Reichstage in Worms*, worauf der
Chor mit der Strophe aus Luther's Choral »Mit uns'rer Macht ist
nichts gethan* antwortete. Die folgende Strophe desselben Chorals,
von der Gemeinde gesungen, bildete den Uebergang zu der Dar-
legung der »Acht über Luther*, dessen getroste Zuversicht nun in
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dem Liede »Und doch will ich verzagen nicht* lauten Ausdruck
fand. Nach einer Besprechung der stillen Tage , auf der Wartburg*
leitete der Gemeindegesang von ,Ja, Herr Jesu, bei Dir bleib'
ich* u. s. w. zum weiteren Vortrage »Die Bibelübersetzung* über,
wornach die Gemeinde »Herr, Dein Wort die edle Gabe* u. s. w.
anstimmte. Dann schilderte der Pfarrer »Luther's weiteres Wirken,
seine seelsorgerliche Thätigkeit zur Pestzeit 1527*, und die Gemeinde
sang: »Es ist ja, Herr, Dein Geschenk und Gabe* u. s. w. Nach-
dem »Luther als Liederdichter* gewürdigt ward, trug der Chor
»Gott ist mein Lied* u. s. w. vor. Der nächstfolgende Vortrag
hatte zum Gegenstande die Entstehung des »Katechismus*, »Luther's
Aufenthalt in Coburg, dessen Lebensabend und Tod*, worauf der
Choral »In meines Herzens Grunde* von der Gemeinde gesungen
wurde. Die drei letzten Ansprachen enthielten neben »Lob und
Dank* gegen Gott für Alles, was er durch Luther gethan, die
Bitte, dass »wir bei ihm* und »er bei uns* bleiben möge, und
wurden vom Chorgesange »Sei Lob und Ehr' dem Höchsten* u. s. w.
und dem Gemeindegesange von »Lass' mich Dein sein und bleiben*
u. s» w. an passenden Stellen unterbrochen. Nach dem Schlusschore
»Ach bleib' bei uns, Herr Jesu Christ* ertheilte der Pfarrer den
Segen und wurde der Gottesdienst mit dem Liede »Ach bleib' mit
Deiner Gnade* beendet. Zu bemerken ist noch, dass der vom
hannoverschen Lehrer Theodor Meyer geleitete Kirchenchor, in
welchem bei dieser Feier auch Ihre Königl. Hoheit, die Prinzessin
Mary von Hannover mit ihren Hofdamen mitwirkte, Vorzügliches
leistete. Zur Melodie des ersten Chores (von A. Schröder ursprünglich
fiir das Weihnachtslied »Ihr Christen auserkoren*) wurde im Hinblick
auf einige Verszeilen in Luther's erstem Liede der Text gegeben :
gDer Winter ist vergangen, Lass' uns im Lichte wallen.
Der Sommer vor der Thilr*, Erhalte uns Dein Wort,
Die holden Bltimlein prangen, Dir möge froh erschallen
Die Sonne strahlt herfür. Das Loblied fort und fort.
Die bist Du, Christ, alleine, Lass' uns als Blümlein prangen
Dein Licht durchbricht die Nacht, Zu Deiner Zier und Ehr',
Dass ob dem hellen Scheine Und treulich fortan hangen
Der Frommen Herze lacht. An Dir und Deiner Lehr'.*
(Fr. Koch.)
Die Choräle, welche der Kirchenchor zu singen hatte, wurden
nach Bach'scher Bearbeitung vorgetragen. — In Wallern wurde
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-die liturgische Feier nach dem in R. Herros^'s Verlage in Witten-
berg erschienenen Muster »Liturgischer Gottesdienst zur Lutherfeier*
abgehahen. Da dasselbe wohl nicht allgemein bekannt sein dürfte,
wollen wir auch hier eine knappe Skizze des Gottesdienstverlaufes
beifügen:
Gemeindegesang: , Komm, heiliger Geist, Herre Gott!* u.s.w.
Geistlicher: »Der Herr sei mit euchl*
Gem.: »Und mit Deinem Geiste.*
Geistl. : Betet an den Herrn im heiligen Schmuck, Hallelujah.*
Gem.: »Es furchte ihn alle Welt. Hallelujah."
Geistl.: »Der Herr hat Grosses an uns gethan. Hallelujah.*
Gem.: »Der Herr hat Grosses an ims gethan, des sind wir
'fröhlich. Hallelujah.*
Geistl.: »Lobe den Herrn meine Seele, Hallelujah.*
Gem.: »Und vergiss nicht, was er Dir Gutes gethan hat, Hallel.*
Collectengebet,
Gem.: »Du werthes Licht, gib uns Deinen Schein* u. s. w.
Ansprache.
(An die Ansprache wurde die Verlesung des in der Fest-
nummer der »Allg. ev.-luth. Kirchenzeitung* enthaltenen Bekennt-
nisses Dr. M. Luther's vom Jahre 1529 und des letzten Gebetes
Luther's geknüpft.)
Chorgesang,
Gem.: »Es wolle Gott uns gnädig sein* u. s. w.
Erste Vorlesung:
Die Noth der Kirche.
Gem.: »Ob bei uns ist der Sünde viel* u. s. w.
Zweite Vorlesung:
Das Erbarmen des Herrn.
Gem.: »D'rum spricht Gott: ich muss auf sein* u. s. w.
Dritte Vorlesung:
Die Sendung Luther's und die Predigt des Evangeliums.
Gem.: »Nun freut euch, lieben Christen gemein* u. s. w.
Vierte Vorlesung:
Der Kampf der Kirche.
Gem.: „Ein* feste Burg ist unser Gott" u. s. w.
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'Fünfte Vorlesung:
Der Sieg der Kirche.
Gem.: »Und wenn die Welt voll Teufel war'* u. s. w.
Freies Gebet,
Gem.: „Das Wort sie sollen lassen stah'n*' u. s. w.
Collectengebet.
Segen.
Gem.: „Es danke Gott und lobe Dich** u. s. w.
Auch in Ruzenmoos fand ein liturgischer Nachmittagsgottes-
dienst statt, welchem die , Andacht zum Lutherfeste* von Fr. Zimmer,
kgl. Musikdirector in Osterberg, und Lic. Dr. E. Sommer, Pfarrer
zu Stendal, zu Grunde gelegt war. Es wechselten Liturgie, gemischter
Chor, Solis und Gemeindegesänge ab. Verlesen wurde Ps. 130, i — ^3 ;
51, 12—13; Jes. 43» 25; Jer. 58, i— 12 ; Joh. 2, 13—17; Amos 8, 11;
Mich. 4, 2; Ps. 25, 8—9; Jes. 48, 17 — 18; Col. 3, 10; Jak, i, 21;
Rom. 3, 14 — 26. Der Ortspfarrer hielt dann eine Ansprache über
flLuther's Leben als Vorbild für unser Gemeinde- und Geistesleben*.
Mit dem Liede »Ein* feste Burg* wurde die Feier geschlossen.
Doch auch in anderer Weise wurden die Nachmittags-
stunden zur Belehrung und Erbauung des evangelischen Volkes
verwerthet. In Ramsau hielt Pfr. Diez in der Kirche einen Vortrag
über Luther's Leben und Wirken. In Goisern wurde Luther's
Leben aus dem württemberger Gesangbuche vorgelesen. In Gosau
wurde ein Vortrag über Luther's Katechismus gehalten. In Neu-
kematen wurde Luther in seinen äusseren Erscheinungen als
Mensch, Familienvater und Freund in kurzen Skizzen behandelt, um
manchen Irrthümem, die über ihn in der katholischen Welt ver-
breitet sind, entgegenzutreten. InHumpoletz wurden die berühmten
95 Thesen vorgelesen und erläutert. In Rossbach wurde Luther's
Eheschliessung und deren Bedeutung für das christliche Familien-
leben in einer kurzen Rede beleuchtet. Der Pfarrer von Trnävka
(Böhmen) hat den Anlass der am Nachmittage stattfindenden Ein-
weihung der öffentlichen Schule in fteöany wahrgenommen^ um
Luther's Verdienste auf dem Gebiete der Schule und Volksbildung
in's rechte Licht zu stellen. Es wäre überflüssig, noch besonders
hervorzuheben, dass auch die Nachmittagsfeier in allen ihren Formen
sich einer ausserordentlichen Theilnahme zu erfreuen hatte.
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Die kirchliche Lutherfeier hat inGallneukirchen und M e r a n
mit Abendgottesdiensten ihren Abschluss erhalten. In der
ersteren Gemeinde ward nämlich im evangelischen Krankenasyle
im Kreise der Schwestern und Kranken und der übrigen Haus-
gemeinde noch eine Feier veranstaltet, in welcher der Trost des
Evangeliums fiir Kranke und Sterbende an Luther's Lehre, Leben
und Sterben gezeigt wurde, während in Meran sich im hellerleuch-
teten Betsaale eine dichtgedrängte Versammlung einfand, um einem
liturgischen Gottesdienste anzuwohnen und sich an einer über
Ps. 84, 6 — 8 gehaltenen Ansprache zu erbauen, in welcher der i. im
Leben mit Gott ringende, 2. im Glauben für Gott streitende, 3. im
Segen durch Gott siegende Luther als Vorbild Denen, die mit Gott
streiten und durch Gott siegen wollen, vorgehalten wurde.
Wie am Vortage, so wurden auch am 11. November dem
Manne zu Ehren, der selbst ein Freund gemüthlicher Geselligkeit
gewesen, ja der ohne diese seine liebenswürdige, rein menschliche
Gemüthsseite in seiner ganzen Grösse und Vielseitigkeit kaum gebüh-
rend gewürdigt werden könnte, Gedenk feste frei -geselliger
Natur veranstaltet. Die erhebenden, tieferbaulichen und an ernsten
Momenten so reichen Festtage sollten nicht vorübergehen, ohne dass
die Verehrer Luther's sich noch einmal, und zwar diesmal zu unge-
zwungenem Gedankenaustausche, verbunden mit lieblichem Sänge
und der von Luther selbst hochgehaltenen „edlen Musica", um die
Manen des in seinem trauten Heim so kindlich frohsinnigeri Menschen
und Familienvaters versammelten. Dass es auch da an begeisternden
Ansprachen, die aus evangelischem Geiste entsprungen, an lehr-
reichen Vorträgen, kernigen Trinksprüchen, für Geist und Gemüth
reichen Genüssen nicht mangelte, das bezeugen die Berichte, welche
uns über den Verlauf der geselligen Feier vorliegen.
Bevor wir aber diese vorführen, wollen wir einer anspruchslosen,
doch freundlich schönen Abendfeier gedenken, die wie eine liebliche
Idylle sich hoch droben unter dem Dachstein abgespielt hat. In der
ganz evangelischen Gebirgsgemeinde Ramsau wurden am Abend
Kirche und Pfarrhaus mit passenden Transparenten und Luther-
Lampions (aus Bonn) illuminirt. Es soll die erste Illumination gewesen
sein, die Ramsau je gesehen hat. (Den Abend zuvor wurden an
allen höher gelegenen Punkten des Thaies mehr als 50 Freudenfeuer
angezündet.) Nochmals umwogte eine ansehnliche Schaar fest-
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begeisterter Gemeindeglieder die einen Bau bildenden Gebäude
und lauschte andächtig dem Sänge, den ein eigens fiir dieses Fest
gebildeter gemischter Chor Dem zu Danke anstimmte, der uns
unseren Luther geschenkt und dem von ihm wieder zur Geltung
gebrachten lauteren Gottesworte vor loo Jahren auf der Ramsau
eine Heimstätte gründen geholfen.
Wir lassen nun die Berichte über die gesellige Lutherfeier
des II. November folgen *). Aus Aussig a. d.E. •) wird gemeldet :
Abends wurde im Saale des Schiesshauses ein Festmahl abgehalten,
an dem sich 130 Personen, darunter auch ein Kranz von Damen,
betheiligten. Von den vielen Toasten, die dabei gesprochen wurden,
sei hier nur der des Curators auf Se. Majestät den Kaiser als den
treuen Schutzherm der evangelischen Kirche, der des Ortspfarrers
auf die Gemeinde und des Reichsrathsabgeordneten Wolfrum auf
die Stadtvertretung und Bürgerschaft von Aussig erwähnt. Durch
eine bei diesem Festmahle veranstaltete Sammlung, welche über
100 fl. ergab, wurde der Grundstein zur Erbauung eines evan-
gelischen Pfarrhauses in Aussig gelegt. — Ebenfalls in Bielitz
und Lemberg') wurde ein sehr zahlreich besuchtes Lutherfest-
banket abgehalten und bei letzterem die zur Ausschmückung der
Kirche verwendeten Kränze und Kranzschleifen, nebst einer Christus-
und Luther - Statuette zu Gunsten des Lehrer -Pensionsfonds ver-
steigert. — In Freiwaldau*) wurde die Lutherfeier mit einer
geselligen Zusammenkunft beschlossen, an welcher sich ausser den
Mitgliedern der Gemeinde auch eine nicht unbedeutende Anzahl
Andersgläubiger betheiligte. Der Zweck war, wie Pfr. Brudniok in
einer Ansprache betonte, eine Stunde im Sinne unseres Luther's zu
verbringen, und, so wie er im Kreise der Seinen gern gethan, sich
der edlen Musica, die er, wie er selbst sagt, allezeit lieb gehabt,
zu erfreuen. Das reichhaltige Programm wurde damit eröffnet, dass
sämmtliche Anwesende stehend den ersten Vers des Lutherliedes
»Ein' feste Burg* sangen. Hieran reihten sich Ciavier- und Gesangs-
vorträge, die von einigen Damen der Gemeinde ausgeführt wurden
und mit Declamationen über Luther's Leben und Wirken, von evang.
*) Uebcr die Festivitäten in Asch werden wir an anderer Stelle referiren.
*) „Oesterr. Evangel. Sonntagsblatt* v. 16. Dec. 1883, Nr. 24.
») Nach dem „Oesterr. Protestanten" vom 10. Dec. 1883, Nr. 23.
<) Ebend.
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Schülern und Schülerinnen vorgetragen, abwechselten. Der letzte,
gemeinsam gesungene Vers des Lutherliedes schloss die schöne
Feier, die bei aller Einfachheit auf alle Gemüther höchst erhebend
gewirkt hat. — In ähnlicher Weise ist die in Olmütz (im Hotel
Lauer) veranstaltete gesellige Feier, bei welcher sich nebst vielen
Einheimischen auch liebe Festgenossen aus der weiten Diaspora
eingefunden hatten, verlaufen. Ernste Vorträge und Mittheilungen
wechselten mit gesanglichen und musicalischen Productionen, wobei
die besten Kräfte der hiesigen Bühne und der k. k. Regiments-
Capellmeister Kaiser, der sich schon um den musicalischen Theil
des Festgottesdienstes verdient gemacht, in hervorragender Weise
mitwirkten. Die zur Vertheilung gelangte treffliche Festpredig^t,
welche Pfr. Klebek aus Brunn bei der im Juni 1883 in Olmütz
abgehaltenen Jahresversammlung des mähr. Zweigvereins der Gustav-
Adolf-Stiftung gehalten, und das Lutherbüchlein von B. Rogge
erzielten eine nicht unbedeutende Einnahme, die in Folge Beschlusses
des Presbyteriums dem im Entstehen begriffenen Pensionsfonds für
die deutschen Stadtprediger Mährens zugewendet wurde. — Auch
in Innsbruck erfreute sich die gesellige Lutherfeier eines starken
Zuspruchs, und gab ihr freundlicher Verlauf Zeugniss von der
begeisterten Stimmung, welche das Fest des Reformators auf dem
erst frisch eroberten Boden Tirols geweckt hat. — Aus Graz
berichtet der „Oesterr. Protestant* 1883, Nr. 22: Abends versam-
melten sich die Mitglieder und Freunde der evangelischen Gemeinde
in den grossen Räumlichkeiten der Steinfelder Säle. Musikstücke
wechselten mit Reden. Zunächst begrüsste Curator Förster von der
mit prächtigem Grün und Luther's Büste geschmückten Redner-
tribüne aus in herzlicher Weise die grosse und seltene Versammlung.
Dann bestieg Professor Dr. Reissenberger die Tribüne und behan-
delte in einstündiger Rede das Thema: „Luther der Stifter unserer
Kirche, Luther der Held unserer Nation". Die zweite Rede wurde
vom Redacteur Dr. Rullmann gehalten, indem er in scharfen Zügen
ein Bild von Luther's Charakter entwarf. Mit der Schlussrede des
Seniors Dr. Leidenfrost, worin er andeutete, wie viel sich noch über
Luther sagen Hesse, und die Frage beantwortete : „Was nehmen wir
mit von diesem Feste?" schloss die erhebende Feier. — In Hermann-
seifen wurde, schreibt das ,Trautenauer Wochenblatt* unter'm
19. Nov. 1883, Nr. 47, für die Schulkinder und die confirmirte
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Jugend am Nachmittage des ii. Nov. eine freie Zusammenkunft in
der Schule veranstaltet, welche den Zweck hatte, den Nachwuchs
der Gemeinde mit dem Begründer der deutschen Kirche bekannt
zu machen. Die Versammlung begann mit Gebet und kurzer Aus-
legung eines Bibelwortes durch den Pfarrer. Dann wechselten mit
fröhlichem Gesänge kirchlicher .und Volkslieder freie Ansprachen,
Erzählungen aus Luther's Leben und Declamationen in gebundener
Rede. — Ueber die in Rossbach anlässlich der Luthertage statt-
gehabte Geselligkeit erfahren wir die folgenden Details : Nach einem
Fackelzuge und nochmaliger Häuserbeleuchtung fand um 8 Uhr
gesellige Zusammenkunft statt in einem Saale, wo der Männergesang-
und Musik- Verein abwechselnd Vorträge hielten. Nach einem ein-
leitenden Festgedichte von Oberlehrer Wölfel trug Lehrer Splichal
einen Abriss von Luther's Lebensgange vor ; 12 Knaben und 12 Mäd-
chen declamirten Luthergedichte: Luther in Möhra, Eisenach,
Worms u. s. w., und der Pfarrer erzählte schliesslich aus eigener
Wahrnehmung von den Sehenswürdigkeiten im historischen Witten-
berg. Um 12 Uhr endete die Unterhaltung. Das Reinerträgniss wurde
verwendet zum Ankaufe biblischer Geschichten fiir arme Kinder.
— Noch möge hier über das in Reichenberg am 11. Nov. ver-
anstaltete Festbanket nach der „Reichenberger Zeitung" vom 13. Nov.,
Nr. 263, berichtet werden. Dieses Bank et „gestaltete sich zu einem
der erhebendsten Feste, welche jemals in unserer Stadt begangen
wurden : erhebend nicht allein durch die Weihe des Tages, sondern
durch das erwiesene einige Zusammenstehen der Gebildeten aller
Confessionen unserer Stadt, wie nicht minder durch die Anwesenheit
einer hervorragenden Persönlichkeit auf evangelisch-theologischem
Gebiete, des kön. preussischen Hofpredigers in Potsdam, Herrn
Dr. Bernhard Rogge. Der Schiesshaussaal, in welchem sich diese
Festlichkeit abspielte, wies eine der Gedenkfeier entsprechende, sehr
gelungene Decoration auf. Der Stiegenaufgang an der Schmalseite
des Saales zeigte unter schwarz-roth-goldenen Draperien in einem
Haine von exotischen Gewächsen die Büste des gefeierten Refor-
mators ; an der entgegengesetzten Seite des Saales waren in schwarz-
gelben Draperien die Büsten des Kaiserpaares zu Seiten der Büste
Kaiser Joseph IL angebracht. An dem die Mitte des Saales einneh-
menden Ehrentische waren die Spitzen der städtischen und landes-
fürstlichen Behörden, das Stadtverordneten-CoUegium, das Presb5^erium
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der evangelischen Gemeinde, der Cultusvorstand der israelitischen
Gemeinde, der Obmann der Bezirksvertretung, die Vertreter der Presse
und hervorragender Vereine piacirt. Den Vorsitz führte der Curator
der evang. Gemeinde, Herr Oswald Gnörich, ihm zur Rechten
nahm der Ehrengast, Herr Hofprediger Dr. Rogge, den Ehrenplatz ein.
Herr Gnörich .eröffnete den -Festabend mit einer Ansprache,
in der er der Festlichkeiten gedachte, welche die evang. Gemeinde
im Laufe der Jahre in Friede und Einigkeit mit allen Bewohnern
dieser Stadt bereits gefeiert hat. Er begrüsste die Erschienenen auf
das Herzlichste und wies darauf hin, dass die heutige Feier, gleich
jener des Toleranzfestes im J. 1881, als eine deutsch-nationale Feier
zu betrachten sei, denn sie gelte nicht allein dem Reformator,
sondern auch dem deutschen Manne M. Luther. Sein Hoch gilt
dem Kaiser Franz Joseph L, der erst vor Kurzem wieder die
Protestanten seines Schutzes versichert hat. Die Versammlung er-
hebt sich und die Klänge der Volkshymne durchbrausen die Räume.
Herr Pfarrer Ergenzinger Hielt hierauf die Festrede. Er
gedachte des Wirkens Luther's als Reformators der Kirche, als
Erweckers des deutschen Volksgeistes und des deutschen National-
bewusstseins, als Schöpfers der deutschen Schriftsprache durch seine
Bibelübersetzung. Mit Recht betonte Redner am Schlüsse seiner
erhebenden Festrede, dass sich heute die Gebildeten aller Nationen
in der huldigenden Würdigung dieses grossen Mannes vereinen.
Die , Waffen des Geistes*, vorgetragen von den Sängern des
Reichenberger Männer-Gesangvereines und des Gesangvereines ,Lyra*,
schloss sich als würdige Folge der Festrede an.
Herr Franz Lonsky brachte hierauf der Stadtgemeinde
Reichenberg, als Förderin der evang. Gemeinde, ein Hoch. Der
Bürgermeister, Herr Ludwig Ritter von Ehrlich, mit grossem
Beifalle begrüsst, erwiderte sodann, dass die Bevölkerung Reichen-
bergs stets in Eintracht zusammengestanden, wenn eine Glaubens-
genossenschaft ein Fest feierte. Dies sei auch heute der Fall, an
dem Tage, an welchem die protestantische Kirche das 400jährige
Geburtsfest eines der grössten deutschen Männer, dieses Mauer-
brechers der neuen Zeit, feiert. Redner gedenkt der Verdienste
dieses Mannes um die Freiheit, um den Fortschritt der Wissen-
schaft, um die Förderung der Volksschule; er gedenkt seiner als
des Schöpfers der deutschen Schriftsprache, seines Mannesmuthes,
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seiner Ueberzeugungstreue und Unerschrockenheit, welche Eigen-
schaften jedem deutschen Manne als Beispiel dienen mögen. Er
wünscht, dass der Geist Kaiser Joseph IL, welcher auch die Anders-
gläubigen zu achten und zu schätzen lehrte, alle Classen der Bevöl-
kerung durchdringen möge, damit alle Confessionen in Friede und
Eintracht zusammenleben. Sein Toast gilt der ungetrübten Fortdauer
der auf gegenseitiger Achtung und wahrer Loyalität beruhenden
freundschaftlichen Beziehungen der Bürger aller Confessionen der
Stadt Reichenberg. Selbstverständlich fand dieser Toast allseitigen
lebhaftesten Beifall, der sich erst legte, als die Klänge des j^ deutschen
Liedes* den Saal durchbrausten.
Herr Lehmann brachte dem Herrn Hofprediger Dr. Rogge
ein von der Versammlung stürmisch begrüsstes Hoch, als dessen
Erwiderung der gefeierte Kanzelredner folgende Ansprache hielt:
^Hochverehrte, hochansehnliche Festversammlung! Tiefbewegt
bin ich durch den herzlichen und feierlichen Empfang, der mir schon
beim Eintritte in diese Stadt bereitet worden ist, noch tiefer bewegt
durch den herzlichen und freundlichen Erfolg, den mein armes Wort
bei Ihnen geemtet hat. Ich habe nur den einen Wunsch, dass Gott
der Herr seinen Segen lege auf dieses Wort, dass es schaffe für die
Sache unserer evangelischen Kirche in dieser Stadt, in diesem Lande,
und damit zugleich im deutschen Vaterlande, denn eines ohne das
andere zu denken, ist mir unmöglich. Gestatten Sie mir, an ein
Wort meines erhabenen Kaisers Wilhelm zu erinnern, das dieser in
entscheidender Stunde sprach: , Welch' eine Wendung durch Gottes
Fügung!* An dieses Wort bin ich in diesen Luthertagen mehr denn
einmal erinnert worden. Es ist nicht ein blosser Zufall, dass die
Nationalfeier auf dem Niederwalde, in der das hehre Standbild der
Germania sich in Gegenwart des greisen Kaisers den Blicken der
anwesenden Tausende des deutschen Volkes enthüllte, umrahmt war
von den Lutherfesten in Erfurt, Wittenberg und Eisleben. Das eine
wie das andere steht in dem innigsten geschichtlichen Zusammen-
hang. „Welch' eine Wendung durch Gottes Fügung*, als wir am
Grabe Luther's standen, als der Erbe des Deutschen Reiches an der-
selben Stelle, wo einst Karl V. stand, einen Kranz im Namen des
deutschen Volkes niederlegte! Welch eine Fügung, dass zur selben
Zeit der Erbe Ihres Kaiserhauses, Kronprinz Rudolf, der Gast des
greisen Zollernkaisers war! (Stürmische Begeisterung.) ....
Jahrbuch des Protestantismus 1886. H. II. 5
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Ich preise es als eine Gnade Gottes, dass seine Hand auch
hier in Reichenberg so sichtlich waltet, für eine Wendung durch
Gottes Fügung, dass auf diesem Boden, der getränkt ist mit dem
Blute der Märtyrer unserer Confession, auf dem Boden, auf den so
viele Thränen geflossen, von dem so Vielet hinausgejagt wurden
vom heimatlichen Herd in das Elend des Exils, dass auf demselben
Boden heute deutsche Männer aller Confessionen zusammensitzen in
friedlicher Eintracht, das Trennende vergessen und sich freuen all
des Guten und Erhabenen, was Gott uns in dem Manne geschenkt
hat, dessen Andenken wir heute feiern, in Dr. Martin Luther. Das
ist fiirwahr eine erfreuliche Wendung durch Gottes Fügung. (Stür-
mischer Beifall.)
Nun lassen Sie mich mit dem persönlichen Danke schliessen
an die Männer, die den Ruf an mich ergehen Hessen. Es hat mich
selten in meinem Leben etwas so tief bewegt und so herzlich gefreut,
als dieser Ruf. Gebe es Gott, dass die evang. Gemeinde dieser
Stadt, »der reichen Stadt auf dem Berge*, im Sinne des Wortes
des Herrn : „Es möge die Stadt, welche auf dem Berge liegt, nicht
verborgen bleiben*, eine feste Burg des evang. Glaubens werde;
gebe es Gott, dass die Bevölkerung dieser Stadt voranleuchte in
deutscher Treue, deutscher Gesinnung, Cultur und Sitte. Lassen Sie
mich mit dem Wunsche schliessen, dass diese Stadt auf dem Berge
als eine Hüterin sich bewähren möge der Errungenschaften der Re-
formation. Die evangelische Gemeinde von Reichenberg, ihr Vorstand
und ihr geistlicher Hirt, sie leben hoch!" (Donnernder, lang-
andauernder Beifall.)
Das Lied ,Die Heimat*, Chor mit Soloquartett, welches jetzt
von den Gesangvereinen zum Vortrag gebracht wurde, vermochte
trotz der exacten Durchführung nicht den Ideenaustausch zu hemmen,
den die vorhergegangene Rede entfesselt hatte. Umsomehr verdient
es, hervorgehoben zu werden, dass es dem nächstfolgenden Redner,
Herrn Rorarius, durch seine kräftig pointirte Rede auf die Ver-
einigung aller Confessionen in deutsch-nationaler Begeisterung und
freier Forschung gelang, die Aufmerksamkeit zu fesseln und grossen
Beifall zu ernten.
Nach dem Vortrage des ungemein kräftigen Abt'schen Chores
^Der Sang vom deutschen Rhein* ergriff Herr Pfr. Ergenzinger
das Wort, um, anknüpfend an die grossen Verdienste, welche die
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Buchdruckerkunst ud die Verbreitung der Lehren Luther 's und der
Bildung des Volkes zu beanspruchen hat, des Kindes jener Kunst,
der freiheitlichen, vorurtheilslosen deutschen Presse überhaupt und
der j Reichenberger Zeitung* insbesondere zu gedenken, welche das
Fest so wesentlich gefördert habe. Diese Zeitung sei ein echt
deutsches Blatt, die vielen weissen Stellen derselben, welche das
lakonische Wort ,confiscirt* tragen, weisen darauf hin, dass dort
ein freies deutsches Wort gestanden habe. Der deutschen Presse,
der „Reichenberger Zeitung* und ihrem Chefredacteur , Herrn
Dr. Oeribauer, gilt der Trinkspruch des Redners. Herr Dr. Oeri-
bauer beantwortete diesen Toast: „Wie der Gruss den Gegengruss,
so erfordert der Toast den Gegentoast. Die liberale und deutsch-
nationale Presse, welche ich in Reichenberg zu vertreten die Ehre
habe, hat das Geburtsfest Luther 's mit wahrer Begeisterung mit-
gemacht. Als ich heute Morgens den herrlichen Worten des hoch-
verehrten Hofpredigers, Herrn Dr. B. Rogge, lauschte, als ich das
Lied „Ein* feste Burg ist unser Gott" mitsang, da rührte mich vor
Allem eine Stelle dieses Liedes, welche lautet; „Das Wort sie
.sollen lassen stah'nl" Der Redner bringt in weiterer Ausführung
im Hinblick auf „diese Bitte zu Gott**, welche Luther den Gläubigen
in den Mund gelegt, und mit Beziehung dieser Bitte auch auf die
Freiheit der Presse „ein dreifaches Hoch den protestantischen Ge-
meinden und vor Allem der protestantischen Gemeinde Reichen-
bergs als Vorbittem der Pressfreiheit !**
Nachdem von der ganzen Versammlung „Das treue deutsche
Herz" gesungen worden war, Hess Herr Usinger die Gönner der
evangelischen Gemeinde, vor Allem den Gustav-Adolf-Verein, der
den Bau der Kirche und Schule ermöglichte, hoch leben. Herr
Heinrich Prade gedachte der ehrenvollen Ausnahme, dass auch
deutsche Priester sich als deutsche Männer fühlen und treu zu ihrem
Volke stehen. Diesen deutschen Priestern gilt sein Trinkspruch.
Hofprediger Rogge erklärt, den letzten Toast nicht auf sich
aliein beziehen zu wollen, es sei ihm jedoch ein Bedürfniss, der
Versammlung, in der er ihm unvergessliche Stunden verlebt, einen
herzlichen Abschiedsgruss zuzurufen mit der Bitte, auch in der Ferne
seiner gedenken zu wollen (lebhafte Zustimmung), wie er dagegen
verspreche, diesen Tag nie in seinem Leben verges.sen zu wollen.
Zugleich gedachte er noch in ausführlicher Rede des wichtigen Um-
5*
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Standes, dass Luther eine Gattin heimgeführt, wodurch das öde
Augustinerkloster zu Wittenberg zum „ersten deutschen Pfarrhause*
geworden, in dem die Hausfrau „klug und sinnig" gewaltet. Redner
toastirte auf die Hüterinnen der deutschen Sitte, die Priesterinnen
deutschen Wesens, auf die deutschen Frauen. (Grosser Beifall.)
Mittemacht war fast herangekommen, als der Vorsitzende
Herr Oswald Gnörich den officiellen Theil der Festversammlung für
erledigt erklärte.
cj Kirchliche Lutherfeier in Reichenberg und Wien. Enthüllung des
Luther- Detikmals in Asch,
Nachdem wir im Vorstehenden den Verlauf der österreichischen
Lutherfeier in ihren einzelnen wesentlichen Momenten zu schildern
versucht haben, können wir unseren Festbericht nicht schliessen,
ohne noch einiger Gemeinden im Besonderen zu gedenken, die bei
ihrer hervorragenden Stellung eine in einem weiten Rajimen durch-
geführte Lutherfeier veranstalteten, wir meinen die Gemeinden in
Reichenberg, Wien und Asch.
Was zunächst Reich enb er g anlangt, so entnehmen wir dem
bereits S. 63 citirten Berichte der »Reichenberger Zeitung* Folgendes:
Am Sonntage schon früh Morgens verkündete Glockenklang vom
Thurme der evang. Kirche das Anbrechen des Festtages. Mit dem
Frühzuge traf der kön. preuss. Hofprediger Dr. Bernhard Rogge
aus Potsdam ein und wurde am Bahnhofe vom Presbyterium und
den dazu bestimmten Comit^mitgliedern empfangen. Hierauf ver-
sammelte sich im Schulhause der evang. Gemeinde die Schuljugend,
das Presbyterium, die Gemeinde-Repräsentanz u. s. w., um sich im
Zuge zur Kirche zu begeben, welche sich mit Festtheilnehmern zu
füllen begann. Unter den Anwesenden befanden sich auch viele
Mitbürger Reichenberg's und der Umgebung von anderen Con-
fessionen. Die Kirche selbst war in einfacher, aber höchst würdiger
Weise geschmückt. Zu beiden Seiten des mit Blattpflanzen umstellten
Altars standen die Büsten Luther's und Melanchthon's, und hinter
dem Altare waren an * der Wand die Bilder von Christine und
Mathias von Rädern, welche als Besitzer der Herrschaft Friedland
vor Wallenstein die Verbreitung der Reformation förderten, aufge^
hängt. Mit Absingung des ,Herr Gott Dich loben wir* nahm der
Gottesdienst seinen Anfang, welchen der Männergesangverein »Lyra*
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durch den Vortrag einer Motette verschönern half. Den liturgischen
Theil am Altare besorgte der Ortspfarrer. Nachdem ,Ein' feste
Burg ist unser Gott" von der Gemeinde gesungen war, bestieg der
genannte Herr Hofprediger die Kanzel. Im Anschluss an den Text
2. Mos. 3, I — lo behandelte er als Thema ,Die Befreiung Israels
durch Moses ein Vorbild der Befreiung unseres Volkes durch Luther".
Er schilderte die Person, das Leben und Wirken Luther's in kräftigen
Zügen, betonte vornehmlich den inneren Zusammenhang zwischen
der Reformation und dem Deutschthum , auf welchem erstere
erwachsen. Es war eine tiefdurchdachte, herrliche Kanzelrede.
In Wien fand die kirchliche Hauptfeier am ii. Nov. in beiden
Kirchen der Gemeinde A. C. (in der Stadt und der Vorstadt
Gumpendorf) um lo Uhr Vorm. statt. Hunderte, die keinen Platz
mehr finden konnten, mussten wieder umkehren. In jeder dieser
Kirchen stand vor dem Altare eine grosse Lutherbüste, umgeben
von grünem Pflanzenschmucke. Unter den Anwesenden in der Stadt-
kirche befanden sich der Botschafter des Deutschen Reiches Prinz
Reuss mit Gemalin, der württembergische Gesandte, der Präsident
des k. k. Oberkirchenrathes , der k. k, Sectionsrath Dr. Franz in
Vertretung des k. k. Cultus- und Unterrichts-Ministers, der Curator
der Schwestergemeinde Helv. Conf. Heimann u. s. w. In der gleich-
falls dicht gefüllten Gumpendorfer Kirche wohnten dem Gottesdienste
die meisten in den westlichen Bezirken wohnhaften Mitglieder des
Presbyteriumsund der Gemeindevertretung bei.
In der Stadtkirche hielt Pfarrer Dr. Zimmermann, in der Gumpen
dorfer Kirche Pfarrer Marolly die Festpredigt. In beiden Kirchen
wurden die Lieder mit Orgel- und Posaunenbegleitung gesungen;
in der Stadtkirche fand überdies die Aufführung einer Bach'schen
Festmotette statt.
Auch in der evangelischen Garnisonskirche (Schwarzspanierstr.)
war ein Festgottesdienst, dem besonders Militärpersonen beiwohnten.
Ein Bataillon des 31. Infanterie-Regiments (Siebenbürger Sachsen)
war mit der Musikcapelle ausgerückt. Der k. k. Militär-Superintendent
Professor Dr. Seberiny hielt hier die Festpredigt. Nach Schluss
derselben intonirte die Militärcapelle die Volkshymne.
Indem wir nun zur Beschreibung der Festlichkeiten übergehen,
welche Asch den Gedächtnisse Luther's zu Ehren veranstaltete,
bemerken wir, dass unserer möglichst kurzen Berichterstattung der
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Bericht der , Deutschen Zeitung* vom i6. Nov^. 1883 und die « Fest-
schrift zur Enthüllung des Luther-Denkmals*, herausg. von der
Redaction der , Gemeinde-Zeitung für Asch und Umgebung* , zur
Grundlage diente.
Je näher die weihevollen Tage heranrückten, desto mehr gelangte
die Erregung der Gemüther zur Geltung. Am Samstag (10. Nov.)
früh verbr'eitete sich die Kunde von der hochherzigen That des
Herrn Christian Geipel, der nicht nur 500 fl. für die Armen
in Asch und Grün gespendet, sondern auch anlässlich des Luther-
festes seinen Arbeitern 30.000 fl. zur Gründung eines Pensionsfonds
gestiftet. An demselben Tage Vormittags setzte das Presbyterium
auf dem Denkmalplatz zwei Luther-Eichen. Mittags wurde das Fest
durch Glockengeläute eröffnet, gleichzeitig erfolgte der Schluss aller
Fabriken. Als Nachmittags der Zug der Schulkinder, mit Geist-
lichkeit, Lehrkörper, Stadt- und Kirchengemeinde-Vertretung, Orts-
schulrath u. s. w. von der oberen Bürgerschule sich zur evangelischen
Kirche bewegte, prangte die Stadt in schönstem Festschmucke, es
gab nicht Katholiken, nicht Protestanten, es gab nur Deutsche, die
gemeinsam die Ehrentage des Mannes begingen, der nicht blos der
Reformator der Kirche, sondern auch der deutschen Sprache und
Sitte ist. Hierauf folgte der bereits (oben S, 24) beschriebene
Gottesdienst. Die vom Alpenverein veranstaltete Höhenbeleuchtung
bot einen imposanten Anblick dar. Von allen Höhen flammten
gewaltige Feuerzeichen weit hinaus nach Böhmen, Bayern und
Sachsen, verkündend, Oesterreichs alte Protestantenstadt begehe
das Ehrenfest des deutschesten unter allen deutschen Männern.
Auch über der Stadt selbst wogte ein Lichtmeer. Lichter in ver-
schiedensten Formen aufgestellt, Transparente mit Bildern der Refor-
matoren oder mit Sinnsprüchen, Gasgirandolen und elektrisches
Licht — Alles wirkte zusammen, den Glanz des Festes zu erhöhen.
— Grossartig, wie kaum in einer Hauptstadt geboten werden kann,
gestaltete sich der vom Turnvereine veranstaltete Fackelzug, der
sich um 8 Uhr von der Gasanstalt in Bewegung setzte und durch
die Kaiser- und Egerer-Strasse bis zum Schiesshause und über den
Stein und die Schlossgasse nach den Marktplatze zog; an ihm
betheiligten sich die 32 Vereine der .Stadt mit mehr als iioo Fackel-
trägern, 3 Musikcapellen und den Hornisten der verschiedenen Feuer-
wehren. Auf dem Marktplatze, wo ein Theil der Fackeln zusammen-
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geworfen wurde, trug beim Flammenscheine der Männergesangverein
Schneeberger's , Jubellied* vor, und dann hielt Tumrath Emil
Schindler eine Rede, die tiefen Eindruck machte und mit den
Worten schloss : ^^Die Errichtung dieses Denkmales soll keine
üeberhebung gegenüber unseren Katholiken sein, sie sind Christen
und Deutsche wie wir; nicht zerklüftend soll diese Feier wirken,
sondern vereinend, um gemeinsam zu kämpfen für Gewissensfreiheit
und Deutschthum, u. s. w. Nachdem noch ein Vers des Chorals
von der , festen Burg* gesungen worden, zogen die Vereine nach
ihren Locaien und allenthalben entfaltete sich unter den Klängen
deutscher Lieder das heiterste Leben. Nicht der leiseste Misston
störte diesen Theil und den weiteren Verlauf des Festes.
Kaum wagte man am Sonntage Morgens den Augen zu trauen,
als man bemerkte, der Winter sei über Nacht eingezogen und habe
die Landschaft in eine Schneedecke gehüllt; dem Feste that dies
jedoch keinen Eintrag, munter zogen die Vereine nach dem Schiess-
hausparke, dem Sammelpunkte zum Festzuge. Als der Zug gegen
10 Uhr bei dem verhüllten Denkmale anlangte, war dort schon sehr
zahlreiches Publicum versammelt, und die über fünftausend Seelen
fassende evangelische Kirche war, abgesehen vom reservirten Theile,
bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Enthüllungsfeier wurde einge-
leitet durch eine von Cantor J. Muck componirte, vom Männer-
gesangvereine vorgetragene Cantate. Dann hielt Superintendant
Alberti eine erhebend wirkende Festrede. — Er sprach unter
Anderem :
,... Die evangelische Christenheit steht mitten in der Festfreude,
die wie ein Strom sich über Millionen ergoss. Auch wir wurden
von ihr erfasst. Auch unsere Freudenzeichen flammten. Auch unsere
Gemeinde erhob ihre Stimme und setzte sie kraftvoll ein in den
Dankpsalm: Der Herr hat Grosses an uns gethan, des sind wir
fröhlich 1 Wenn wir aber noch weiter gingen, als tausend andere
Gemeinden, wenn wir den geistgesalbten Glaubenshelden, der uns
vor vierhundert Jahren geboren ward, nicht blos ein Gedächtniss
im festgestimmten Herzen stiften, sondern ein Denkmal setzen
wollten, das uns auch seine äussere Erscheinung vor die Augen
führe, so fiihlten wir uns dazu aufgefordert durch die Vergangenheit.
Im weiten gesegneten Oesterreicher Lande, das weitaus über die
Hälfte der Lutherlehre zugethan war, blieb unsere Heimat das
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einzige Gebiet, in welchem der Protestantismus trotz der Gefahren
und Stürme des siebzehnten Jahrhunderts stets einen sicheren Hort
und eine freilich oft umkämpfte heilige Stätte behielt. Die Hand
des Herrn war sichtlich über den Vätern. Der Schutz eines dereinst
mächtigen Grafengeschlechtes und der zähe, fromme Bürgersinn
unserer Vorfahren, die ,im Glauben fest und wohlgerüst't ** jedwedem
Anprall feindlicher Gewalten widerstanden, wurde das Bollwerk,
hinter welchem sie Gott in ihrer Weise dienten. Wir wissen wenig
von ihren Drangsalen. Die Zeugen ihrer Treue sind todt; verweht,
verbrannt die Blätter, auf denen die Geschichte ihrer Kämpfe und
Siege stand. Aber fehlen auch die Urkunden, so predigen uns
heute die Todten, über deren Staube wir stehen. Die Steine reden
zu uns, aus denen Thurm und Gotteshaus zusammengefugt sind.
Und ich denke, es ist eine gute Antwort, die wir den Vätern
damit geben, dass wir vor der Pforte der ehrwürdigen Kirche, die
sie gebaut, dem grossen Reformator, um den auch sie sich wacker
schaarten, ein Standbild aufrichten. Kein Heiligenbild stellen wir auf,
zu dem wir uns in Herzensangst und Seelennoth flüchten, wohl aber ein
Denkmal frommer Liebe und eifrigen, einmüthigen Zusammenwirkens.
Es möge der Nachwelt erzählen, dass es uns unter dem Schirme eines
in der Geschichte des österreichischen Protestantismus mit goldenen
Lettern verzeichneten Kaisers möglich geworden ist, das Gedächtniss
Dr. Martin Luther's so glänzend, einmüthig und weihevoll zu
begehen, wie es unter uns wohl nie gefeiert worden ist. Ein eherner
Wegweiser zu Gott wird es bleiben, — wird uns mahnen an die
„feste Burg* dort oben, wo wir einen Halt und Stützpunkt haben,
wenn der Erde Noth und Kampf zu schwer wird und wir bekennen
müssen: Mit unserer Macht ist nichts gethan! Das Abbild eines
demüthigen Priesters werden wir schauen, eines treuen Seelsorgers,
eines deutschen Familienvaters, eines Meisters im Lehren und
Gründen der Volksschule, eines gewaltigen Propheten in Wort und
That, eines bahnbrechenden Gelehrten, der bei tiefem Wissen einen
Glauben hatte, welcher Berge von Hindernissen versetzte und die
Welt seiner Zeit mit ihren Irrthümern, mit ihrer sittlichen Ver-
sunkenheit kühn überwand und wieder zu Christo führte, dabei
aber Alles, was er that, in Gottes Namen that und ohne all' sein
Verdienst und Würdigkeit vollbracht haben wollte. Nur in seinem
Geiste und aus demuthsvollen Herzen heraus beten wir daher, ehe
wir Luther's Standbild enthüllen: Nicht uns, o Herr, nicht ihm
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allein, Deinem Namen geben wir Ehre. Dir danken wir, der uns
ihn zum Rüstzeug und Streiter für die heiligsten Güter der Christen-
heit erkoren. Dich preisen wir, weil Du uns durch ihn gegeben
hast das Buch der Bücher — mit deutschem Laut und in der Mutter-
sprache- feuriger Kraft.
Mit diesem Aufblicke zu Gott , Festgenossen , nennt Euch
die evangelische Gemeinde Asch in einer unvergesslichen Stunde
taiBendmal willkommen. Dank den k. k. Behörden^ die heute als
Genossen unserer Freude in die Mitte der feiernden Gemeinde
traten. Unser Herz den Männern, welchen der Gedanke zum Denk-
male entsprungen, den Mitgliedern der ganzen Gemeinde, die das
schöne Werk so nachdrücklich forderten. Die Bruderhand allen durch
Clristum mit uns verbundenen Mitbürgern, welche in der Nachbar-
kiiche dieser Stadt Gott lobsingen und dort ihres Herzens Opfer dar-
bringen. Ja, seid Alle gegrüsst, Ihr Gäste aus Nah und Fem, fröhlich
gegrüsst auch du festlich schöner Morgen I In deinem Lichte erglänze
nun ies Künstlers Gebilde, von dem die Hülle fallen magl* (Bei die-
ser Stallt der Rede fiel unter Pöllerschüssen die Hülle vom Denkmal.)
Dtr Redner fährt fort: ^Also, wie Ihr ihn jetzt sehet, feiernde
Genossen, stand Luther einst auf dem Reichstage zu Worms vor
den mä:htigen Herren und Würdenträgem der abendländischen
Christenleit. . . .
O, Mann Du, mannhafter Herold des Evangeliums, jetzt nicht
ehern, soidem lebend vor dieser Gemeinde stündest, was würdest
Du zu uns sprechen? Du würdest vielleicht sagen: ^Ihr Lieben,
Feste wolh Ihr feiern? Das danke ich Euch nicht, wenn Ihr mich
rühmen weit!* Sicherlich würdest Du uns aber ermahnen: ^Freuet
Euch Eures Kleinodes, der Bibel. Lasst noch heller und herrlicher
als die Facreln der vergangenen Nacht aufleuchten die Flammen
reiner Liebe und echt christlichen Gemeinsinnes. Kämpft den guten
Kampf des Qaubens. Werdet festen Herzens. Wahrt das Erbtheil der
Väter. Behältst was Ihr habt, dass Niemand Euere Krone raube!* . . .
O, dass Dein Geist fortan mächtig walte in dieser Gemeinde;
o, dass Dein^ Lehre freudig gepredigt werde in diesem Gotteshause;
0, dass Dein Gedächtniss nie erlösche in den Geschlechtern , die
uns nachfolget. Gott helf uns dazu, Amenl*
Hierauf ilgte die Uebergabe des Denkmals an die Kirchen-
gemeinde-Vertetung durch den Obmann des Comitös, Herrn Joh.
Kraut he im, anen schlichten Weber, dessen Initiative die Errichtung
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eines Luther-Denkmals in Asch zu danken ist, dann die Uebemahme
durch den Curator, Stadtrath Adolf Schmidt. Fünfunddreissig
ausnahmslos werthvolle Kränze, zum Theil von Auswärts eingesendet,
wurden nun beim Denkmale niedergelegt.
Der Festgottesdienst gestaltete sich durch die ausgezeichnete
Rede des Oberpfarrers Södel über Joh. 19,- 5: , Sehet welch' ein
Mensch!* — zu einer solennen Feier.
Nach demselben zog man zum Marktplatze zurück, woselbst
die Volkshymne gesungen wurde. Dann sprach Superintendent
Alberti Namens des Comites dem Herrn k. k. Bezirkshauptmann
Fischer und den anderen anwesenden k. k. Beamten, den Corpo-
rationen und Vereinen sowie der Gesammtbevölkerung innigsten
Dank fiir die Theilnahme am Feste und Verherrlichung desselben
aus, womit der zweite Theil des Festes seinen Abschluss fand.
Den Nachmittags-Gottesdienst hielt Sup.-Vicar Geipel.
Das Luther-Denkmal ist ein kleines Meisterwerk. Der Modelleur,
Professor Hans Rössner in Nürnberg, hat die markige Gestalt
des Reformators, dessen von Gottbegeisterung überhauchtes Antlitz
genial aufgefasst; ebenso vollendet ist der Guss des Standbildes,
der aus der rühmlichst bekannten Erzgiesserei des Professor Lenz
in Nürnberg hervorging.
Bei dem Festcommers am Abend waren alle Räume des Schiess-
hauses überfüllt. Curator Schmidt führte den Vorsitz. Pen ersten
mit Begeisterung aufgenommenen Toast auf Se. Majestät den
Kaiser brachte Superintendent Alberti aus. Als zweiter und letzter
officieller Redner gab Stadtrath Gustav Panzer ein 'ebensvolles
Bild des Wirkens unseres grossen Reformators. Nun brachte der
Curator die vielen eingegangenen Telegramme und Zuschriften zur
Verlesung, die sämmtlich mit leibhaftestem Interesse entgegengenommen
wurden. Solche waren eingelaufen von den Presbyteriei der evang.
Gemeinden in Wien, Reichenberg, Olmütz, Aussig, Innsbruck u. s. w.,
vom Vorstand des Hauptvereines des G.-A.-V. in Wien, vom k. k.
Oberkirchenrath Dr. von Trauschenfels, Dr. Eduard Heost, Dr. Ernst
Bareuther u. Andd. Zu einer stürmischen Ovation für den an-
wesenden Künstler Professor Rössner führte der von Superinten-
denten Alberti auf denselben ausgebrachte Toast. Daran schloss
sich ein dreifaches Hoch auf den zweiten Künstler, Herrn Professor
Lenz. Aus der Zahl der vielen Toaste gedenken wr des Toastes,
welchen Herr Thomas Schrepfer auf Herrn Christian Geipel,
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im Hinblick auf dessen (bereits S. 70 erwähnte) hochherzige That,
in tief empfundenen Worten ausbrachte.
Den würdigen Abschluss der erhebenden Feier bildete das von
der ganzen Versammlung gesungene , Deutsche Lied*.
d) Liitherfeier in der reforntirten Schwesterkirche,
Von dem Bewusstsein getragen, dass die Früchte der Refor-
mation Luther's allen Evangelischen in gleicher Weise zu gute
kommen, haben nicht blos die in den utraquistischen Kirchen-
gemeinden Graz, Wiener-Neustadt, Innsbruck, Meran u. s. w. einge-
pfarrten Reformirten das Lutherfest in dankbarer Stimmung mitge-
feiert, sondern auch die selbstständigen Gemeinden Helv. Conf,
namentlich jene deutscher Zunge, eigene Feierlichkeiten veranstaltet,
über die wir nun Bericht erstatten wollen.
In der evang. Gemeinde A. C. und H. C. zu Bregenz wurde
Luther's Gedenktag in würdiger, festlicher Weise begangen. Am
10. Nov. fand die Schulfeier statt. Die Jugend hatte das Unter-
richtslocal mit Kränzen und Epheugewinden ausgeschmückt. Ein
schönes Bild Luther's, umgeben von hervorragenden Männern der
Reformationszeit, welches der Curator Dr. Samuel Jenny der Schule
gewidmet hat, war an geeigneter Stelle angebracht. Nach voraus-
gegangenem Gesänge und Gebete besprach Lehrer Christian Schnee-
berger mit den Kindern die Hauptzüge aus Luther's Leben und
Wirken. Es folgten, von einzelnen Schülern vorgetragen, einige dem
Feste angemessene Declamationen. Schliesslich wurde jedem Kinde
das , Jubelbüchlein* von Jul. Disselhoff und eine Gedenkmedaille,
die Luther's Bildniss trägt , übergeben. — Am 11. Nov. ver-
sammelte sich die Gemeinde in der mit Kränzen und Guirlanden
geschmückten Kirche. Nach einem Orgelpräludium folgte der Gesang :
»Ein* feste Burg ist unser Gott*. Die Predigt über Matth. 5, 11. 12
hat ihre erhebende Wirkung nicht verfehlt; sie wurde von Pfarrer
Marx aus St. Margarethen gehalten, da der Ortspfarrer K. Krßal
wegen eingetretenen Unwohlseins sie nicht halten konnte. Aber
Letzterer behandelte am folgenden Sonntage (18. Nov.) in seiner
Predigt über Hebr. 13, 9 die Frage: ^Welche Frucht soll das
Lutherfest uns Allen hinterlassen.^* Er sprach von der Festigkeit
des Herzens. <, Alles, was Luther Grosses geleistet* — sagte
Redner u. A. — ,ist erwachsen aus dem Grunde eines in Gott fest-
gewordenen Herzens. Das verlieh seinem ganzen Wesen jene Kraft
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und jenen Freimuth. Diese Festigkeit des Herzens gab seinem Arme
die Kraft zu jenen Hammerschlägen an der Schlosskirche zu Witten-
berg, dass man dieselben wie Donnerschläge bis nach Rom hören
konnte. Sie verlieh ihm den Freimuth zur Verantwortung seines
Glaubens gegen Jedermann. Sie hielt Stand jeder spitzfindigen
Disputation. Sie kannte vor Kaiser und Reich nur Eines : die
Wahrheit des Evangeliums, und ihren letzten Ausdruck konnte sie
nur in dem Einen finden: ,Es ist nicht gerathen, etwas wider das
Gewissen zu thun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott
helfe mir. Amen!* Aber dieser Festigkeit des Herzens können wir
nicht gedenken ohne beschämendes Bewusstsein dessen, was unserer
Zeit fehlt. Aus dem Lutherfeste wehte ein belebender Hauch hervor.
Möge sich das evangelische Volk allenthalben recht erinnert, haben
an seine evangelische Pflicht! Und den Segen dieses Festes mögen
fortan die Worte verkündigen: ,Es ist ein köstliches Ding, dass das
Herz fest werde.* So feierte die aus Lutherischen und Reformirten
bestehende Gemeinde in schöner Einmüthigkeit das Lutherfest.
In der reform. Gemeinde Laibach-Cilli wurde die Luther-
feier an beiden Orten auf festgottesdienstliche Weise begangen.
Der Pfarrer besprach auf Grund von Gal. 4, i — 3 das Thema: ,Die
Geburt Luther's — die Befreiung der christlichen Kirche aus der
Knechtschaft*. Der evangelischen Schuljugend der Gemeinde wurde
die Bedeutung der Feier gelegentlich des Religionsunterrichtes durch
den Pfarrer eingehend erklärt.
Ein herzerquickendes Bild des einmüthigen Zusammengehens
der beiden evangelischen Bekenntnisse bietet der Verlauf der Luther-
feier in Triest. Dass bei der am 10. Nov. veranstalteten Schulfeier
sich die Kinder beider Bekenntnisse betheiligten, ist bei dem Umstände,
als beide Kirchengemeinden eine gemeinschaftliche Schule unterhalten,
allerdings selbstverständlich; wohl aber verdient die Thatsache be-
kannt zu werden, dass beide Kirchengemeinden auch eine gemein-
schaftliche Kirchenfeier begangen haben, obwohl jede derselben ein
eigenes Gotteshaus besitzt und die reformirte Gemeinde in dem
Candidaten Jurany einen Vicar hat. Auf Anregung des reform.
Presbyteriums hatte das Presbyterium A. C. die reform. Schwester-
gemeinde für den 11. Nov. zu einer gemeinschaftlichen Festfeier
in das geräumige Gotteshaus A. C. eingeladen, dessen Thurm im
Festschmucke von Wimpeln und Flaggen prangte, weithin über
die Häuser und den Hafen hinaus verkündend: die ^Lutheraner*
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haben heute ein grosses Fest. Der Gottesdienst wurde nach der
bereits (S. 52) mitgetheilten Ordnung abgehalten, wobei der Vicar
der reform. Gemeinde mitfunctionirte. Der lutherische Ortspfarrer
hielt die Festpredigt über Luc. 13, 1 — 9, davon ausgehend, dass in
und mit Luther ein Stück der göttlichen Barmherzigkeit kund wurde,
die über dem unfruchtbaren Baume sprach: ^Lass' ihn noch dies
Jahr, dass ich um ihn grabe und bedünge ihn, ob er wolle Frucht
bringen*. Das Thema ^Luther ein treuer Gärtner im Weinberge
Gottes* wurde in den Fragen entwickelt: Wie ist Luther ein solcher
Gärtner geworden.^ Wie hat er um den unfruchtbaren Baum der
Kirche gearbeitet? (Mit Gottvertrauen und heiligem Muthe.) Was
waren seine Werkzeuge bei der Arbeit.^ (Die heil. Schrift und das
Gebet.) Was können wir von Luther lernen.^ (Die Bedürfnisse der
Gegenwart wurden hier angegeben.) Zum Schlüsse wurde erinnert:
,Wenn er nicht Frucht bringt, so haue ihn ab!* Wobei zugleich
unter Hinweis auf protestantischen Hochmuth und pharisäisches
Sichrühmen gegenüber den Nichtevangelischen geltend gemacht
wurden die Worte des Textes: »So ihr euch nicht bessert, werdet
ihr auch also umkommen.* Es war in der Predigt auch des Abend-
mahlsstreites gedacht worden und dabei der Freude Ausdruck
gegeben, dass beide Gemeinden gemeinsam dem grossen Vor-
kämpfer aller Evangelischen ihre Huldigung darbringen.
Gleichzeitig mit der lutherischen Schwestergemeinde hat auch
die evang. Kirchengemeinde Helv. Conf. in Wien den 400jährigen
Geburtstag Luther's in ihrer Kirche (L Dorotheergasse 16) durch
einen Festgottesdienst gefeiert. Oberkirchenrath Pfarrer Dr. Witz-
Stöber hielt die Festpredigt über Sprüche 8, IG: , Die Lehre achtet
höher denn köstliches Gold*. Er schilderte in eingehender Weise
nach der Schrift »Von der Freiheit eines Christenmenschen* die
evang. Glaubens- und Sittenlehre Luther's insbesondere und der
Reformation überhaupt. Zugleich hob er das Gemeinsame zwischen
den beiden Kirchen A. und H. C. hervor und forderte auf zur
Eintracht und Einigkeit unter Wahrung der ^ Lehre*, welche uns
die Väter als , köstliches Gold* vererbt haben.
Gleichfalls die reformirten Gemeinden slavischer Zunge in
Mähren und Böhmen haben gelegentlich der am 11. November
gehaltenen Gottesdienste auf die Lutherfeier in Ansprachen und
Predigten Bezug genommen. (Fortsetzung folgt.)
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VII.
Nachtrag zu ,,Tauberiana'',
Jahrb. 1883. S. I— 19.
Von Dr. KARL RITTER VON OTTO.
„Ain Christenlich lied des bewainlichen tods.
Caspar Taubers genant.
Burger sü Wtenn.
Ins Brüder Veitten thon
Gedicht jm 152^.**
4 Bll. in kl. 80, o. O. u. J.
Die Zeit des Druckes ist dasselbe Jahr 1525, wie daraus erhellt,
dass (Ph. Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten
Zeit u. s. w. B. 3, Leipz. 1870, S. 438) die Abschrift bei Val. Hell
Blatt 169^ vom Jahre 1525 ist*). Das Lied wurde zuerst von Ph.
Max Körner ,Histor. Volkslieder a. d. XVI. u. XVII. Jahrb.*
(Stuttg. 1840) S. 127—134, dem ich mit einigen Abweichungen folge,
aus dem in der kgl. Universitäts-Bibliothek zu München aufbewahrten
Abdruck mitgetheilt, worin die Verse nicht abgesetzt sind *). Der
auf dem Titelblatt befindliche Holzschnitt zeigt eine satyrische
Anspielung auf die Mittheilung des heil. Geistes.
1) Es gibt noch mehrere Abschriften; vgl. Jos. Beck: Die Geschichts-Bücber
der Wiedertäufer in Oesterreich-Ungarn (Wien 1883) S. 14.
") Jedenfalls hat es mehr als eine Ausgabe (mit kleinen Varianten) vom J. 1525
gegeben, wie dies auch bei der Schrift „Eyn warhafftig geschieht wie C, Tawber^
u. s. w. der Fall ist. Vgl. Jahrb. 1883. S. 3. Anm. 4.
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79
1. Nv hört, ich wil euch singen
ausz traurigklych6 müt,
darzu thdr mich bezwinge
das new vergossen blÄt
ains frufiie christß Riters,
des name Tauber genant:
jm ist vil saursz vn biters,
auch vnrecht worden kant.
2. Er WZ ain burger gesessen
zu Wien in österreych,
seyn lob wz hoch gemessen,
an hab was er auch reych,
het erlich weyb vn kinde
vn was er haben sölt,
Noch was er jm nit zu linde,
er hyelt sich auch zu Got.
3. Wan man wolt wyssen haben,
wie sich die sach ergieng.
So habe jn die knaben,
die Rottenn köpff zd Wyen
mit falscher zieht bezügen,
wie er ain ketzer wer,
derhalb jm fiirgeschriben
ain Reuocatz so schwer.
4. In gefencknus jn gezwungen,
jm dnckel mit jm gespilt,
auch dahin getrungen
bysz er sich vnderschrib,
Er wolt ReuocierS
an vnser frawen tag,
da seit er solch volfyeren.
Nun mercket auif seyn klag.
5. Er stöd demütigklychen
still schweiget in der hoch
vor sdlem volck so gleiche,
bisz jn der pfarer schmecht,
hiesz die reuocatz verkinden.
Erst hÄb er an mit gir,
die hcnd die thet er winden :
„O Got, ich schrey zu dir.
6. Gib mir vnd den allen,
die, Herr, erkefien dich,
dasz vnser kainer nit falle.
Auch dene äbersich,
die noch in finster sitze,
thn jn die Augen auff,
dempf jn jr aygen wyize,
erweck sye von dem schlaff.*
7. Da er het got gebetten,
zti volck er sich schier want,
klagt wie man jn wolt nöten,
er solt alhie zu hand
dy wort gotz widerrieffen :
„Das mag ich ye nit thon."
Wes äugen hie nit trieffen,
wen wolts nit zu hertzen goni
8. Wie wo! offt Chormaister
viel jm in seyn wort,
Noch thet er erlych kempffen,
sich an kain trewtig kort,
auch alles wolt Er bestöe
und gantz nichts widerwendt:
„Zway ich nye gehalten hone,
vö Maria vn Sacrament.
9. Vnd wie sy mich anliegen
vnd mir all meine wort
auffs ergest nun thöd biegen,
wie ich den Edlen hört,
Maria ayn mütter rainne
hab ofiFt vii dick vernaint,
das Sacrament verklainet,
man ist auff mich verbaint.''
10 Nach solchem worte
mtiszt er bald dreten ab.
Gleych da er sich vmkortte,
sprach er „Was ich gelert hab.
dabey wil ich beleiben,
vnd wenden nit ain wort,
. drob lassen meinen leybe,
des seyt mein zeigen dort.'*
II. Hin thet man mit jm eylen
in gefencknus also drat,
vnd zwischen disen weylen
Chormayster gelesen hat,
die Reuocatz verschriben
mit gantz verdeckten mund,
das es die da stund belybe
der zehendt kom verstund.
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80
12. Noch war nit gar ersöttet
der widerchristiscli hauff,
er wart da aber genötet,
sy lagen noch darauff
zum wid'rÄflf zA treiben
den Riter gots fUrwar,
doch wolt er sich nit Scheiben
als klain als vffi ain har.
13. Zum dritte thet man stelle
den Tauber für das Recht,
da thet sich zamen gesellen
vil mancher esel schlecht,
die heten docttors namen,
der krönten pifFel vil,
die all ziäsamen kamen,
jr kain ich nennen will.
14. Es wasen auch entgegen
ains Radts vil erber man,
Alain vö wunders wegen,
wie es zu letzst wurd gan.
Da man nu was dar komen,
ain Procurator anfieng,
in latein klagt an den fruffien,
daraufT ain vrttel gyeng:
15. Wie er ain ketzer were,
deshalb vö jn erkilt,
So er sich nit wolt keren
das er da wurt verbrant.
O Got, des schweren rechtes,
wa man nit auff al klag
hört auch ains armen knechtes
antwurt vnd widersag.
16. Dz vrtail wz gefallen,
jr ketzer müst er seyn,
der hencker in des halben
jm die hend schlosz ein.
Mit jm da thet er eilen
wol in des richters hausz,
vil redt er vnderweylen,
zu letzst spricht er herauü*
17. Mit hocher styfii so freye:
„Nun gesegne euch alle got!
Ich bit euch auch darbeye,
behaltent Gotes wort
vnd laszt euch nit erschrecken
allhye mein schmehen tod,
sund' thöd euch darin stercken:
leyden ghört zu dem wort.
18. Was wirt nit zugezogen
den die erkennen dich.^
Sy hond jn angelogen,
hab jm selb thon drey stich,
in mainung jn zu sehenden,
doch hat er sich der zieht
thon ofTenlich entwenden,
zö schand seys jm erdicht.
19. Darnach nit Über lange
fyengenn sysz wider an,
da müst der arem gefangne
zürn vierten malen dran.
Vfii den leib was es geschehen,
mit got macht er seyn bund,
Er solt jm seyn seel versehen
gleych zu der selben stund.
20. Ain wagenn was beraittet,
darauff da sasz der theur,
er ward von schergen blcytet
zu Schwert vnd zÄ dem feür.
Auch wiszt das bey jm sasse
der hencker hynder jm,
ain pfaf der was jm gehasse.
Also fürens dahin
21. Bysz an das ort vfi State,
daran er sterben solt.
Von wagen er frey dratte,
auch da nit wenden wolt:
vms wortt da wolt er sterbß,
die weit die acht er klein
vnd auch des leibs verderben,
hielt sich an den eckstain.
22. Er bat auch also sere
in liebe yedermH,
das mS nit hessig were,
in kainem weg wer gran
Den so in die höd übergeben-:
sy möchten jm den leib
tödten, die sei würt leben,
die bey Got ewig bleib.
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23. Ain pfaf der was entgeg^,
der sprach zu jm gar schnell,
wie er scy so verwegen
das er nit beichtS wöll?
Im antwurt er gar schwinde,
sejn sach er schaffen solt,
ein höhern in der gscbriift er finde
2Ü dem er beichten wolt.
24. Dz Ichs auffs kürtzest mache :
WZ er thet aber hie?
Nach end verlaffner sache
vyel er auff baide knye,
Empfalch got seinen gaiste
mit hochen seufftzen vil
Er müst gleich jetz mit laisten,
es was sejm letzstes ziL
25. Der hecker thet dar schlagg
vfi schliig jm ab das haupt:
Wer wolt nit byllich klagen?
Man hat jm ye geraupt
den leib vnd auch das leben,
an eere jn gepfent,
dem Schwert ward er geben,
zu letzst ward er verbrefit.
26. Also habt jr in gesange
in ainer summa hie,
wie es zu Wyeii sey gange.
Es würt mir brauchen mü,
solt ichs von wort zu worte
alsz bringe in gesang,
Es müst wainen wer es horte
dz lied wurt zu lang.
Psal. 55.
In gott hab ich gehofft, ich wird nit fürchte
was mir thün wirt der mensch.
Vers 2, 5 künde. 2, 8 Gott. 3, $ zücht (vgl. 18, 6). 3, 8 schür.
5, 6 giir. 6, 2 du. 8, i fehlt wohl »der* (doch vgl. ir, 4). 9, 8 ver-
baint = erzürnt. lo, i solchen wort 12, i ersöttet = ,ersettigt*
(Jahrb. 1883, S. 18, Z. 14). 13, 7 allzu samen. 14, 4 gen. 14, 7 jhn
(vgl. Jahrb. 1883, S. 16, Z. 2 f. v. u. : ,im Latein . . . anklagt*).
13, 4 verbrent. 15, 5 rechtens. 18, 2 den (vgl. 22, S, ,den* wie
6, I = , denen* 6, 4). 18, 6 zücht (vgl. Jahrb. 1883, S. 18, Z. 12 v. u.).
19, 2 fyengenns . . . wid'. 21, i vielleicht ^statte*. 22, 5 Den
(vgl. 18, 2). 22, 8 »die* fehlt. 23, 6 solte. 23, 7 funde. 26, 5 worten.
Jahrbuch des Protestantismus 1886. H. II.
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VIII.
Zwei Actenstücke zur Geschichte der Reformation
in Odrau.
Mitgetheilt von Dr. THEODOR HaaSE.
In dem schlesischen Städtchen Odrau lebt dermalen nur eine
geringe Anzahl evangelischer Glaubensgenossen, welche zur mäh-
rischen Kirchengemeinde Zauchtel eingepfarrt sind. Aber auch in
Odrau hatte einst die Reformation allgemeine Aufnahme gefunden,
und freilich nur während einer kurzen Spanne Zeit (1600 — 1628) war
die dortige Bürgerschaft ausschliesslich dem evangelischen Bekennt-
nisse zugethan.
Zwei Schriftstücke, welche in dem Gemeindearchiv von Odrau
aufbewahrt sind und in welche ich durch die Güte des derzeitigen
Bürgermeisters Herrn Julius Gerlich Einblick erhielt, verdienen es.
als kleine Beiträge zur Geschichte des Evangeliums in Mähren und
Schlesien in unserem Jahrbuch abgedruckt und dadurch in weiteren
Kreisen bekannt zu werden.
Das eine ist eine Original-Urkunde auf Pergament mit acht
angehängten Bullen aus dem Jahre 1603, durch welche die Stelle
eines evangelischen Diakons in Odrau systemisirt wird. Dieselbe hat
folgenden Text:
, Allen und Jeglichen, weß Würden, Stands und Wesens die
sein — Sei kund und offenbar, daß Wir Zechmeister, Aeltesten
und Meister sämmtliche Jung- und Alt- in diesen Handwercken der
Schuster. Schneider, Kürschner, Fleisch hacker, Schmiede, Leinweber,
Becken und Tuchmacher in der Stadt Odra mit christlichem gutem
Willen des wohlgeborenen Herrn, Herrn Johann Bohusch von Zwola
und Goldenstein etc. Herrn auf Odra, Deutsch-Jaßnig und Birawa.
unseres gnädigen Erbherrn und mit Bedenken aller Eltesten das
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83
beneficium und freiwillige Gabe unserer lieben Voreltern zur Kirchen
und Gotteshaus zur Unterhaltung eines Diaconi und Kaplans be-
nanntlich drei Hundert Gulden, den Gulden zu sechsunddreißig
Groschen und den Groschen zu zwölf Hellern gezählet, vollkommlich
zu Unseren Händen, solchergestalt von einem Ehrsamen Rath auf
Achttheil jede Zeche, Achtunddreißigst halben Gulden baar auf-
gezählt empfangen haben, für welches Wir Uns sämmtlich ver-
pflichten und zusagen, so lang solches Geld in Unseren Händen,
von einem Neujahrstag zum andern, alle jährlichen 24 Gulden ob-
geraeldter Zahl zu entrichten, auf daß also Gottes allein selig-
machendes Wort desto fleißiger nach Inhalt der Augsburgischen
Confession rein und lauter und nicht anders gelehret und geprediget
werde. Und solches versprechen wir sämmtlichen ohne alle Ausrede,
List, Schaden und Vortheil ganz treulichen stet und unverbrüchlich
zu halten. So aber alsdann Wir oder die Unsrigen hierin nachlässig
erfunden, soll Ein Rath und Gemein Macht haben, mit Einhelligem
Willen diese Summe vollkommlich in guter Münze, die im Lande
gebe und gebräuchlich von Uns abzufordern, jedoch daß Uns solches
in einer gebührlichen Zeit, zum wenigsten ein halbes Jahr vorm
Neujahr angekündiget werde. Diesem Allem, so Wir Uns Unserem
lieben Gotte zur Ehre seines heiligen Namens, dem Ehrwürdigen
Ministerio und Dienern Gottes und Gotteshauses, ja einer ganzen
christlichen Gemein treulichen und ohne alle Gefährde zu halten,
haben Wir obgemeldte Zechmeister und Meister Unser der Zechen
Insigillen zur besseren Sicherheit und Glauben anhangende ein-
drucken lassen. Geschehen zu Odra Freitags nach Gregorii im
sechzehnhundertsten und in dem dritten Jahre nach der freuden-
reichen Geburt Unseres Erlösers und Heilandes Jesu Christi.*
Das zweite auf die Reformation in Odrau bezügliche Schrift-
stück, welches sich im dortigen städtischen Archive findet, ist ein
»von dem Contributions-Einnehmer Augustin Brustmann am 2. August
1805 aus der Odrauer Kirchenmatrik angefertigter Auszug*. Derselbe
ist wahrscheinlich während einer Pfarrvacanz gemacht, und die Dürf-
tigkeit der von Brustmann verzeichneten Daten erklärt sich wohl
aus dem Umstände, dass ihm nicht mehr Zeit gegönnt war, sich
mit den fiir die kirchenhistorische Forschung in der Regel unzu-
gänglichen katholischen Kirchenbüchern zu beschäftigen. Aber die
wenigen Daten, die er uns übermittelt, sind für die evangel. Kirchen-
6*
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geschichte Oesterreichs immerhin von bemerkenswerthem Interesse.
Es sind die folgenden:
,Anno 1610 ist Johann Oswald der erste Pastor der Odrauer
Kirchen gewesen.
,Anno 1620, den 30. Dezember sind zu dem ruhmvollen Be-
gräbniss der hoch- und wohlgeborenen Frauen, Frauen Helene Prasma,
aus der hochlauchtigsten Familie Baron von Rhidem geboren, be-
rufen worden und erschienen: Valentin Arnold, Pastor zu Neu-
titschein; Johannes Hoffmann, Pastor in Weißkirchen, zu dieser Zeit
vice Aufseher in Mähren; Petrus Reich, Pastor in Wagstadt; Andreas
Richter, Pastor in Liebenthal; David Richter, Pastor in Jasnick;
Petrus Rulig, Pastor in Zauchtel; Andreas Reissig, Pastor in Leschna;
Mathias Antop, Pastor in Mankendorf; Georgius Luka, Pastor in
Petersdorf; Georgius Blumig, Pastor, und Heinricus Albui, Diakon
der Odrauer Kirche.
,Anno 1628, den 9. Dezember ist dem Elias Herforth, Bürger
und Hofschmidt und seiner Ehegemahlin Anna ein Sohn geboren;
weilen aber damals keine katholischen Priester vorhanden waren,
indem gleich die Lutherischen vertrieben worden, von einer verstän-
digen Frauen Anna Marketändlerin wegen des Kindes großer
Schwachheit getauft worden.
,Anno 1629 ist Johann Friedrich Hlasnick, von Ratibor in
Schlesien gebürtig, der Erste nach der Austreibung derer lutherischen
Pastoren, Pfarrer der Odrauer Herrschaft geworden.*
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IX.
Zur Geschichte der evangelischen Transmigration aus
Ober- und Innerösterreich nach Siebenbürgen^).
Von Dr. KARL REISSENBERGER in Graz.
Der Sturm der Gegenreformation, der von Ferdinand II. ange-
facht, die junge evangelische Saat in den Alpenländern vernichten
sollte, hatte in Oberösterreich, Steiermark und Kärnten wohl äusser-
lich die Protestanten weggefegt, aber den evangelischen Geist nicht
ausrotten können. Viele hielten in diesen Ländern, namentlich an
Orten, wo die Natur vor Verfolgung mehr schützte, an Luther fest.
Aber in dem i8. Jahrhunderte, als in dem benachbarten Salz-
burg die protestantischen Bewegungen, die dort zu dem Ausweisungs-
befehl Firmian's führten, herrschten, ergriffen die Organe des Staates
auch in den erwähnten österreichischen Landen ') strenge Massregeln
>) Der nachfolgende Aufsatz will nichts Anderes als einige Skizzen zur Geschichte
der evangel. Transmigratibn nach Siebenbürgen bieten, um über den Gegenstand und
die vorhandene Literatur zu orientiren. Eine umfassende und gründliche Geschichte
der evangelischen Transmigration aus den Alpenländern nach Siebenbürgen soll erst
noch geschrieben werden. An reichem Stoff hiezu fehlt es nicht. Denselben enthalten
das k. k. geh. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, die Landeüarchive in Graz und
Klagenfart, das Seckauer bischöfliche Archiv (und wohl auch die bischöflichen Archive
in Linz und Klagenfurt), die Archive einiger katholischer Pfarren (das Archiv des
Stiftes Admont hat seine wichtigen, hieher gehörigen Archidiaconatsacten leider durch
Brand verloren), das gegenwärtig in Budapest befindliche Archiv der ehemaligen sieben-
bärgischen Hofkanzlei, das Archiv der Stadt Hermannstadt und der sächsischen Nation,
sowie andere kleinere Archive Oesterreichs und Siebenbürgens.
•) Raup ach, Erläutertes evang. Oisterreich. IV. Hamburg 1740; Wald au,
Geschichte der Protestanten in Oesterreich, Steiermark, Kämthen, Krain. H. Anspach
1784. (In beiden Werken ist auch die ältere Literatur verzeichnet.) Schauroth und
Herr ich, Sammlung alter Conclusorum u. Verhandlungen des Corporis Evang.,
Regensb. 1751 — 86; Zwiedineck-Südenhorst, Geschichte der religiösen Bewegung
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86
gegen die ,Sectierer*. Doch was auch alles mit ihnen versucht,
was auch drückendes gegen sie in's Werk gesetzt wurde, sie blieben
ihrem Glauben treu. So schien, da die Alpenländer nun einmal rein
katholisch erhalten werden sollten, kein anderes Mittel, als die evan-
gelisch Gesinnten aus diesen Ländern zu verbannen. Aber ganz
wollte die Regierung auf so tüchtige Unterthanen nicht verzichten,
am wenigsten mochte man sie dem Auslande zugute kommen lassen.
An Preussens Beispiel hatte man gelernt. Dort hatte der grosse
Kurfürst einst die hugenottischen Flüchtlinge, dann, eben in der
jüngsten Vergangenheit, König Friedrich Wilhelm I. die Salzburger
Emigranten aufgenommen — zum Segen ihres Staates.
So sollten die österreichischen Protestanten ihrem Vaterlande
nicht verloren gehen, sondern durch ihre Arbeit demselben auch
fernerhin nützen; sie sollten deshalb nicht Emigranten, sondern Trans-
migranten werden. Das Land, das die kaiserliche Regierung für diese
Transmigranten als neue Heimat ausersehen hatte, war Sieben-
bürgen, wo schon seit dem Jahrhundert der Reformation die Prote-
stanten den Katholiken völlig gleichgestellt waren. Zudem war in
den furchtbaren Kriegen, die seit der Schlacht bei Mohacs (1526)
über jenes Land dahingegangen waren, die deutsche Bevölkerung
daselbst sehr zusammengeschmolzen, ganze Ortschaften waren aus-
gestorben, und doch bedurfte man der Deutschen dort recht sehr,
denn sie waren die reichstreuesten *). So gebot denn die Staatsraison
geradezu, die deutsche Bevölkerung Siebenbürgens zu stärken. Dass
durch die Transmigranten zugleich das evangelische Element ver-
mehrt wurde, hatte daneben nichts zu bedeuten. Nach Siebenbürgen
also wurden die österreichischen Protestanten zumeist überführt,
nur wenige wurden in Ungarn angesiedelt.
Ueber die Zahl und die Zeit der Transmigrantenzüge, wie über
die andern Verhältnisse derselben herrscht nicht immer wünschens-
in Innerösterreich im 18. Jahrh. Wien 1875; Derselbe, Dorfleben im 18. Jahrh.
Wien 1877; Czerwenka, Zur Geschichte der Gegenreformation in Steiermark, in
diesem Jahrb. I., IL; Kotschy, Gedenket der vorigen Tage. 1881; Fr. Teutsch,
Die letzten deutschen Einwanderungen im Siebenb, Sachsenland, in d. Wochenschrift
pim neuen Reich« 1872, Nr. 44, S. 855 fl*. ; Zapletal (Weltpriester), die Bekämpfung
und Duldung des Protestantismus im oberen Ennsthale. Graz 1883. (Vgl. hierüber die
Recension von F. M. Mayer in diesem Jahrb. 1885, S. 96 )
*) G. D. Teutsch, Geschichte der Siebenb. Sachsen. Leipzig 1874 II.
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87
werthe Klarheit. So ist gleich das Jahr strittig, in dem die erste
Transmigration aus Kärnten und damit die erste Transmigration
überhaupt stattfand.
Zwiedineck-Südenhorst *) theilt, indem er sich hiebei auf das
Quellenvverk , Europäische Staatskanzlei* stützt, mit, dass die erste
Auswanderung in das Jahr 1733 falle, indem am i. October dieses
Jahres Michael Berger und dreiundzwanzig Genossen aus Kärnten
nach Siebenbürgen transportirt wurden. O. v. Meltzl in Hermann-
stadt widerspricht ') dem mit der Motivirung, im Hermannstädter
Archive finde sich davon keine Spur. Die Sache ist schwer zu ent-
scheiden. Doch möchte ich Zwiedineck's Angabe keineswegs ab-
lehnen, da ich selbst gefunden habe, dass das Hermann Städter Archiv
bezüglich der Acten zur Transmigrationsgeschichte Lücken aufweist.
Sicher aber ist die Ueberführung von Protestanten aus Oberösterreich
nach Siebenbürgen im Jahre 1734 •). An dieser Transmigration nahmen
Antheil 47 Familien, 82 Ehepaare, 8 Witwen und Ledige, 80 Söhne,
91 Töchter und 2 Knechte, im Ganzen 263 Köpfe. Am 9. Juli wurde
die Reise in Linz angetreten; dieselbe ging über Klosterneuburg,
wo der Hermannstädter Stuhlrichter Kinder von Friedenberg*) die
Leitung übernahm, dann über Wien und Ofen nach Siebenbürgen.
Als die Transmigranten am 20. August in Grossau anlangten, waren
die für sie bestimmten Häuser in dem benachbarten Neppendorf
(^,'4 St. von Hermannstadt) noch nicht fertig, weshalb sie vorläufig
über Hermannstadt nach dem iVa St. südlich gelegenen Heitau ge-
führt wurden *). Hier, wo sie unter dem Gesänge geistlicher Lieder
ihren Einzug hielten, wurden sie von den Bewohnern, auf welche
die glaubensstarken Leute tiefen Eindruck machten, herzlichst aufge-
nommen und über Anordnung des Hermannstädter Magistrates auf
*) Geschichte der rel. Bewegung etc. S. 21.
') Das alte und neue Kronstadt von George Michael Gottlieb v. Herrmann. Ein
Beitrag zur Geschichte Siebenbürgens im 18. Jahrhundert, bearbeitet von Oscar von
Meltzl. I. Mermannstadt 1883, S. 216, Anm.
») Meltzl a. a. O.; Raupach IV, S. 483; Waldau II, S. 362.
*) G. D. Teutsch in d. Allg. deutschen Biographie 15, S. 749 flf. Vgl. auch
die dort verzeichnete Literatur.
^ Kurze Geschichte der ersten Einwanderung oberösterr. evang. Glaubensbrüder
nach Siebenbürgen, in einem Vortrage an seine Gemeinde dargestellt (zur Säcular-
feier) von dem d. z. evang. Pfarrer zu Neppendorf bei Hermannstadt in Siebenbürgen
(Josef Ettinger). Hermannstadt 1835.
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88
Kosten des Stuhles 8 Tage lang bewirthet, so dass sie sich alsbald
recht wohl befanden, wie uns das mehrere Briefe, die sie in die alte
Heimat sendeten, darthun. Dereine dieser Briefe von Paul Kaiser,
einem 8 1 jährigen Greise, an seinen Sohn Johann Kaiser geschrieben,
bei Raupach IV, S. 486 f. und bei Waldau II, S. 364 abgedruckt,
dürfte allgemeiner bekannt und leichter zu erlangen sein. Einen
anderen schrieb Mathias Fischer an seine Brüder Hans und Josef
Fischer in Goisern unter dem 9. September 1734: , Liebe Brüder,
ich schreibe Euch aus brüderlicher Liebe und mache Euch zu
wissen, dass ich noch bis dato frisch und gesund bin und mein
Stückel Brod hier in Siebenbürgen reichlich zu gewinnen habe und
wollte, Gott schickte es, dass es in meinem Vaterlande auch also
stände, als wie hier in Siebenbürgen. Wir seyn zwar jetzt im Dorf
Heitau, aber es ist unseres Bleibens nicht hier in diesem Dorf,
sondern wir seyn durch unsere allergnädigsten Herren auf Neppen-
dorf beschieden; dieweilen es aber so schlecht gebaut ist, so hat
man uns einmahl in dieses Dorf eingesetzt, bis es ein wenig zu be-
sitzen ist und mache Euch zu wissen, dass dies Dorf Neppendorf
Vi Stunde von Hermannstadt liegt und näher gegen unser Vater-
land, als dieser Ort, wo wir jetzt seyn.**)
An den Kaiser*) richteten sie insgesammt ein Dankschreiben,
worin sie einen Rückblick auf ihre letzten Schicksale in der alten
Heimat werfen, und dann also schliessen: , Ergehet demnach an
Ew. Kaiserl. und Königl. Majestät unser unterthäniges Bitten und
Anlangen, Sie wollen uns solches nicht vor Ungut aufnehmen, dass
wir in Siebenbürgen zu reisen uns nicht alsogleich verwilliget haben ;
denn wir müssen mit Wahrheit bekennen, dass wir auf dieser Reise
nach Siebenbürgen von Ew. Kaiserl. Majestät so grosse Wohlthaten
empfangen, dass wir vor solche Gnad und Mildigkeit nicht genug
Dank abstatten mögen; bitten demnach nochmahlen, Ew. Kaiserl.
Majestät wolle Alles unserm Unverstand zumessen und uns Alles
verzeihen und vergeben und in diesem Fürstenthum Siebenbürgen
noch ferner hinfiihro unser allergnädigster Kaiser und Landsfurst
seyn und uns in seinen landesfiirstlichen Schutz und Schirm befohlen
seyn lassen; solche Wohlthaten wollten wir mit unserm Gebet zu
*) Kurze Geschichte S. 29 f.
') Ebenda S. 44 u. Acta hist. eccl., pag. 455 seqq.
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Gott, dem Allmächtigen, für Ew. Rom. Kaiserl. Majestät jeder Zeit
zu bitten beflissen sein.*
Wenige Tage nach ihrem Eintreffen in Heitau wurde in der
dortigen ev. Kirche, wohl von dem damaligen Pfarrer und späteren
Superintendenten Jacob Schunn*), ein Religionsgespräch abge-
halten. Welcher Art dasselbe gewesen, ersehen wir noch aus dem
»Entwurf*) der Fragen, welche denen Oesterreichischen Emigranten
Anno 1734 den 26. August in der Heltauer Kirche vorgetragen und
von Ihnen beantwortet wurden.* Es heisst darin zunächst: ,Die
Vorbereitung wurde genommen i. Petri 3, 15. Seyd allezeit bereit
zur Verantwortung Jedermann, der Grund fordert der Hoffnung, die
in Euch ist. Nach erwogenen Hauptumständen dieses Spruches wurden
die bewegende Ursachen vorgetragen, warum man sich genöthigt
finde, eine Unterredung mit ihnen anzustellen : i. wegen ihrer selbst,
damit sie sich öffentlich erklären möchten, was sie glaubten, 2. wegen
ihrer Abgünstigen, die von ihnen vorgeben, dass sie in der That
keiner Religion zugethan und weder kalt noch warm seyen, 3. wegen
des Ministerii allhier, das sich ihrer Aufrichtigkeit im Glauben ver-
sichert wissen müsste. Endlich 4. wegen der ganzen hiesigen evan-
gelischen Gemeine, bei welcher sie sich als Glaubens Genossen
wollten geachtet wissen.* Nachdem sie feierlichst gelobt, ^bei der
•evangelisch lutherischen Religion nach Inhalt der ungeänderten
Augsburgischen Confession* flehen und sterben* zu wollen, wurden
sie, wie es in dem Entwürfe am Schlüsse heisst, , versichert, dass
Gott ihr Gebet erhören würde, so es ernstlich und im Glauben
geschehe; man ermahnte sie zu allen christlichen Tugenden, nach
Anleitung der schon oben angezogenen Worte S. Petri, in seiner
ersten Epistel Cap. 3, 8. 9. 10. 11. 12, insonderheit zur Geduld
und Beständigkeit, ebendaselbst V. 13, 14, 15, 16, 17, 18; hiezu
wurden auch weiter die Worte Petri i Ep. Cap. 5 V. 6, 7, 8, 9
beigefugt, mit dem redlichen Wunsch und Schluss (V. 10), dass sie
der Gott aller Gnaden, der sie berufen hat zu seiner ewigen Herr-
lichkeit in Christo Jesu, vollbereiten, stärken, kräftigen und gründen
wolle (V. 11); demselben sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen.*
*) Wittstock, Aus Heitau Vergangenes u. Gegenwärtiges. Hermannstadt 1883,
Seite 28.
») Kurze Geschichte S. 45 ff.
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90
Unter dem 26. September 1734 erwähnt das Hermannstädter
Magistratsprotokoll Kärtner Transmigranten, j^so bereits unterwegs
sind und bald eintreffen mögten* und am 12. December 1734 waren
nach derselben Quelle 25 Mann aus Kärnten in Hammersdorf bei
Hermannstadt eingetroffen. Kärntnische Auswanderer nennen die
Hermannstädter Protokolle dann nur noch am 9. Juli 1736, wobei
es heisst: ,es seyen abermahl biß 72 Köpff Cärnthner Emigranten
in Deva angekommen.**) Zwiedineck') handelt unter genauer Be-
ziehung auf die Rottenfelser Acten des steiermärkischen Landes-
archives auch noch von einer Transmigration, die im Februar 1735
aus Kärnten nach Siebenbürgen ins Werk gesetzt wurde und ebenso
erwähnt er Transmigranten, die im April 1735 aus demselben Lande
nach Hermannstadt und dem benachbarten Hammersdorf gekommen
seien '). Dagegen weiss ich nicht, was von jener allgemeinen Notiz zu
halten ist, die bei Waldau II, S. 366 steht. Darnach soll im Jahre
1735 und 1736 , abermahl ein Transport von 300 Personen aus Oester-
reich nach Siebenbürgen* abgegangen sein. Vielleicht sind aber mit
dieser Angabe die vorher schon erwähnten Transmigrationen gemeint.
Um jene Zeit erhielt auch Kronstadt, wie wir jetzt aus , Herrmann,
Das alte und neue Kronstadt*, L, S. 216 f., wissen, einen — doch
wie es scheint nur spärlichen — Zuwachs. ,Das Mitleiden*, das sie,
wie Herrmann sagt, ,jedem redlich Gesinnten abnöthigten, auf einer,
ihre besondern Kenntnisse in Gärtnerei und Viehwirthschaft auf der
andern Seite verschafften ihnen auch hier in Kronstadt eine willige
Aufnahme und Unterstützung.* Und weiter: ,Ihr exemplarischer
Lebenswandel erwarb ihnen allgemeine Liebe und Achtung.*
Unter Karl VI. scheint es zu einer Transmigration nicht mehr
gekommen zu sein. Anders war es dagegen unter seiner Tochter
Maria Theresia, besonders seitdem dieselbe nach dem Abschlüsse
des Aachener Friedens wieder ihre ganze Aufmerksamkeit den innern
Verhältnissen ihrer Länder zuwenden konnte. Die Massregeln gegen
die »Irrgläubigen* wurden wieder der Reihe nach in Anwendung
gebracht, und, als sie alle nichts fruchten wollten, griff man auch
wieder zur Transmigration. Schon für das Jahr 1750 war eine solche
1) Meltzl a. a. O. S. 216 Anm.
') a. a. O. S. 21 u. Anm. 2
3) Man vergleiche hiezu die von mir unten im Anhange, S. 102, zum Jahre 1735
beigebrachten Transmigranten.
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^1
angeordnet, aber sie ward nicht ausgeführt*). Ende des Jahres 17 51
lässt die Regierung nur 10 bis 12 Personen transmigriren, wie
es jedoch scheint, nach Ungarn, da zugleich angeordnet wird, dass
der Rest des den Transmigranten gehörigen Geldes an den Grafen
Grassalkovich nach Ungarn abzusenden sei, , damit jeder das
seinige bekomme**). Ebenso wurden 1752*) 30 bis 40 Personen
nach Ungarn abgeführt*). Doch fällt eine grosse Transmigration
nach Siebenbürgen in die Jahre 1752 — 1754. Ueber diese sind wir
durch die Beilagen zu dem kaiserlichen Rescript, der Antwort auf
die Eingabe des Corpus Evangelicorum vom 6. November 1754,
genauer orientirt. ,Nach den dabei angeschlossenen Verzeichnissen
lässt sich die Zahl der Transmigranten von 1752 — 1754 auf etwa 1700 bis
i8oo Personen angeben* ^). Doch stellt sich die Zahl, dieW. Schmidt*)
aus Hermannstädter Magistratsprotokollen auch gegenüber Czörnig ')
zusammenbringt, etwas anders. Nach Schmidt wanderten aus Ober-
steiermark*) im Mai 1752 nach Mühlbach 15 Personen, aus Oester-
reich, Steiermark und Kärnten im August 1752 nach Grosspold 168,
im October 1752 nach Kleinpold 60, im August 1753 nach Peters-
dorf 200, im September 1753 nach Deutsch-Pian 75, im April 1754
nach Broos 200, im September 1754 nach Romes 600, zusammen
1318 Personen. Dazu führt Wittstock in seiner oben erwähnten
Lutherfestschrift »Aus Heitau" S. 29 den Nachweis, dass auch
Heitau im Jahre 1753 einen Zuwachs von mindestens 125 Personen
erhalten habe, von denen jedoch in der gegenwärtig 2823 Seelen
starken evangelischen Gemeinde nur 3 Namen noch zu finden seien.
*) Zwiedineck S. 37 nach dem steiermärkischen Statthaltereiarchiv.
») Ebenda.
») Ebenda S. 38.
*) Zwiedineck a. a. O. S. 45.
*) Ebenda S. 45, Anmerk. Meltzl theilt a. a O. S. 305 Anmerk. unter Bezug
auf das Nationalarchiv mit, dass unter dem 26. August 1752 ein kgl. Rescript die
ersten Anordnungen bezüglich der Uebernahme von Transmigranten aus Oesterreich
getroffen habe.
*) Die Stiftung des kath. theresianischen Waisenhauses. Hermannstadt 1869. S. 4.
') Ethnographie III, S. 88.
') Aus welchen obersteierischen Orten die Transmigranten gekommen, weiss man
nicht. Zapletal behauptet a. a. O. S. 41, dass im obern Ennsthale eine Transmigration
nie angeordnet oder durchgeführt wurde. Doch lese ich bei Kotschy S. 27, dass in
Purgg für den 7. Juni 1752 eine Transmigration festgesetzt wurde.
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92
Auch andere Orte Siebenbürgens haben zu jener Zeit wohl, ohne
dass darüber Genaueres bekannt wäre, Transmigranten aufgenom-
men, so z. B. Orte in der Gegend von Mediasch*). In den Jahren
1756 — 1762 sind den Hermannstädter Magistratsprotokollen zufolge
nach Schmidt noch 1441 Personen angekommen. Herrmann*) fasst
blos den Zeitraum von 1752 — 1757 in's Auge und berichtet, dass in
demselben 1022 Familien, 2759 Köpfe, in 14 Transporten, nach
Siebenbürgen gezogen seien. ,Von diesen gingen 281 Familien auf
Grosspold, wo sie die für sie gebauten Häuser bezogen.* Meltzl
vermuthet, dass hier die 281 Familien in 281 Köpfe zu corrigiren
seien, Was übrigens Grosspold weiterhin anlangt, so hat der gegen-
wärtige Pfarrer D. Krasser*) aus den Tauf-, Todten- und Trauungs
büchern von Grosspold herausgebracht, dass die ersten Trans-
migranten erst am Ende des Jahres 1752 dort angelangt sein können.
Ueber die Anzahl der Transmigranten, welche unter M. Theresia
nach Siebenbürgen kamen, wird man nicht leicht in's Klare kommen.
Bezüglich Kärntens liegt mir ein in Klagenfurt angefertigtes und
heute im Hermannstädter Archive liegendes Verzeichniss der von
1752 bis Ende September 1772 aus jenem Lande nach Siebenbürgen
ausgewanderten Protestanten in der Abschrift vor, das ich im An-
hange zu dieser Darstellung abdrucken lasse. Es enthält 740 Namen.
Darnach fand die stärkste Transmigration in den Jahren 1753 — 175S
aus Himmelberg statt. Doch man vergleiche den Anhang selber.
Zahlreiche von den unter Maria Theresia Transmigrirten waren
bis ,auf weitere Verfügung* in Hermannstadt aufgenommen und
verpflegt worden. Von diesen theilt Schmidt a. a. O. die Namen,
das mitgebrachte Vermögen und die Herkunft der Kärntner und
Oberösterreicher nach einem Verzeichnisse des Transmigranten-
Inspectors v. Hannenheim aus dem Archive des katholischen there-
sianischen Waisenhauses in Hermannstadt mit. Das Verzeichniss der
Steirer war dort leider nicht mehr zu finden. Schmidt bietet 103
kärntnische und 221 oberösterreichische Namen. In Hermannstadt
sollten die Transmigranten in eigens fiir sie hergestellten Häusern
1) Salzer, Der königl. freie Markt Birthälm in Siebenbürgen. Wien 1881. S. 280.
Michael Conrad von Heidendorf. Eine Selbstbiographie. Archiv des Ver. f.
siebenb. Landesk. XVI, S. 471.
•) a. a. O. S. 305 u. Anmerk.
') Geschichte des sächsischen Dorfes Grosspold. Hermannstadt 1870. S. 67.
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vor dem Burgerthore untergebracht werden. Allein die Wohnungen
sagten der Beschäftigung der meisten, die Landwirthschaft und Vieh-
zucht zu treiben gewöhnt waren, nicht zu und so wurden sie
auf den Meierhöfen und auf den Dörfern angesiedelt. Aus den
Transmigrantenhäusern aber erstand das kathol. theresianische
Waisenhaus *).
Als später in Hermannstadt anlässlich der Anwesenheit Josefs II.
die Vorstadt ^ Josefstadt* gegründet ward, da wurden hier den Trans-
migranten Wohnplätze angewiesen. Am 20. October 1780 consti-
tuirte sich die Josefstädter , Nachbarschaft*. Ihre ersten Vorstände
waren nach dem dortigen Nachbarschaftsprotokoll : Johann Ernst
Stärker und Johann Reissenberger ').
Seitdem Josef als Mitregent an die Seite seiner Mutter getreten
war, mochten nur wenige Transmigrationen stattgefunden haben. Die
Praxis wurde den ^Irrgläubigen* gegenüber offenbar eine mildere.
Die Transporte, die am 15. März und am i. April 1774 von Murau
abgehen sollten, wurden plötzlich von Wien aus abgesagt. Erst als
Graf Stubenberg dagegen Einsprache erhoben hatte, wurden sie am
15. und 20. April vollzogen und eine Anzahl von 198 Personen ab-
geführt. So Zwiedineck '). Nach Zapletal *) waren diese Transmigranten
Bewohner von Stadl, im Murthal oberhalb Murau, wo sich 200 Per-
sonen protokollarisch für den Protestantismus erklärt hatten. »Jene,
die von Belehrung nichts wissen wollten, wurden zur Auswanderung
genöthigt, im Ganzen 152 Personen. Kinder unter 15 Jahren wurden
zurückbehalten und theils bei Katholiken, theils im Waisenhause zu
Graz untergebracht, iio Personen galten als vermöglich : sie erhielten
täglich neun Kreuzer, die Armen sechs Kreuzer. Angesiedelt wurden
sie bei Hermannstadt, zu Grosspol d und Neppendorf.*
Am 7. November 1774 stellte Josef II. die Transmigration über-
haupt ab *) und am 13. October 1781 erliess er sein Toleranzpatent.
») Schmidt a. a. O. S. 12.
*) Ueber den ersteren vermag ich nichts anzugeben. Der zweite war mein Vor-
fahr, ein Weber. Geboren war er 1724. im Jahre 1752 wanderte er aus Wimsbach in
Oberösterreich nach Hermannstadt, wo er laut Todtenbuch der dortigen ev. Gemeinde
A. B. 1798 starb,
•) Zwiedineck a. a. O. S. 50.
*) Zapletal a. a. O. S. 41, Anm.
«) Zwiedineck a. a. O. S. 50. Vgl. auch Czerwenka in diesem Jahrbuch, II,
S. ^s (zum 6. Juni 1775) und Zapletal a. a. O. S, 3S.
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94
Wohl hat einige von den Transmigranten Heimatsehnen *) erfasst,
aber nur wenige sind in die alte Heimat zurückgekehrt. Die neuen
Ankömmlinge sind in Siebenbürgen mit den sächsischen Glaubens-
und Stammesgenossen mehr und mehr in Eins verwachsen. Doch
treu bewahren sie auch die Traditionen der alten Zeit. Und noch
heute erzählen in den Familien der Transmigranten die Eltern den
aufhorchenden Kleinen von der alten schönen Heimat, wie von dem
hohen Glaubensmuth der Väter, und lehren sie der Väter werth zu sein.
Anhang.
Das oben angezogene Actenstück') findet sich im Archiv der
Stadt Hermannstadt und der sächsischen Nation unter dem Titel :
, Haupt-Tabelle Ueber die von Anno 1752 bis ultE^ Septembris 1772
aus dem Herzogthum Kärnten in das Gross-Fürstenthum Sieben-
bürgen abgeschickte Transmigranten ; das was selbe an verhandelten
Vermögen zurückgelassen, darauf bereits empfangen und künfftig
noch zu fordern haben, ingleichen in wie viel Jahren und Terminen
Abzahlung beschehen werde.* Das Schriftstück trägt das Datum
^Klagenfurt den 30 Septembris 1772* und die Unterschrift ^Johann
Gottlieb Brucks k. k. Rath und Cameral-Buchhalter*. Den ganzen
Act abzudrucken, halte ich nicht für nöthig, dagegen scheint es
mir der Mühe werth, das Namensverzeichniss *) der Transmigranten,
das Jahr ihrer Auswanderung und ,die Herrschafften, unter denen
sie in Kärnten ansässig waren*, hier folgen zu lassen.
Es wanderten aus:
1752
aus Afritz :
Gramer Veit — Fischer Veit — Hochkoffler Georg — NöffRuep.
aus Himmelberg:
Adrischer Benedict — Dorffer Hanß, vulgo Eixel, dessen Weib
Susanna, Söhne Valentin, Leonhard, Tochter Marie — Ebner Michael
*) Koch, Heimatsehnen eines Transinigranten, in diesem Jahrb. IV, S. 168 ff.,
und V. Otto: Zwei Memortale der aus Oberösterreich, Steiermark und Kärnten nach
Siebenbürgen Transmigrirten an das Corpus Evangeliconim, ebenda IV, S. l8i fF.
*) Es wurde mir im Sommer des Jahres 1884 in Hermannstadt durch meinen
verehrten Freund Archivar Franz Zimmermann zugänglich gemacht, wofür ich ihm
auch hier bestens danke.
*) Im Actenstück ist es nicht chronologisch, sondern alphabetisch.
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95
— Ecker Ambroß — Fischer Georg — Geschloßer Philipp — Kohl-
grueber Leonhard — Kirschbaumer Clement — Laback Matthias,
dessen Weib Marie — Neidhart Matthias, dessen Weib Ursula —
Primaßnigg Georg — Pürker Georg — Prandner Peter, dessen Weib
Kunigund — Rauter Johann, dessen Weib Margreth — Sonnleitner
Caspar — Stieger Nicolaus — Wandlung Thomas — Wirfler
Hanß — Wiggißer Veit — Zaniner Thomas — Zechner Adam ;
aus Paternion:
Gaßer Peter;
aus Spital:
Pigele Martin;
aus Treffen:
Teng Matthias, dessen Weib Rosina, Töchter Rosina, Christina,
Barbara.
1753
aus Afritz:
Bauer Hanß — Bauer Johann — Bodnerin Maria, Sohn Matthias,
Tochter Christina — Creutzer Joseph — Grueber Matthias — Haß-
lacher Hanß, dessen Weib Magdalena — Hinteregger Hanß —
Katolnik Michael, dessen Weib Rosina — Koffeler Ruep — Lindner
Jacob — Oberhinteregger Matthias — Wiltschnigg Caspar — Zäsar,
vulgo Ofner Paul, dessen Weib Walburga, Sohn Christian;
aus Albegg:
Bayer, vulgo Weger Michael — Kapplin Kunigund — Lamerer
Georg — Payerin oder Huberin Walpurga — Pucher Nicolaus,
dessen Weib Maria — Widitscherin Anna;
aus Gmünd:
Maunth Georg, dessen Weib Anna — Ortner Adam — Stein-
wender Simon — Straßer Joseph;
aus Grünburg:
Astnerin Margareth — Kitzler Hanß — Koller Jacob, dessen
Weib Eva, Sohn Jacob, Töchter Magdalena und Eva — Kucher
Paul, dessen Weib Maria, Tochter Magdalena — Matheile Paul,
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96
vulgo Klupper, dessen Weib Ursula, Tochter Agnes — Muner Georg,
dessen Weib Maria, Tochter Eva — Pernull Bartlmee — Pfeifhofer
Hanß — Pacher Andreas, dessen Weib Susanna, Sohn Johann —
Pobersacherin Gertraud — Rohr Hanß ;
aus Himmelberg:
Buchreiter Christian — Dragelßperger Gregor, dessen Weib
Maria — Dragelßperger Andreas — Dörfler Leonhard — Eder
Ruep — Ertel Jacob — Festin Maria — Fischer Maria, Töchter
Elisabeth und Maria (Frau und Töchter des 1752 transmigrirten
Georg Fischer) — Glatz Lorenz — Glatz Lorenz Mostel oder
Schreiber, dessen Weib Elisabeth, Sohn Bartlmee, Tochter Maria —
Glatz Balthasar — Glatz Hanß, dessen Weib Catharina — Glamienz
Lorenz — Grueber Matthias — Guppacher Vincent — Holdernigg
Lorenz, dessen Weib Maria, Tochter Maria, Sohn Urban — Kantz
Hanß — Koffeler Jacob — Kalchgruber Hanß, dessen Weib
Ursula — Krainer Hanß — Krueg Matthias — Lanner Simon,
dessen Weib Magdalena, Söhne Philipp, Paul, Töchter Maria, Prisca
und Eva — Laßner Simon, vulgo Zaninner — Laßnerin Anna oder
Zaninnerin — Mayerinn Elisabeth — Moßer Jacob, dessen Weib
Walburga, Sohn Christian, Tochter Margreth, dann Maria und Eva —
Nuß Vincent, dessen Weib Susanna, Söhne Gregor, Thomas, Paul
— Nuß Peter, Sohn detto — Obermüllbacher Andreas, Johanna,
dessen Weib — Payrin Anastasia — Peturger Oßvvald — Peturger
Thomas, dessen Weib Gertraud, Töchter Eva, Kunigund, Sohn
Matthias — Pichler Christian, dessen Weib Agnes, Sohn Jacob,
Töchter Catharina, Margreth, Gertraud, Barbara — Piron Paul —
Prucknerin Agnes — Rader Ruep — Rainer Thomas — Rainer Urban,
dessen Weib Maria, Sohn Christian — Rauter Josef — Rauter Andreas,
dessen Weib Maria, Sohn Jacob, Tochter Catharina, Stiefsohn Georg
Grabul — Rauter Franz, dessen Tochter Barbara — Sandner
Matthias — Sonnleitner Andreas — Schönfelder Matthias — Scheerer
Mathias — Steußnigg Simon — Trumpold Jacob — Trage Jacob
— Tauhammer Hanß — Tafernerinn Magdalena — Traunschaigg
Simon — Widitscher Georg, dessen Weib Magdalena — Wiggißer
Paul, dessen Weib Margreth — Wiggißerin Regina — Zeiner
Christian, dessen Weib Sabina, Sohn Caspar, Sohn Peter, Tochter
Catharina;
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97
aus Millstatt:
Burgstaller Ruep — Gröfling Ambroß — Glabischnigg Bartlmee
Gatternigg Lorenz — Rossbacher Karl — Unterrossbacher Hanß —
Unterrambel Bernhard — Unterrambel Peter — Unterrambel Ruep ;
aus Paternion:
Hochenbacher Hanß — Wetzel Matthias.
1764
aus Afritz:
Crainer Martin, dessen Weib Maria, Söhne Georg, Andreas,
Töchter Maria, Rosina, Christina — Gaßer Christian, dessen Weib
Catharina — Gaßer Jacob — Maurerin Maria, deren Sohn Simon —
Maurer Jacob, dessen Töchte» Susanna, Maria, Barbara, Catharina,
Sohn Matthias — Nöfif Christian, Weib Christine, Tochter Catharina
-- Nöff Michael — Oberauer Peter — Pidermann Jacob, dessen
Weib Maria, Töchter Gertraud und Maria — Pößerinn Christina,
deren Töchter Susanna und Barbara — Werger Jacob, dessen Weib
Ursula, Sohn Urban, Tochter Catharina;
aus Gmünd:
Greymannin Eva, deren Töchter Eva, Maria, Theresia, Sohn
Philipp ;
aus Goldenstein:
Cerza Jacob, dessen Weib Barbara, Sohn Jacob, Tochter Catha-
rina — Dabringer Andreas, dessen Weib Anna, Töchter Anna,
Maria — Hochenwartterin Maria — Kaschutnigg Georg — Lack-
nerin Susanna — Winckler Thomas, dessen Weib Eva;
aus Grünburg:
Koller Georg, dessen Weib Magdalena, Tochter. Ursula —
Marasch Christian, dessen Weib Magdalena — Muner Susanna und
Bruder Georg (Eltern und Schwester Eva schon 1753) — Stadtmann
Christoph — Schönauer Matthias, dessen Weib Maria, Stiefsohn
Hanß Koller, Stieftochter Maria Kollerin, leibliche Tochter Christina ;
aus Himmelberg:
Dorffer Peter, dessen Weib Ursula, dessen Sohn *), dessen
Töchter Maria, Elisabeth und Ursula, dessen Söhne Matthias und
*) Fehlt der Name.
Jahrbuch des ProtestantiAmtist i8S6. H. II.
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98
Sebastian — Ecker Christian — Eder Georg, dessen Weib Ursula,
Töchter Theresia, Elisabeth und Maria, dessen Sohn Peter — Fritz
Andreas — Glatzin Catharina, deren Sohn Vincent — Glatz Lucas,
dessen Weib Maria und Tochter Magdalena — Gurgger Jacob —
Holtzer Simon, dessen Weib Susanna, Töchter Gertraud, Maria,
Söhne Michael, Franz, Jacob — Haberle Martin, dessen Weib
Susanna, Sohn Johann — Keyderer Sebastian — Kandelbachei*
Ruep — Laßner Christian, dessen Weib Christina, Sohn Jacob —
Müller Veit — Obermüllbacher Andreas, dessen Weib Susanna,
Tochter Maria, Sohn Andreas — Oberscheiber Christian, dessen
Weib Christina, Töchter Maria und Ursula und Söhne Georg und
Andreas — Oberscheiberin Maria, deren Tochter Maria, Sohn Jacob
— Oberegger Hanß — Obereggerin» Rosina — Piebemigg Veit,
dessen Weib Christina und Mutter Maria — Payrin oder Sonnleit-
nerin — Pacherin Ursula — Pacherin Barbara, deren Sohn Peter —
Prendner Jacob — Priebeßnigg Franz — Rannerin Maria, deren
Tochter Maria — Rannerin Elisabeth — Riegerin Maria — Steußnigg
Bartlmee — Schorin Ursula, deren Tochter Maria — Schreiber Adam,
dessen Weib Kunigund, Söhne Ruep und Gregor, Töchter Margreth
und Catharina — Trattnigg Andreas — Widitscher Philipp —
Wieserner Paul, dessen Weib Barbara und Sohn Urban — Zaniner
Veit und Anna — Zanin, an der Christian, dessen Weib Maria,
Tochter Maria, Tochter Maria (sie!);
aus Spital:
Feichtner oder Eder Jacob.
1755
aus Afritz:
Gastingerin Catharina — Wutterniggin Catharina;
aus Albegg:
Bayer, vulgo Weger Michael;
aus Goldenstein:
Klamig Georg, dessen Weib Maria, Sohn Georg, Töchter
Ursula und Maria — Leitgeb Christoph und Leitgebin Ursula —
Mayer Hanß, dessen Weib Christina, Sohn Johann, Töchter Catharina.
Christina, Eva — Paltauffin Magdalena — Rettel Hanß, dessen Weib
Catharina, Sohn Jacob — Winckler Jacob;
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99
aus Himmelberg:
Beyerin Barbara oder Haßlerin — Burger Georg, dessen Weib
Rosina, Sohn Peter, Tochter Christina — Doltzer Lorenz, Doltzerin
Maria — Doltzer Simon, dessen Weib Kunigund, Tochter Christina
— Doltzerin Christina — Eder Thomas vulgo Pogriel, dessen Sohn
Jacob, Weib Catharina, Söhne Bartlmee und Thomas, Töchter Mar-
greth und Catharina — Fritz Barthelmee, dessen Weib Kunigund,
Sohn Thomas und Tochter Maria — Ganglin Susanna — Gram-
bacher Georg — Glatz Ulrich, dessen Weib Kunigund, Söhne Jacob
und Lorenz — Gitzler Simon — Gurl Georg, dessen Weib Magda-
lena — Graf Matthias — Gurgger Simon — Gurggerin Agatha,
deren Tochter Ursula — Hueber Nicolaus, Hueberin Susanna —
Kof lerin Susanna, deren Töchter Maria, Gertraud, Maria (sie !), Sohn
Paul — Kramer Clemens — Kaunper Simon, dessen Weib —
Koglerin Maria — Kramer Georg — Matlisch Paul — Mayer Simon,
dessen Weib Maria, Schwester Maria — Moserin Ursula — Moserin
Maria — Moser Gregor, dessen Weib Regina, Tochter Maria —
Moser Christian — Müller Joseph, dessen Weib Magdalena, Tochter
Maria, Sohn Johann — Müllerin Maria — Müllerin Maria, vulgo Satt-
lerin — Neidhard Matthias — Obereggerin Gertraud — Oberrufer
Joseph — Pingest Georg — Fingest Martin — Platzerin Magdalena —
Prandner Ruep — Peiniger Matthias — Pilgram Caspar — Prantner
Peter, dessen Weib Elisabeth, Söhne Georg und Veit, Töchter
Maria und Ursula — Purger Urban — Purger Georg — Purgerin
Maria — Ramin Maria — Ramin Gertraud — Ranner Christian —
Rauterin Catharina — Rüger Andreas, dessen Schwestern Maria,
Rosina, Magdalena, Barbara, Bruder Jacob — Rüger Peter (Vater
der Vorigen), dessen Sohn Christian, Tochter Catharina — Staudacher
Matthias — Sandnerin Regina — Schusterin Brigitta — Schlitzerin
Maria — Schnitzer Bartlmee — ThuU Nicolaus — Tschrieter
Christian — Wegscheider Matthias — Zacher Peter;
aus Ortenburg (oder Spital):
Amblacher Hans und Christoph, Amlacherin Ursula, Mutter;
aus Paternion:
Amenitschin Catharina, Söhne Georg und Matthias — Amenit-
schin Ursula und Magdalena — Angermann Martin, Weib Maria,
Töchter Maria und Barbara — Angermannin Maria und Barbara (sie!)
7*
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100
— Engelmayer Hanß, Christoph, Christina, Catharina — Engelmayer
Georg, dessen Weib Elisabeth — Grünanger Adam, dessen Tochter
Anna — Hofmannin Maria — Lochmannin Ehsabeth — Nageler
Christian — Nagelin Magdalena — Nageler Georg, Hanß, Martin
— Sattler Philipp — Schmidhofer Jacob — Udlinger Georg, dessen
Weib Maria, Sohn Christian, Hanß, Peter, Töchter Magdalena und
Maria — Udlinger Georg junior — Weidacherin Agnes;
aus Spital:
Engelmeyer Christoph, dessen Söhne Hanß, Matthias, dessen
Töchter Maria, Barbara, Christina, Catharina (siehe oben Paternion 1755)
— Eggertin Christina, vulgo Unterordnerin — Eggartner Jacob —
Eggartnerin Anna und Margaretha *) — Glantzer Veit und Paul —
Glantzerin Margreth — Glantzer Christian — Glantzer Martin zu
Aich — Glantzerin Anna — Glantzerin Maria Christian, Glantzers
Weib, deren Sohn Christian, deren Tochter Anna — Hofer Matthias
— Hofer Michael — Innerwincklerin Christina und Elisabeth —
Kleinsaßer Hanß, dessen Weib Barbara, Tochter Christina — Klein-
saßer Christoph, Matthias, Joseph — Kasin Susanna — Körner
Christian — Müller Joseph, dessen Weib Elisabeth, Sohn Joseph,
Tochter Barbara — Müller Peter — Nageler Christian, Weib Ursula,
Söhne Georg, Thomas, Tochter Anna — Pösterer Johann —
Pentzerin Rosina — Pentzer Christian — Pichlerin Rosina — Plattner
Christian, Plattner Hanß, Plattnerin Elisabeth — Rannacherin Maria
— Resch Valentin — Straußin Christina — Unterhauser Bernhard,
dessen Weib Christina, Sohn Christian — Waldner Georg, dessen
Weib Anna, Söhne Christian und Hanß, Tochter Maria, Stieftochter
Elisabeth, Sohn Christian — Wurtzin Anna — Wurtzy Andreas,
dessen Weib Margreth, Tochter Magdalena;
aus Treffen:
Mitterer Mathias — Unterseitner Andreas.
1756
aus Himmelberg:
Creiterinn Maria --- Fichtnerin Christina — Guggacherin Agnes
— Glatz Lorenz aus Mitteregg — Gimplin Elisabeth — Huberin
Christina — Holderniggin Magdalena — Krugin Susanna — Nischer
Matthias — Pichler Jacob — Pluchin Ursula — Prißin Maria ;
*) Daneben geschrieben Maria.
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101
aus Paternion:
Dräxlerin Margreth — Engelmayer Peter, dessen Weib Catha-
rina, Tochter Catharina — Naglerinn Dorothea, deren Tochter
Catharina, Sohn Christian, Tochter Maria — Naglerin Susanna,
deren Tochter Christina — Rohrerin Magdalena — Schmidhofer
Kunigund (deren Mann 1755), Söhne Peter und Jacob, Tochter Chri-
stina — Schmidhoferin Susanna — Schock Michael — Tintenhauserin
Ursula und Barbara — Waßermann Hanß, dessen Weib Catharina,
Töchter Catharina und Susanna, Sohn Georg;
aus Spital:
Eder Martin, dessen Weib Ursula, Stieftöchter Susanna und
Ursula Santnerin, Stiefsohn Hanß Santner, Sohn Leonhard, Tochter
Margareth — Eder Jacob und dessen Weib Maria, Söhne Jacob,
Ruep, Hanß, Töchter Christina, Maria, Maria -- Hofer Hanß, dessen
Weib Anna, Töchter Barbara, Anna, Söhne Michael, Christian,
Paul, Jacob, Hanß — Sandnerin Ursula, deren Sohn Adam, Töchter
Josepha, Rosina, Ursula.
1767
aus Afritz:
Hochkoflerinn Susanna nebst Tochter Susanna;
aus Himmelberg:
Müllbacher Philipp — Vilguth Michael;
aus Millstatt:
Moser Martin, dessen Weib Maria, Sohn Jacob, Tochter Barbara
— Mitterebner Martin — Pruggerin Rosina und Sara — Rastner
Paul und dessen Weib Maria;
aus Spital:
Hochbacherinn Anna — Hochegger Hanß, dessen Sohn Bal-
thasar, Weib Christina, Söhne Matthias, Adam, Tochter Ursula —
Hochstartzer Veit, Hochstartzerinn Maria — Hochstartzer Jacob,
dessen Weib Maria, Söhne Jacob, Hannß, Tochter Theresia —
Hochstartzer Matthias — Hochbacher Hanß, vulgo Rannacher,
dessen Weib Ursula, Tochter Ursula, Söhne Jacob und Hanß —
Hochbacher Joseph, dessen Weib Gertraud — Hochenburger Hanß,
dessen Weib Christina, Söhne Hanß und Jacob, Töchter Maria und
Catharina — Hueber Johann — Niederstarzer Ambros, dessen Weib
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102
Ursula, Tochter Ursula — OberkoflTlerin Maria, deren Sohn Hanß
— Purgstallerin Maria — Schneeweiß Simon, dann Joseph und
Christian — Schnee weißin Anna — Schneeweiß Joseph — Schnee-
weiß Thomas, dessen Weib Margreth, Tochter Margreth — Schnee-
weißin Anna (siel) — Schneeweißin Maria, des Joseph Schneeweiß
Weib, deren Sohn Hanß, Tochter Anna, Sohn Joseph — Sandnerinn
Ursula, verehelichte Baumanninn — Walcher Michael, dessen Weib
Anna, Töchter Maria, Margreth, Ursula, Sohn Joseph.
1758
aus Millstatt:
Mitterebner Eva (das Weib des 1757 ausgewanderten Martin),
Sohn Philipp — Mitterambl Philipp, dessen Weib Catharina, Töchter
Ursula und Maria, Söhne Georg, Johann, Philipp, Joseph.
1763
aus Himmelberg:
Koff 1er Johann.
Obwohl die Tabelle von 1752 — 1772 reicht, so findet sich darin
doch kein Transmigrant aus der Zeit nach 1763; dagegen ist das
Jahr 173s zweimal vertreten. Unter diesem Jahre erscheinen nämlich
Schweigerin Christina und Türkin Anna, beide aus St. Paternion.
Nur die Namen, ohne nähere Bestimmungen, sind angegeben von :
Kobalter Ruep und dessen Sohn Joseph.
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Siebenter Jahrgang,
in. Heft
j'ili - September iSSö.
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Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt
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Dr. Martin Luther's 400jährige Geburtstagsfeier
in Oesterreich
am 10. und 11. November 1883.
Von Johann DEDIC, evang. Pfarrer in Olmütz.
III. (Fortsetzung.)*)
IV. Nachklänge zur Lutherfeier.
Dass eine so hochbedeutsame und seltene Gedenkfeier nicht
mit dem Jubel der Festtage verhallt, sondern in einzelnen Accorden
noch lange nachklingt und manche liebliche Nachfeier im
Gefolge hat, ist begreiflich, und so haben wir unter obigem Titel
noch einzelne mit dem Lutherfeste im Zusammenhange stehende
Kundgebungen zu verzeichnen, welche gleichsam den Abschluss
der so frohbewegten Jubel tage bildeten.
Den Vortritt lassen wir diesmal der studirenden Jugend der
Wiener Hochschulen, welche am Abend des 12. November
im Sophiensaale einen Luther- Commers veranstaltete, über
welchen der j^Oesterr. Protestant* 1883, Nr. 23 ausführlichen Bericht
erstattet, aus dem wir Folgendes mittheilen.
In der Mitte des Saales war an der einen Längenwand die
Rednerbühne errichtet und schwarz-roth-gold drapirt, hinter derselben
war, durch Laubwerk verdeckt, das die Gesänge begleitende Orchester
postirt, vor derselben eine Büste Luthcr's aufgestellt. Die Tafeln in
unmittelbarster Nähe der Rednerbühne waren von Ehrengästen besetzt,
die übrigen von Studenten. Rings um die Bankettafeln, auf den
Stufen und auf der Ueberhöhung des Saales stand die festlich
schwarz gekleidete Menge. Von den Gallerien blickte Kopf an Kopf
ein Kranz von Damen. Wohl über 3000 Personen waren versammelt.
») Vergl. H. I. S 1—32 und H. II. S. 49—77.
Jahrbuch des Protestantismus 1886. H. III. g
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104_
Nachdem der Vorsitzende, Julius Antonius, den Commers
eröffnet hatte, wurde das , Gaudeamus igitur* gesungen. Dann
begrüsste er die erschienenen Professoren, Reichsraths-Abgeordneten,
Schriftsteller, Mitglieder der evang. Gemeindevertretungen Augsb.
und Helv. Confession u. s. w.
Nach dem Liede , Stimmt an mit hellem hohen Klang* hielt
der Präses die erste Rede: Von keinem aller Deutschen sei solche
Wirkung ausgeströmt, wie von Luther. Es sei natürlich, dass die
deutsche akademische Jugend auch ihrerseits hiefiir Zeugniss ablegen
wollte. Es habe sich nur darum gehandelt, wie sie Luther würdig
feiern sollte. Luther war nicht nur der ernst ringende Mann, er war
auch der heitere Geselle zu Erfurt, der echte Student, fröhlich beim
Gelage, ernst beim Buche. Darum hätten es die Studenten unter-
nommen zu zeigen, dass die Jugend Ernst und Würde mit Heiter-
keit und Frohsiim zu verbinden wisse.
Hierauf folgten Reden vom Sprecher der Burschenschaft ,Albia*,
von Professor Seberiny und vom Drd. phil. Brückner. Dar-
nach hielt der Reichsraths-Abgeordnete und Presbyter A. C. Dr.
Bareuther eine längere Rede, in deren Verlauf er sagte:
.... Um so lieber verweile ich bei dem Wittenberger Pro-
fessor, der längst gestorben, daher wohl nicht mehr als gefährlich
erachtet werden wird. Das aber kann ich nimmermehr und möchte
es auch nicht ungeschehen machen, dass so viele deutsche Zungen
von ihm geredet haben und nicht aufhören von ihm zu reden.
Selbst seine Gegner hat er sprechen gelehrt. Es ist das Wahrzeichen
jeder grossen, genialen That, dass sie Freund wie Feind beherrscht
und ihn zwingt zum Denken. Hinter jedem deutschen Wörtlein, das
von unseren Lippen fliesst, war ja M. Luther emsig und fleissig
gesessen, und wenn aus den erhebenden Reden, die wir in diesen
Tagen gehört, es manchmal zuckte und rollte wie Blitz und Donner
— es wird nicht fehlgegangen sein — das war von Luther. Und
wie hatte er die Sprache in seiner Gewalt 1 So wuchtig. Hieb auf
Hieb, so frank und frei, so fein und grob, so mild und zornig, und
in Allem so wahr und überzeugungstreu wie er hat noch Keiner
gesprochen. Er war der Sprach- und Schulmeister unseres Volkes.
Mit glühender Liebe hing er an seinem Vaterlande, das er durch
die Macht seines Wortes neu begründet. Und was für ein dauer-
haftes verlässliches Volksmaterial hat er gefunden, um Tüchtiges
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106
daraus zu bilden! j^Für meine Deutschen bin ich geboren, ihnen
will ich dienen*, rief er aus; ^^ich kann's ja nicht lassen, ich muss
sorgen für das arm, elend, verlassen, veracht, verrathen und ver-
kauft Deutschland, dem ich ja kein Arges, sondern alles Gute ver-
gönne, als ich schuldig bin meinem lieben Vaterland.* Was das
Martyrium eines Hus und eines Hieronymus nicht vermochte, er
und das deutsche Volk haben es durchgeführt. Aus dem Witten-
berger Nachtigallenliede ist ein erschütternder Freiheitssang geworden,
der aufklärend und reinigend durch die deutschen Lande und weit
über Lande und Meere hinausbraust, ein Freiheitssang, der die
Herzen von Alt und Jung, von Hoch und Niedrig entflammte und
forttönte bis in unsere Zeiten.
.... Wie ein Held vertrat er zu Worms seine gerechte Sache.
Unbeugsam und unerschrocken beharrte er auf seiner Ueberzeugung.
Alles Drohen und Bangemachen, alles Bannen und Aechten half
nichts — er blieb der Sieger. , Durch bin ich — ich bin durch I"
rief er, als er vom Rathssaale in seine Herberge kam. . . . Freude-
strahlend beglückwünschten ihn seine Freunde. Manch neuen Freund
hatte er sich an diesem Tage erworben. Einer unter ihnen, dem es
so recht zu Herzen ging, Herzog Erich von Braunschweig hiess der
Freund, wollte ihm noch eine ganz besondere Ehre und Gunst er-
weisen. Ein silbernes Kännlein guten Einbecker Bieres schickte er
ihm. Er dachte sich, so ein Schluck muss heute dem Luther munden.
Es ist ein gut Beispiel, das uns der wackere Erich gegeben. An-
stossen können wir freilich nicht mehr mit dem seligen Luther.
Aber unsere Gläser können wir erheben auf die in Luther ver-
körperten Tugenden des deutschen Volkes. Der Tüchtigkeit und
Festigkeit der Zukunft der deutschen Nation gilt mein Trinkspruch.
Hoch lebe das deutsche Volk in und ausser Oesterreich!
Nach dieser Rede folgte die Verlesung der eingelaufenen brief-
lichen und telegraphischen Grüsse von Nah und Fem. Hierauf wurde
der Salamander in honorem doctissimi Martini Lutheri gerieben.
Nach Absingung des Liedes ,Wenn Alle untreu werden* schloss
der Vorsitzende den Commers (V4I Uhr).
Noch eine Lutherfeier in Wien veranstaltete die , Gesellschaft
für die Geschichte des Protestantismus in Oesterreich* am 14. No-
vember Abends 7 Uhr im grossen Musikvereinssaale. Ein sehr zahl-
reiches Publicum aus den besten Kreisen hatte sich dazu eingefunden.
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106
Nach dem Vortrage einer Orgel-Fuge durch den Virtuosen Jos. Labor
betrat der als Kanzelredner und Verfasser mehrerer die Geschichte
der evangelischen Kirche in Oesterreich behandelnden Schriften
rühmlich bekannte Senior und Pfarrer Lic. Dr. Gustav Trauten-
berger aus Brunn die Rednerbühne, vor welcher inmitten reichen
Blumenschmuckes die Lutherbüste stand. Er sprach über , Luther
in Oesterreich*. Der Vortrag wurde mit ausserordentlichem Beifalle
aufgenommen. Wir geben die im ,Oesterr. Protestanten* 1883, Nr. 22
mitgetheilte Skizze.
,Als der Frühling dieses Jahres vor der Thüre stand mit seinem
Blühen, da zitterten durch unser Volk der Trauer Klänge um des
Dichtercomponisten willen, den uns ein jäher Tod entführt; und
jetzt der Winter vor der Thüre steht mit seinem Brausen, tönen
durch unser Volk des Jubels Klänge um des Dichtercomponisten
willen, der uns geschenkt ward vor 400 Jahren. Führwahr, wenn
Luther nur das eine Lied gedichtet hätte, geschaffen nur die eine
Weise ,Ein' feste Burg ist unser Gott*, die erklungen ungezählte
Male in Schlachten stürm und Kerkereinsamkeit, bei gewaltsamer
Wegführung aus der Heimat und auf blutiger Richtstatt, in der
Versammlung der festfeiernden Gemeinde und in der Andachtsstille
der einzelnen in Gott versenkten Seele: wenn Luther uns nur seine
3^ feste Burg* geschenkt hätte, schon um des einen Liedes willen
müssten wir ihn den wirksamsten Dichtercomponisten beizählen.
Aber Luther ist mehr! Er ist ein Sänger und ein Heldl*
Redner schilderte nun nach einem Blick auf den Heldenjüng-
ling Theodor Körner, der von Wien aus für sein Volk in den Tod
ging, den Helden der Helden, Luther, ^^der in den Tagen schwüler
Versumpfung in Gottes Kraft dem reinfegenden Sturme rief, den
Sturm bestand, den Sturm bezwang*, ging dann auf Herder*s Schil-
denmg von Luther 's Heldcngrösse (^Mächt'ger Eichbaum, deutschen
Stammes, Gotteskraft* u. s. w.) ein, erwähnte, dass solche Heldcn-
grösse nur nach und nach in fortgesetztem Ringen erwachse und
Luther, als er 151 1 durch Tirol nach Rom pilgerte, erst die all-
gemeinsten Umrisse seiner späteren Herrlichkeit zeige.
,Was er erschaut, erlebt im vermeintlich heiligen Rom, geht
dem frommen Deutschen wie ein erkältender Schauer durch die
Seele. Als er durch Tirol zurückzieht, hebt ein leises Grollen an in
seiner Seele, dass in jenen Domen, die einst den Stein vergeistigt,
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107
nunmehr der Geist versteinert, dass die Form gesiegt über den
Inhalt, das todte Werk über den lebendigen Glauben, der gold-
betresste Diener über den demüthigen, sanftmüthigen Herrn, ein
leises Grollen über die Ausbeutung seines ehrlich-ernsten deutschen
Volkes durch römische Schlauheit. Denkt er vielleicht der zürnenden
Verse, die ein edler Sohn des Landes, ein Tiroler, Walter von der
Vogelweide, dritthalb Jahrhunderte früher schon geschrieben gegen
die Beraubung Deutschlands durch den Papst und dessen Genossen?*
Redner schildert hierauf, wie Johann Tetzel um Ehebruchs
willen in Innsbruck ersäuft werden sollte, aber auf hohe Fürsprache
straffrei ausging, und fahrt fort:
,Wer mag es sagen ob nicht diese Scenc auf der Innbrücke
beigetragen, dass die Tiroler sich so rasch der Reformation zu-
wandten? Gerade diese schlichten, treuen Seelen mochten den Kern-
punkt, um den es sich handelte, herausfühlen, dass nämlich die
Grossthat Luther's nicht sei das gelle Auflachen des sich befreienden
Verstandes, sondern der tiefe Nothschrei des zertretenen, empörten
Gewissens. Die That einer gewissenhaften Persönlichkeit, die
ihrer Verantwortung vor Gott mit tiefem Ernste inne geworden
und nun unbestechlich, erhaben - kindlich und darum unbezwinglich-
heldenhaft den Weg geht, den sie in heissen Seelenkämpfen als den
rechten, zum Heile fuhrenden erkannt hat. Die That einer erleuch-
teten Persönlichkeit, die das schier unkenntlich gewordene Christen-
thum wieder auf seinen ursprünglichen Ausdruck zurückführt und
das schlecht übermalte Christusbild wieder in seiner ursprünglichen
Reinheit herstellt. Die That einer liebeglühenden Persönlichkeit,
die das selbsterfahrene Heil durch Gottes Wort auch den Mitmen-
schen bringen muss aus innerstem Drang, dem Adel deutscher
Nation, dem Bürger, dem Landmann, Allen ohne Unterschied.
Nur wenige erlauchte Geister kennt die Weltgeschichte, die so
aus dem innersten, tiefsten Quellpunkt menschlichen Wesens heraus
in das Leben gestaltend eingriffen. Diese wenigen stehen da als
die Thoreschliesser der Vergangenheit, als die Pfortenöfiner einer
neuen Zeit.
Zu diesen wenigen gehört Luther.*
Aus dem von ihm ausstrahlenden Lichte habe Jeder den Strahl
sich zugeeignet, der seinem Denken, seiner Lebensstellung zunächst
liegt. Kaiser Maxi, erfasste die Staat lieh- bedeutsame, die Univer-
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108
sität Wien die wissenschaftlich- bedeutsame Seite der That
Luther 's, Paulus Speratus die nach der Familienseite zu gelegene,
als er im Stefansdom zu Wien am 12. Jänner 1522 seine berühmte
Predigt zum Ruhme der Familie hielt. Redner fährt fort:
,Es ist bezeichnend, dass die erste evangelische Predigt in
Wien der Verherrlichung der Familie galt. Die Achtung vor dem
Weibe ist dem deutschen Manne eingeboren von altersher, der
häusliche Sinn ward von unserer Nation allzeit gewahrt als heiliges
Erbe. Die herrlichste Krone aber hat doch erst Luther der Familie
errungen, als er aus dem katholischen Kloster ein evangelisches
Pfarrhaus machte, indem er sein ehelich Gemal in dasselbe ein-
führte. So hat er den (recht verstanden) idealsten Stand, den geist-
lichen, der Familie zurückgegeben, von der er ausgegangen und der
er gehört hatte einst in den apostolischen Tagen. Der Dank dieses
Standes liegt offen zu Tage : Das evang. Pfarrhaus hat der Menschheit
eine stattliche Reihe ihrer edelsten Vorkämpfer geliefert. Man
streiche, wenn man es kann, das evang. Pfarrhaus aus der Cultur-
geschichte der Neuzeit und frage sich dann, ob man viel mehr in
in den Händen behalte, als Trümmer.
Als eine köstliche Fügung muss es übrigens gepriesen werden,
dass dem kühnen Anwalte der Familienehre im Dome zu St. Stefan,
Paulus Speratus. der Dank dafür abgestattet ward aus Frauenhand.*
Redner schildert, wie Speratus durch die Fürsprache der
lutherisch gesinnten Königin Maria von Ungarn in Olmütz vom
Feuertode errettet wurde; sodann, wie der Wiener Bürger Caspar
Tauber den Märtyrertod erlitt und von Luther den vornehmsten
Blutzeugen der evang. Kirche beigezählt wurde; wie Luthers Auge
überhaupt vielfach auf Oesterreich gerichtet war, und seine That
ganz besonders auf das österreichische Schulwesen erneuernd wirkte.
Dann fährt er fort:
„Daher der ungeahnte Aufschwung des Schulwesens während
des 16. Säculums auch in Oesterreich. Wer die blühenden Anstalten
näher besieht, welche der evang. Adel und das evang. Bürgerthum
unserer Lande im 16. Säculum errichtet haben in Wien, Linz, Graz,
Klagenfurt, Laibach, Iglau und an zahlreichen anderen, oft ganz
kleinen Orten, der muss mit Staunen erfüllt werden über die Fülle
geistiger Kraft und sittlichen Segens, die von der That Luther's
her ausgegossen ward über unser Vaterland.
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Kein Volksstamm in Oesterreich blieb unberührt: die vordem
Unbedeutendes geleistet, von Luther s Geiste angeweht, leisteten sie
Bedeutendes. Kein Stand blieb unberührt: Hoch und Niedrig, wo
die freie Ueberzeugung nur zum Ausdrucke kommen durfte, wendete
sie sich meist der Reformation zu.
Und dennoch ! ach, dass es gesagt sein muss : und dennoch !
Trotz all der Förderung aller edleren Interessen ist die Kirche der
Reformation eine Märtyrerkirche geblieben in unseren Landen! An
ihrer Spitze stand ein Adel, nicht zusammengeweht aus allen Ecken
der Windrose, vielmehr von alten Tagen her sesshaft in der Väter
Hallen mitten in Oesterreich, ein Adel, den nicht Abenteuerlust
und Beutegier nach Oesterreich geführt, ein Adel vielmehr, dem ein
treues Herz im Busen schlug für das Gedeihen des theuren öster-
reichischen Vaterlands. Und neben dem Adel stand ein evangelisches
Bürgerthum, nicht geistig zurückgeblieben, nicht angewiesen auf
die Nachahmung vorgeschrittenerer Länder, ein Bürgerthum vielmehr,
dem keines in deutschen Landen geistig überlegen, vielleicht keines
ebenbürtig war an Thatkraft, Geistesfrische und warmem Pulsschlag
für die inniggeliebte Heimat. Und hinter dem Adel und dem Bürger
stand der evangelische Bauer, mit der deutschen Bibel in der
Hand, die Luther in grossartigem Gottvertrauen auch ihm in die
Hand gelegt, beseligt durch Gottes Wort und Luthers Lehr'. Und
dennoch blieb die Kirche Luther's eine Märtyrerkirche in Oesterreich !*
Nur unter Max IL, dem Kaiser Joseph des i6. Jahrhunderts,
hatte die evang. Kirche Ruhe. Dann kam Rudolf II. ; unter ihm
ergriffen die Jesuiten die Zügel.
,Und nun folgt das schwärzeste Blatt in der Geschichte Oester-
reichs. Es ist das Blatt, das der Historiker noch immer anstarrt
wie ein unheimliches Räthsel, das uns erzählt von dem schier
unglaublichen Versuch, die Oesterreicher zu lehren, deutsch reden,
spanisch denken, römisch fühlen, barbarisch handeln. — Der Refor-
mator mit seiner reichen Spendehand ward hinausgestossen und
nahm mit sich des alten Reiches Herrlichkeit und liess zurück
geistig, sittlich, materiell verarmte Lande. Und liess zurück eine
Verfolgungswuth, so grausam, wie ihresgleichen nur das sinkende
Rom, nur das Spanien Philipp's IL kannte.
Das waren die goldenen Tage der Abenteurer und Convertiten.
Der Kopf der Gegenreformation und ihr Schwert waren Convertiten.
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Cardinal Khlesel, der Kopf, hatte Luther 's Lieder an seiner Wiege
singen gehört, und Wallenstein, das Schwert, war durch Schulen
von Luther*s Gepräge hindurchgegangen. Als er sich dieser seiner
Vergangenheit endlich wieder zu erinnern begann, war es der
Anfang von seinem Ende. Sein schliessHcher Gedanke einer Aus-
söhnung mit den Kindern der Reformation konnte kein Ohr finden,
wo man deren Vernichtung wollte. Und man glaubte sie vernichtet
nach jahrzehntelanger Grausamkeit.*
Redner schildert nun, wie die Vernichtung des Lutherthums
voreilig gefeiert wurde durch die Figurengruppe ,der Luthersturz*
im Dome zu Gurk in Kärnten; wie dagegen Prinz Eugen von
Savoyen mit seinem lutherischen Freunde, dem Philosophen Leibnitz,
Briefe wechselte über die Versöhnung der Confessionen.
,Dess sollen wir gedenken, so oft wir draussen vor der Burg
das Reiterstandbild dieses herrlichen Mannes grüssen, — und dann
hinüberblicken zu dem Helden von Aspern, dem Erzherzog Carl,
dem Generalissimus deutscher Nation im grossen Jahre 1809, der
selbst ein evangelisch Weib sein eigen nannte, eine protestantische
Fürstin einführte in die ehrwürdigen Hallen der Wiener Hofburg.
Drunten ruht sie bei den Capuzinern, die evangelische Frau neben
den Kaisern und Erzherzogen unserer glorreichen Dynastie. Dass
aber solcher Umschwung möglich war, das danken wir dem Manne
im schmucklosen Sarge, dem Menschenfreund auf dem Throne:
gesegnet sei sein Andenken alle Zeit! Joseph 's Reformen waren
Acte der Selbstbesinnung Oesterreichs auf die Wurzeln seiner Kraft,
des Wiederanknüpfens an des Reiches echte Vergangenheit. Mochten
die Eindringlinge aus Südwest, die Oesterreich so sehr zurück-
gebracht, immerhin spötteln über ihn als Lothringer und sich
vergleichende Wortspiele erlauben zwischen , Lothringer* und
, Lutheraner*, was thats? Ein Lothringer hat Wien gerettet vor
200 Jahren vor der Barbarei des Südostens, der Habsburg- Lothringer
Joseph hat Oesterreich gerettet vor lOO Jahren vor — der Cultur
der Gesellschaft. Nun galt Luther nicht mehr als Geächteter in
Oesterreich ; er kehrte wieder nach langer Verbannung und seine
Spendehand zeigte sich noch eben so reich, wie ehedem.*
Nun schildert Redner den Aufschwung Oesterreichs, an welchem
die Kinder der Reformation ihren redlichen Antheil haben, erwähnt
auch der verschiedenen Rückschläge, aber ebenso des kaiserlichen
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Schutzes, besonders durch Se. Majestät den Kaiser Franz Joseph.
Die gebildeten Mitbürger anderer Confession seien den Evangelischen
zudem freundlich gesinnt, auch in Italien und Spanien werde man
uns jetzt gerecht; „und während die zurückgebliebenen Romanen
von der Zersetzung des Protestantismus fabeln, wissen sie und
wissen wir: dem Protestantismus gehört die Zukunft!*
Mit einigen scharfen Zügen die Gegenwart, die ihr Bestes von
Luther habe, kennzeichnend, schliesst der Redner:
,So bleibe er, so werde er immer mehr unser, der Heros der
neuen Zeit! So gestalte er sich aus in uns und um uns, uns zum
Segen, dem Vaterland zum Heil : Luther in Oesterreichl *
Auch ausserhalb Wiens haben die Lutherfesttage nachgeklungen
in manch schöner Nachfeier in Kirche und Schule. Als solche
Nachklänge dürfen wir wohl jene Gottesdienste und Schulfeierlich-
keiten, Vorträge und Vertheilungen von Festschriften betrachten,
welche aus localen und anderen Gründen im Rahmen der eigent-
lichen Festzeit nicht unterzubringen waren.
Wir gedenken vornehmlich der Lutherfeier, welche in den
Gemeinden Bohuslawitz, Cernilov und Ruzenmoos der
dortigen Schulverhältnisse halber mit der evang. Schuljugend
erst am 12. Nov. statthaben konnte. Auch konnte die Einhändigung
der Lutherbüchlein in einigen Kirchengemeinden, wo dieselben
während der Festtage vollständig vergriffen wurden (Goisern) oder
für das Fest zu spät einlangten (Meran, Zlan, Gross-Wrbka), erst
nachträglich geschehen, zumeist zu Weihnachten, wodurch die Christ-
bescheerung zu einem doppelt schönen Feste sich gestaltete.
Auch der Gemeinde der Erwachsenen ward nicht vergessen.
In Thening wurde für die Hausandachten der Festwoche die Be-
trachtung von Rom. i — 8 empfohlen, während im Saale der Rettungs-
anstalt zu W eiern auch nach dem Feste sonntägliche Vorträge
über Luther und sein Werk stattfanden. In der Octave der Luther-
feier, am i8. Nov., wurden in der vacanten Gemeinde Unterhaus,
in Marburg's Filiale Pettau (hier im Musik vereinssaale), in der
Tochtergemeinde von Wald, in Brück a. d. M. sehr gut besuchte,
nachträgliche Festgottesdienste abgehalten. Auch Smedow (Filial-
gemeinde von Opatowitz) hatte am i8. Nov. Vorm. in der Capelle
an einem feierlichen Gottesdienste, Nachm. an einem Vortrage über
Luther theilgenommcn. In der Gemeinde Wilimow wurde den
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Andachtsbetrachtungen der Festwoche 8 Tage später noch eine
Schlussbetrachtung hinzugefügt. Ueber die Nachfeier in Bregenz
haben wir schon (auf S. 75) berichtet. Der verwaisten südlichsten
evang. Gemeinde Oesterreichs, der Hafengemeinde Pola, war erst
bei dem am zweiten Adventsonntage durch Pf. Medicus aus Triest
abgehaltenen Gottesdienste der Eintritt in den Kreis der Fest-
feiernden vergönnt. Den Reigen der kirchlichen Gedenkfeierlich-
keiten zu Ehren Luther's beschliesst die eifrige steierische
Diaspora Hoh"en Tauern und Juden bürg mit einem Gedächtniss-
gottesdienste und einer Abendmahlsfeier, welche der nimmermüde
Senior Kotschy aus Wald in ersterer Gemeinde am 8. Dec, in
letzterer am zweiten Weihnachtstage unter zahlreicher Betheiligung
auch Andersgläubiger abgehalten hat.
Erwähnen wollen wir noch, dass in Wiener-Neustadt der
dortige Realschulprofessor Log er (Altkatholik) am 18. Januar 1884
im grossen Saale des Lehrerseminars einen öffentlichen Vortrag
über ^Luther's Vermächtniss an unsere Zeit* gehalten hat, in
welchem er Luther als den grossen Reformator der christlichen
Kirche verherrlichte.
V. Verhalten der Presse und der Andersgläubigen gegenüber der
Lutherfeier.
Dass die evangelisch-kirchlichen periodischen Druck-
schriften aller Parteischattirungen, die deutschen wie nicht minder
die böhmischen, durch Besprechung der Feierlichkeiten und ein
gehende Würdigung des Helden derselben, sowie durch kräftige
treffende Abweisung der gegen Luther und sein Werk von gegne-
rischer Seite seit jeher erhobenen Anwürfe, ihrer Aufgabe vollauf
gerecht geworden sind, braucht nicht erst ausdrücklich betont zu
werden. Der „Oesterr. Protestant*, das , Evangelische Sonntags-
blatt*, das , Evangelische Vereinsblatt für Oberösterreich*, ,Evan-
jelick^ Cirkevnik* und die übrigen Blätter slavischer Zunge, sie alle
brachten seinerzeit vorbereitende Betrachtungen , Berichte , Be-
sprechungen, Festgedichte zum Jubiläum, und im ^Ev. Cfrkevnik*,
dem vom Pfr. PospiSil in Humpoletz redigirten Organe der böhmisch-
lutherischen Kirche, begegnen wir auch mehreren beherzigenswerthen
Artikeln, worin sowohl die ultramontane Engherzigkeit der con-
servativen tschechischen Kreise entsprechend beleuchtet, als auch
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der kirchliche Indifferentismus und der einseitige, das Wesen aller
wahren Reformation verkennende, nationale Huscultus der liberalen
Jungtschechen gebührend gerügt wird.
Gleichfalls der vom böhmisch -reformirten ,Comeniusvereine*
(zur Verbreitung evang. Volksschriften) herausgegebene volksthüm-
liche Evangelische Kalender »Orloj* für das Jahr 1884 hat einen
Lutherartikel mit 3 Illustrationen gebracht.
Den evangelisch-kirchlichen Blättern standen die politischen
Journale treulich zur Seite, indem sie zum 400jährigen Geburtstage
des Reformators Betrachtungen über sein Wirken auf den ver-
schiedenen Gebieten menschlicher Culturarbeit in Artikeln und
Feuilletons brachten und den Verlauf der ihm zu Ehren veran-
stalteten Festivitäten schilderten. Dass hinter den grossen führenden
Tagesblättern auch ihre weniger verbreiteten Genossen nicht zurück-
bleiben wollten, dafür legen die schätzenswerthen Festartikel ein
unzweideutiges Zeugniss ab, welche sie seinerzeit darboten *). Selbst
die in Triest erscheinenden italienischen Zeitschriften haben sich
über die Lutherfeier sympathisch geäussert.
Dieser aufklärenden Thätigkeit der öffentlichen Presse gebührt
unstreitig ein grosser Theil des Verdienstes um das mit wenig Aus-
nahmen äusserst tolerante Verhalten, ja liebenswürdige Entgegen-
kommen der andersgläubigen Bevölkerung der evangelischen Luther-
feier gegenüber.
Wir freuen uns, es hier zu Ehren unserer nichtevangelischen
Mitbürger aussprechen zu können, dass der intelligente Theil der-
selben Luther's weit- und culturgeschichtliche Mission und seine, um
Gewissensfreiheit, Schutbildung und geistigen Fortschritt überhaupt
erworbenen, Verdienste wohl begriffen und dies Verständniss auch
durch eine würdige Haltung offen bekundet hat, so dass der
40qjährige Geburtstag Luther's auch ausserhalb des Bereiches der
evangelischen Kirchengemeinden durch zahlreiche Feste und Huldi-
gungen ausgezeichnet wurde. Trat auch bei diesen Festlichkeiten
die Bedeutung Luther's als Reformators auf kirchlich -religiösem
Gebiete, wie nicht anders zu erwarten, in den Hintergrund, so
wurde dafür seine universelle Bedeutung — als Schöpfer der
*) Unter den nord mährischen liberalen Blättern hat in erster Linie das ,Stem-
berger Volksblatt** mit seinen Festartikeln vom 10. November „Durch Licht zur Frei-
heit' aufklärend zu wirken gesucht.
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deutschen Schriftsprache, als Lehrer des deutschen Volkes, als Sänger
herzerhebender kerniger Lieder, als Kämpfer für Freiheit des Glaubens
und der Forschung und vor Allem als deutscher Mann von echtem
Schrot und Korn, als Muster unerschrockenen Mannesmuthes und
überzeugungstreuer Charakterstärke — um so schärfer betont.
Dass die katholische Bevölkerung sich vieler Orten auch an
der kirchlichen Lutherfeier zahlreich betheiligt, haben wir bereits
wiederholt hervorgehoben, wie ebenfalls deren thätige Mithilfe bei
der Ausschmückung des Festes dankbar anerkannt. Wenn wir trotz-
dem hier noch einmal darauf zurückkommen, so geschieht es, um
noch einige freundliche Züge katholischer Sympathien zum bleiben-
den Gedächtnisse nachzutragen.
So wird aus Bleib er g berichtet, dass die Lutherfeier bei den
dortigen Bergknappen eine günstige Aufnahme gefunden und am
Festgottesdienste sich die Berg- und Forstämter, die politische
Gemeindevertretung, der Ortsschulrath, ja alle katholischen Volks-
schichten betheiligt haben. Wohl musste der (kath.) Orgelspieler von
der zugesagten Besorgung des Organisten dienstes in letzter Stunde
zurücktreten; doch wurde diese, für die evang. Gemeinde nicht
geringe, Verlegenheit durch die bereitwillige Aushilfe des Gewerk-
schaftscassiers (eines ehemaligen Lehrers) glücklich behoben. — In
einer anderen Gemeinde Kärntens, in Weiern, hat DisselhofiTs
Lutherbüchlein auch bei Katholischen freundliche Aufnahme gefunden.
— Auch in dem sonst streng katholischen Oberösterreich hat
die evang. Feier ohne jegliche Störung gehalten werden können. —
Ueber die lebhaften Sympathien, welche die nichtevangelische Be-
völkerung in Deutschböhmen der Lutherfeier entgegenbrachte,
liegt eine ganze Reihe von Berichten vor, die wir zum Theüe schon
im Vorhergehenden mitgetheilt haben. Als Beleg hiefür möge hier
noch einmal die , Reichenberger Zeitung* angeführt werden, welche
in ihrem ,Die Lutherfeier in Reichenberg* überschriebenen Fest-
berichte sagt: ,Wir setzen mit vollem Rechte über diese Zeilen den
Titel: , Die Lutherfeier in Reichenberg*; denn an der Feier, welche
die evangelische Gemeinde in Reichenberg zu begehen das Glück
hatte, nahm die Bevölkerung von ganz Reichenberg, ohne Unter-
schied der Confession, Theil*. — Ein schöner, beachtenswerther
Zug wohlwollenden Entgegenkommens den Evangelischen gegen-
über wird aus Tri est gemeldet. Zur Zeit der Lutherfeier war
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nämlich von Seite des Stadtmagistrates an die dortige evangelische
Gemeinde die Frage gerichtet worden, wie man den Platz vor der
evang. Kirche benennen solle. An massgebender Stelle hätte man
gegen die Bezeichnung »Piazzetta Lutero* nichts einzuwenden
gehabt ; aber der in italienischer Sprache leicht schmutzig umzudeu-
tende Name ,Lutero* bewog das Presbyterium sich für ^Piazzetta
della chiesa evangelica* zu entscheiden. Der Vorschlag wurde vom
Magistrate acceptirt und jener Platz trägt heute diesen Namen.
Doch nicht allein als dankbare Gäste und freiwillige Mit-
wirkende finden wir unsere katholischen (und auch israelitischen)
Mitbürger in den Reihen der Festfeiemden, sondern einige darunter
haben auch noch ein Uebriges gethan und ihre evangelischen Orts-
gemeinden zum Lutherfeste mit sinnigen Geschenken über-
rascht. Die katholischen Insassen von Mitterbach spendeten der
evang. Gemeinde eine schöne kräftige Linde, welche an Luther's
400jährigem Geburtstage auf dem Kirchplatze eingesetzt wurde,
und zum Festgottesdienste die Kerzen für den Kronleuchter. Das
evang. Gotteshaus in Salzburg *) hatte durch Vermittlung des
dortigen (kath.) k. k. Forstingenieurs Dworzak ein sehr dankens-
werthes Geschenk erhalten : ein (aus dem Atelier des Wiener Bild-
hauers Koch stammendes) über dem Hauptportale einzufügendes
Reliefbild, den Heiland in seinem königlichen Amte darstellend, —
wie derselbe als Prophet an der Kanzel, als Hohepriester im Glas-
fenster über dem Altare abgebildet erscheint. Das eine Lücke aus-
füllende Geschenk ist der Hochherzigkeit des Herrn Hausmann
(Schwiegervaters des obg. Hm. Dworzak) in Wien zu verdanken.
VI. Priiclite der Lutherfeier.
Es ist selbstverständlich, dass wir nicht eine erschöpfende Dar-
stellung all des Segens beabsichtigen, welchen die Lutherfesttage
gebracht haben. Hier wollen wir nur noch einmal Rückschau halten
auf das Erlebte und bei den einzelnen in die Augen springenden
Momenten jener Tage ein wenig verweilen, um uns ihre Bedeutung
für uns und unsere Kirche besser zum Bewusstsein zu bringen.
Es lässt sich gar nicht beschreiben, welch' unendlichen geist-
lichen Segen in himmlischen Gütern die Lutherfeier in den Herzen
von Alt und Jung zurückgelassen hat.
1) Vergl. s. 119.
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Sie hat vor Allem das Bewusstsein der heiligen Dankes-
pflicht wachgerufen und geschärft in all' den Seelen, welche das
Glück haben im Lichte des lauteren Evangeliums zu wandeln, und
zumal der evangelischen Kirche Oesterreichs Gelegenheit gegeben,
dessen recht und ganz inne zu werden was der Herr an ihr gethan,
da er sie in den schweren Zeiten der Drangsale vor gänzlichem
Untergange bewahrt und es unserem Geschlechte beschieden hat.
unter dem Schutze eines milden und gerechten Monarchen unseres
evangelischen Glaubens unbehelligt leben zu dürfen.
Die gewaltige Gestalt des Reformators, welche mit ihren
markigen Zügen frommer Heilsbegier, heisser Wahrheitsliebe, uner-
schrockenen Zeugenmuthes, kindlicher Demuth, herzinniger Frömmig-
keit, unerschütterlichen Gottvertrauens, unwandelbarer Bekenntniss-
treue, während der Festtage Hunderttausenden wieder lebendig vor
die Seele getreten, — musste sie nicht weckend und belebend
wirken auf den kirchlichen Sinn in den Gemeinden, sie bestärken
in der Liebe und Treue zum evangelischen Glauben und Leben,
und ihnen neuerdings einschärfen die Mahnung des Apostels: , Halte,
was Du hast* ?
Und die begeisternden Ansprachen und Predigten in Schule
und Kirche, die herzbewegenden Festgesänge, der mächtige Ein-
druck der vollen Gotteshäuser, — sollte dies Alles sich nicht als
wirksamer Antrieb erwiesen haben zur Belebung des Interesses an
der Geschichte der Reformation und unserer Kirche, sowie zur
Stärkung des namentlich in Diaspora-Gemeinden nur selten voll
und ganz empfundenen Bewusstseins der Zusammengehörigkeit mit
der weit verzweigten evangelischen Mutterkirche?
Und dürfen wir nicht hoffen, dass die zahllosen Festschriften,
welche bei der Lutherfeier so eifrige Abnehmer fanden, ihre heilsame
Mission erfüllen werden, die Bekanntschaft mit Luther, die Ehrfurcht
vor Luther, die Tugenden eines Luther in Häusern und Hütten,
in Familien und Herzen zu vermitteln und zu wecken, zu pflanzen
und zu nähren und in immer weitere Kreise zu tragen?
Noch gedenken wir einer lieblichen Frucht der Festtage: der
erhöhten Opferwilligkeit für evangelisch-kirchliche Zwecke.
An erster Stelle seien jene Stiftungen angeführt, die bestimmt
sind, dem Mangel an evangelischen Predigern und Lehrern zu
steuern, oder der Diaspora die Wohlthat eines regelmässigen Religions-
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Unterrichtes und Gottesdienstes zu verschaffen. Wie schon früher
(S. 13) erwähnt worden, beschloss das Presbyterium der Wiener
evangelischen Kirchengemeinde A. C. die Gründung eines , Luther-
Fonds* zur Errichtung neuer evangeh'scher Religionsunterrichts-
stationen für jene evatig. Schulkinder, welche die evang. Schulen
nicht besuchen können, sowie zur Errichtung von Predigtstationen
und neuen evang. Schulen. Der Aufruf zur Beitragsleistung für diesen
Fonds, welcher an alle Gemeindeglieder erging, hatte bald einen
günstigen Erfolg und lässt ein glückliches Gedeihen dieses Werkes
erwarten.
In der oberösterreichischen Diöcese wurde anlässlich der
Lutherfeier gleichfalls ein , Luther-Fonds* zur Creirung von
Stipendien für evang. Theologie-Studirende aus Oberösterreich be-
giündet, zu welchem die meisten oberösterreichischen Kirchen-
gemeinden ihre Festopfer als erste Bausteine gewidmet hatten.
Wie wir aus dem ^Oesterr. Protestanten* erfahren, wurde auch
in den evangelischen Kirchen Schlesiens am Tage der Luther-
feier ein Festopfer veranstaltet, dessen Ergebniss zur Stiftung eines
»Luther-Fonds* bestimmt ist. Aus seinen Zinsen soll Studirenden
der Theologie, die ihre Studien an einei deutschen Universität
vollenden und sich dem Kirchendienste in Schlesien widmen wollen,
ein Stipendium gewährt werden.
In W eiern bei Feldkirchen (Kärnten) legte die Gemeinde nach
dem Festgottesdienste ein Opfer nieder, das als kleiner Anfang
zu einer , Lutherstiftung* dienen soll. Zu ihrem Besten wird
alljährlich am Confirmationstag ein Opfer veranstaltet werden, bis
sie die Höhe von 500 fl. ö. W. erreicht haben wird. Alsdann soll
dieselbe in der Weise der evang. Kirche dienen, dass abwechselnd
einem dürftigen Studirenden des Predigt- oder des Schulamtes in
der evang. Kirche Oesterreichs eine Unterstützung daraus geboten
werden wird.
Neben diesen Neugründungen wurde auch der schon bestehenden
kirchlichen Fonds und Anstalten nicht vergessen. So hat die Kirchen-
gemeinde Meran ihr Festopfer dem Gustav- Adolf- Vereine, Hall-
statt dem Prediger- Witwen- und Waisen-Fonds, Ol mutz das
Festopfer nebst dem bei der geselligen Abendfeier erzielten Ertrage
sammt einer Spende der Familie Brass (in Hohenstadt) von 100 fl. ö. W.
dem ^Mährischen Stadtprediger-Fonds* zugewendet. (S. 62). Auch
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der evang. Lehrer-Pensionsfonds in Lemberg hat anlässlich der
dort abgehaltenen Adendfestlichkeit einen nicht unbedeutenden
Zuschuss erhalten (S. 6i).
Dass in der freudigen Stimmung der Lutherfesttage auch an die
Armen und Hilfsbedürftigen in der Gemeinde liebevoll gedacht wurde,
beweisen die schon an anderer Stelle (bei Asch S. 70, MödlingS. 55,
Rossbach S. 63, Triest S. 55, Wien S. 12) erwähnten Liebesgaben.
An Luther's Geburtstage (10. Nov.) wurden auch die bezüglich
des von Senior v. Läny in Öernilov zu Königgrätz errichteten
Alumneums mit den Vertretern des evang.-lutherischen Gotteskastens
in Deutschland gepflogenen Unterhandlungen zu Ende geführt, und
konnten am genannten Tage die Statuten dieser Stiftung, , Luther-
stift* genannt, zur behördlichen Genehmigung eingereicht werden. Das
Lutherstift, welchem mehrere slavische Kirchengemeinden Böhmens
das Festopfer zuwendeten, hat den Zweck, evangelischen Schülern
der Königgrätzer Mittel- und Volksschulen ein, Wohnung und Ver-
pflegung gewährendes, im Geiste der evangelischen Kirche geleitetes
Asyl zu bieten.
In Ustron verkündete der um das Zustandekommen eines
evangelischen Waisen-Fonds für die dortige Gemeinde sehr ver-
diente Pfarrer Georg Janik am Luthertage der Gemeinde, dass er,
nachdem der Fonds auf 2CXX> fl. angewachsen, nun im Stande sei,
sieben Waisen in einem dazu gemietheten Hause Unterkunft und
die nöthige Verpflegung zu gewähren, und forderte das Presbyterium
auf, ihm solche zuzuführen.
Andere Gemeinden wieder waren darauf bedacht, durch Be-
hebung der eigenen Nothstände dem Lutherfeste ein bleibendes
Andenken in ihrer Mitte zu sichern. Zu diesem Zwecke wurde in
Wilimow ein , Luther-Fonds*, in Opatowitz ein , Jubel-Fonds*
in's Leben gerufen , während G m u n d e n seine FestcoUecte dem
Pfarrdotations-Fonds zuwendete. — In Ramsau wurde beschlossen,
zum ewigen Gedächtnisse an das herrliche Doppelfest (Lutherfeier
und loojähr. Gemeinde-Jubiläum) eine , Lutherglocke* zu stiften,
welche im Vereine mit den zwei anderen, minder denkwürdigen die
, lutherische* Ramsau dereinst zum ,restaurirten* Gotteshaus rufen
solle. — Auch in Humpoletz haben die Festtage zur Stiftung
einer Lutherglocke die Anregung gegeben, während in Innsbruck
mit der FestcoUecte der Grund zu einem Orgelbau-Fonds gelegt
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und in Aussig a. d. E. bei der geselligen Abendfeier der erste
Beitrag zu einem Pfarrhausbau - Fonds gesammelt wurde (S. 6i).
Auch nach anderen Richtungen hin hat die Lutherfeier manch'
heilsame Anregung gegeben. So hat sie z. B. in Hermann seifen
einen Männer- und Jünglings-Verein und einen Frauen- und Jung-
frauen-Verein in 's Leben gerufen. In Innsbruck ist aus der Luther-
abendfeier eine Donnerstag-Tischgesellschaft hervorgegangen, welche
schon im selben Jahre 44 armen Kindern eine freundliche Weihnachts-
bescheerung bereiten konnte. Ebenso dürfen wir die löbliche Ein-
führung von Traubibeln in der Gemeinde Thening und den Plan,
in Wien ein Luther-Denkmal zu errichten (S. 14), den Früchten der
Lutherfeier beizählen.
Schliesslich sei noch jener edlen Spender gedacht, die einzelne
Gemeinden zur Lutherfeier mit werth vollen Gaben beschenkt haben.
Zu den schon (auf S. 21 f.) angeführten Spenden an Festschriften
sind noch nachstehende Geschenke nachzutragen. In Meran sandte
eine Dame zur Anschaffung eines bunten F'ensters für die neue
Kirche eine Staatsschuldver.schreibung von lOO fl. von ihrem Kranken-
bette zur Feier des Tages. In Salzburg *) trug bei der Festfeier
der Altar zum ersten Male einen Schmuck an silbernen Geräthen
(Becher und Leuchter), den eine heimgegangene Protestantin, Anna
Diemer aus Rostock, gespendet. Dieselbe Gönnerin hat unmittelbar
vor dem Jubiläum testamentarisch die Summe von 900 Mark zu
dem Zwecke gestiftet, dass aus den Zinsen dem Salzburger Pfarrer
für eine , kräftig gedachte und gehaltene Reformationspredigt* die
Summe von 30 Mk. gereicht werde, ,zu einem kleinen Erfreuniss*,
während der Rest zur Drucklegung in dem einen oder anderen
Jahre verwendet werden soll. — Spenden an Bildern Luther's,
Melanthon's, Hus' und Comenius' erhielten die evang. Schulen zu
Oernilov und Rottalowitz von ungenannten Spendern.
Möge die Feier des 400jährigen Geburtstags Dr. Martin Luther's
segensreich nachwirken in den Herzen all* der Tausende, die sich
daran betheiligten, oder sich an den Berichten über dieselbe innerlich
erquickt haben ! Möge auch der vorstehende Bericht an seinem Theile
dazu beitragen, dass das Andenken an die weltgeschichtliche
Gottesthat, die deutsche Reformation, unter uns stets lebendig bleibe!
(Schluss folgt.)
*) Vgl. S. 115.
Jahrbuch des ProtestantUoiiu 1886. H. lU. 9
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XL
Evangelischer Gottesdienst in Wien vor der
Toleranzzeit.
Von Dr. KARL RITTER VON OTTO.
Die evangelische Kirche hatte seit Mitte des 17. Jahrhunderts
in allen k. k. österreichischen Erblanden aufgehört vor dem Staats-
gesetze zu existiren. Das , unkatholische Religions-Exercitium* war
auf das Strengste verboten. Nur in der kaiserlichen Haupt- und Re-
sidenzstadt blieb es in beschränkter Weise geduldet. Daselbst belief
sich die Gesammtzahl der Evangelischen zwanzig Jahre vor
dem Toleranzpatent, — im J. 1761, — bei wenigstens 200.000
Einwohnern nicht ganz auf 2000. ,Und von dieser geringen Zahl
müssen noch einige Hundert abgerechnet werden, die wohl in zehn ja
zwanzig Jahren zu keiner Kirche und keinem Gottesdienst gekommen,
also des Namens der Evangelischen vollkommen unwürdig sind.* *)
Die Regierung war durch Rücksichten fiir fremde Staaten be-
stimmt, evangelische Gesandtschaft s-Capellen in Wien
zu dulden.
Es gab damals — schon seit den letzten Jahren des 17. Jahr-
hunderts — zu Wien drei evangelische Capellen: die kön. dänische
und die , beinahe ebenso stark besuchte* kön. schwedische fiir
die Augsburger Confessions - Verwandten , die holländische fiir
die (»ihre Anzahl ist aber nur ganz klein, noch lange nicht
^) „Vollständige Nachrichten von dem Zustande der Evangelischen und insonder-
heit von ihrem Gottesdienste bey der Königlich Dänischen Gesandtschafts-Capelle in
der Kayserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien, verfasset von Johann Hieron ymus
Chemnitz, Königlich Dänischem Legations-Prediger. 1761." (o. O.) 35 SS. in 40.
Vgl. S. 12 f. — Ich habe diese sehr seltene Schrift, von der „nur einige wenige
Exemplare abgedruckt worden" (Vorr. S. 5), durch gütige Vermittelung Sr. Exe. des
Grafen von Knuth, Kön. Dänischen a. o. Gesandten und bevollm. Ministers, aus der
Kön. Bibliothek in Kopenhagen zur Benutzung erhalten. — Vgl. Nova Acta hist.eccles.
Bd. 7 (1767) S. 611.
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121
hundert*) Evangelischen Helvetischer Confession. Die Capellen be-
fanden sich in den grossen Wohnungen der Gesandten. Diesen ver-
ursachte es oftmals nicht wenig Mühe, entsprechende Wohnungen
zu bekommen, wie sich denn auch Fälle ereignet haben, dass die
Miethe sogleich wieder aufgekündigt worden, wenn man vernommen^
dass nicht nur die Gesandtschaft da wohnen wolle, sondern auch die
» ketzerische* Kirche daselbst werde gehalten werden. ')
Am besuchtesten war — bald seit Mitte des i8. Jahrhunderts —
die, entsprechend ausgestattete, auch mit einer Orgel versehene,
Capelle der kön. dänischen Gesandtschaft, zu welcher
ungefähr 800 Personen gehörten. ')
Damals (1761) wohnte der kön. dänische Gesandte (Graf Bachoff)
in dem geräumigen , Gräflich Gundolaischen Hause ohnweit der Pfarr-
kirche bey den Schotten, in der Nachbarschaft des Kayserl. Zeug-
hauses* (Renngasse).*)
Zur dänischen Gesandtschafts-Capelle hielten sich, . usser dem
Gesandten Dänemarks und seinem Personale, die Mitglieder der Ge-
sandtschaft Kursachsens und anderer Staaten, am kaiserlichen Hofe
anwesende Reichsstände, alle evang.-lutherischen Reichshofräthe ^),
einige Reichsagenten, Hofräthe fürstlicher Häuser, die sich in Ge-
schäften ihrer Herren in Wien befanden, ferner Parteien, die sich da-
selbst wegen ihrer Processe aufhielten, um diese bei'm höchsten Reichs-
gericht eher zur Entscheidung zu befördern, kaiserliche Officiere'),
kaiserliche ,Niederläger* (die angesehensten mit Privilegien versehenen
Kauf- und Handelsleute) % Fabrikanten, Künstler, Professionisten,
*) Chemnitz a. a. O. S. 9. 14 15.
•) Chemnitz a. a. O. S. 7. — Dänische Gesandtschafts-Capellen bestanden
damals noch in Paris und Madrid; in letzterer Stadt zählte die Gemeinde oft blos
8 bis 10 Mitglieder.
*) Chemnitz a. a. O. S. 14. — Vgl. A. Ad. Schmidl Wien u. seine nächsten
Umgebungen (5. Aufl.) S. 200 f.
*) J. B. Küchelbecker Allerneueste Nachricht vom Römisch- Kayserl. Hofe.
HannoT. 2. Aufl. (1732) S. 305 flf.
*) Kttchelbecker a. a. O. S. 276: ^Was die Religion anlanget, so wird all-
hier darauf nicht refleclieret, ob einer, er sey nun ein Officier oder Gemeiner, Catho-
lisch oder Protestantisch, wenn er nur sonsten ein ehrlicher Kerl ist."
») K. Weiss Gesch. d. Stadt Wien, 2. Aufl. 2. Bd. (1883) S 436 ff. — Im
J. 1736 befanden sich unter den 80 Niederlägern (später vermehrte sich ihre Zahl)
blos 30 katholische. Unter den 12 Buchhändlern („BuchfÜhrem*') gab es damals nur
t katholische.
^ 9»
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122
die entweder als Hofbefreite oder unter gesandtschafllichenn Schutze
ihre Profession trieben, Buchhalter, Handlungsgehülfen, Kammerdiener,
Dienstboten aller Art, eine Menge von Handwerksburschen. •)
, Wegen der Handwerksbursche und anderer Leute von geringer
Extraction hat es wohl ehemals manche Streitigkeiten und Händel
abgesetzt, indem solche Personen wegen Besuchung des Evangelischen
Grottesdienstes aufgegriffen, in gefängliche Haft gezogen, an Gelde
und mit Gefangnisse — als wenn's Verbrecher wären — bestraft
worden. Man weiss aber schon seit vielen Jahren von allen solchen
gewaltthätigen Hinderungen nichts mehr zu sagen, und können nun
die hiesigen Evangelischen mit keinem Schein der Wahrscheinlichkeit
einige Gefahr wegen fleissiger Besuchung des Gottesdienstes vor-
schützen, um ihren erkalteten Eifer und fast unglaubliche Laulichkeit
und Trägheit in diesem Stücke zu entschuldigen.* •)
Schon früher finden wir in Wien auch Candidaten der evan-
gelischen Theologie, die aus Deutschland als Hofmeister dorthin ge-
kommen. So war Johann Christian Edelmann seit Ostern 1728
Informator bei dem reichen kais. Niederläger Muhl, einem strengen
Pietisten, und predigte damals zuweilen in der kön. schwedischen
Gesandtschafts-Capelle, in welcher die pietistische Richtung vertreten
war"). Vorher, seit 1725, hatte er längere Zeit die Hofmeisterstelle
bei dem auch in Ungarn reich begüterten Grafen Kornfeil zu Würmla
{b. St. Polten) bekleidet, der mit Famüie sich zu derselben Capelle
hielt; später, im J. 1729, kam er zu dessen Schwager, dem Grafen
Auersperg auf Purgstall (b. Scheibbs). Von hier kehrte Edelmann
1730 in sein Vaterland zurück, wo er nachmals als Freigeist her-
vortrat, feindselig gegen Bibel und Kirche**).
8) Chemnitz a. a. O. S. 10. Vgl. Nova Acta hist.-eccles. Bd. 7 (1767) S. 610.
») Chemnitz a. a. O. S. ii.
*o) Wie der schwedische Legationsprediger, so gehörte auch Matthias Bei,
Prediger in Pressburg 1719 bis 1749, — ®' blatte unter A. H. Francke, Anton und
Breithaupt studirt, — zu der Halleschen Schule. Pressburg wurde damals „Klein
Halle" genannt. Vgl. J. S. Klein Nachrichten von den Lebensumständen u. Schriften
Evang. Prediger in Ungarn. 2. Bd. (1789) S. 38 ff. Eine Tochter BeFs, Euphrosyne,
war an den Wiener kais. Niederläger Joh. Wolfg. Schröckh verheirathet, und von ihnen
stammt der Kirchenhistoriker Johann Matthias Schröckh, geb. zu Wien 1733.
**) Selbst-Biographie; geschrieben 175a. Herausgegeben von C. R. W. Klose.
Berlin 1849. (Auszug in Niedner's Zeitschrift f. d. histor. Theologie. Leipz. 1846.
S. 443 ff.) Carl Mönck eher g H. S. Reimarus und J. C. Edelmann. Hamb. 1867.
Karl Gttden J. C. Edelmann. Hannov. 1870.
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123
Im J. 1736 hatte der Wiener Cardinal-Erzbischof Sigmund
Graf Kollonitsch dem Kaiser Karl VI. zur Ueberraschung aller
Kvangelischen eine Beschwerdeschrift *■) überreicht, in welcher er sich
unter Anderem über den freien Zutritt zu den Bethäusern der prote-
stantischen Gesandten beklagte : der abgethan und auf das Schärfste
verboten werden müsse. , Vermesset sich allhier Alles, was aus dem
protestantischen Haufen nur gehen und kriechen kann, in die all-
hiesige Bethäuser der protestantischen Gesandten ganz ohngescheuet
und mit aller erscheinlichen Freyheit zu gehen* u. s. w. *•) Die auf
kaiserlichen Befehl unter dem Vorsitze des Obrist-Hofkanzlers Ludwig
Philipp Grafen Sinzendorff am 13. April zusammengetretene Con-
ferenz"), der auch jener Kirchenfürst beiwohnte, erklärte in Betreff
des gedachten Beschwerdepunktes: ^^Der freie Zutritt in die Predigten
und Oratorien der fremden Gesandten lässt sich schwer verbieten,
da man sonst auf Repressalien gefasst sein müsste, da es den
Catholiken gestattet ist, dem Gottesdienste der kaiserlichen Ge-
sandten an protestantischen Höfen beizuwohnen.* Nachmals, 25 Jahre
später, bemerkte der kön. dänische Legationsprediger Chemnitz"):
»Wenn man nicht immerdar furchten müsste, dass Dänemark durch
dergleichen Gewaltthätigkeiten gegen ein kleines Häuflein Evange-
lischer Leute, das sich unter seinem Schutze zum Gottesdienste ver-
sammlet, sich bemüssigt und gedrungen sehen werde, gleiche Mass-
regeln gegen die vielen Catholiken seines Landes zu ergreifen und
hinwiederum die Freyheiten des Catholischen Gottesdienstes in dem
Kayserlichen Gesandtschafts-Hotel zu Copenhagen zu beschränken,
so würde der vormalige Gewissenszwang und das abgekommene Ge-
fangennehmen der zur Evangelischen Kirche hinwallenden Prote-
stanten mehr wie jemals wieder aufgekommen seyn. Aber Gottlob,
") Abgedr. : Acta hist.-eccles. Bd. 2 (i737) S. 177 — 206. Im Auszuge bei
Raupach III, 489 f. (Waldau II, 366 f.)
^') Chemnitz (S. 12) fand in der Bibliothek der dänischen Capelle eine vom
Legationsprediger Möllenhof herrührende Notiz aus dem Jahre 173 1, laut welcher sich
zu Karl's VI. Zeit „an die 8000 Protestanten'' in Wien befanden, „die aber unter der
grossen Anzahl der katholischen Einwohner nicht sonderlich zu bemerken gewesen"
Im J. 17 17 feierten sie in jener Capelle das zweite Reformations- Jubiläum. Vgl.
J. Gl atz Nachrichten über die Feyer des dritten Jubelfestes der Reformation in den
Oesterreichischen Staaten (Wien 1818) S. 27.
w) Siehe G. Wolf im „Jahrb.« 1882. S. 75 ff.
*») A. a. O. S. II f.
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124
es ist in neuern Zeiten nie wieder zu solchen Extremitäten gekommen,
vielmehr kann man sagen: ,Sie sind gestorben die der Religions-
und Gewissensfreyheit schaden wollten*. So hat nun die Gemeinde
des HErrn Friede, sie kann sich in Sicherheit versammlen.*
In jenen drei Gesandtschafts-Capellen bediente man sich der
deutschen Sprache. Es fanden daselbst ausser dem üblichen Sonn-
tags- und Festgottesdienste sowie der Abendmahlsfeier auch Taufen
und Trauungen statt.
Hinsichtlich der kön. dänischen Capelle wissen wir**), dass
ausser dem Legationsprediger bei ihr ein Organist, ein Vorsänger,
zwei , Stuhlsetzer* (die einem Jeden seinen Platz anzuweisen und
auf Ordnung in der Capelle zu sehen hatten) und ein ,Calcant*
(Bälgetreter) angestellt waren. Der Organist erhielt eine Königliche
Besoldung, die übrigen Diener der Capelle wurden aus deren Kasse
entlohnt, genossen, wenn sie Profession isten waren, mehrere Frei-
heiten, wie andere ihres Gleichen, und standen unter gesandtschaft-
lichem Schutze, weshalb sie von den Abgaben, welche andere Hand-
werker und Kaiserliche Unterthanen tragen mussten, ausgenommen
waren; überdies wurde flir sie die Neujahrs-Collecte (lOO — 120 Gulden)
gesammelt.
Was nun zunächst den G o 1 1 e s d i e n s t selbst betrifft, welcher in
der dänischen Capelle gehalten wurde*'), so ist zu bemerken, dass
er an den Sonn- und Festtagen wie auch bei den Mittwochs-Bet-
stunden Vormittags um 10 Uhr begann und etwa bis 12 Uhr dauerte.
Der nachmittägige Gottesdienst, welcher (wie auch jene Betstunden)
nur bei dieser Capelle gehalten wurde, währte von 3 bis 5 Uhr. Er
fand nicht allein für die vielen Dienstboten statt, welche des Vor-
mittags nicht gegenwärtig sein konnten, sondern auch im Interesse
der Handwerksbursche, ,die sonst nur unnützlich in den Bier- und'
Weinhäusern ihren Sonntag zubringen würden*, und zum Besten der
vielen Kinder, ,die sonst wie wilde Rancken aufwachsen würden*.
Da las der Prediger zuerst eine Betrachtung aus einem erbaulichen
Buche; darauf folgte die Kinderlehre: es wurde mit den Kindern die
vormittägige Predigt wiederholt und eine Lection ,aus dem Nürn-
bergischen Kinderlehrbüchlein des sei. Ambr. Wirth* katechetisch
durchgegangen. In den Wochenbetstunden las der Prediger ebenfalls
") Vgl. Chemnitz a. a. O. S. 17.
") Chemnitz a. a. O. S. 18—21.
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zuerst eine erbauliche Betrachtung der Gemeinde vor; dann wurde
wiedenim die Kinderlehre über eine biblische Geschichte gehalten,
mit der sich die Kinder vorher zu Hause nach , Miller *s Biblischer
Geschichte* iuf*s Beste bekannt machen mussten. Zur Kinderlehre
durften sie nur die Bibel mitbringen. In der Fastenzeit wurde an
jeder Mittwoche eine Passionspredigt gehalten. Bei dem ganzen
Gottesdienste richtete man sich nach dem dänischen Ritual. Daher
wurde bei'm Anfange und Ende des Gottesdienstes das in Dänemark
gewöhnliche Anfangs- und Schlussgebet vom Vorsänger gebetet.
Nach der Predigt wurde das vorgeschriebene Kirchengebet verlesen
und zugleich gebetet für den König von Dänemark und Norwegen
sowie das ganze Königliche Haus, an hohen Festtagen und zu
anderen feierlichen Zeiten auch für »die höchste Kayserlich König-
liche Herrschaft und das ganze Kayserlich Königliche und Erzher-
zoglich Oesterreichische Haus, dass Gott fiir allen Schutz, welchen
diese höchsten Personen dem Evangelischen Zion erweisen, hin-
wiederum ihr Schutz und grosser Lohn seyn und ewiglich bleiben wolle* .
Das heilige Abendmahl**) wurde am ersten Sonntag eines
jeden Monats von 8 — lO Uhr gehalten. Die Communicanten mussten
sich vorher anmelden; Beichtgeld zahlten sie nicht. »Die wenigen
Reichen, welche von ihrem Ueberfluss den Legationsprediger unter-
stützen wollen, pflegen ihm aufs Neujahr ein Präsent für die Be-
mühungen, so er das ganze Jahr hindurch mit ihnen und den Ihrigen
gehabt, zuzusenden. Weiter hat derselbe an keine Einnahme und
Accidentien zu gedenken.* Statt der Privatbeichte wurde vor dem
Altar eine Vorbereitungsrede an die Communicanten gehalten und
ihnen am Schlüsse derselben die Frage vorgelegt:
,Ich frage euch im Namen Gottes und vor dem Angesichte
unsers allgegenwärtigen und Alles wissenden Heilandes, ob ihr eure
Sünden bussfertig erkennet, wehmüthig bereuet und hasset, einzig
und allein um Jesu und seines Verdienstes willen Gnade, Barm-
herzigkeit und Vergebung mit wahrem Glauben suchet, und den
redlichen Vorsatz habt euer Leben zu bessern, und was ihr noch
lebet im Fleisch zur Ehre Gottes im Glauben des Sohnes Gottes
zu leben, so beantwortet mir solches mit einem deutlichen Ja.*
Alsdann wurde die allgemeine Absolution gesprochen und die
Vorbereitung, theils mit einem herzlichen Wunsche, dass Gott ihnen
") Chemnitz a. a. O. S. 22—26 (32).
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ihres jetzigen Versprechens und evangelischen Glaubens Beständig-
keit zu ihrer Seelen Seligkeit schenken wolle, theils mit Ablesung
der in Dänemark gewöhnlichen Vorbereitungs-Ermahnungen, be-
schlossen. ^
Das Vater Unser wurde nebst den Worten der Einsetzung bei
der Consecration gesungen, und bei der Austheilung pflegten zugleich
neun bis zehn Personen um den Altar herum zu knien und so
kniend das Sacrament zu empfahen. Wenn die Austheilung beendigt
war, hob der Prediger (nach einem in der Capelle eingeführten
Gebrauch) den Kelch in die Höhe, wendete sich gegen die Gemeinde
und sprach folgende Worte:
,Nun der gekreuzigte und von den Todten wiederum aufer-
standene Heiland Christus Jesus, der euch anjetzt mit seinem alier-
heiligsten Leibe und Blute gespeiset und getränket, und euch da-
durch die gewisse Versicherung der gnädigen Vergebung aller
eurer Sünden ertheilet, der stärke euch durch diess hochheilige
Pfand in wahrem Glauben und in beständiger Liebe zum ewigen
Leben.*
Privat-Communionen in der Capelle fanden nur statt, wenn
z. B. Officiere schleunig zur Armee oder zu ihren Regimentern
berufen wurden, und ausser der Capelle, wenn Kranke oder Ster-
bende das heil. Abendmahl verlangten. Letzterer Fall war für den
Legationsprediger immer mit den grössten Schwierigkeiten ver-
bunden, besonders wenn er , geringe Leute* besuchen sollte, in
Häusern, in denen lauter katholische Parteien wohnten, in Gegenden,
,wo etwa ein Saul Pfarrer war* : da musste er alle Vorsicht ge-
brauchen. ,Ich lasse*, sagt Chemnitz, ,den Wagen, um alles Auf-
sehen zu verhüten, in einer entfernten Gasse stehen und gehe bald
in dieser bald in einer andern gefärbten Kleidung zum Patienten,
bald unter dem Namen eines Doctors bald unter dem Titul eines
Chirurgi; ich gebe dem Bedienten eine solche Liverei, die ich ihm
von der Art als Prediger nicht geben würde.* Privat-Communionen
und Krankenbesuche in den Hospitälern und besonders auch im
Kloster der Barmherzigen Brüder waren dem evangelischen Prediger
durchaus verboten.
Die T a u f e n neugeborener Kinder *•) wurden vom Legations-
prediger ohne alles Bedenken , und ohne der römischen Geistlichkeit
«) Chemnitz a. a. O. S. 27.
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127
das mindeste zu melden und zu bezahlen*, vollzogen, wenn die
Eltern der Kinder zur Gesandtschaft oder zum Reichshofrathe ge-
hörten oder unter gesandtschaftlichem und reichshofräthlichem Schutze
standen. Alle anderen Evangelischen, ,und wenn es die höchsten
Personen wären*, mussten ihre Kinder zur katholischen Kirche
schicken und daselbst taufen lassen.
Eine gleiche Bewandtniss hatte es mit den Trauungen***).
Auch die geringsten zu der Gesandtschaft oder dem Reichshofrathe
gehörigen Personen wurden in der Ge§andtschafts-Capelle copulirt.
Hingegen andere Verlobte, ,und wenn es die reichsten und vor-
nehmsten wären*, mussten sich in der katholischen Kirche trauen
lassen, wo der Akt nicht vor dem Hauptaltar, sondern in einer Neben-
capelle stattfand. Das dreimalige Proclamiren war nicht gebräuchlich.
Die Confirmation wurde zuerst — im J. 1758 — durch den
dänischen Gesandtschaftsprediger Chemnitz eingeführt.**)
In Wien pflegten evangelische Eltern ihre Kinder ohne vor-
bereitenden Unterricht, ohne feierliche Erneuerung des Taufbundes,
ohne Confirmation und Einsegnung zum heil. Abendmahl gehen zu
lassen. Da aber in Dänemark die Confirmation gesetzlich bestand "),
so bat Chemnitz, der sich vor seiner Abreise von dort (1758) zur
Haltung der dänischen Kirchengesetze eidlich verpflichtet hatte, alle
Eltern, die sich zum kön. dänischen Gesandtschafts-Gottesdienste
hielten, ihm , nicht zuzumuthen, dass er ihre Kinder ohne Zuberei-
tung zum heil. Abendmahl zulassen solle*. Die Bitte blieb nicht
ohne Erfolg. Den Confirmanden gab er ein ganzes Vierteljahr hin-
durch wöchentlich 3 bis 4 Stunden Vorbereitungs-Unterricht. Am
30. Juli (X. Sonnt, nach Trinit.) 1758 konnte er zehn Kinder con-
firmiren.
Die Confirmationsrede hielt Chemnitz über Marc. 10, 14 — 16.
Dann prüfte er die Kinder über die Heils- und Gnadenordnung,
*•) Chemnitz a. a. O. S. 28.
•*) ^Einweyhungsreden, welche bey der feyerlichen Einweyhung eines Altars,
bey der Confirmation einiger Kinder und bey ihrem ersten Abendmahlgehen in der
Kön. Dänischen Gesandtschafts-Capelle zu Wien, bey sehr zahlreicher Versammlung der
Evangelischen, am VI. X, und XII. Sonntag nach dem Fest der heil. Dreyfaltigkeit
1758 gehalten worden von Johann Hieronymus Chemnitz, Kön. Dänischem
Gesandtschafts-Prediger.* Leipzig 1758. 6 Bog. in Fol. — Vgl. Nova Acta hist.-eccles.
Bd. 1 (1758) S. 1051 ff.
«) Seit 1736: Acta bist, eccles. Bd. 2 S. 1086 ff.
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insbesondere über die Unterscheidungsiehren. Hierauf geschah die
Einsegnung. Paarweise traten die Confirmanden vor den Altar und
wurden gefragt:
1. ,N. N. Wollet ihr von Neuem entsagen dem Teufel und
allem seinen Wesen und Werken?*
2. , Wollet ihr von ganzem Herzen glauben an Gott den Vater,
Sohn und heiligen Geist?*
3. »Wollet ihr in eurem erkannten und bekannten evangelischen
und apostolischen Glauben und in diesem euren Tauf bunde bis an 's
Ende verharren?*
»so bekräftiget mir solches*
Nachdem das Paar mit Ja, unter Bekräftigung durch Hand-
schlag, geantwortet hatte, segnete es Chemnitz mit Auflegung der
Hand: »Nun du drey einiger Gott, der du diese lieben Kinder in
der heil. Taufe zu deinen Kindern angenommen und zu Erben des
ewigen Lebens gemacht hast, umfasse sie anjetzt aufs Neue mit
deiner Gnade, und gieb ihnen des Glaubens Beständigkeit. Der
Segen Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes und Gottes des heiligen
Geistes komme auf euch und bleibe über euch in Zeit und Ewig-
keit 1 Amen.*
Noch wurde einem jeden Kinde ein Spruch zum Andenken
gegeben (Ps. 119, 9. Prov. i, 10. Eccles. 12, i. Joh. i, 12. Rom.
8, 16 u. a.) und nach einer nochmaligen Vermahnung, das erneuerte
heil. Gelübde unverbrüchlich zu halten, diese Handlung mit einem
Gebet beschlossen.
Als die zehn Erstlinge am 10. August (XII. Sonnt, nach Trinit.)
zum ersten Mal mit anderen Mitgliedern der Gemeinde zum heil.
Abendmahl gingen, hielt Chemnitz eine Vorbereitungsrede über
I Joh. 2, 28: »Und nun, Kindlein, bleibet bei ihm, auf dass, wenn
er geoflfenbaret wird, wir Freudigkeit haben, und nicht zu Schanden
werden vor ihm in seiner Zukunft.*
Es sei hier auch der Verdienste dieses Legationspredigers ge-
dacht, welche er sich um die Schule der Evangelischen in
Wien erworben. Lange fehlte es ihm an tüchtigen Lehrern und an
einem rechten Fonds zu ihrer Besoldung. Bereits nach seinem Amts-
antritt (1758) hatte er einen Gesandtschafts-Bediensteten, der dazu
tauglich, als Lehrer bestellt, welcher täglich »ein ganzes Häuflein
Kinder* im Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und in den ersten
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Grundwahrheiten des Christenthums unterrichten musste: wofür der-
selbe theils von der Capelle, theils von den Eltern mancher Kinder
bezahlt wurde. ") Später hatte Chemnitz in Folge seiner desfallsigen
Bemühungen die Freude, eine ordentlich eingerichtete Schule anlegen
zu können. •*)
Die Armen der Gemeinde verursachten eine sehr grosse
Sorge. »Hier ist*, sagt Chemnitz"), »ein solcher Sammelplatz der-
selben, aus ganz Teutschland und Ungarn, dass man's kaum glauben
wird.* Die Ausgaben fiir dieselben wurden bestritten aus der Ein-
nahme des Klingelbeutels (diese betrug Sonntags etwa lO Gulden),
von der Hälfte der Interessen eines Kapitals von 15000 Gulden,
welches die Baronesse von Palm zum Besten evangelischer Armen
in Banco angelegt hatte "), aus der Hälfte der Interessen von einem
Kapital zu 1000 Gulden, welches der Reichshofrath Berger legirt
hatte"), aus ausserordentlichen Gaben einiger begüterter Mitglieder,
aus der Oster-CoUecte (ungefähr 200 Gulden), die allein im ganzen
fahr zum Besten der Armen veranstaltet wurde.
Der Friedhof der Evangelischen lag in der Alservorstadt
bei dem Kloster der sogen. Schwarzspanier. Er ist ehemals ganz
Eigenthum der Evangelischen gewesen, war aber zur Zeit der Gegen-
reformation ihnen genommen und jenem Kloster geschenkt worden,
welches die eine Hälfte zum katholischen Begräbnissplatze weihete
und die andere Hälfte, gegen eine gewisse Abgabe bei jeder Leiche,
den Evangelischen überliess. Chemnitz **) berichtet, dass bei der
Bestattung vornehmer Evangelischer eine grosse Anzahl von Wagen
dem Leichenwagen nachfuhren. Die Legationsprediger der dänischen
und schwedischen Gesandtschafts -Capelle fuhren dann ^^frei und
öffentlich* sogleich hinter den nächsten Leidtragenden. Im Thor
trat die Wache bei solch' solennem Leichen-Conduct in's Gewehr.
Sobald sich derselbe dem Friedhof näherte, wurden die Glocken
auf dem Thurm daselbst geläutet. Als eine eigenthümliche Gewohn-
••) Chemnitz „Vollständige Nachrichten" u. s. w. S. 29.
**) Vgl seine „Erste Nachricht von einer neu angelegten Schule bei der Kön.
Dänischen Gesandtschafts-Capelle in Wien". Wien 1763. 40. — , Zweite Nachricht*
u. s. w. Ebd. 1764. 8«. — „Dritte Nachricht" 1768. 4«.
•*) Chemnitz „Vollst. Nachr." u. s. w. S. 30.
••) Die andere Hälfte der Interessen bekam die schwedische Capelle.
*) Die zweite Hälftö erhielt die schwedische Capelle.
») A. a. O. S. 34.
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heit, deren Ursprung schon Chemnitz nicht erfahren konnte, ist zu
bemerken, dass ein jeder Leichenbegleiter ausser einem Flor noch
einen schwarzen langen Bart oder ein sogenanntes Visir von grobem
Boy (schwarzem Tuch) bekam, welches er auf dem Kirchhof über
dem Kopf festmachen und über Mund und Kinn herabhängen lassen
musste. Wenn der Sarg eingesenkt war, hielt der Leichenbitter mit
üblicher Formel eine solenne Danksagung an die Versammelten und
ermahnte sie Gott zu bitten, dass er ihnen zu seiner Zeit aus Gnaden
ein seliges Sterbestündlein verleihen wolle.
Der in seinem Amte treue und eifrige Legationsprediger
Chemnitz verliess Wien im J. 1768"), kam als Gamisonsprediger
nach Helsingör, dann nach Kopenhagen, wo er im 70. Lebensjahre
am 12. October 1800 starb, »^j
Derselbe hat während seiner Wiener Wirksamkeit mehrere
Casualpredigten drucken lassen. Hervorgehoben sei hier die , Buss-
predigt, am ausserordentlichen Buss- und Bettage bei der Kön.
Dänischen Gesandtschafts-Gemeine zu Wien, wegen des schreck-
lichen Erdbebens, so am 28. Juni 1763 ganz Ungarn erschüttert . . .,
den 10. Juli e. a. am X. Sonntage nach Trinitatis bey sehr volk-
reicher Versammlung gehalten.* Nürnberg 1763. 4 Bog. in 4*.
Nachdem durch das Toleranzpatent vom 13. October 1781 den
Evangelischen in sämmtlichen Erblanden freie Religionsübung ge-
stattet worden und sich zu Wien eine evangelische Kirchengemeinde
Augsburger Bekenntnisses legal constituirt hatte'*), wurde der da-
malige kön. dänische Gesandtschaftsprediger J. G. Fock (er war
1782 nach Wien gekommen) als erster Prediger der Gemeinde mit
Stimmeneinhelligkeit gewählt (März 1783) und derselbe durch kaiser-
liches Dekret vom 19. Juli 1783 bestätig^.
Am 3. August (VII. Sonnt, nach Trinit.) 1783 fand der erste
öffentliche evang. Gottesdienst in der vormaligen, von der Gesandt-
schaft (Baron Vieregg) einstweilen zur Verfügung gestellten, kön.
*>) Abschiedsrede, in der Kön. Dänischen Gesandtschafts-Capelle gehalten u. s. w.
Regensb. 1768. gr. 40.
w) Von ihm, dem „berühmten** Conchyliologen, handelt Baur in Ersch-Gruber's
„AUg. Encyklopädie", Sect. I. Th. 16 (1827) S. 271. — Ein Ergebniss seiner conchyl.
Studien waren die „Beiträge zur Testaceotheologie". Nürnb. 1760. gr. 4«. Vgl. Grimm
Institutio theologiae dogmaticae (ed. 2) p. 180.
**) Der erste „Dirigent des Vorsteher-Collegiums" (bis 1784) war der k. Rcichs-
hofrath Graf Grävenitz.
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dänischen Capelle statt ••), bei welchem der Genannte seine Antritts-
predigt hielt. *') Die erledigte Legationspredigerstelle blieb unbesetzt ;
<ier Organist (Lachmuth) und das übrige Personale der Capelle trat
in den Dienst der neuen Gemeinde. Durch Fock, welchen der Kaiser
mit Dekret vom 6. September 1783 zum Superintendenten der evang.
Kirchengemeinden A. C. Nieder- (und Inner-) Oesterreichs ernannt
hatte, wurde am 30. November, dem ersten Adventsonntage, unter
Assistenz zweier Geistlicher das j^Bethaus* der evang. Gemeinde
Augsb. Conf. (Stadt, Dorotheengasse) feierlich eingeweiht und seiner
Bestimmung übergeben.
Auch die zwei anderen Gesandtschafts-Capellen wurden auf-
gelassen. Die Glaubensgenossen der kön. schwedischen Capelle
schlössen sich der neuen evang. Kirchen gemeinde Augsb. Conf. an,
so dass die Gesammtzahl der Evangelischen A. C. in Wien sich
etwa auf 3000 belief •*) Die aus den , beiläufig hundert* ''*) Mit-
gliedern der holländischen Capelle sich bildende evang. Kirchen-
gemeinde Helvetischer Confession, welche nach ihrer förmlichen
Constituirung den holländischen Legationsprediger K. W. Hilchen-
bach zum Prediger gewählt hatte (26. October 1782) '•), versammelte
sich gottesdienstlich zum ersten Mal im eigenen Bethause,
zugleich zu dessen feierlicher Einweihung, am Weihnachtsfeste 1784.
•*) Als Gesangbuch gebrauchte die Gemeinde (bis zur Einweihung ihres Bet-
hanses) das aus der dänischen Capelle übernommene: „Kleines Gesangbüchlein, in
welchem Hundert auserlesene Evangelische Lieder zum Gebrauche der Kön. Dänischen
GesandtschafU-Capelle in Wien befindlich." Nürnberg [neue Aufl.] 1764. 142 SS. kl. 80.
Angefügt mit neuer Paginirung (20 SS.): „Geistreiche Sterbens- Gedanken, aus H. Schrift,
Gebeten und Liedern gesammlet.** — Jenes Gesangbuch hatten der Prediger Möllenhof
(s. oben Anm. 13) und der kön. dänische Legati onsrath Franckenau aus dem Bremischen
Gesangbuch, welches früher in der dänischen und schwedischen Capelle gebräuchlich
war, und anderen Gesangbüchern zusammengestellt.
**} Abgedr. inWaldau's „Repertorium von guten Casual -Predigten und Reden''
(Nümb.) Th. 10. S. 164fr. — Fock wurde 1796 Consistorialrath und Propst zu Kiel,
t 23. Aug. 1835.
•*) C. Neuss Chronik der Wiener evang. Gemeinde A. B. (seit 1782). Wien
1864. S. I.
»^ Siehe »Jahrb.« 1886. S. 33.
**] Ihre ersten Vorsteher waren der k. Reichshofrath Karl Christian Graf zur
Lippe, der k. k. Hofrath Johann Freiherr von Fries, der k. k. priv. Niederlags-
verwandte Peter Ochs. — Hilchenbach, hochverdient um die kleine Gemeinde, starb
nach 34jährigem Wirken am 13 April 1816. Die „dankbare Gemeinde** errichtete ihm
1822 eine Ehrentafel im Bethause.
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XII.
Consistorial-Instruction vom Jahre 1784.
Mitgetheilt von Dr. G. FRANK.
Das mit Hofdecret vom 20. Februar 1782 anstatt der bisherigen
Religionscommission zu Teschen bestellte , förmliche und eigentliche
Consistorium* trat unter dem Präsidium des Kreishauptmanns Grafen
Johann Larisch am 22. Juli 1784 in's Leben. Dieses Consistorium
verzeichnete als sein erstes Geschäftsstück folgenden Erlass: , Seine
kais. königl. Majestät haben mittels eines unterm V^ dieses hierorts
eingelangten höchsten Hofdecrets vom 22. des vorigen Monats für
dasselbe eine eigene Instruction allergnädigst vorzuschreiben geruhet,
welche demselben anschlüssig zur genauen Nachachtung zugefertiget
wird. Hiernächst habe Seine Majestät desselben jeweiligen Präses in
Ansehung des zu unterhaltenden Rathszimmers sammt Archiv ein
jährliches Quartiergeld von 150 fl., einem jeden der zween weltlichen
Beisitzer ein jährliches Adjutum von 300 fl., dann einem jeden der
zween geistlichen Beisitzer ein jährliches Adjutum von 200 fl., nebst
einer jährlichen Zulage von 400 fl. fiir den betreffenden Superinten-
denten, endlich dem Secretär einen Gehalt von jährlichen 400 fl.,
und dem Kanzlisten von 200 fl. dergestalten allergnädigst auszu-
messen und zu bestimmen befunden, dass sothane Beträge aus denen
bei ihm, Consistorium, eingehenden und zu verrechnenden Taxen
bezogen, der allenfällige Abgang aber aus dem höchsten Aerarium
beigetragen werde. Ex Consüio Gubemii Moraviae et Silesiae, Brmtac,
die IL AugMsti ij8/f. Ludwig Graf Cavriani.* In Beantwortung dieses
Erlasses berichtet das Consistorium unter dem 29. September 1784:
^Das von Sr. Römisch k. k. Apostolischen Majestät allergnädigst
vermehrte Consistorium A. C. in Teschen überreichet nachstehenden
schuldigst und geziemenden Bericht sowohl in Ansehung dieses
Consistoni selbst, als auch in Ansehung der demselben zugestelleten
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Instruction dd. Brunn, den 2. August 1784. In Ansehung der Ver-
mehrung und Bestätigung dieses Consistorii wird Folgendes gehor-
samst vorgetragen: i. dass am 3. September laufenden Jahres der
Ernst V. Bludowsky, der Pastor Christian Gottlieb Fröhlich als
Räthe und Assessores, und der Ernst v. Karwinsky als Secretarius
vereidet, introduciret und hierauf die erste Consistorial-Session in pleno
gehalten worden sei*). 2. Dass die A. h. Gnade des Monarchen
ein eigenes förmliches Consistorium des Augspurgischen Glaubens-
bekenntnisses allergnädigst geordnet und bestellet zu haben, das
ganze Consistorium überhaupt für sich und im Namen aller treu-
gehorsamsten Stände und Unterthanen gedachten Glaubensbekennt-
nisses mit der allertiefsten Ehrfurcht erkenne und verehre, die dabei
angestellten sämmtlichen Glieder aber insbesondere vor deren Aller-
huldreichste Ernennung und Bestimmung derer Adjutorum und resp.
Besoldungen allerunterthänigsten Dank abstatten und sich verpflichtei\,
den allermöglichst und erfordlichen Diensteifer pflichtschuldigst zu
beweisen, nie ausser Acht zu setzen, vielmehr unermüdet beflissen
sein zu wollen. 3. Dass es einem hochlöblichen k. k. Gubernio hoch-
geneigt gefallen wolle, vermittelst derer k. k. Kreisämter sothane
förmliche Anstellung dieses k. k. Consistorii A. C. in Mähren und
Schlesien kundmachen zu lassen, um gedachtes Consistorium in allen
deme übertragenen Geschäften gehörig zu authorisiren und sowohl
den evangelischen Gemeinden, Pastores, Schullehrer und Schulhalter
an die gehörige Behörde, als auch die betreffenden Instantien und
Ortsobrigkeiten zum Nachverhalt in vorkommenden Assistenz-Fällen
an und zu verweisen.* An die empfangene Instruction knüpfte das
Consistorium, ausser Taxen, Stempel und Siegel betreffende Anfragen,
mehrere Vorschläge, nämlich: dass es zur Ersparung der Kosten
einer doppelten Reise oder langen Aufenthalts zu Teschen erlaubt
sein möchte, jeden vocirten Candidaten sogleich nach dem Examen,
ante Confirmationem et Installationem ordiniren zu lassen; dass die
Installation als ein Consistorialactus auch in Mähren nicht den Kreis-
ämtern, sondern dem Superintendenten nomine Consistorii, ebenso
die Ertheilung der licentia concionandi lediglich dem Superintendenten
nomine Consistorii, ohne Gubernialbestätigung, und endlich die Preis-
«) Ausser den oben Genannten gehörten noch Freiherr Maximilian v. Calisch
als weltlicher, und Superintendent Traugott Bartelmus als geistlicher Rath dem
Teschener Consistorium an.
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abschätzung der Kirchensitze, anstatt dem Consistorium, den Vor-
stehern oder Aeltesten der Gemeinden überlassen werden möchte.
Bevor noch diese Anträge an das mährisch-schlesische Gubernium
gelangten, war das Hofdecret erschienen (20. September 1784),
welches die Verlegung des Teschener Consistoriums A. C. nach
Wien verfügte. Am 27. April 1785 erfolgte die Errichtung eines
reformirten Consistoriums neben dem Consistorium A. C. in Wien
und, da Graf Larisch an Teschen gebunden war, die Ernennung
des Regierungsrathes Baron Wöber zum Präsidenten der beiden
Consistorien. Die für das Consistorium A. C. erlassene Instruction
erhielt auch für das Consistorium H. C. Giltigkeit, laut folgenden
Erlasses des Regimen infcrioris Austriae vom 30. Mai 1785: »Auf
einen von dieser Landesstelle nach Hof erstatteten Bericht und An-
frage, was für eine Instruction und Taxordnung dem Consistorium
der helvetischen Confession vorzulegen sei, ist die höchste Ent-
Schliessung vom 19. und psto. 29. dies herabgelanget, dass die In-
struction des Consistoriums der Augsburgischen Confession auch für
jenes der helvetischen zu dienen habe und demselben ebenfalls vor-
zuschreiben sei.* Diese Consistorial-Instruction, auf welche die in
Heft I des Jahrgangs 1885 S. 14—32 mitgetheilte Superin tendential-
Instruction basirt ist, lassen wir nachstehend in ihrem vollständigen
Wortlaut nach der Originalhandschrift folgen.
Instruction für das Consistorium Augustanae Confessionis in Teschen.
I. Artic. De electione et confirmatione Praesidis et Assessorum Consistorii ejusque
Secretorii nee non Antistitum ac Ministrorum Ecclesiae et docentium Scholae.
§ I. Praesidem des Consistorii A. C. denominiret und bestellt
der Oberste Landesfürst; dagegen
§ 2. Wird das Consistorium die von denen Ständen A. C. im
Fürstenthum Teschen nach allerhöchster Concession und zeitheriger
Observanz gewählte und präsentirte Räthe zu dem Consistorio A. C,
auch dessen Kirchenvorsteher, dann von diesen Kirchenvorstehern
vocirten und praesentirten Minisiros Ecclesiae jedesmal bei einer sich
ereignenden Vacanz nach vollzogener Wahl mittelst dem k. k. Landes-
GubernJum zur allerhöchsten Confirmation gelangen lassen.
§ 3. Die Schul-Docentes bei der Evangelischen Schule von
Teschen haben die Kirchenvorsteher unter Beobachtung deren in
Schulsachen bestehenden oder künftig ergehenden höchsten Vor-
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Schriften zu vociren und dem Consistorio zu praesentiren, welches
alsdann sothane Döcentes zu bestättigen befugt sein soll.
§ 4. Das übrige Personale bei der Kirche zu Teschen, als
Kassehälter, Kantor, Organist, Küster, Kirchenschreiber, Wächter
und dergleichen sind die Kirchenvorsteher nach der zeitherigen Ge-
wohnheit berechtiget, ohne eine diesfalls benöthigte Praesentation und
Confirmation anzusetzen.
§ 5. Das was denen Vorstehern bei der Gnadenkirche von
Teschen resp. der Wahl deren Ministrorum Ecclesiae und übrigen
Kirchenbedienten sub § 2 et 4 zustehet, sollen auch die Patroni
bei denen Bethäusern zu vollziehen berechtigt sein, und werden ge-
dachte Patroni derer Bethäuser auch die Wahl und weitere An-
stellung der Schulhälter zwar zu besorgen, doch aber die Bestättigung
der Schulhälter jedesmal von dem k. k. Landes-Gubemium einzu-
hohlen haben.
§ 6. Das Consistorium A. C. von Teschen hat aus blossen Pro-
testanten halb geistlichen, halb weltlichen Standes unter einem
katholischen Praeside, und zwar dermalen in vier Membris halb
geistlichen und halb weltlichen Standes nebst einem Secretario pro-
testantischer Religion zu bestehen; gedachter Secretarius aber wird
§ 7. jedesmal von dem Consistorio einverständlich mit dem
Praesidio vorzuschlagen und darüber ein Tema- Vorschlag, wenn so
viel taugliche Subjecta vorhanden, dem k. k. Landes-Gubernio zur
Bestättigung vorzulegen und hierbei der vorzüglichste Bedacht auf
Landeskinder oder wenigstens auf solche Subjecten, die aus denen
k. k. Erblanden eingebohren sind, zu nehmen sein.
II. Artic. De iostructione et installatione Praesidis, Assessorum et Secretarii Consistorii.
§ I. Nach eingegangener A. h. Confirmation eines Assessoris
oder Secretarii hat sogleich das bestehende Consistorium das aller-
gnädigst bestättigte Subject zur erforderlichen Vereidung und Intro-
duction gewöhnlich vorzuladen.
§ 2. In der deshalb anzustellenden Session wird die A. h. k. k.
Resolution und Confirmation dem erwähnten Subjecte gehörig publi-
ciret, wornach jeder Assessor Consistorii nachstehenden Eid zu prä-
stiren angehalten und nach dessen richtigem Vollzuge /// Activitatan
introduciret werden solle. Ein jeweiliger allerhöchst benannter Praescs
Consistorii introduciret sich selbsten, und ist die Ablegung eines Eides
Jahrbuch des Protestandsmus x886. H. 111. ][0
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von einem bereits beeidigten Subjecto, so zu der Stelle eines Con-
sisterial-Präsidenten gelanget, überflüssig; daferne jedoch ein noch
unbedienstetes Individuum dazu allerhöchst benennet werden sollte,
da wird dieses den Eid bei dem k. k. Landes-Gubernio nach einer
alsdann seiner Zeit zur A. h. Approbation einzusendenden Formula
abzulegen haben.
Eides ' Formula
für einen Beisitzer des Consistorii, und dieser zuird stehend vorgelesen,
,Ihr werdet einen Eid Gott dem Allmächtigen schwören und
bei Euerer Ehre und Treue geloben, dem Allerdurchlauchstigst,
Grossmächtigst und Unüberwindlichsten Römischen Kaiser, zu Hungam
und Böheim König, Erzherzog zu Oesterreich, Markgrafen zu Mähren,
Herzogen in Schlesien, als Euerem rechten Erblandesfiirsten und
Herrn Josepho IL und nach demselben denen aus A. h. Dero-
selben Geblüt und Geschlecht nachkommenden Erben getreu, ge-
horsam und gewärtig zu sein, und nachdem Ihr zu einem Assessor
bei dem im Herzogthum Schlesien aufgestellten Consistorio A. C.
allergnädigst ernennet und bestättiget worden, Ihr in dem Euch
aufgetragenen Amte alles dasjenige, was die A. h. k. k. Instruction
besaget, getreulich erfüllen, über die k. k. Jura handhaben, alle er-
gangene und künftig ergehende Verordnungen genau befolgen, und
auf dass solche nicht nur von Euch durchgängig beobachtet, sondern
auch bei allen vorkommenden Consistorialfällen Euer Votum nach
der vermöge A. h. Bewilligung bestehenden protestantischen Kirchen-
und Consistorialrechten nach bestem Wissen und Gewissen ohne
Ansehen der Person oder Religion oder einiger Parteilichkeit gegeben
und ertheilet werde, eifrigst trachten wollet und sollet.* Auf die
von dem Praeside vorsagende Formalien wird sodann geschworen :
,Wie mir anjetzo vorgehalten worden und ich in allen wohl und
deutlich verstanden, demselben soll und will ich treu und fleissig
nachkommen, so wahr mir Gott helfe. Amen.*
§ 3. Und so wie ein jeweiliger Consistorial-Secretarius mit einem
besondern Eid zu belegen kommt, eben so hat dessen Eid, welcher bei
dem Consistorio abzunehmen ist, in nachstehendem Inhalte zu bestehen.
Eides- Fonmda
für einen Secretarius des Consistorii, und dieser wird stehend vorgelesen.
,Ihr werdet einen Eid Gott dem Allmächtigen schwören und
bei Euerer Ehre und Treue geloben, dem Allerdurchlauchtigsten,
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Grossmächtigsten und Unüberwindlichsten Römischen Kaiser, zu
Hungarn und Böheim König, Erzherzog zu Oesterreich, Markgrafen
in Mähren, Herzogen in Schlesien, als Euerem rechten Erblandesfursten
und Herrn, Herrn Josepho II. und nach demselben denen aus A. h.
dero Geblüt und Geschlecht nachkommenden Erben getreu, gehorsam
und gewärtig zu sein, und nachdem Euch bei dem k. k. Consi-
storio A. C. in Teschen die Secretärs-Stelle allermildest verliehen
worden, Ihr dieser Bedienstung mit pflichtmässig beständiger Treue,
Fleiss, auch Eifer und Verschwiegenheit vorstehen, dem Euch vor-
gesetzten Herrn Praesidi, wie auch gesammten Herrn Consistorialbei-
sitzern mit obliegendem Gehorsam beständig begegnen, die Euch
beschehende Aufträge und Ausarbeitungen, dann sonstige Expedi-
tionen in conformiiaie des Rathschlusses nach Euerem besten Ver-
stand und auf das fleiss igst e fassen und beschleunigen, ohne Vor-
wissen und Erlaubniss des Herrn Praesidis von denen gefassten
Resolutis Niemanden eine Eröffnung machen, weniger einige Ex-
peditionen oder Abschriften davon wem ertheilen, sondern alles
pflichtmässig geheim halten und Euch dabei jederzeit, wie es einem
in Pflichten stehenden Secretario eignet und gebühret, bezeugen, in
denen ausfertigenden Expeditionen und sonstigen Aufträgen nicht
das mindeste wider die allergenädigst ertheilte Consistorial-Instruction
einfliessen lassen, auch zu keinerlei Contra venienz, weder durch
Gunst noch Ungunst, Freund- oder Feindschaft, noch in anderm
Wege, am allerwenigsten aber durch Schenkungen und Gaben sub
poena cassationis abwendig machen lassen sollet noch wollet.* Auf
die von dem Praeside vorsagende Formalien wird sodann ge-
schworen :
,Wie mir anjetzo vorgehalten worden und ich in allen wohl
und deutlich verstanden, demselben soll und will ich treu und fleissig
nachkommen, so wahr mir Gott helfe. Amen/
Einer besondern Instruction für den Secretarium bedarf es nicht,
denn es muss derselbe so wie jedermann in gegenwärtiger Haupt-
Instruction seine Richtmass finden können. Und obwohlen es sich
von Selbsten verstehet, dass von dem Consistorio, vorsonderlich von
dem Präsidio, auf die ununterbrüchliche Beibehaltung aller guten
Ordnung, sowie in Hinsicht der Dienstschuldigkeiten des Secretarii
und sonstigen Personalis, als auch deren zur Registraturs- und Expe-
ditsbesorgung gebrauchenden Individuen genau gesehen und gehalten
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werden muss: so hat man jedoch befunden, Ihme, Consistorio, in
der Anlage über die Manipulations- und Expedirungsart eigends
einen Unterricht vorzulegen, um sich hienach benehmen, und solche
eigen machen zu können.
III. Artic. De Sessione, Modo communicandi et expediendi Consistorialia.
§ I. In SO lange es die Geschäfte nicht fordern, und anwachsen,
ist nöthig, dass wenigstens alle Monate Eine ordinaire Session in
einer eigenen wohlgelegenen und Jedermanns Zutritt nicht ausge-
setzten Sessions-Stube, welche Praeses Consistorii zu besorgen haben
wird, und worin das Archiv, oder wenn es nicht zulässig, in einem
andern sichern Orte verwahret werden muss, gehalten; Umständen,
und dem Befunde des Praesidii nach, auch wöchentlich eine und
mehrere Sessionen wiederholt werden.
§ 2. Bei dem zeitherigen Gebrauch, dass Praeses Consistorii, so
oft sich Casus extraordinarii ereignen, eine besondere Session v^er-
anlasse und die Assessores durch ein besonderes Intimations-Circu-
lare, worinnen zugleich der Casus oder Punctum Quaestionis anzu-
zeigen, zu solcher Session wenigstens 8 Tage vorher einlade, hat es
nur in so lang zu verbleiben, in wie lang nicht nothwendig sein
wird, wöchentliche und öftere Sessionen abzuhalten, und hieraus die
Folge sich zu ergeben, dass alle Beysitzer Consistorii /;/ loco Teschen
zu allen Zeiten dürften anwesend sein, und gar daselbst domiciliren
müssen, welchenfalls die abzuhaltende Sitzungen der Praeses allemal
denen Beisitzern anzukündigen, und nur darauf anzukommen haben
wird, damit sodann gewisse Tage in der Woche zur Session be-
stimmt werden.
§ 3. Sollte es sich aber dennoch ereignen, dass ein Assessor
wegen entfernter Abwesenheit oder gefahrlicher Krankheit nicht er-
scheinen könnte, so kann und soll von demselben, wenn er im Lande
ist, jedoch nur in wichtigen und ganz besondern Anliegenheiten sein
schriftliches Gutachten und Votum gefodert, wenn er aber nicht zu
erreichen, oder gefährlicher Krankheit wegen sein Votum zu geben
unfähig wäre, dem Secretario in Vertrettung eines abwesenden Asses-
soris die Ausarbeitung der Sache zugemittelt, und demselben der
Vortrag nebst dem Voto iuformativo, keineswegs aber das Votum
decisivum einberäumet, überhaupt aber dieses Aushülfsmittel nur
nach Beurtheilung und Erkenntniss des Praesidii und übrigen Con-
sistorialbeisitzern gebrauchet werden.
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§ 4- Wenn ein Assessor Consistorii eigener Geschäfte wegen eine
Reise zu machen haben sollte, so hat sich derselbe deshalb vorher
bei dem Praeside zu melden, auch ist ein solches dahin zu verstehen,
wenn ein in loco Teschen domicilirender Beisitzer und somit auch der
Secretarius Consistorii über Nacht a loco domicilii sich absentiren wollte.
§ 5. Den Modum comnmnicandi betreffend, da wird vorderist
dem Praesidio, wie schon bevorstehend bei der vorgeschriebenen
Manipulir- und Expedirungsart die Erwähnung beschiehet, obliegen,
die Departements und Materien unter die Beisitzer einzutheilen, und
dessen Beurtheilung und Befunde überlassen, welche Gegenstände
und Angelegenheiten diesem oder jenem Beisitzer zur Bearbeitung
und zum Vortrag zuzukommen haben, dann ob selbe communicato
consilio, oder sessionaliter zu behandeln seien.
§ 6. In Sessione aber wird das Pimctum quaestionis per plurali-
tatem Votonmi, wobei sowohl Praeses als die übrigen Assessores jeder
nur ein Votum haben solle, entschieden.
§ 7. Nebst der ohnedies bevorstehend einzuführenden Manipula-
tionsart mag der Secretarius den in conceptu ausgearbeiteten Bericht
dem Praesidi und solcher sodann von demselben denen Assessoribus
der Reihe nach zugesendet, auch jedem Assessori unbenommen
bleiben, seine Monita schriftlich, nebst beizufugender Namensunter-
schrift auf einem eigenen Blatte dabei allenfalls zu machen, oder
die Beistimmung durch seine Unterschrift zu erkennen geben, und
der Secretarius hiernach den Bescheid oder Bericht entwerfen,
das Concept dem Praesidi zur Approbation vorlegen, sodann mun-
diren und sofort aufs Neue dem Praesidi und denen Assessoribus
zur förmlichen Unterschrift überreichen, und die Sache an sein be-
stimmtes Ort sogleich expediren.
IV. Artic. De jurisdictione Consistorii.
§ I. Jeder Protestant, ja selbst die Prediger, Pastoren, Senioren,
Superintendenten und Konsistoralbeisitzer sowohl, als Schullehrer und
Schulhalter, und sonstige Bedienstete, in Hinsicht seiner Person und
seines unbeweglichen Vermögens in allen Streits- und Rechtsange-
legenheiten, überhaupt quoad omnes effectns, bleibt demjenigen Juris-
diciionS'Fofo unterliegen, wohin ihn die neu eingeführte Gerichts-
ordnung vermög seinem Stand anweiset, weshalb das Consistorium
unter keinerlei Vorwand sich in eine Gerichtsbarkeit in Streitsachen
oder in richterlichen adeligen Amte einzumengen hat. Nur allein
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§ 2. haben jene Angelegenheiten der Wirksamkeit des prote-
stantischen Consistorii vorbehalten zu verbleiben, wo es bei Predigern,
Schulhaltem und dem übrigen bei ihren Kirchen und Bethäusern
angestellten Personali, auf derselben sittlichen Lebenswandel, die
Kirchenzucht und die ihnen in Beziehung auf ihre Religion ob-
liegenden Amtsgeschäfte ankommt.
§ 3. Wird dies Consistorium, in so lange kein Oberconsistorium
bestättiget worden, dem k. k. mährisch und schlesischen Landes-
Gubernio unterworfen sein.
§ 4. Kann sich das Consistorium eines eigenen Siegels bedienen,
doch muss solches bevor dem k. k. Landes - Gubernio zur Gutheiss-
und Bestätigung vorgeleget werden.
§ 5. Wenn eine Gemeinde von der Augspurgischen Confession
in der Ausübung der von Sr. k. k. Majestät allergnädigst verliehenen
Rechts- und Religionsbegünstigungen beeinträchtiget oder von je-
mand gekränket werden sollte, so kann selbige ihre gegründeten
Beschwerden bei dem Consistorio zu Teschen anbringen, welches
sothane Beschwerden an die gehörige Behörde ferner befördern wird.
§ 6. Auf gleiche Art werden alle dem A. h. Toleranzsystem
conforme Gesuche derer protestantischen Gemeinden, derer Kirchen-
vorsteher und Patronorum nach der allergnädigsten Vorschrift ex
officio unterstützet.
§ 7. Alle und jede Instanzien und Grundobrigkeiten werden auf
geziemende Requisition in vorkommenden Fällen diesem Consistorio
alle Assistenz zu leisten haben.
§ 8. Die Kirchenzucht und Strafen betreffend, so können solche
nicht von denen Ministris Ecclesiae, sondern lediglich von dem Con-
sistorio bestimmt, und nach Verhältniss des Verbrechens denen
A. h. Verordnungen und Consistorialrechten August afiae Confcssioiiis
gemäss eingerichtet werden.
§ 9. Zu dieser Bestrafung qualifiziren sich besonders die Turba-
tores Sacrorwn, und diejenigen, welche durch öffentlichen ärgerlichen
Lebenswandel Anstoss geben, und bei denen keine Ermahnung
fruchten will.
§ IG. Gleichermassen diejenigen, welche sich gegen ihre vorge-
stellten Seelsorger gröblich vergehen, und denenselben ihren ob-
liegenden Gehorsam versagen. Wobei dem Consistorio obliegen wird,
in derlei wichtigeren Vergehungen vor Vollziehung des anerkennenden
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Poenfalls die Anzeige an das k. k. Landes -Gubernium zu machen,
die Sachen mit allen Umständen demselben vorzulegen, und sich
beinebst gutachtlich zu äussern, welcher Poenfall Platz zu greifen hätte.
V. Artic. De Examine, Ordinatione, Installatione et Investitura.
§ I. Die zum Predigtamt berufene Kandidaten werden von
Kirchenvorstehern und resp. Patronis dem Consistorial-Präsidi in
Person präsentiret, und händigen selbigem das Gesuch um das
Examen und weitere Beförderung an die hohe Landesstelle ein,
welcher hierauf den Tag zum Examine mit Einverständniss derer
Assessorum bestimmt, Candidatum dazu vorladet und denen Asses-
soribus, Kirchenvorstehern und resp. Patronis derer Bethäuser solchen
Prüfungstag notificiret.
§ 2. Nach gehaltenem Examine conferirt Praeses mit denen
A'ssessoribus in Sessione über den, an eine hohe Landesstelle in
Betreff der zum Pastoralamte präsentirten Kandidaten abzustattenden
Bericht, welchen alsdann der Secretarius nach der Pluralität der
Votorum ausarbeitet, dem Praesidi und sämmtlichen Assessoribus
zur Unterschrift mittheilet und an die hohe Behörde expediret.
§ 3. Nach eingelangter A. h. Confirmation derlei Candidaten,
welche denen Assessoribus in Original! nach der Reihe zu com-
municiren ist, bestimmt Praeses diem Ordinationis des zum Pastorat
bestimmten Subjecti und intimiret solches durch eigene Ausfertigung
denen Consistorial-Assessoribus, denen Impetranten, denen Kirchen-
vorstehern und resp. Patronis Ecclesiae.
§ 4. Die Ordination wird in der Gnadenkirche A. C. von Teschen
corum Consistorio und der Kirchenvorsteher in facie Ecclesiae von
dem ältesten Pastore oder in Zukunft von dem künftigen Super-
indenten mit dem ihm assistirenden Ministerio genannter Gnaden-
kirche verrichtet.
§ 5. Wäre es aber, dass ein sich zu dem Pastoralamte widmen
\vollender Kandidat bei dem Consistorio unmittelbar um seine
Prüfung das Anlangen machete, ohne dass von dem k. k. Landes-
Gubernio hierzu ein Gutachten gefordert würde, so bleibet dem
Consistorio unbenommen, einen solchen Kandidaten dem Herkommen
nach, gemäss denen Religionsgrundregeln behörig zu prüfen, und
demselben über die befundene Fähigkeit das gewöhnliche Attestat
zu ertheilen und auszufertigen, damit sich ein solch Geprüfter sodann
da, wo es vernöthen, damit ausweisen könne.
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§ 6. Wird ein confirmirter und ordinirter Pastor bei einem Bet-
hause angestellet, so delegiret das Consistorium einen geistlichen
Consistorialrath und resp. Superintendenten qua Cofnmissarium, und
gibt ihm die Vollmacht, selbigen bei seiner neuen Gemeinde nomine
Consistorii einzuführen und 2;u installiren. Geschiehet aber die In-
stallation bei der Gnadenkirche selbst, so verrichten selbige nach
der bestehenden Observanz die Kirchenvorsteher, welche ebenfalls
den hispectoreyn scholae und die zum Lehramte bei der Schule A. C.
von Teschen berufene Subjecta in ihr Amt einzuführen haben, und
dieses zwar in Hinsicht der Teschner Gnadenkirche und des Herzog-
thums Schlesien. Nachdem aber
§ 7. In dem Markgrafthum Mähren die A. h. Vorschrift vom
28. September 1782 bestehet, dass die von dem k. k. Landes-
Gubernio bestätigten Pastoren durch das betreffende königliche
Kreisamt jedesmal installirt werden sollen : so hat es auch bei gleich-
gedachter Vorschrift, in wie lang nicht ein anderes ausdrücklich
geboten wird, sein Bewenden.
§ 8. Die Schulhalter bei den Bethäusem und andern ohne Bet-
häuser versehenen Oertern werden zwar von denen Paironis Ecclcsiae
erwählet und angestellet, müssen aber dennoch diesem Consistorio zur
Prüfung in Ansehung des Religionsunterrichts präsentiret werden.
§ 9. Auch wird das Consistorium darauf zu invigiliren haben,
dass keiner zu einem Predigt- Schul- und Lehramt admittiret werde,
bei welchem nicht Examen, Ordinatio und Confirmatio nach Mass-
gabe seines zu erhaltenden Amtes vorhero vollzogen worden. Wie
denn auch alle aus andern k. k. Staaten oder andern von A. h.
Orts bewilligten Provinzen zu dem Postoralamte vocirte und
präsentirte Candidaten unnachbleiblich bei dem hiesigem Consistorio
examiniret und ordiniret werden müssen, ausser wenn wirklich
ordinirte Pastoren von andern Nationen hieher zum Pastorenamte
berufen werden möchten.
VI. Artic. De Superintendente ac Censura morum ministrorum Ecclesiae et docentium
Scholae.
§ I. Das Consistorium wird über die Sitten, Lehre und Leben
derer Prediger, Schullehrer und Schulhalter ein wachsames Auge
haben, dass jeder seinem Amte gehörig vorstehe und allem Anstoss
und Aergerniss vorgebeuget werde.
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§ 2. Da dermalen verschiedene Bethäuser aufzubauen aus A. h.
Milde verstattet worden, so hat das Consistorium jedesmal ex Grcmio
Assessorum ecclesiasticoriim ein Mitglied, welches nach denen Principiis
derer A. C. Verwandten den Namen eines Superintendenten haben,
und die Aufsicht über die im Herzogthum Schlesien sowohl, als
auch in dem Markgrafenthum Mähren und Galizien angestellten
Pastoren, Schullehrer und Kandidaten führen wird, in Vorschlag zu
bringen und die A. h. Bestättigung zu erwarten.
§ 3. Wenn die Anzahl derer Bethäuser sich dermassen ver-
mehren sollte, dass Superintendent die Inspection über die ihm
zustehenden Kirchen und Bethäuser nicht mehr allein zu besorgen
im Stande, und somit nothwendig wäre, dass eine Subinspection
zur Hand genommen und eingeführet werden müsste : so wird dem
Consistorio obliegen, die Umstände und Ursachen, die die Errichtung
eines solchen Subinspectionsamtes erfordern, dem k. k. Landes-
Gubernio gründlich anzuzeigen und zugleich dasjenige Subjectum,
welchem ein solches Amt und gegen welchen allenfälligen Beding-
nissen anzuvertrauen sei, in Vorschlag zu bringen und die aller-
höchste Bestättigung dessen abzuwarten.
§ 4. Deren beiderseitige Pflicht wird sein, zur Errichtung und
Beibehaltung einer Gott gefälligen und guten Ordnung und gehörigen
Verfassung bei Evangelischen Kirchen und Schulen vor allen Dingen
vor ihre eigene Person dahin zusehen, dass sie selbst in Lehre und
Leben untadelhaft erfunden werden, und denen ihnen untergeordneten
Pastoribus und Gemeinden mit gutem Exempel vorgehen, auch bei
vorkommenden Fällen mit gehörigem Rathe an die Hand zu gehen
fähig sein mögen.
§ 5. Solle Superintendent in der ihme angewiesenen und bestimmten
Dioeces gleich wie der Inspector in seinem angewiesenen District auf
der darin befindlichen Pastoren und Schulbedienten Lehre, Leben
und Amtsführung genaue Aufsicht tragen, ob sie in ihrem Amte
und Dienste« öffentlich und insbesondere den gebührenden Fleiss
und Treue bezeigen. Dafern einiger Mangel und Vergehung an den-
selben von ihm wahrgenommen oder von andern angezeiget wird,
soll er, Superintendent, sie darüber zu sich fordern, in Liebe und
Ernst gewissenhaft darüber besprechen und ermahnen, und, wenn
dieses vergeblich sein sollte, dem Consistorio zur weiteren Beilegung
einberichten.
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§ 6. Nicht weniger sollen dieselben aller Orten über die Schulen
die Obsicht ihnen besonders angelegen sein lassen, und denen
Exammibus ptiblicis , die in denen lateinischen Schulen jährlich
zweimal gehalten werden, selbst persönlich beiwohnen, und wo sie
darin etwas zu erinnern finden, dasselbe auf gehörige Weise zu
verbessern suchen, auch dahin sehen, dass wenn die Eltern saum-
selig oder halsstarrig sein sollten, ihre Kinder nicht in die Schule
zu schicken, sollen sie in diesen Fällen zuerst bei dem Patrono oder
Ortsherrschaft wegen der nöthigen Remedur Anstalt treffen, und,
dafern solche nicht erfolgete, bei dem Consistorio die Anzeige davon
machen, und überhaupt darauf wachen und halten, damit denen in
Schulsachen bereits erlassenen und künftig ergehenden höchsten
Generalien immerhin die unverbrüchliche Folge geleistet werde.
§ 7. Beim erfolgten Todesfalle eines Predigers werden die
Kirchenvorsteher bei der Gnadenkirche in Teschen und die Patroni
bei denen Bethäusern dem Consistorio sogleich Bericht abstatten,
und der angestellte Superintendent wird die Vorkehrung treffen,
dass die Circularpredigten und übrigen Actus ministerialcs unter die
benachbarten Prediger seiner Inspection bis zum Ablauf der Wittwen
gnadenzeit (welche zeitherigem Gebrauch und Gewohnheit gemäss
in dem halbjährigen Genuss des Salarii fixi und anderer Accidenzien
bestehet), falls eine anderweitige Ersetzung der Vacanz binnen solcher
Zeit nicht erfolgen sollte, ordentlich vertheilet, verrichtet und alles
Erforderliche besorgt und ein solches denen Pfarrern per Cwicndam
intimiret und dessen genaue Befolgung an das Consistorium angezeiget
werde, wobei sie auch dafür zu sorgen haben, dass des verstorbenen
Pfarrers Wittwe oder Kindern die Einkünfte der Gnadenzeit richtig
und ohne eigenmächtige Verkürzung gereichet werden mögen.
§ 8. Bei dem Superintendenten haben sich auch die inländischen
und auswärtigen Candidati Theologiae (wenn selbige im Lande
predigen wollen) anzumelden, werden von ihme nach vorgängiger
Vorzeigung des Tcstimonii in docirina et moribus geprüft» und erhalten
hierauf licentiam concioiiandi ; doch wird selbiger nach Pflicht und
Gewissen dafür sorgen, dass kein untüchtiger Candidattis Theologiae
den Predigtstuhl betrete. Wobei es sich von selbsten versteht, dass
ein solcher Prediger nebst deme, dass er hierzu tauglich befunden
wird, auch zugleich jedesmal die Erlaubniss hierzu von dem k. k.
Landes-Gubernio erwirken und vorzüglich daraufgesehen werden muss,
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145
dass nach dem bestehenden höchsten Gesetz vom 13. März 1782
Predigern, welche aus Sachsen oder dem königlich preussischen
Gebiete sind, keinerdings verstattet werde, massen diese von allen
Pastorstellen, folglich auch von Prediger-Aemtern mittelst gleich
bezogener höchsten Vorschrift gänzlich ausgeschlossen worden.
§ 9. Eben wiederholter Superintendent muss zu gewissen Zeiten
nomine Consistorii Visitatiojies in Kirchen, Bethäusern und Schulen
/// loco halten, die Ordnung der Kirchenbücher, Kirchengeräthe etc.
(nach der hierüber sub Art. XL enthaltenen besondern Instruction),
nicht minder, ob und wie weit denen in Schul- und sonstigen
Angelegenheiten bestehenden A. h. Generalien nachgelebet werde,
respiciren, und überhaupt sich die höchsten Landesgesetze gegen-
wärtig halten, Dinge von minderer Erheblichkeit mit Einwilligung
der Partheien in Güte beizulegen suchen, Sachen aber von Wichtig-
keit, so wie alles, was den Statum publicum rcligionis exercitii betrifft,
ad rcfcrendum nehmen, und so wie von den beigelegten Sachen an
das Consistorium Bericht erstatten und vorlegen, jedoch weder aus
Liebe noch aus Hass darinnen etwas wider die Wahrheit einfliessen
lassen, sondern nach seiner Pflicht und Gewissen das, was er befunden,
treulich anzeigen, ausserdem aber auch, wenn demselben von dem
k. k. Landes- Gubernio ein sonstiger Auftrag und Erhebung zuge-
mittelt werden sollte, sich deme pflichtschuldigst unterziehen.
§ 10. Dieser Visitation unterliegen zwar ebenfalls alle Schul-
halter bei den Bethäusern, jedoch nur quoad mores et praestationcm
officii, da sie quoad methodum docendi dem hierländischen k. k.
Normal-Directorio laut A. h. Vorschrift unterworfen bleiben.
§11. Ueber dieses hat Superintendent und ein jedweder Inspector
ein richtiges Protocoll von den Namen der unter ihm stehenden
Pfarrei-Kirchen- und Schul-Bedienten , von denen mit ihnen ange-
stellten Examinibus, Visitationen, auch an sie expedirten Gurrenden
zu halten, welches bei seinem Absterben seinem Nachfolger in der
Superintendentur und Inspection von den Erben unweigerlich soll
abgefolget werden.
§ 12. Wie denn bei derlei Absterben eines Superintendentens
oder Inspectoris der Bericht davon von den Kirchenvorstehern oder
Patronis an das Consistorium geschehen soll.
§ 13. Auf die von denen Kirchenvorstehem und resp. Patronis,
dann von dem Superintendenten oder Inspectore ex officio erstatteten
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Berichte, insoferne es Amts- und keine Partheisachen sind, sollen
ihnen die Verordnungen von dem Consistorio ohne Entgelt und Ent-
richtung einiger Gebühren zugefertigt werden.
VII. Artic. De Sponsalibus et Matrimonialibus.
§ I. Alles was den Bezug auf Ehesachen in diesem Articul
zum Gegenstand setzen kann, unterliegt blos denen in Sachen
bestehenden höchsten Generalien, auf welche dahero, besonders auf
die A. h. Patente vom 30. August 1782 und vom 16. Jänner 1783
das Consistorium A. C. mit dem Beisatze nachverhältlich angewiesen
wird, dass die Protestanten nur in jener Art, wie es Katholiken
gegen ihre Bischöfe gestattet ist, bei entstehender Gewissens-Be
ängstigung sich an ihre Consistoria verwenden, folglich selbe ein-
schreiten mögen, wenn sie, Protestanten, über die vorläufig immer
erforderliche und erhaltene Landesfürstliche Dispensation oder unge-
hindert der durch das Gesetz eingeführten allgemeinen Freiheit von
Seiten der Religion noch eine Beruhigung zu bedürfen glauben.
§ 2. In der Advent-Fastenzeit oder in Privat häusern, es seye
denn mit besonderer Erlaubniss dieses Consistorii, solle keine Copu-
lation vollzogen werden.
§ 3. Sollte jemand während der nach dem Gesetze bestimmten
Trauerzeit die Copulation verlangen , so hat er solche vermittelst
des Consistorii anzusuchen, und wird die diesfällige Dispensation
entweder durch das k. k. Landes-Gubernium vom Landesfürsten
selbst, oder nach dessen A. h. Genehmigung von dem Consistorio
ertheilt werden.
VIII. Artic. De repudio et divortiis ac separatione Conjugum quoad Torum et Mensam
atque de Processu Desertionis.
§ I. Eben auch bei diesem Articul, wo es in Bezug auf Eiie-
geschäfte ankommt, wird das Consistorium lediglich auf den klaren
Buchstaben der A. h. erlassenen Ehegesetze um so mehr nachver-
hältlich verwiesen, als es von der unterm 20. Februar 1782 ihme.
Consistorio, eingeräumten ersten Instanz in Ehesachen anwiederum
abzukommen hat; und so wie zu Erreichung der Gleichförmigkeit und
Vermeidung aller sich ergeben dürfenden Bedenklichkeiten, die
Richter durch Behörde angewiesen werden, dass sie, ehe sie von
akatholischen Partheien eine Klage über gänzliche Ehescheidung
annehmen, und hierüber das Verfahren einleiten, beide Theile, wie
es bei Katholiken über anmeldende Trennung von Tisch und Bett
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mit gutem Grund § 46 et 47 des Ehepatents vorgesehen ist, dahin
weisen sollen, dass sie vorläufig bei ihrem Consistorio oder, wo
dergleichen noch nicht bestehet, bei ihrem Pastor zu gütlicher
Vereinigung melden, und das schriftliche Zeugniss des ein oder
andern, dass selbe die Scheidung billig halten, oder dass sie unge-
hindert ihrer Bemühung die Partheien davon abzubringen nicht ver-
mocht haben, vorlegen sollen. Ebenso hat das Consistorium sich
hiernach in allem genau zu benehmen.
IX. Artic. De rebus et negotiis personas Ecciesiae et Scholae concementibus.
§ I. Das Consistorium wird darauf sehen, dass das Personale
bei Kirchen und Schulen jederzeit mit tüchtigen Subjectis besetzet
werde, und darüber halten, dass die Einigkeit unter diesem Personale
selbst, als auch zwischen diesem und jenem Subjecto und denen
Kirchenvorstehern oder resp. seinem Patrono erhalten werde.
§2. Auch darauf Acht haben, dass die zu Besetzung deren
vacanten Predigt- und Schulämter praesentirten Subjecta nach Um-
ständen der Lage eines Ortes und der betreffenden Gemeinde in
Absicht aller erforderlichen Eigenschaften, hauptsächlich aber der
Landessprache die hinreichende Fähigkeit besitzen mögen; wo hin-
gegen dem Consistorio zukommt, die untüchtig befundenen Subjecta
abzuweisen und zu rejiciren.
§ 3. Sollte sich unter diesem Personale Zwist oder Schwierig-
keit ereignen, oder wegen An-Abzug, Dimission etc. mit ihren
Patronis einiger Missverstand entstehen, so ist solches von denen
betreffenden Partheien dem Consistorio anzuzeigen, und dessen Ent-
scheidung hierüber zu gewärtigen. Wobei es sich aber von selbsten
verstehet, dass dem Consistorio nur in jenen Fällen die Entscheidung
zukommen kann, wo es um die Kirchenzucht und den sittlichen
Lebenswandel des diesfälligen Kirchen- und Schul-Personalis zu thun
ist, massen wo ausserdem es sich um Zwist und Streitigkeiten unter
ihnen selbst oder mit dem Patron oder mit wem immer handelte,
kommen derlei Anliegenheiten zu der betreffenden weltlichen Instanz
zu verweisen und von dort behörig abzumitteln.
X. Artic. De Inspectione Peculii Ecciesiae, Oratoriorum, Eleemosinarum.
§ I. Die Rechnungen samt denen Extracten von der Gnaden-
kirche von Teschen und aller Bethäuser werden mit Ausgang des
Jahres abgeschlossen, und dem Consistorio drei Monate darauf von
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den Kirchenvorstehern und resp. Patronis ad revisionem et appro-
bationem in Duplo dem Consistorio übergeben. Revisionen hievon
traget Praeses einem weltlichen Assessori auf, und zwar so, dass
ein Revisor immer einerlei Rechnung von der nämlichen Kirche
oder Bethause übernimmt, um solche mit anteactis combiniren zu
können; dann wird das eine Exemplar ad acta genommen, das
zweite aber nach geschehener Revision cum Monitis des Revisoris
dem Rechnungsleger zur Erläuterung zugestellet, und nach erledigten
Bemänglungen, diesem Rechnungsleger das erforderliche Absolutorium
vom Consistorium ertheilet.
§ 2. Die Verwendung derer Kirchen- und Almosen - Gelder
geschiehet bei neuen und nicht gewöhnlichen Artikeln, als Ver-
mehrung der Salarien, beträchtlichem Bau etc. zwar bei der Gnaden-
kirche von Teschen der zeitherigen Observanz gemäss durch die
bei derselben nomine der Stände angestellten Kirchenvorsteher;
die Bethäuser hingegen anlangend, so soll ihnen die eigenmächtige
Verwendung dieser ihrer Bethäuser- und Almosengelder nicht frei-
stehen, sondern die Patroni sollen bei jeder vorfallenden Ausgabe,
so 50 fl. übersteiget, die Bestättigung nach Maassgabe des A. h.
ergangenen Toleranz-Edicts vermittelst des Consistorii bei der politi-
schen Landesstelle einzuhohlen verpflichtet sein.
§ 3. Müssen derlei Kirchenrechnungen nebst dem Rechnungs-
leger auch jedesmal von dem Patron und dem Pastor mitunter-
fertiget, und unter solcher Fertigung dem Consistorio eingesendet,
von demselben aber aus solchen Rechnungen jährlich ein verläss-
licher Extract dem k. k. Landes-Gubernio überreichet werden.
XL Artic. De Visitatione Ecclesiae et Oratoriorum.
§ I. Die Kirchen- Visitation soll nicht nur in dem ganzen Herzog-
thum Schlesien, sondern auch in Mähren des Jahres wenigstens
einmal durch den Superintendenten und die ihme etwa einst beizu-
ordnenden Inspectores oder Seniores geschehen, ausser wenn es
die Vorfallenheit erfordern sollte, dass das Consistorium selbige an
ein oder den andern Ort wegen erheblichen Sachen besonders zu
delegiren für nöthig erachten würde.
§ 2. Diese Visitationes müssen unvorgesehen und ohne Bestim-
mung einer gewissen Zeit unternommen werden, und wird bier-
nächst dem Befunde des Consistorii überlassen, wann und wie oft
zu derlei Visitationen zu schreiten, um den Collatorem oder Patronum
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und die Gemeinden, so sich zur Kirchen halten, fiirzuladen, es Um-
stände und Ursachen erfodern.
§ 3. Wo zwei Matres oder Filia mit matre verbunden nur einen
Pastorem haben, wird die Visitation entweder in Ecciesia Matre
oder an dem Ort, wo der Pastor seine beständige Wohnung hat,
gehalten.
§ 4. Muss die Gemeinde, welche visitiret wird, den Superinten-
denten oder Inspectorem der Gelegenheit wegen schadlos halten.
§ 5. An diesem Tage kann der Prediger selbigen Ortes eine
Predigt über den ihm von dem Superintendenten aufgegebenen
Text halten, und nach derselben mit der Jugend Catechisation vor-
nehmen, bei welcher auch der Superintendent oder Inspector Fragen
an die Jugend thun kann.
§ 6. Nach vollendetem Gottesdienst stehet es denen Patronis
und resp. Gemeinden frei, was sie gegen ihre Pastores, ihre Schul-
Docenten oder Schulhalter anbringen, oder Letztere gegen Erstere
anzuzeigen haben; wo sodann das Erhebliche untersucht, womöglich
beigeleget, oder an das Consistorium berichtet werden muss.
§ 7. Sodann hat Superintendent oder Inspector in Gegenwart
derer Patronorum oder derer Aeltesten die Bethäuser, deren ander-
weitige Gebäude, Kirchenbücher, Tauf-, Trau- und Todtenregister
in Augenschein zu nehmen, und mit ihnen zu überlegen, wie das
Schadhafte verbessert werden könne, und solches ad Protocollum
zu bringen. Desgleichen soll Superintendent oder Inspector das
Vermögen der Bethäuser und deren Rechnungen nachsehen, und
ebenfalls dem Protocoll beifügen, und solches dem Consistorio
abgeben.
§ 8. Vorzüglich aber haben Superintendent und Inspector auch
darauf zu sehen, dass der Gottesdienst und die übrigen Kirchen-
bräuche nach Vorschrift und eingeführter Ordnung zu gehöriger
Zeit und Stunde mit erforderlicher Andacht und zur wahren Er-
bauung der Gemeinde und anderer Zuhörer vollzogen werde.
§ 9. Sollte Superintendent oder Inspector bei einer Visitation
wahrnehmen oder ihm sicher beigebracht werden, dass ein- oder
anderer Kassehalter sich Nachlässigkeit, Unordnung oder wohl gar
Unterschleif zu Schulden kommen Hesse, so hat er solches unge-
säumt anzuzeigen, worauf das Consistorium die nöthige Vorkehrung
deshalb zu treffen nicht unterlassen wird.
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§ lO. Wo nur eine Kirche zu visitiren ist, wird dem Super-
intendenten oder Inspectorf aus dem Kirchen- Aerario 3 fl., wo aber
mehr Kirchen untereinander combiniret sind, 5 fl. für seine Bemühung
gegeben, und nach dem
§ 1 1 . in Schlesien sowohl als auch in Mähren fast durchgängig
bei denen nun errichteten Bethäusern die akatholischen Gemeinden
Selbsten, so zu sagen, die Patronen und diejenigen sind, die das Bet-
haus auf ihre eigenen Kosten errichtet und den Pastor präsentiret
haben, auch den Unterhalt nicht nur demselben, sondern auch dem
Schulmann mittelst eigenen Gemeinde-CoUecten reichen: so wird
dem visitirenden Superintendenten oder Inspectori obliegen, bei
jenen Bethäusern, wo nur die Gemeinden den sogestaltigen Patron
ausmachen, auch jedesmal einen Beamten oder Deputirten von Seite
der betreffenden Grundobrigkeit zu allen derlei in gegenwärtigem
Articul bemerkten Actus Visitationis beizuziehen und hierzu vorzu-
laden, auch dass es geschehen, das gegenwärtig gewesene obrig-
keitliche Individuum in seinem Protocoll namentlich zu bemerken,
nicht minder anzuführen, ob und was grundobrigkeitlicher Seits in
Sachen vor- und angebracht worden.
XII. Artic. De Suspensione Clericonim ac Depositione seu Remotione Ministrorum
Ecclesiae ab ofBciis eorumque poenis.
§ I. Da sowohl Pastoren, Schullehrer als auch Schulbalter dem
Consistorio subordiniret sind, so wird Dasselbe berechtiget sein, ein
solches Subjectum bei vorfallenden geringen Vergehungen zuvörderst
zur Rede zu stellen, nachdrücklich zu verweisen, bei vorkommenden
grösseren Verschuldungen aber nach Befund der Sache denen pro-
testantischen Grundsätzen gemäss ab officio zu suspendiren, oder
mit anderen vorgeschriebenen Strafen zu belegen, endlich bei noch
grösseren Verschuldungen oder Verbrechen dessen Factum A. h.
Orts anzuzeigen und auf dessen Remotion oder Degradation anzu-
tragen. Und so wie sich die dem Consistorio zustehenden Straffälle
lediglich auf solche Vergehungen verstehen, die den Bezug auf
den sittlichen Lebenswandel und die Kirchenzucht haben:
§ 2. Eben so müssen andere etwa entdeckende Vergehungen
der weltlichen Behörde vorbehalten, auch im erstem Fall, denen
sich mittelst der Consistorial - Erkenntniss beschwert glaubenden
Partheien der weitere Zug per modmn recnrsns an das k. k. Landes-
Gubernium unbenommen, mithin offen bleiben.
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XIII. Artic. De ritibus et ceremoniis ecclesiasticis.
§ I. In allen dem Consistorio A. C. zu Teschen untergeordneten
Kirchen und Bethäusem werden alle öfTentliche Gottesdienstliche
Handlungen und Andachtsübungen nach einerlei Ritu und Ceremonie,
folglich nach der eingeführten Liturg^ie und Kirchenagende verrichtet,
worauf demnach der Superintendent vorzüglich sehen und darüber
halten soll.
§ 2. Zu welchem Ende das Consistorium Sorge zu tragen hat,
damit ein jeder untergeordneter Pastor mit dem behörigen Rituali
versehen, der Ritus Selbsten aber einerlei, und in so weit beobachtet
werde, in wie lang nicht in ein oder dem andern Stücke was anders
vom höchsten Orte geboten und eingeführet werde.
§ 3. Die bei den Protestanten gewöhnlichen jährlichen 4 Quartal-
Buss- und Bettage sollen sammt denen zu diesfälligen Predigten
erwählten biblischen Texten von dem Consistorio in der ganzen
Dioeces auf einerlei Tag festgesetzt, und denen Pastoren gehörig
bekannt gemacht werden, damit deren öffentliche Abkündigung zu
rechter Zeit von der Kanzel erfolgen könne.
XIV. Artic. De Aedificatione et Reparatione Ecciesiae et Oratoriorum.
§ I. Zur Errichtung eines neuen, nie gewesenen Bethauses muss
jedesmal die Bewilligung bei der A. h. vereinigten k. k. Hofstelle
angesuchet werden.
§ 2. In Ansehung der Bethäuser ist von dem Consistorio mit
dahin zu sehen, dass deren Einrichtung und Erbauung nach der
in dem ergangenen A. h. Toleranz-Patent enthaltenen Vorschriften
geschehe und nicht überschritten werde.
XV. Artic. De Subselüis Templorum eorumque jure.
§ I. Die Kirchenbänke werden ex Peculio Ecciesiae et Oratoriorum
angeschaffet und unterhalten. Und obzwar die Zuhörer ein gewisses
Bankgeld bezahlen mögen, so kann doch ein solcher Zins, ohnerachtet
selber auf Rechnung des Kirchenvermögens einzuheben kommet,
nicht blos der Schätz- und Bestimmung des Localpastors überlassen
werden; wohl aber wird es des Consistorü Obliegenheit sein, in
Hinsicht eines jeden unterstehenden Bethauses oder Oratorii eine
denen Localumständen und Gemeinden angemessene Veranschlagung
vorzunehmen, und darüber einen gutachtlichen Vorschlag dem
k. k. Landes -Gubernio zur Bestätigung vorzulegen.
Jahtbucb des Protestaiilisnius 1886. H. III. 11
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§ 2. Sollte unterdessen ein oder anderer aus der Gemeinde
eine Bank oder Sitz in der Kirche selbst verfertigen lassen, so soll
ihm zwar zustehen, sich derselben gegen einen billigen Zins lebens-
lang zum Gebrauch zu bedienen, aber keineswegs befugt sein,
selbige an andere zu verkaufen oder wohl gar zu transferiren, noch
im Testament zu vermachen; wobei sich ausserdem von selbsten
verstehet, dass derjenige, der seine eigene Bank haben wollte, sich
bevor nebstdem, dass er hierzu die Einwilligung von denen Kirchen-
vorstehem erhalte, gegen einen billigen Geldabtrag und Erklärung,
ob er die Bank aus seinen Mitteln herstellen wolle, oder solche aus
dem Kirchenvermögen beizuschaßen seie, abfinden, und wie gesagt,
der Zins hievon in ein oder dem andern Falle dem Kirchenvermögen
zugeeignet werden, die Bank selbsten aber in beiden Fällen der
Kirche als eigenthümlich verbleiben müsse.
XVI. Artic. De jure Sepulturae.
§ I. Wie die Todten begraben werden sollen, bestehen ohnedies
die höchsten Generalien vermittelst dem gedruckten Patent vom
4. October 1773. Das Consistorium wird daher auf die genaueste
Beobachtung dieser höchsten Generalien nicht nur verwiesen, sondern
auch darauf zu sehen haben, damit die vorgeschriebene Bestreuung
des Leichnams mit Kalk richtig befolget werde.
§ 2. Ohne bevor von dem k. k. Landes-Gubernio eingeholter
Erlaubniss darf und soll keine neue Begräbnissstätte oder Freidhof
errichtet, noch solcher erweitert werden, wie eben ein solches in
dem vorgedachten Patent vom 4. October 1773, § 13 ausdrücklich
geboten wird.
§ 3. Die Erkenntniss, wie und auf was Art ein Selbstmörder
begraben werden solle und könne, hat dem Consistorio nicht, wohl
aber der weltlichen Behörde obzuliegen, deren Sache es sein wird,
sich nach der allerhöchsten Ausmessung vom 2. Juni 1756 nach-
verhaltlich zu benehmen.
§ 4. Kann die Beerdigung auf dem Freidhof bei denen Leichen statt-
finden, welche plötzlicher oder unglücklicherweise das Leben verloren.
§ 5. Was die Leichen-Ceremonien betrifft, sind zwar solche
möglichst zu beschränken, doch da bereits die Trauer-Generalien
und gedruckte Patente vom 21. April 1747 und vom 2. Jänner 1768
bestehen, so wird das Consistorium sich hiernach von selbsten zu
benehmen wissen.
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XVII. Artic De Synodis.
Sollte ein Synodus zu veranlassen für nöthig erachtet werden,
so wird das Consistorium dem k. k. Landes-Gubernio die Anzeige
der Materien einreichen, welche diesen Synodum erfodern. Nach
erfolgter Einwilligung berufet das Consistorium alle dazu nöthigen
Mimstros Ecclesiae, auch Laicos, welche an diesem Geschäfte An-
theil nehmen sollen durch ein Intimations-Circulare zusammen, und
bestimmet Zeit und Ort, wo selbiger gehalten werden soll.
XVIII. Artic. De Taxis.
Bei dem Umstand und der bevorstehenden Weisung, da das
Consistorium keine Gerichtsbarkeit hat, kann von Justicial- und Juris-
dictional-Taxen, somit von einer diesfälligen Ordnung keine Rede
sein. Doch wird dem Consistorio nachstehende politische und zu
verrechnen habende Tax-Beziehung über nachbenannte Gegenstände
andurch verwilliget und vorgeschrieben.
Nota. Hier kommt jene Tax-Ordnung anzusetzen, welche
Se. Majestät allergnädigst zu bestimmen geruhen werden wollen.
XIX. Artic. De publicatione Mandatorum summi Principis.
§ I. Die von der höchsten Behörde zur Kundmachung einge-
laufene Patente, Verordnungen oder Circularien, die das Religions-
wesen oder die Ausübung der Religion von der Augsburgischen Con-
fession betreffen, wird das Consistorium denen Kirchenvorstehern und
resp. Patronis als auch denen Pastoren intimiren und gehörig publiciren.
§ 2. Dieses Consistorium wird insonderheit diese A. h. Befehle,
Landesfiirstliche Gerechtsame, und iura episcopalia hauptsächlich in
Jtirisdictionalibus gehörig beobachten, und aufs genauerste invigiliren,
dass selbige nach allerhöchster Willensmeinung vollzogen und nicht
im mindesten vermindert werden.
§ 3. Sind nicht nur alle die Katholiken betreffende Patente,
sondern auch jene, welche die Akatholiken angehen, genau zu
sammeln, darüber ein ordentliches ProtocoU zu verlegen und dieses
Protocoll auf dem Consistorial Rathstische zu jedermanns Einsicht
stets aufzubehalten. Zu welchem Ende des Consistorii Sorge sein
wird, alle . benöthigende Generalien und bestehende höchste Vor-
schriften von Behörden abzuverlangen, und von denen von Zeit zu
Zeit demselben inskünftige zukommenden höchsten Generalien den
sogestaltigen Nachverhalt zu nehmen.
11»
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XIIL
BUcherschau.
Aagnst Dimttz: Kurzgefasste Geschichte Krains mit besonderer
Rücksicht auf Culturentwickehing. Laibach. Druck und Verlag von
Kleinmayr 1886.
Was August Dimitz hier bietet ist ein kürzerer, allgemein verständlicher, fiir
weitere Kreise berechneter Auszug aus seinem grösseren, vor Ii Jahren erschienenen,
wissenschaftlich gehaltenen Werk über denselben Gegenstand. Es ist ein höchst
interessantes Stück Weltgeschichte im Kleinen, das sich hier abspielt; die grossen
Ereignisse der J.ihrhunderte waifen ihr Licht und ihren Schatten fast alle auch über
diesen, zwischen den grossen Alpenpässen und dem Küstenlande des Mittelmeeres
gelegenen Erden winkel. Selbstverständlich ist der eigentliche Zweck dieses Schriftchens
durchaus nicht der, einen Beitrag für die Geschichte des Protestantismus in
Oesterreich zu geben, wohl aber liegt das WerthvoUe und Interessante dieses
Schriftchens für uns eben in dem, was es auch auf diesem Gebiete leistet Es kann
nun einmal Niemand die Geschichte eines österreichischen Landes schreiben, ohne
der grossen — leider hier so kläglich erstickten Bewegung der Geister im sechzehnten
Jahrhundert zu gedenken. Dafür ist August Dimitz' Schrift ein neuer Beweis. Der
Verfasser hält mit seinem persönlichen Standpunkte meist weise und rücksichtsvoll
zurück; aber gerade weil er, "ohne ausgesprochene Parteinahme für oder wider uns,
ganz mit der sachlichen Ruhe des Geschichtsforschers die Thatsachen fiir sich reden
lässt, gewinnen seine Mittheilungen an Gewicht und Kraft, und jeder Leser nimmt
den Eindruck mit, in diesem Büchlein darf von keinem Wort, keiner Behauptung etwa
auf Rechnung der Begeisterung oder Abneigung des Schreibers auch nur der geringste
Abzug am Vollgewicht der Wahrheit gemacht werden.
Wir beschränken uns — entsprechend der Aufgabe unseres Jahrbuches — natürlich
hier nur auf Heraushebung dessen, was dem evangelischen Gemüth von Bedeu-
tung ist. Von den nebelhaften Tagen des Pfahlbauers, des Urochs und Wisent führt
uns der Verfasser durch die vielgestaltigen Schicksale des Landes, das häufig den
ersten Anprall anstürmender feindlicher Völkerwogen auszuhalten hatte, durch Kämpfe,
Erdbeben, wiederholtes „grosses St erb*, Bauernkriege, TürkenSchlächtereien, bis wir
in Primus Trüber, einem geborenen Krainer, den ersten mächtigen Förderer
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der cvangeMschen Bewegung in Krain kennen lernen, der zum Domherrn an der
Laibacher Kathedrale ernannt, daselbst in evangelischem Geiste wirkt, dann vertrieben
wird, aber im Auslande die evangelische Bibelübersetzung in's Slovenische mit getreuen
Gesinnungsgenossen vollendet und 1562 in seine Heimat, wo der Protestantismus
inzwischen zur herrschenden Religion geworden, siegreich und segensreich
zurückkehrt. Der krainische Adel hält die Reformation und ihre Geisteserrungen-
schaften hoch und der Besuch deutscher Universitäten gilt als nothwendiger Bestand-
theil der Erziehung eines jungen Edelmannes. Aber der schönen jungen Saat droht
auch hier frühe das Hagelwetter des Fanatismus. Die Reaction gegen den immer
mehr um sich greifenden Protestantismus richtet sich zunächst gegen die Landstände;
der zeitige Tod Maximilian's IL bedeutet auch Air Krain einen furchtbaren Schlag.
Noch zwingt die drohende Tilrkengefahr zu allerhand Zugeständnissen — als da ist
die ,Brucker Pacification", die natürlich vom Papste Gregor XIH. für ungiltig erklärt,
und sobald der Zeitpunkt günstig schien, mit bekannter jesuitischer Treue und
Wahrheitsliebe gehalten wird! Es beginnt der Zustand „des heimlichen Krieges, der
versteckten Feindseligkeiten", Verbot der „sectischen" Predigten, Entfernung der Evan-
gelischen aus den Hofamtern. Es reift die erste verhängnissvolle Frucht der Unduld-
samkeit, viele gewerb fleissige Bürger der Städte und Märkte wanderten aus und Hessen
sich meist in den süddeutschen Reichsstädten Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Ulm
nieder. Erzherzog Karl ertheilt den Befehl, die slovenische Bibel an allen Pässen mit
Beschlag zu belegen. Dennoch findet sie den Weg in's Land und wird sogar von
katholischen Geistlichen benutzt. Unter Erzherzog Ernst leisten die Evangelischen
ihren Treueid in evangelischer Form „auf das Evangelium^, statt ,bei allen Heiligen" ;
aber das Hauptstreben der neuen Regentschaft ist dahin gerichtet, „das schädliche
Secten Wesen auszurotten * .
Doch trotz aller Drangsalirungen hatte sich der Protestantismus bei Adel und
Bürgerschaft Krains behauptet, bis mit dem Erscheinen der Jesuiten in Laibach
1597 die bisher zersplitterten Massregeln gegen das Evangelium und seine Bekenner
in jenes unheimlich consequente System gebracht wurden, das diesen Orden zum Fluch
der Menschheit gemacht hat. Der Weg war wohl tiberall derselbe. Man begann mit
der Absetzung der evangelischen Beamten, mit Androhung von Leibes-, Guts- und
BlutsStrafe, schritt fort zur Verjagung der Prediger und Wegnahme der Gotteshäuser,
zur Zerreissung und Verbrennung ganzer Wagenladungen von evangelischen Büchern
auf den Marktplätzen, und endete mit Niederreissen der Häuser der Evangelischen,
mit Gewalt und Raub. Nachdem sich die Blutströme des dreissigjährigen Krieges ver-
laufen haben, machen die Evangelischen noch einmal den schüchternen Versuch, auch
in den kaiserlichen Erblanden Religionsfreiheit zu erlangen ; der Bescheid des Grafen
Trantmannsdorf aber lautet : „Freie Religionsübung könne in den kaiserlichen Erblanden
nicht gewährt werden*, d. h. auf deutsch: „Es bleibe Nacht."
Nun hat die „Kurzgefasste Geschichte Krains" nichts mehr von den Protestanten
zu erzählen, bis das Toleranz-Edict Kaiser Josefs in dem Bischof von Laib ach,
dem Grafen Karl von Herberstein, einen edlen Ausleger und Vertheidiger findet.
Dahin war's gekommen, dass ein Bischof, der ein kaiserliches Duldungswort in seinem
Hirtenbrief den Völkern wohlwollend erklärte, dafür boshafte Anfechtungen und Ver-
dächtigungen zu tragen hatte ! So ändern sich Zeiten — und Völker in ihnen !
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Wer das Schriftchen unbefangen liest, er sei nach Nation und Religion wer
und wie er wolle, wird den Eindruck gewinnen: Krain stand auf dem Höhepunkte
seines geistigen Lebens, als es dem Evangelium und der deutschen Bildung
freudig Land und Herzen aufgeschlossen.
Das sollte zum Nachdenken reizen. Vorsichtig und doch deutlich spricht das
auch Dimitz aus, wenn er am Schlüsse schreibt : „Die Geschichte ist eine grosse Lehr-
meisterin, die wechselnden Geschicke Krains in den Yergangenen Jahrhunderten sind
ein Spiegel seiner Zukunft ; mögen ihre Mahnungen, wie sie dem Kundigen ans diesen
Blättern entgegentreten, nicht spurlos verhallen !**
Diesem Wunsche schliessen wir uns von Herzen an und danken dem Verfasser
für seine schöne, in jeder Beziehung empfehlenswerthe, übersichtlich klare Schrift, in
welcher er der kurzen Freuden und langen Leiden der Evangelischen in Krain so
wohlwollend und theilnehmend gedacht hat. Dr. Theol. v. Zimmrrmatm.
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tViv^ VOR IftOlÜ
tili* UL. f. V»,
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redaction
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir . . . nur wieder-
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan-
gelische Unternehmen weiter gefuhrt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des Österreichischen Prote-
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per-
sönliches und Allgemeines" u. s. w.
Neue Evangelische Kirchenzeitwig (Berlin) iSSj. Nr, 40.
„Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfangen bescheiden sich erhebend» nicht blos ein trefifliches
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoU sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgäugen** u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung^ Wien iB8j. Nr, 4roj.
^. . , Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations-historischer Forschung auf
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen.*'
(Prof. Dr. Zöckler) Evangelische Kirchenzeitung (Greifsw.) j88j, Nr, 48.
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wissen-
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
und nach jeder Richtung hin zu fördern."
Evangelische Kirchenteiiung für Oesterreich (Bielitz) 1884, Nr. r.
,,. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben'' u. s. w.
Fr. Weili Theologische Zeitschrift aus der Schweiß {Zixrich) 1886. H. I. S. 61.
Zar Nachricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thumau bei Kulmbach in
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Central vor-
stände unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherm in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften :
Geh nur davon,
Sey fromm für mir,
Gib Armen hier,
Ich bin dein Lohn.
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf l. Mos. 12 ;
Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm,
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild.
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron.
Der Centralvorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, L Dorotheerg^^se 16) ä i fl.
zu haben ist.
Druck von Wilhtlm Köhler, Wi^n, VI. Hollardga«<e 41.
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JAHRBUCH
der
GesellscM für die Gescbichte des Protestanüsmos
iu Oesterreich.
Siebenter Jahrgang.
IV. Heft.
October — December 1886.
Wien und Leipzig.
Julius Klink hardt.
1886.
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Dihalt Ton Heft IV
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Zyr Beachtung.
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XIV.
Die Eheordnung des böhmischen Landtages
von 1609/10.
Von Senior Dr. ROBERT LEIDENFROST in Graz.
Unter den Landtagen Böhmens ist keiner für die Geschichte
des Protestantismus in diesem Lande wichtiger, als jener, welcher
am 25. Mai 1609 eröffnet und am 23. Februar 1610 geschlossen
wurde.*) Ward doch hier der Majestätsbrief Rudolf IL veranlasst,
hier die Union zwischen den Evangelischen und der Unität durch-
geführt, eine Kirchenordnung zu Stande gebracht, eine Instruction
für die Defensoren geschaffen und noch manches Andere beschlossen,
was der Förderung des neuen Glaubens diente. Das Bedeutendste
von diesen Arbeiten des Landtages ist bereits publicirt. Doch findet
sich auch unter dem weniger Bekannten Einiges, das werth wäre
an das Licht gezogen zu werden. Hiezu rechne ich die Ehe Ord-
nung, welche dieser Landtag schuf und die ich aus einem mir
gehörigen, sich grösstentheils auf jenen Landtag beziehenden Buche
kenne, das den — freilich etwas langathmigen — Titel führt:
,Behemische Konffession. Das ist Bekhentnus deß Heiligen Christ-
lichen Glaubens aller drey Stende des Königreichs Behaimb so im
Glauben den Leib und das Blut Unseres Herrn Jesu Christi sub
Vtraq. empfangen. Dabey Der Kay: Mayt: Kaisers Rudcrfffi deß
Andern etc. vber diese Konffession, das Consistorium, vnnd die
Prägerische Academiam erteilter Majestetbrief. Die aufgerichte Ver-
einigung zwischen denen sub vna vnd sub vtraq. Deßgleichen Die
abgehandelten Artickel vnd beschehene Vergleichung beim Landtag
zwischen den Stenden sub Vtraq. allein darinnen begriffen ist:
Zwischen wehme und auf was weise die Vereinigung, von welcher
der Kayserliche Majestetbrieff meidung thut, beschehen sey / Wie
Sie sich auch allerseits gegen einander verhalten sollen. Vnd dann
*) Cxerwenka, Geschichte der evang. Kirche in Böhmen. Bd. IL S. 576 fF.
Jahrbuch de« Protestantitmus x886. H. IV. 12
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158
letztlich Die Kirchen vnd deß Consistorij Ordnungen neben etz-
lichen Landtags-Artickeln betreffendt die Religion, das Consistorium,
die Academiam, vnnd darüber verordnete Defensores. Johann. i6:
Seidt getrost Ich hab die Welt vberwunden. Zum Römern am
lO Kap: So du mit deinem Munde bekennest Jesum, das Er der
Herr sey, vnd glaubest in dem Hertzen das Ihn Gott v©n den Todten
auferwecket hat so wirst du selig. Dann so man von Hertzen glaubt
so wirdt man gerecht: vnd so man mit dem Munde bekennet so
wird man selig. Alles mit sonderm vleiß von newem vbersehen mit
dem rechten Behemischen Original corrigirt vnd aus aller Drey Stende
des Khünigreichs Behaimb vber gemelt Consistorium vnd die Präge-
rische Academiam beim Landtag verordneter Herrn Defensom
befelch. Gedruckt in der Alten Stadt Prag in der Schumanischen
Druckerey. Anno Domini MDCX.*
Aus dem im Titel angegebenen Inhalte des Buches lasse ich
nun den das auf Seite 113 beginnende Stück folgen:
, Stamm der verehelichung Das ist Eine gewisse vergleichung
vnnd anordnung aller drey den Leib und das Blut deß Herrn Jesu
Christi sub Vtraq. empfangender Herrn Stende deß Königreichs
Beheimb von der Blutverwandtnus vnd gesipschafft wie weit dieselbe
bey trettung in Ehestandt observirt werden vnd man sich deren
enthalten soll oder nit. Geschehen bey dem gemeinem Landtag in
dem Königreich Beheimb Anno 1609.
UNser Ewiger Gott vnnd Herr alls der allerkeuschste vnd reinste
Geist ist ein vberaus grosser liebhaber der reinigkeit vnnd erfordert
dieselbe mit allem fleiß von den Menschen vnnd befihlet das sie wie
in Wandlungen Ihrer aller also auch in Vermischung eines mit dem
andern das ist trettung in Ehestandt gehalten werden soll. Zu solchen
Ende hat er in seinem heiligen Gesetz gewisse Regeln vnd sein
Göttlichsrecht Levit: 18 gegeben außgesetzt vnd zu dessen haltung
meniglich one exception verbunden : vnnd bestettigen es auch Gotts-
furchtige Christliche Obrigkheiten die da ire Recht wie von andern
Sachen also auch was von Ehestandt vnter dem Menschlichen Ge-
schlecht ausgesetzt vnnd verordnet worden mit dem wort Gottes ver-
einigen zu dem Ende damit die Menschen auf Erden wissenschafft
haben wie sie ordentlich vnd gebürlich ohne Vermischung der Blut-
verwandtnus oder gesipschafft in ehestandt tretten vnnd darinnen in
Gottesfurcht Gott wolgefellig leben mögen. Diejenigen aber so die
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159
Weltliche Recht gering achten oder wie leider der menschlichen
natur erschreckliche vnd störrige meinung ist darauf nichts geben
sondern gantz halsstarrig iren bösen begierden nach viehisch fort-
schreitten würden zum wenigsten sich durch Gottesrecht vnd seine
Gebott solten binden lassen : Deren vbertretter aber dagegen Ernst-
lich gestraffet werden. Ist derowegen ein jedweder Mensch Mänlichen
vnd weiblichen geschlechts schuldig vnnd pflichtig bey trettung in
den heiligen Ehestandt das ist wenn man sich verheurathen will dem
weltlichen Rechten so sich mit dem Göttlichen und seinen Heiligen
Gesetz vergleichet vnterthenig zu sein denselben gemeß sich zu
verhalten vnd darnach zurichten do er änderst vor den leutten nit in
schände vnd vor Gott in Verachtung fallen will. Inmassen dann zu
Verhüttung dieses vbels vnd das ein jeder mensch wisse wie nahe
sich eines mit dem andern aus den Blutfreunden oder verwandten
verehelichen könne oder nit alle drey Herrn Stende deß Königreichs
Beheimb sub Vtraq. vermög Irer Kay: Majt: gnedigst erteilten
Majestetbrieffs.aus gesambter irer vergleichung ebener gestalt hir-
über gewiß bericht vnd Regel so wol aus der heiligen Schrifft alß
dem natürlichen Gesetz vnd weltlichen rechten zusammen getzogen
beschreiben im truck verfertigen vnd anjetzo zu menigliches nach-
richt vnd deme nachzuleben one exception in diesen Stam.m der
vorehelichung vorbringen haben lassen darzu Gott der Herr seinen
Segen gebe Amen.
Erstlichen ist dieser Stamm zweyerlei : Arbor Civilis, der Stamm
nach den Stadt oder Weltlichen rechten oder Stamm der staffeln
in der Blutfreundschafil ist derowegen verordnet das man die Anfäll
vnnd nähet der freundschafft verstehen möge welcher zu irgenden
guts anfall nähere und bessere gerechtigkeit oder zur vormundtschafft
der Waisen vnnd deren Guet Verwaltung hett unnd haben möchte.
2 Arbor canonica, Das ist der Geistliche Stam wegen deß
Ehestandts verordnet vnnd derselb wirdt in zwey Teil vnterschieden
der eine Arbor Consangvinitatis, Stain deren im geblüt vereinigten
freunde oder kürtzer zu reden der Blütsfreunde darumb das Consang-
vinitas, quasi sangvinis vnitas, die blutsverwandtnus gleich wie eine
Vereinigung vnd bundt eines geblüts und aus einem glied kommenden
Personen ist, durch die leibliche geburt bekreftiget.
3 Arbor affinitatis, das ist der Stain der schwegerschafft ist
eine nähung vnd gleichsamb zutritt oder zusammen Schliessung
12*
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160
einer Person zu freundts Personen die ordentlich vermög der Recht
aus ordentlichem ehestadt herkomen vii wir Behem nennen die
schwegerschafft gar recht eine Vermehrung dann durch Vermittlung
deß heiligen Ehestandts deß Breutigams vnnd der Braut Geschlecht
gleich wie mehr freunde zugethan werden wann sie ordentlich in
die Ehe schreitten. Vnd die heissen Schwäger welche nit nach dem
Geblüt sondern durch Vermittlung ordentlicher Verehelichung ein-
ander zugethan vnd befreundet sein : Nemlichen der Mann das Weib
der Schweher Vatter der Aiden die schwiger Mutter deO sohns Weib
Schwager schwegerin stiefifvatter stieffmutter Stiefsohn, stieflftochter.
IV Bey diesem Stamm ist vonnötten auf volgende zwo sachen
acht zu geben nemblichen auf Linien vnd staffeln: Das wortlein
Linea aber ist ein CoUigirung der Personen aus selben glid her-
kommendt vnd absteigendt die staffeln in sich begreiffendt vnd die
zahl vnterscheident.
V Solche Linea ist dreyfach alß nemlichen eine Linea descen-
dentium genandt das ist Linea der absteigenden freunde wan wir
die zahl der verwandtnus anfangen vom Vatter vnd gehen oder
steigen mit derselben zahl aufm Sohn vom söhn auf des sohns söhn
von des sohns söhn auf deß sohns sohns söhn vnnd also weiter vndt
ferner hinabwarts.
Die Ander Linea Ascendentium, das ist die hinauff steigende
Linea wann wir anfangen vom Sohn vnd schreitten mit derselben
zahl hinauffwarts zum Vatter vom Vatter zum Großvatter vom Groß-
vatter zu deß Großvatters Vatter vnd dann femer hinauff.
Die dritte Linea CoUateralium genandt das ist die Linea der
freundten so seitwärts herkommen wan wir Brüder vnd Schwester
vnd dan volgende nach inen rechnen.
VI Gradus aber wirdt in vnser Behemischen sprach Staffel
genant vnd ist gleich alß tretten oder steigen wir von einer Staffel
auf die ander oder von einem Ort auff das ander wirdt sein anfang
von der stigen oder staffeln genommen das wir im ab oder hinauff
steigen von einer auf die andere schreitten.
VII Vnd solche staffeln befinden sich auch in drey teil ab-
getheilet. i Die erste sein wie Cajus meldet Superioris ordinis das ist
auf welchen man aufwerts steiget alß von der Staffel darauff Vatter
vnd Mutter sein kan man auf die andern schreitten zum Großvatter
vnd großmutter von derselben auff die dritten zu deß großvatters
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Vatter der Großmutter Mutter. 2 Inferioris ordinis, wann man hinab
steiget auf die Kinder. 3 Andere ex transverso sive ex latere das
ist auf der seitten oder seitenwarts alß da seindt Brüder Schwestern
vnd von ihnen herkommende kinder vnnd ist also die Staffel gleich
wie eine zusammenfiigung einer jeden person blut verwandtnus oder
freimdschafils befreundung vnnd diese staffeln werden in den rechten
aus vrsachen deß Heiligen Ehestands verordnet zuwissen in welchem
grad man zusammen heuraten könne : Inmassen auß nachgesetzter
Figur oder Stammen alles besser und leichter zu vernemmen.
(Folgt die bildliche Darstellung des Stammbaumes.)
Dieses ist aber dabey zu wissen vnnd zu mercken von nötten:
I In linea ascendentium & descendentium prohibita sunt matri-
monia in infinitum. Das ist : In der hinauff : vnd herabwarts steigenden
Linien ist die verehelichung durchaus verbotten.
II In linea collaterali, in aequali matrimonia sunt prohibita vsque
ad tertium gradum inclusive. Das ist: In Vngleicher Linien der
seitwärts freunde wirdt die Ehe inclusive verbotten biß in den
dritten grad.
III In linea collaterali aequali in tertio gradu matrimonia con-
ceduntur jure Divino & humano sive Caesareo.
Im dritten grad gleicher Linien der seitwärts freunde ist nach
der Heiligen Schrifft vnd den weltlichen rechten die Ehe zugelassen.
Regeln wie die grad oder staffeln observirt werden sollen.
In der seitwärts freunden vngleicher Linien also:
I Quoto gradu remotior distat a communi stipite, eodem quoque
gradu inter se distant stipite dempto.
In wie vielen grad von dem gemeinen Stamm eins von dem
andern ist so weit ist es mit abnemung des Stammes von einander
vnterschieden.
In der seitwärts freunden gerader Linien also:
II Quoto gradu vterque distat a communi stipite, eodem
quoque gradu inter se distant.
In wie vielen grad beide von einander sein von dem Gemeinen
Stammen so weit seindt sie auch im selben grad von einander gesondert.
Blutfreundschafft
Personen so von wegen der Blutfreundschafft in der rechten vnnd
geraden Linien (hinauffwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten:
Dann solche Personen in der Zahl der Mütter befunden werden.
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162
IUI.
Der Großmutter Muttermutter vnd folgend hinauff zurechnen
sind alle verbotten.
III.
Der Großmutter Mutter.
IL
Die Großmutter weder deß Vatters noch der Mutter Mutter.
I.
Seine Mutter.
Der Son soll nicht nemmen in der Linien hinaufwarts zu rechnen.
Regula.
Es wirt kein Ehe zugelassen zwischen Kindern vnd Eltern sie
sind nahe oder ferne einander verwandt: ynnd wenn sie auch
tausent Gelied von einander weren.
Personen so von wegen der Blutfreundschafft in der rechten
vnd geraden Linien (hinauffwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten.
Den solche Personen in der Zahl der Eltern als nemlich der Väter
befunden werden.
IUI.
Deß Großvatters Vatters vatter vnd folgend hinauff zu rechnen
sind alle verbotten.
III.
Deß Großvatters Vatter.
II.
Den Großvatter er sey deß Vatters oder der Mutter Vatter.
I.
Den Vater.
Die Tochter sol nicht nemmen hinauffwarts zu rechnen.
Regula.
Diese gesetzte Personen sind alle vnsere liebe Vättere und
Müttere Derhalben sol sich kein Kind mit derselben einem ver-
ehelichen oder sie berühren wie dann GOTT Gen: 2 verbotten.
Darumb wirdt ein Mann sein Vatter vnd Muter verlassen vnd an
seinem Weibe hangen vnnd sie werden sein ein Fleisch etc.
Personen so von wegen der Blutfreundschaft in der rechten vnnd
geraden Linien (herunterwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten.
Dan solche Personen in der Zahl der Töchter befunden werden.
Der Vatter sol nicht nemmen
I Seine Tochter, auch die nicht so er etwan ausserhalb der Ehe
gezeugt hat. H Der Tochter Tochter noch seines Sohns Tochter.
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163
III Der Tochter Tochter Tochter noch seines Sohns Tochter Tochter.
IUI Der Tochter Tochter Tochter Tochter vnnd also weiter hienab
zu rechnen. Vnnd volgends hinab zu zehlen sind alle verbotten.
Regula.
Alle Ehestifftung vnnd Vermischung zwischen Eltern vnd Kindern
ist durch Göttlich vnnd Natürlich Recht bey Grossen zeitlichen vnd
ewigen straffen vnd paenen verbotten.
Personen so von wegen der Blutfreundschaft in der rechten
vnd geraden Linien (herunterwarts zu rechnen) zu Ehelichen ver-
botten : Denn solche Personen in der Zahl der Söhnen befunden
werden.
Die Mutter sol nicht nemmen
I Den Sohn auch nicht den so sie etwan ausserhalb der Ehe ge-
zeuget möcht haben. II Deß Sohns Sohn noch der Tochter Sohn.
m Deß Sohns Sohns Sohn noch der Tochter Sohns Sohn. IUI Deß
Sohns Sohns Sohns Sohn noch der Tochter Sohns Sohns Sohn.
Vnnd volgends hinab zu zehlen sind alle verbotten.
Regula.
Welche vnter diesen erzelten Personen sich miteinander ver-
ehelichen oder berüren die haben ein blutschande begangen darüber
Gott vnd alle Creaturen ein grewel haben. Item Diese erzehlte
Personen sind alle vnsere liebe Söhne vnnd Töchtere. Derhalben
sol man sich von diesen allen enthalten.
Personen so von wegen der Blutsfreundschaflft in der seithwarts
Linien (hinauffwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten. Dann solche
Personen an statt vnserer Mütter geachtet werden. IUI Deß Groß-
vatters Vatters Schwester noch der Großmutter Mutter Schwester.
ni Deß Großvatters noch der Großmutter Schwester. II Deß Vatters
noch der Mutter Schwester. Der Sohn sol nicht nemmen hinauffwarts.
Regula.
Die hienauffwarts erzehlte Personen werden anstatt vnserer
Müttere geacht. Derhalben wil Got vnnd das natürlich recht das
man sich von denselbigen enthalte.
Personen so von wegen der Blutfreundschaft in der seitwärts
Linien (hinauffwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten. Dann solche
Personen anstatt vnserer Vätter geachtet werden. IUI Deß Groß-
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164
vatters Vatter Bruder noch der Großmutter Mutter Bruder. III Defl
Großvatters noch der Großmutter Bruder. II Deß Vatters noch der
Mutter Bruder. Die Tochter sol nicht nemmen hinauffwarts.
Regula.
Diese hinauflfwarts erzehlte Personen sind als vor vnsere Vätter
zu achten. Derhalben ist verbotten sich mit denselbigen in Ehestand
einzulassen.
Personen so von wegen der Blutfreundschaft in den seitwärts
Linien (hinunterwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten. Dann
solche Personen an statt vnserer Töchter geachtet werden.
Der Bruder sol nicht nemmen hinabwarts. 11 Deß Bruders noch
der Schwester Tochter. III Deß Bruders Tochter Tochter noch der
Schwester Tochter Tochter noch des Bruders Sohns Tochter noch
der Schwester Sohns Tochter. IUI Deß Bruders noch der Schwester
Tochter Tochter Tochter noch deß Bruders Sohns Sohns Tochter
noch der Schwester Sohns Sohns Tochter.
Regula.
Welches Tochter ich nicht darf nemmen desselbigen Tochter
Tochter ist mir auch verbotten Ja auch desselbigen Tochter Tochter
Tochter.
Personen so von wegen der Blutsfreundschafft in der seithwarts
Linien (hinunterwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten. Dann
solche Personen als vor vnsere Söhne geachtet werden. Die Schwester
sol nicht nemmen hinabwarts. II Deß Bruders Sohn noch der
Schwester Sohn. III Deß Bruders Sohns Sohn noch der Schwester
Sohns Sohn noch des Bruders Tochter Sohn noch der Schwester
Tochter Sohn. IUI Deß Bruders Sohns Sohn Sohn noch der Schwester
Sohns Sohns Sohn noch deß Bruders Tochter Tochter söhn noch
der Schwester Tochter Tochter söhn.
Erinnerung.
Das vierdte Gebott Gottes spricht : Du solt Vatter und Mutter
ehren. Es kan aber kein grösser vnd erschrecklichere vnehre Vatter
vnnd Mutter vnnd allen denen so an statt vnserer Vätter vnnd
Mütter geachtet werden von dem Kindern widerfaren Den so sie
von inen durch blutschande geschendt vnnd vervnreinigt werden.
Welche sünde wie hart sie Gott straffe ist an Rüben Absolon vnnd
andern mehr zu sehen.
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166
Personen so von wegen der Blutfreundschaft in den seithwarts
Linien sich miteinander zu verehelichen verbotten Als nemlich :
Bruder vnnd Schwester ire Kinder vnnd Kindskind.
I Brüder vnnd Schwestern sich miteinander zu verehelichen
oder zu berühren ist von Göttlichem natürlichem vnd allen Rechten
vnd Gesetzen verbotten sie sind von voller oder halber geburt das
ist von einem Vatter vnnd einer Mutter oder allein von der beyden
einem Ja auch die nicht so etwan ausserhalb der Ehe von Vatter
oder Mutter erzeuget. II Brüder vnnd Schwester Kinder. III Brüder
vnd Schwester Kindskindt. Jedoch sol solches allhie auff volgende
weise verstanden werden Nemlich also : daß die Ehe im dritten grad
(vngleicher Linien) verbotten sey wie in volgender Figur angezeigt.
Johannes der Vatter
1 1
Paulus Petrus Bruder
3
Heinrich ^
8 Catharina beyde Brüder Kinder.
Herman
Dieser Herman sol Catharinam seines Großvatters Brüdern tochter
nit nemmen dieweil sie im dritten glied oder Grad vngleicher Linien
im verwandt ist denn im dritten Grad vngleicher Linien zu hevrathen
verbotten: Im vierten Glied aber wirt die Ehe auß beweglichen
vrsachen (weil es in Göttlichem natürlichem vnnd kays: Rechten nit
verbotten) nachgelassen Als: mir würd erlaubt meines Großvatters
Bruders Tochter Tochter zu Ehelichen aber nit seine Tochter welche
mir im dritten Gliede vngleicher Linien verwandt wie solches nach-
gesetzte Figur außweiset.
Johannes der Vatter
1 1
Paulus Petrus Brüder
2 2
Heinrich Catharina beider Brüder Kinder
8 8
Herman Anna.
Von der Seh wegerschafft.
Volget nun von Personen vnnd Graden so von wegen der
Schwägerschaflft zu Ehelichen verbotten.
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166
Personen so von wegen der Schwägerschafft in der rechten
Linien (hinauffwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten. Denn solche
Personen vor vnsere Müttere gehalten werden.
m.
6 Großvatters Vattem Weib das ist deß Großvatters Stieffmutter.
5 Der Großmutter Vatters weib das ist der Großmutter StiefTmutter.
4 Seines Weibes Großvatters mutter.
3 Seines Stiffvatters Großmutter.
2 Seiner Stiffmutter Großmutter.
1 Seine Groß Mutter.
II.
4 Deß Großvatters Weib das ist seines Vatters oder seiner Mutter
Stieffmutter.
3 Seines Weibs Groß Mutter sie sey deß Vatters oder der Mutter
Mutter.
2 Seines stieff Vatters Mutter.
1 Seiner stieffmutter Mutter.
I.
5 Seiner Braut Mutter das ist die mit welcher tochter er sich zuvor
verlobet vnd doch nicht Hochzeit mit ir gehalten hat.
4 Seines Vatters Braut oder Vertrawete welche seine stieffmutter
solte geworden sein.
3 Seine Schwieger das ist seines Weibs Mutter.
2 Seines Weibes stieff Mutter welche ihr Vatter nach im gelassen.
I Seine stieffmutter es sey die erste andere oder die dritte welche
sein Vatter zu der Ehe gehabt.
Der Sohn sol nicht nemmen hinauffwarts zu rechnen.
Personen so von wegen der Schwegerschafft in der rechten
Linien (hinauffwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten, denn solche
Personen vor vnsere Vatter gehalten werden.
iii,
6 Ires Großvatters Mutter man das ist ires Großvatters stieffvater.
5 Irer Großmutter Muttermann das ist irer Grossmutter stieffvatter.
4 Ires Manns Großvatters Vatter.
3 Ires Mannes Großmutter Vatter.
2 Ires stieffvatters Grosvatter.
I Irer stieffmutter Großvatter.
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167
u.
4 Irer Großmutter Mann das ist ihres Vatters oder irer Mutter
stieffvatter.
3 Ires Manns Grosvatter er sey des Vatters oder der Mutter Vatter.
2 Ires stieffvatters Vatter.
1 Irer stieffmutter Vatter.
I.
5 Ires Breutigams Vatter das ist der mit welches Sohne sy sich
zuuor verlobet vnd doch nicht Hochzeit mit ime gehalten.
4 Irer Mutter Breutigam oder vertrawete welcher ihr stieffvater
solt geworden sein.
3 Iren schwäher das ist ires Manns Vatter.
2 Ires Manns stieffvatter welche seine Mutter nach ihr gelassen.
I Iren Stieffvatter er sey der erste andere oder dritte welchen ire
Mutter zur Ehe gehabt hat.
Die Tochter sol nicht nemmen hinauffwarts.
Personen so von wegen der Schwegerschaft in der rechten
Linien (hinunterwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten. Denn
solche Personen vor vnsere Töchter gehalten werden. Der Vatter
oder stieffvatter sol nicht nemmen.
I.
,1 Die stiefftochter.
2 Des stieffsohns Weib.
3 Die Schnur (das ist) seins sohns Weib.
4 Des sohns verlobte Braut.
n.
1 Der stiefftochter Tochter.
2 Des stieffsohns Tochter.
3 Des sohns sohns Weib.
4 Seiner Tochter sohns Weib.
III.
1 Der Stiefftochter Tochter Tochter.
2 Des stieffsohns Tochter Tochter.
3 Des sohns sohns sohns Weib.
4 Seiner Tochter sohns sohns Weib.
Regula.
Wenn deO Breutigams vnnd der Braut Groß Vatter vnd Groß-
mutter Schwester oder Brüder Kinder gewesen so ist die Ehe beyde
von wegen der Blutfreundschafft vnd der Schwegerschafft halben
verbotten nach gemeinen vnd yblichen rechten.
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168
Personen so von wegen der Schwegerschaffl in der rechten
Linien (hinunterwarts zu rechnen) zu Ehelichen verbotten. Dann
solche Personen vor vnsere söhne gerechnet werden.
Die Mutter oder stieffmutter sol nicht nemmen.
I.
1 Den Stieffsohn.
2 Der stiefftochter Mann.
3 Der Tochter Mann.
4 Der Tochter verlobten Breutigam.
II.
1 Des stieffsohns söhn.
2 Der stiefftochter söhn.
3 Des sohns Tochter Mann.
4 Der Tochter Tochter Mann.
in.
1 Des 'stieffsohns sohns söhn.
2 Der stiefftochter Tochter söhn.
3 Des Sohns sohns Tochter mann.
4 Irer Tochter tochter tochter mann.
Erinnerung.
Diese jetz erzehlte Personen sind alle anstatt vnserer lieben
Töchtere vnnd söhne von welchen daO Vatter vnnd Mutter od^r
auch stieffvätter vnnd stieffmutter ein schew haben vnnd sie nit
berüren noch sehenden sonder mit zucht ehren sollen leret beyde
Göttlich vnd beschrieben Ja auch das natürliche Recht vnd alle
menschliche vernunfftDerhalben wisse sich jederman darnach zu halten.
Personen so von wegen der Schwegerschaft (in der seitwärts
Linien) zu Ehelichen verbotten.
III.
3 Des Großvatters Brüdern Weib.
II.
2 Seines Vettern Weib.
1 Seines Ohems Weib.
I.
2 Sein schwehers Schwester.
I Seiner schwieger Schwester.
Der Bruder sol nicht nemmen hinauffwarts.
Entgegen
Der Bruder sol nicht hinunterwarts nemmen.
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169
I.
1 Seins Brüdern Weib.
2 Seines Weibes Schwester.
II.
1 Seines Brüdern sohns Weib.
2 Seiner Schwester sohns Weib.
3 Seines Weibes Brüdern Tochter.
4 Seines Weibs Schwester Tochter.
m.
1 Seins Brüdern sohns sohns Weib.
2 Seines Brüdern Tochter sohns Weib.
3 Seiner Schwester sohns sohns Weib.
4 Seines Weibs Bruder Tochter Tochter.
5 Seines Weibs Schwester Tochter Tochter.
Personen so von wegen der Schwegerschaflft (in der seitwärts
Linien) zu Eheh'chen verbotten.
III.
3 Deß Großvatters Schwester Mann.
II.
2 Irer Basen Mann das ist ires Vatters Schwester Mann.
1 Irer Mumen Mann das ist irer Mutter Schwester Mann.
I.
2 Ihres Mannes Vatters Bruder.
I Ires Mannes Mutter Bruder.
Die Schwester sol nicht nemmen hinauffwarts.
Entgegen
Die Schwester sol nicht hinabwarts nemmen.
I,
1 Irer verstorbenen Schwester mann.
2 Ires verstorbenen Manns Bruder,
u.
1 Ires Bruders Tochter Mann.
2 Irer Schwester Tochter Mann.
3 Ires Manns Bruders söhn.
4 Ires Manns schwester söhn.
III.
1 Ires Brüdern Sohns Tochter Mann.
2 Ires Brüdern Tochter Tochter Mann.
3 Irer schwester Tochter Tochter Mann.
4 Ires Manns Brüdern sohns söhn.
5 Ires Manns schwester sohns söhn.
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170
Dieweilen sich vndter den Leutten zweyerley freundtschafft be-
findet: Eine wirdt Blutfreundtschafft vnd die ander Schwägerschafft
genandt. Die Blutfreundtschafft oder verwandtnus ist eine angeborne
geblütsnahung wie dieselbe zwischen den Eltern vnd Kindern Brüdern
vnd Schwestern etc. nahendt oder ferners von einander gelegen
sich ereignet.
Groß Vattern Groß Muttern
,. , - der Groß Vatter der Großmutter
Nemhchen f
. ( Vattern Muttern
der Sohn der Tochter
Söhnen Töchtern.
Die Schwegerschaft komt vnd bringet die freundschafft oder
verwandtnus durch verheuratung. Alsda ist; der Stieff Vatter die
Stieff Mutter Stieff Sohn Schwager Aydem Schwiger vnnd dergleichen :
So braucht man zu dieser beiden leichtern vorstandt gewisse mittel :
nemlich: die gradus vnd Linien.
Gradus, änderst eigentlich auf Behemisch Gliedt genandt so eine
gewisse vndterscheidung einer Person von der andern aus vrsachen
das einer vom andern gezeuget vnd herkommen alß zum Exempel,
der Vatter vom söhn vnd der söhn vom Vatter seindt in einem grad
von einander: Darumb das der Vatter den söhn gezeuget vnd der
söhn vom Vatter herkommen.
Die Linien aber ist gemeldter grad oder glieder zusammen fügung
vnd in ein Ordnung bringung. Vnnd die befindet sich zweyerlei : die
erste die Gerade, die ander die seitwärts Linien.
Die gerade deren seindt zwey teil i Auffsteigendt 2 Absteigendt.
Auffsteigendt vom deß Großvatters Großvatter zu deß Großvatters
Vatter zu Groß Vatter | Vatter zum (Sohn). *)
Absteigendt alß da seindt der Sohn deß sohns Sohn deß sohns
sohns söhn vnd dan volgendts weiblichen Geschlechts die Tochter,
der Tochter Tochter, der Tochter Tochter Tochter.
Die andere so da die seitwärts Linien genendt wirt ist gleichfals
zweyerlei die eine die gerade vnnd die ander die vngerade oder krumme.
Die Gerade die sich zwischen Personen gleichen grads befindet alß
zwischen Bruder vnnd Bruder so wol Schwester vnnd sqhwester,
eines Brüdern vnd deß andern einer Schwester vnd der andern Kindern,
Die andere Vngleiche oder Krumme ist zwischen Personen so
vngleiche zahl der grad von stammen haben wie gewesen ist zwischen
1) (Sohn) fehlt im Text.
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171
Eliab Davidts Bruder vnd der Thamar Davidts Tochter im andern
glid vnnd zwischen Jacob dem Vhrenickl Tharae vnd zwischen Melcha
TharaeEnickl im dritten grad wie solches nachgesetzte Figur außweiset :
Jsai Thare
David. Eliab Abram. Haran
Thamar Jsac. Melcha
Jacob.
Gewisse Regeln welche Personen in dieser beiden freundtschafit
oder verwandtnus nit zusammen heurathen sollen.
Zwischen Personen in gerader auffsteigender oder absteigender
Linien wirdt es durch das natürlich vnd göttliche recht in alle ewig-
keit eingestelt vnd verbotten. Personen beides geschlechts in der
auffsteigenden Linien seindt diese deß Großvatters vatter, der Groß-
Vatter, der Vatter, der Großmutter mutter, die Großmutter, die
Mutter vnd also ferner.
Entgegen aber beides geschlechts Personen absteigender Linien
seindt diese der Sohn, des Sohns Sohn, des Sohns Sohns Sohn, die
Tochter, der Tochter Tochter d'tochter tochter tochter vnd also
weitter hinabwarts.
Ist demnach allen diesen mit einander sich zu verheurathen ver-
botten ja es bringt es die natur selbst mit sich das sich auch Adam
wann er der zeit leben solte nit verheurathen künte.
Kunnen vnd sollen derowegen die Personen aus der Blutsfreund-
schafTt in der geraden auffsteigenden Linien nit zusammen heurathen
darumb das alle solche Personen vnsere Mütter sein vnd dafür ge-
halten werden vnnd solcher vrsachen willen kan der Sohn nit ehe-
Uchen die Mutter die Großmutter der Großmutter Mutter ja dieses
kan gantz vnnd gar nit sein. Also ebener gestalt kan die Tochter
nit nemen den Vatter den Großvatter deß Großvatters vatter.
Nit weniger wirdt auch das heurathen denen Personen in der
Geraden absteigenden Linien in allen graden verbotten. Dann die-
selben entweder Töchter sein oder dafür gehalten werden alß kindts
kindt, kindts kindts kindt, kindts kindts kindts kindt vnnd also ferner.
Zwischen Personen absteigender glieder nach der geraden Linien
wirdt die Ehlichung verbotten sintemaln dieselben entweder söhne sein
oder dafiir gehalten werden vnnd des seindt des sohnes söhne deß sohns
sohns söhne, deß sohns sohns sohns söhne mag derowegen die Mutter
nit nemmen iren sehn noch deß sohns söhn noch deß sohns sohns söhn.
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172
Es kan demnach auch der Vatter nit ehelichen die Tochter
noch der Tochter Tochter, noch der Tochter Tochter Tochter. Dann
alle verehelichung vnd Vermischung der Eltern mit den Kindern durch
die Gütliche vnd Natürliche Recht bey grosser vnd erschrecklicher
zeitlicher vnnd ewiger pein vnnd straflF verbotten vnnd abgeschafft.
So viel aber die Personen die in der Blutfreundtschafft auf der
seitwärts linien sein anbelangt wan etliche derselben auf gleicher
Linien seindt so ist es in dem ersten andern vnd dritten grad ver-
botten alß nemlich der Bruder soll nit nemmen die Schwester darumb
das sie im Ersten grad der seitwärts Linien gleich sein. Zweyer
Brüder vnnd Schwestern kinder sollen sich mit einander nit ver-
heurathen sintemal Sie im andern grad der seitwärts Linien gleich
wann sie aber in der seitwärts linien vngleich auff solchen fall ist
der erst ander vnnd dritte grad verbotten also das eines Bruders
tochter sich nit verheurathen kan mit deO andern Bruders Sohns
söhn oder der söhn mit des Bruders Tochter Tochter.
Vnnd dieses so weitt von der blutfreundschafft.
Von der verwandtnus so durch verheurathung folget ist nott-
wendig volgende Wissenschaft zu haben.
1 Wer die rechten Schweger vnd was ir namen.
2 Die gewisse ausmessung wie weit die Schwegerschafft den ver-
wandten Personen die verehelichung nit zulest.
Ad primum. Schwäger seindt deß Weibs freunde ihrem Manne
allein vnnd nit seinen freunden dagegen deß Manns freunde gleich-
fals allein seinen weib vnd nit weitter das ist des Manns freunde
seindt nit nahe verwandte deß Weibs freunden.
Namen dieser verwandtnus : Schweher stieff Vatter stieffsohn
Aidem Schwager Schwiger stieff Mutter stieff Tochter des sohns
Weib Schwegerin.
Ad secundum. Ob sich wol in der schwägerschafft eigentlich
zu reden keine grad vnd Linien befinden so wirdt doch wegen
deren gleichhdt vnd desto eigentlicherer deutung beides gleichwol
observirt dahero diese Regel entsprungen.
In welchem grad jemandt mein blutfreundt ist, im selben grad
ist mir sein Weib mit schwägerschafft verwandt et 6 contra.
In welchem grad eme Weibs Person meine blutfreundin ist in
demselben grad ist mir ir Mann mit schwägerschafft zugethan.
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173
Eadem est ratio prohibitionis in Affinitate quae in consangvinitate.
Jedoch werden gleichwol diese zwo regein ausgesetzt.
Regeln wegen deß Verbots.
1 In der geraden Linien wirdt die vermehlung eines mit dem
andern wie auch in der Blutfreundschaft gentzlich verbotten dero-
wegen so kan der vatter zum Weibe nit nemmen seine stiefftochter
noch die stiefTmutter zum Manne iren stieffsohn der schweher soll nit
nemmen seine schnür das ist seines sohnes Weib noch die Schwiger
iren Aydem das ist irer Tochter Mann.
2 In der gegen oder seitwärts Linien aber wirdt die Ehe im
ersten vnd andern grad wann die Linea gerade ist verbotten vnd
wann die verwandten Personen in vngeraderLmien so beschichts auch
im dritten grad. Gebüret demnach nit zu heurathen dem Weib ires
Mannes Bruder noch deß stieffsohns oder der stieff Tochter Kinder.
ArtickI aus dem Gemeinen aufm Königlichen Präger Schloß
Anno 1609 am Montag nach dem Sontag Rogationum gehaltenen
vnnd am Faßnacht Dienstag Anno 1610 beschlossenen Landtag.
Fol. XII.
Von der Dispensation.
Nach dem irer Kay: Mayt: die Stende auff ihr demütig begehren
so viel die Dispensationes vber die verbottene gradus anbelangt vor-
gebracht dieweil GOtt verbotten das Blut Blut nit berüren soll, Alß
haben sich Ire Kay. Mayt: als König in Böheimb mit den Stenden
dieses Königreichs dißfals verglichen. Nemlich wann sich jemandt
aus denen sub Vna dessen in den verbottenen gradib: von der hei-
ligen Christlichen Römischen Kirchen one erlangte Dispensation von
der Bapst: Heilig: vndterstünde vnnd seine nahe befreundtin neme
das derselbe vor das völlige grössere Landtrecht geladen werden
vnd dessen gewertig sein soll was ime gemelt Landtrecht wegen
solches seines vornemmens zu erkennen wirt.
Vnd dann gleichfals so viel die Stende sub Vtraq. betrifft, weiln
sie sich mit einander verglichen im fall sich jemandt dessen unter-
fienge vnd seine nahe freundin im verbottenen gradu von ihren
Consistorio zur Ehe nemme derselbe deßwegen vor das völlige
gressere Landtrecht zu laden nit weniger ein jeder gewertig sein
soll was ime Ire Kay: Mayt: vnd das greßer Landt Recht erkennen
werden deme nachleben vnd darnach sich richten.
Jfthrbucli des Protestantiimus x886. H. IV. 10
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XV.
Die Exccution zu Prag im Jahre 1621.
Mitgetheilt von J.U.C. TH. MOLNAR.^)
I.
Grausam waren die Mittel, zu denen nach der Schlacht am
Weissen Berge gegriffen wurde, um die Häupter des böhmischen
Aufstandes zu bestrafen und die , Ketzerei* in Böhmen gänzlich
auszurotten. Die furchtbare Execution vom 21. Juni 1621 am Alt-
städter Ringe in Prag, bei welcher die vornehmsten Männer der
evangelischen Kirche ihre Köpfe unter das Schwert des Henkers
legen mussten, gehört zu den tragischesten Scenen, die sich in der
Weltgeschichte abgespielt haben. Die Schilderung der Execution
finden wir aufgezeichnet in der ,Historia persecutionum ecclesiae
bohemicae* (deutsch bearbeitet von Bernh. Czerwenka, Gütersl.
1869) und in der (böhm. geschr.) ,> Geschichte Böhmens* von Paul
Skala von Zhof (herausg. von Karl Tieftrunk, Prag 1865 — 70,
S Bde). Letzteres Werk enthält im Ganzen vier Berichte: den des
Stadtrichters und die Berichte der die Verurtheilten tröstenden Prediger,
nämlich der böhmischen Johann Rosacius und Viktorin Urbenius und
des deutschen Mag. David Lippach. Diese Berichte, geschrieben unter
dem Eindrucke des tief gefühlten Schmerzes, waren bis jetzt die
einzigen Quellen, aus denen man Nachrichten über die Execution
geschöpft hat. Es gelang uns, in der k. k. Universitäts-Bibliothek
zu Prag ebenfalls eine Monographie über die Execution- zu entdecken-
Dieselbe ist jedenfalls nicht lange nach der Hinrichtung erschienen
und trägt den Titel: ,Prägerische Execution, das ist: Warhafftige
Relation, welcher gestalt auflf der Rom. Kays. Mayest. gnädigsten
*) Der Verfasser, Sohn des Superintendenten D. Th. Molndr in Prag, ist am
27. Sept. d. J. gestorben. Wir betrauern in ihm einen treuen Freund und fleissigen
Mitarbeiter unserer Gesellschaft. D. Red.
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175
Befelch vnnd Verordnung die Böhemischen gewesenen Directores,
von Grafen, Herren, Ritter vnd Burgerstands Personen, Montags
den II (21) Junij, dieses 1621 Jahrs, in der Königlichen Hauptstadt
Prag seynd justificirt vnd hingerichtet worden.* Vor uns liegt ein
Exemplar dieser wichtigen Monographie, und wir unterlassen nicht,
dieselbe wegen ihrer Wichtigkeit unseren Lesern wörtlich mitzutheilen.
Sie lautet folgendermassen :
Dieweil jedermänniglichen den rechten Grundt der jetzigen
Prägerischen Execution, vnnd den, wider die gefangenen Böhe-
mischen genanten Directores, Stände, vnnd anderer Personen ange-
stelten Proceß, zu wissen verlanget, Als achte ich nohtwendig seyn,
deroselben rechten VerlaufT auffs Papyr zu setzen, vnd durch offenen
Truck männiglich zu communiciren, vnnd verhelt sich solcher Exe-
cutions Proceß im Grund der VVarheit, so viel mir wissend, wie
vnterschiedlich folget:
Demnach die Römische Kayserl. auch zu Hungam vnd Böheim
Königl. Mayest. Ihrer Fürstl. Gn. Carln Fürsten von Liechtenstein,
neben andern fürnemen Personen, über die Gefangenen, im König-
reich Böheim zu Commissarien verordnet, Als haben Ihre Kays.
Mayestät, denselben Allergnädigst anbefohlen, die Execution auff
Montags den 11 (21) Junij ergehen zu lassen, welche dann von ge-
dachten Herren Commissarien folgender gestalt ist zu werck gerichtet
und vollzogen worden.
Den Donnerstag zuvor, nämlich den 7 (17) Junij, sind sieben
Comet Reuter vnter dem commando Ihr Fürstl. Gn. zu Sassen,
nachher Prag gelangt, deren fünffe in der Alten- vnd zwey in der
Newen Stadt einquartirt worden, die haben von selbigem Tag an
in der Alten Stadt hin vnd wider ihre Schiidtwachen, gehabt, auff
dem Ring beim Altstädter Rahthauß aber, hat jede Nacht ein
ganzes Cornet die Wacht gehalten.
Folgenden Freytag, den 8 (18) dito, hat man die erhöchte
Bühn, oder Theatrum, (auff welcher man hernach die Execution
mehrertheils vollzogen) im Zimmerhof in der Alten Stadt gefertigt,
vnd dieselbige folgenden Tag auff dem Altstädter Ring, zu aller-
nächst am Rahthauß (daß man zu einer Thür herauß darauff gehen
können) aufgerichtet, dieselbige ist vier Ein hoch, 22 Schritt breit,
vnd 22 Schritt lang, und ist solche allenthalben verschlagen, auch
gerings hervmb ein Schrancken gemacht worden.
18*
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176
Sambstag den 9 (19) Junij zu frü, hat man 15 Gefangene von
der New- vnnd 10 derselben von der Alten Stadt, durch dero Rahts
Gutschen vnd Pferd, mit Beglaytung einer starcken Guardi, von
Reutern vnd etlich Rotten Musquetircn, nach Hof, ins Schloß hinauff
gefuhrt, allda die übrigen, so Herren- vnd Ritterstands, auch vnter
der Zahl der genandten Directoren gewesen, im GefangnuO gelegen.
Auff solches ist man zur Vervrtheilung geschritten, welcher
Proceß in der Reichs Hof Rahtstuben, oberhalb der Cantzley vor-
genommen worden. Allda hat man einen Thron von Veylbraunen
Sammet zugerichtet, auff welchem Ihr Fürstl. Gn. von Liechtenstein,
vnd die andern Herren Commissarien, neben jhme hervmb gesessen.
Hierauff hat man einen Gefangenen nach dem andern für das
Kays. Gericht vnd die Herren Commissarien gefordert und fürge-
fuhrt, da dann der Kays. Procurator auffgetretten, vnd hat denselben
dargestelten in Teutscher vnd Böhemischer Sprach peinlich angeklagt,
vnd die Herren Commissarien vmb ein Endvrtheil gebeten, darauf hat
M. Melander Teutsch geantwortet: Es were das Vrtheil verfasst,
vnd sollte anders nichts ergehen, als was zu förderst Recht vnnd
Gerechtigkeit mit sich brächte, vnd dann zu erhaltung der Rom.
Kays. May. reputation vnd authoritet dienete. Nach jhme hat D.
Kapper in Böhemischer Sprach sich mit gleichmässiger Oration ver-
nemen lassen. Hierauff ist der Proceß vnd Vervrtheilung vom Kayserl.
Richter auf der Kleinen Seiten in Teutscher, von einem andern aber,
also balden nach jhm, in Böhemischer Sprach verlesen: Vnnd sind
die hernach gemelte Drey vndviertzig Personen folgender beschriebener
massen condemnirt vnd vervrtheilt worden.
Anfänglich hat man etliche in Gefängnuß und zu andern
Leibsstraffen condemnirt.
1. Herr Wilhelm Poppel von Lockowitz*), gewesener Landhof-
meister, so der erste gewesen, soll auß Gnaden (doch auff ratifi-
cation Ihr Kays. May.) ewig gefangenligen.
2. Paul Ritzschan')
3. Hans Wostrowetz
4. Felix Wentzel Pietibeßky»)
5. D. Matthias Borbonius
Sollen gleicher gcstalt auff ratifi-
cation Kay. May. ewig gefangen
lign.
>) Rccte Wilhelm Popel von Lobkowitz der Aeltere. — «j Paul von ftiöan.
a) Felix Wenzel Pötipesky.
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177
6. Lucas Karabon *) ist zum Schwert, aber aus Gnaden gen Raab
in ewiges Gefängnuss vervrtheilet.
7. Wolffgang Haßlawer*) nacher Raab in die Eysen zu fuhren.
8. Melchior Deubrecht'), deß Lands ewig zu verweisen, auß
Gnaden auff ein Jahr in die Eysen nach Raab condemnirt,
9. Georg Sabiota*), gleicher gestalt ewig zu verweisen, jedoch
ist auß Gnaden vnd Kays, ratification die execution verschobii
wordn.
10. Paul Petzko*) soll ein Jahr gefangen ligen.
1 1 . Caspar Vßler «) soll auffm Newstädter Rahthaus mit dem Strang
zum Fenster hinauß gehenckt werden, Aber doch auß Gnaden,
biß auff fernere Verordnung, im Gefängnuß bleiben.
12. Niclas Diebis 0, deß Altstädter Burgermeisters gewesener Diener,
soll die Zunge abgeschnitten, vnd an Galgen geschlagen, her-
nacher aber in die Eysen nach Raab geschickt, Auß Gnaden
aber soll er mit der Zungen an Galgen ein Stund angenagelt,
vnd alsdann in gemeltes Raab in ewige Gefängnuß geführt
werden.
Vnter diesen sind zween Böhemische
Procuratores, sollen mit Ruten außge-
hawen, vnd deß Landes ewig verwiesen
werden.
16. Johann Cammerit**), auff ein Jahr zu bandesiren.
13. VVentzel Orsatzky«)
14. Joseph Kubin,
15. Hans Sirele®),
Nachfolgende Personen sind zum Tode vervrtheilt
worden.
Erstlich Herrenstands Personen.
I. Herr Graf Joachim Andreas Schlick, Böhemischer Obrister
Landrichter, auch geheimer Raht, gewesener Director, vnd
Landvogt in Ober Laußnitz, ist zwar dahin vervrtheilet, daß
jhm erstlich die rechte Hand abgehawen, er alsdenn lebendig
geviertheilt, vnnd die Viertheil auff vier Strassen, der Kopff
vnnd die Hand aber am Bruckenthurn zu Prag aufgehefftet
werden soll. Aber auß Gnaden soll jhm das Haupt vnd die
*) Lukas Karban von Wolschan. — •) Wolfganj; Hoslauer.
* ») Melchior Teyprecht. — *) Georg Zav^ta von Zavgtitz. — *) Paul Peöka.
•) Kaspar Uhler. — ») Nikolaus Diwisch. — 8) Wenzel BoäeckJ.
•) Johann Swehla. — "j Johann Kamaryt.
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178
rechte Hand abgehawen, und beydes an bemeltem Thurn auff-
gesteckt werden.
2. Herr Wentzel von Budowitz, der Elter *), Appellation Praesident
vnd gewesener Director, ist eben solcher gestalt wie Graf
Schlick vervrtheilt, Jedoch jhme auO Gnaden solch sein Vrtheil,
allermassen als wie bemeltem Grafen, gemildert worden.
3. Herrn Christoph von Harrant, Böhemischen Cammer Praesi-
denten vnnd genandten Directom, auß Gnaden mit dem Schwert
zu richten.
Auß dem Ritterstand.
4. Bohußlaw von Michalowitz, der Elter, Burggraf deß König
Grätzer Crayses, vnnd gewesener Director, soll mit dem
Schwert gerichtet, vnnd jhme die rechte Hand abgehawen, auch
beydes am Bruckenthurn auffgesteckt vnd angenagelt werden.
5 . Caspar Kaplirz obrister Landschreiber vnnd genandter Director,
soll enthauptet, alsdann geviertheilt, vnd die vier Stück aufF die
Strassen gehencket, Aber auß Gnaden, vnd in ansehung Achtzig
Jährigen Alters, soll jhme solch Vrtheil gemildert, er mit dem
Schwert gerichtet, vnd sein Kopf zu den andern auff den
Bruckenthurn gesteckt werden.
6. Heinrich Otto von Loß, Vnter Burggraf zu Karlstein, auch
Böhemischer Vnter Cammerer vnnd genandter Director, hat
lebendig geviertheilet, vnnd die Stück obgehörtermassen auß-
gehenckt und auffgesteckt werden sollen. Aber auß Gnaden
ist es limitirt, vnnd er solcher gestalt, wie nächstvorstehender
Kaplirz zum Todt vervrtheilet worden.
7. Procopius Dworsetzky*) Vnter Land Cammerer, Vnd
8. Friderich von Bilaw') Teutscher Lehenshauptmann, beide ge-
wesene Directores, sind zwar, wie obstehender Kaplirz ver-
vrtheilet. Aber doch auß Gnaden, jhnen jhre Vrtheil, gleich
wie demselben gemildert, vnnd zum Schwert, sampt aufsteckung
des Kopffs condemnirt worden.
9. Wilhelm Konetz von Klumbsky*) genandter Director, Vnnd
10. Dionysius Tscheratin *) Schloßhauptmann zu Prag, sollen beyde
auß Gnaden enthauptet werden.
*) Wenzel Budowetz von Budowa. — •) Prokop Dwofetzky von Olbramowitz.
») Friedrich von Bila. — *) Wilhelm Konetzchlumsk^.
*) Dionys Cernfn von Chudenitz.
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179
1 1 . Valentin Kochan,
12. Tobias Steffegck*),
13. Christoph Cober'), der Elter,
14. Johann Theodorus Sixt,
Auß dem Burgerstand.
Darunter die drey ersten ge-
nandte Directores, soUii mit dem
Schwert gerichtet, vnnd die Köpff
auf den Bruckenthurn gesteckt
werden.
15. Johann Schultheiß') Primas zu Kuttenberg, Vnd
16. Maximilian Hosteligk*) Primas zu Satz, sollen beyde enthauptet,
vnd deß ersten Kopff gen Kuttenberg, deß andern aber gen
Satz, auff die Justicia gesteckt werden.
17. D. Johann Jessenius, Medicus, vnnd ein fiirtrefflicher weyt-
berühmbter Kayserlicher Orator, auch Professor deß Collegii
Carolini inn der Alten Stadt Prag, ist zwar dahin condemnirt,
daß jhm die Zunge heraußgerissen, vnnd er alsdann lebendig
geviertheilet werden sollen. Man hat jhn aber auß Gnaden
vervrtheilet, daß jhme die Zunge soll abgeschnitten, darauff
mit dem Schwert gerichtet, hernach in vier Stück zerhawen,
vnd dieselben vor dem Galgenthor auff die Strassen, der Kopff
aber am Bruckenthurn auffgesteckt werden.
18. Wentzel Maschirofftzky »),
19. Heinrich Bock«),
20. Elias Rossin, der Elter,
21. Elias Kotzaw'),
22. Georg Stzetzischky *),
23. Michel Widmann,
24. Simon Wockatschtz ®),
25. Johann Kuttenaw") der Alten Stadt Burgerhauptmann, Vnnd
26. Simon Sussitzßky ^*) deß Rahts, vnnd im Stewer Ampt, auch
vor diesem Commissarius über das Jesuiter CoUegium, Sollen
beyde auff dem Alt Städter Rahthauß an einem zum Fenster
herauß gehenden Balcken auffgehenckt werden.
27. Nathaniel Wodnianßky "), soll man auff dem Altstädter Platz
an die Justiciam hencken.
Sollen alle sieben auß gnaden
mit dem Schwert gerichtet
werden.
») Tobias StefFek. — ») Christoph Kober. — ») Johann Schultes.
«) Maximilian Hogfölek. — ») Wenzel Maschtörowsky. — •) Heinrich Kozel.
T) Andreas Kocour. — ») Georg fteöicky. — ») Simon Wokäö.
*<>) Johann Kutnaner. — *») Simon Suschicky. — **) Nathanael Wodfiansk^.
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180
Bey solcher Vervrtheilung ist auch allemal, vnd bey jedem Ge-
fangenen insonderheit, (bey denen so im leben gelassen so wol, als
denjenigen, so hernachher justificirt) zugleich abgelesen worden, daß
sie Leib, Leben, Ehr, Haab vnd Gut verfallen haben, sollen auch
(innmassen allbereit geschehen, jedoch etlich jhren Gemahlen vnd
Weibern jhr zugebrachtes Hejratgut gelassen) confiscirt und eingezogen
werden.
Als nun solcher Actus fiirüber, vnnd verrichtet gewesen, hat
sich der Kayserliche Procurator, von Jhrer Kayserlichen Mayestät
wegen, in Teutscher vnd Böhemischer Sprach, bedanckt, vnd sind
darauff die Herren Commissarien wider nach Hauß gefahren, die
vervrtheilten Personen aber sind wiedervmb inn Gefängnussen ge-
führt, vnd jhnen vergünstigt worden, daß sie jederman hat besuchen,
mit jhnen reden vnd sie gesegnen können, So balden sie aber von
der vervrtheilung in die Custodia gelangt, sind vnterschiedlich viel
Jesuiten baarweis zu jhnen kommen, vnd haben sich hoch bemühet,
ob sie dieselben (welche condemnirte Personen alle, außgenommen
Herr Wentzel von Budowitz. so Calvinisch, vnd Dionysius Tscherin *)
so Römisch Catholisch waren, der Evangelischen Lutherischen
Religion zugethan gewesen) auflF jhre meinung, zur Bäpstlichen
Glaubensbekandtnuß bringen vnd bewegen möchten, sie haben aber
an einem so viel als am andern, vnd inn summa, an jhnen allen
nichts außgerichtet, vnnd in dem sie mit Doctor Jessenio, in beyseyn
deß Teutschen Predigers der Augspurgischen Confession, M. David
Lippachs, länger als ein Stund disputirt, hat er jhnen endtlich dieses
zur letzten Antwort vnd Abfertigung gegeben, was er seinem HErm
Christo inn der Heiligen TaufT habe zugesagt, darauff wolle er leben
vnnd sterben, auch solches mit seinem Blut willig bezeugen.
Man hat auch den Gefangenen sämptlichen, so woln Teutsche
als Böhemische, Evangelische vnd Hussitische Priester biß an jhr
Ende zugelassen, deren sie sich auch fleissig gebrauchet haben.
An obbemeltem Sambstag in der Nacht, hat man über obbemelte
43 darunter 27 zum todt verdampte Personen, noch zween Gefangene
folgender gestalt vervrtheilt, nemblich:
I. Leander Rüppel, Chur Pfältzischer Heydelbergischer geheimer
Rath, auch anderer Fürsten Consulent vnd Agent, vnd
^) Dionysius Öernfn von Chudenitz.
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181
2. Georg Hauenschildt, Appellation Raht Advocat vnd Commis-
sarius, soll jhnen beeden die Köpff vnnd rechte Hand abgehawen,
auch selbige an dem Bruckenthum auffgesteckt vnd angehefftet,
vnd zugleich alle jhre Gütter confiscirt werden. Dieweiln man
aber diese zween mit den andern Gefangenen nicht ins Schloß
gefuhrt, als hat man jhnen jhre Condemnation nicht wie den
andern vorgelesen, sondern noch dieselbige Nacht jhnen jhr
Vrtheil schrifftlich ins Gefangnuß geschickt, vnnd also den-
selben die allemechst vorstehende Execution angekündigt,
Sontags den lo (20) Junij zu frühe sind viel der Vervrtheilten
höchst betrübte Weiber, Kinder, vnd Befreundte zu Ihrer Fürstl.
Gn. von Liechtenstein gelauffen, vnd haben für jre condemnirte Herren,
Männer, Vätter vnd verwandtü gantz höchstflehentlich vmb Gnad,
oder doch Linderung der Straff, vnd limitation der vrtheil gebettcn,
aber gar schlechten Bescheid erlangt.
Selbigen Sontag hat obbemelter Teutsche Lutherische Prediger
M. Lippach, inn seiner Predigt, von der Cantzel das Volck fleissig
ermahnet, sie wollen die Gefangene vnd Verurtheilte, in jhr Christ-
liches Gebet mit einschliessen, daß jhnen der Allmächtige GOtt ein
seliges, standhafftiges Christliches Ende verleyhen wolle, welches
dann von Männiglich hertzlich geschehen, vnnd sehr viel Volcks in
der Kirchen, darüber gewaynet vnnd geflehet, hat auch solches, so
woln das hernach von Weib, Kindern, vnnd viel andern mitleidenden
Personen, fast vnauffhörlich geführte weheklagen, weinen und heulen,
ohn hertzliches bejammern vnd erbarmen nicht angesehen und gehöret
werden können, die Verurtheilten aber, sind gar getrost vnd willig
zum sterben biß in jhren Todt gewesen.
Nachmittags in der Vesperpredigt, hat Doctor Jessenins, Leander
Rüppel, vnd Georg Hauenschildt, Männiglichen, im Fall sie jemand
etwas zuwider gethan hatten, vmb Christliche Verzeihung bitten
lassen.
Gegen Abend hat man die aufgeschlagene Bühn über vnnd
über, so woln auff den selten, auch gegen dem Rahthauß etliche
Elen hoch, mit schwartzem Tuch überzogen, vnd als es auff der
BcSiemischen Vhr 24 geschlagen, hat man alle verurthcilte Personen
vom Schloß, auff acht Gutschen, herunter in die Alte Stadt gebracht,
vnd sie mit zwey Comet Reutern vnd ein Fähnlein Fußvolck be-
glaytet, deßgleichen ist auch mit den Newstätter Gefangenen her-
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182
nach geschehen, vnd haben in dieser Nacht alle Compagnien Reutter
vnd Fußvolck, aufF vnterschiedlichen Plätzen zu Prag, die Wacht
halten müssen. Die Verurtheilten aber, haben selbige gantze Nacht,
biß deß Morgens frühe die execution ergangen, mit inbrünstigem
hertzlichen Gebet vnd singen gantz Christlich vollendet vnd zuge-
bracht.
Montags den ii (21) Junij zu frühe, als es der Teutschen Uhr
nach vor fünffe gewesen, hat man zu Prag am Himmel, zwen schöne
Regenbogen, so Creutzweiß über einander geschrenckt gewesen, ge-
sehen, Was solche bedeuten, ist GOtt bekandt, allein wird darvon
vnterschiedlich discurrirt vnd judicirt, vnd haben vmb selbige zeit,
wie auch die gantze Nacht, vnd so lang die hernach gefolgte Exe-
cution gewäret, zwey Cornet Reuter vnd drey Fähnlein Fußvolk auff
dem Ring beym Rahthauß gehalten, vnnd als die Glocken fünffe
geschlagen, ist auff dem Schloß, auß einem grossen Geschütz, ein
Losungsschuß geschehen, darauff alsobalden alle Pforten, wie auch
das Bruckenthor zugesperrt, vnd der Schutzgatter herabgelassen;
auch die Execution vor die Hand genommen worden.
Auff dem Althan, neben der auffgerichteten Bühn sind die
Kays. Richter, sampt der drey Präger Stadt Rahtsverwandte ge-
sessen, die 3 Kays. Richter aber haben hernachher einen nach
dem andern zur Wahlstadt auff die Bühn begleidet, daselbst hin
hat ein verkappter Herrndiener ein Crucifix gesteckt, darbey die
Verurtheilten auff ein schwartzes Tuch nidergeknyet, vnnd jhre
aufferlegte Lebensstraff mit .grosser gedult außgestanden haben,
vnter wärender Execution aber, hat man zu allernechst an der
Wahlstadt bey dem Fußvolck (welche sampt der Reutterey die
Bühne in einer Ordnung umgeben vnnd eingeschlossen hatten) auff
etlichen Trommeln dermassen geschlagen, daß keiner seines eigenen
Worts hören; noch vernemen können.
Erstlich ist Herr Graf Schlick, in einem schwartz seidenen Rock,
vnd inn der Hand ein Gebetbuch haltent, gar getrost, vnd mit hertz-
lichem Gebet (gantz frey vnd vngebunden, wie auch die andern alle,
so an solchem Ort justificirt worden) auff die Bühn gangen, allda
hat jhn sein Diener oberhalb deß Leibs abgezogen vnnd entblöset,
darauff hat der Graf auff das Tuch nider geknyet, vnd mit grosser
gedult vnd wahrer anruffung Gottes, sein Haupt dargestreckt, nach
dessen abschlagung (so gar geschwind geschehen) hat deß Grafen
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183
Diener, dessen rechte Hand auff ein Stöcklein gelegt, welche der
Nachrichter auch abgehawen, vnd neben dem Haupt in seine* Ver-
wahrung genommen, der Leib aber ist ins Tuch, darauflF er justificirt,
gewickelt, vnd von 6 schwartzen verkappten Personen (so Herrndiener
gewesen seyn sollen, vnd in langen schwartzen Röcken, schwartzen
Hüten bedeckt, vnd im Angesicht mit Tuch verkappt gewesen, daß
man sie nicht kennen können) vom Theatro hinweg getragen, also
der decoUirte Leichnamb vom Hencker nit angerüret, auch auff
diese manier mit allen viervndzwaintzigen, so man mit dem Schwert
gerichtet (außer Doct. Jessenio), gehalten: vnnd so offt einer hinge-
richtet : dem hernachfolgenden all wegen ein newes Tuch auffgebreitet
worden.
Nach Herrn Graf Schlicken ist Herr Budowitz (der Calvinistischen
reformirten Religion) ohne Priester auf die Bühne getretten, derselbe
hat gleicher gestalt sein Gebett fleissig verrichtet, und ist darauff
das über jhne decernirte, hieobenstehende Vrtheil an jhme exequirt,
auch folgends die noch übrigen zweyvndzwaintzig Personen, gleicher-
massen ein jeder, deren über jhne gesprochene vnd allbereits be-
schriebene vrtheil an jhnen vollzogen, auch so offt einer decollirt
vnd hingerichtet gewesen, da haben die sechs verkappten Männer
den Leichnamb abwegs getragen, vnd hingegen zwen andere der-
gleichen Männer ein newes Tuch aufgebreitet, vnd sind die ver-
vrtheilten alle nach einander ganz getrost, Christlich, seliglich vnd
mit hertzlichem Gebet, vnter jhnen aber Dionisius Tscherin *) (welcher
mit einem Probst vnd Jesuiten, die andern aber alle, ausser dem
Budowitz, mit Evangelischen Priestern auff der Bühne erschinen)
auff Römisch CathoKsch gestorben.
Als nun Doctor Jessenius auff die Bühne kommen, hat jhme
der Nachrichter alsobalden die Hände auff den Rücken gebunden,
hernacher jhme, als er niedergeknyet, die Zung mit einem Zänglein
herauß gezogen, dieselbe abgeschnitten, vnnd darauff jhne enthauptet,
welche seine aufferlegte Lebensstraff er mit gar grosser Geduld vnnd
Beständigkeit, mit vorhergehender hertzlicher Anruffung Gottes er-
litten vnd außgestanden.
Hat also der Pragerische Nachrichter 24 Personen enthauptet,
vnd solches mit vier Schwertern verrichtet, mit dem ersten hat er
eylff, mit dem andern funff, vnd mit den übrigen zweyen Schwertern
*) Recte Dionysius Cernfn von Chudenitz.
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acht justificirt, auch nie keinen Fehlstraych gethan, sondern allwegen
den Kopflf geschwind abgehawen.
Auff solches hat er den überigen dreyen Personen, so zu dem
Strang vervrtheilt gewesen, auflf dem Platz die Hände auff den
Rucken gebunden, vnnd die ersten zweene an einen Balcken zum
RahthauO heraufi, den dritten aber an die Justicia auffgehenckt,
vnnd also mit seiner Hand, jnner vier oder fiinffthalben Stunden
an einem Tag 27 Personen vom Leben zum Todt hingerichtet.
Vnnd ist solche Execution von männiglichen mit höchstem er-
barmen vnd Christlichem Mitleyden angesehen worden, daß auch
viel Leut mit weinen vnd heulen sich allenthalben stark hören lassen.
Welche execution dann, vmb so viel desto elendlicher anzuschawen
gewesen, weiln die Vervrtheilten, ohn ansehung jres theils hohen
Standes, vnd sehr großen Alters, darunter fast der mehrertheil
schöne grawe Häupter vnd weise Bart, vnter welchen zehen, ihr
Alter zusammen gerechnet, auff sieben hundert Jahr alt gewesen,
jhr Leben also elendlich haben auffgeben müssen: Sie sind aber alle
miteinander gantz Christlich, fröhlich, willig, standhafft vnnd gedultig,
also daß sich männiglich darüber höchlich verwundert, vnd in der
Zahl 25 auff die Evangelisch Lutherisch, einer Calvinischer, vnnd
einer Papistischer Religion, seliglich gestorben, GOtt gnade jhren
Seelen, Amen.
Elias Rossin der Elter, vnnd Johann Theodorus Sixt, haben
zwar, wie obstehet, auch gericht werden sollen, sind aber so weit
erbeten, biß Jhre Kays. Mayest. nach Prag gelangen, was sie als-
dann mit jhnen ferrner verordnen möchten.
Vnnd hat der Nachrichter, außer D. Jessenio, vnnd den dreyen,
so er mit dem Strang justificirt, sonsten keinen mit der Hand an-
gerürt, sondern sie haben sich selbsten mit Hilff jhrer Diener ent-
blösset, vnnd willig in Todt gegeben, die Köpff, so bald einer vor-
handen gewesen, wie auch die abgehawenen Hände, hat dessen
Knecht hinweg in Verwahrung getragen, vnnd sind derselbigen
zwölff auff dem Bruckenthurn, auff jeder seyten sechs auffgenagelt,
vnnd etlichen die Hand auff den Kopff gelegt. Deß Leander Ruppels
Hand aber ist am Altstädter Rahthauß an Pranger genagelt. Her-
nacher D. Jessenii todter Cörper vor dem Galgenthor geviertheilt,
vnd die Stück daselbsten auff die Strassen gesteckt worden.
Die übrigen Cörper hat man den hindterlassenen Wittfrawen
(deren allbereit sechs vor grossem Hertzenleyd gestorben) vnnd
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jhren Kindern hinauß gegeben. Vnd obwoln deß Ruppels Kopff auch
hat auffgesteckt werden sollen, auch solcher schon beyseits gethan
gewesen, hat man doch denselben neben dem Leib abfolgen lassen.
Dem Herrn Budowitz ist die Hand nicht abgehawen, dem Graf
Schlicken aber die abgehawene Hand im auflfstecken auff den Mund
gelegt. Sind also in allem zwölff Kopff, nemlich Graf Schlicken,
Budowitz, Michalowitz, Kaplirz, Dworsetzky, Loß, Bilaw, Kochan,
Steffetschtz, Cober, Jessenii vnnd Hawenschildts: Sodann offtgedachts
Graf Schlicken, Michalowitz, Ruppels vnnd Hawenschildts Hände auf-
genagelt worden.
Folgenden Dienstags ist Niclas Diebis, seinem Vrtheil nach,
mit der Zungen eine Stund an der Justicia angenagelt gestanden,
derselbe hat neben andern oben bemelten, nachmals an Ketten ge-
schmiedet, vnnd gen Raab ins Gefängnuß geführet werden sollen, so
ist er aber deß andern Tags, wegen außgestandener großer Qual
vnd Marter, gestorben. An selbigem Dienstag sind auch die hie
oben benandten beyde Procuratores vnd ein Altstädter Rahtsdiener,
mit Ruten außgehawen, vnd deß Lands ewig verwiesen worden.
Mitwochs den 13 (23) Junij bey der Nacht, ist auff der seyten
gegen der Brücken, der eine auffgesteckte Kopff herab gefallen, daß
kein Mensch weiß, wie er mag herabgekommen seyn, so kan man
auch nicht mehr wissen, welcher justificirten Person derselbe ge-
wesen, doch ist er zu früh wider hinauffgesteckt worden.
Donnerstags den 14 (24) dito, hat Herr M. Lippach in der
Teutschen Kirchen eine schöne, herrliche Dancksagung gethan, vnd
vermeldet daß Gott der Gefangnen vnd Abgeleibten, so woln anderer
frommer Christen hertzliches Gebet, so gnädig erhöret, vnd den Ver-
vrtheilten so gewaltige grosse Gnade bey jhrer letzten Hinfahrt
erzeigt, auch sie in Beständigkeit jhres Glaubens, inn gewisser Hoff-
nung, Christlicher Lied, hertzlichem Gebet zu Gott, vnd grosser Ge-
dult, biß inn jhren Todt erhalten, vnd folgendts als selig abgeschiedene
Christen, der Seelen nach, allbereit ins ewige frewdenreiche Leben,
auffgenommen habe, Vnd gleich wie der Hirsch nach frischem Wasser
schreyet, also haben sie ein verlangen nach dem zeitlichen Todt,
vnnd Abscheidung auß jhrem Elend gehabt, vnd über aller Menschen
Gedancken, auch männiglichs höchster Verwunderung, solch jhr seligs
Sterbstündlein gantz williglich ergriffen.
Doctor Lück, Doctor Georg Friderich vnnd andere Gefangene,
sollen nach Verfassung jhrer Vrtheil, inn kurtzem auch gerichtet
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werden. Iimmassen man außgibt, als ob die nächste Wochen nach
obiger Execution etliche Personen auff der Kleinen Seiten zu Prag
justificirt werden sollen: So werden allgemach noch stäts mehr einge-
zogen, vnd wie man sagt, sollen schon allbereit, eine gute Anzahl
Personen im schwartzen Register notirt und aufifgezeichnet stehen.
Die Kays. Mayest. soll in drey Wochen selbsten allhier seyn, als-
dann werde man ferrner procediren, Was zu deroselben Ankunfft es
für Ordnung geben wird, öffnet die Zeit. Gott helffe, daß nunmehr
alles Vnheil fürüber seyn, vnd die liebe Sonne wider ein mal scheinen
möge, Inn dessen Göttliche Gnade ich den günstigen Leser hiemit
trewlich befehlen thue.
Ende.
Soweit reicht unsere Schrift. Es sei noch erwähnt, dass dieselbe
Schilderung der Execution, die wir soeben angeführt haben, in einer
anderen gleichzeitig erschienenen Brochure enthalten ist, die sich
unter dem Titel: , Prägerische Execution, Das ist, Gründliche Rela-
tion, Was massen vnd Gestalt auff Befelch der Rö. Kays. Mayest. &c.
Wider die Böhemischen vermeinten Directores, vnd andere gefangene
Personen, Montags den ii. (21.) Junii, dieses 1621. Jahres, in der
Königlichen Hauptstadt Prag, die Execution angestelt vnd vollzogen
worden. Mit angehengter Dancksagung, So Herr M. David Lippach
Evangelischer Deutscher Prediger in der alten Stadt Prag, in der
newen Kirchen zum Salvator, am Tage S. Johannis, nach verrichter
Predigt, gehalten.* — in der Bibliothek des böhmischen Museums
zu Prag befindet. Diese ^^Dancksagung* lautet folgendermassen :
^Jnsonderheit erjnnern wir vns jetzt billich, was GOTT sagt im
50. Psalm: Ruffe mich an in der Zeit der Noht, so wil Ich dich
erretten, so solt du Mich preysen. Nun haben wir jhn am ver-
gangenen Sontag, allhier in vnser Kirchen auch öffentlich angeruffen,
daß sein Barmhertzige Allmacht, sich der gefangenen, sonderlich
derer, die zur Execution verurtheilt gewesen, gnedig erbarmen, jhnen
jhre Sünde vmb Christi willen verzeihen, darneben mit seines heiligen
Geistes Trost, Krafft vnd Stercke erfüllen, jhnen seinen Väterlichen
Willen zu erkennen geben wolle, damit sie durch seine Gnade, in
allerley Marter, Gedultig, Getrost, Frewdig, vnd Beständig sich er-
zeigen, in Christo mit festem Glauben bleiben, vnd endlich die
frewdenreiche Cron der Ehren vnd ewigen Seligkeit davon bringen
möchten: Nun aber der fromme GOTT, der da reich ist vonBarm-
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hertzigkeit, vnd erhöret gnedig alle, die jhn anruffen, thut auch was
die Gottesfurchtigen begehren, Sie, die gefangene, sambt vns so
gnediglich erhöret hat, daß wir Augenscheinlich, die erfiillung seiner
verheischung, an jhrem Glauben vnd beständigkeit, wahrer Gedult
vnd Hoffnung, Krafft, Trost vnd Christlicher Frewdigkeit erkennen
können, so dancken wir nu billich, so lange wir leben, sambt vnd
sonders dem grossen GOTT, vor diese seine vnaußsprechliche Wol-
that, daß Er Jhre Hertzen vor aller falschen jrrigen vnd verführischen
Lehr so gewaltiglichen verwahret, mit seinem heyligen Geist, dem
Geist der Warheit, dem rechten einigen Tröster, sie vber die Maß,
wie die Heiligen Märterer, erfüllet hat, daß sie nichts gefurchtet,
sondern alß der dürstige Hirsch nach dem frischen Wasser, vnd wie
die wütige Löwen zu dem Kampff, allso auch sie zu der ewigen
frewden Cronen nach einander geeylet haben, weil sie auch alle-
sampt, bevor auß aber die sich zu vnserm Teutschen Predigampt
gehalten, gebeten haben, von E. Liebden einen freundlichen Christ-
lichen abschied zunehmen, sie zu guter letzte jhrentwegen zugesegnen,
vnd der Göttlichen Väterlichen bewahrung hier in diesem Leben,
vnd streitenden Kirchen, zubefehlen, Der vngezweiffelten Hoffnung,
dass sie vnserer hernachfahrt dort im ewigen frewden Leben vnfehl-
barlich vor dem throne GOTTes erwarten wollen! Also habe ich
solches ewer Christ. Liebden, alß jhren Brüdern vnd Schwestern, in
dem HErrn Christo billich anmelden sollen vnd wollen. Der Barm-
hertzige Vater Abraham, der sie jetzt reichlich tröstet in seinem
Schoß, mit vnausschrechlicher Frewde, die kein Aug gesehen, kein
Ohr gehöret, vnd die in keines Menschen Hertze kommen ist, ver-
kläret sie von einer Klarheit zu der andern, erfüllet sie mit Frewden,
vnd lieblichen Wesen, zu seiner Rechten jmmer vnd ewiglich, wolle
in der Aufferstehung der Gerechten, auch jhre heilige Leiber sampt
vns vnd allen Außerwehlten zum ewigen Leben aufferwecken, in-
mittelst nachmals jhrer hinderlassene betrübte, mit vns allen gnedig-
lichen, mit Göttlichen Trost erfüllen, seinen Göttlichen willen zu
erkennen, vnd gehorsamlichen, in Lieb vnd Leid zu folgen, vmb
seines heiligen Namens ehre willen, Amen.*
Wir fügen noch hinzu, dass diese Aussage des M. Lippach von
der Standhaftigkeit und Ausdauer, mit welcher unsere Märtyrer dem
Tode entgegengingen, in sämmtlichen gleichzeitigen Berichten be-
stätigt wird.
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XVI.
Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und
aus Sachsen.
Von Pfarrer SCHEUFFLER in Lawalde (Sachsen).
II. (Fortsetiung.) i\
XVIL Böhmen.
Bei einer grossen Anzahl von Geistlichen ist uns nur bekannt,
dass sie ,aus Böhmen* stammen oder ,in Böhmen* amtirt
haben. Wir theiien ihre Namen mit in der Hoffnung, dass es einem
oder dem anderen der geehrten Leser möglich ist, ihre Herkunft
oder ihren Wirkungskreis genauer anzugeben. Wir führen sie in
alphabetischer Reihenfolge auf:
43. Johann Busch, bis Ostern 1558 Pfarrer in Böhmen; dann
bis 1569 Pf. in Dorf Wehlen (Sachsen); er zog 1569 nach Ditters-
bach bei Stolpen, wo er noch im selben Jahre starb. (Kr. 531
und briefliche Mittheilung desselben, wornach die Angabe KG.
IV, 136: dass Busch 18. December 1568 zu Wehlen verstorben
und vor dem Altare begraben, zu berichtigen wäre.)
44. Georg Eger aus Radeberg, 1616 Pf. zu Rengersdorf a. Queiss,
jetzt preussische Oberlausitz — 161 7 Pf. in Rennersdorf bei Herrn-
hut — ist ganz kurze Zeit Pfarrer irgendwo in Böhmen gewesen;
schon 16 19 ist er zu Bischdorf, einer erbländischen Enclave in der
Oberlausitz, von wo er 1630 vertrieben worden sein soll. {Kr. 432:
von ihm selbst brieflich berichtigt, zugleich Berichtigung von KG.
Oberl. 196.)
45. Georg E n g 1 e r , Pfarrerssohn aus Burkhardtsdorf bei
Chemnitz, 1596 bis 1603 Grimmenser, wurde Pf. in Böhmen, ver-
trieben etwa 1628, fand in genanntem Jahre Anstellung als Diakonus
*) Vgl. Jahrb. 1885. S. 127—140.
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zu St Petri in Rochlitz, f 1663 als Pfarrer zu Doberschütz bei
Delitzsch, >vo er seit 1638 wirkte. (Kr. 436. GA. jy. KG. X, 222.)
46. Clemens Fischer aus Niederbobritzsch bei Freiberg, hat
zweimal in Böhmen fungirt: zuerst etwa 1550—60, war bis 1566 Pf.
zu Tannenberg bei Annaberg, dann bis 1568 zu Dorfchemnitz bei
Frauenstein. Nach einer abermaligen Wirksamkeit in Böhmen 1569
bis 1573 kehrte er nach Dorfchemnitz zurück, wo er die Concor-
dienformel unterschrieb als j^ Clemens Piscator* und 1594 verstarb.
(Kr. 503. KG. II, 245. XII, 168.)
47. Abraham Hermann (Kr. 80): war aus Böhmen als Pfarrer
vertrieben, amtirte 1624 — 31 zu Crostau in der Oberlausitz, wurde
auf eine uns nicht bekannte Stelle versetzt.
48. Herpestus oder Herbst wurde nach seiner Vertreibung
CoUaborator (Schul gehilfe) zu Grossenhain; 1627 ward ihm zu Geising
in Sachsen ein Sohn Paulus geboren, der in Sachsen Lehrer und
Pfarrer wurde (Kr. 482) und an mehreren Orten fungirte. In Geising
hatten (KG. IV, 24) damals nicht wenige böhmische Geistliche ihren
Zufluchtsort gesucht, sie werden noch £rwähnung finden.
49. Nikolaus Holfeld aus Schandau, 1591 Pförtner, ist Pf. in
Böhmen gewesen.
50. Tobias Kalbersperger oder Kelbersperger — auch,
wohl irrig, Halbersperger — aus Eisleben soll, ehe er in den
1570er Jahren Pf. zu Tannenberg bei Annaberg wurde, Rector oder
Schulmeister zu Oberwiesenthal an der böhmischen Grenze und Pf.
in Böhmen gewesen sein. 1578 — 1608 wirkte er als Pf. zu Königs-
walde bei Annaberg. (Kr. 243 [zu berichtigen]. 503. KG. XII, 127.
148. 168.)
Kammerhofer ist schon erwähnt 1885, S. 130 unter II, 3.
51. M. Johann Kunad (Kunat) aus Grimma, dort 1573—79
Fürstenschüler, ist bis zu seiner Vertreibung 1599 Pf. in Böhmen
gewesen. Seitdem wirkte er in Marienberg im sächsischen Erzgebirge
bis zu seinem i. April 1638 erfolgten Tode, seit 1600 als Diakonus,
s. 1607 als Pfarrer. (Kr. 319. GA. 40. KG. XII, 326 f.) Er hat in
Marienberg viel Unglück erlebt, Brand, Plünderung und Seuchen,
wie solches der 3qjährige Krieg mit sich brachte.
52. Albert Lauterbeck, geb. 1580 in Annaberg, 1605 Rector
in Oberwiesenthal, 1609 Sextus in seiner Vaterstadt, war dann bis
1621, wo er vertrieben wurde, böhmischer Pfarrer. Erst 1628 fand
Jahrbuch des Protestantismus x886. H. IV. ^ i
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er wieder als Rector in ßuchholz einen Wirkungskreis. Im J. 1634
wurde er daselbst Pfarrer und starb 1666. (Kr. S. 56. KG. XII, 148.)
53. Andreas N au Witze r aus Mittweida, 1569 — 75 Grimmenser,
Pf, in Böhmen. (GA. S. 33.)
54. Jakob Nessel, einer der böhmischen Geistlichen, weiche als
Exulanten in Geising lebten, hatte das Unglück, dass sein Sohn am
7. August 1629 von kaiserlichen Soldaten zu Lauenstein erschossen
wurde: so KG. IV, 24. Aber die angegebene Jahrzahl ist ent-
schieden unrichtig, da in genanntem Jahre zwischen Ferdinand II. und
Johann Georg I. noch kein Kriegszustand bestand.
55. Johann Pflösser wurde 1624 exilirt, war 1627— 1628 Pf.
zu Neuhausen im Erzgebirge. (Kr. 350. KG. XII, 165.)
56. Andreas Prätorius oder Schultheiss aus Maschau in
Böhmen ward 1553 Prediger zu St. Katharinen und Schlossprediger
in Zwickau, 1560 Pf. in Lössnitz im Schönburgischen, 1564 Prediger
in Greiz, 1568 dgl. in Schneeberg — nicht dem sächsischen —
1575 Geistlicher in Böhmen. (Kr. 573.)
57. Georg P reusler aus Marienberg, 1577 Pförtner Fürsten-
schüler, ist ebenfalls Geistlicher in Böhmen geworden.
58. Michael Röling (Rohling) aus Glashütte, 1597 Afraner,
Geistlicher in Böhmen, 1624 vertrieben, wirkte 1627 — 1633 zu Wilsch-
dorf bei Stolpen, wo er i. October verstarb. (Kr. 543. AA. 82.
KG. VII, 85.)
59. 60. Paul und Thomas Schönherr aus Marienberg, 1557
bez. 1579 Pförtner, sind Geistliche in Böhmen geworden.
61. Johann Thaddäus, exilirter evangelischer Geistlicher aus
Böhmen, war 1630 — 1652 zweiter böhmischer Prediger in Zittau.
(Kr. 562. KG. XI, 195.) Als er am 13. Januar starb, begrub man
ihn Abends 9 Uhr im Kreuzgange des Klosters, in dem die böhmische
Kirche später errichtet ward, da er als ^Calvinist* eines öffentlichen
Begräbnisses nicht würdig erschien. Dietmann, Priesterschaft der
Sechsstädte, S. 404, wo man ihn erwarten sollte, findet man ihn nicht.
62. Johann Zeisig (Zeyßig) aus Zwickau, 1540 Pf. in Rein-
hardsdorf, 1545 dgl. im benachbarten Schandau, ging 1553 nach
Böhmen, wo er 1555 verstarb. So berichtigt Kr. die Angaben seines
Albums, S. 429. KG. IV, 72. iii.
Neben 20 Geistlichen stehe noch ein Schulmann:
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63. Malachias Schmidt aus Chemnitz, 1555 Pförtner, ward
Organist in Böhmen und starb durch einen Sturz vom Pferde.
Nicht minder können wir von einer Anzahl Exulanten nur
angeben, dass sie , böhmische Exulanten* gewesen, ohne dass uns
ihre Herkunft genauer bekannt gewesen:
64. Georg Bierling, ein , Exulant aus Böhmen*, wurde in den
1580er Jahren wendischer Pfarrer zu Guttau in der Oberlausitz, in
welchem Amte ihm sein Sohn folgte. Auch mehrere Enkel von
ihm waren wendische Geistliche. (Kr. 196.)
65. M. Johann Hartwitzius, böhmischer Exulant, wurde 1638
Pfarrer zu Dabrun, Diözes Wittenberg, was er aber nur bis 1639
blieb, da er nicht deutsch konnte. Seitdem lebte er in Wittenberg,
starb auch dort.
66. Martin Laurentius aus Böhmen war von 1564 an kurze
Zeit Pfarrer zu Taubenheim in der Oberlausitz. (Kr. 504.)
6y. Balthasar Marsch n er aus Böhmen, Diakonus in Schluckenau,
1624 von dort vertrieben, wird 163 1 Pf in Berga bei Weida, 1632
in Lössnitz, 1645 in Hartenstein (letztere beide Orte sind Schön-
burgisch). (Kr. 309.)
68. Johann Mirus, ein Exulant aus Böhmen, war 1634 — 1658
Pf. zu Wittgensdorf bei Chemnitz. (Kr. 545. KG. VIII, 158.)
69. Simon Morgenstern, , aus Böhmen vertrieben*, war vorher,
seit 1607, Cantor und Rector in Dippoldiswalde gewese». Nach
seiner Vertreibung war er 1626 — 1628 Pf. in Possendorf bei Dresden,
wo er 25. März 1628 starb. (Kr. 411. KG. IV, 191.)
70. David Rivius aus Böhmen, 1630 — 40 Pf. in Taubenheim
bei Neusalza, soll 1640 wieder nach Böhmen gezogen sein, als
Pfarrer zu Gräbern, was freilich höchst unwahrscheinlich ist. (Kr. 504.
KG. Oberl. 280.)
71. Niklas Wolf aus j^Böhmen* ist 1553 — 1555 Pf. zu Neu-
kirchen bei Chemnitz gewesen. (Kr. 352. KG. VIII, 12.) Die meisten
der unter NN. 64 — 71 aufgeführten Männer dürften auch in Böhmen
als Geistliche gewirkt haben, namentlich Nr. 6$, 68 — 71.
Auch diese höchst dürftigen und unvollkommenen Notizen geben
von dem damaligen regen geistigen Zusammenhange zwischen Böhmen
und Sachsen erfreuliche Kunde. Ihre Zusammenstellung, die wir ver-
sucht haben, gibt vielleicht Kundigeren Gelegenheit zur Ergänzung
und Bereicherung der Exulantengeschichte.
14*
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192
XVIIL Bö'sing in Ungarn, Comitat Pressburg.
72. Johann Georg G raffe, geb. 1626 zu Pirkhafeld in Nieder-
österreich — sein Vater war Verwalter der Herrschaft Pemstein — ,
studirte auf den Gymnasien zu Oedenburg und Maria Magdalena zu
Breslau, s. 1645 auf der Wittenberger Universität. Obwohl er 1647
mit seinem älteren Bruder Tobias von Ferdinand IIL in den Adel
stand erhoben wurde, blieb er dem theologischen Studium treu.
Am 26. Februar 1655 zum Rector der Schule in Bö sing berufen,
wirkte er daselbst bis 1658, wo er am 22. August zum Pfarrer in
Deutsch-Profen in Ungarn feierlich ordinirt wurde. Bereits 1660 wurde
er durch eine »rechte Isabel*, wahrscheinlich die Gutsherrin, von
dort »in's Elend Verstössen*. Er war hierauf bis 1666 Pfarrer zu
Modern — während welcher Zeit er (1663) 6 Wochen lang in harter
türkischer Gefangenschaft zu Neograd und Gran unter vielen Miss-
handlungen in Ketten und Banden zubringen musste, bis ihn seine
Freunde um 600 Thaler loskauften. Nun ward er als Pfarrer nach
Kremnitz berufen, wo er in Segen wirkte, bis die Religionsverfolgung
des Jahres 1673 ihn auch von dort hinwegtrieb. Am 6. October
wurde ihm die Stadtkirche gesperrt, darnach auch das Predigen in
der Spitalkirche verboten und im Januar 1674 ihm anbefohlen, binnen
3 Tagen Stadt und Land zu räumen. Am 29. Januar 1674 verliess
er Kremnitz, ward unterwegs noch gefangen und ausgeplündert und
gelangte 'endlich nach dem damals noch kursächsischen Görlitz.
Hier lebte er 2 Jahre im Exile und erfuhr viel Liebe und Güte.
Am Palmsonntage 1676 übernahm er das Pfarramt zu Lissa in
Posen, wo er am 6. November 1680 nach treuem Wirken in seinem
Gott selig entschlief (Schröter's Exulanten-Historie 1715, S. 169 ff.)
XIX, Bohdanetsch in Böhmen bei Pardubitz.
Hier war 1618 — 21 letzter Pfarrer der Jahrgang 1885, S. 130
unter III, 4, genannte Martin Feim er. Er wurde, weil er an der
Frohnleichnams-Procession nicht Antheil nehmen wollte, von dem
nach der Schlacht am weissen Berge neueingesetzten katholischen
Decane gemisshandelt, gefangen gesetzt, ausgepfändet und vertrieben.
Pfarrer ist er hier erst 1618 geworden, wodurch die frühere Angabe
sich berichtigt. Von Bohdanetsch vertrieben, fand er, ehe er in Aicha
wieder angestellt wurde, Zuflucht bei seinem früheren Mitschüler,
dem Pfarrer zuWeleschitz. (Schröter's Exulanten-Historie, 326 ff.)
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193
XX, Borislaw in Böhmen (bei ?).
73. Michael Longolius, geb. 1560, 1591 — 1624 Pf. zu Borislaw,
ging als Exulant nach Geising in Sachsen, wo er 24. Februar 1628
starb. Er ward sehr feierlich in der Kirche neben dem 1601 ver-
storbenen Ortspfarrer Koch bestattet; der damalige Pfarrer Teich-
mann hielt ihm die Leichenpredigt über 2. Sam. 15, 25 : alle exilirten
Geistlichen in Geising und dem benachbarten Altenberg, Rath und
Bürgerschaft von Geising gaben ihm das Geleite. Wir finden dar-
nach in Sachsen eine Pfarrersfamilie Longolius. (KG. IV, 24.)
XXI. Brandeis in Böhmen: an der Adler oder an der Elbe?
Beide Städte sind Sitze der Brüder gewesen. Aus einem —
ich kann freilich nicht ermitteln, aus welchem — stammt
74. Peter Steinbrecher, 1542 zu Wittenberg als erster evan-
gelischer Pfarrer nach Kemnitz bei Bemstadt in der Oberlausitz
ordinirt, wo er bis 1546 amtirte. (Kr. 227. KG. Oberl. 205. Müller,
Ref.-Gesch. 651.)
XXII, Bregenz, Hauptort des Vorarlbergs, seit 29. December 1861 evan-
gelisch-reformirte Gemeinde mit zahlreichen lutherischen Mitgliedern.
75. Hier war 1872 — y6 Pfarrer der allen Mitgliedern unserer
Gesellschaft wohlbekannte Martin Ferdinand Kühne aus Oberschützen
in Ungarn, wo er 10. November 1846 geboren als Sohn des hoch-
verdienten dortigen Pfarrers und Seminarlehrers Ferdinand Karl
Kühne, der seit 1856 als Pfarrer (und 1862 — 72 Senior) in Efiferding
wirkte und 5. September 1877 verstorben ist.. Kühne war 1870 — 72
Reiseprediger für Mähren zu Brunn und als solcher Seelsorger der
jetzigen Pfarrgemeinden Olmütz-Schönberg und Znaim-Iglau. Nachdem
er bis 1876 in Bregenz fungirt, ist er als Pfarrer in der sächsischen
Landeskirche angestellt: zu Rothenkirchen bei Auerbach (s. 1876),
Langenwolmsdorf bei Stolpen (s. 1878) und jetzt zu Ebersdorf bei
Chemnitz (s. 1885). (Kr. 446.)
XXIII. Britmis (Brins) — jetzt Brims — in Böhmen, bei Gabel.
76. Melchior Gerlach, 1595 zu Bautzen als Sohn des berühmten
dasigen Schulrectors M. Melchior Gerlach — s. 1602 in Zittau —
geboren, auf seines Vaters Gymnasien vorgebildet, Pfarrer zu
Strahwalde bei Hermhut 1618 — 21 — am 8. October 1618 vermählt
mit Anna Regina, Tochter des böhmischen Exulanten Johann Kotzian,
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194
Amtmanns zu Aicha (s. N. III, 4. 1885, S. 130) und Friedstein in
Böhmen — wurde 1621, also schon in bedenklicher Zeit, von Konrad
Burggrafen zu Dohna als Besitzer der Herrschaft Walten nach
Brinnis berufen. Er konnte jedoch hier nur drei Jahre wirken, da
er bereits 1624 der Gegenreformation weichen musste. Er zog sich
nach Zittau zurück und fand wiederum einen geistlichen Wirkungs-
kreis: 1625 in Burkersdorf bei Ostritz, 1629 in Seifhennersdorf, von
wo aus er den benachbarten böhmischen Glaubensgenossen geist-
liche Handreichung thun konnte. Namentlich sorgte er treulich für
die in Rumburg zurückgebliebenen Glaubensgenossen, für welche er
Privat-Communionen, Taufen und Trauungen mit Genehmigung des
Rathes verrichten durfte. Nachdem er hier auch Plünderung und
anderes Kriegselend ertragen, zog er 1637 als Archidiakonus nach
Luckau in der Niederlausitz, wo er bereits am 30. Augfust dess. J.
an der Pest verstarb. (Kr. 496. Schröter's Exulanten-Historie, 149 AT.
GR. I, 231. II, 515.)
77. Von seinen Söhnen ist Melchior 18. April 1623 zu Brinnis
geboren, aber schon nach einem Jahre von seinen exilirten Eltern mit
nach Sachsen genommen worden. Seinem zu Calbitz noch befind-
lichen Leichensteine zufolge ist er sogar noch 1623 mit seinen Eltern
ausgewandert. Die Kriegsnöthe und namentlich seines Vaters Tod
bewirkten es, dass er ein ziemlich unstetes Leben führen musste und
nur unter grossen Schwierigkeiten seine Studien vollenden konnte.
Von gefahrvollen Reisen nach Ungarn, Siebenbürgen, Polen heim-
gekehrt, auf denen er 800 Meilen zurückgelegt, um recht zu studiren,
fand er seine feste Heimat zu Calbitz bei Oschatz in Sachsen,
wo er über ein halbes Jahrhundert, von 1649— 1702, das lautere Wort
Gottes treu und ungehindert verkündigen durfte, bis er im 80. Lebens-
jahre am 27. Mai vom Herrn abgerufen wurde. Er hat 13 Kinder
und 30 Enkel gehabt. Sein Sohn folgte ihm, gleich ihm 49 Jahre
lang Pfarrer, und auch ein Enkel war Geistlicher. (Kr. 65. Ex.-Hist.
161 ff. KG. m, 49. 51.)
XXIV, Brodetz in Böhmen, bei Benatek, wie's scheint.
78. Hier war noch vor der Gegenreformation Pfarrer Viktorin
Facilides aus Meseritz in Mähren. Er wurde dann Pfarrer zu
Jechnitz, ebenfalls in Böhmen. Auch ihn traf 1624 das Loos der
Verbannung. Wie viele Exulanten ging er nach Pirna, wo er —
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wie Kr. S. 400 angibt, erst 1635 — Hospital- und Pestprediger,
sowie vierter Schulcollege wurde und schon 1636 (Götze, Diptycha
Exulum) oder 1637 (nach Kr.) verstarb. Er ist der Stammvater
einer lange in Sachsen blühenden Exulanten-, namentlich Pastoren-
Familie, Kr. fuhrt ihrer 10 an. Bis in 's 5. Glied geht die Reihe der
Geistlichen aus seiner Nachkommenschaft.
XXV. Brozanek (früher Brosanka in Böhmen, bei Melnik).
79. Peter Apelt. 1584 Pförtner Fürstenschüler, ist hier Pfarrer
gewesen.
XXVI. Brunn in Mähren.
Mit dieser seit 18. Juli 1782 bestehenden blühenden ev.-luth.
Gemeinde war von 1870 bis 1878 eine Reiseprediger-Stelle ver-
bunden, welche bei Begründung der Pfarrämter Olmütz-Schönberg und
Znaim-Iglau als nunmehr überflüssig eingezogen wurde (1878). Von
1870 — 1872 bekleidete sie als der erste der unter N. XXII, 75 ge-
nannte Martin Ferdinand Kühne.
XXVIL Brüx im nördlichen Böhmen, seit i. November 1877 wieder
ev.-luth. Gemeinde (z. Z. Filial von Görkau),
80. Der letzte dasige evang. Pfarrer Vitus (Veit) Agricola
ging nach seiner 1624 erfolgten Vertreibung nach Sachsen, wurde
1635 Diakonus, 1648 Pfarrer in Markneukirchen im Vogtlande und
starb 1651. (Kr. 322. KG. XI, 141.)
81. Rector ist allhier von 161 6 — 16 19 gewesen: Christoph
Knorr — geboren 2. Februar 1591 zu Plauen im Vogtlande, sein
Vater war zuletzt Festungsbaumeister des Herzogs von Liegnitz —
dann Pfarrer zu Wielenz und nach 4 Wochen Oberpfaarer zu Eidlitz
in Böhmen, beide bei Komotau; wie viele andere böhmische Geist-
liche wurde auch er 1624 vertrieben. Bei der grossen Anzahl von
Exulanten fand er nicht sofort eine Anstellung; er ward erst 1630,
von August von Schönberg auf Purschenstein berufen, Pfarrer zu
Neuhausen bei Saida im Erzgebirge, nahe der böhmischen Grenze,
zog noch 1663 nach Saida selbst als Pfarrer, wo er aber schon
1666 verstarb (30. Mai). Er hatte schon als Exulant in Saida ge-
lebt, bis er angestellt wurde. Er ist dreimal verheirathet gewesen,
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hat auch sonst, abgesehen vom Exilium, viel Widerwärtigkeiten er-
litten, weshalb auf seinem Grabsteine sich die Verse finden:
Ade, du falsche Welt, die du mich hast geplaget,
Auch Tag und Nacht an mir nach Würmer Art genaget
Mich decket dieser Stein,
Bis Gott wird Richter sein !
(Kr. 350. KG. XII, 165. 212.)
Aus Brüx stammten femer:
82. Johann Bischof (Episcopus), 1554 Diakonus, 1556 Pfarrer
zu Ehrenfriedersdorf im Erzgebirge, 1564 Bergprediger in Anna-
berg, als solcher 1572 verstorben. (Kr. 119. Meier, Die Herrlichkeit
des Annabergischen Tempels. S. 149. KG. XII, 50. 187.)
83. Johann Zeidler oderZeler — auchCellarius — 1552 bis
1557 Hospitalprediger in Annaberg und Pfarrer in Geyersdorf und
Kleinrückerswalde, bis 1560 Pfarrer zu Glashütte im Meissner Kreise.
(Kr. 14. Meier, Herrlichkeit u. s. w. S. 180. KG. XII, 188. IV, iio.)
84. Christoph Reiner, 1625 — 1632 Diakonus in Frauenstein.
(Kr. 142.)
XXVIII . Buchau in Böhmen, bei Karlsbad.
85. M. Johann Hofstetter, geboren zu Jena 1572 als Sohn
eines dortigen Diakonus, Pfarrer zu Zschelief und Wesersieck in
Böhmen, 16 16 Hofprediger des Grafen von Fels auf Buchau. Von
dort musste er weichen, fand jedoch noch eine Anstellung in Böhmen :
1623 als Archidiakonus, 1624 als Pastor und Superintendent in
Eger. 1628 zum zweiten Male exilirt, floh er nach Oelsnitz im Vogt-
lande. Nach zweijährigem amtlosen Leben wurde er 1630 als Super-
intendent nach Annaberg berufen; 15 Jahre lang, bis zum 12. Januar
1645, hat er seine schönen Gaben in grosser Treue der Verwaltung
dieses Amtes gewidmet. (Kr. ii. Meier, Herrlichkeit etc. S. 139.
KG. XII, 186.)
^6, David Sutorius (Schuster), geboren 18. März 1560 zu
Schlacken walde in Böhmen, ward Lehrer zu Buchau und blieb dies
bis 1596. Hierauf wurde er 1596 Pfarrsubstitut, 1597 Pfarrer zu
Friedersdorf bei Zittau, welche Kirche damals zur Super in tendenz
Friedland gehörte. Im J. 1598 wurde er Pestprediger, sowie Mittags-
prediger zu Petri-Pauli in Zittau, in welchem Amte er bis 1624
wirkte: — freilich mit einer längeren Unterbrechung von 1601 bis
161 3, wo er Pfarrer zu Gabel war. Im J. 1624 rückte er zum
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Diakonus auf; 1633 trat er in den Ruhestand und starb 1640,
18. October, als ein Sojähriger Greis. Man rühmt seine herrlichen
Gaben und edle Wohlthätigkeit, die sich selbst auf katholische
Geistliche erstreckte. (Kr. 151. Dietmann, Priesterschaft der Sechs-
städte S. 394.)
XXIX, Bullendorf in Böhmen, bei Friedland.
^7, Kaspar Teucher, um 1540 erster evangelischer Pfarrer zu
Lichtenau bei Lauban, in dem gegenwärtig preussischen Tbeile der
Oberlausitz — ward um 1550 Pfarrer zu Bullendorf, wo er starb.
(Müller Ref.-Gesch 681.) -- Aus Bullendorf stammte
88. M. Christoph Seyfert, als Sohn des gleichnamigen dortigen
Gärtners und Gerichtsältesten 10. December 1623 geboren. Durch
die Kriegsnöthe, vor denen seine Eltern oft in die Wälder flüchten
mussten, und Religionsverfolgungen wurde seine Jugend gar sehr
getrübt. Ihn unterrichtete der aus dem nahen Schönwalde vertriebene
Pfarrer Gabriel Biertiegel; da aber zu befürchten stand, dass man
ihn gewaltsam dem Unterrichte der Jesuiten, übergeben werde,
brachten ihn seine Eltern 1636 aufs Gymnasium nach Görlitz, von
wo aus er nach Leipzig auf die Universität ging (1646). Im J. 1657
wurde er Conrector, 1669 Diakonus, 1695 P. primarius zu Gprlitz, als
welcher er 20. Juni 1702 verstarb, im 79. Jahre. (Dietmann S. 207 ff.)
XXX, CJiotieborz in Böhmen, bei Deutschbrod an der
mährischen Grenze.
Hier war evangelischer Pfarrer von 161 4 an, auf Empfehlung
des späteren Administrators Georg Dicastus, der bereits unter III,
N. 4 (1885. S. 130), vgl. N. XIX, genannte Martin Feim er. Der-
selbe ist aber, wie aus Schröter's Exulanten-Historie S. 336 hervor-
geht, länger als bis 1616 dort gewesen; er wurde 1618, nach dem
Ausbruche des dreissigjährigen Krieges, durch plündernde kaiserliche
Völker von hier vertrieben. Nach kurzer unfreiwilliger Müsse von
einem Vierteljahre in Chrudim wurde er nach Bohdanetsch be-
rufen. Hierdurch berichtigen sich die früheren Angaben.
XXXL Christoptisgrund in Böhmen, bei Reichenberg.
Hier war 1618, aber wohl schon vorher, vorletzter Pfarrer
89. Abraham Schurich (Schurich t), aus Ortrand im Meissner
Kreise, gegenwärtig preussisch. Er zog von hier nach Mark er s-
dort in Böhmen, wurde aber von dort — wahrscheinlich 1624 —
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vertrieben. Er ging dann nach Zittau, wandte sich dann nach Reichenau,
wo sein Bruder Valentin seit 1607 als Pfarrer amtirte, um ihm bei
seiner Kränklichkeit beizustehen, versah auch nach seinem Tode,
21. März 1626, das erledigte Amt. Aber eine eigene Anstellung ward
ihm nicht hier zu Theil, wo man schon seinen Bruder mit dem
grössten Widerstreben aufgenommen hatte, sondern erst in dem
nahen Türchau, wo er von 1634 bis an seinen 1667, 10. Juli, er-
folgten Tod wirkte, freilich unter vielen Kriegsdrangsalen. (Kr. 517.
KG. Oberl. 37.)
XXXIL Chwalkowitz in Böhmen, bei JaromSf.
Hier ist 1819, 28. März, geboren
90. Josef Prawoslaw Kord i na, längere Zeit römisch-katholischer
Pfarrer zu Neu-Paka bei Königgrätz, dann (etwa 1849) zur evan-
gelisch-lutherischen Kirche übergetreten, seit 1855 Archidiakonus
zu Hoyerswerda, einem Städtchen in der preussischen Oberlausitz,
seit 1861 aber Pfarrer zu Milkel im sächsischen Antheile derselben.
Hier hat er wie um seine Gemeinde, so namentlich um die seiner
geistlichen Pflege zugewiesene evang. Diaspora in der katholischen
Parochie Radibor, die grössten Verdienste sich erworben: seine
rastlosen Bemühungen haben es endlich dahin gebracht, dass in dem
nach Radibor eingepfarrten rein evangelischen Dorfe Luppa eine
evangelische Kirche erbaut und am 27. October 1879 feierlich ein-
geweiht wurde, wodurch diese zeither Verlassensten unter unsem
Brüdern endlich nach mehr denn zwei Jahrhunderten empfingen,
was ihre Vorfahren schon zweimal im 17. Jahrhunderte besessen,
aber immer nach kurzer Zeit wieder verloren hatten: Predigt und
Sakrament nach evangelischer Weise (Kr. 330). So ist ein aus
Oesterreich stammender Amtsbruder unserer sächsischen
Diaspora von besonderem Segen gewesen.
XXXIIL Deuba (identisch mit Dauba bei Melnik.? in Böhmen).
91. Christoph Hermann aus Liebstadt bei Pirna soll hier im
16. Jahrhundert Pfarrer gewesen sein. Ebenso
92. Paul Mucke (Micanus) aus Leipa, welcher nach seiner
Verbannung (wohl 1624) 1636 Pfarrer zu Radmeritz bei Görlitz, jetzt
preussisch, würde.
93. Sein 1653 succedirender Sohn war in Deuba geboren und
mit dem Vater ausgewandert. (Ex. 92.)
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XXXIV, Dobennannsdorf in Niederösterreich, bei Zistersdorf.
94. Hier ist kurze Zeit (1567 — 1570) ein Sachse Pfarrer gewesen,
der, wohl nicht ohne eigene Schuld, vfel im Leben herumgeworfen,
auch dreimal abgesetzt worden ist: — davon zweimal an einem
Orte! — dies war Martin Wolf aus Rochlitz, 1540 Rector in seiner
Vaterstadt, 1545 Pfarrer und Superintendent in Kolditz im Leipziger
Kreise, 1553 vom Kurfürsten August abgesetzt, weil er in der
Schlosskirche Dom. XXI. p. Trin. (21. October) 1553 pro concione
unverantwortliche Reden wegen des gefangenen (doch seit i. Septem-
ber 1552 bereits entlassenen) Kurfürsten Johann Friedrich vor-
gebracht. Der frühere Kurfürst nahm ihn nun in seinen Landen auf,
und zwar in dem Fürstenthume Altenburg, welches er in Folge der
VVittenberger Capitulation vom 18. Mai 1547 am 11. Juni dess. J.
an Kurfürst Moritz abgetreten, aber nach dessen am ii. Juli 1553
erfolgten Tode gegen Begebung aller Ansprüche am 24. Februar
1554 durch den Naumburger Vertrag zurückerhalten hatte. Wolf
wurde 1554 Pfarrer in Gössnitz, 1559 in Kahla, 1567 daselbst von
Herzog Johann Wilhelm abgesetzt — vielleicht als j^Strigelianer*
oder Synergist. Nun ging er nach Niederösterreich, kehrte aber
schon 1570 wieder nach Sachsen zurück, und zwar erhielt er seine
vorige Pfarrstelle zu Kahla wieder. Hier ward er jedoch abermals,
also nunmehr zum dritten Male, entsetzt — vielleicht diesmal als
,Flacianer*, von denen Kurfürst August als Vormund der Söhne
des 2. März 1573 verstorbenen Herzogs Johann Wilhelm von Wei-
mar III vertrieb! Endlich ist Wolf als Pfarrer zu Helfta bei Eis-
leben im Mansfeldischen, wie es scheint, nunmehr unangefochten,
verstorben. In jener Zeit fanden viele der abgesetzten Geistlichen
nicht immer zum Segen des Landes, in Oesterreich eine Zufluchtsstätte.
XXXV, Dobritschan in Böhmen mit Filial Nctschenitz, bei Saaz.
95. Daniel Rebentrost, 1577 20. December in Platten ge-
boren, als Pfarrerssohn, hat hier allerdings nur ganz kurze Zeit
gewirkt (1599 — 1601); längere Zeit dann in Liboschitz oder Li e b-
schütz, bis er 1624, wie die übrigen, exilirt wurde. Er lebte drei
Jahre amtlos in Pressnitz und Annaberg. Von 1627 an hat er im
nahen Jöhstadt bis zu seinem 14. Mai 1657 in seinem 80. Lebens-
jahre erfolgten Tode gewirkt. Noch hatte er am 6. Mai (Rogate)
seine letzte Predigt gehalten. Er hat viel Schweres durch Krieg und
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Pest erlitten, so Einmal in 4 Wochen 7 Kinder durch die Pest ver-
loren. Von seinem Vater stammt eine zahlreiche Pastorenfamilie ab,
die bis in dieses Jahrhundert hineinreicht, ähnlich wie die schon
genannte Familie (XXIV, Nr. 78) Facilides. Ihm selbst folgte sein
in Liboschitz geborner Sohn M. Samuel Rebentrost auch in Jöch-
stadt nach. (Kr. 222.)
XXXVL Dotterwies in Böhmen, bei Elbogen.
96. David Troll aus Oelsnitz, 1567 Pförtner, ward erst Cantor
in dem wohlbekannten Fleissen, dann Pfarrer zu Dotterwies —
lateinisch ,Plumbipolitanorum pastor in Bohemia*.
XXXVIL Drazowitz in Böhmen, bei Schüttenhofen.
97. Georg Hils aus Zschopau, 1592 Pförtner, ward Pfarrer zu
Dra2owitz.
XXXVIIL Efferdi7ig in Oberösterreich, bei Linz.
Einst unter dem Schutze der mächtigen Starhemberge ein Sitz
evangelischen Lebens im Lande ob der Enns, ist es seit 1783 wiederum
eine wichtige evangelische Pfarrgemeinde. (Hier hat der XXII, 75
genannte Kühne einen Theil seiner Jugend verlebt.) Hier wirkten
einst eine Anzahl aus Sachsen vertriebener Flacianer, unter dem
Schutze des ihnen längere Zeit wohlgesinnten Freiherrn Rüdiger
von Starhemberg (f 1582, 5. Dec). Darunter waren aus Sachsen:
98. M. Hieronymus Haubold aus Frankenberg, ein eifriger
Flacianer. Er war der erste und letzte Rector der 3. Juli 1566 er-
öffneten , Schönburgischen Landesschule* in Geringswalde bei
Rochlitz. In Folge einer von Kurfürst August durch Kaspar Peucer,
Joachim Kamerarius u. a. am 12. Juli 1568 vorgenommenen Visitation
wurde die Schule als ,urflatianisch* mit Waffengewalt aufgelöst.
Nur durch seine Abwesenheit entging der Rector der ihm drohenden
Gefangenschaft. Er war eine Zeit lang Rector in Weimar und Regens-
burg, ward dann, auch von hier 1572 verwiesen, Rector der von
den Ständen unterhaltenen , Landschaftsschule* in Klagenfurt
Als er sich hier durch polemische Schriften unmöglich gemacht
ging er 1574 nach Efferding, wo er bis zu seinem 15. Juni 1579
erfolgten Tode wirkte. (Vgl. Raup ach, Presbyterol. Austr. [1741],
S. 56 f. Distel, Der Flacianismus und die Schönburgische Landes-
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schule zu Geringswalde. Leipz. 1879. S. 63. 65. Kühne, Die Häuser
Schaumberg und Starhemberg u. s, w. Hamb. 1880. S. 27 ff.)
99. Paulus Preuser, auch P reu sser, aus Hartesleben, Schüler
des genannten Gymnasiums, folgte seinem früheren Lehrer nach
Oesterreich und wurde Diakonus in Efferding 1579. Als übereifriger
^Flacianer* wurde er October 1582 abgesetzt. Er hatte es sich
nämlich, dazu angewiesen von dem flacianischen Stadtpfarrer Adam
Giller, einem Reussen, ebenfalls Zögling des Gymnasiums zu Gerings-
walde, herausgenommen, nach der Weise der damaligen Ultra-
Flacianer den schwangeren Frauen das h. Abendmahl nur unter
der Bedingung zu reichen, dass sie ausdrücklich bekannten, sie seien
Sünde und trügen im Leibe nichts als Sünde. Als dies auch der
zweiten Gemahlin des Freiherrn Rüdiger, Ottilie, geborne Schenkin
zu Limpurg, widerfuhr, da riss deren Gemahl die Geduld und seine
flacianischen Sympathien hielten nicht mehr Stand. (Vgl. Raupach
S. 144 und Zwiefache Zugabe zu dem Evang. Oesterreich [1744],
S. 25, 26, 70. Distel S. 65, 69. Kühne S. 29 ff. — Janssen,
Geschichte des deutschen Volkes IV. S. 472, erweitert es in fälschen-
der Weise dahin, die Gemahlin Rüdiger's habe vor allem Volke in
der Kirche bekennen sollen, dass sie die Sünde sei und j^den Teufel
trage*.) Im J. 1582 wollte Jakob Meibom aus Langenleuba- Nieder-
hain im Altenburgischen, früher Haubold's College als ,Cantor* in
Geringswalde, der bei Auflösung des Gymnasiums ein Jahr lang in
schwerer Kerkerhaft gesessen, gern Pfarrer in Efferding werden, es
gelang ihm aber nicht. (Distel S. 65. Kühne S. 35). da inzwischen
Freiherr Rüdiger verstarb und sein Bruder Gundacker alle Flacianer
— so auch Preuser — des Landes verwies, wobei es auch verblieb,
obwohl sie Herrschafi: und Gemeinde in den Bann thaten und
Gundacker für einen , Tyrannen und Verfolger christlicher Prediger*
erklärten, der ,ein Schutzherr unreiner, gottloser, papistischer Heuchler,
Miethlinge und Accidenspfaffen* sei. (Kühne S. 37.)
100. An die Stelle der Flacianer ward M. Nikolaus Haselmeyer
(Haselmayer) aus Kannstadt in Württemberg, bisher Diakonus in
Göppingen, nach Efferding berufen und wirkte dort in Segen von
1583 bis 1601, wo er starb. Sein 1590 in Efferding geborener Sohn
Johann wurde 1614 Pfarrer zu Enns, 1624 vertrieben, war 1624 — 27,
wo er 15. September abermals vertrieben wurde, Pfarrer zu Pöhra
oder Pühra in Niederösterreich; nach seiner abermaligen Ver-
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treibung von dort lebte er als Privatmann in Regensburg. Im J. 1629
wurde er vom Grafen von Brandenstein als Pfarrer (oder zunächst
wohl als Diakonus?) nach Unteroppurg in dem damals kursächsischen,
jetzt weimarischen , Neustädter Kreise* berufen, wo er viel Kriegs-
drangsale erlebte. Die letzten vier Lebensjahre von 1642 — 1646 ver-
waltete er das Pfarramt zu Kiirbitz bei Plauen im Vogtlande.
Solches gibt KG. XI, 159 auf Grund der Angaben eines Enkels auf
seinem Brustbilde, wodurch es zweifelhaft wird, dass er zwischen
dem Oppurger Diakonate und Pfarramte, wie Dietmann III, 311 flf.
will, von 163 1 an Hofprediger des schwedischen , Statthalters* in
Erfurt, General Graf von Löwenstein, gewesen sei. Uebrigens war
schwedischer Statthalter in Erfurt, seitdem er es 26. September
163 1 eingenommen, mindestens bis auf k. J. Herzog Wilhelm von
Sachsen-Weimar. (Kr. 251.)
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XVII.
Dr. Martin Luther's 400jährige Geburtstagsfeier
in Oesterreich
am IG. und 11. November 1883.
Von JOHANN DEDIC, evang. Pfarrer in Olmütz.
IV. (Schluss.)»)
Anhang.
a) Verzetchniss der bei der Lutherfeier angewendeten Predigt - Texte,
Gemeinde
Pfarrer
Text
Thema und Disposition
1 Anriach
J. Winkler
Ps. 118
„Was machte Luther cum Refonnator ?**
I. Sein freies Wort, 2. Seine Glaubenskraft,
3. Seine kühnen Thaten, 4. Sein wahrhaft
christliches Leben.
Asch
/ Hildemann
t M. Soedel
?
— ? Siehe S. 24.
Joh. 19, 5
„Das Bild Luther's in unserem Herzen —
Sehet welch' ein Mensch!* i. Ein echter
1
Jünger, 2. Ein muthiger Held, 3. Ein treuer
Gottesmann.
Attersee
A. Kotschy
I. Petr. I, 25
„Luther als ein Zeuge für das ewige
Evangelium*', i. Wie er des Herrn Wort
und Evangelium bekannt hat, 2. Wie um
seines 2^ugnisse8 willen Ströme des leben-
digen Wassers von ihm ausgeflossen.
: Aussig a. E.
Gummi
Hebr. 13. 7
„Seid dankbar und seid treu".
Biala
J. Hönel
?
— ?
' BieUte
F. Schur
?
— ?
Bleiberg
P. Cholewa
Joh. 21, 21—23
„Dieser Jünger stirbt nicht<<, denn der
grosse Reformator lebt: i. In dem dank-
baren Gedächtniss der christlichen Kirche,
2. In der durch seine Reformation ange-
bahnten Religions- und Gewissensfreiheit
der Völker, 3. In den der Reformation zu
verdankenden hunanen Einrichtungen mo-
demer Staaten, 4. In den Fortschritten der
Wissenschaft und Kunst, $. In der Her-
stellung wahrer christlicher Frömmigkeit und
Sittlichkeit im Hause des Priesters und des
Laien.
Bohttslawitz
W. Mohiär
Ps. 80, 8—20
„Unser Festgebet am heutigen Tage** :
I. Ein dankbares Hallelujah, 2. Ein schmerz-
liches Hosannah, 3. Ein herzliches Kyrie
Eleison, 4. „Amen".
it
71
Ps. 119, 107
Siehe S. 25 (Abendgoltesdienst am 10. Nov.)
») Vergl. H. I. S 1—32, H. II. S. 49—77. H. HI. S. 103— 119.
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204
Gemeinde
Thema und Disposition
Bregenz
Brunn
Cemilow
CiUi
Dornbach
Eferding
Marx
K. Kr«al
Dr G.Trauten-
bcrgcr
G. V. Läny
?
C. Wack
?
(Nachmittags
Eisentratten Glawischnig
Feld
Gabions
Gallnen-
kirchen
Gmunden
Gnesau
Görz
Goisem
Gosau
Graz
Chr. TÜIian
Cand. Härtig
aus Leipzig
L. Schwarz
Fr. Koch
G. Wehren-
fennig
E. Schroll
M. Wehren-
' fennig
Fr. Nowdk
Dr. R. Leiden
frost
Matth.5,il.i3
Hebr. 13, 9
Hebr. 13, 7
Hebr. 13, 7—9
Gal. 4, 1-3
Hebr. 13, 7
Hebr. 13, 7
Ps. 46, 1— 12)
Joh. I, 6—8
Hebr. 13, 7
?
Rom. 3,20— 28
Röm.i, 14—17
Hiob 29,
14—16 (a)
I. Mos. 32, 28
Hebr. 13, 7
(Altarrede)
Matth. 21,
33—43
(Predigt)
Jerem. I, 4—10
Ps. 130
Hebr. 13, 7
(II. Nov.)
— ?
„Welche Frucht soll das Lutherfest uns
Allen hinterlassen?" (Siehe S. 75.)
„Der grosse Tag fordert von uns ein
dankbares Gedächtniss und verpflichtet uns
zu einem heiligen Gelöbniss*'.
„Unser Jubiläumsdank« : i. Wem? 2. Wo-
für? 3. Wer? und 4. Wie zu danken?
„Die Geburt Luthers — die Befreiung
der christlichen Kirche aus der Knechtschaft.^
— ?
— ?
-— ?
„Luther ein echter und rechter Missionär
Gottes?"
— ?
„Der Grund zur Freude und zum Danke'
am heutigen Tage" liegt darin, dass i.Luther|
die grosse Noth des Sünders erkannt, an
sich erfahren und mit Gottes Wort der
Christenheit gezeigt, 2. Er die falschen
Wege zur Hilfe an Gottes Worte nach-
gewiesen, 3. Die rechte Hilfe, die Gerechtig-
keit, die aus dem Glauben kommt, an sich
erfahren und durch Gottes reines Wort
und Sacrament der armen Christenheit wie-!
der erschlossen hat.
— ?
„Wer war Luther?" — Antwort: l. Ge-
rechtigkeit war sein Kleid, das er anzog
wie einen Rock, 2. Ein gutes heiliges Recht,
selber bekehrt von der Werkheiligkeit zur
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, seine
Stimme zu erheben, 3. War der Blinden
Auge und der Lahmen Fttsse, 4. Ein Vater
der Armen.
„Luther als Kampfesheld" , der i. Mit Gott,
2. Mit Menschen gekämpft und obgelegen ist.
„Drei Ermahnungen im Hinblick auf Dr.!
M. Luther" : i. Gedenket an ihn, 2 Schauet
sein Ende an, 3. Folget seinemGIauben nach!
„Der Stein, den die Bauleute verworfen,
ist zum Eckstein geworden etc. — auch
an Luther erfüllt.«
„Wodurch ward Luther, was er war?
1. Durch sein Suchen nach der Wahrheit,
2. Durch sein Glauben an die Wahrheit,
3. Durch seinen Kampf fiir die Wahrheit.
Wodurch Luther zum Reformator gewor-
den ?* (Abendgottesdienst am 10. Nov., S. 25 )
-Luther unser Lehrer.**
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205
Gemeinde
GrobmiBg
. Hallstedt
I
Hennannseifen
I Humpoletz
Jaseaä
I
! Ischl
Innsbruck
Klagenfnrt
Kowanets
Krakau
Kreosberg
KMUc
Lahnsattel
Lipkewits
Marburg
PÜBurrer
J. Pnltar
C. L. W. von
Sattler
J. Knpka
Ch. PospiSil
P. HajnoGzy
Lesegottes-
dienst
J. Seberiny
C. Rolf
? .
G. Gabryfi
J. Pellar
Th. Kutllk^
G. Saneracker
Laibach
?
Lemberg
E. Grafl
Gr. Lbota
A. Hand
Uebstadtl
P. Marusiak
Linx
A. Koeh
?
J.Goscbenhofer
Text
Hebr. 13, 7
Hebr. 13, 7
Job. I, I — 14
Proverb. 4, 18
Job. 14, 6
Ps. 66, 8—30
Gal. 5, I
Job. I, 19—35
Kol. 2, 6—8
?
Ephes. 5, 8
I. Tim. 4, 1—9
Hebr. 13, 7
Ps. 78, 2—8
Job. 8, 31, 32
Gäl. 4, 1—3
?
Offb. 3, 12
Hebr. 13. 7—9
I. Kor. 15, 10
Rom. 1, 16—17
Hebr. 13, 7
Thema und Disposition
Jahrbuch des Protestantismus s886. H. lY.
„Wostt erweckt nns dos heutige Jabelfest?'
I. Zum Lobe und Preise des Herrn, der
Luther der Christenheit geschenkt hat, 2. Ztir
Prüfung, ob wir ihm ähnlich sind, 3. Zum
treuen Festhalten und Bewahren der uns
von Luther errungenen Segnungen, 4. Zum
frommen Aufsehen auf das selige Ziel, wel-
ches die Frommen erreichen.
„Luther, ein von Gott geschenkter Lehrer:'
1. Der uns das Wort Gottes gesagt hat,
2. Der uns ein Vorbild im wahren christ-
lichen Glauben geworden ist.
«Das Werk Luther's" — ein 2^ugen und
Wirken fUr Christum.
(Abendgottesdienst am lö. Nov.) — ?
S. 26.
(Am II. November.) i. Luther's Werk,
2. Luther's Persönlichkeit.
„Warum lobsingt heute das evang. Zion
und — wie sollen wir am 400jfthrigen
Geburtsfest Dr. M. L. die Ehre Gottes
verkündigen?''
,So bestehet nun in der Freiheit, damit
Christus uns befreit hat*<.
„Wer bist Du? eine Frage des 19. Jahr-
hunderts an Dr. Martin Luther?*' v Bist
Du der Dr. M. Luther, als den wir Dich
kennen und lieben, oder ein zweiter Muha-
med? 2. Bist Du ein Mann der Neuzeit
oder des finstern Mittelalters? 3. Bist Du
ein echter deutscher Mann . — oder ein
vaterlandsloser Pfaffe?
— ?
— ?
„Die Woblthat, die uns Gott durch Dr.
M. Luther erzeigt hat:« l. Die Woblthat
selbst, 2. Die von ihr auferlegten Pflichten.
(Abendfeier am lo. Nov ) — ? S. 25.
„Luther der rechte Führer".
(Nachmittags-Gottesdtenst) ^- ?
„Was haben wir an Luther und was ver-
bürgt uns den ferneren Fortbestand der ver-
besserten evangelischen Kirche ?*
(Siehe Cilli.)
^?
— ?
„Wie sollen wir unserer Führer gedenken ?'
„Von Gottes Gnade war Luther, was er
war:*' I. Der streitbare Held des Herrn,
2. Der Gesegnete des Herrn, 3. Der Sieger
des Herrn.
„Luther unser Führer zum Evangelium
„Die Bedeutung des Lutherfestes".
15
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206
Gemeinde
Meran
Mitterbach
Mödling
Nuswald
Neaberg
Nenkematen
Wr.-Nenstadt-
Neunkircheii
Olmütz-
M.Schdnberg
Opatowitz
Pettatt
Pilsen
Prag (böhm.)
Ramsau
Reichenberg
Rossbach
Rottalowitz
St. Ruprecht
Pfazrer
C. Richter
G. Saueracker
}
H. Hermann
Fr. Alberti
Joh. Oertel
Tillian
Joh. Dödic
Jos. Kuöera
J.Go8chenhofer
Fei. Molnär
D. Th. Molniür
Jol. Dies
J. Ergenzinger
Or. B. Rogge
Jos. Prummer
Dan. Sloboda
J. G. Schmidt
Text
Hebr. 13, 7
Ps. 84, 6-8
Dan. 3, 20 — 22
?
Dan. 12, 3
Ps. 92, 2—3
Sach. 1, 14 — 16
Phil. 3, 17
Joel 2, 23. 26
Marc. 14, 37
Hebr. 13, 7
Hebr. 13. 7
Matth. II, 28-30
Ps. 127, 1—2
3. Mos. 3,1 — 10
Hebr. 13, 7
I. Kor. 3, 5
Jes. 46. $—13
Hebr. 13, 7
Thema und Disposition
9 Wie feiern wir das Gedlchtniss des Re-
formators in rechter Weise ?* — Wenn wir
I. Das Wort hören, anf das er sich ge-
gründet hat, 2. Den Glanbensweg wanddb,
auf welchem er vollendet ward.
(Abendgottesdienst.) Luther unser Vor-
bild n. s. w. Siehe S. 60.
— ?
— ?
^Luther, das auserwiChlte Rflstseug des
Herrn", i. Wie er solches geworden? 2. Was
er seiner Zeit gewesen? 3. Was er auch
unserer Zeit und unserer Kirche werden
soll und muss.
Siehe S. 25.
„Die Gnadenrerheissungen des Herrn über
Jerusalem": i. Ich will mich wieder zu
Jerusalem kehren, 2. Mein Haus soll darinnen
gebaut werden, 3. Dazu soll die Zimmer-
schnur in Jerusalem gezogen werden; von
wem? — von Luther etc.
, Luther unser Vorbild **: l. Als
sc]m>ckener Wahrheitszenge, 2. Als Mann
voll Gottrertrauen, 3. Als warmer Freund
seines Volkes.
„Was feiert die evang. Kirche am Gedicht
nissfeste Dr. Martin Luthers?' — Antwort:
I. Ein Dankfest gegen den gnftdigen Lenker
der Weltgeschichte, 2. Ein Siegesfest der
geistigen Mündigkeit über kirchliche Bevor
mundung, 3. Ein Bundesfest mit Allen,
welche an dem Ausbaue des Gottesreiches
auf Erden mitarbeiten wollen.
„Simon schläfst Du?" — eine Christus-
frage heute an jeden Christen.
Siehe Marburg.
, Gedenket Eurer Führer".
„Ein Gottlob an unserem Jubiläum" —
dargebracht: i. Der bewegenden Gottes
kraft beim Aufbau, 2. Der bewahrenden
Gottesmacht bei Fortbestand des Refor-
mationswerkes und unseres Gotteshauses,
Siehe S. 23.
Siehe S. 69.
(Kindergottesdienst am 10. Nov.) — ? S. 24.
„Wie feiern wir Luther?* i. Als einen
muthigen Zeugen der Wahrheit, 2. AU!
einen demüthigen Knecht Gottes, 3. Als
einen treuen Freund seines Volkes.
— ?
„Wit feiern wir das Lutherfest würdig ?*
I. Wenn wir des Wortes Gottes gedenken,
das er uns gesagt hat, 2. Wenn wir in den
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207
Gemeinde
Rnzenoioos
Rybnik
Sabbnig
Schuten
Schladming
Steyr
Teschen i
Thening
Trebeting
Tressdorf
Triest
Tmiwka
Troppau
Vöcklftbmck
Wald
Pfarrer
E. Ulrich
Vacant
H. AumftUer
J. Rinke
R. Lichten-
stettiner
Vacant
Pindor
Dr. Th. Haase
H. Stotz
C. Büncker
Joh. Knkntsch
H. Medicus
W. Mare^ek
H. Httbner
Schimik
H. Kotschy
Text
Oflfbg. 3, II
Matth. 24,
15—28
Oin>g. 21, 57
Arnos 8, II
Ps. 119, 105
?
?
Rom. I, 16—17
I. Kor. 9, 19
Hebr. 13, 7
Eph. 4,23—24
Ps. 104
Luc. 13, I — 9
?
?
Apg. 9» »—«5
ijoh. 5,4—5
Thema und Disposition
Geist, der ihn belebte, eindringen nnd in
demselben beharren, 3. Wenn wir seinem
Glauben nachfolgen.
,Der Zuruf aus dem oberen Heiligthum
an die Jubiläums - Gemeinde** : i. Was wir
haben, 2. Der Zuruf des Herrn: ^Halte,
was Du hast!** 3. Der Zuruf voll Nach-
druck : „Dass Niemand deine Krone nehme !^
Lesegottesdienst.
ySiehe, ich mache Alles neu*, i. Die
Reformation ein Werk des Herrn, 2. Durch
Luther hat der Herr ein Neues geschaffen,
3. Wie und wo dieses Neue sich ver-
wirklichte.
yDrei Lutherworte — der Festesdreiklang
des heutigen Tages**: i. Ein Ausspruch
heiligen Muthes: ^Das Wort sie sollen
lassen stahn!* 2, Ein Bekenntniss festen
Glaubens: „Der Herr ist bei uns auf dem
Plan*, 3. Ein Wort herrlicher Verheissung
„Das Reich muss uns doch bleiben!*
Nachmittags- Predigt: „Einflnss der Bibel
auf den Lebensgang Luther's wie den Fort-
gang der Reformation*.
— ?
Siehe Linz.
— ?
— ?
„Die herrliche Gnadenthat unseres Gottes,
dass er durch Luther aufs Neue sein Evan-
gelium in der Menschheit hat offenbar und
lebendig werden lassen als Gottes Kraft,
selig zu machen Alle, die daran glauben**,
Nachmittags-Predigt: „Die Freiheit eines
Christenmenschen* : i. Ein Christenmensch
ein freier Herr aller Dinge durch den
Glauben, 2. Aber auch ein dienstbarer
Knecht aller Dinge durch die Liebe!
„Wie feiern wir das Gedflchtniss des
400jährigen Geburtstages unseres grossen
Lehrers Dr.M. Luther würdig?* — i. Wenn
wir gedenken, wie er Reformator wurde,
2. Gedenken, wie wir auch in seinem Geiste
reformiren sollen.
— ?
Siehe S. 77.
— ?
— ?
— ?
„Luther der gottgesegnete und reichbe-
gnadete Bekenner und Streiter lUr die ev,
Wahrheit*.
16*
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208
Gemeind«
Ffarrer
Text
Thema und Disposition
Wallern
Watschig
Weiern
Weissbriach
Wien
Gr. Wrbka
Wsetin
Zaachtel
Zlan
J. E. Koch
C. Rupilitts
Ernst Schwarz
C. Steltzer
E. Pellar
S. Jurenka
J. Ssepessy
M. Modi
Hebr. 13, 7—
Hebr. 13, 7—
?
Hebr. 13, 7
Hebr. 13,
Matth. II,
Jes, 42
Hebr. 13,
7
Apg.5.34— 42
,Die Berechtigung, die Art und der Segen
der Lutherfeier«.
— ?
— ?
„Luther, der Mann nach dem Herzen
Gottes,' in Glauben, Liebe und Demnth.
Siehe S. 24, 69, 77.
— ?
(Abendgottesdienst am 10. Nov.) S. 25.
,Dr. M. Luther der beste Lehrer der
Menschheit".
,Die Reformation — ein Werk ans Gott",
das bezeugt : i. Des Werkes Anfang, 2. Des.
Werkes Fortgang. I
b) Festlieder zur ^.oojäkrigen Jubelfeier der Geburt Dr, Martin Luther^ s
am II, November 188^ von Ed, Schmiddg, ev. Pfarrer, Vgl. S. 53.
Auf, auf, ihr Christen, sammelt euch
Zum hohen Jubelfeste,
Der Herr in seinem Gottesreich
Ruft euch als seine Gäste,
Der Herr, der allen Schaden deckt,
Der unsem Luther hat erweckt,
Grüsst heut' zum Jubelfeste.
3. O kommet vor sein Angesicht
Und lasst uns ihm lobsingen,
Bezahlen ihm die Dankespfiicht
Und Dankesopfer bringen !
Der Grosses hat an uns gethan,
Und bleibt bei uns wohl auf dem Plan,
Grüsst heut' zum Jubelfeste.
Der Gottesheld tritt auf den Plan
Voll Kraft in deutschen Landen,
Er schlägt des Aberglaubens Wahn
Mit seinem Schwert zu Schanden;
Aus Zions Mauern bricht herftlr
Ein neuer Glanz in Pracht und Zier,
Grflsst heut* zum Jubelfeste:
II.
Hinauf zu Gott mein Lobgesang^
Hinauf zu dir mit Preis und Dank
Lass meine Stimme dringen,
Der du dem treuen Glaubensheld
Gegeben hast das Licht der Welt,
Um uns das Licht zu bringen.
Thränen, Sehnen
Hast gewendet, Leid geendet,
Gott der Gnade,
Und geführt uns Lebenspfade.
Du hast das Licht in dunkler Nacht,
Das unsem Seelen Heil gebracht,
Durch Luther neu gegeben;
Und willst in deiner Gotteskraft,
Die neues Leben in uns schafft,
Zum Himmel uns erheben.
Wohl uns, Heil unsf
Lebenssonne, unsre Wonne,
Ew'ge« Leben
Willst in Christo du uns geben.
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209
3. Ifit Sangesgniss und Geistesschwert,
Von Menschenfitrcht ganz unversehrt,
Kftmpft für die höchsten Güter
Er, der nach langer Geistesnacht
Das Licht des Lebens hat gebracht,
Für Jesu Christi Glieder,
Lebte, strebte,
Als bereiter Gottesstreiter
Für das reine
UnverflOschte Wort alleine.
4. »Ein' feste Burg ist unser Gott",
Drum filrchtet er nicht Angst noch Noth,
Bleibt frei von bangen Sorgen;
Und ob vom Feind auch schwer bedroht,
In ihm, dem treuen, starken Gott,
Ist er doch wohl geborgen.
Wahrheit, Klarheit
Uns zum Leben will er geben,
Als der Hüter
Der geschenkten Gnadengüter.
Du warst ihm nahe immerdar
In Zeit der Drangsal und Gefahr
Mit deinem Gnadenlichte.
Drum freu'n wir uns der Jubelzeit
Und rühmen deine Freundlichkeit
Vor deinem Angesichte.
Lass dich fröhlich
Dafür loben, bis wir oben
Angenommen,
Preisen dich mit allen Fronunen.
Erhalte uns, was du aufs .neu
Durch Luther's starke Glaubenstreu'
Uns siegreich hast erstritten;
Sei deiner Kirche feste Burg
Und führe sie im Kampf hindurch
Zu deiner Friedenshtttten.
Lenke, senke
Ins Gemüthe deine Gflte,
Herr des Lebens,
Dass dein Ruf nicht sei vergebens!
O hilf, dass mit Posaunenschall
Dein theures Wort werd' überall
Mit Freuden angehöret,
Und allezeit im jedem Land
Dein heil'ger Name sei bekannt
Und Christus hochverehre.
Sende, spende
Allenthalben Geistessalben,
Zu erquicken
Uns mit deinen Gnadenblicken.
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XVIII.
Bücherschau.
Zar fttnftmdzwansigjttlirigen Jobelfeimr der Erlatrang des A« h.
Protestanten-Patentes vom 8. April 186L Festrede, gehalten am
II. April 1886 von Ch. Alphonse Witz, Doctor der Theologie.
1886. Verlag von Job. Heyn in Klagenfort. {44 S. 8.) 35 kr.
Der in erweiterter Gestalt erschienenen Festrede des Herrn
Dr. Witz gebührt eine Anzeige an dieser Stätte wegen ihres ersten,
historischen Theiles mit der Aufschrift: ,Wir blicken zurück auf die
Wohlthaten der Vergangenheit und danken.* Der Verfasser hat zu
diesem Rückblick förmliche Studien gemacht und die kirchlichen
Stimmen aus der Zeit vor und nach Erlassung des Protestanten-
Patentes gesammelt. Das Toleranzpatent, zu seiner Zeit eine kaiser-
liche Grossthat, nachdem es seine Aufgabe erfüllt hatte, wurde in
verschiedenen seiner Bestimmungen je länger je mehr als eine das
Aufblühen des Protestantismus in Oesterreich hindernde Schranke
empfunden. »Die Kirche braucht, wie der Einzelne, zur vollen Ent-
wicklung der Kräfte die Freiheit/ Diese Freiheit brachte dem öster-
reichischen Protestantismus das kaiserliche Patent vom 8. April 1861
und wurde darum mit jubelndem Danke begrüsst. Wie aber seiner
Zeit die Durchfuhrung des Josephinischen Toleranzpatentes auf viel
Hemmnisse und Widerstand stiess, so blieb die im Protestanten-
Patent gewährte Gleichberechtigung der Evangelischen »nach sämmt-
liehen Richtungen des bürgerlichen und politischen Lebens* in mehr
als einem Punkte vorerst eine solche im Principe. ,Die neue Grund-
lage des Rechtes und der Gerechtigkeit war geschaffen, aber noch
fehlten die organischen Gesetze, welche zur thatsächlichen Durch-
fuhrung der Allerhöchst festgestellten Prindpien unbedingt noth-
wendig waren.* Diese von den Evangelischen ersehnten Gesetze
kamen, durch das Votum katholischer Mitbürger geschafTen, an A. h.
Stelle sanctionirt. Und wenn auch jetzt, nach Erlassung der Staats-
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211
grund- und interconfessionellen Gesetze, manches Anliegen der Evan-
gelischen nicht sofort befriedigt worden ist und manches überhaupt
noch der Befriedigung harrt: ,> die Vergangenheit ist uns eine Bürg-
schaft für die Zukunft. Inmitten aller Wechsel blieb des Kaisers
Fürsorge für die evangelische Kirche unwandelbar.* Daran knüpft
sich naturgemäss und wie von selbst die Paränese an Oesterreichs
Protestanten: ,> Habt Acht auf euren Wandeil* Denn ,> eine Minorität
siegt durch ihre Glaubenswahrheit und ihr Wahrheitsleben, und
Würdigkeit findet Würdigung.*
Wer die Geschichte des letzten Vierteljahrhunderts unserer evan-
gelischen Landeskirche im Geiste an sich vorübergehen lassen und
die erhebende Gedenk- und Dankfeier dieses Jahres nacherleben will
in stiller Betrachtung, der findet, was er sucht, in der vorliegenden,
historisch und oratörisch reichausgestatteten Festschrift. F.
XIX.
Miscelle.
Magister Georgius Dalmatinus, evangelischer Prädicant in
Ober-Krain, welcher die deutsche Bibel Luther's in die Windische
Sprache übersetzt hat (Wittenberg 1584, Fol.). ^^ wurde 1585 vom
Herrn Christoph Freiherm von Auersperg nach St. Rezian zum
Pfarrherm berufen und eingesetzt. Und ob ihn schon hernach die
Katholischen von der Pfarre vertrieben, hat doch gedachter Freiherr
von Auersperg ihn zu Auersperg heimlich bey sich behalten, in
einer gewölbten Kammer unter dem Pferdstall, vor dem Schloss, da
ihn kein Mensch gesucht oder vermuthet hätte: wovon man noch
auf den heutigen Tag selbiges geheime Gewölbe das Prädicanten-
Loch heisst.* — Moser, , Patriotisches Archiv für Deutschland*,
Bd. 4 (1786), S. 194. O.
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XX.
Namenregister.
Agricola Vitas 195.
Alberti 25. 71. 74. 206.
Albui HeiDiich 84.
Antonius Julius 104.
Antop Matthias 84.
Apelt Peter 195.
Arnold Valentin 84.
Auerspeig Christoph Frhr. v.
211. — auf Burgstall 122.
Aumüller 18. 207.
Bachoff Graf 121.
Bareuther 104.
Bartelmus Traug. 133.
Bauerreiss Karl 10.
Bei Mt^tthias 122.
Berger 129. — Michael 87.
Bierling Georg 191.
Bila Friedrich r. 178.
Bischof Johann 196.
Bludowsky Ernst v. 133.
Blumig Georg 84.
Bohusch von Zwola Joh. 82.
Borbonius Matth. 176.
Boieckf Wenzel 177.
Brass 117.
Budowets Wenzel V. 178. 180.
183. 185.
Büncker C. 207.
Busch Johann 188.
Calisch Max. Frhr. v. 133.
Öernfn von Chudenitz Diony-
sius 178. 180. 183.
Chalupka Samo 43.
Chemnitz Joh. Hieron. 120 ff.
Cholewa P. 203.
Dalmatinus Georg 21 1.
DSdic Joh. 206,
Degenfeld Gräfin 36.
Diemer Anna 119.
Dier Jul. 206.
Dimitz Aug. 154.
Dittes 31.
Diwisch Nikolaus 177. 185.
Dwofetzky Prokop 178.
Dwor2ak 115.
Eckardt 19.
Edelmann Joh. Christ. X22.
Eger Georg iSS.
Ehrlich Ludwig Ritter v. 64.
Engler Georg 188.
Ergenzinger 4. 23. 29. 64.
66. 206.
Facilides Victorin 194.
Fauth 35.
Felmer Martin I92. 197.
Fischer Clemens 180.
Fock J, G. 130. 131.
Formey 24.
Franck v. 37.
Frank Gustav 9.
Friedrich Georg 185.
Fries Johann Frhr. v. 34. 131.
Fröhlich Chr. Gottl. 133.
Gabryä G. 205.
Gall v. 36.
Geipel 74. — Christian 70.
Gerlach Melchior I93 f.
Glawischnig Joh. 204.
Gnörich Oswald 64.
Goschenhofer J. 205. 206.
Grävenitz Graf 130.
Graff E. 205.
Graffe Johann Georg 192.
Gregori 44.
Gummi 203.
Haase Th. 207.
Hajnoczy P. 205.
Hanö A. 205.
Harrant Christ, v. 178.
Hurtig 55. 204.
Hartwitz Johann 191.
Haselmeyer Nikolaus 201.
Haubold Hleron. 200.
Hauenschild Georg i8f.
Hausmann 115.
Herbst (Herpestus) 189.
Herforth Elias 84.
Hermann, Abraham 189. —
Christoph I98. — H. 206.
Hildemann 24. 203.
Hücheribach K. W. 33. 131.
Hils Georg 200.
Himly 37.
Hlasnick Joh. Fr. 84.
Hoenel 203.
Hoffmann Joh. 84.
Hofstetter Johann 196.
Holfeld Nikolaus 189.
Homy 30.
HoSfälek Maxim. 179.
Hoslauer Wolfg. 177.
Hübner H. 207.
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213
Janik Georg Ii8.
Jenny Samuel 75.
Jessen 19.
Jessenins Job. 179. 180. 181.
184.
Joseph IL 93.
Jurany 76.
Jnrenka 208.
Kalbersperger Tobias 189.
Kamaiyt Joh. 177.
Kanka 13.
Kaplirx Kaspar 178.
Kapper 176.
Karban Lukas 177.
Karl VL 123.
Klebeck 63.
Knorr Christoph X95.
Knuth Gra£ 12Q,
Kober Giristoph 179.
Koch Jakob 17. 208. — Fried-
rich 57. 204. — Augttst
55. 205.
Kochan Valentin 179.
Kocour Andreas 179.
Kollonitsch Sigm. Graf 123.
Konetichlumsk^ Wilh. 178.
Kordina Jos. Praw. 198.
Komfeil Graf 122.
Kotschy A. 203. — H. 207.
Kozel Heinrich 179.
Krantheim Johann 73.
Kröal K. 75. 204.
Kubin Joseph 177.
Ku^ra Jos. 206.
Kühne Martin Ferdinand I93.
195. 200.
Knkutsch 207.
Kanad Johann 189.
Knpka J. 205.
Kutlik Th. 205,
Kntnaner Johann 179.
Labor 31.
Liny v. 118. 204.
Larisch Johann Graf 132. 134.
Laorentius Martin 191.
Lanterbeck Albert 189.
Jahrbuch des Pkotestantitmitt
Leidenfrost 62. 204.
Lichtenstettiner R. 207.
Liechtenstein Karl Fürst v.
175. 176. 181.
Lippach David 174. 180. 181.
185. 186.
Lippe Graf zur 33 ff. 131.
Lobkowitz Wilh. Popel v. 176.
Löger 112.
Longolius Michael I93.
Lonsky Franz 64.
Loss Heinr. Otto y. 178.
Lück 185.
Luka Georg 84.
Luther iff. 49 ff. I03ff. 106 ff.
203 ff.
Malvieux 37.
Marei^k 107.
Maria Theresia 90.
Marolly 69.
Marschner Balthasar 191.
Marusiak P. 205.
Marx 75. 204.
Mascht&rowsky Wenzel 179.
Medicus H. 207.
Melander 176.
Michalowitz Bohuslav v. 178.
Mirus Johann 191.
Modi 208.
Möllenhof 123.
Molnär Fei. 206. — D. F. 206.
Morgenstern Simon 191.
Muck J. 71.
Mucke (Micanus) Paul 199.
Nauwitzer Andreas 190.
Nessel Jakob 190.
Nicohii Phil. 44.
Nigelli 35.
NowÄk Fr. 204.
Ochs Peter 34. 38. 131.
Oeribauer 67.
Oertel J. 206.
Oswald Johann 84.
Palm Baronesse v. 129.
Pedka Paul 177.
Pellar J. 205. — £. 208.
x886. H. IV.
Pötipeskf Felix Wenzel 176.
Pflösser Johann 190.
Pindor 207.
Pospttil 21. 112. 205.
Prade 67.
Prätorius (Schultheiss) 190.
Prasma Helene 84.
Preuser Paul 201.
Preusler Georg 190. .
Prummer 206.
Pult&r J. 205.
Rebentrost Daniel 199.
fteöick]^ Georg 179.
Reich Peter 84.
Reiner Christoph 196.
Reischach Frhr. v. 36.
Reissenberger Johann 93. —
Karl 14. 62..
Reissig Andreas 84.
Reuss Prinz Heinrich VII. v.
69.
&&in Paul y. 176.
Richter Andreas und Dayid
84. — C. 206.
Rinke J. 207.
Rivius Dayid 191. 198.
Rö(h)ling Michael 190.
Rogge Bernhard 63 ff. 206.
Rolf C. 205.
Rorarius 66.
Rössner Hans 74.
Rosacius Joh. 174.
Rossin Elias 179. 184.
Rulig Peter 84.
Rullmann 62.
Rupilius C. 208.
Rüppel Leander 180. 181. 184.
Sattler v. 205.
Saueracker G. 205. 206.
Schlick Joachim Andreas Graf
177. 182. 185.
Schmidt Malachias X91. —
J. G. 206.
Schönherr Paul und Thomas
I90.
Schröckh Joh. Matth. 122.
16
Digitized by CjOOQ IC
814
SchrdU E. 204.
Schulig 30.
Schultes Johann 1-79.
Schiütheiss vgl. Prätorius.
Schuner Jakob 89.
Schur F. 203.
Schurich Abraham 197.
Schuster vgl. Sutorius.
Schwabe Oskar 7.
Schwarz L. 204. -^ B. 207.
Seberiny sen. 69.. — jun. 205.
Seyfert Christoph 197.
Sinzendorf Ludw. PhU. Graf
«3.
Sixt Joh. Theod. 179. 184.
Smid% Ed. 53. 208.
Södel 74. 203.
Splichal 63.
Stärker Joh. Ernst 93.
Steffek Tobias 178.
Steinbrecher Peter 193.
Steltzer C. i2o8.
Stöckel Leonhard 44.
Stotx H. 207.
Stubenberg Graf 93*.
Suschiök^ Simon 179.
Sutorius (Schuster) David 196.
äwehla Johann 177.
Ssepessy J. 208.
Tauber Kaspar 78. v/
Teucher Kaspar 197.
Teybrecht Melch. 177.
Thaddäus Johann 190.
Tillian 30. 206. — Chriit.
204.
Trautenberger G. 106. 204.
Troll David 200.
Uhler Kaspar 177.
Ulrich E. 207.
Urbenius Victorin 174.
Usinger 67.
Vieregg Krhr, v. 130.
Wachowski 31.
Wack C. 204.
Wehrenfennig G. 204. —
M. 204.
Widmann Michael 179.
Winkler J. 203.
Wit* 77. 210.
Wodäansk^ Nathan. 179.
WokäS Simon 179.
Wolf Niclas 191. — Martin
199.
Wölfel 63.
Wostrowets Hans 176.
ZavdniU Georg Zav6ta V. 177.
Zeidler Johann X96.
Zeisig Johann 190.
Zimmermann P. v. 69.
Dmek vw fiabäm KShIkr, WIhn, YL HolUrdguM «L
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INHALT.
Seite
I. Bericht über Dr. Martin Luther's 400jährige Geburtstagsfeier in Oester-
reich am 10. und ii. November 1883. Im Auftrage unserer Gesellschaft
bearbeitet von yohann DhUc, evang. Pfarrer in Olmütz.
Einleitung i
I. Vorbereitung auf die Lutherfeier 2
II. Vorfeier des Luthertages 7
III. Die Lntherfeier am 10. und li. November 14
a) Der 10. November 15
b) Lntherfeier am ii. November 49
c) Kirchliche Lutherfeier in Reichenberg und Wien. Enthüllung
des Luther-Denkmals in Asch * . . . 68
d) Lutherfeier in der reformirten Schwesterkirche 75
IV. Nachklänge zur Lutherfeier 103
V. Verhalten der Presse und der Andersgläubigen gegenüber der
Lutherfeier 113
VI. Früchte der Lutherfeier 115
Anhang 203
II. Nachricht vom Entstehen, Fortgang und der gegenwärtigen Lage hiesiger
Evangelischen Gemeinde Helv. Confession. Von Karl Wilhelm Hilchen-
bach, Superintendent und Prediger der Gemeinde. Mitgetheilt von OKR.
Dr. C. A, WiH 33
ni. Bericht über das Martyrium zweier Lutheraner im Sohler Comitate vom
24. August 1527. Mitgetheilt von Jos, Rydel, Cand. theol 43
IV. Bericht des Central-Vorstandes über da? Vereinsjahr 1885 47
V. Fünftes Verzeichnis« der Geschenke ftlr die Bibliothek und das Archiv
der Gesellschaft 4^
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IV
SeiCe
VII. Nachtrag zu ^Tauberiana«, Jahrb. 1883. S. i— 19. Von Dr. Karl Ritter
von Otto 78
VIII. Zwei Aktenstücke zur Geschichte der Reformation in Odrau. Mitgetheilt
von Superintendent Dr. Theodor HoLose 82
IX. Zur Geschichte der evangelischen Transmigration aus Ober- und Inner-
österreich nach Siebenbürgen. Von Prof. Dr. Karl IVeissenberger in Graz 85
XL Evangelischer Gottesdienst in Wien vor der Toleranzzeit. Von Dr. Karl
Ritter von Otto 120
XIL Omsistorial • Instruction vom Jahre 1784. Mitgetheilt von OKR. Dr.
G, Frank 132
XIII. Bücherschau: August Dimitz „Kurzgefasste Geschichte Krains*' u. s. w.
Laibach 1886. (Dr. v, Zimmermann) 154
XIV. Die Eheordnang des böhmischen Landtages von 1609/10. Von Senior
Dr. Robert Leidenfrost in Graz 157
XV. Die Execution zu Prag im Jahre 1621. I. Mitgetheilt von JÜC. 7TI* Molndr 174
XVI Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und aus Sachsen.
II. (Fortsetzung.) Von Pfarrer Joh. ScheuffUr in Lawalde (Sachsen) . . 188
XVIII. Bücherschau: Zur fünfundzwanzigjährigen Jubelfeier der Erlassnng des
A. h. Protestanten • Patentes vom 8. April 1861. Festrede, gehalten am
II. April 1886 von Dr. C. A, Wit%. Klagenfurt 1886. (F^ .... 210
XIX. Miscelle. /-ay . . • . 211
XX. Namenregister 212
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mifac cvttiig* HtUdc^ Im Ocftenetdt igt KrOtvitB
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redaction
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir . . . nur wieder-
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan-
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Prote-
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per-
sönliches und Allgemeines" u. s, w.
Neue Evangelische Kirchenzeitung (Berlin) l88j. Nr, ifo.
„Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treffliches
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoll sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen'* u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung, Wien t88j, Nr, 410s.
,. . . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformalions-historischer Forschung auf
dieses wichtige histori^he Archiv hiermit aufmerksam zu machen."
(Prof. Dr. Zöckler) Evangelische Kirchenveitung (Greifsw.) i88s. Nr. 4,8,
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wissen-
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
und nach jeder Richtung hin zu fördern."
Evangelische Kirchenzeitung für Oesterreich (Bielitz) 1884, Nr. /.
„. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben" u. s, w.
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift aus der Schweig (Zürich) 1886. H. I. S. 61.
Zur l^achricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thumau bei Kulmbach in
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Centralvor-
stande unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften :
Geh nur davon,
Sey fromm für mir,
Gib Armen hier,
Ich bin dein Lohn.
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf i. Mos. 12 :
Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm,
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Ariiien mild,
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron.
Der Centralvorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) a t fl,
zu haben ist.
Druck von Wilhelm k'öhler, Wien, VI. Uollanlga^ve il.
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JAHRBUCH
der
Gesellschaft für die Gescbichte des Protestantismas
in Oesterreich.
Achter Jahrgang.
■>ä*<E-
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt
1887.
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JAHRBUCH
der
';e
Seilschaft für die GescbicMe des Protestantismas
in Oesterreich.
Achter Jahrgang.
I. Heft.
Januar — März 1887.
— »aMB»- —
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt
1887.
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Inhalt von Heft I.
Sr.t-
1. Beiträge zu einer Geschichte der Reformation in Böhmen. I. Das Dekanat
Aussig. Von Dr. R. Wolkan i
2. Burg Hohenberg. (Ein Beitrag zur. niederösterreichischen Reformations-
geschichte,) Von Prof. Dr. Eduard ßöhl 45
Zur Beachtung.
Wir ersuchen unsere Mitglieder, in ihren Kreisen für die Verbreitung d-
Gesellschaft thätig zu sein, und stellen zu diesem Behufe Exemplare der Statute
in gewünschter Anzahl zur Verfügung.
Laut Beschlusses des Centralvorstandes in seiner Sitzung am 27. Februar 18^^
erhalten die Mitarbeiter am „Jahrbuch", vom fünften Jahrgang (1884) an, nach Ersehe in r
des betreffenden Jahrgangs als Honorar pro Druckbogen sechzehn Gulden ö. W.
Den Mitarbeitern werden sechs Gratis - Separatabzüge ihrer Arbeiten na.;
Erscheinen des betreffenden Heftes von der Köhler'schen Buchdruckerei franco zugesendv*
Eine grössere Anzahl von Separatabzügen kann nur nach rechtzeitiger VerstÄndigu.
der Herren Verfasser mit der genannten Buchdruckerei (Wien, VI. Mollardgasse a\
gegen Erstattung der Druckkosten gemacht werden.
Die noch rückständigen Beiträge bitten wir an unsern Cassier, Herrn H
und Gerichts- Ad vocat Dr. Carl Ritter von Sääf (Wien, I. Ballgasse 6), ehebaldic -
einzusenden.
Für das „Jahrbuch" bestimmte Arbeiten, sowie Zuschriften an die Gesellsch
sind ,,An das Bureau der Gesellschaft, Wien, I. Dorotheergasse x6" zu richten.
Der Centralvorstand
der Gesellschaft für die Geschichte des Protestant i-n
in Oesterreich,
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I.
Beiträge
zu einer Geschichte der Reformation in Böhmen.
Von Dr. R. WOLKAN.
Das Dekanat Aussig.
Das Aussiger Dekanat, dem Archidiakonate von Bilin unter-
geordnet, umfasste nachstehende Pfarrorte: Aussig (Usti), Türmitz
(Trmice), Schönfeld (Sonwald, Tuchomisl), Amsdorf (Amoltice,
Amoldi Villa), Graupen (Krupka), Rosawitz (RozbSlesy), Eulau (Jilowy),
Schwaden (Swadow), Waltirsche (Waltifow, Waltheri villa). Schöbritz
(WSeborzicz), Gastitz (Skorotice), Sesitz (Zezicz), Modlan (Modlany),
Böhm. Kahn (Chwoyna), Brozan (Brozanky), Hrtine (Rtin), Böhm.
Bockau (Buchau), Tschochau (Sochow, Kehlowice), Boreslau (Bofes-
law), Raudnig (Rudnyk), Karbitz (Ghabafowic, Chabrowic), Kulm
(Chlumec), Mosern (Mojzif), Schima (2im, Nicolai villa), Peterswald
(Petrowice), Spansdorf (Spinner! villa, Lipowa), Kolcz (Koleö), Schön-
born (pulcher fons), Königswald (Libuchec), Deutsch Kahn (Komonin) ;
im Ganzen 30 Ortschaften, zu denen noch die 6 in Sachsen ge-
legenen Orte Königstein. Struppen, Gottleube, Reinhardsdorf, Herms-
dorf und Markersdorf kommen, die wir aber, als über den Kreis
unserer Betrachtung hinausgehend, ausser Acht lassen müssen.
Die Orte gehörten nicht alle unter eine Herrschaft ; im Gegen-
theil. Eine verhältnissmässig grosse Anzahl adeliger Geschlechter
theilten sich in diesen Besitz. Bald finden wir einen Ort unter diesem,
bald unter jenem Besitzer; häufiger Wechsel der Besitzungen kenn-
zeichnet die Unrast damaliger Zeit. Die wichtigsten dieser Herren-
geschlechter müssen wir zuvor wenigstens in Kurzem kennen lernen,
weil von ihrer Stellungnahme zu der auftauchenden Bewegung die
Fortschritte der Reformation auf ihren Gütern bedingt sind; neben
Jahrbuch den Protestauititmus 1887. H. I. 1
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ihrer Bedeutung tritt die der kirchlichen Behörde, des Dekans von
Aussig, fast vollständig in den Hintergrund.
Aussig, die wichtigste Stadt unseres Dekanats, ist seit Pfemysl
Ottokar II. königliche Stadt *) ; sie geht ihre Wege nach eigenem
Ermessen, frei von adeliger Willkür. Mit Georg von Podiebrad ist
sie tschechisch geworden; das Zeitalter Luthers gewinnt ihr deut-
schen Charakter wieder zurück. Türmitz gehört den Brüdern Christoph, I
Nicolaus und Wenzel Türmitzky von Mücheln, einem deutschen
Geschlechte, das seine Besitzungen, zu denen damals (1542) noch
die Dörfer Hotowies (Hostowic), Kosten (Cestow), Stehen (Stebna)
und Augiezl (Oujezd) zählten •), auch deutsch zu erhalten weiss.
Verschwägert sind sie mit den Herren Kölbel von Geissing auf
Kulm, gleichfalls einem deutschen Geschlechte, das im J. 1578 auch
die Güter Schönwald und Peterswald, Böhm. Kahn und Klein-Kahn,
Netluk und Predlitz erkaufte *). Auch das Städtchen Karbitz gelangt
160 1 in den Besitz dieser Familie. Die Herren von Bünau, gleich-
falls dem Geschlechte der Türmitzky von Mücheln verschwägert
und uns bereits bekannt *), besitzen in unserem Dekanate Königs-
wald, Eulau. Sesitz und Leukersdorf. Graupen, die altbekannte Berg--
stadt, kommt 1547 nebst 24 Dorfschaften in den Besitz des König^s,
in dessen Namen die protestantisch gesinnten Ritter von Wrsche-
sowitz eine Art von Schutzherrschaft ausüben, bis die Stadt im
J. 1584 volle Selbstständigkeit sich erringt und den Titel einer
kaiserlichen freien Bergstadt erhält *).
Das sind die Besitzverhältnisse des Dekanats zu einer Zeit, <ial
in Deutschland der Gedanke Luthers erwacht. Es war leicht voraus-
zusehen, dass auch hier, auf deutschem Gebiete und unter deutscHer
Herrschaft, über kurz oder lang der Protestantismus seinen Einzug
feiern werde; königliche Macht reichte nicht weit und das Land lagl
nahe der Grenze. Wir haben früher gehört, wie rasch die Herrei^
von Sahlhausen und die von Bünau den Gedanken Luthers ergrififen
und ihm freie Entfaltung auf ihren Gütern vergönnt hatten. Mehrer«
ihrer Besitzungen reichen, wie erwähnt, in's Aussiger Dekanat; l<eir
1) Feistner: Geschichte der kgl. Stadt Aussig bis z. J. 1547, p. 29.
») Hallwich: Die Herrschaft Türmitz I, 14.
•) Mittheilungen d. deutsch-histor. Vereins i. Böhmen 1862, 3. Heft, p. 23,
*) Jahrbuch der Gesellschaft f. d. Gesch. d. Protestantismus 1883.
•) Hallwich: Geschichte der Bergstadt Graupen, p. 112, 137.
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3
Wunder, wenn zuerst auf diesen östlichen Theil des Dekanats das
Augenmerk der geistlichen Behörde sich richtete und Mahnungen
erflossen, treu dem katholischen Glauben zu bleiben und alle sectischen
Priester zu entfernen. Freilich vergebens; das Beispiel fand Nach-
ahmung; hie und da hört man schon in den vierziger Jahren des
i6. Jahrhunderts von weiteren Erfolgen Luthers *). Selbst die katho-
lische Geistlichkeit kann sich der Bewegung schon nicht mehr fern-
halten; mochten die Beweggründe welche auch immer sein, die sie
zu dem Schritte veranlassten — und allerdings war es gerade bei
ihnen nicht stets der Drang der Ueberzeugung — die Thatsache
■ steht fest, dass bereits 1549 einige Priester dieses Dekanats j^aposta-
' sirten* und heirateten '). Das nächste Jahr schon zeigt uns das
weitere Umsichgreifen der Lehre Luthers auch unter der Land-
bevölkerung. In Eulau sorgt Heinrich v. Bünau für deren Bekannt-
werden; auch Günther v. Bünau hat bereits drei seiner Pfarreien
mit lutherischen Priestern besetzt darunter Königswald mit Caspar
Steyer. Anton Kölbl von Geissing, Herr auf Herbitz und Blanken-
stein, ist der nächste, der offen sein Glaubensbekenntniss darthut
; und auf seinen Besitzungen dem Protestantismus zum Durchbruche
; verhüft. Er geht energisch vor, vielleicht auch hart. Dem Karbitzer
> Pfarrer wird das Kirchspiel St. Lorenz bei Herbitz, welches seine
Vorgänger ,über Menschengedenken* besassen und ebenso alle
- Zehnten weggenommen •). Schon hat die Bewegung so weit um
sich gegriffen, dass auch das Metropolitancapitel zu Prag sich be-
müssigt sieht, der Sache ein näheres Augenmerk zu schenken. In
V einer Bittschrift an den Kaiser Ferdinand I. vom Jahre' 1562, worin
über das Fortschreiten des Protestantismus im Glazer, Kaadner und
Brüxer Dekanate berichtet wird, gedenkt dasselbe auch des Aussiger
und bittet, die Katholiken gegen die Lutheraner zu schützen *),
,^ Aussig selbst, das verhältnissmässig am Spätesten zum Protestantis-
j.'imus öffentlich sich bekennt, hat doch auch der neuen Lehre nicht
f
li' ' *) Die Kirche zu Stehen zeigt einen Taufstein mit der Jahreszahl 1546 und dem
ijjBchrifttext Evang. Matth. XX VIII. I9 in deutscher Sprache, ein Zeichen, dass schon
In diesem Jahre die Kirche von einem protestantischen Geistlichen verwaltet wurde,
■ras nicht ohne Vor wissen der Obrigkeit hätte geschehen können, und diese waren
pe Herren Türmitzky. Hall wich: Türmitz, 15.
•) Frind: Kirchengeschichte von Böhmen, IV, 398.
») A. a. O. p. 399.
*) Borovy: Jednany a doptsy II, 327.
1*
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ganz $ich verschliessen können und zählt in seinen Mauern bereits
Anhänger Luthers und evangelische Priester in so bedeutender An-
zahl, dass im gleichen Jahre (1562) die Prager Unterkämmerer an
die Bürgerschaft Aussigs den strengen Befehl ergehen lassen müssen.
, keinen lutherischen Priester in die Stadt einzulassen, noch daselbst
zu dulden* '). Diesem Befehle kam man zwar nach, ohne jedoch
dadurch einen dauernden Erfolg zu erzielen, wie wir bald sehen
werden. Unterdrücken Hess sich die Bewegung nicht mehr ; sie hatte
bereits zu feste Wurzeln in den Herzen ihrer Anhänger gefasst.
Wohl mochten es mitunter auch egoistische Absichten sein, welche
hie und da die bisher katholischen Unterthanen zum Protestantismus
überzutreten bewogen; der Umstand, dass Adam Kölbl im J. 1564
die Kirchengründe in Predlitz confiscirte und unter seine Unterthanen
vertheilte •), mochte für Manchen massgebend sein zur Aenderung
seines Glaubens. Immerhin; solche Fälle kamen doch nur in ver-
schwindend kleiner Anzahl vor.
Petrus Netter, Dechant und Pfarrer zu Aussig, gab sich Mühe,
durch Zuschriften aller Art nach Prag dem Protestantismus entgegen-
zuwirken; vergebens. Vor Allem war ihm Günther von Bünau auf
Tetschen ein Dorn im Auge. Er berichtete nach Prag (1564,
16. October)'), wie derselbe auf der Pfarre in Königswald eigen-
mächtig einen Pfarrer eingesetzt, trotzdem fnan ihm den Benedictiaer-
bruder Adalbert vorgeschlagen habe. Der neue Pfarrer habe sich
zwar erbötig gemacht, ,gar keine Obrigkeit zu fliehen, sondern, wo
er von Jemandem gefordert würde, dass er gern sich gesteilen
wolle, zu Verhör und sich selbst zu verantworten*, und auch Günther
habe versprochen, falls jener sich werde nicht verantworten können,
j^so soll von Stund an die Pfarr zu Königswald dem Bruder Adalbert
zugesagt sein* ; nichtsdestoweniger misstraute Netter diesen Angaben
und Hess sein Misstrauen gegen Günther von Bünau und dessen
Pfarrer auch recht deutlich hervorleuchten, welch letzteren er direct als
einen , lutherischen* bezeichnet. Auch in Leukersdorf gedenke Günther
von Bünau einen solchen einzusetzen, wie er höre, ,weil es den
andern für voll ausgeht, dass sie Lutherische aufnehmen und ein-
setzen*. Er bittet deshalb den Erzbischof, er möge ,gnädiglich die
1) A. a. O. p. 351.
«) Frind: IV, 399.
*) Erzbischöfl. Arch. Prag. Recepta ab ao. 1560—4 orig.
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Mittel und Wege suchen, damit sich nicht so mächtig die Luthe-
rischen in dieses Dekanat mit Gewalt eindrängen, dass schier also
das halbe Dekanat mit Lutherischen Pfarrern besetzt wird sein, so
es durch E. f. G. nicht in Zeit ein gnädiges Einsehen wird haben.*
Des Dechants weitläufige Beschwerde war allerdings nicht
g^rundlos. Der Protestantismus nahm allerorten sichtlich an Anhängern
zu ; that doch die katholische Geistlichkeit das Ihre, die Bevölkerung
in der Abneigung gegen sie zu bestärken. Wenn der katholische
Pfarrer von Karbitz den Juden Elias Schleifer aus Prag, statt ihm
den abgekauften Beutel zu bezahlen, misshandelte und wieder ein
anderer Pfarrer in einem Gasthause die anwesenden Bauern auf
denselben hetzte % so war dies edler Denkenden kein sonderlich
Zeichen geistlicher Duldsamkeit und Nächstenliebe. Auch in Graupen
waren die Protestanten zu einer ansehnlichen Schaar angewachsen,
weshalb sich das Consistorium im Juni 1564 an den Rath der Stadt
wandte, mit dem Bedeuten, den deutschen Gesängen Stillstand zu
gebieten, ,so lange das Werk, darin man itzt ist, und etliche geist-
liche christliche Lieder deutsch gestellet sein werden, vollbracht
ist* •). Auch hier war die katholische Geistlichkeit nicht vom besten
Geiste beseelt. Der Quardian des Graupner Klosters, ein alter,
mürrischer Herr, der fast allein in dem ziemlich verfallenen Gebäude
hauste, zankte sich beständig mit dem Aussiger Dechant und war
bemüht, ihm die gehässigsten Beschimpfungen entgegenzuschleudern ;
vergebens suchte dem der Pfarrer Gregor Kriner Einhalt zu thun;
vergebens auch der neu hieherberufene Caplan Andreas Egelthan.
Die Verhältnisse wurden so unleidlich, dass beide um ihre Ver-
setzung baten; Kriner, der übrigens selbst auch nicht das beste
Andenken in Grauj>en zurückliess, kam nach Ellbogen; Egelthan
bat den Erzbischof, er möge sich für ihn verwenden, dass Heinrich
von Bünau, der Sohn Günthers, ihn als Pfarrer in Leukersdorf auf-
nehme, da diese Gemeinde >den Lutherischen Priester nicht mehr
leiden und haben wolle* '). Das Consistorium versprach ihm unterm
9. November seinen Wunsch zu erfüllen und gab ihm den Auftrag,
zu Georgi des nächsten Jahres nach Leukersdorf zu ziehen ; man
werde Sorge tragen, dass der von Bünau ihn aufnehmen müsse.
*) Erebischöfl. Arch. Prag. Recepta ai. 1565 orig.
») Hallwich: Graupen, p. 123.
8) ErzbischÖfl. Arch. Prag. Recepta ai. 1565.
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6
Heinrich von Bünau scheint keine Neigung für den ihm aufgedrängten
Caplan bezeugt zu haben; denn schon am 19. December 1565 klagt
Egelthan abermals über dessen eigenmächtiges Benehmen, sowie
über den von ihm eingesetzten lutherischen Pfarrer, der den Katho-
lischen das Begräbniss auf dem Kirchhofe verweigere *). Ob Egelthan
dann doch noch seinen Wunsch erfüllt sah, wissen wir nicht; aus
Graupen verschwindet er.
Wir sehen die reformatorische Idee immer weitere Kreise ziehen.
In Kulm fuhrt Otto Kölbl 1566 einen protestanischen Geistlichen
ein und ersetzt dessen Abgang imj. 1569 durch einen neuen; auch
in Aussig weiss man sich über das oben erwähnte Verbot hinweg-
zusetzen. Vom Stadtrathe war der Befehl ergangen, kein lutherischer
Geistlicher dürfe in der Stadt sich aufhalten. Man kam demselben
nach, ging aber allsonntäglich in das benachbarte Schwaden, wo
die Herren von Sahlhausen einen Geistlichen hatten, hörte dort die
Predigt und Hess sich das Abendmahl reichen. So berichtet Netter
unterm 23. März 1566 nach Prag an den Erzbischof •) und fährt
dann fort : j^Ist demnach an E. f. G. umb Gotteswillen meine unter-
thänigste und demutige Bitt, E. f. G. geruhen bei ihrer erzfur. Durl.
anstatt ihrer röm. kai. Mt. unsers allergnädigsten Herrn soUicitiren
und ansuchen, damit ihr erzb. Durchl. dem Rathe gegen Aussig
ernstlichen mandire und auferlege, bei gewisser Pön und Strafe,
darmit sie denjenigen solch Mandat möchten vorhalten, gegen
Schwaden noch anders wohin nicht zu laufen. Welche also sich
contumaciter vorhielten, sie auch endlich zu strafen befugt sein
möchten*. Aber so mächtig war bereits der Einfluss der protestan-
tischen Einwohner Aussigs geworden, dass auf ihr Betreiben Netter
von der Gemeinde verabschiedet wurde. Am 15. Juli d. J. klagt er
dies dem Erzbischof und sagt, dass er nichts anderes gethan, als
der Ausbreitung des Protestantismus sich widersetzt. Zugleich bittet
er Aussig mit einem katholischen Geistlichen zu versehen und für
sich selbst um die Pfarre in Türmitz»). Als er die Stadt verlassen
hatte, baten einige Bürger Aussigs um Einräumung der Capelle des
Marienhospitals zur Communion unter beiden Gestalten; ungewiss
ist, ob sie ihren Wunsch erfüllt sahen; sicher aber, dass an Stelle
«) A. a. O.
*) A. a. O.
y) A. a. O.
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Netters, den wir später in Leipa wirken sehen, Andreas Klinser '),
bislang Pfarrer in Leipa, trat. Derselbe hatte in Leipa dem An-
scheine nach als vollkommen guter Katholik gegolten ; hier in Aussig
aber wurde er kurze Zeit nach Aufnahme seiner Thätigkeit zu
wiederholten Malen beim Prager Erzbischofe verklagt, dass er Neue-
rungen einführe. Der Umstand, dass Bürgermeister und Geschworene
der Stadt so schnell bei der Hand waren, ihm das beste Zeugniss
über seine katholische Gesinnung auszustellen, lässt wohl die An-
nahme als gerechtfertigt erscheinen, dass auch KHnser bereits zu
den Anhängern der Reformation gehörte. Aussig war in dieser Zeit
nahezu ganz protestantisch und froh, des früheren Seelsorgers ledig
geworden zu sein; hätte der neue Pfarrer Ansichten zur Schau
getragen, welche der Mehrheit der Einwohner missliebig waren,
wäre er also noch streng römisch gewesen, man hätte sich schwer-
lich so beeilt, seine Vertheidigung zu übernehmen. Klinser schreibt
zwar: j^So weiss doch Gott, dem ich nicht lügen kann, dass ich
nichts neues allhie in der Kirchen oder anderswo angefangen, weder
mit der Communion oder anderen Ordnung, sondern über allen
Ceremonien mit Fleiss gehalten, nichts lassen abgehen, als keiner
vor mir jemals gethan hat, und so es E. f. G: anders befinden
werden, will ich mich in E. f. G: Straf mit Leib und Guet begeben.
Allein dass ich täglich diurnum officium nicht peragirt hab, ist mir
auch allein propter quotidianos labores beschwerlich gewest, bitt,
E. f. G: wollen mein Entschuldigung gnädiglich annehmen und solchen
delatoribus nicht Glauben geben* •), und auch die Gemeinde schreibt
in ihrem Berichte: ,Uns hat Herr Andreas, ietziger unser Seelsorger
Eu. f. G: Schreiben vorgebracht mit grosser Beschwernus, wie er
angegeben ist wurden, als sollt er allhier zu Aussig allerlei Neue-
rung anfahen und die Katholischen sub una mit Gewalt zur Com-
munion sub utraque dringen, uns gebeten, ihn in solcher unerheb-
licher und ungrundlicher Angebunge zu entschuldigen. Sintemal
wir noch die ganze Gemeine bei uns von keiner Neuerung nichts
wissen, auch keine Persone, die er mit Gewalt sub utraque zu com-
municiren hätte sollen dringen, sundern jetzund am heiligen Eristage
verschiener öffentlich sub una und sub utraque hat Communicanten
*) So nach den Acten des erzbischöfl. Archivs ; Willomitzer in seiner , Geschichte
der Frauenkirche^ und „Peter- und Paulskirche** (Leipa) nennt ihn Klinger.
■) Erzbischöfl. Arch. Prag. Recepta ab ao. 1567 — 9 orig.
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gehabt, keine Person sich irgend einer Bedrängnus nicht beschwert
hat, auch keine Neuerungen nicht angefangen, Eu. f. G: bitten wir,
wollte solchem ungrundlichen Bericht keine Statt noch Glauben
geben, sundern weil es vermöge des nächsten abgehandelten Triden-
tischen Concilio einem jeden frei nachgelassen, sub una aber sub
utraque zu communiciren, hoffen, Eu: f. G: wird uns und unsere
gemeine Nachpern solche Freiheit auch nicht verhindern, sundem
derselben gemäss nachleben* ^); aber gerade der Schlusssatz des
Berichtes ist geeignet, unsere Ansicht zu stützen.
Im ganzen Dekanate von Aussig ruhte nun der Protestantismus
auf festem Boden ; nur kurze Zeit und man machte aus dem Glaubens-
bekenntniss nirgends mehr ein Hehl. Und wohin der neue Glaube
vielleicht noch nicht gedrungen war, gelangte er durch die katho-
lische Geistlichkeit selbst. Das Jahr 1567 sah nämlich am 15. Mai
eine Pastoralconferenz in Bilin in Anwesenheit des Erzbischofes selbst,
bei der die katholischen Pfarrer von Böhm. Kahn, Janig, Weiss-
kirchlitz und Kulm zum Arreste »propter excessus* verurtheilt wur-
den»). Die Folge davon war, dass die genannten Orte ihrer Seel-
sorger beraubt wurden, und da das Prager Capitel mangels an
geeigneten Kräften die erledigten Stellen unbesetzt lassen musste.
hatte man selbst dem Protestantismus die Wege geebnet. Die Be-
wohner der Orte sehnten sich nach geistiger Nahrung und waren
gerne bereit, sie aus der Hand der protestantischen Geistlichen
entgegenzunehmen. Und in der That. Adam Kölbel hatte im J. 1565
den evangelischen, aus Gotha gebürtigen Pfarrer Wilhelm Hirschfeld
zur Erziehung seiner Kinder nach Predlitz berufen; derselbe erhielt
jetzt, da die Kulmer Pfarrpfründe erledigt war, von Otto Kölbel von
Geissing diesen Posten und wurde so der erste protestantische Pfarr-
herr in Kulm«). Und er hat sich nicht über Mangel an Zuhörern
zu beklagen gehabt. Wenn daher der Geschichtschreiber von Maria-
schein, P. Joannes Miller S. J. berichtet: ^.In dieser Aussig-Teplitz-
und Graupnergegend hat die Ketzerei um das Jahr 1570 unterschied-
liche Neste gemacht und von ihrem Gift so viel Junge ausgeheckt ;
wie dann das Unkraut gar leicht und geschwind überhand nimmt,
dass in wenig Jahren mehr Un- als recht Katholische in den Städten,
») A. a. o.
«) Hallwich: Graupen, p. 124.
») Mittheilungen etc. 1862. 3. Heft, p. 23.
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Flecken und Dörfern anzutreffen waren* *), so freuen wir uns über
seine Bestätigung der Thatsachen, die Ausfälle dem Jesuiten zu gute
haltend.
Die Nachrichten über die beständige Zunahme von Protestanten
in unserem Gebiete mehren sich. In Aussig trat 1568 der Schul-
meister Jacob Kriesche als evangelischer Prediger auf*), Gartitz
erhält durch seinen Patron Peter von Mücheln einen protestantischen
Geistlichen *), namens Mathias Fritsch, Grosspriesen desgleichen *) ;
in Raudnig predigt Pastor Paul Rodinger*). Auch in Graupen geht
die Sache der römischen Kirche immer mehr den Krebsgang. Der
frühere missliebige Pfarrer Georg Kriner kehrt aus Elbogen 1569
wieder zurück nach Graupen, muss aber bald, als , hämischer Ver-
läumder und Ehrabschneider* gekennzeichnet, die Stadt verlassen,
wobei es sich herausstellt, dass er verheiratet gewesen, seine Frau
aber für todt ausgab, während er sie inzwischen in seiner Wohnung
versteckt hielt. Sein Nachfolger Michael Rost wird kurze Zeit nach
seiner Ankunft von seinem Collator Bernhard von Wrschesowitz ^^ wegen
Grobheit und unchristlichen Benehmens* verklagt und verlässt gleich-
falls den kaum angetretenen Posten; seinen Platz nimmt der von
seinen Oberen bestens empfohlene Mathias Stueler ein, über den
aber bereits nach wenigen Wochen, am 2. September 1570, der
Dechant zu Leitmeritz an den Erzbischof berichtet, dass er ein
Lutheraner sei, Weib und Kinder habe und die Communion unter
einer Gestalt seinen Pfarrkindern nicht reichen wolle ®) ; ein gleicher
Bericht geht am n. October d. J. von Balthasar, dem Abte des
Stiftes Ossegg, nach Prag, wie sich der Pfarrer von Graupen zur
katholischen Kirche ^^ ungebührlich* verhalte'), und hat die Einsetzung
einer Commission zur Folge, welche den Pfarrer über die Echtheit
seines Katholicismus zu prüfen hat. Dieselbe hat zwar an seinem
Glauben weiter nichts auszusetzen, als ein , vermeintliches* Eheweib
mit mehreren Kindern, die er sofort entlassen müsse, wogegen
^) Historia Mariascheinensis, p. 23.
*} Maresch: Jahrbuch f. Eltern, Lehrer u. Erzieher, 1859, p. 35.
») Frind: IV. 399.
*) Hallwich: Tünnitz, p. 20.
») Frind: IV, 398.
•) Orig. erzbischöfl. Arch. Prag. Recepta ab ao. 1570.
») A. a. O.
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Stueler den Aussiger Dechant mit Kosenamen, wie ,Dieb* und
, Klosterräuber* beehrt und dann sich aus dem Staube macht, um
trotz wiederholter Citirungen sich nicht mehr einzufinden *). Die
Graupner bleiben inzwischen ohne Pfarrer.
In Kulm predigt mittlerweile Hirschfeld weiter und gewinnt von
Tag zu Tag an Ansehen, so dass von weit und breit die Land-
bevölkerung zu ihm strömt, seinen Worten zu lauschen. Dass dies
abermals mannigfache Klageschriften zur Folge hat, ist natürlich.
Der Pfarrer von Karbitz, zugleich Dechant des Aussiger Kreises,
Balthasar Herschelius "), zeigt dem erzbischöflichen Canzler Dr. Adal-
bert von Gleichenberg solches Gebahren an und beklagt sich über
den Herrn von Kulm, Bernhard von Wrschesowitz, wobei er zugleich
zu erzählen weiss, dass auch die Herren von ^Melen* (Mücheln) auf
der Filiale Schöbritz einen sectischen Priester halten '). Auch Abt
Balthasar von Ossegg klagt über den genannten Herrn. Desgleichen
weiss auch Georg Ferber, Pfarrer in Aussig, über ihn zu berichten,
als er sich nach Prag wendet mit der Anzeige, er sei gezwungen,
Aussig zu verlassen. Sein Bericht lautet*):
Post debita obsequia, Reverende, nobilis, iuxta ac clarissime
domine doctor *), quae hie de meo discessu iterum scribo Reveren-
dissimo R. V. D. ipse facile intelliget. Cum vero ad impossibile
nemo sit obligandus, non dubito a Celsitudine sua dimissionem me
impetraturum. Sunt rationes, si exacte perpendantur non tarn iustae
quam necessariae, cur discessum petam. Ad summam vero non uno
sed altero etiam argumento, nisi prolixus essem apertissime demon-
strarem, totum senatum pedibus manibusque iniisse consilium adeoque
in hoc totum studiose sese composuisse, ut quovis modo excogitatis
Omnibus artibus me hinc abigat ac propellat. Unde excogitavit ne
agricultura ex debito exerceretur, hinc inde mihi summam inoptam
proventuum excrescituram ob quam velim nolim discedendum mihi
foret. — Sed nisi haec unica causa obstaret, qua de penuria proven-
tuum conqueror, vincerem lubens persecutiones facileque sine disturbio
i) Hallwich: Graupen, p. 127.
*) Hallwich a. a. O. und Mittheilungen etc. 1862, Heft 3, p. 24 nennen ihn
Jenschel.
«) Erzbischöfl. Arch. Prag.
*) A. a, O.
^) Victor Th. Albinus, officialis Pragensis.
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eluderem artes totius senatus. Cogitavi utrum possit constitui mihi
certa pecunia loco usus fructuum ex agris , sed ante compositas
Utes, quae cum Colbelio nobili exortae sunt, id commode fieri sane
nequit. Ubi vero res iure foret composita facillimam scirem viam,
qua de reditibus unusquisque parochus in posterum facile contentus
esset. — Nam cogeretur senatus ipse colere agros, parocho vero
solvere annuatim Stipendium certa promptaque pecunia, idque non
iuxta beneplacitum senatus, sed iuxta aestimationem Reverendissimi
ac D. locumtenentium, postulatis etiam ab iis, qui olim pastores
praefuere huic paraeciae, qui annuatim possint ex agris coliigi usus
fructus testimoniis. Supersunt autem duo antecessores mei in vivis,
viri fide digni, nempe D. archidiaconus Thinae Horrsoviensis et
D. Petrus praepositus Lippensis; ad horum testimonium aestima-
tionemque constituendum esset salarium successori meo. Sed ante
compositas lites vix fieri potest, ut hoc modo res ipsa componenda
Sit. Resigno itaque hanc paraeciam ad festum D. Georgii eamque
non lubens, ut ingenue fateor, dimitto, necessitate tamen urgente
velim nolim dimittere cogor omnique gratiarum actione pro usis
beneficiis coUatae eiusdem paraeciae erga Reverendissimum promissa
humiliter peto Reverendissimi dementia et favore in concedendo
alio beneficio me prosequutum iri. Deinceps peto, ne indignetur mihi .
Reverendissimus ob meum discessum aut ideo malam gratiam apud
suam Celsitudinem ineam. Contra impossibile enim nuUum remedium
est ; nee uUo modo repugnaturus essem nee (teste conscientia) perse-
cutiones horrescerem, ubi impossibilitas in proventibus non excusaret ;
imo si potest conveniens huic malo adhiberi remedium, adhuc manebo,
quantumvis infirmum sit mihi corpusculum. Sin minus offero Celsitudini
Suae meas vires, officium et diligentiam, non tam ex debito, quam
lubens et merito rogans submisse etiam atque etiam, ut mihi dignum
providere et conferre dignetur beneficium, R. V. D. vero rescribere
velit certam et perspicuam sententiam, iuxta quam res meas infra
hoc tempus breve D. Georgii sciam componere, neve destitutus
conditione hincque illincque circumvagans ludibrio sim populo.
Gruppensis ille intrusus mercenarius sua mora, qua nuilum dis-
cessum parat, non parum praebet scandali Ustensibus meis, quod si
diutius morabitur, quid non sibi in dies magis licere putabunt
Ustenses. Gerte male facit D. Bernhardus Wrzesovicius collator catho-
licus; tripudiat et orat populus in hoc districtu ac pollicetur sibi
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suaeque factioni in dies meliorem fortunam, nostram vero paulatim
destnictionem et interitum. Deus avertat omne malum et custodiat
nos in pace, Amen.
Datae Ustae ad Albim die Mercurii pridie festum praesentationis
Intern: Vkg: Mariae ao. 70.
R. D. V. deditus saceüanus
Georgius Ferber
pastor Ustensis.
Im gleichen Jahre wandten sich die Bürger von Aussig nach
Prag mit nachstehendem Schreiben *) :
Gottes Gnade und Friede mit Wunschsetzung glückseliger Re-
gierung, und Wohlfahrt, und alles Guten zuvoran, ehrbare, gross-
gunstige, weise, gebietende, liebe Herren. Nachdeme sich E. E. \v.
wohl zu erinnern wissen, wie wir E. E. w. mannigfaltig supplicirende
und bittweis ersucht, wegen eines Pfarrherrs aber Predigers der
Augsburgischen Confession gemäss, und sonderlich den 25. Juni des
1570 Jahrs den Herrn Cammerer s. G. angelanget und supplicirt
und E. E. w. auch mundlich an s. G. bittende begehret, eines
solchen obgenannten Pfarrherrs, der uns mochte die reine Lehre
sampt den hochwürdigen Sacramenten nach der Einsetzung unsers
Herrn Jesu Christi lehren und reichen, welch christlich und in Gott
gut Fürnehmen s, G: erkannt und E. E. w. und einer ganzen Gemein
zugesagt, solche ihm überantworte Supplication Rom: kais: Maiest:
unsern allergnädigsten Herrn, auf der Post zu übersenden, und die
Antwort von seiner Maiest: wieder E, E. w. zu schicken. Nachdeme
wir da sint der Zeit vergangen zweimal bittweis supplicirt, und die
Antwort gefodert von E. E. w. und da E. E. w. beantwort worden,
uns solches vorlesen lassen, daraus wir verstanden, wann Rom: Kais:
Maiest: unser allergnädigster Herr wieder zu Lande wird kommen,
sollten wir wiederumb anhalten und da einer Antwort gewärtig sein,
dieweil dann Gott der Allmächtige Kais: Maiest: wieder zu Lande
geholfen, können wir in solcher grossen geschwinden schweren Zeit
nicht unterlassen, E. E. w. zu ermahnen, und ist unser demuthige
unterthänige Bitt umb Gottes Willen, E. E. w. wollen doch Eures
von Gott befohlenen Ampts, sonderlichen was zur Ehre Gottes und
Ausbreitung seines göttlichen Worts belangende, sich hierinnen
*) Orig. Stadtarchiv Aussig.
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erinnern, und den Herrn Cammerer s. G. aber Rom; Kais: Malest:
uasern allergnädigsten Herrn demuthiglich ersuchen, und solch ob-
gcmelt unser Christliche Bitte umb einen Pfarrherr der Augschbur-
gischen CcMifcssion gemäss zu vergünstigen, und sind trostlicher
Zuversicht^ zu Gott und zu Rom: Kais: Malest: unsern allergnädigsten
Herrn, dass seine Maiest: uns nicht wird solch unser christlich Be-
gehren (dieweil wir uns in aller Billigkeit was uns von unser lieben
Obrigkeit müglichen zu ertragen aufgeleget wird, mit Leib und Gut
unterthäniglich halten, was aber zu Gottes Lob und unser aller Selig-
keit belangende) abschlagen sondern vielmehr behulf lieh und forderlich
sein. Solches wollen wir umb E. E. w. sampt Rom: Kais. Maiest:
unsern allergnädigsten Herrn, mit unsern emsigen Gebet, in aller
Unterthänigkeit verschulden.
E. E. w. will:
und gehors: Unterth:
Die ältisten Viermeister
sampt der ganzen Ge-
mein aühier zu Aussig.
Frind zählt in seiner Kirchengeschichte (IV, 400) für das Jahr
1570 noch folgende katholische Pfarreien im Aussiger Dekanate auf:
Aussig, Graupen, Peterswald, Ebersdorf, Schönwald, Bocken, Böhm.
Khan, Proboscht, Türmitz, Stehen, Zirkowitz. Dass diese zumeist
nur dem Namen nach katholisch waren, haben wir gesehen. Bald
sollten sie auch öfifentlich zur , Augsburgischen Confession* sich
bekennen. Noch drei Jahre und wir sehen in allen Orten unseres
Dekanats den Protestantismus als allein massgebenden Glauben.
Graupen erhält zwar noch 1572*) einen neuen Pfarrer in Tobias
Stang aus dem Ossegger Kloster, der am 16. September d. J. dem
Prager Erzbischof über die Visitation der dem Günther v..Bünau
gehörenden Pfarren durch den Superintendenten von Pirna, Dr. Johann
StösseU sowie über die Convocation der evangelischen Geistlichen
zu Tetschen berichtet und über Günther von Bünau sich beschwert,
dass er ihm durch die Vertröstung, als sollte er Pfarrer zu Neschwitz
werden, viele Unkosten verursacht habe »). Noch kann im Jahre 1574
(5. März) Kaspar Kreutziger, Pfarrer in Aussig, den Erzbischof bitten,
*) Nicht 1574, wie Hallwich a. a. O. p. 131 berichtet.
•) Erzbischöfl. Arch. Prag. Recepta ab ao. 1567—9 orig.
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ihm einen Caplan beizustellen, weil er allein, besonders zur Zeit der
Osterfeiertage , da eine so grosse Anzahl von Landleuten aus den
Dörfern, wo k^ine katholischen Geistlichen sind, nach Aussig kommt,
nicht ausreichen würde *) ; aber es ist das letzte Aufflackern eines
ersterbenden Lichtes. Am 27. Juni 1574 weist Stang in einem neuen
Berichte auf die Verbreitung des Protestantismus in der Gegend
von Graupen hin, wozu die Pfarrer von Brüx und Aussig, sowie
auch die Hauptleute auf der Herrschaft Teplitz die grösste Veran-
lassung geben"), und Kreutziger hat wenig Gutes gethan, als er
um einen Caplan ersuchte. Derselbe vernichtet den letzten Rest von
Ansehen, dessen sich die römische Kirche in Aussig noch erfreute.
Kreutziger berichtet am 17. Juli über denselben an den Erzbischof
wie folgt:
,Ich kann Euer frstl: Hochwürdigkeit zum unterthänigsten an-
zeigende nicht verhalten, wie muetvvilUg, leichtfertig und rebeUisch
Herr Wenzel Patek, mein zugegeben Caplan von dem Tage an,
seit er mir zu einem Gehulfen zukommen, sich gegen mir verhalten
thut, also dass ich nach vieler Geduld, die ich, seine Jugend und
Unverstand betrachtende, getragen, ihn von mir lassen und treiben
muss; dann was er für ein Spiel und Gezänk angerichtet zue der
Zeit, da ich für E. f G. gegen Bilin vocirt, erschienen, will ich
allein mit kurzen Worten vermelden.*
„Wie er mich gnädiger Fürst und Herr auf vorgemeldte Reis
hat machen und auf Bilin ziehen wollen, hab ich gedachten Caplan
zu mir erfordert, ihme auferlegt und befohlen, dass er sich in der
Kirchen fleissig und im Hause friedlich gegen jedermann verhalten
sollen, der Wein- und Bierhäuser sich äussern, damit nicht Aergemus
unter so bösen vergiften Volk geben werden möchte, welches alles
er mir zugesagt, aber so lange bis ich aus dem Hause kommen,
verhalten; dann sobald ich vorreiset, hat er nachläsig und sehr
unfleissig die Vesper verrichtet und mehr dann ihme zueständig die-
selbe verkürzt. — Nachmals Sonntag und Montag ein solch Lärm
mit Fluchen und Schelten im Haus auch am Tisch sitzend, in Gegen-
wart des Schulmeisters und Cantori angerichtet, alles mein Haus-
gesinde trotzen, puchen und schlagen wollen, also dass sie verursacht,
den Herrn Burgermeister anlaufen und umb Schutz anhalten müssen.*
^) A. a O. Recepta ai 1574 orig.
«) A. a. O.
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15
^Über dies alle die Tage, so ich aussen gewesen, seine priester-
liche Kleider von sich geworfen, einen kurzen Mantel auf sich ge-
nommen und zwen muetwillig Buben oder Bärnhäuter an sich gefasst,
Tag und Nacht ausserhalb der Pfarr in den Weinhäusern dem
Schlemmen nachgangen und ob ich wohl am Dienstag wiederumb
heimen kommen, nichts destoweniger ist er mir zue Trotz auf der
Gassen ausserhalb der Pfarr mit den zween obgedachten Buben
noch bis auf den Freitag rumber gezogen und also seines Muet-
willens, Schlemmens und Säufens gewartet. — *
»Auf den Freitag aber ist er zum Überfluss aufs Rathhaus
gelaufen, allda mich mit vielen unergrundten und unwahren Worten
schriftlich und mündlich anklagen dürfen, also dass der Rath die
Wahrheit zu erforschen verursachet worden, zu mir zu gehen, mir
auch seine angelegte Supplication verlesen und überreicht. — Dem-
nach ich aber sein Muet willen, den er die ganze acht Tage in meinem
Ab- und Beiwesen in und ausserhalb der Pfarr gebraucht, erzählt,
sein unpriesterliches. ärgerliches Leben und muetwilliges frevent-
liches Fürnehmen angezeigt, haben die Rathspersonen beineben mir
soliches mit ernsten Worten an ihme gestrafet, das so viel bei ihm
gelten, dass ich ihn ins Gefängnus zu legen verursacht worden,
soliches auch in Gegenwart und Beisein eines Raths gethan. Ist
aber in solcher Straf länger und muthwilliger, schilt und flucht, dass
ich nicht wissen kann, wie ich mich gegen ihme verhalten soll. Auf
den andern Tag aber, da ich ihn der Gefängnus erledigen hab wollen,
und ihme sein Abschied geben, hab ich den Herrn Burgermeister
zu mir erfordert, nach ihm geschickt und zuvor selbst gangen, hat
er weder mir noch dem Herrn Burgermeister kein gut Wort geben
auch nit aus dem Gefängnis gehen wollen. — Und dieweil er über
alles obgemeldts bei 12 oder 14 flJ Schuld gemacht, vermeint er, ja
lasset sich öffentlich hören, er wolle der Mährer Land, da auch
Euer f. G: nicht (wie er sagt) zu schaffen habe, einnehmen etc.*
,Dies und andere dergleichen Stück mehr, die er getrieben, auch
ohne alle Ursach aus lauter Bosheit und halsstarrigem Muetwillen
fürgenommen und gebraucht, nicht diesmal allein, sondern auch
zuvor, ehe ich ihme zum Alter treten und primiciren lassen, also
dass ich ihne von Stund an zur selben Zeit hab gelassen wollen,
wenn er sich nicht selbst guetwillig angebeten und in Gegenwart
etlicher Priester nxit eigener Hand verschrieben hätt, wie die ein-
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gelegte Zettel ausweisen und klärlich anzeigen — verursachen mich,
ihn zu gelassen und wegzutreiben; dieweil mir aber soliches ohne
Fürbewusst Euer f. G. nicht gebühren hätt können, habe ich dies
Schreiben an Euer f. G: abfertigen und den ganzen Process dieses
Handels kurzlich erklären wollen, darumb ob er selbst kommen und
mich mit Unwahrheit, das er dann meisterlich kann und sich keiner
Lügen oder falschen Auflag schämen thut, für E. f, G: angeben
möcht, ihm diesfalls kein Glauben zu geben; dann da es die Noth
furhanden, auch ein ehrbarer Rath allhier seines halsstarrigen muth-
willigen Fürnehmens schriftlichen Bericht zu thun sich erboten und
wie er sie mit Zusag dahin beredet und nicht destoweniger an sein
eigenes Schreiben und priesterliche Ehr, die er verletzt, vergessen
und von hinnen durch solch erdichte böse Stuck zu kommen ver-
meint; — Euer f G: wolle mich genädigst verständigen, wie ich
mich diesfalls gegen ihm verhalten soll, dann nachdem er aus dem
Gefängnus nicht hat auf unsere Erforderung gehen wollen, kein gut
Wort darzue geben wollen, will ich ihn also darinnen bis auf E. f. G:
ferneren Bescheid verbleiben lassen.*
, Befehl hiemit E. f. G; sampt derselben ganzen Hof in Gottes
genädigen und allmächtigen Schutz/
, Datum Aussig an der Eiben am Tage Alexii dieses 1574 Jahrs.
E. f. G:
dienstwilliger Caplan
Caspar Creutziger
Pfarrherr daselbst.*
j^Ist auch dies mein demüthige Bitt, mich wegen der Pfarr
Carbitz, wie es ein Gelegenheit habe und ob den fiirgeschlagen
Priester die Jungfrauen auf Teplitz anzunehmen gedacht, genädigist
zu verständigen.*
Dieser etwas langathmige Bericht ging zwar nach Prag und
wurde dort gelesen; es kam auch der Befehl, den Caplan sofort
seines Dienstes zu entheben, aber es half nicht viel. Patek wusste
die Verhältnisse aufs Beste auszunützen. Hinter des Pfarrers Rücken,
musste Kreutziger bald wieder melden, hatte er durch ,etlich ver-
soffene Bürger, zue denen er sich gesellet, H. Johannem, Pfarrern
zue Tirmitz heimlicherweise unterpflanzt, durch Schriften, Wort \md
Verheissung, den Herrn und Collatorem dahin beweget, dass er
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gedachten Herrn Johann so viel Ursach geben, dass er sich der
Pfarr entledigen und herein in die Stadt zue Hause einziehen müssen.
Demnach er aber die Pfarr durch solche unbilliche Mittel erlangt,
trachtet er Tag und Nacht darauf, damit er die in die Possession
bekommen und allda seines Muetwillens desto freier gebrauchen
möcht, hat er wiederumb gegen mir, wie auch zuvor geschehen, so
viel halsstarriges Ungehorsams gebraucht, bis er solches Dienste durch
mich enturlaubet worden mit dem Befehlich, er soll sich für E. f. G:
wie billich gesteilen, allda wohin man ihn ordenen und setzen wurde,
Antwort zu gewarten, welchs er keinesweges gethan, noch thuen
wollen, sondern gehet in der Stadt herumb. hänget sich an die ver-
soffene Burgerschaft, verklagt mich durch seine ungewaschene Zung
bei Burgern, Pauern und Edelleuten etc. und dieweil er nichts arges
mit der Wahrheit furbringen kann, höret er etlicher leichtfertiger
Leut ungegründeten Bericht von Handeln, die sich für 12 Jahren
zuegetragen haben, trägt es für die Wahrheit aus, richtet und stiftet
also viel Unglücks und Böses, dass ich nicht wissen mag, wofür
mich Euer f G: hieher gesetzt und sich Niemands für meinem tra-
genden Ampt scheuen oder einigen Gehorsam erzeigen will. Ich zwar
für meine Person, sonder Ruhm zu melden, hab bei dieser Stadt
und sonderlich bei einem E. Rath gebührliche Autorität erhalten
mögen, da nur oft gedachter Caplan längst von mir hinweg genommen
worden wäre. Da es aber Euer f. G: ihn zue behalten für gut ange-
sehen, hab ich darwider weder streiten mögen noch sollen. Und
demnach er in seinem halsstarrigen Furnehmen noch verharren thut,
und ich mich mit ihme keinesweges vergleichen kann, viel weniger
vergleichen werde mögen, sobald er in sein freies Leben gedeihen
und die curam pastoris, der er doch keinesweges furzustehen tüchtig,
dieweil er bei mir dies Jahr kein Gutes thun, einige horas hat beten
wollen etc. erlangen möcht, weiss ich neben ihm keinesweges zue
dulden, wohnen und sonderlich darumb, dass er also diebisch mit
des recht verordneten Pfarrers (der eines guten Lebens, furtrefflicher
Lehr, auch mit einem jeden bis anhero, auch mit seinem Collatore,
der ihm den heut diesen Tag geneigt, friedlichen gelebet) Schaden,
Spott und Nachtheil eingestiegen ist, und noch trotzen darf, weder
Euer f. G: noch ich, wann er einen guten Schutzherren bekommen
mocht, etwas mit ihme zu schaffen haben. Daraus dann zu vor-
nehmen, dass er mit Heuchlei den Pfarren nicht kleinen Schaden
Tahrbuch des Protestantismus 1887. H. I. 2
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zuefugen wird, die Einkommen den Edelmann nachlassende, welcher
sich dann aller Pfarrguter mächtigen thut und die zue sich ziehen
und nehmen will; wie er dann gewesenen Pfarrherrn über die
20 Strich schuldig verblieben. Oder auf seiner Herrn Collatoren
Gunst sich verlassende apostasiren wird, demnach er ziemlich darzue
g^eneigt/
3>Bitt derhalben aufs höchst, Euer f. G: wollen oft gemeldten
Zanker meines und mir vertrauten Dekanats entledigen, an ein Ort
und Stelle, da er mores und ritus ecclesiasticos mehr und fleissiger
dann allhier (dann darzue ich weder mit Vermahnung noch Be-
drauung bringen mögen) lernen möcht, verordnen, auch seines un-
gebührlichen ungehorsamens Verhaltens dermassen und also strafen,
damit er nachmals in Handel und Sachen, die ihn nichtes angehen,
nicht mische, mir noch anderen mehr bei Städten, da sonderlich in
dieser bösen Welt genugsam Verfolgung regieren thut, Unglimpf
zuerichte, dann wo er zue frue ausfliehen, was er guts anstiften
möcht, wird die Zeit geben. Da in der Wahrheit seines gleichen
mir der Tage meines Lebens nicht furkommen. Da aber Euer f. G:
ihn allhier mir zum höchsten Verfolger und Verläumder sitzen lassen
will, will ich mit diesem Schreiben meinen Abschied von inhabender
Pfarr genommen haben, meine Verbesserung, wo ich mag und kann,
suchen damit ich mich auf die Letzt bleiben möcht. Darauf mich
Eu. f. G: mit Antwort genädigst versehen wolle, demüthigst bitten
thue.*
Es ist schwer zu entscheiden, da uns nur der eine, gewiss
parteiische Bericht über Patek erhalten ist, inwiefern derselbe aut
Wahrheit beruht und wie viel auf Rechnung des Eiferers zu setzen
ist. Ist er wahr, dann konnte Patek allerdings nur dazu beitragen,
das Ansehen der katholischen Kirche und Geistlichkeit zu unter-
graben; ist er nicht wahr, dann gewann der Protestantismus durch
ihn, der, wie wir hören, ja selbst geneigt war, zu , apostasiren*.
einen tüchtigen Priester mehr, der allen gegnerischen Verläumdungen
zum Trotz seiner Ueberzeugung folgte und ihr treu blieb *).
*) Auf diesen Patek dürfte sich wohl auch der Bericht Frind's (IV, 398) beziehen,
wo er sagt: ^,1575 versuchte der Aussiger Pfarrer zu apostasiren, büsste es aber sofort
mit dem Verlust seiner Pfründe", nur dass dann der Ausdruck ;,Pfarrer" entschieden
unrichtig ist, jedenfalls sich nicht auf Kreutziger bezieht, der noch in den nächsten
Jahren in Aussig erscheint.
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Die Bürger von Aussig, die jetzt in der Mehrheit dem prote-
stantischen Glanben huldigten, begannen nun energischer vorzugehen
und forderten direct ihren katholischen Pfarrer auf, ihnen die Com-
munion sub utraque zu ertheilen. Kreutziger berichtet darüber am
24. Februar 1575 *):
,Ich soll Euer f. G: demuthigest anzeigende nicht vorhalten, wie
für etlich wenig Wochen allerlei Unordnung halben, die sich allhier
in und ausserhalb der Kirchen zugetragen, aufs Rathhaus geschrieben,
darein insonderheit der Communicanten sub utraque und ihres Aus-
laufens, so auf künftig österliche Zeit wiederumb furgenommen
werden möcht, aufe beschwerlichst gedacht mit ernstlicher Vermah-
nung und iieissigem Anhalten, solches abzustellen und beim gemeinen
Mann nach Vermögen zu steuern, damit einsmals eine rechtmässige
conformitas und katholische Einigkeit wiederumb auf und angericht
werden möcht-; welchen Artikel beineben den andern, demnach sie
wie billich genugsam bewegert und daraus ermessen, dass solche
Zwieträchtigkeit wenig Verdiensts bei Gott, viel weniger Nutzes bei
einer Gemein mit sich bringen wird, sind etliche der Aeltesten und
Furnehmsten zu mir auf die Pfarr kommen, darauf anstatt eines ganzen
Raths Antwort gegeben mit angehängter Bitt, wofern es möglichen
und ich neben ihnen zu solcher Conformität, einträchtiger katholischer
Vergleichung zu helfen bedacht, sollt ich im Anfang den katholischen
bis anhero gehaltenen Brauch, die Communion sub una betreffend,
fahren lassen, sacramentum altaris denen sub utraque auf einem beson-
deren Altar seibist porrigiren, den andern aber durch den Capellanen
administriren und reichen lassen, mit Erklärung, wofern solches
geschehe, wollen sie erstlich, selbst anderen zum Exempel und Beispiel
die Sacramenta von mir empfangen und durch solche Mittel beineben
ernster Vermahnung das gemeine Volk dahin bewegen, dass sie
daheim verbleiben und des Auslaufens sich massigen müssen.*
, Wiewohl nun Eu. f G: und Herr mir solchs ihr Furtragen ziem-
lich gefallen, als dem des heiligen Tridentinischen ConcilH endlicher
Beschluss, der klärlichen stellt, dass bei der Communion kein Unter-
schied weder unter den Altariendienem noch Administration gehalten
werden soll, zum Theil bekannt, hab ich gleichwohl in Betrachtung
des Spruchs Paul : Omnibus omnia factus sum etc. i . Cor. 9. mich
solchs furzunehmen erboten, wofern aber Eu. f G: ihren genädigen
*) Erzbischöfl. Arch. Prag. Recepta ab ao 1575 orig.
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consensum darzu geben, auch solchs für nutzlich und billich urtheilen
und iudiciren würden. Bin derwegen mit gegenwärtigem Schreiben
Eu, f. G: auf solche ihre Anmuthung zu beschweren verursacht
worden mit demuthigster Bitt, mich, was hierinnen zu thun sei, gnä-
digst zu verständigen.* t
Dass der Aufenthalt in Aussig fiir Kreutziger nicht sonders mehr
angenehm war, mögen wir ihm glauben; erklärlich seine Bitte vom
13. November 1575 *), man möge ihm die Pfarre zu Habern bei Briix
verleihen.
Das nächste Jahr sah die Wünsche der Bürger erfüllt; Aussig
ist protestantisch, hat seinen Prediger und seine eigene evangelische
Kirche. Noch weilt Kreutziger daselbst; aber seine Stellung ist un-
haltbar. Er schreibt u. A, am 25. Juni 1576 •): ,Zudeme. welches
mich zum höchsten bewegt, haben etliche aus der Gemeine mit
heimlicher Vorwilligung furnehmen Rathspersonen ihre conventicula
gehabt, dann gänzlichen einen lutherischen Praedicanten anzunehmen
und ihme die Spitalkirchen einzuräumen beschlossen ; dergleichen
sie sich dann, wie der Herr Unterkammerer allhier gewesen, zum
höchsten bemuht, ihm ein Supplication anstatt der ganzen Gemein
(ungeacht, dass fast das halbe Theil nicht darin verwilliget) über-
antwortet und fleissig gebeten, er wollt' so viel Fleiss als ein christ-
licher evangelischer Herr und Regent, dem Gott und die reine
Wahrheit lieb ist, furwenden, damit wir armen Leute (dann also
lauten ihre Wort) wie andere unser benachbarte (weisen auf Tetschen,
Graupen, Carwitz) auch mit einem evangelischen Prediger vorsorgt
werden möchten, und dieweil er ihnen etwas vorheischen, sind sie
den 18. Mai zu Präge gewesen, allda wiederumb aufs neue ange-
gehalten und supplicirt; was sie ausgerichtet, ist mir unbewusst;
das sol ich Euer f. G: nicht bergen, dass auf solches ihr Furnehmen
Herr Valentinus Scherfer, mein Antecessor auf etlicher Rathsherrn
Erforderung aus Mähren kommen mit Vertröstung, dass ihme, als
der sein Weib, Kind und Güter allhier hat, solcher Dienst einge-
räumet werden soll. Was für gross Unglumpf diese Person mit seiner
JHfeuchelei mir bei dem Rath, welcher jetzo fast durchaus lutherisch
(denn die Katholischen an gehaltener Vörneuerung des Raths Ver-
stössen worden und ihrethalben viel andere schweigen haben müssen)
») A. a. O.
«) A. a. O.
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angerichtet, ist nicht zu sagen; Tag und Nacht liegt er in ihren
Gelachen, wie er denn verschienen Pfingstfeiertagen mit ihnen zum
Vogel geschossen, König worden, das Königreich oder der Schützen
Clenodia an Hals gehängt mit Drummeln und Pfeifen sich umb den
Ring fuhren lassen; derzu fasst er die lutherischen Landpfarrer an
sich, die alle zugleich nicht allein mich, sondern auch Eu. f. G: die
Klerisei und Kirche zum höchsten schmähen, lästern und verdammen,
also und dermassen, was ich einen Sonntag bau, die den folgenden
Tag leicht durch Beistand des gemeinen Pöfels einbrechen.*
»Es ist an dem (sonders Ruhm zu reden), dass ich dieses Jahr,
weil gemeldter Herr Valten nicht allhier gewesen, bei der Stadt viel
Personen gewonnen, also dass ich in die i ICD Personen zur Com-
munion gehabt, 600 sub una, 500 sub utraque und war noch zu
helfen, da etwan ein ernstes Einsehen geschah, und dem Apostaten
Herrn Valent (sampt dem andern verdorbenen Kromer, Merten
Kerbe genannt, der alles verschlemmt und sich jetzo zu Wittenbergk
hat ordiniren lassen, liegt auch allhier zu Aussig) die Bewohnung
der Stadt verboten werden kunnt, damit sie da, wo ihre Religion
im Gange, ihr Ambt vollzögen, und nicht solche Meuterei bei der
Stadt anrichten und stiften helfen.*
,Und da Eu. f. G: an dem Rath allhier ein ernsts Schreiben
thät mit Bedräuung, solches an ihr Kais: Mt:, weil die jetzo zugegen,
zu gelangen lassen, bin Zweifel ohn, das nicht eine geringe Bewegung
unter ihnen machen, sondern dieweil der Stadt Primas noch zum
Theil unserer Religion geneigt, aber gegen den grossen Haufen,
demnach er sich auf Niemands zu steuern, zu wenig ist und also ein
Nicodemus sein muss.*
, Aus erzählten angezogenen wichtigen Ursachen hochwürdigster,
in Gott g. F. und Herr, auch aus allen anderen circumstantiis. dem
das meiste Theil noch in der Feder, habt Eu. f. G: gnädigst als ein
Hochverständiger zu ermessen, was und wie viel ich bei dieser Stadt
die dritthalb Jahr, so ich allhie ausstehen müssen, welches mir die
Länge zuviel sein will und ertragen nicht werde mögen, derwegen
ich dann verursacht dies Schreiben an Eu. f. G: zu thun mit
demuthigster Bitt, mich dieser Condition zu entledigen und mit
einer andern zu versehen und weil Pece unter dem Herrn Christof
Popel von Lobkowitz auf Bilen ledig, mich daselbst hin zu vor-
schreiben, auch die Vorschreibung durch Zeigern, meinen jungen
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Caplan, gnädigst auszuschicken Befelcb thun, welches ich dann per-
sönlich überantworten will; bin der tröstlichen Zuversicht, Euer f. G:
werden hierin als ein Hochverständiger rechte Mittel und Wege
treffen, dass entweder ich der Bürden entledigt, oder der andere,
der mir die ganze Beschwerlich machen thut, vertreiben wird.*
^Eben wie ich dies geschrieben, bin ich mit gewisser Wahrheit
unterrichtet, wie zwo Rathspersonen, die ihm zuvor zum Weibe
geholfen, beim Herrn Nikiassen von Milen zu Tirmitz gewesen, aüdo
gedachten Herrn Valentino umb die Pfarr sollicitirt, auch so viel
erhalten, dass, wenn er die sacramenta sub una nicht reichen und
deutsch Mess halten will, soll sie ihm eingeräumet werden ; und also
wiederumb eine katholische Pfarr vom Dekanat entwandt und da er
der Stadt so gar nahe, ist gewiss, dass kein guter Tag mir oder
einem andern allhier zu hoffen.*
ylst derhalben noch zum andernmal mein sehr fleissige und
demuthige Bitt, Euer f. G: sofern nur möglich, wollen diesem Stürmer,
an dem doch nicht so viel gelegen, etwas dermassen bezähmen,
damit die Stadt und der gemeine Mann wiederumb befriedet werde,
dessen ich mich zu Euer f. G: als meinem gnädigsten Herrn und
Patrono gänzlichen versehe, thun werdet, den ich auf diesmals gött-
licher Allmächtigkeit von Herzen befohlen haben will.*
yDatum zu Aussig am 25. Junii dieses ^6 Jahrs.
E. f. G:
willigster Caplan
Caspar Creutziger
Pfarrherr daselbst.*
Nun drängt Kreutziger beinahe jeden Monat auf seine Ver-
setzung und weiss jede seiner Bitten durch neue Klagen über die
Behandlung, die ihm zu Theil wird, zu unterstützen. Ein gut Theil
davon mag übertrieben sein; trotzdem geben wir gern zu, dass
seine hartnäckige Gegnerschaft wider den einmal unwiderstehlich um
sich greifenden Glauben ihm manchen Feind und manch trüben Augen-
blick bereitet hat. Auch am 17. October d. J. sagt er*):
yEs ist doch nu forthin meines Bleibens nicht allhier, und do
solchs ihrer f. G: bewusst wurde, ich wahrhaftig allhier zu vorharren
nicht gedrungen, dargegen für meine Person wahrlichen mich so gar
0 A. a. O.
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hart nicht wegsehnen und nach andern Pfarrlehen trachten wollt, do
ich, dass meine Gegenwort der Stadt zuträglich, erkennen möcht.
Ich hab nun den Namen und das Geschrei bei den Abtrünnigen,
dass ich ärger denn ein Papist. — Daher gehen sie die Nacht, auch
wohl am lichten Tag, schreien auf mich mit sehr schmählichen
Worten, darzu die leichtfertige Handwerksbursch durch viele des
Raths Personen Vorhetze und abscheulicherweis solches treiben.
Kommpts zur Klag, hab ich zur Antwort, ich solle es beweisen,
da denn vielen auferlegt, ob sie schon etwas gehört, und wissen
still zu schweigen« Begegnete sie jemand aus meinem Gesind, das
nach Wein, Bier oder andere Hausnothdurft ausgesandt wird, wirft
man nach ihnen mit Steinen, oder stösst sie, dass sie die Getränk
kaum halb anheim bringen; zeige ich's dem Rathe an, gilt ihr nein
mehr, dann mein ja/
yKaum thun sie mir einige Reverenz, sintemal Herr Valten
heimkommen und sich der Fall, den ich ihr f. G: geschrieben,
zwischen mir und dem Rath des Spitals halben zugetragen; die
Feiertag und Festa werden durchaus nicht gehalten, ja die heiligen
Sonntag, das mich zum höchsten bewegt, die Fasttag sind ihnen
ein Gräuel, speisen Fleisch ohn Unterscheid der Tage, ja dürfen
mich wol darzu laden und auftragen; allerlei lutherische deutsche
Lieder, auch böhmische, unser Religion nachtheilig, singt man in
der Furmess, und da ich ihn das deutsch Gesangbuch Leisentricii
geben, etwas daraus zu singen, ist verloren worden und will Niemand
darvon wissen, damit ja ihr Pickhardtsche Lieder ein Fortgang ge-
winnen; die lutherischen Pfaffen gebraucht man öffentlich zur Com-
munion bei Kranken und Gesunden.*
,Alls, was wegen der Kirch, Schule gehandelt wM, muss auf
dem Rathhaus geschehen; wird mir etwan durch den Stadtknecht
angezeigt, welches ihr Furfahren niemals gethan, sondern zwo oder
drei Herrn sind auf die Pfarr kommen, allda was die erzählte Stuck
betreffen, einmuthiglich geschlossen; der Kirchen steht man übel
für, es mangelt an Lichten oder Kerzen, Öl. Kann deswegen E. A.
als ein Hochverständiger schliessen und ermessen, obs möglich, dass
ich unter diesen belialischen Volk bleiben kunnt oder sollt, ein Säu-
hirt hat Ruh, ich aber kann die oft und dicke nicht haben*
Nachdem Kreutziger seine gedrückte Stimmung dem erzbischöf-
lichen Kanzler J. U. Dr. Hieronymus Altperk geschildert, schliesst
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er mit den bekräftigenden Worten: »Uberschicke Euch ailhie
24 Vogel, wollet die zu Dank annehmen, und meiner bei ihr f. G:
ingedenk sein, anzeigende, dass Ich durchaus nicht vormein zu
bleiben, und sollt ich auch etliche Wochen, gleich ein Viertel des
Jahrs hin und wieder vagiren.* Aber diese Gabe scheint ihm
schliesslich doch zu gering, um ihn eines Erfolges zu versichern;
daher schnell noch das Postscriptum : »Will wahrhaftig, da ich
gedachte Pfarr erlange, euer A. ein paar Thaler, ja ein paar
Ducaten verehren.*
An demselben Tage wendet er sich auch brieflich an den Erz-
bischof selbst, um ihm sein Leid zu klagen; aber sein grösster Kummer
ist der: »Dann über das, was mir die dritthalb Jahr von den Ein-
wohnern bei Tag und Nacht öffentlich und heimlich widerfahren,
haben sie für 14 Tagen, zu mir ein altes Weib aus dem Spittel
schicken dürfen, und mir vorbieten lassen, ich sollt in gedachten
Spittel weder Mess noch Vesper halten ; die Gelegenheit des gemelten
Spitals ist diese: Do allda die fundationes derer, so etwas daher
testirt und beschieden, vormag, dass alle Freitag allda ein Ampt
der hl. Mess sollt gehalten werden, davon ein gewisses Geld dem
Altaristen auch bei meinen Gedenken, do ich Cantor allhier gewesen,
gegeben worden, darzu ist man im Jahr zu dreienmalen, als zu
Ostern, Pfingsten und zur Dedication mit gewöhnlicher Procession
herausgangen, alldo summam sambt der Predigt vorrichtet, welches
ich darin die zwei Jahr nach christlichen Brauch auch gehalten;
allein auf dies Jahr, da ich hinaus gehen wollen, ist mirs verboten
worden, wiewohl ich sie zuvor scliriftlichen vermahnt, sie sollten
solchen alten, löblichen Gottesdienst nicht fallen, sondern vne ihre
Furfahren gethan, halten und begehen, darauf ich dem Bescheid
durchs alte Spitalweib, wie oben angezeigt, erlangt ; die Ursach aber,
darumb sie solches, wie vor alters her nicht zu halten, bedacht, ist,
dass kein Geld vorhanden, und wissen die Mahlzeit, die man auf
die Dedication den Schuel und Kirchenofficialibus gibt, nicht zuvor-
richten, sogar (in Ansehen, dass sie es nicht über ein Schock ge-
standen) vornehmen (?) sie. Aber die Wahrheit zu reden, wie ich
zum Theil erfahre, hats die Meinung, dieweil Herr Valten Schcrfer
anklagt worden, als sollt er die Predigt darin verriebt haben, dass
im Spittal weder ich oder jemand anders die Ämpter nicht mehr
verrichten soll.*
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25
So scheint Kreutziger wirklich ungemein für sein treues Aus-
harren bei seiner Religion und seiner Ueberzeugung gelitten zu haben ;
wurde er doch im März des nächsten Jahres von dem Stadtrath in
Arrest gesetzt. Aber genauer besehen, stellt sich die Sache denn
doch etwas anders dar; seine eigene Vertheidigungsschrift vom
28. März d. J. spricht gegen ihn. Nachdem er in derselben zuvor des
längeren seine Verdienste um Aussig j^ohne Ruhmesseuche* ge-
schildert und andererseits wieder von den Angriffen berichtet, die
er zu erdulden gehabt, sagt er *): »Drei Artikel seinds, mit welchen
ich anklagt worden bin, und zwar nicht ich, sondern mein Gesind,
welches, do es Jemand zuwider, sollten sie mich biUich darumb
besucht haben, versehe mich, do ich der Wirth im Haus, dass ein
itzlicher für ihme gut Ruhe haben sollt.* Schlau unterlässt er es,
die einzelnen Anklagepunkte mitzutheilen ; aber aus dem Wenigen,
was er sagt, geht seine Schuld zur Genüge hervor. Er schreibt:
»Die angezogene Artikel ist nicht vonnöten weitläuftig zu verant-
worten; das erste darüber Euer f. G: ein Ungefallen tragen, ist,
dass ich meine Dienerin für mein Weib angezogen ; was mich darzu
verursacht, und wie ich darzu kommen, hab ichs zum Theil münd-
lich angezeigt, auch ausführlichen dem Herrn Praeposito allhier
schrifUich übergeben, worauf ich mich dann referire. Die andern
zwen, als dass sie reintrete als ein Gräfin widerlegt dies geringe
Einkommen, darauf ich mich sambt meinem Gesind, darzu Caplan,
Cantor, Schulmeister erhalten muss.* Kreutziger schien es sogar
unbillig zu finden, dass man ihn wegen solcher Kleinigkeit über-
haupt erst zur Rede stelle. Er verschwindet von nun an aus Aussig.
Mittlerweile hatten sich aber auch die Verhältnisse der ganzen
Umgebung geändert; sie war vollständig protestantisch geworden.
Da haben wir vor allem Karbitz. Hier war bis zum Jahre 1573
der uns bereits bekannte Balthasar Herschelius katholischer Pfarrer
gewesen, dann aber nach Brüx übersetzt worden. Man wandte sich
nach Prag um einen neuen Seelsorger; allein man erhielt nur Ver-
tröstungen, aber keinen Geistlichen. Der Priestermangel war zu gross
und es fanden sich damals nur wenige, die sich dem geistlichen
Stande widmeten. Eine Zeitlang suchte man sich damit zu behelfen,
dass man die Pfarrer der benachbarten Orte ersuchte, dann und
wann nach Karbitz zu kommen, um hier Gottesdienst zu halten.
1) A, a. O.
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26
Aber deren religiöser Eifer dauerte nicht zu lange an ; man wajidte
sich nochmals an den Erzbischof. Manchmal kam fortan ein Kloster-
geistlicher nach Karbitz; dann wurde er seltener und blieb endlich
ganz aus. In dieser Zeit nun war Hirschfeld als Pastor in dem be-
nachbarten Kulm thätig, wo seine Predigten grossen Anklang fanden,
die Zahl seiner Zuhörer sich beständig vermehrte. Man ging nun
hieher und fand die neue Lehre gut, besser denn die alte. So kam
es, dass auch in Karbitz immer mehr Bekenner derselben sich vor-
fanden und der Besucher von Hirschfeld's Predigten immer mehr
wurden. Kreutziger schrieb mehreremale in dieser Angelegenheit
nach Prag an den Erzbischof, so u. A. 1575: »Ferner hat sich
E. f Gd: zu erinnern, wie ich ettlichmal mündlich und schriftlich
wegen der Pfarr Karbitz angehalten, damit ein katholischer Priester
dahin, ehe ein sectischer einkäme, verordnet möcht werden, und ist
wol hoch vonnöten, dieweil ettliche im Städtl Tag und Nacht nach
hochistem Vermögen trachten, wie sie einen Lutherischen einbringen
möchten, sind auch mit dem von Zyzicz (Seesitz) nahend hier bei
der Stadt gelegen, allbereit im Handel vermeinende, ihn durch den
neuen Herrn nach Teplitz einzubringen und da solches geschehen
sollt folget daraus des ganzen Kreises vom katholischen Glauben
Abfall. Sie foviren auch die lutherischen Predicanten in ihren Häusern,
die Sacramenta und sonderlich der Taufe und Ehgeben nehmen sie
von ihnen; überdies untersteht sich ihr Schulmeister, ein unerfahrener
Lai, des Predigamts; was daraus zu gewarten kann E. f. G: als ein
Hochverständiger leicht ermessen.* Es half nichts; es kam der Tag,
wo Karbitz protestantisch wurde und die Kirche einem , lutherischen,
sehr grossen Lästerer* eingeräumt wurde. Das war Mathias Fritsch,
der bisher als Pastor in Gartitz gewirkt hatte und von der Bürger-
schaft von Karbitz um Annahme der Seelsorge bei ihnen angegangen
wurde. Von nun an wird die Reihe der protestantischen Geistlichen
in Karbitz bis zum Jahre 1624 nicht mehr unterbrochen. Wir
wollen dieselbe gleich hier mittheilen *). Mathias Fritsch stirbt am
16. Februar 1581 ; ihm folgt Samuel Jauch, bisher Pastor in Ebersdorf;
nach dessen am 14. September 1593 erfolgtem Tode folgt Simon
Prochlitz 1593 — 95, bislang Schulmeister in Karbitz, aus Freiberg in
Sachsen gebürtig ; sein Nachfolger, zugleich der letzte protestantische
1) Mittheiiungen etc. 1862, 3. Heft, p. 25.
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27
Seelsorger der Stadt, ist Heinrich Roth bis 1624, aus Altenburg in
Sachsen.
Auch Graupen erhielt im Jahre 1576 den ersten evangelischen
Pfarrer, Namens Michael Winkler, dem im nächsten Jahre Christoph
Walter aus Kamnitz folgte und der am 24. April seine Antritts»
predigt hielt, worauf er sich bald darauf mit der Tochter des
Marschner Richters Georg Sträbl vermählte *),
Auch die übrigen Orte waren protestantisch, so Peterswalde und
Ebersdorf, von denen Pfarrer Kreutziger im Jahre 1575 berichtet:
,Mit den Pfarrern zue Ebersdorf, H. Georgio Piscatoris gehet es
auch zue, das besser thät, denn auf s: G: Citation, ungeacht, dass
er durch seine CoUatrices die von Wrzesowitz auf Teplitz citiret
worden, ist gleichwohl nit erschienen, sitzt auf seiner Pfarr, lästert,
schmähet und verkleinert unsere Religion aufe höchst und dieweil
er mir nächst in die Hände kommen, hab ich ihn eingezogen und
nicht heraus lassen wollen, er verschreibe sich dann, welches, obs
gleich geschehen, bleibt er doch aussperren (sie). Also ist der zue
Probosstow eingezogen, hat mich wie billich niemals ersucht, welche
itzgemelte zwen Priester noch bis anhero keine sacros liquores ge-
fordert haben, dann sie durchaus alle Ceremonien verwerfen. Da
solches alles seinen freien Gang haben und ihnen gestattet werden
soll, will ich auf die letzt auch stillschweigen; werde also vieler Leut
Hass und Neid überhoben sein können.* Aber in fast all den ge-
nannten Orten finden wir auch nodi die Namen von katholischen
Geistlichen; welcher Art dieselben waren, zeigen die Berichte der
jeweiligen Dekane; am interessantesten ist unzweifelhaft der des
Barthol. Herschel vom 30. Juli 1579, weil er einerseits den Werth
der katholischen Geistlichkeit trefflich kennzeichnet , andererseits
auch die protestantischen Edelleute der Umgegend erwähnt, aller-
dings in einer parteiisch-einseitigen Beleuchtung. Herschel schreibt
an den erzbischöflichen Vicar Dr. Albin von Helfenburg ") :
jjAuf Euer A. jungst gethanen Befehlich des Herrn Simons
halben wegen der Pfarr zu Kolmen, dass ich ihn neben dem Schreiber
meines g. F: und Herrn praesentirn soll, und darob sein, dass ihm
die Pfarr Kolmen möcht vorliehen werden, kann ich Eu. A: zur
■ *) Hallwich: Graupen, p. 13 1.
*) Erzbischöfl. Arch. Prag, Recepta ab ao. 1576.
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28
Antwort nicht vorhalten, dass ich den 27. Juli solchen Befehlich
treulich nachkommen und dem Otto Kölbel den Herrn Simon prae-
sentirt; dem ist auch der Brief uberantwort, welchen er überlesen;
darauf er zur Antwort gegeben : erstlich beruft er sich auf den Land-
tag, zum andern gibt er für, dass er nicht bedacht sei einen katho-
lischen Priester anzunehmen, der seines Glaubens nit wäre, zum
dritten fiel es ihm schwerlich für, dieweil es andern sein Nachtbam
als nämlichen Adam Kölbeln auf Hurbitz, auch denen von Buna
und auch seinem vorgewesen Pfarrherr so jetzund zu Weisskirchlitz
unter Herrn Bernhard von Wrschesowitz ist, denen allen auch zuge-
lassen wird, ihrens Gefallens sectische Priester zu halten, ja zu thun
und zu lassen, Freiheit war; dieweil das Lehen sein war, sollt es
auch ihm nachgelassen werden. Nachdem ich aber ihm weiter zuge-
redet, war das seine Schlussred, er wollt in 14 Tagen (welches nicht
geschieht) ihr f. G: Antwort geben.*
jEben ist dem Herrn Johann Kirsten, gewesen Pfarrherrn zu
Cometaw bei den zwen Gebrudern Carln und Peter von Mulen
(Mücheln) auch widerfahren und zur Antwort worden, welche auch
allbereit einen lutherischen Pfaffen in die Pfarr zu Gartitz eingesetzt,
den die Leute nicht haben wollen. Wiewohl ich mit ihnen geredet,
so viel, dass sie mir zugesagt haben, die zwene genannte Brüder,
dass sie ihn in die Pfarrkirch nit lassen wollen. Nicht derwenigen
haben sie zu Schöbertz (das auch ihr ist) die Filialkirch eingeräumt ;
da dann Johann von Lungwitz auf Schöbertz seinen Unterthanen bei
Straf von 2 Seh. in die Kirch zu gehen geboten hat; welche arme
katholische Leut täglich mich umb Hulf anlaufen, bitten, man sollt
wehren, dass sie nicht von ihrem Glauben also erbärmtlich gezwungen
wurden. Wo nun ihr f. G: nicht durch die Herrn Statthalter mit
einem Ernst dazu thut, ist es res desperata, dass man bei den Edel-
leuten mit Glimpf was ausricht, denn sie auf ihr f. G: Schreiben gar
nicht geben; sonderlich dieweil man nicht den lutherischen Pfaffen
zu Hurbitz bei Adam Kölbeln von Geyssing durch die Herren Statt-
halter mit Gewalt pellirt, auch den zu Gartcz, den sie noch vor
einen Hausgenoss halten; und darneben auch Günthern von Buhna
auf Tetzschen, der über Hoffnung und Willen der armen Leute,
auch wider Befehl der Herren Statthalter zu Neschwitz vor etlich
Wochen einen sectischen Pfarrer eingesatzt hat, darauf sich die anderen
Edelleut gewaltig vorlassen.*
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,Ist dem nach mein demutiges Ansuchen und Bitten, Eu: A:
wollten doch bei meinem würdigsten Fürsten und Herrn Mittel und
Wege treffen, dass der Kirchen mocht geholfen werden und die
obgenannten Lutheraner von den Pfarren geschaffen wurden, dass
die armen Leute einsmals möchten wieder katholische Priester be-
kommen. Wie ich denn tröstlicher Hoffnung bin, für welches Eu: A:
grosse Belohnung von Gott zu gewarten hat.*
,Thu hiermit Euer A: Gott dem Allmächtigen befehlen. Datum
eiland zu Carbitz den 30. Julii des 79. Jahrs.
E: A:
williger Caplan
Bartholomeus Herschelius m. p.
Decanus des Aussiger Kreises und Pfarrherr zu Carbitz.
Postscripta:
Achtbar ehrwürdiger Herrl Nachdem Herr Simon Hoffmann
mir angezeigt hat, dass ich E: A: Relation thun soll, wie sich die
Priester in der Convocation (so ich auf Befehlich ihrer f. G: gehalten
hab) gehorsam erzeigt haben; kann derhalben E: A: zur Antwort
nicht vorhalten, dass die gehorsamlich erschienen sein, deren Hand-
schrift ich mit übersende; auch das, so ich ihnen zur treuen War-
nung sampt den vorgelegten Artikeln angezeigt, mit Dank ange-
nommen ; der Pfarrherr aber zu Aussigk, Georgius Ferber, derselbige
ist auf mein freundlich Citiren freventlich aussen blieben und auch
die andern, als Herr Andream Egelthan Pfarrherr zu Böhmischen
Cahn, auch zum Ungehorsam beredet, desgleichen den von Tirmitz,
welchen er auch mit diesen Worten angeredet hat: er sollt nit auf
Grauppen gehen, das Decanat war zu Aussigk bein ihm, so war
derhalben kein Priester schuldig mir zu appariren; wie er denn auch
dem Herrn Andres geschrieben hat, welches Schreibens eine Copey
ich E: A: übersende, dorin er mich vor einen Un vorständigen schilt,
so ich doch nit derweniger unterlassen habe, den Herrn Andream
in Gehorsam einzuziehen. Damit aber E: A: das da ehe der Wahr-
heit bericht hat, wie sich genannter. Pfarrherr also ganz ungehorsam
gegen mir hält, übersende ich E. A. eine Copey aus seinen zweien
Schreiben, die er mir schmählich zugeschrieben hat, und zuvor meine
Citation in Gegenwart ander Priester und Burger schmählich ange-
nommen hat, mit vieler Nachrede, wie er mir auch schreibet. Uber-
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sende derbalben E. A. die besiegelte Citation, das ich umbgesandt
habe, und bitt E. A. wollen sehen, wie übel er mich unter den
Priestern und Burgern unschuldig beredet.*
, Dergleichen thut er auch mit den Ehehandlen, wie denn itzund
eine Ehesache zu vorhören ist, dass die Parten zu mir kommen und
bitten, ich sollt als ihr Dechent sie vorhören und so möglich örtem;
so schreibt er mir zu, er bedarf mein lauter nichts dazu, treibt und
wüthet gegen den Parten, die solchs bei mir klagehaft gemacht
haben. Derhalben ich vorursacht bin worden, den Parten zu ge-
bieten, dass sie mit dem Handel stille stehn, bis ich wieder von
E. A: Antwort bekommen möchte. Bitt derhalben demuthiglich,
E. A: wollen dies Ampt von mir nehmen, und gedachtem Pfarrherr
befehlen, damit er in seiner Hoffahrt zu Ruhe sitzen möchte.*
,Zum dritten: Kann ich klagende über ihn nit vorhalten, dass
er seinen Cantori, der durch mein Promotion ist am Sonntag Judica
Subdiaconus ordinirt worden, Ursach gibt, dieweil er ihm nit hat
wollen gestatten, dass er soll ad presbiteratum promovirt werden,
und ihm auch die Cantori auf Galli aufgesaget, dass er nu Ursach
hat, so er in ein lutherische Stadt kompt, etwan ein Weib nimpt
und auch lutherisch wird. Solcher Ursachen wären viel anzuzeigen,
das er mit seinem seltsamen Kompt (sie) viel Ding in der Kirch
mehr vorhindert, dann bessert*
,Bitt derwegen E: A: umb ein gnädig Einsehen, damit dieses
zu Gehorsam gebracht wurde, so es aber E: A: nicht gelegen wäre,
zu Aussig zu visitiren, bitte ich E. A: wollte dem Herrn Kirlitz
Probst zu Leutmeritz mit dem ich aübereit darvon geredet, schreiben,
dass er an E. A. statt daselbst mit mir sein möchte, dann ers willig
thun wollt, so er ein klein Schreiben bekam.*
»Der Pfarrer zu Schön walde, Herr Marcus Eyser, welcher auch
aussen blieben ist, zeigt die Ursach an, dass er nicht hat kunnen
kommen, denn denselbigen Tag seine Kochin eine Kindbetterin
worden, welche Ärgernis und Sunde ich erstlich mit Worten gestraft,
alsbald auch ihn in die Straf des Gehorsams eingezogen. Vorsehe
mich, so der Pfarr zu Aussigk, der die andern rebellisch macht,
zum Gehorsam bracht wird, ich will diesen und andern zur Besse-
rung bringen, dass sie mehr Fleiss bei ihren katholischen Kirchen
furwenden. Bitt derwegen umb ein tröstlich Antwort.*
y Datum ut supra in litteris:
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Gelöbnis der katholischen Pfarrer:
Ego Christophorus Eyser, pastor in Ebersdorf, juro et promitto
obedientiam atque omnem reverentiam reverendissixno domino An-
tonio, archiepiscopo Pragensi, omnibusque successoribus ejus, et me
omnia proposita docere, praedidare, agnoscere, credere, tenere velle
ac debere; hoc mea propria manu protestor.
Eadem: Petrus Hübnerus, pastor Grupensis.
Martinus Praetorius, parochus Peterswaldensis. Joannes Trebeni-
cenus, parochus Tirmicensis. *
Wir haben hierzu nur noch zu bemerken, dass der katholische
Pfarrer von Aussig sich vermählte, und in Folge dessen von Kaiser
Rudolf II. an die Stadt der Befehl erging (28. August 1582), den-
selben gefangen zu nehmen und nach Prag vor den Erzbischof zu
stellen ^).
Die nächsten Jahrzehnte bringen der ganzen Gegend Ruhe und
Gedeihen. Es ist eine glückliche Zeit, in der nicht nur der Prote-
stantismus innerlich sich kräftigt und stärkt, wie er andererseits an
Zahl von Anhängern dauernd zunimmt; auch das Gemeinwesen
sehen wir überall froher Entwicklung entgegenreifen. Aeusserst selten
nur hören wir noch von einem Versuche, ändernd in die Verhält-
nisse einzugreifen; man ist im Vorhinein von der Fruchtlosigkeit
desselben überzeugt; denn selbst ein kaiserlicher Befehl, wie der
Rudolfs II. vom 5. November 1585 an den Rath von Graupen, den
bisherigen Pastor sofort zu entlassen und keinen anderen aufzunehmen,
als den, der ihnen vom Prager Erzbischofe zugewiesen würde, hat
nicht den geringsten Erfolg mehr. Ruhig kann sich das sociale Leben
aus der Verworrenheit und Zerrüttung vergangener Zeiten empor-
arbeiten zu neuer Blüthe. Das erwachende neue Leben sieht man
bald an der Fürsorge um die Kirche und Schule und deren Leiter,
den Pfarrer und Lehrer. Uns ist die ^Instruction* des Pastors zu
Graupen Jacobus Drobitius, vom 9. Juli 1585 erhalten"), durch die
er vom Rathe der Stadt aufgenommen wurde. Derselbe wird mit
einem Gehalte von j6 Schock jährlich angestellt, wozu noch unter-
schiedliche Sportein kommen, als da unter anderen sind: , Alle Opfer-
tage von jedem Wirth und Wirthin 2 \\ von den Dörfern, so
hiehero vor alters und noch gepfarrt sind und in dies Kirchspiel
*J A. a. o.
•) Hall wich: Graupen II, 67.
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gehören, gebührt dem Herrn Pfarrherr von einem Nachbarn, der Viehe
hat, auf die Dauschen, ist der Montag nach Trinitatis, ein Veix-
käse, von denen aber so nicht Viehe halten, i w. Gr. item von
einer Leichen in die Kirche zu legen, gebührt dem Herrn Pfarr-
herm von den Kirchengcldern i ffl, von der Leichpredig^ und das
Spolium, auch wofer es nicht mit abgelöset, welches zu lösen ein
jeder Macht hat, auch i ID ; zu diesem hat er alle anderen Acciden-
talia ecclesiae, als vom Taufen, Copuliren, Sepultur etc.*
j^Sepultur belangende:
,Von einer Leiche, so ufm Gottesacker ins Kloster beleitet, hat
er sampt dem Schulmeister 3 Gr. Von einer Leichen zum gemeinen
Begräbnus hat er sampt dem Schulmeister 6 Gr. item zur Beholzung,
schickt man dem Herrn Pfarrherrn in seine Behausung 6 Schrägen
Kurzholz, 6 Schock Gebinder Reisig. Vom alten Hofe gibt m.an ihm
alle Jahr i Veixkäse. Marschen gibt 18 Gr. 35 >^. Probstaw, das
Dörflein sind 9 Wirthe, die geben 45 Gr., das Dorf Sobodru, sind
12 Wirthe. thut i (B.*
, Folget hernach was ein Pfarrherr vor soliche seine Besoldung
zu vorrichten und was er sich in seinem Ampt zu vorhalten schuldig.*
^Nachdeme und als durch Abwerfung der Opfermess und vieler
unnötigen Kirchenceremonien einem Pfarrherm nicht wenig Mühe und
Beschwernussen benommen, so soll unser itziger geliebter Herr Pastor
so wohl sein nehister Vorfahr solches mit dem heiligen Predigampt
einbringen, also dass er durchs Jahr über sonderlich Sommerzeiten,
wenn der Tag lang ist, alle Sonntage zwo Predigten thun soll, so
es in bisweilen unterbleiben möchte, so soll er anstatt der Mittags-
oder Vesperpredigt den Catechismum mit der Jugend fleissig üben
und treiben, desgleichen an der Mittwoch eine Predigt. Der Knaben
halben soll täglich durchs Jahr zur Vesper ufs wenigiste drei Psalmen,
Hymnis und Magnificat in der Wochen gesungen werden. Am Sonn-
abend aber soll der Schulmeister seine Knaben fein gewöhnen und
unterweisen, dass derselben zween einer das deutsche Evange-
lium, der ander das lateinische, so folgendes Sonntages oder Festes
geordenet, nach dem Responsorio, vor dem kleinen Pulpet singe
und lese und allewege der Herr Pastor am Sonnabend. Sonntag und
sonst einfallenden Festen dabei sein soll.*
,In der Fasten alle Tage nach dem Salve und sonsten im Jahr
an einem Freitag oder wenn es dem Herrn Pastori am gelegensten
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den Catechismum zu treiben. Das Ampt zu St. Procop am Oster-
montage am Pfingstmontag und an Fastnacht Dienstag, davon hat
. er allemal seine Praesenz als 4 Gr.*
,Das Rorate im Advent durchaus zu halten, davon S. W. zu
gewarten, was sich von alters davon gebührt, als ein Viertel Rind-
fleisch, Auch soll er Winter und Sommer mit dem Läuten zur
Predigt, Vesper und Salve rechte und gewisse Stunden halten lassen,
darnach sich nicht allein die Kirchendiener, sondern Jedermännig-
lich zu richten habe.*
9 Er soll auch auf seine Dienst fleissig warten, nicht über Feld
gehen, er bestelle dann, dass Jemand an seine Statt, so zu taufen
oder anders vorfiele, vorhand«tt seie, auf dass kein Negligenz
geschehe.*
,Die Schul alle Wochen zum wenigsten einmal oder zwier visi-
tiren und wenn der Schulmeister oder sein CoUega mit der Lehr
der Knaben oder sonsten in der Kirchen sich nicht recht halten,
soll er dieselben, dergleichen dem Organisten und Glöckner Einrede
zu thun und sie zu strafen Macht haben.*
Auch hier in Graupen machte sich wie überall erwachende
Baulust bemerkbar. Die Kirche St. Anna, welche noch immer nicht
vollendet war, wurde nun ganz ausgebaut, und zu gleicher Zeit um
dieselbe ein Gottesacker angelegt, da die bisherige Begräbnissstätte
zu sehr entlegen war. Auch das Innere der Stadtkirche wurde voll-
ständig renovirt. Die folgenden Jahre brachten den Bau eines neuen
Hochaltars von Franz Dittrich, Bildschnitzer in Freiberg, die Auf-
stellung eines neuen Predigtstuhles, sowie die wettere Ausschmückung
von St Anna. In welcher Weise der Wohlstand der Bürger hier
sich hob, werden wir weiter unten im Zusammenhange betrachten.
Im Jahre 1586 kommt uns die letzte Kunde von einem Wider-
stände gegen die weitere Verbreitung des Protestantismus auf unserem
Gebiete. Andreas Klinser, Vicepfarrer von Aussig, meldet am 9. April,
dass er die Pfarrei Seestadtl, Besitzung des Herrn Dionys von
Michalowitz, deren Pfarrkinder vom katholischen Glauben abgefallen
seiea, übernehmen und sofort sich dorthin begeben wolle ^). Von
dieser Zeit an dringt fast keine Nachricht von grösserer Bedeutung
au die Oeffentlichkeit; Alles geht seinen ruhigen, friedlichen Gang
<} Erzbischöfl. Arch. Prag. Kecepta ao. 1586 orig.
Jahrbuch des Protestandsmus 1887. H. I.
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So kommt der Anfang des 17. Jahrhundertes. Im Jahre 1604
hält der Bischof Zbinco Berka die bekannte Diöcesansynode ab, um
den letzten Rest der katholischen Geistlichkeit zum Ausharren bei
der gemeinsamen Sache zu ermahnen; er hat damit wenig Erfolg.
Zwar hält zwei Jahre darauf der Dechant von Aussig, Johannes
Hagelius, eine Visitation in seinem Dekanate ab ; er hat wenig über
die ihm untergebenen Geistlichen zu klagen, da er fast keine mehr
besitzt. In Aussig selbst gehören mit spärlichen Ausnahmen auch
die vornehmsten Familien, deren Traditionen sie am zähesten bei
dem katholischen Glauben hatten ausharren lassen, bereits dem
Protestantismus an.
Das Jahr 1609 bringt den Majestätsbrief, für die ganze Gegend
eine sichere Bürgschaft freier Religionsübung; nur nicht für Aussig,
das mit diesem Jahre seine Leidensgeschichte anheben sieht. Was
überall als Glück gepriesen worden, hier ward es zum Unheil; eine
Reihe von Jahren herrscht Bürgerkrieg in den Mauern von Aussig;
immer mehr erhitzen sich die Gemüther, prallen immer feindseliger
an einander, bis dass die Erregung in gewaltsamer Weise sich Bahn
bricht, und das Drama, das vor unseren Augen sich abspielt, mit
einer Blutthat endet. Böse, kummervolle Tage, an die selbst spätere
Generationen nur mit Grauen zurückdenken.
Wohl hat das Machtwort des Kaisers auch den Protestanten
Aussigs freie Uebung ihres Glaubens zugestanden und sie freuen sich
der Wohlthat, die ihnen geworden, weil sie hofifen können, fiir alle
Zukunft frei aufathmen zu dürfen. Aber schon ist ihnen in ihrer
eigenen Mitte ein Feind erstanden, der, dem katholischen Glauben
angehörend, die Minderheit der katholischen Bewohner Aussigs an
sich zieht und mit aller Energie und stolzer Thatkraft alles anzu-
wenden versucht, der Gegenpartei die Zügel zu entreissen. Darf man
sich wundern, wenn er nach einer Reihe von Jahren, die fiir ihn fast
ebensoviele Triumphe bedeuten, denn doch von der Uebermacht zu
Boden gedrückt und vernichtet wird.^ Wir ehren die Energie und
den Muth des Mannes, der fiir seine Ueberzeugung alles, selbst
sein Leben eingesetzt hat, aber wir sympathisiren nicht mit ihm.
Der Mann, von dem wir sprechen, ist Johann Ernst Schosser
von Embsleben, Primator der kgl. Stadt Aussig. Er entstammte,
wie sein Zeitgenosse Tichtenbaum uns in seiner poetischen Geschichte
Aussigs zu berichten weiss, einem berühmten Geschlechte zu Frank-
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fürt a. d. Oder. Sein Vater war Katholik, die Mutter evangelisch.
Erzogen ward er in Prag als ganz armer Knabe — die Familie war
verarmt — , der sein Brot mit Singen verdienen und sein Nachtlager
in leeren Biertonnen, wie sie vor Brauhäusern lagen, nehmen musste.
Slawata nahm sich seiner an, Hess ihn in Prag bilden, dann auswärts
Studiren und machte einen tüchtigen Juristen aus ihm. Als ausge-
zeichneten Mann nahm ihn dann Erzherzog Leopold an seinen Hof
und machte ihn zum Hofrath. Zurückgekehrt nach Böhmen, ver-
heiratete er sich und wurde auf Slawata's Empfehlung Primator von
Aussig *). Als die Aufgabe seines Lebens betrachtete er, die Stadt,
der er vorstand, dem katholischen Glauben wieder zuzuführen, und
wir müssen gestehen, dass er dieser Aufgabe mit seltener Thatkraft
und mit ausserordentlichem Geschick sich unterzog. Wie die evan-
gelischen Gläubigen ihr Hauptaugenmerk auf die Stätten richteten,
in denen sie ihren Gottesdienst feierten, so suchte auch er durch
Ausschmückung der katholischen Kirchen die Liebe zum alten Glauben
wieder zu wecken, durch bessere Dotirung der Seelsorger seine
Erfolge zu dauernden zu gestalten. Das Erste, was er unternahm,
war die Erneuerung der alten Brüderschaft ,zu Ehren des allcr-
zartesten Frohnleichnams Christi, unserer lieben Frau und des hl.
Märtirers Wenzeslai*, die bereits am i6. Februar 1609 die bischöf-
liche Approbation erhielt"), in vorhusitischer Zeit die Kirche zu
St. Adalbert inne gehabt hatte und dieselbe nunmehr wieder erlangte.
Ein Zweites war die Erwirkung eines senatus consultum, welches die
Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken in der Stadt
regeln sollte. Dasselbe bestimmt, dass ^erstlich, obwohl dies exer-
citium religionis allein der römischen katholischen Kirche von und
über Menschengedenken hiero zugethan und verwendet, hiebei es
denn auch verbleiben, alle diejenigen, die derselben zugethan, ge-
bührlich geschützt, die Geistlichkeit bei Imperturbation , völligen
Jurisdiction, auch bei der Administration geistlicher proventuum und
redituum künftiger Zeit soll erhalten und geschützt werden, dass
denmach diesen allen unbeschadet erstlich das Bürgerrecht einem
Jeden verstattet, vors andere aller Zwang ausgeschlossen und Niemand
weder zu einer noch der andern Religion gezwungen sein soll. Vors
dritte, dass sowohl diejenigen, so sich der Communion sub utraque
1 Balbin: MisceU. hist.-boh. IV, 201 ff.
«) Conc. Prag. Erzbischöfl. Arch. Emanata 1609, 13, p. 349.
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allhier bei den katholischen Priestern als ander fremder Orte ge-
brauchen, neben den Katholischen sub una gleiches Schutzes, Friedens
und Rechtens geniessen, auch zu allen Ehrenämptem ohne Unter-
schied sollen gebraucht werden ; vors vierte, dass denen sub utraque,
so sich gleich der Communion andern Orts erholen, nichts weniger
das Geläut, Schuel und Begräbnus wie denn auch die Copulation und
Taufe ihrer Kinder verstattet und zu künftigen Zeiten unverspart
sein soll; darum denn um Erhaltung so viel besseren und bestän-
digeren Friedens kein Theil das andere weder bedrängen, viel weniger
öffentlich oder heimlich schänden und schmähen soll, wie denn mit
diesem senatus consultum öffentlich cavirt und verordnet sein soll.
Ob sich einer unterstehen würde, diesen Religionsfrieden zu violiren,
dass derselbe ohne alle Gnade tamquam turbator publicae pacis et
concordiae nach Erkanntnus E. E. Raths mit einer Geldstrafe oder
durch Verweisung der Stadt, so das Verbrechen so hoch sein würde,
beklagt werden soll.* Unterzeichnet sind die Senatoren: »Georg
Herlichius, Joannes Ernest Schosser, Hinlaus Thaur, Adamus Win-
disch, Mathes Ulbrecht, Paul Greulich, Valentinus Schilling, Til-
mannus Schirs, Joannes Moller, David Butterschneider. Jacobus Holfeld,
Martin Khun*).*
So friedlich dies senatus consultum auch klingt, es zeigt doch
schon aufs Deutlichste, in welcher Weise Schosser den Kampf auf
zunehmen gedachte. Kurz und bündig, ohne Rücksicht auf bestehende
Verhältnisse, unterstellt er die Bekenner der evangelischen Lehre
der römischen und reiht sie in zweiter Stelle ein, trotzdem er wohl
wusste, dass fast alle Senatoren dieser Lehre angehörten. Wie sich
letztere überhaupt zu dem Ansinnen des Primators verstehen und
auf die Unterzeichung eines für sie so verderblichen consultum ein-
gehen konnten, ist unverständlich. Schosser aber, vertrauend auf
seinen kaiserlichen Herrn, der ihn zu seiner Würde berufen, dachte
einem jeden Widerstände ruhig entgegenbKcken und jeden Kampf
mit der Hoffnung auf einen endlichen Sieg aufnehmen zu können.
Vor Allem suchte er den Dechant Hagelius, der seit 1606 bereits
in Aussig wirkte und den er als unermüdlichen Eiferer ftir den
katholischen Glauben hatte kennen gelernt, in Aussig zu halten, und
sorgrte deshalb dafür, dass sein Einkommen gesichert sei. Von den
Protestanten hatte er den hohen Werth des Kirchengesanges kennen
) Statthalterei-Arch. Prag A I. 17.
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37
gelernt; deshalb trachtete er auch bei den Katholiken in gleicher
Weise die Liebe zur Kirche zu erwecken; er sorgte für eine feier-
liche Vocal- und Instrumentalmusik im Gotteshause, verschaffte ferner
der Stadtkirche neue Altäre, Ornate und unterschiedliches Silberzeug,
letzteres im Werthe von 500 fl. *)
Dass man in Aussig solche Massregeln nicht geduldig hinnahm
und sich von protestantischer Seite zur Wehr setzte, ist natürlich.
Selbst die Senatoren» die das consultum unterschrieben hatten, in
der Meinung, dadurch den Frieden in der Stadt zu erhalten und zu
kräftigen, nahmen bald, da sie sich in ihren Hoffnungen getäuscht
sahen, eine ablehnende Stellung ein. Doch Schosser liess sich selbst
biedurch in seinen Bestrebungen nicht irre machen. Nach wie vor
suchte er seine Partei durch Heranziehung katholischer Ansiedler
zu verstärken, während er andererseits gegen Protestanten, die nicht
Bürger waren, auf das Schärfste verfuhr und sie einfach aus der
Stadt verwies. Bald hörte man neue Klagen gegen ihn, die endlich
zu einem Processe führten. Es wurde ihm vorgeworfen, dass er der
Gemeinde in jeder Weise schade, die Stadt um ihre Besitzungen
bringe und in Schulden stürze, dass er ein epikureisch - ehebreche-
risches Leben führe. In Prag, wo er begünstigt wurde, ward er frei-
gesprochen. Eine Zeitlang scheint Schosser in seinem Unternehmen
schwankend geworden zu sein; er fasste den Entschluss, Aussig zu
verlassen und nach Prag zu übersiedeln, zu welchem Zwecke er
bereits sein unbeweglich Eigenthum an den Rath der Stadt verkaufte.
Hätte er diesen Entschluss wirklich durchgeführt, wie viele bittere
Stunden wären der Stadt erspart geblieben!
So aber sollte es anders kommen ; die Tragweite seines Schrittes
hatte Schosser nicht geahnt. Der Hass, der ursprünglich nur gegen
die eine Person des Primators sich richtete, wurde allgemeiner. Schon
sind die Katholiken, an ihrer Spitze der Dechant, genöthigt, an den
König die nachstehende Beschwerde zu richten ■) :
, Durchleuchtigster, grossmächtigster Khünig, gnädigster Herr!
Was bis anhero bei der Stadt Aussig vor merkliche Zerrüttungen
entstanden, was auch vor unerhörte und gewaltsame Thätigkeiten
wider den Primas allhier gebraucht worden . dessen allen ist ihr
khunig: Mait: ausführlich Bericht gethan, hierauf auch ferner durch
*) Maresch: Jahrbuch, p. 2^,
•) Statthalterci-Arch. Prag. A I. 17 orig.
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dieselbe die Billigkeit verordnet worden, ob uns zwar wir samptlichen
so der Religion sub una in kleiner Anzahl zuegethan, des Gegen-
theils Entschuldigung, dass sie wider gedachten unseren Primas,
nicht ex affectu aut odio religionis, sondern politischer Beschwerung-
halben obberührtermassen procedirten in seinem esse müssen wahr-
haft lassen. Derowegen uns seiner auch öffentlichen so viel weniger
annehmen dürfen, so kompt und bricht doch nunmehr leider Gott
erbarm es ans helle Taglicht, was unter dieses des Primas Ver-
folgung gesucht und tractiret wird, dass eure kunigl. Mait: verbunden,
dass über alle ergangene Inhibition de alternis non offenjiendo auch
über alle durch die zwo in Prag arrestirte Personen angenommene
Assecuration den 20. huius die ganze Gemein wiederumb auf dem
Rathhaus ein Zusammenkunft gehalten, Hansen Dietrichen von Bila,
einen in der Stadt vorhandenen von Adel und Mitbürger pro ante-
signano aufgeworfen, folgends hierauf von den Kirchenvätern die
Kirchen register und andere der Kirchen und unsere hierüber habende
Jurisdiction angehörige Sachen abgefordert, und auf unsere Ver-
wegerung solche mit Gewalt zu nehmen uns bedrauet, schliesslichen
wider die Katholischen vor einen Mann zu stehen und dieselben gar
aus der Stadt zu verjagen sich verlauten lassen, und hierüber sich
sampt und sonderlich mit eigener Hand Unterschrift verbunden.
Wann aber gdster: Khünig und Herr die vorhero Attentaten so nicht
lange an dem Primas, sondern andern mehr Katholischen einenmale
die Häuser gestürmt, uns nicht allein billiche Forcht und Schrecken
einjagen, sondern besorglichen, dass diesem Augenblicke ihr khunig:
Mat: aus khunigl: Macht begegnen werde, dass ermeldte unserer
unirter Gegentheil wie an Kirchen und Gotteshäusern, also auch an
unsern Personen, Weib und Kindern, auch Haus und Hof böslichen
effectuiren und ins Werk richten werden. Wann aber gdster: Khünig
und Herr diese Thätlichkeiten wie dem allgemeinen Land- und Stadt-
frieden also dem der loblichen Herren Landstände sub utraque er-
theilten kaiser- und khün: Majestätsbrief so wohl als löblichen Land-
ordnung ex diametro zu entgegen : also gelangt hiermit an dieselbe
unser ümb Gotteswillen allerunterthänigstes und demüthigstes Suppli-
ciren und Bitten Euere khun: Mat: geruhe diesem Unglück bei Zeiten
zue begegnen, uns in dero khüniglichen Schutz verbergen und diese
gnädigste Verordnung thun, damit über die eifrige Burgschaft und
Recess de non offendendo in specie ein jährliche Caution allen sub
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Una in genere möcht bestellt und dass alle Gefahr Leib und Lebens
geubrigt bleibe. Hiermit befördern E. khun: Mat: die Gerechtigkeit
und solches umb dieselbe mit unserem Gebet zu verdienen, wollen
alle Zeit treu befunden werden.
Signatum Aussig an der Elbe, den 21. Juli ao. 161 1.
Euer khun: Mait:
unterthänigste gehorsamiste
Dcchant und alle katholische Burger der Stadt Aussig/
Der König richtete ein strenges Mahnschreiben an die Raths-
ältesten der Stadt, und diese beeilten sich, am Tage St. Margaretha
161 1 dem Könige zu geloben, dass j^ermeldter unser Primas auch
sammt allen den Seinigen aller Leibes- und Lebensgefahr vor uns
und aller anderen Anstiftung wie die durch Menschenlist zu erdenken
in und ausserhalb der Stadt gesichert sein möge und bleibe, ihm
auch wider diejenigen, so ihm und die seinigen wider den allge-
meinen kgl. Land- und Stadtfrieden verletzt, rechte Hilfe ertheilen
und verstatten sollen* *).
Das alles bestärkte Schosser nur noch mehr in seinem Vor-
haben. Er unternahm jetzt auch den Wiederaufbau des 1426 von
den Husiten niedergebrannten Dominicanerklosters. Nicht an der
alten Stätte, in der Vorstadt, wurde es aufgebaut, sondern an der
Seite der Adalbertskirche, welche die oberwähnte , Brüderschaft*, die
im Besitze derselben sich befand, sofort den künftigen Ordensbrüdern
auf Antrieb Schosser's übergab ; ein Capital von 500 Seh. sollte zur
Wiedereinlösung der alten Klostergründe dienen. Noch war der Bau
nicht beendet, als der Primator die Ordensbrüder bereits in die Stadt
berief; am 25. April 161 7 wurden sie feierlich in das neue Kloster
eingeführt.
Musste schon diese Massregel die Gemüther der Protestanten
aufreizen, so wurde ihre Aufregung durch Eigenmächtigkeiten, die
sich der Primator fortdauernd gegen die evangelischen Bürger er-
laubte, nur noch mehr entflammt. Ein jeder Katholik, der sich um
das Bürgerrecht bewarb, erhielt dasselbe ohne weitere Umschweife;
nur den Protestanten wurden Schwierigkeiten in den Weg gelegt.
Mit Bitten und Drohungen suchte Schosser sie zur katholischen
Lehre zu bewegen; gelang es, war ihr Anliegen erfüllt; wenn
») A. a. O.
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nicht, waren sie einer Abweisung sicher. Aber noch schwieg man;
noch ertrug man eine Zeit solche gesetzwidrige Uebergriffe; erst
nach Scbosser's Tode wurden dieselben näher bekannt. Wir aber
müssen die betreffende Urkunde, welche die Massregeln des Prima-
tors kennzeichnet, schon hier mittheilen; es erklärt sich daraus die
hochgradige Erbitterung der Bevölkerung, die endlich zu einer furcht-
baren Katastrophe fuhren musste. Das erwähnte Schriftstück lautet ■) :
,Der Gemein und Burgerschaft in der Stadt Aussig an der Elb,
sub utraque. Beschwer, wegen Bedrängnus in der Religion.*
, Anfangs hat sich unter andern Hans Fritsch, ein Fleischhacker,
über den langen Aufschub, in dem er beim erschlagenen Primas
umb das Burgerrecht angehalten, hart beschwert und vermeldet, dass
er, damit solches desto eher einen Fortgang gewinnen möchte, bei
ernanntem Primas, zum öfteren mit Verehrungen erschienen, und
letzlichen auch dem Rath Selbsten 6 Seh. erlegen müssen. Solches
Burgerrecht, aber nur etliche Wochen gebrauchet, weil ihm von
besagtem Primas dasselbe wiederumb aufgesaget, das Schlachten
verbeten und seine Nahrung gesperret worden. Vorgebende, wie
ihm solches, wo er nicht katholisch würde, keineswegs, vergönnt,
und darbei gelassen werden könnte.*
, Ingleichen vermeldet Balthasar MüUer, ein Barbierer, dass ihm
offtermals das Burgerrecht verwegert und abgeschlagen worden, und
obzwar ofterwähnter Primas die Unwissenheit der böhemischen
Sprach zum Schein vorgewendet, hat er doch vor allen Dingen auf
den Abfall gedrungen, und neben Erlegung 6 Seh. ihm auf 3 Jahr
dasselbe bewilliget, auch da er unterdessen der Religion halber sich
bedenken würde, solches völlig zu ertheilen versprochen.*
, Besagtergestalt ist es Micheln Butterschneidern ergangen, von
welchen erschlagener Primas, als er umb sein Burgerrecht angehalten,
200 Seh. erfordert und haben wollen. Jedoch mit dem Besag, wo-
fern er übertreten würde, soll er nur bei 2 Seh. gelassen werden,
und als er ihn hierzu nicht bringen können, ihm von der Stadt sich
zu wenden geboten und auferlegt, alle künftige Erbschaften abge-
schlagen, darauf ihm seine Nahrung gesperret, und seiner Hantierung
nicht gebrauchen, noch geniessen können.*
,Thobien Reichein aber hat er, ohne des damals regierenden
Burgermeisters Willen und Wissen, in der Herrn Frohnfeste legen,
*-*) Grosse Apologie p. 275.
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und ganzer 6 Tag und Nacht, ohne wenige angedeute Ursach, dar-
innen sitzen lassen. Nachdem er aber zum öftem der Ursachen
halber fragen lassen, ihm endlichen geantwortet, weil er sich seiner
Güter angemasset, und das Burgerrecht noch nit erlanget, dessen
sich kein Waise, wie mündig er auch wäre, sich unterstehen dürfte,
solle er seiner Güter, Äcker und anders müssig gehen, davon ab-
stehen, und anders Bescheids erwarten. Auf ein ander Zeit aber da
ec katholisch werden und von seinem Glauben weichen wollt, ihn
der Gefangnus zu entledigen, das Burgerrecht un verhindert zu über-
kommen, und der Güter zu gebrauchen, andeuten und vermelden
lassen.*
,Nach diesem obbesagten hat Peter Paul Schmid, Seifensieder,
über folgende Beschwerung zu klagen wissen, welcher, da er eine
Witfrau seines Handwerks zu erfreien gesonnen, und solches, wie
gebräuchlich, bei dem Primas ersucht, benebens auch, weil er ein
Burgers Kind, umb das Burgerrecht angehalten, er ihm nicht allein,
wenn bemeldter Schmid der römischen Religion beipflichten wollte,
beides verheissen, sondern auch noch 300 Seh. zu besserm Verlag
seines Handwerks, vorzustrecken verwilliget. Weil er aber verstanden,
dass benannter Schmid hierein nicht consentiret, ist ihm allessampt
wiederumb auff: und sich ferner darumb nit zu bemühen, untersagt
worden. Folgends aber seiner Vertrauten hart zugesetzt, und hat
ebenergestalt sie von ihrer Religion bringen wollen, auch auf Ver-
wegerung dessen, ihr nicht allein alle Nahrung gesperret, alle Fahr-
nusse inventiret, und aller Possession verlustig zu machen heftig
bedrohet. Darüber sich besagter Schmid, eine geraume Zeit, weil er
in seinem Vorsatz nicht befördert werden können, von Aussig be-
geben müssen. Als er aber, nach ermeldtes Primassen Tod, wieder-
umb umb das Burgerrecht angehalten, sei ihm von dem jetzt
regierenden Primas heftiger als vom erstbesagten, der Religion halben
zugesetzet worden, bis er endlichen auf ehrlicher Leut Intercession,
da jetziger motus in diesem Königreich entstanden, darzu gelanget.*
> Ferner hat sich Johann Langenberg, wegen seines Stiefsohns,
Augustin Ellingk, über den oftangedeuten Primas, schwerlich be-
klagt, weil er wider seinen Willen den Knaben oftmals abfordern,
und unter die Jesuiter geben wollen, mit Vermeld, dafern der Stief-
vater solches nicht zugebe, und seinem Begehren verwilligte, er alle
aufgerichte, und ins Gerichtsbuch assignirte Vertrag, zwischen ihm
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und seinem Stiefsohn der Mobilien und Immobilien halber, zu cassiren,
und ganz und gar aus dem Stadtbuch zu reissen, gesonnen.*
;> Beschwert sich nicht allein Georg Kehl, ein Schneider, wie noch
bei vorigen Primassens Lebzeiten, ihm die Copulation und Burger-
recht verwegert, und nicht ehe, bis er katholisch zu werden ver-
sprochen, zugesaget worden.*
Das Weitere aus der Beschwerdeschrift gehört nicht hieher.
Die Einführung der Dominicaner in Aussig besiegelte das Schicksal
des Primators. Eine förmliche Revolution gelangte nunmehr zum Aus-
bruch, die mit dem Tode des verhassten Mannes endete. Im Hause
eines Bäckers, Hans Otto, fand eine Verschwörung von 24 prote-
stantischen Bürgern statt, der sich auch einige Weiber anschlössen,
und die den Entschluss fasste, der Person des Primators sich zu
bemächtigen und ihm seine Macht zu entreisscn. An eine Ermordung
dachte wohl keiner der Verschworenen. Am 17. November 161 7
sollte die That zur Ausführung gebracht werden.
Der Tag brach an; die Thore der Stadt wurden gesperrt, die
Sturmglocke geläutet. Schosser wusste, wem dies alles galt. Er
suchte zuerst Zuflucht im Dominicanerkloster, verliess dasselbe aber
bald wieder und verbarg sich auf dem Dache seines Hauses. Drei
Tage lang konnte er sich hier versteckt halten; ein Dominicaner
reichte ihm die letzte Oelung. Am Morgen des 20. November ent-
deckte ihn ein altes Weib vom Thurme der Kirche aus. Man stürmte
seine verschlossene Wohnung mit Leitern, warf ihn die Treppe hinab,
zerrte ihn auf den Ringplatz und hier fiel Schosser, ein Opfer unge-
zügelter Rachgier, getroffen von 270 Dolchstichen.
Die grausige That war geschehen. Entsetzen und Schreck er-
füllte die Stadt; nun erst übersah man die ganze Tragweite der
unglückseligen That. Die besonnenen Elemente gelangten wieder zur
Geltung; man machte sich auf das Schlimmste gefasst. Schon am
II. December 161 7 wurden von Prag aus Commissäre ernannt,
welche die Untersuchung über den Mord zu leiten hatten ; es waren :
Ladislaus Zeidler von Schönfeld auf Enzowan, Hauptmann des Leit-
meritzer Kreises, Friedrich von Bila, Christof Wratislaw v. Mitrowitz,
Adam Riesenbersky von Jacowitz und Christoph Broda, femer
Daniel von Seifersdorf, Georg Michna von Watzinow und J. U. Dr.
Peter Fuchs *). Die Rädelsführer waren bald in Haft genommen ;
») Statthalterei-Arch. Prag A I, 17.
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unter ihnen werden genannt: der Bäcker Hans Otto, Hans Hübner
und Georg Pasta; sie alle fanden ihre gerechte Strafe.
Einen Augenblick hatte es den Anschein, als sollte Alles zum
Guten sich wenden. Zelensky von Kobitz und Mathias Pezolt theilten
sich in die Geschäftsführung der Stadt; die Katholiken wurden aus
dem Magistrate gestrichen, neue protestantische Räthe, ein neuer
Primator wurden gewählt. Der Pastor Habermann und der Schullehrer
Peter Dammer richteten Kirche und Schule von neuem ein; auch
die Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt wurde ihr eigen; der Dechant
Michaelius zog sich in das Dominicanerldoster zurück. Aber die
Ruhe war nur scheinbar; man ahnte, welcher Sturm drohe und
suchte ihm wo möglich vorzubeugen. Zeuge dessen das nachstehende
Rundschreiben, das an alle , Vormeister und Meister sub utraque*
der einzelnen Handwerke erging *) :
, Ehrenfeste, ehrbare und weise, besonders günstige Herrn und
Freunde, durch dies wird euch sämtlichen zu wissen gethan, wie
dass uns denen sub utraque von den Herrn Directoren dieses König-
reichs Behemb Ihr: G: vermöge von ihr röm: kai: Mait: Rudolfi IL
hochmildesten Gedächtnus gegebenen Majestätbriefes, ein freies
exercitium religionis vergönnet und zugelassen, und (weil wir einer
Kirchen Mangel empfinden) angehalten, dass uns das neue Haus,
darunter die Fleischbänke, welches von den Gemeingeldem des ver-
kauften Padleschin und Chwalow erbaut, hierzu vergünstiget und
eingeräumet werden möchte, bis so lang uns Gott der allmächtige
(dieweil es zur Fortpflanzung seines allein seligmachenden Worts
und Ausspendung der hochheiligen sacramenta des wahren Leibes
und Blutes Jesu Christi gereichet) durch Gottes Hülfe und Beisteuer
gutherziger Christenleut zu einer andern verhelfen würde. Welches
dann von dem Herrn von Czocha S. Gn: im Namen der wohlver-
ordneten Herrn Directoren Ihr Gn: denen sub Una abgefertigten
Personen anbefohlen, einem ehrenfesten Rath dies anzudeuten, dass
sie solches von der Gemeine erbautes Haus zu unserm exercitio,
und darauf predigen zu lassen uns einräumen und übergeben sollen,
im Fall solches nicht beschehe, sollen wir dies wieder berichten,
wurde hierauf was anders erfolgen etc. Weil man aber nicht gänz-
lich wissen kann, wer dieser Religion sub utraque, so Gottlob uns
gänzlichen freigelassen, anhängig und derselben zugethan, als ist
1) Orig. Stadtarch. Aussig.
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u
umb Nachrichtung willen dieser Brief ausgefertiget, (nicht dahin
gemeinet, dass einer oder der ander, wie dann leider den Unserigen
begegnet, hierzu gedrungen oder genöthiget sein solle), dass sich
ein jeder Handwerksmeister frei und gutwillig, ohne Heuchelei, unter-
zeichnen wolle, hernach sich ein Jedweder zu achten.*
yOb es zwar dies Ansehen, wie dann etzliche vorgeben, dass
einen Jedweden hierzu zu steuern und sonderlichen, weil man sonsten
mit den Kriegessteuem und andern Auflagen hart bedränget, grosse
Darlagen gegeben werden sollten, als solle sich Niemand dessen
abwenden lassen; wir wollen, wie obgemeldt, zufoderst Gott den
Allmächtigen, dann die Churfiirsten und Herrn umb Hulf und Bei-
steuer anrufen, derer Hilf wir uns gänzlichen getrösten, belangende
eines neuen Kirchengebäudes ist zwar kein Eilens, jedoch wird etwas
weniges zu den Kirchenornat als Messgewand, Alben, Altar und hierzu
gehörende Bucher, Kellich, Paten und andere Notdurft zuschaffen
angeleget werden, hierzu sich ein Jedweder seinem Vermögen nach
freiwillig erzeigen wird. Wir sambtlichen wollen guter und fröhlicher
Hoffnung leben, ein ehrenfester Rath, als unsere liebe Obrigkeit,
werden sich unsers Begehren nicht wegem, sondern was ihnen be-
fohlen williglich ins Werk setzen. In Gottes genädigen Schutz uns
alle entfehlende. Act. Aussig allhier den 4. Augusti ao. 1618.*
,Es wird auch ein Jedweder hierbei zum freundlichsten gebeten
und gewamet, dass sie sich gegen denen sub una friedlich verhalten
und mit nichten in ein einiges Gezänk einlassen oder hierzu Ursach
geben wollen, hiermit der Religionsfriede erhalten werden möchte,
und da solches von einem verbrochen, wurde derselbe von einem
ehrenfesten Rath in billige Strafe gezogen werden.*
(Schluss folgt.)
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II.
Burg Hohenberg.
(Ein Beitrag zur niederösterreichisohen Befonaationsgesohlchte.)
Von Dr. EDUARD BOHL.
Was zieht mich so mächtig zu dir hinan, du steiler Berg mit
den alten Ruinen? Sind hier auch etwa einst Lieder gesungen zu
Ehren dem Herrn der Heerschaaren ? Erklang auch hier : Ein' feste
Burg ist unser Gott? Lässt das mein Herz sdineller bei deinem
Anblick schlagen und die Brust sich heben, dass ich fast täglich
meinen Weg dorthin nehmen muss? Du hast es gerathen, lieber
Leser; es ist die Burg Hohenberg in Niederösterreich, drei Meilen
vom Kloster Lilienfeld gelegen, die es mir angethan hati
Burg Hohenberg hat eine reiche Geschichte, aber sie ist ver-
klungen, weil sie keinen Sänger gefunden. Die Stifter des Geschlechtes
verlieren sich in's Dunkle. Sie sollen abstammen von Ottokar I.,
Markgrafen von Steyer (de Styre), daher sie das markgräfliche
Wappen, den Panther, führten. Der Stifter der Hohenbei^er soll
Otto gehdssen haben und in einer Klosteracte von St. Lambert i loo
zum ersten Mal vorkommen. Der Qironist des Klosters Lilienfeld,
Hanthaler'), nennt Stephanus als Ersten, der 12 19 zuerst in
Lilienfdder Klosteracten vorkommt. Derselbe Gelehrte rechnet die
Hohenberger zu den regulis Austriae, zu jenen Geschlechtem, die
nicht Graf noch Baron, sondern einfach Herren von Hohenberg sind
— und eben damit uralter Herkunft, die nicht durch Archive belegt
werden kann. Der letzte Hohenberger, Erasmus, starb 1516, und
von dessen Tochtermann ging die Burg 1 540 durch Kauf an Christoph
Jörger, Baron von Tollet, über.
*) Im Recensus diplom. genealogicus archivi Campiliensis , Wien 1819—20,
Seite 26.
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46
Mit dem Namen Jörg er treten wir nun sofort in die Refor-
mationsgeschichte Niederösterreichs hinüber. Dieser Name hat einen
berühmten Klang; die Jörger*) haben Gut und Blut für den evan-
gelischen Glauben eingesetzt und sind unterlegen. Unter Helm-
hard VII. aus dem Hause Jörger wurde besonders die Araburg, die
seit 1590 dem Geschlecht gehörte, zu einer Art Mittelpunkt der
Reformationsideen erhoben und von hier aus das Land reformirt.
Die Araburg wurde bald der Sammel- und Zufluchtsort fiir alle
Protestanten ') dieser Gegend. Aehnlich mag es in Hohenberg, dieser
andren Besitzung derselben Jörger, gewesen sein. Während aber die
meisten ihrer Vorgänger vom Stamme der Hohenberger im Kloster
Lilienfeld begraben liegen, mussten sie den Wanderstab ergreifen,
wurden sie ihrer Güter beraubt und geächtet. Ein Theil von ihnen
fand endlich gastliche Aufnahme in den Mauern des hochherzigen
Nürnberg. Ein anderer Theil der Familie freihch wurde, nachdem
er zum alten Glauben wieder übergetreten, in den Grafenstand
erhoben. Es kann uns nur von höchstem Interesse sein, bei der
Spärlichkeit der Quellen, die über die Reformationsgeschichte Nieder-
österreichs fliessen, das Wenige, was sich, von der Burg Hohenberg
aus gesehen, darüber sagen lässt, aufs Sorgfaltigste zu sammeln.
Allgemein ist ja überhaupt die Klage, dass die Geschichte Nieder-
ö^terreichs noch nicht geschrieben, dass sie noch erst aus dem Grabe
der Archive erlöst werden müsse, und dass äussere und innere
Gründe zusammengewirkt, um sogar das Interesse fiir diese Ge-
schichte herabzustimmen. Was aber von der allgemeinen Geschichte
gilt, das gilt in noch weit höherem Grade von der Reformations-
geschichte dieses Kronlandes. In einem interessanten Artikel: ^^Die
Türken im Wiener Walde* bemerkt ein Feuilletonist der , Wiener
Presse* v. J. 1883 über den Charakter der Niederösterreicher Fol-
gendes: »Weit herum auf dem Erdenrunde könnte man eine Be-
*) Zwei Freiherren von JÖrger waren neben vielen Andern vom österreichischen
Adel 1542 in Wittenberg immatriculirt. Im 18. Jahrhundert ist das Geschlecht aus-
gestorben.
*) Vgl. Prof. Schober in den Blättern des Vereines für Landeskunde von
Niederösterreich von Dr. A. Mayer, XV, Seite 453. Interessant ist, dass um diesen
Helmhard die Volkssage ihre Gespinnste gewoben. So erzählt man noch heute, die
Araburg sei von ihm 1620 vertheidigt, von den Kaiserlichen eingenommen und zer-
stört worden. An eine Zerstörung ist nicht zu denken.
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47
völkerung suchen, die, auf historisch-interessanter Stätte angesiedelt,
von der Geschichte ihrer Vorfahren, von den Leiden und Nöthen
derselben so blutwenig zu erzählen weiss, wie die Wiener- Wald-
Bauern und die Hauer im Hügellande des TuUnerfeldes.* Geschichts-
taub und erinnerungsblind, ohne Localsage, ohne Ueberlieferung aus
der Vergangenheit ihres Ortes und ihres Hauses nennt er sie. »Dass
vor 200 Jahren auch sein Dorf von den türkischen Sengern nieder-
gebrannt worden, dass die Muhmen und Vettern seines Urahns in
die Gefangenschaft geführt, sein Urahn selbst mit anderen rüstigen
Nachbarn im Waldverhau sich zur Wehr gesetzt und die geflüchtete
Heerde erfolgreich vertheidigt habe, dass die immer wiederkehrenden
Jahreszahlen 1685, 1686 und 1687 an den verrauchten Tragbalken
der Stubendecken im eigenen und in den Nachbardörfern den Wieder-
aufbau der vom Türken ausgebrannten Häuser anzeigen, — von all
dem weiss er so wenig, wie von der Zeit, als 60, 70 Jahre vor der
Türkennoth seine lutherischen Vorfahren wieder katholisch gemacht
worden.*
Diese interessanten Bemerkungen, welche wir gern unseren
Lesern mittheilen, können wir durch unsere Wahrnehmungen bestä-
tigen, die wir den Lesern nicht vorenthalten möchten. Folgen wir
dabei dem historischen Gange der Reformation, wie er von Hohen-
berg aus betrachtet sich wahrnehmen lässt.
Vierzig Jahre nach der Besitzergreifung der Burg und des Amtes
Hohenberg durch die Jörger finden wir in vergilbten Blättern eines
Protokolls der Herrschaft Hohenberg, welches Verkäufe registrirt,
die erste Notiz von der Einführung des Evangeliums in Hohenberg.
Die schlecht geschriebenen Protokolle (eines fuhrt den Titel: »Bey
dem Marckt-Gericht Hohenberg, Angefangen 1620 Jar*) geben uns
vor Allem eine sehr hohe Vorstellung von dem Geist der Ordnung
und Zucht, der 1620 bereits in diesen Gegenden festen Fuss gefasst
hat- Und zwar waren die Besitzungen dieses Zweiges der Jörger
zahlreich; er besass ausser Hohenberg noch St. Egyd, woselbst
noch eine Kelchpatene mit dem Wappen der Jörger ist, ferner
Kreusbach, sowie die Burgen Bergau und die Araburg nebst deren
Dependenzen in der Gegend von Hainfeld. Hernais bei Wien gehörte
einem andren Jörger. Die Jörger hatten schon von der Mitte des
Jahrhunderts bis 1580 überall auf ihren Herrschaften evangelische
Gemeinden gegründet und Prediger aus Deutschland berufen. Die
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ihnen unterstellten Prediger waren meist Flacianer *) und nur mühsam
zu bewegen, sich an dem Streit nicht weiter zu betheiligen. Auf
den Starhemberg'schen Herrschaften hielten sich sogar nur Fia-
cianer auf*).
Bleiben wir aber bei Hohenberg stehen. Nie hat Hohenberg
und alle jene Gegenden unseres Kronlandes, wo einst das Evan-
gelium gepredigt ward, solche Blüthe wieder erlangt. Nie wieder
hat eine ähnliche Ordnung und Zucht hier geherrscht. Man Icann
dies schon ganz äusserlich aus dem Umstände ersehen, dass das
genannte Buch der Protokolle (angefangen 1620) in den ersten
Jahren nach 1620 noch säuberlich gehalten erscheint. Auch zeigen
diese Protokolle zu Anfang bei aller Langathmigkeit Gesetzes-
kenntniss, ein frisches Urtheil, und sind in erträglichem Deutsch, das
sich an der Bibel Luther's gebildet, abgefasst. Hernach aber, da der
Geist der Reformation verschwindet, stellt sich immer grössere Un-
ordmmg ein und zuletzt werden die gerichtlichen Entscheidungen
hin und her eingeschrieben, wo immer nur ein leerer Raum sich
darbot. Die Schrift wird immer unordentlicher und mit blasser Tinte
geschrieben. Die Contrareformation räumte auch mit der Ordnung
in solchen Dingen auf — mit dem Geist entfloh auch die Form —
und die Protokolle hören endlich ganz auf.
Wir erfahren also aus dem zuerst genannten Protokoll über
Verkäufe, die in Hohenberg stattgefunden, aus dem Jahre 1588 Fol-
gendes: »Am 10. August 88 ist vor dem Marktrichter zu Hohen-
bei^ und im Beisein der Herren Rathsgeschworenen beschlossen
worden, also und dergestalt: Erstlich gibt Stephan Bart seine Be-
hausung mit Rain und Stain und allem jus und gerechtigkeit dem
Ehrwürdigen und wohlgelehrten Herrn Johann Schwertforb, dieser
Zeit Pfarrherr und Seelsorger daselbst, um eine Summe Gelt, 40 fl.,
der fl. per 15 Batzen oder 60 Kraitzer.*
Hier haben wir wohl das ungefähre Datum der Emfiihrung
eines ständigen evangelischen Pfarrers im Markte Hohenberg. Um
das Jahr 1580 nämlich finden wir bei Raup ach, Mittheilungen,
Fortsetzung II, noch keine Erwähnung von Hohenberg. Aber dass
dieser erstgenannte Pfarrherr evangelisch war um 1588, ist auf einer
>) Vgl. Raup ach, II, S. 267 f. Ueber die Visitation des Jahres 1580 in diesen
Gegenden vgl. S. 273.
») Vgl. Raupach S. 274.
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4»
Jörger'schen Besitzuog selbstverständlich. Der Name Schwertforb
fehlt in der freilich unvollständigen Liste Raupach's (im IV. Bande)
überhaupt. Es sei aber von vornherein hingewiesen auf die respect-
voUen Titel, die dem »Pfarrherrn* vorgesetzt werden» während in
späteren Protokollen (zur Zeit der begiooenden Qmtrareformation)
mit dem Sinken der Achtung vor dem geistlichen Stande selbst die
Titulaturen abhanden gekommen sind. — Im Jahre isS8 war schon
längere Zeit das Evangelium frei vierkündigt worden. Nachdem die
Protestanten unter Maxiimlian II. 1568 und 1571 bedeutendere
Freiheiten nach anfanglicher Unterdrückimg errungen hatten, war
man an die Ordnung des Kirchenwesens nach deutschem Muster
geschritten. Man hatte schon 1580 Hörn, das Besitzthum der prote*
stantiscfaen Pucheim ^) (einer der hervorragendsten protestantischen
Adelsfamilien), als den künftigen Sitz des österreichischen Super-
intendenten in 's Auge gefasst. In diesem Jahre (1580) war eine
Kir^dienvisitation unter Backmetster aus Rostock abgehalten worden.
In demselben Jahre wurden schon 1 56 protestantische Edelleute und
321 protestantische Ortschaften in Niederösterreich gezählt; — es
waren nur 30 Familien vom Herrenstaqde und 32 vom Ritterstande
noch beim römisch-katholischen Glauben verblieben. Und der prote-
stantische Adel erschien, wie Adam Wolf*) sagt, als der mäch-
tigste Factor im öffentlichen Leben, in der Cultur und Politik. Sie
hatten auf ihren weiten Besitzungen ein grosses Mass des Self-
govcmment, — sie hatten die Justiz und die Verwaltung, das Kriegs-
recht, beinahe die ganze Executive in ihrer Gewalt.
Vor uns liegt ferner ein Manuscript, welches die Vorschrift für
die Richter des Marktes Hohenberg enthält (s. t. , Handel und
Wandel, so auch in Pandätting") zu melden*). Zu gewissen Zeiten
wurde Gericht ^Pandätting) abgehalten und hier wurden Strafen nach
ganz bestimmtem Ausmass den Schuldigen zuerkannt. Da heisst
es u. A. : ,Wer Fisch fangt in des H^rn Fischwasser, wird bestraft
mit 6 « — Wer mit der blossen Hand, steht in des Herrn Straf*
(also nach Belieben).
1) Sie haben 1535 den ersten protestantischen Pfarrer in NiederösterreicH, Steph.
Lohäiu, hier eingesetzt. 1618 lebten nur 2 Katholiken im Orte.
>) Bilder ans Oesterreich, I, S. 239.
*) Das Wort ist nicht bei SchmeHer tu finden.
Jahrbuch des Hrotetuntümu« 1887. H. 1. 4
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Aber noch weit interessanter sind die in dem oben erwähnten
Protokoll (vom Jahre 1620 an) verzeichneten Rechtshändel und deren
Schlichtimg vor dem Marktrichter und den Herren Rathsgeschworenen.
Die Entscheidungen, so weit sich solches nach 266 Jahren noch beur-
theilen lässt, athmen strenge Gerechtigkeitsliebe. Der Streit dreht
sich gewöhnlich um Verbalinjurien (,Schölm* u. dgl.) oder um An-
drohung von Schlägen (»Maultaschen^); ein andres Mal droht ein
Mann der Nachbarin an, er werde ihrem Manne den Bart raufen.
Alle diese Fälle werden mit Bussen bis zu einem, ja mehreren
Dukaten belegt. Es finden sich Verordnungen, dass von den Ein-
wohnern dem Gaishalter (Hüter) die Gais gegeben werden müsse.
Hinsichtlich des Holzsammeins im Walde, der Fleischbeschau, des
Waiderechts herrschen strenge Regeln, auch darüber, dass die
Rauchfange alle 4 Wochen gekehrt werden sollen und der Nacht-
wächter alle Quartale sein Geld erhalte*). Diejenigen, welche in
diesen Dingen Ordnung schafften und erhielten, heissen im Protokoll
Richter, Rathsgeschworene und Bürgerschaft. Der Richter war von
den Besitzern der Herrschaft eingesetzt, aber die Bürgerschaft genoss
daneben einer erfreulichen Autonomie.
Wozu wir dies Alles citiren? Weil es zeigt, welche Zustände
unter der Aegide dieses protestantischen Adels in Oesterreich ein-
gebürgert waren, und zwar nicht auf dem Papier, sondern also, dass
streng auf die Beobachtung der gegebenen Vorschriften gehalten
wurde. Es gibt wohl keinen deutlicheren Beweis für die wohlthätige
Macht des Evangeliums — als solche Protokolle. Aber diese ganze
Blüthe, die das Evangelium hervorgetrieben, sank bald dahin, als
der Reif der Contrareformation sich auf das arme Land senkte. Das
Culturbild des so segensreich sich ankündigenden protestantischen
Zeitalters Oesterreichs ist alsbald verblasst und seine Züge erkennen
wir nirgend mehr!
Doch suchen wir nun weiter in den Marktprotokollen nach den
Anzeichen der evangelischen Periode. Im Volk wird sie noch heute
gern auf 100 Jahre taxirt; die Erinnerung, dass ganz Hohenberg
einst protestantisch war, ist noch nicht völlig erloschen, denn annoch
stehen alte Häuser an der Hauptstrasse und tragen ihre alten Schilder.
*') Jeder, welcher ein Stamm Holz hacken will, soll sich am Ersten beim Förster
anmelden, unter Strafe von 6 Schillinge 2 Pfennige, — Wegen des Baues einer
Latrine, die dem Vieh des Nachbarn schädlich i&t, findet eine Entscheidung statt.
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51
Sie dauerte aber in Hohenberg besten Falles von 1580 — 1627, also
kaum $0 Jahre. In dieser Zeit war man aber in diesen Gegenden
»fest protestantisch*, wit ein Gewährsmann mir solches versicherte.
Die Katholischen waren auf 100 zusammengeschmolzen und hielten
in Fahrafeld C/* Stunden von Hohenberg) in einem unscheinbaren
Hause ihren Gottesdienst ab ; das Kloster Lilienfeld ') bot hilfreiche
Hand. Begraben wurde in St. Veit, 3 Stunden landeinwärts. Die
Kirche, genannt »Jakobuskirche*, hat erst vor 100 Jahren einen
Thurm erhalten; es war in der protestantischen Zeit auf solchen
nicht gerechnet, und man richtete ihn nunmehr (1790) dort auf, wo
es eben anging, und zwar nach Osten. Der Altar ist vom Jahre 1691
und steht, gegen die Gewohnheit, an der Stelle des protestantischen
Altars — nach Westen. Vor dem Altargehege befindet sich ein
Grabstein folgenden Inhalts:
A** Domini 1521
Hochgeborne Herrn Rudolf
Herrn von Huhenfeld, dem
Gott gnädig und barmherzig.
Es ist, wie durch Autopsie vor zwei Jahren festgestellt wurde,
ein Pfarrer aus der berühmten Familie der Hohenfeld darunter
begraben, welches Geschlecht später auch zu den Evangelischen
zählte und von denen Einer, Hans Ludwig, ausgewandert ist. Viel-
leicht gehörte auch der hier begrabene Hohenfeld zu jener Schaar
von Humanisten, welche die Reformation in ihrer Weise vorbereiten
halfen.
Die über dem Orte hervorragende Burg scheint durch den Zahn
der Zeit aJlmälig zerstört worden zu sein. Wenigstens eine Bela-
gerung durch die Türken hat sie wohl nicht erfahren. Dieselben
sollen im 2 Stunden entfernten Freiland durch die bewaffnete Bauern-
schaft abgehalten worden sein, und seitdem habe dieser Ort eben
den Namen Freies Land (Freiland) und Befreiung von Zoll und Ab-
gaben bekommen.
Unter dem 24. August 1620 wird im Protokoll als Pfarrer in
Hohenberg der , Ehrwürdige Raimundt Piterschraut, Pfarrer allhier*,
genannt. Derselbe supplicirt bei dem erwähnten Marktgericht wegen
1} Von Leopold VI., dem Glorreichen, um 1200 in einem Tbale der Traisen
gestiftet. Eine hier geweihte Fahne begleitete Leopold auf dem Kreuuuge 1207.
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Erlass d6s jährlichen Waidzinses. Er wird ihm zugtetanden unter
demselben Datum. Damals fand eiti für die Chärakterisinmg jener
Zeit höchst wichtiger Fall kirchlicher Zucht statt. Eine Frauensperson
hatte sich mit einem Schreiber vergangen, und nachdem solches
zufolge amtlichen Auftrages durch zwei erfahrene Frauen untersucht
worden, kam die Sache vor das Marktgericht. AUhier wird nun,
unter näherer Darlegung des Vergehens, Folgendes zu R^ht beste-
hend ei'kannt: »Weilen bemeldte Kunigunde mit gedachtem Schreiber
in Folge getriebener Unzucht ein Kind erzeugt, ist sie am Tage
Fhilippi und Jacobi ^) unter Kirchzeit in der Precht gestanden, den
folgenden Sonntag drauf vor der Kirchzeit auch ; in Verrichtung der
Predigt aber bei dem Altar gekniet, hernach durch Herrn Pfarrer
absolviret und letzlich auf Jahi- und Tag aus der Landschaft geschafft
worden*
(dato i8. Febr. a. i62i)*).
Wir staunen ob solcher Kirchenzucht und bewundern dieselbe,
zumal wenn wir auf die Gegenwart blicken.
Aber schon während hier die evangelische Kirchenzucht in dem
einsamen Thale geübt wurde und vielleicht Mancher in seinem
Herzen murrte über die dem Fleische widerwärtige Strenge, tl\ürmte
sich das Gewitter zusammen, das in etwa 6 Jahren auch über Hohen-
berg sich entladen und die dem trägen Fleisch abholden Prädicanten
zu einem Male verjagen sollte.
Grosse Dinge hatten sich vollzogen. Die von Ferdinand gefor-
derte Erbhuldigung war zwar von einem grossen Theil des nieder-
österreichischen Adels (des Herren- und Ritterstandes) geschehen,
aber Viele hatten sich nicht gebeugt, weil sie keine Sicherstellung
des evangelischen Glaubens vom Kaiser erlangen konnten. Unter
ihnen war auch der Besitzer von Hohenberg, Helmhard Jörger, nebst
andern 30 protestantischen Landherren des Kronlandes, welche nun
für Feinde des Vaterlandes und ihres Fürsten erklärt wurden. Helm-
hard Jörger wurde gefangen genommen, aber dann auf Bitten seiner
Gattin, einer Khevenhüller, begnadigt. Seine Güter wurden 162 1
') Jacobus hiess der Patron der Kirche; man scheint also kein Gewicht au
solche Dinge mehr gelegt tu. haben, sonst würde am Tage des PütröDs kein seIcKer
Act stattgefunden haben
') Obiges ist ein Auszug aus dem Protokoll: ^^Bey dem Markt^Gericht Hoben -
berg, Angefangen 1620 Jar^. (Nicht paginirt.)
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vom Fiscus eingezogen. Nach seinem bald erfolgten Tode suppli-
cirte noch seine Gattin um die eingez<^enen Güter, aber vergeblich ^).
Das Amt des obersten Erbland^Hofmeisters erhielt Graf von Meggau ').
Vom Fiscus kaufte die Herrschaft und Veste Hohenberg 1625 der
aus Hlustrem spanischen Geschlecht stammende, natürlich katholische
Johann Balthasar I., Freiherr (nachmals Graf) von Hoyos*). Pie
andren Besitzungen des Hehnhard Jöi^er cedirte B. von Hoyos dem
Kloster LiHenfeld, mit der ausdrücklichen Clausel: bei den Unter-
thanen den katholischen Glauben wieder einzuführen^).
In der Zeit nun zwischen 1621 — 1625 werden die Hohenberger
Evangelischen noch eine verhältnismässig ruhige Zeit gehabt haben.
Obschon der Zorn des Landesftirsten die renitenten Edelleute aufs
Höchste traf, so dachte man doch selbst auf ihren Besitzungen nicht
an ehke sofortige Ausrottung des Protestantismus, — einfach weil
es ein Ding der Unmöglichkeit war. Schnell genug aber hat sich
in Hohenberg der. Wechsel vollzogen und ist jedenfalls 1625 mit
den Hoyos der römisch'^katholische Gottesdienst wieder daselbst ein-
gezogen.
tn der That haben wir in den mehrgedachten Protokollen
d. d. 22. April 1628 die erste deutliche Spur von der Einfuhrung
jenes Gottesdienstes. »Es klagt Herr Daniel L. Singer, der Zeit
Pfarrer allhier, den Ludwig Porkh, dass er vor dem Amt der
R. Mess in seinem Hause Wein ausgegeben hat*, wobei Unordnung
stattgefunden hat. Dafür ist er bei Gericht gestraft worden mit
2 Reichsthaler.
Also im Jahre 1628 ist der römisch-katholische Pfarrer schon
Mannes genug, um inmitten einer doch wohl noch immer erregten
Gemeinde zu klagen. Demgemäss wird er schon etliche Jahre festen
Fttss gefasst haben. Von der Erregung in den Gemüthem findet
sich aber nur eine unzweideutige Spur in unseren Protokollen, und
zwar die folgende, der Schrift wegen schwer zu entziffernde: ^Den
7. Juni dieses 653 Jahres [1633] ist eine gantze Nachbarschaft ein
hdKg*) Aufeinander gewesen von wegen unsres Herrn P&rrers
<) Vgl die Artikel .Jörger^ bei Wissgrill und Hanthaler, Recensns II,
S. 48 (Taf. 2).
*) S. Wurmbrand^s CoUectanea, S. 276.
*) Höyös in unserem Protokoll geschrieben.
*) S. Hanthaler, Recensus 11, S. 49.
f) :s hitziges.
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Gregor Gcorginus Stillomehus ; von wegen eines Scheines, der ihm
gegeben ist worden von ^) von wegen seines Verhaltens
halber. So sind aber die alten Handel*) hervprgenommen worden,
die doch schon verglichen sind worden, und weiss jetzunder eine ganze
Nachbarschaft ...... nichts als Liebes und Gutes und ist also ein
•) an Eidesstatt gefragt wordep.* »Ges<;hehen vor deip Richter
ailhier^; folgen die Namen der Rath&geschwocepen.
Aus diesem Actenstück sehen wir, dass man dem auf jenen
Singer gefolgten zweiten. römisch-katholischen Geistlichen etwas am
Zeuge flicken wollte und sein Sittenzeugniss, das er mitgebracht,
beanständete. Dabei ist denn das unter der Asche fortglühende
Feuer wieder in helle Flammen ausgeschlagen. Aber man dämpfte
es schnell; Zeugen fanden sich nicht und die Nachbarschaft redete
nur allzu willig den Herren nach dem Munde. Er blieb also ! —
Dieser Fall ist mm aber sehr bezeichnend für die ganze Haltung
der Bevölkerung in Hohenberg zunächst, und gibt uns zugleich einen
Fingerzeig fiir die Lösung des historischen Problems: weshalb die
Contrareformation in Niederösterreich an den meisten Orten leich-
teres Spiel hatte, als anderswo. Wir registriren hier aus den Proto-
kollen der folgenden Jahre, dass kein Fall vorgekpmmet^ dass sich
die Streitenden wegen der Religion beschimpft hätten,, was doch den
Parteigängern der neuen Ordnung g^enüber recht nahe gelegen
haben würde. Es bleibt immer bei den alten Händeln über Mein
und Dein oder wegen ganz gewöhnlicher Ehrenbeleidigungen. Ein
einziges Mal kommen in einer Beschimpfung, die bei dem Gericht
anhängig gemacht wurde, die Worte vor: Es sei wohl ein Frömmerer
als er^) aus der Herrschaft gelassen worden. Daraus sehen wir, dass
man auch im Landvolk mit der. Landesverweisung nicht zurückhielt.
Sonst aber herrscht tiefes Stillschweigen. . Was für weitgehende
Schlüsse sich daraus ziehen lassen, li^ auf der Hand. Der Adel
Oesterreichs war es also , der die Unterthanen, die ja meist im
Hörigkeitsverhältniss zu ihm standen, mit sich fortgerissen hatte.
Die Bevölkerung selbst war wohl willig gefolgt, aber daran gewöhnt,
üb<2r sich verfugen zu lassen, Hess sie nun, wenn auch unwillig und
^) Unleserlich; rielleicht die alte Gemeinde, an der er vordem gestanden.
') Dies spielt deutlich auf die Religionsänderung 1625 an.
<) Vielleicht: Handschlag.
*) Der Beschimpfte.
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im Herzen noch lange grollend, das Joch der Contrareformation über
sich ergehen. Und überdies bedenke man wohl^ dass eine durch
Jahrhunderte lange Herrschaft *) des alten Glaubens niedergehaltene
Bevölkerung, die zudem wohl meist unterhalb . der Bürgen aus den
Hörigen der adeligen Herren sich recrutirte, nicht in 40—50 Jahren
verbessert werden kann. Wir befinden uns nicht in Schottland oder
den Niederlanden, auch nicht in einem Lande, wo der freie Bürger-
stand ein grosses Wort mitzureden hatte, sondern auf dem ^Bpden
der Ostmark.
Längere Zeit aber blieb die Kirchengemeinde in kläglichen Ver-
hältnissen, und erst dem zweiten katholischen Besitzer aus dem
Hause der Hoyos war es vorbehalten, einen Stiftsbrief der Kirche
zu ertheilen und damit das römisch-katholische Pfarramt in Hohen-
berg bis * auf den heutigen' Tag zu befestigen. Die Dotation ist von
Interesse. Sie besteht in einer gegenwärtig noch giltigen Deputat*
Urkunde zur Unterhaltung der Jacobusldrche, d. d. 10. November l645>
vom Besitzer Hohenberg's, dem Inzwischen in den Reichsgrafenstand
erhobenen Herrti von Hoyos, unterzeichnet. 'Der Graf zahlt nach
derselben dem Pferrer an baarem Gelde 116 *fl. und bestimmt ihm
ausserdem Land, Wiesen und 2 Kühe.' Der damalige Pfarrer hiess
Schimann, also schon der dritte seit 1628.
Aus der protestantischen Zeit fehlen alle amtlichen Ausweise:
die Matriken werden verschleppt öder vernichtet worden sein; die
series parochorum evang. ist nicht mehr herzustellen. Ueber die
Schicksale der Vertriebenen herrscht ein tiefes Stillschweigen ; kurz,
das kirchliche Bild des protestantischen Zeitalters ist wie mit einem
Schwämme weggewischt.
Die neuen Besitzer spanischer Herkunft unternahmen es, das
Volk , katholisch zu machen*. Dann kam ihnen die Türkennoth auf
den Hals und haben sich die Bauern bei Freiland*) tüchtig ihrer
Haut gewehrt, so dass das Thal, in dem Hohenberg liegt, und der
1) Zum Theii auch Klosterherrschaft. Lilienfeld hatte Besitzthümer in dieser
Gegend.
<) Die Sage geht: es habe der türkische Heerführer einen andren Weg, längs
der Traisen, nach dem Kloster Mariazeil eingeschlagen und dabei sich verschworen,
er werde um 12 Uhr dort eintrefifen. Da hätten aber die Glocken um 11 Uhr bereits
12 geschlagen und soll er beschämt zurückgezogen sein. Seitdem werde in diesen
Gegenden um ii Uhr und um 12 Uhr geläutet, was wirklich der Fall ist.
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Schmuck Hohetiberg's, die alten, festgebauten Häuser, uoter ifaneo
das Herrenhaus, unversehrt blieb. Man erzählt im Volk, dass der
Graf Hoyos sich damals geweigert habe, seine MannBchaft den
Bauern zur Hilfe zu schicken, und dadurdi bei seinem Laadesfiirsten
stark Verstössen, we^alb er seitdem die Vcate Hobenberg gemieden
und dieselbe, seitdem vemadiiäsaigt, aUmäfaUg ein Trünvnerbaufe
wurde.
So war denn das Feuer, welches das EvangeUum entzündi^,
gelöscht ; die Bürger gehorchten, das Landvolk folgte dem Adel ;
dieser sdbst kehrte allmälig zum alten Glauben zunick. Ein Bild
solches Adeligen jener Zeit hat uns der Grazer Professor Adaoi
Wolf in seinen »Bildern aus Oesterreich*, Theil I, gezeichnet. E»
ist Hans Ludwig von Kufetein. Es heisst hjer auf S. 398 u. A. :
»Das Bürgerthum verlor seine Freiheit als vierter Stand. Der Kaiser
forderte unbedingte Unterwerfung. »Werdet ihr euch als getreue
Unterthanen, so werde ich mich als euer Vater erwei8en\ sagte der
Kaiser den EdeUeuten. Es war dies ein neu«B Staatsrecht.
Alle Zugeständnisse Ferdinafid's II. von 1619 und 1620 waren zer-
rissen, von den zwei Gewalten^ der ständischen und fürstlichen,
weldie bisher das öffendiche Leben bewegt hatten« war die eine
gestürzt, mit der ständischen Entwicklung, mit der organischen Frei-
heit, wie in England oder in den Niederlanden« war es in Qester-
reich für immer vorbeL Die Regierung betrat den Boden der Allein-
herrschaf): in Staat und Kirche.*
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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in O esterreich*', welches unter der Redaction des Präsidenten
(Dr. Karl Ritter von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. >4//A. IVitxViudX^v, Theodor
Haase) und des Secretärs der Gesellschaft (Lic. Dx. Gustav Trautenberger) in viertel-
jährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in
>Aittheiliing von Urkunden, in Besprechungen und Notizen Alles, was sich auf die
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht.
Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit ungetheilter Freude begrüsst
und von der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden.
Hier einige Worte aus Recensionen:
„Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb-
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf
man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheissungs vollen Anfang theilneh-
mend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang unt^r Gottes Segen getrost
in Aussicht stellen.**
„Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das
Jahrbuch seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und
ausser Oesterreich ferner durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen.**
„Wie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeit und
Verschiedenheit des Inhalts den gehegten Erwartungen."
Theologisches Literaturblatt (Leipzig) 1881. Nr, ao u. j^. 188^, Nr. JS-
„. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang
ihres Jahrbuches herausgegeben^ welches eine Fülle interessanter Nachrichten über
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir
wünschen unsem österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang und
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische
Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 fl. jährlich leisten, unterstützende Mit-
glieder solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als Gründer einen einmaligen
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen.**
Neue Evangelische /O'rchenzeitung (Berlin) 1881. Nr. 82.
„. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten Doppel-
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zvun Theil höchst
interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen dem so glücklich
begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fortgang.
Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins unter
den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen!**
(Prof. Dr. Lipsius) Theologische Literatuiteitung (Leipzig) t88l, Nr. jy.
Das Jahrbuch „für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem
Werth und Interesse, aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen** u. s. w.
Theologischer Literatur- Bericht (Güteisloh) j88s. Nr. 8.
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Rcdaction
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir . . . nur wieder-
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan-
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des Österreichischen Prote-
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per-
*;önliches und Allgemeines" u. s. w.
Neue Evangelische Kirchenteitung (l^erlin) i88j. Nr, 40,
„Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treffliches
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoll sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen^ u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung, Wien i88j. Nr. 410s.
„. . . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations-historischer Forschung auf
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen.*^
(Prof. Dr. Zöckler) Ei^an gelische Kirchemcihtng (Greifsw.) i88j, Nr. 48.
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wissen-
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
und nach jeder Richtung hin zu fördern."
Evangelische Kirchenseitung für Oesterreich (Bielitz) 1884. Nr. l.
5. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben* u. s. w.
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift am der Schweiz i(L\\x\Q:tC) 1886. H. I. S. 61.
Zur Xachricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thumau bei Kulmbach in
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Central vor-
stände unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften:
Geh nur davon,
Sey fromm für mir,
Gib Armen hier,
Ich bin dein Lohn.
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf i. Mos. 12:
Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm.
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Atmen mild.
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron.
Der Centralvorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) a i fi.
ru haben ist.
Druck voa Wilhelm Kdhlrr. Wien. YI. MollardKamw 41
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JAHRBUCH
der
GesellscMt für die GescMcMe des ProtestantisMs
in Oesterreich.
Achter Jahrgang.
IL Heft.
April — Juni 1887.
-•a*®«-
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt
18S7.
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Inhalt von. Heft II.
w
Seite
3 Beiträge zu einer Geschichte der Reformation in Böhmen. I. Das Dekanat
Aussig. (Schlass.) Von Dr. ^. IVolkan 57
4 Per Zug der österreichischen Geistlichen nach und aus Sachsen. Von Pfarrer
Scheuffler in L^walde (Sachsen). III. (Fortsetzung) «^5
Zur Beachtung.
* Wir ersuchen unsere Mitglieder, in ihren Kreisen für die Verbreitung der
Gesellschaft thätig zu sein, und stellen zu diesem Behufe Exemplare der Statuten
in gewünschter Anzahl zur Verfugung.
Laut Beschlusses des Centralvorstandes in seiner Sitzung am 27. Februar 1884
erhalten die Mitarbeiter am „Jahrbuch", vom fünften Jahrgang (1884) an, nach Erscheinen
des betreffenden Jahrgangs als Honorar pro Druckbogen sechzehn Gulden ö. W.
Den Mitarbeitern werden sechs Gratis - Separatabzüge ihrer Arbeiten nach
Erscheinen des betreffenden Heftes von der Köhler'schen Buchdruckerei franco zugesendet.
Eine grössere Anzahl von Separatabzügen kann nur nach rechtzeitiger Verständigung
der Herren Verfasser mit der genannten Buchdruckerei (Wien, VI. Mollardgasse 41)
gegen Erstattung der Druckkosten gemacht werden.
Die noch rückständigen Beiträge bitten wir an unsern Cassier, Heim Hof-
und Gerichts-Advocat Dr. Carl Ritter von Sääf (Wien^ I, Ballgasse 6), ehebaldigsc
einzusenden.
Für das „Jahrbuch** bestimmte Arbeiten, sowie Zuschriften an die Gesellschaft
sind ^An das Bureau der Gesellschaft, Wien, I. Dorotheergasse zC zu richten.
Der Centralvorstand
der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus
in Oesterreich.
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III.
Beiträge
zu einer Geschichte der Reformation in Böhmea
Von Dr. R. WOLKAN.
I.
Das Dekanat Aussig.
(Schluss.)
Doch alle Vorkehrungen, die man zu treffen suchte, sollten ver-
geblich sein. Die Commissäre erhielten eine Instruction, welche in
schärfster Weise gegen die protestantische Gemeinde vorzugehen
ihnen auftrug. Es heisst darin *) :
i) »Ihr fiirstl. Gnaden in Namen der röm: kai: Mt: befehlen den
Herrn Commissarien, dass sie beide Praedicanten sampt dem
Organisten, Schuldiener und angefangenem exercitio ganz und
gar aus und von der Stadt abschaffen.
2) Dieselben bei höchster Ungnad und Straf Niemand bei sich
auf- und haushalte.
3) Herrn Dechant und die Katholischen in die Dechantei, ihre
Kirchen und Spital wiederumb einführen.
4) Alle und jede reditus, Zehenten und Einkommen, wie sie solche
zuvor gehalten, sowol das auf dem Platze erbaute Haus ab-
treten und zueignen.
5) Was die sub utraque von der Geistlichkeit und deren Ein-
kommen an andere Orte gewendet und abalienirt, sie dasselbe
wieder erstatten und erlegen.
6) Die Katholischen in Allen und Jeden, wie die Namen haben
möchten, und das vermöge der aufgerichten senatus consulta
gehalten worden, volHglich und mächtig restituiren.
*) Statthalterei-Arch. Prag AI, 40, copia.
Jahrbuch des Protestantismus 1887. H. II.
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7) Die Handwerker, alles, was sie vermöge ihrer Artikelsbrief von
alters hero bei der Kirchen und Geistlichkeit gethan, dasselbe
praestiren.
8) Ihr Gnaden die Herren Commissarien ohne Verrichtung der
Commission von dannen nit reisen.
9) Da sich auch Jemand widersetzig machen und der Herrn Com-
missarien Instruction nit nachkommen wollte, ihr Gnaden
solches alsbald in die Kanzlei nach Prag berichten, und der
widerspänstigen Personen namhaft machen wollen.*
Abermals wandten sich die Protestanten mit einem demüthigen
Schreiben an die Commission, das ihre tiefe Zerknirschung zeigt.
Der Brief lautet*):
^Wir armen elenden und hochbetrübten Seelen und Herzen
dieser ganzen evangelischen Gemein haben und tragen zue E: G:
und Herrlichkeiten unser höchstes Vertrauen, dieselben werden an-
statt der röm: kai: auch zu Hungam und Böheimb königl: Mait:
unsers allergnädigsten Kaisers, Königs u. H. aus hochangeborner
christlicher Müdigkeit, sich unser in Gnaden erbarmen und unser
höchst demütiges Suppliciren und flehentliches Bitten in Gnaden
stattgeben. Und ist dieses:
Nachdem diese Stadt und ganze evangelische Gemein, dem
Churfiirsten zu Sachsen, anstatt der röm: kais: Mait: kraft aufge-
tragener Obercommission sich ergeben, Pardon, gnädigsten Schutz
neben auch wegen des freien exercitii rjsligionis Augsburgischer Con-
.fession gemäss, wie ingleichen von dem hoch- und wolgebomen
Herrn H. Adam von Wallenstein, Ober-Landhofmeistem dieses
Königreichs gnädigst und gnädig Permission und Zuesage erlangt
und bekommen.
Hierauf auch die evangelische Gemein auf E. G. und Herrlich-
lichkeiten Principal Commission und vorgelegten Befehl den Katho-
lischen die Kirch sampt allen Zugehörungen in Unterthänigkeit und
gueten Willen abgetreten.
Und aber nunmehr nicht allein die Kirche, sondern auch hiebevor
an erlangten Bethaus neben dem ganzen exercitio religionis in Grund
entzogen und gänzlich benommen, dann hierob nit wenig Seufzen,
*) A. a. O.
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59
Weinen und Wekklagen bei unseren armen elenden Weibern und
Kindern entstanden, dass es Gott im Himmel erbarmen möchte.
Wann wir denn zu E. G. u. H. unsere die ganze volkreiche
evangelische Gemein unsere solche Zuflucht und Trost haben, als
gelangt an dieselbe E. G. u. H. unsere der ganzen volkreichen
evangelischen Gemein beneben allen denen höchst betrübten Weibern
und Kindlein, inmassen bei E. G. u. H. auch unser lieber und ge-
treuer Seelsorger gethan, umb Gottes und Jesu Christi willen höchst
demüthiges Bitten und Flehen, E. G. imd H. geruhen gnädig oban-
gedeuter gnädigsten churfiirstl. zu Sachsen auch gnädiger S. G. Herrn
von Wallstein Permission und Zusage noch das freie exercitium
religionis, inmassen wir dasselbige hiebevor auf dem Rathhaus ge-
nossen, gnädig zu vergünstigen.
Fürs andere bitten wir gleichmässig für drei Personen, so in
Arrest genommen, dieselben ihres Arrests gnädig zu entledigen, hie-
gegen obligirt und verspricht die ganze evangelische Gemein mit
Leib und Gut für dieselben, als einer vor alle und alle vor einen
beständig zu stehen und Fuess zu halten, damit also alles wider-
wärtiges künftig cassirt und aufgehoben werden möge. Von E. G.
u. H. tröstlicher Antwort in Unterthänigkeit und höchster Demuth
hofTend. Actum Aussig, den 29. MartU stili Gregoriani Anno 1620.
E. G. u. H.
unterthänige demüthigste
Evangelische Gemein sambt Weib und Kindern/
Die Antwort auf dies Schreiben war folgende Entscheidung*):
, Ursachen, warumb die Lutherischen zu Aussig kein freies
exercitium begehren können und ihr per vim introducirtes exercitium
abzuschaffen :
1) Weil aislang die Stadt zum Christenthumb bekehrt worden,
kein anders als das alte katholische religionis exercitium (vix
quatuor, vel quinque acatholicis existentibus) allezeit von einem
katholischen Priester ist geübet worden.
2) Weil sie ao. 1609, ehe der Majestätsbrief ist concedirt worden,
einen ewigen Religionsfrieden geschlossen.
3) Weil sie ihr exercitium erst bei diesem rebellischen Wesen per
vim introduciret und nit einen Buchstaben aufzuweisen haben,
1) A. a. O.
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dass ihnen entweder von uns oder von den vermeinten Dircc-
toren etwas, wie sie fälschlich in ihren Supplicationen üirwenden,
abgetreten sei. Weil aber Ihr kais: Mait: alles was bei dem
vorigen Regiment ist erlangt worden, annullirt und aufgehoben,
so muss ihr exercitium necessarie auch fallen.
4) Weil die Lutherischen den 21. Martii unsere Petition wider
sie bei Herrn von Lichtenstein eingeben, zu sich genommen,
dieselbige berathschlaget und nach Berathschlagung selbsten
ihre ministros wirklich nemine iubente abgeschaflfet, quare ergo
rursum susdpiendi essent? Auch eine Intercession, Supplication
an einen E. R. geben.
5) Weil die sub utraque den 28. auf dem Rathhaus in der öflFentlichen
Rathstuben für den kais: Commiss: alle Artikel hören ablesen,
alle angenommen, ausgenommen, dass sie 14 Tag Frist fiir
ihre ministros gebeten, nachmals wollten sie die Stadt räumen.
6) Weil sie das fiirschützen, dass Ihnen ihr churfiirstl. Gn: das freie
exercitium zugesagt, denn solches nur zugesagt, bis auf kais:
Mait: Confirmation und allein das exercitium vermeinet, welches
vor der Rebellerei frei gewesen, weil aber die zu Aussig vor
der Rebellerei solches selbsten ohn einigen Befehl angefangen
und eingeführt, weil auch ihr kais: Mait: lang nach ihrer Er-
hebung alles was bei dem vorigen Regiment geschehen, cassirt
und aufgehoben, sie auch allbereits ihr kais: Mait: geschworen,
so haben sie kein Fug noch Recht zu einem exercitio.*
Die Protestanten fügten sich jetzt in Alles. Die Kirche war
den Katholiken abgetreten ; nun gelobten sie auch ewige Treue und
steten Gehorsam. Nur die eine Bitte hatten sie, man möge ihnen
verzeihen; sie hätten gehandelt, wie andere Städte dieses König-
reiches, denen es erlaubt worden sei, ihr exercitium religionis frei
zu üben. Aussig, als die geringste aller Städte, wäre nur aus Ein-
falt ihnen nachgefolgt und auf Befehl der Herren Directoren sei
ihnen das Haus auf dem Ringe abgetreten worden. Sie gingen in
ihrer Demüthigung selbst so weit, die Besitznahme dieses Hauses als
einen , hochsträflichen Excess* zu bezeichnen und baten den neu
ernannten katholischen Primas und Rath, man möge doch ^vor uns
an mehrgedachte ihr f. G: anbringlich intercediren und bitten, da-
mit uns doch solcher begangener Excess (weil wir es nicht vor
unsere Person allein begangen, sondern andern aus Einfalt nach-
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gehen müssen) von ihr churf: Gn: im Namen ihr kais: Mait: gnädigst
verziehen und vergeben werden möchte, daneben auch in Unter-
thänigkeit zu vermelden^ dass wir allbereits solche Kirche und alles
dasjenige, was ihnen zusteht, hinwieder geruhig, willig und gern ohn
einzige Verweigerung abgetreten haben* *).
Um so massloser aber geberdeten jetzt sich die Katholiken.
Seit sie wussten, dass sie von kaiserlicher Seite aus auf Unter-
stützung zu rechnen hätten, kannte ihre Anmassung keine Grenzen.
Sie waren schon nicht mehr zufrieden, dass in der Stadt den Prote-
stanten Alles genommen war und dieselben keinen Ort mehr hatten,
wo sie in Ruhe ihren Grottesdienst hätten feiern können; schon
streckten sie ihre Hand auch nach den umliegenden Gütern aus, die
noch im Besitze von Protestanten waren, und trachteten auch diese
sich anzueignen. Um ihr Ziel zu erreichen, waren sie nicht wählerisch
in ihren Mittehi. Verläumdung war ihnen gerade das geeignetste,
ihren Wünschen Gehör zu verschaffen. So schreiben sie denn am
I. April 162 1 an den Bischof Carl von Meissen und Breslau u. A. :
,Wann ihr churf. Gn: (von Sachsen) wollten wissen, wie die evan-
gelischen Aussiger so spöttisch von ihr churfurst. Gn: geredt, ihm
einen Mordbrenner geheissen, wie sie in ihr churf Gn: Läger Kunst-
schofter (sie) geschickt und alles wieder nach Prag berichtet, wie
ihr Capellan in öffentlicher Leichpredig ihr kais: Mait: einen Blut-
hund geheissen, er würde sie gewiss keiner Intercession würdigen,
viel weniger ihrer annehmen. Weil auch durchl: F: u. Herr H: wir
armen Katholischen bis dato grosse Verfolgung ausgestanden und
die arme Gemein bei übler Regierung des introducirten vorigen Raths,
auch noch bei Kaiser Rudolfi seligster Gedächtnus in grosse schwere
Schuld gerathen, so wollen wir E. f. D: zum allerdemüthigsten ge-
beten haben, es wollen doch bei ihr kais: Mait: für uns arme Katho-
lische gnädigst intercediren, dass wir etwan mit eines Rebellen Dörfel
einen oder zweien möchten begnadet werden. Wenzel Steinpach, der
in dieser Rebellerei für das ganze Land geredet, hat ein Dörfel, nit
weit von Aussig gelegen, do ein Praedicant innen. Wann wir solches
zue Gnad bei ihr: Mait: könnten erlangen, wollten wirs mit unserem
Gebet umb E. f. D: bei Gott dem allmächtigen Erbarmer danken.
Weil auch bei Menschengedenken die Kirche, zu St. Lorenz genannt.
1) Urkunde vom 21. Min 1621. Sutthaltereisrch. Prag AI, 40, cop.
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als eine Filial nach Aussig gehört und die Pfarräcker mit einer Bot-
mässigkeit verhaftet, so wollen wir E. f. D: gleichesfalls demüthigst
gebeten haben, sie wolle es bei ihr: kais: Mait: zu Wege bringen,
damit gemeldte Filiale wieder nach Aussig gebracht und die Pfarr-
äcker der Botmässigkeit möchten erledigt werden. Solches verschulden
wir umb E. f. D: mit unserem Gebet bei Gott gleichesfalls.*
So ging es in Aussig mit der Sache des Protestantismus immer
mehr bergab. Aber auch in der Umgebung sah es traurig aus, seit
die unglückliche Schlacht am Weissen Berge aUe Hoffnungen der
protestantischen Partei begraben hatte. Die adeligen Familien unserer
Gegenden waren ohne Ausnahme protestantisch; sie traf die Wand-
lung der Dinge zuerst und am härtesten. An sie trat nun die Frage
heran, ob sie katholisch werden oder ihrer Besitzungen verlustig
gehen wollten. Die Kölbel von Geising, im Besitze von Karbitz,
eilten sofort nach Prag, um unumwunden zu erklären, lieber ihrer
Besitzungen verlustig gehen, als ihren Glauben ändern zu wollen.
Nach Hause zurückgekehrt, brachen sie mit all den Ihren auf, ihre
Heimat zu verlassen. Kaum war dies geschehen, als kaiserliche Com-
missäre in Karbitz anlangten, welche die Bewohner von ihrer Unter-
thanenpflicht lossprachen; die Herrschaft, die so an den Fiscus ge-
fallen war, kam im Jahre 1622 durch die Gnade des Kaisers an den
Freiherrn Peter Heinrich von Strahlendorf. Noch ärgeres Schicksal
traf die Bergstadt Graupen. Sie hatte noch im September 16 19 eine
sich ihr darbietende Gelegenheit benützt, sich um 9000 Seh.- Gr.
freizukaufen; jetzt wurde sie wieder zu einer unterthänigen Stadt
und gelangte in die Hände der Grafen von Stemberg. Ein gleiches
Los traf die übrigen Ortschaften unseres Gebiets. Sobochleben,
einst Besitz des Albrecht Kekule von Strakonitz, erhielt Alexander
Regniers von Bleileben; auch Türmitz und Dubitz änderten ihre
Besitzer.
Aber es sollte noch um Vieles schlimmer kommen ; noch hatten
die Protestanten ihren Glauben, an den sie sich klammem konnten,
wenn Alles ihnen geraubt war: aber auch dieser sollte ihnen ent-
rissen werden. Es ist ein trauriges BUd, das wir aufzurollen haben.
Der Habe beraubt suchen Viele ihr Heil in der Auswanderung ; sie
verlassen die heimatliche Scholle, um hilflos in den tiefen Waldungen
umherzuirren und hier eine Beute des Hungers zu werden, oder sie
fallen in die Hände einer rohen, zügellosen Soldatesca, die sich freut
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an den angstvollen, verzweifelnden Gesichtern. Nirgends Ruhe, nir-
gends Rettung. Trümmerstätten zeichnen die Wege der Truppen,
Rauch umhüllt den Horizont. Das zagende Herz blickt vergeblich
zum Himmel empor; er kennt kein Erbarmen; nur die Pest sendet
er, das Mass des Elends vollzumachen. Doch wir müssen zu den
Einzelheiten übergehen. Strenge Befehle erflossen, es seien alle luthe-
rischen Seelsorger abzuschaffen und von den Bewohnern die katho-
lische Lehre anzunehmen. Wie aus dem Erzählten begreiflich, war
Aussig die erste Stadt, die dem Verlangen vollkommen sich fugte.
Ihr folgte Kulm, wo bislang Wilhelm Hirschfeld gepredigt hatte*).
Auch Graupen sollte bald von gleichem Lose betroffen werden.
Am 6. September kam der erste Befehl der kaiserlichen Commissäre,
den Praedicanten sofort abzuschaffen. Bereits am folgenden Tage
traf die Commission selbst ein, am nächsten Morgen las ein Mönch,
Johann Adauctus, ein Amt und predigte; er sollte der erste katho-
lische Pfarrer der Stadt werden. Aber die Bewohner der Stadt, an
ihrer Spitze der Rath, waren keineswegs gewillt, so leicht nachzu-
geben und ihren Glauben zu ändern. Nur anscheinend willigte man
ein; man forderte den Pastor Schedler auf, die Stadt zu verlassen
und nach Zinnwald zu gehen, wo er weiter den lutherischen Glauben
predigen sollte; um den katholischen Geistlichen kümmerte sich
Niemand. Strenge Verordnungen kamen indessen nach Graupen, und.
um denselben grösseren Nachdruck zu verleihen, sperrte man den
Bürgermeister der widerspänstigen Stadt ins , Hundeloch*, dann in
das Stadtgefangniss. Allein auch das half wenig. Der Pfarrer Adauctus
Liebhard konnte wenig zufrieden sein mit seinen Elrfolgen; war er
doch ein roher, herzloser Patron, der überall nur seinen Willen als
den massgebenden anerkannt wissen wollte, und sich dabei nur zu
oft zu Thätlichkeiten hinreissen liess. Nach einem halben Jahre seiner
Wirksamkeit hatte er endlich einen armen Schuster, Georg Giesa,
zum katholischen Glauben überredet. Vereinzelt besuchte man zwar
die Stadtkirche, jedoch nur, um lutherische Lieder daselbst zu singen.
Wieder kamen neue Verordnungen ; in 6 Wochen müsse zuverlässig
Alles katholisch sein. Die Zeit verstrich ; die Verhältnisse waren die-
selben. Alle späteren Befehle, und es waren deren nicht wenige,
hatten den gleichen Erfolg. So verging die Hälfte des Jahres 1626.
<) Nach Hallwich: Graupen.
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Da griff man endlich zu einem geeigneten Mittel, das allein vielleicht
im Stande war, den treuen Sinn der Graupner umzuwandeln; maxi
versprach ihnen die Rückstellung sämmtlicher Privilegien, wofern sie
nur sämmtlich die »heilige, katholische Religion^ annehmen wollten.
Der Magistrat verkündete den Bürgern den neuen Erlass, zugleich
mit dem auf 14 Tage bemessenen Termin; man hörte ihn, allein
nach dieser Frist war noch kein einziger Bürger demselben gefolgt.
Erst einige Tage darauf nahmen vier Bürger das Abendmahl bei
dem katholischen Pfarrer, drei von ihnen wurden sofort zu Ela-en-
stellen in der Verwaltung der Stadt berufen. Die übrigen alle blieben
ihrem Glauben getreu. Da, im August, kam die Pest und wüthcte
verheerend; in kurzer Zeit waren 150 Personen von ihr hinweg-
geraßl. Dieser ungeahnte Schicksalsschlag, sowie der Generalpardon
des nächsten Jahres, der die Stände Böhmens der Wiedereinsetzung
in die alten Rechte versicherte, wofern sie katholisch würden, und
die Reformations*Commission, die im Februar 1628 nach Graupen
kam, das Alles vereinte sich, den Widerstand der Graupner doch
endlich zu besiegen. Die Bestimmung, dass, wer innerhalb dreier
Wochen nicht katholisch würde, aus dem Lande müsse mit Verlust
von Habe und Gut, trug noch das Ihre bei. Am 13. März wurden
die Obergraupner katholisch bis auf einen, Michael Schulze, der die
Auswanderung vorzog. Am 14. und 15. communicirten die in Scheune
und Sobochleben, zwei Tage darauf die Marschner; am Ende des
Jahres hatte Graupen nur noch 81 ^^ Ketzer* aufzuweisen.
Auch in Karbitz war die Durchfuhrung der Gegenreformation
nicht gar leicht. Zwar hatte schon im Jahre 1624, Freitag nach
Corpus Christi, der Pfarrer Heinr. Roth die Stadt verlassen; die
Pfarrer von Raudnig und Böhm. -Khan folgten ihm später nach.
Allein der Glaube der Bevölkerung hatte sich mitnichten geändert.
Selbst der Umstand, dass noch im selben Jahre ein katholischer
Pfarrer, Simon Schemelius, in die Stadt eingeführt wurde, dem auch
die Kirchen in Kulm und Ebersdorf zugetheilt waren, brachte keine
Aenderung mit sich. Denn bis zum Jahre 1626 war, trotz der zahl-
reichen obrigkeitlichen Befehle, Niemand zur katholischen Lehre
übergetreten; in diesem Jahre erst erschien am Palmsonntag der
Bürgermeister mit sechs anderen Bürgern beim Abendmahl. Dies
Beispiel und eine neuerliche Verordnung begannen zu wirken; letztere
bestimmte, dass jeder Ehemann, der katholisch würde oder schon
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geworden sei, sich von seinem akatholischen Weibe trennen dürfe
und ihr zu Nichts verpflichtet sei, als einer Wegzehrung von 5 Seh.
Der Gemeindediener dagegen erhielt den schönen Auftrag, Jeden,
der nicht sogleich beim Eintritt ins Gotteshaus niederknien und das
KLreuzeszeichen machen würde, durch eine Maulschelle an seine neueste
Pflicht zu erinnern. Aber noch immer blieb die Zahl der Bekehrten
eine verschwindend kleine; die Frauen vor Allem waren es, die mit
aller Energie sich weigerten, ihren Glauben zu verlassen. Gegen alle
Befehle blieb man gleichgiltig und begründete sein Verhalten mit
dem Hinweise, man sei ja gar nicht in der katholischen Religion
unterrichtet. Erst seit dem Jahre 1629 konnte man von Erfolgen
reden, der Glaube musste der Gewalt weichen. Die Commissäre
erschienen in Begleitung von Soldaten, und vertrieben alle, die sich
weigerten, ihren Befehlen zu gehorchen, unbarmherzig aus ihrem
Besitzthum. Jetzt erst ging der Gemeinderath zur Beicht ; die übrige
Bürgerschaft folgte. Nur die Frauen wollten sich noch immer nicht
fügen; auch gegen sie ging man jetzt mit Gewaltmassregeln vor;
sie erschienen endlich in der Kirche; doch „weinten sie und
heulten laut*.
Namen vertriebener Bewohner unserer Gegend sind uns ver-
hältnissmässig wenig bekannt geworden ; danmter finden wir : Johann
Becker, Pfarrer in Schwaden, exul in Pirna, wo auch Frau und Kind
des Pfarrers Moller aus Rosawitz starben, Caspar Francke, Rector
in Graupen, Dionys Kluge, Hans Böttiger und Kohlschütter aus
Graupen, Portenwändigs Andreas, Pfarrer in Türmitz, M. Johann
Langenberger, Pastor in Aussig, gest. am i I.Juni 1627 in Pirna, und
Christoph Schindler, Pastor in Aussig. Ein Schreiben des kaiserlichen
Richters Philipp Ring vom 5. Juli 1625 führt ausserdem nachstehende
Bürger aus Aussig an, die wegen Nichtannahme der katholischen
Religion auszuwandern gezwungen waren : Johann Dröschl, Balthasar
Krause, Mathias Jäger, Christoph Weger, Anna Butterschneider,
Johann Seyffert, Bartholomäus Wosowitz, Rafael Hessler, Tobias
Wagner, Jacob Kuntze, Johann Rotte und Valentin Etzelt; ihr ge-
sammtes Eigenthum, nämlich 13 Häuser, 16 Weingärten, 6 Felder
und 4 Wiesen, wurde confiscirt. Dröschl, Hessler und Kuntze kehrten
jedoch schon 1626 zur katholischen Lehre zurück und erhielten für
ihre Besitzungen eine Summe von 3290 Seh. m. zugesprochen. Noch
im Jahre 1626 verliessen zahlreiche Bewohner die Stadt wegen ihres
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Glaubens. Unter ihnen werden genannt: Mathias HendscW, Georg
Müller, Christoph Behr, Johann und Christoph Patzelt und Margaretha
Rosenzweig *).
Reformations-Commissär unseres Gebietes war Otto Heinrich
V. Wartenberg, der letzte dieses einst hochberühmten böhmischen
Geschlechtes. Aber er war ein verächtlicher Charakter. Ursprünglich
Protestant, war er, als die Verhältnisse für die Bekenner der evan-
gelischen Lehre sich traurig zu gestalten begannen, rasch zum katho-
lischen Glauben übergetreten, um aus solchem Glaubenswechsel
möglichst grossen Vortheil zu ziehen. War es ihm doch hauptsäch-
lich darum zu thun, das reiche Erbe seiner ersten Frau an sich zu
bringen. Was ihm als Protestanten nicht gelungen war, glaubte er
als Katholik rasch zu erreichen. Er wurde zu einem der Reformations-
Commissäre ernannt, und wüthete nun mit allen Mitteln, mit Tortur
und Einkerkerung, gegen seine einstigen Glaubensbrüder. Den Lohn
hiefiir sollte er bald ernten. Grausam auch gegen die Unterthanen
seines Gutes Markersdorf, rotteten diese sich zusammen, riefen zur
Verstärkung noch die Bewohner der umliegenden Dörfer herbei und
erschlugen ihn am 29. October 1625 *).
In Aussig ging es nun mit der Rekatholisirung in raschen
Schritten vorwärts ; die böhmische Kammer that ihr Möglichstes und
ermahnte den Stadtrath, auch strenge Massregeln nicht zu scheuen,
um die Halsstarrigen zum Gehorsam zu bringen '). So konnten denn
Bürgermeister und Rath schon am 10. October 1627 berichten, dass
sich in der Stadt kein einziger Unkatholischer mehr befinde *). Auch
der Pfarrer von Aussig, Johannes Michaelius, bestätigt am 8. März 1628,
dass durch seine Bemühungen nunmehr alle Bürger katholisch seien
und ersucht demgemäss den Erzbischof um seine Verwendung, dass
die böhmische Kammer nunmehr der Stadt die Confirmation ihrer
Privilegien nicht weiter vorenthalte ').
Dass diese Meldungen übrigens nicht ganz so buchstabengetreu
aufzufassen waren, ist sicher ; es blieben noch genug Protestanten in
unserem Gebiete, wohl aber durften sie sich nicht mehr ÖffentUch
») Bilek: Dej. confisc, p. 1243.
*) MittheiluDgen d. nordböhm. Excurs.-Oubs. V, 39 ff.
*) Gleichzeitige Copie Statthai terei-Arch. Prag, R. 109/ 13.
*) Orig. Statthaltcrei-Arch. Prag, R. 109/1.
*) Orig. arch. archiep. Pri^, Recepta ab ao. 1628.
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als solche bekennen : nur in der Tiefe ihres Herzens konnten sie dem
alten Glauben treu bleiben. Als aber im Jahre 1631 die Sachsen
nach Böhmen kamen, da blühte überall der Protestantismus rasch
wieder auf. Die einst vertriebenen Prediger kehrten zurück und
fanden unter der Bevölkerung gern und freudig Aufnahme. In Kar-
bitz finden wir zu dieser Zeit wieder den Pfarrer Heinrich Roth, der
am 31. Jänner 1632 hier ankommt und bald zahlreiche Gläubige um
sich sammelt ; auch die übrigen Orte folgten in der Wiederaufnahme
der alten Religion. Selbst in Aussig, das unter den in Betracht
kommenden Orten am frühesten zur katholischen Lehre zurück-
gekehrt war, finden wir abermals Protestanten und noch im Jahre
1^35 (19- Juni) beklagt sich der Dechant daselbst, Caspar Schwarz,
dass zahlreiche seiner Kirchkinder wieder zur lutherischen Lehre
zurückgekehrt seien, andere ihr auch von früher her noch angehören,
und ersucht deshalb den Erzbischof, ihm und den übrigen Pfarrern
seines Sprengeis die Gewalt zu übertragen, von der Ketzerei los-
zusprechen *), und auch der Pfarrer Johannes Sinnon von Graupen,
der erst vor Kurzem dorthin zurückgekehrt war, klagt (1635, 2. August),
dass in seinem Kirchspiel noch 2 Prädicanten sich aufhielten, zu denen
sehr viele Bewohner von Graupen eilten, um die Sacramente von ihnen
zu empfangen "). Aber als die Wirren des dreissigjährigen Krieges
ein Ende erreicht hatten, hörten auch die Klagen über den Prote-
stantismus und seine Anhänger in unserer Gegend auf; seit dem
29. März 1650, wo Bürgermeister und Rath von Aussig den böh-
mischen Statthaltern berichten, dass sich alldort keine unkatholischen
Bewohner mehr finden '), hören wir auf lange Zeit nichts mehr von
den Bekennern des evangelischen Glaubens.
Im Vorstehenden waren wir zu zeigen bemüht, wie der Prote-
stantismus in unseren Gegenden aufblühte, an Ausbreitung und Be-
deutung gewann und endlich unter dem Drucke der Verhältnisse
dahinschwinden musste. Noch aber ist unsere Aufgabe nicht vollendet ;
noch erübrigt uns, das sociale Leben unserer Gegend in dieser Zeit
ein wenig näher ins Auge zu fassen. Zwei Orte werden dabei vor
Allem unser Augenmerk auf sich ziehen, die , königliche, allzeit
getreue* Stadt Aussig und die Bergstadt Graupen.
*) Orig. erzbischöfl. Arch. Prag, Recepta ai. 1635.
») A. a. O.
») Statthalterci-Arch. Prag, R. 109/12 orig.
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68
Pfemysl Ottokar IL war es gewesen, der Aussig den Titel einer
königlichen Stadt verlieh. Klein und bescheiden waren die Anfange
der Stadt, so lange es ihr nicht gegönnt war, den naturgemässen,
durch ihre Lage an dem Ufer der Elbe ihr angewiesenen Weg der
Entwicklung zu gehen ; erst von dem Tage an, da es ihr durch ein
Privileg König Johann's gestattet war, ^dass sie im Allgemeinen und
Besonderen derselben Freiheiten, Rechte und Begnadigungen, wie
die Stadt Leitmeritz, in Bezug auf ihren Besitz und vorzüglich bezüg-
lich des freien Durchgangs der Waare bei der Berg- und Thalfahrt
auf der Elbe und Moldau bisher besessen, sich in Hinkunft erfreuen
solle*, erst von diesem Tage, dem 22. April 1325, lässt sich von
einer gedeihlichen Entwicklung der Stadt sprechen. Zugleich beginnt
naturgemäss ein Kampf mit der älteren Nebenbuhlerin Leitmeritz,
der viel dazu beiträgt, stets frisches Leben zu schaffen und die
Wahrung der eigenen Interessen unverwandt im Auge zu haben.
Das oberwähnte Privileg wird durch die Bestimmung des Königs
näher erläutert, »dass die Bürger Aussigs, wie die Leitmeritzer, freie
Schifffahrt auf den genannten Flüssen besitzen und lediglich den
altgewohnten Zoll an jenen Stellen, wo er bisher eingehoben wurde,
entrichten sollten; dafür können sie jedoch allenthalben und unge-
hindert ihre Schiffe anlegen, beladen und ausladen und Getreide und
andere Waaren in ihre Stadt zurückfuhren*, bald aber auf die Be-
schwerden der Stadt Leitmeritz, sie sei durch diese Verfugung in
ihren Rechten beeinträchtigt, dahin geändert, ^^dass, wenn die Aussiger
ihre Schiffe entweder im Dorfe Lobositz oder an anderen Orten,
ausser an den Ufern vor der Stadt Leitmeritz, laden oder ausladen,
oder fremde Waaren unter dem Vorgeben, dass sie ihnen gehören,
überhaupt fuhren und rechtlich einer solchen Verletzung der Leit-
meritzer Rechte überwiesen würden, es den Leitmeritzern erlaubt sei,
sich in den Besitz dieser Waaren zu setzen und sie zum eigenen
Vortheile zu verwenden* *),
Salz und Getreide waren die vorzüglichsten Waaren, welche der
Verzollung unterlagen, jenes von Meissen eingeführt, dieses eben
dorthin zum Verkaufe gebracht. Aussig hatte auch die Controlc
über die Ablieferung des Zolles bei Leitmeritz übernommen und
durfte kein Schiff passiren lassen, das sich nicht mit der betreffenden
1) Feistner: Aussig, p. 44.
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69
Quittung auszuweisen vermochte. Am 20. Jänner 15 16 vereinigten
sich Leitmcritz, Raudnitz und Aussig in Betreff des Getreidehandels
(ladowam) dahin, keine trockene Gerste an Meissner Händler zu ver-
kaufen, oder überhaupt zu Wasser und zu Land unterhalb Aussig
hinabzulassen, damit nicht die Meissner selbst aus böhmischer Gerste
ihr Malz bereiten, sondern solches wie vordem in den genannten
Städten kaufen, die hiedurch einen dreifachen Gewinn erzielten.
Eine Urkunde vom 4. October 1556 (am Sonntag nach dem
heil. Hieronymus) berichtet uns, welches der Zoll war, den Aussig
von den einzelnen Waaren erheben durfte, und wie hoch derselbe
sich jährlich belief. Aussig erhob an Zoll: von i Strich Getreide
4. Pf., Malz 3 Gr., i Tonne Fische 2 Gr., i Fässchen Salz i Gr.,
1 Fass Wein 4 Gr., i Fässchen Obst 6 Gr., i Rindshaut i Pf.,
2 Kalbshäute i Pf., i Stein Eisen, Stahl, Gewürze 2 Pf., i Stück
Tuch I Gr., I Schock Ellen Leinwand 2 Pf., i Ballen getrockneter
Fische 6 Gr. m. Von Galli 1555 bis zum Sonntag der Ausstellung
dieser Urkunde waren im Ganzen 346 Seh. 28 Gr. 3 Pf. an Zoll
erhoben worden. Aber, setzen die Aussiger vorsichtig hinzu, so
reiche Einnahme gehöre zu den seltensten Fällen; es gäbe Jahre,
wo nur 50, zuböchst 100 Seh. an Zoll eingenommen würden, be-
sonders wenn wegen niederen Wasserstandes kein Schiff nach
Deutschland fahren könne, so dass sie, die armen Unterthanen, die
noch obendrein durch häufige Brände viel gelitten, keine Teiche,
Dörfer, Wälder, überhaupt keine Güter besässen, nur mit Mühe
die arme Gemeinde erhalten könnten*). In Folge dessen ertheilte
ihnen Kaiser Ferdinand im Jahre 1562 (Samstag nach Galli) ein
neues Zollprivileg, das ihre Einnahmen um ein Beträchtliches erhöhte
und gab ihnen zugleich das Recht, eine Stadtmauth zu erheben.
Nach diesem Privileg gestaltete sich fortan die Erhebung des Zolls
auf folgende Weise: ,l Strich Getreide, welcher Art immer, 2 w. Pf.,
und von i Malz von 24 Strich, das aus der Stadt gefuhrt und von
Nachbarn in Aussig gekauft werde, 4 w. Gr., von i Malz, das ent-
weder aus Raudnitz, oder aus Leitmeritz, oder aus Trebnitz ausser-
halb der Stadt vorbeigeführt wird, von 2 Strich V« w. Gr., von
I Tonne Häringe, Hechte, Karpfen i w. Gr., i Fässchen Salz
*/, w, Gr., I Fass Wein 2 w. Gr., i Schock Käse 4 w. Gr., i Brot
1) Statthalterei-Arch. Prag, AI, 13.
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Butter I w. Pf., Wein aus Trauben oder irgend einem Obst von
I Viertel Vi w. Pf., i Rindshaut V« w. Pf., von 2 Kalbshäuten
Vi w. Pf., I Centner Eisen, Stahl, Fett, Unschlitt, Werg i w. Gr.,
Gewürz, welcher Art immer, von i Stein i w. Gr., von i Schock
Ellen Leinwand i w. Pf., von i »Pelike* gedörrter Fische, seien es
, Muttergottesfische* oder Stockfische 3 w. Gr., von i Stück Tuch
V, w. Gr.*
Diese Erhöhung des Zolles war immerhin bedeutend genug, der
Stadt Einkünfte um eiji Erkleckliches zu erhöhen. Und fürwahr, sie
bedurfte derselben im vollsten Masse. Die verflossenen Jahre, vor
Allem das Jahr 1547, hatten ihr manche Opfer auferlegt, ohne dass
sie dafür irgendwie wäre entschädigt worden. Das treue Festhalten
an der Seite des Königs hatte ihr nur den Titel einer ^^ allzeit ge-
treuen* Stadt eingetragen, nächst dem Vorrechte, dass ihre Vertreter
auf dem böhmischen Landtage nach den Prägern die nächste Stimme
haben sollten, Dinge, die wenig genug dazu angethan waren, den
Wohlstand der Stadt in irgend einer Weise zu heben. Auch die
Befreiung vom Fassgelde, die ihr gleichfalls im Jahre 1547 auf vier
Jahre zugestanden wurde, ist zu geringfügig, um mehr als eine Er-
wähnung zu verdienen. Die Häuserzahl hatte in diesen Jahren abge-
nommen, und die, welche standen, machten einen gar kärglichen
und armseligen Eindruck, wie der Bürgermeister von Aussig 1568
nach Prag berichtet. Es befanden sich nach seiner Angabe damals
in der Stadt ,dritthalbhundert und sechszehn* Häuser und Chaluppen,
und in den Vorstädten 99 Chaluppen, in den zur Stadt gehörigen
Dörfern 16*).
Die Besserung der Verhältnisse, durch das neue Zollprivileg
herbeigeführt, zeigte sich bald auch nach Aussen. Im Jahre 1574
konnte die Stadtschule erbaut werden, der Sitzungssaal des Rath-
hauses erhielt eine künstlerisch ausgeführte Decke, die Stadtpfarr-
kirche einen neuen, aus einem einzigen Sandblocke gemeisselten
Predigtstuhl*). Freilich nahmen mit der Vergrösserung der Ein-
nahmen auch die königlichen Steuern zu; hatten dieselben in den
Jahren 1576 und 1577 je 200 Seh. 43 Gr. 2 Pf. m. betragen, so
wachsen sie in den folgenden Jahren bis 1597 zu mehr als der
1) Statthalterei-Arch. Prag, S. XV, 15.
*) Sonnewend: Aussig, p. 42.
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doppelten Summe an; in zwei Terminen, dem einen am Tage des
heil. Bartholomäus, dem andern am Feste des heil. Nicolaus, waren
je 215 Seh. Gr. zu zahlen, zu denen sich in den Jahren 1584
bis 1586 noch eine ausserordentliche jährliche Steuer von 53 Seh.
45 Gr. m. gesellte, die als Beitrag zur Erbauung der Prager Burg
verwendet wurde *). Diese Zahlen sprechen deutlich für den raschen
Aufschwung, den die Stadt nahm.
Aber auch in der Umgebung hatte Aussig eines stets wachsenden
Ansehens sich zu erfreuen. Im Frühjahre 1579 sollten sich nach
einem Beschlüsse des letzten Landtages die Stände der einzelnen
Kreise in den Kreisstädten versammeln, um die Durchfuhrung der
letzten Landtagsbeschlüsse zu veranlassen. Der Besuch des be-
treffenden Kreistages zu Leitmeritz war indess nur ein sehr schwacher,
und auch die Wenigen, die erschienen waren, eilten rasch heim,
nachdem gewisse Commissäre gewählt worden waren zur Aufsicht
über die behufs der Steuervertheilung vorzunehmende Schätzung der
Häuser und Ansässigen, zur Erhebung der Anzahl der durch Ele-
mentarereignisse Beschädigten und Leistungsunfahigen, und zur Fest-
stellung einer bestimmten Taxe für die Arbeiten der Handwerker.
In alle diese Commissionen wurden aus jedem Stande je zwei im
Kreise ansässige Adelspersonen gewählt. Die Bürgerschaft sollte
durch die jedesmaligen Bürgermeister von Leitmeritz und Aussig
vertreten sein *). Ein weiterer Beleg für die wachsende Bedeutung
unserer Stadt ist der Umstand, dass, als die Stadt Teplitz mit ihrem
Grundherrn Radislav Kinsky wegen des Braurechts in Streitigkeiten
gerathen war, zu den Verhandlungen, die zwischen den beiden
streitenden Parteien geführt wurden, auch 3 Aussiger Bürger und
Rathsherrn geladen waren. Zu wiederholtenmalen wandte man sich
in dieser Angelegenheit nach Aussig, so dass selbst der Aussiger
Stadtrath wegen dieses Falles zu einer Sitzung zusammentrat. In
dieser bat eine Deputation von Teplitz die Versammlung um Hilfe
in ihren ^^ obliegenden Nöthen*. Die Bürger von Aussig riethen
selbstverständlich zur Wahrung der Ehre und des Eigenthums der
Schwestergemeinde und damit zur Klage wider Radislav Kinsky
beim Kaiser. Nur meinten die Aussiger, man solle nicht in Massen
*) Statthalterei-Arch. Prag, S. XV, 15.
■) Lippert: Leitmeritz, p. 360.
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72
nach Prag gehen, sondern einen Ansschuss von 6 oder 8 Personen
dazu wählen und die übrigen nach Haus schicken, »denn für so viele
würde zu viel auf Zehrung aufgehen und könnten ihrer 6 oder 8 so
viel ausrichten, wie hundert* *).
Nehmen wir zu dem allen noch den Umstand, dass Aussig im
Jahre 1580 bereits in der Lage war, von Kaiser Rudolf II. die Dörfer
Podleschin, Zalesl und Hrwalow um 9000 Seh. m. zu erkaufen •). so
finden wir unsere Behauptung von dem Aufblühen der Stadt nur
wieder bekräftigt, umsomehr, da auch die folgenden Jahre von lauter
Neubauten uns berichten. Im Jahre 1580 wurde der Teplitzer Thor-
tburm neu und schöner aufgebaut, mit einem Portal aus mächtigen
Sandsteinquadem, an der Stadtseite mit Malerei geziert, im Jahre 1589
das Rathhaus durch den Neubau der sogenannten ^grünen Stube*
vergrössert, 1591 eine grosse Uhr für das Rathhaus angeschafft und
im selben Jahre die Frohnfeste neu erbaut. Das Jahr 1593 brachte
der Stadt ausserdem noch einen neuen Jahrmarkt am Montage nach
dem heil. Martin").
Fassen wir das Alles zusammen, so dürften die Klagen, welche
der Primas von Aussig, Josdf Hermann, am 9. November 1598 an
die böhmische Kammer richtet, wohl nicht so ganz der wahren Sach-
lage entsprechen und vielmehr aus dem Beweggrunde zu erklären
sein, der Stadt möglichst wenige Opfer aufzubürden. Der diesbezüg-
liche interessante Bericht lautet*):
,Euer Gnaden und Herrn an mich abgegangenen Befehlich be-
langende, die der Häuslin allhier ze Aussig an der Eiben Wohnungen,
ausgesuchte Anzahl Überschickung habe ich empfangen und sein
Inhalt ferners vernommen. Thue demnach Eu: G. und H: in gebüh-
render Folge angezogenen Befehlichs, die Verzeichnus aller Häuser,
Häuslin und Hüttlin in der Mauer und vorn Thorn in genere et
specie mit nachfolgenden, wahrhaftigem Berichte, gehorsamblich
übersenden, dass die Stadt Aussig vor Jahren und noch bei Menschen-
gedenken durch zwene in 4 Jahren aufeinander folgende Brandschäden,
dermassen in die Aschen gelegt und verderbt worden, dass dieselb
hernach, in ihr voriges bauliches Wesen und Stand niemals gebracht
»} Hallwich: Töplitz, p. 224.
«) Landt. 21, B. 7.
«) Landt. 134, G. 26.
*) Statthalterei-Arch., S. XV, 15.
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73
'werden mög; dann, was zuvor vornehme, des Brauens geniessende
Häuser gewesen, davon sein etliche in zwei Häuser zertheilt, und
andern^ die keine des Brauns Gerechtigkeit gehabt, leere Grund-
stätten, welche drei oder vier Häuslin und nur aliein Hüttlin, wie
auf den Orten der Stadt Burgstädtel und Oster (so zur ChristlicK-
keit von alters gehören und unterthan seind), Klitschgässel, Nonnen-
gässel und sonsten, auch vor den Thoren, augenscheinlich zu sehen
ist, gesetzt und erbaut, wie denn auch aus zwenen Häuslin beim
Oberthore wohl eilf Häuser gemacht worden, welche jetzt von armen
Taglöhnern und bisweilen geringen Handwerksleuten nur umb welche
Herberg bewohnt und gemeiniglich zue lO, 20, 30 mehr oder weniger
Schocken meissnisch, nicht umb Bargeld sondern auf Tagezeiten, da
man zum Angelde 4, 5, 6 zumeist 8 Seh., zum Nachgelden 2, 3,
4 Seh. zu vorrichten pflegt, verkauft werden. Daher sich unsere
Vorfahren und Alten niemalen mehr, sowol auch neben beschehener
Schätzung Anno 57 dann ze 225 angesehener Burgerschaft bekannt.
Jedoch die armen Häusler, Arbeiter und Tagelöhner (so nichts mehr
haben, als was sie mit ihren Händen täglichen zue Lohn erwerben)
in Verrichtung häuslicher Bieren (die wir wol so hoch und höher
als auch wolhabende, vermögende, in ebenem Land gelegene
Städte pendiren, wie in unserem Bernregister genugsam zu ersehen)
je und allewege übertragen müssen, dann wir von einem solch ge-
ringen Häusel, zum Haussteuer oder Bern einen Termin nur 7, 8,
10 und zue 12 Gr. weiss gegeben werden, und wann sie denen
obermelten 225 ausgesetzten Häuslin (unter welchen doch nur 91 ganze
und halbe bei Hofe gefunden werden) in Erlegung aller deren land-
tuglichen Gaben gleich gerechnet werden sollten, wäre nicht mög-
lich, sie sich in solchem Wesen nur i Jahr allhier erhalten kuhnten),
sondern müssten mit Weib und Kindern und ihnen nach die ganze
Stadt in äusserstes Abnehmen und Verderben gerathen und gesetzt
werden. Dann Arbeiter (deren in anderweit sonst wenig zu bekommen)
man haben muss und erstreckt sich die arme Burgerschaft (weil gar
keine bürgerliche Nahrung, wie in andern Städten treiben kunnen,)
vermögen auch nicht, dieselbe mit Geissein, Contribution oder Monats-
geld zu erlegen, dann die Ding mit uns armen Aussigem also be-
schaffen und ist nicht allein fast auf allen Seiten mit hohen feisichten,
unfruchtbaren Gebirgen, besondem und vielmehr von denen von Adel
ringsumb umbgeben, beschlossen, verschränkt. Hat allseits von der
Jahrbuch des Protestantismus 1887. H. II. Q
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Stadt, über ein Viertel, und auch über ein halbes Viertel meilenweges
unsere Brettschaft und Gutterlin nicht, so zu verwundern und wohl
zu glauben ist, dass kein kgl. Stadt imBehemb, dermassen bedrängt;
da ist weder Nahrung, Handel noch Abgang. Ein ganzer Brauhof
hat durchs Jahr zwei Gebrau zu thun, ein weizens und ein gerstens,
ein halber halb so viel. Das Weizenbier, so aufs Los gebrauen wird,
kumbt nicht wohl in 3 Jahren umb, Gerstenbier, dessen man, so
lange jemanden das Los des weizenen nicht betrifft, 2 Gebrau vor
voll brauen mag, wird nur von wegen des Trinkens oder Koffents
vor die Weinarbter gethan, sonsten ist daran nichts zu erlangen,
versauert auch oft mit grossem Schaden, müssen uns damit über
den Sommer bis auf den Winter plagen, dann alles Bier, so allhier
(nur in zweien Brauhäusern] wird gebrauen, muss die Burgerschaft
auch unter einander austrinken, dann weil die uns so nahe gelegene
von Adel, Selbsten ihr Melz und Brauhäuser haben, ist dessen sonst
kein Abgang ; solcher Mangel fällt allhier wegen der Dorfstörer und
dann in anderer bürgerlichen Nahrung auch vor, dann von Getreide
herein in die Stadt gar wenig und fast nichts zue Markte geführt
wird; müssen unsere häusliche Noth berufen und Sustentation zue
Leitmeritz, Laun, Trebnitz mit grosser Beschwer suchen und kaufen.
Wird umb uns herumb eine Teurung über die andere gemacht, dann
die Meissner nunmehr auch in diese Gegenden haufenweis einfallen,
und alles Getreide bei denen von Adel mit grosser Übersetzung
sowohl unseren unüberwindlichen Unheil, Nachtheil und Verderben
aufkaufen thun. Belangend den Weinwachs, an deme fast alles unser
Gedeien und Nahrung hangen will, hat E: G: und H: gnädig zu
erachten, was massen auch diesfalls der allmächtige Gott aus wohl-
verdienter Straf seine milde Hand und Segen von uns entzogen, so
dass wir uns nu so viel Jahr anhero, nicht allein müde, sondern auch
bis ins äusserste Unvermögen verbauet haben, und wann auch gldch
in guten Jahren (so nu mehr fast dünne sein) von einem Bürger ein
etlich Fässlein Wein (dann die Menge dem Gebirge nach nicht zu
hoffen) erbaut wurde, wann wir aber daneben sonsten kein erspriess-
liche Nahrung haben, kann leicht Rechnung gemacht werden, was
gestalt über alle Darlag wir uns sambt unsern Weihen und Kindern
in diesen schweren, theuern, gefahrlichen Jahren beneben Verrichtung
der grossen Steuern zu behelfen haben? Geschwiegen, dass wegen
Veränderung etlicher Herrschaften, nunmehr des Weins mit Nutzen
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auch kein Abgang und denselben (sowohl als das Bier) unter ein-
ander ausschänken und trinken müssen, dann auch derselbe über
das hohe Gebirge auf der Axt nicht abgeführt werden kann.
Und obwohl der hiegischen (sie) armen, sehr beschuldten In-
wohner und Bürger Armuthen, Gebrechen, Mängel, Noth und Kummer
auf einmal zu beschreiben, viel Zeit sein wollte, und wohl erduldet
werden kunnte, dass solches per commissionem (wir wir uns wünschen
wollten) besser und grundlicher angesehen werden möchte, so habe
doch E: G: und H: ich dieses aus Erheischung meines Ambts zum
wahren Bericht zu erzählen aufs kurzst nicht unterlassen sollen, da-
mit dieselb gnädig zu erwägen haben, dass oben berührte Häuslin
und Hütlin und dann, welche neulich zu Unterhalt mangelnden Wein-
arbeiter und Taglöhner aufn Stadtgraben vorm Oberthore gebaut,
und nun auch zu Unterthanen aufgenommen werden, den 225 Häu-
sern, zu welchen sich unsere Vorfahren und wir bekannt haben, in
pensione der Türkencontribution nicht gleich gesetzt, noch verlegt:
auch die in engen Gebirgen gelegene verschränkte und bedrängte
Stadt Aussig anderen wohlhabenden im vollen freien ebenen Lande
statuirten kgl. Städten an Privat- als Communvermögen und Ein-
kommen im wenigsten gegleicht noch etwas mehrers dann was bis-
her© gegeben, einbracht werden kann, dann sonsten und ohne das
die Leute allhier so sehr verarmt und erschöpft sein, dass ein ehrbar
Rath sich vor dieselben die Steuern abzurichten, zu mehrmalen in
anderweit beschulden müssen, und destwegen zu E: G: und H: der
ungezweifelten Hoffnung und Trost steht, dieselben geruhen aus
angeborner Milde und Barmherzigkeit ihr Verderben genau nicht
suchen, sondern lassen (wie bishero billiger geschehen) bei diesem
Türkenkriege, das ihre beineben anderen als ein schwaches Glied
auch thun und verrichten kunnten, das wird Gott der Allmächtige
mit glückseliger Victori und Triumph über den Erbfeind christlichen
Namens väterlich und gnädiglich recompensiren, thu hieneben mich,
die Inwohner und Burgerschaft der Stadt Aussig zu derselben gnä-
digen Schutz treulich feefehlen.
Datum Aussig an der Eiben, den 9. November anno 98.
Euer Gnaden und Herrlichkeiten
unterthäniger gehorsamer
Josef Hermann
Primas daselbst.*
6*
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Besser wohl entspricht der Wahrheit, wie wir glauben, die
Schilderung der Stadt, wie sie Tichtenbaum in seinem, in lateinischen
Hexametern abgefassten Werke : ,Usta ad Albim delineata carmine
rebusque suis memorabilibus illustrata* uns liefert, das im Jahre 1614
erschien.
Wir geben zum Vergleiche als Anhang einige Stellen aus der
Schilderung der Stadt, wie sie Tichtenbaum uns überliefert.
Die Klagen des Bürgermeisters schienen für diesmal fruchtlos
gewesen zu sein; wenigstens hören wir nichts von einem Erfolge
derselben. Doch die Aussiger wussten, dass mit einemmale nicht
gleich Alles erreicht sein könne, ihre Bitten kehrten wieder, wie uns
das nachstehende Gesuch an den Kaiser vom Jahre 1604 beweist *)•
^AUergnädigister Kaiser und Herr. Eur kai: und kün: Matt:
können und wollen wir arme Unterthanen supplicando unterthänigist
und gehorsamist zu vermelden Umbgang nicht haben, was massen
Eu: kai: und kün: Mt: Gräinzstadt Aussig an der Elbe in diesen
betrübten, schweren und sorglichen Zeiten, nicht allein an ihrer
bürgerlichen Nahrung, besondern und vielmehr an ihrem commun
Gut und Einkommen zu nunmehr fast unsäglicher Abneigung und
Schmälerung gereicht, dann dieselbe in einer gebürchigten angustia
und steinichten situ erbaut und gelegt, gar keine Forberge, Brau-
häuser und sonsten fast kein Einkommen dann durch das aerarium
publicum gemehrt und erhalten werden künnte, als allein das einzige
und auch geringe Zollgefall aufm Eibstrome hat. Darzue muessen
Eu: kai: Mt: Curieren wir, wann selber anhero gelangt, ins Land zu
Meissen und weiter über unser Vermögen ein Ross leihen, darzue
wir sonsten nicht gepflichtet, und wir davon wenig haben, als dass
das Ross bisweilen so abgemattet, dass es etliche Zeit in anderweit
zur Arbeit nicht zu gebrauchen, dagegen haben wir mit schweren
Expensen und Ausgaben in baulichen Wesen zu erhalten die alte
Stadtmauer sambt ihrer baufälligen Pasteien, Rathhaus, Schulen, Bad-
stuben und andere Gemeinhäuser, item den^Caplan, Stadtschreiber,
Schuldiener, burgermeisterlichen Diener, Wächter auf der Stadtmauer,
in der Stadt und Kirchenthurm und dergleichen andere zue besolden,
darzue sich das commun Gut gar nicht erstrecken will und von Tag
zu Tag ärger wird, dann ob schon einer tempore pacis da der Haupt-
») StatthaltereiArch. Prag, AI. 13.
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77
feind der Christenheit Ungern und anderer Länder noch nicht so
fast infestirt in vorgefallener Noth, das commune Aerarium zu er-
halten unter einander ein Auslag und Geschoss angelegt; so will
doch solches itziger Zeit (dardurch mächtige Pendirung der Türken-
steuer so viel Jahr die Bürgerschaft an ihrem Vermögen ganz und
gar erschöpft) nicht mehr sein, dass wir selbig mit einiger solcher
Anlag ferners beschweren sollten, weil sie sonsten in Verrichtung
dero Contributionen mit Kummer, Mühe und Sorg genugsam zu
thun haben.
In diesem defectu und inopia aerarii p\;fclici fliehen zu Euer
röm: kai: und kün: Maitt: unseren allergnädigsten Kaiser, Künig und
Herrn, wir, tanquam ad sacram anchoram unterthänigist gehorsamist
bittende, dieselb geruhe in Erweigerung (sie) oben angeführter wahr-
haften Motiven uns Rathmanne der Stadt Aussig an der Eiben im
Namen und zu Händen ganzer Commun, dass wir pro auctione ge-
meinen Einkommens und Erhaltung der Stadt gemeinen Gebäuden
und Diener, von dato 3 Jahr, jedes Jahr 2 Schiff Getreide (wir kaufen
auch solches, wo wir wollen) bei jeder Zoll- und Mauthstelle, so
damit berührt würde, frei und ohne Zollesverrichtung den Elbstromb
hinab ins Land zu Meissen zu führen haben möchten, allergnädigst
befreien und begnaden, vor solche Guetthat, Gott der Allmächtige,
in welches Händen der Khünige Herz ist. Euer kai: und kün: Mtt:
mit freudenreicher, glückseliger, fröhlicher Victoria und Triumphe
über den blutdurstigen Erbfeind christliches Namens, den Türken,
ein Belohner existirn, sein und bleiben wird. In diesem Schutz und
Schirm Euer: kai: und kün: Mtt: wir unterthänigst und gehorsamist
befehlen, umb eheste Erledigung der Supplication bittende.
Euer röm: kai: und kün: Mtt:
unterthänigste gehorsamiste
Burgermeister und Rathmanne der Stadt Aussig
an der Elbe.*
Dass die Aussiger auch im Verkehr mit den Nachbarstädten,
namentlich ihrer Nebenbuhlerin Leitmeritz immer auf den eigenen
Vortheil bedacht waren, ist begreiflich; dass sie dabei nicht immer
Recht und Unrecht scharf von einander zu trennen wussten, ein
bedeutsames Zeichen der Zeit. Als die Leitmeritzer mit Adam von
Waldstein, dem Besitzer von Lobositz, in argen Streit geriethen und
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dabei den Kürzeren zogen, und zu gleicher Zeit Getreidehändler,
die Gelegenheit benützend, ohne Rücksicht auf die kaiserlichen Be-
fehle, in und unterhalb Lobositz laden liessen, ohne die Waare zu
verzollen, drückten die Aussiger ruhig beide Augen zu, uneingedenk
der Verpflichtung, scharfer Controle zu pflegen, dass alle Schiffe den
festgesetzten Zoll auch erlegten; galt der Verlust doch der Nach-
barschaft, nicht ihnen. Dagegen waren sie recht wohl auf den eigenen
Gewinn bedacht, als sie am 4. August 1610 an die Stadt Leitmeritz
das Dorf Zalesl verkauften *). Wie wir gehört, hatten sie dieses Dorf
sammt Podleschin und Hrwalow um 9000 Seh. erkauft; jetzt erhielten
sie für Zalesl allein den einstigen Kaufpreis von 9000 Seh., gaben
aber dabei doch nicht alle Anrechte frei, sondern behielten sich,
wie es in der betreffenden Urkunde ausdrücklich heisst, vor, dass
,alle und ein jeder der Bewohner und Bürger der Stadt Aussig, wie
früher seit altersher so auch für alle künftige Zeiten und für die
Ewigkeit die Macht und das Recht haben sollte, sei es nach Leit-
meritz auf den kleinen Getreidemarkt, oder an allen und einem jeden
Ufer zwischen Leitmeritz und Aussig, wo immer es ihnen belieben
würde, und welchen Namen immer diese Ufer haben mögen, nicht
nur alle Koch- und Küchenwaaren, sondern auch jegliches Getreide
auf Schiffe zu laden und einzukaufen, in Leitmeritz aber und in Zalesl
ohne jeglichen Zoll und Verhinderung frei zu passiren; doch sollten
nur jene frei vom Zolle sein, welche Getreide zu ihrer eigenen Noth-
durft kaufen und verschiffen, diejenigen aber, so mit dem Getreide
Handel treiben und vom Bürgermeisteramte Aussig keinen ,Zettel'
mit dem Ingesiegel der Stadt hätten, sollten verpflichtet sein, den
gewöhnlichen Zoll zu erlegen.* Die beiden, Aussig noch gebliebenen
Dörfer Podleschin und Hrwalow verkaufte die Stadt Mittwoch nach
dem Sonntag Cantate, d. i. den 23. Mai 1612 an Heinrich von Bünau
aufTetschen und Bodenbach um einen Betrag von 12.500 Seh.')
So sehen wir also, wie das Gemeinwesen Aussigs immer kräftiger,
blühender sich gestaltet und trotz mancher harten Kämpfe innerlich
immer mehr sich festigt. Auch Graupen, die nächst bedeutende Stadt
unseres Gebietes, hat in dem Jahrhundert der Reformation fast un-
unterbrochene Kämpfe um seine Freiheit zu bestehen; die unter-
1) Landt. 185, L. 21.
>) Landt. 186. P, 21.
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thänige Stadt wird zur königlichen, um abermals unterthänig zu
werden, rafft sich dann wieder empor zur freien, kaiserlichen; aber
die Ungunst des Schicksals vereitelt all ihre Hoffnungen und Pläne
und Wünsche: sie muss sich wieder zur Unterthänigkeit bequemen.
Fast ununterbrochen wechseln die Besitzer, kein Jahr beinahe ver-
geht ohne Sorgen und Bangen, ohne Angst und Verzweiflung, und
unter all den misslichen Verhältnissen versteht es der Rath doch,
das Wohl seiner Bürger zu wahren, dass dieselben nach Verlauf
dieses Zeitraumes keine Einbusse erlitten haben in ihrem Wohlstande,
dass Handwerk und Gewerbe blühen, vor Allem der Bergbau.
Vor Allem der Bergbau I Graupen war als Bergstadt gegründet
worden, schon das 13. Jahrhundert kennt den Reichthum seiner
Gewerke. Aber der beständige Wechsel der Besitzer im Anfange
des 16. Jahrhunderts konnte unmöglich zu Gunsten des Betriebes
derselben ausschlagen. Zu dieser Zeit war Albrecht von Kolowrat
Besitzer der Stadt; aber er starb plötzlich am 25. Mai 15 10 und
Frau Anna von Kowan übernahm auf Lebenszeit die Herrschaft zu
ihrem Nutzgenusse. Auch sie erfreute sich nicht lange des Besitzes,
im Jahre darauf übergab sie denselben ihren beiden ^^ Söhnen*, Johann
und iBernhard von Waldstein. Am 7. September 15 17 starb Bern-
hard mit Hinterlassung zweier Söhne, Albert und Johann; Johann
der Aeltere trat damit in den Alleinbesitz der Herrschaft Graupen.
Die Gemeinde war inzwischen bereits so weit heruntergekommen,
dass man nicht einmal mehr so viel Geld in der Stadtcasse hatte,
um die Zimmerleute zu bezahlen, welche den städtischen Röhrkasten
auszubessern hatten, oder dem gewesenen Stadtschreiber seine seit
Jahren ausstehende Besoldung zu begleichen. Der Stadtrath musste
in Folge dessen selbst geistliche Gelder angreifen, um nur den
drängendsten Gläubigern gerecht zu werden. Aber es war noch nicht
genug; im Jahre 1523 verkaufte Johann der Aeltere von Waldstein
die Herrschaft an die Brüder Joachim, Bernhard und Georg von
Maltzan, welche sie aber bereits am 27. Mai 1529 an König Ferdi-
nand I. wieder verkauften. Die nunmehr königl. Stadt hatte sich
dieses Titels und der damit errungenen Freiheit freilich nur kurze
Zeit zu erfreuen ; das nächste Jahr schon übergibt der König Graupen
an Zdenek Leo von Rozmital als erbliches Kaufgut, nach dessen Tode
(1535) sein Sohn Adam das Gut übernimmt, um es zwei Jahre später
an Wenzel von Wartenberg zu veräussem. Als derselbe im Jahre 1547
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sich an die Seite der Gegner des Königs stellt, verfallt sein ganzer
Besitz und schon am l8. August d. J. ist Graupen abernnals als
königlicher Besitz in der Landtafel intabulirt. Doch der König kann
sich wenig um seine Herrschaft kümmern ; er überlässt dieselbe der
Schutzherrschaft des Hauptmanns auf der Prager Burg, Wolf von
Wrschesowitz, nach dessen Tode (1569) sein Bruder Bernhard zugleich
mit seinen Nichten Anna Barbara und Magdalena von Wrschesowitz
den Besitz der Schutzherrschaft antreten. Die nach Bernhards Tode
entstehenden Wirren benützt die Gemeinde, sich selbst zur Herrin
zu machen, sie wird zur ^^ kaiserlichen, freien* Bergstadt. Diese Zeit
ist die glücklichste der Stadt, aber wie alles Glück nur von kurzer
Dauer. Kaiser Rudolf, der Schöpfer ihrer Freiheit, stirbt und Mathias,
sein Nachfolger, übergibt, ungeachtet aller Privilegien der Stadt,
seinem Oberstburggrafen Adam von Sternberg die Herrschaft als
Geschenk (161 5). Alle städtischen Versuche, die alte Freiheit sich
wieder zu erringen, sind vergeblich; der Process gegen die Grafen
von Sternberg dauert ein Jahrhundert, um resultatlos für die Stadt
zu enden.
Das Bergwerk zu Graupen hatte im Laufe der Jahrhunderte an
Ansehen und Bedeutung stetig zugenommen. War es doch das einzige
bis dahin bekannte Zinnbergwerk Böhmens. Die Ausfuhr steigerte
sich von Jahr zu Jahr, das Erträgniss desselben bildete eine reiche
Einnahmsquelle für die Stadt. Da plötzlich gebot König Wladislaw,
,dass kein Silber und Erz, wie das Namen hätte, in andere Lande
zu fuhren sollte gestattet werden*. Das war ein harter Schlag für
das Bergwerk, das fortan zu kranken begann und sich auf der bis
jetzt erreichten Höhe nicht mehr zu behaupten vermochte. War ihm
durch das Verbot der Ausfuhr seine Hauptlebensader abgeschnitten,
so musste die Sache um so schlimmer werden, als im Anfange des
16. Jahrhunderts rings in der Gegend neue Zinnwerke erstanden,
welche Graupen ernste Nebenbuhler wurden und auf Kosten der
Gegnerin rasch zu bedeutender Blüthe gelangten. Kupferberg, Blei-
stadt, Katharinaberg, Platten, Gottesgab, Klostergrab entstanden
damals oder kamen zu neuer Entfaltung; auch im sächsischen Frei-
berg wurde auf Zinn gebaut. Es hätte anders werden können, als
Bernhard von Waldstein in den Besitz der Herrschaft kam; als
einstiger Oberstmünzmeister Böhmens war er im Bergwesen wohl
bewandert und hätte es verstanden, den Graupner Gewerken aufs
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Neue aufzuhelfen, wenn er in diesem Bestreben auch auf Unter-
stützung von Seiten des Königs hätte rechnen können. Aber dem
war nicht so. Trotz des bestehenden Ausfuhrverbotes liessen die
Gewerke auf Münlzerzeche ununterbrochen Zinn ausfuhren, und als
man endlich ihnen gegenüber zu strengeren Massregeln zu greifen
sich veranlasst sah, liessen sie, die zumeist Ausländer waren, die
gewonnenen Zwitter einfach liegen^ ohne sie aufzubereiten, wodurch
die Gemeinde natürlich wieder einen namhaften Verlust durch den
ihr so entgehenden Zehnten erlitt. Bernhard von Waldstein klagte
dessentwegen beim Könige, ohne jedoch Recht zu finden; lange
Jahre zog sich die strittige Angelegenheit hin, bis endlich Bernhard
nachgeben musste. Von Haus aus wenig begütert, konnte er an-
dauernde Verluste nicht ertragen ; das Ende war, dass die Gewerke
ihm und seinem Bruder 5000 ü. vorstreckten. Damit war die An-
gelegenheit auf lange Zeit wieder beigelegt und Alles blieb beim
Alten.
Neuerdings schien Hoffnung auf Besserung der Dinge, als Graupen
königlich geworden und im Jahre 1549 daselbst die Zinnablösung
eingeführt wurde. Zwischen dem Könige und den Gewerken kam
ein Zinnkauf auf 10 Jahre zu Stande, kraft dessen jeder Centner
Zinn, darauf noch kein , Verlag* genommen, um 18 Vi, der Centner,
auf den ein , Verlag* empfangen, um 18 fl. solle geliefert werden.
Die Zahlung sollte durch kaiserliche Verordnete stets im baren Gelde
geschehen und auch auf die minder reichen Gewerke war Bedacht
genommen, dass sie nicht irgendwie zu Schaden kämen. Diese Aus-
sichten waren gewiss vielversprechend, zumal in jener Zeit gerade
von Augsburg und Nürnberg viel Nachfrage nach Graupner Zinn
geschah. Doch auch diese Hoffnung erwies sich als trügerisch.
Bald ertönt wieder die Klage, dass die Gewerke grösstentheils arm
und ausser Stande seien, etwas Neues zu unternehmen. Dazu ge-
sellten sich als eine neue Last die Quatembergelder, deren Zahlung
den Gewerken bald unmöglich ward, und Streitigkeiten mit dem
königl. Verwalter. Wenn die Zahlung der Quatembergelder auch
bald dahin geregelt war, dass nur dort, wo die Gänge in die Teufe
führten, Quatembergelder zu zahlen seien, das Uebrige alles aber
frei wäre, so war damit doch auch nicht für einen neuen Aufschwung
des Bergwerks genug gethan; im Gegentheil. Das zum Theü auf-
gehobene Verbot der Ausfuhr hatte Gelegenheit geboten zu Unter-
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schleif; es wurde eine Menge Zinn ausgeführt, ohne dass der Zehent
davon wäre entrichtet worden, und selbst der königl. Bergmeister
hatte dem unredlichen Gebahren Vorschub geleistet. So kam es,
dass neuerdings das strengste Verbot, Zinn auszuführen, erfloss ; da-
mit Hand in Hand ein neuerliches Sinken im Bergbau. Die Com-
mission des Jahres 1581 wusste nicht trübe genug zu schildern, wie
schlimm es mit Graupen bestellt« sei, da die Gewerbe so hart be-
drückt wären ; aber auf einen Erfolg konnte auch sie nicht hinweisen.
Erst im Jahre 1596 und nachdem man seither öfters Commissionen
nach Graupen entsandt hatte, die für die richtige Gebahrung Sorge
tragen sollten, zeigte sich wieder grössere Hoffnung ; bis zum Jahre
16 19 hält dieser Aufschwung an: an Zinn allein wurden damals
562 Centner gewonnen; von da sinkt diese Summe immer tiefer;
mit dem Bergwerke Graupen geht es nunmehr auf Jahrzehnte hinaus
immer bergab.
Ein Wunder, wie bei dem allen der Besitzstand der Gemeinde
nicht nur nicht abnahm, sondern von Jahr zu Jahr an Umfang zu-
nahm. Wir haben bereits erwähnt, wie elend die Verhältnisse der
Stadt zu Anfang des Jahrhundertes waren, so elend, dass selbst
geistliche Gelder in Anspruch genommen werden mussten. Eine
Aenderung der Verhältnisse war nicht früher abzusehen, bis die
Gemeinde selbst eine grössere Selbstständigkeit und Freiheit der
Obrigkeit gegenüber sich gesichert haben würde. Und in der That,
all ihr Streben war darauf gerichtet, eine bessere, freiere Stellung zu
erreichen. Wie nach der Freiheit vom Drucke der römischen Kirche,
so strebte auch nach persönlicher Freiheit und Unabhängigkeit der
Geist des Jahrhunderts. Die Schranken mussten erst fallen, bevor
an ein lebensfrohes Gedeihen zu denken war. Aber freilich, gar so
leicht wurde der Kampf nicht. Galt es doch, gegen einen selbst-
süchtigen Adel anzukämpfen, der, je mehr er an innerem Werthe
verloren hatte, um so eifriger bestrebt war, seine Position durch
Willkür und Bedrückung zu behaupten. Die Ausnahmen von dieser
Regel gehören zu den seltenen Erscheinungen, sie zeigen sich zu-
meist nur dort, wo auch der Adel die Grundsätze Luther's zu den
seinen gemacht hatte; der katholische Adel blieb hart und eigen-
nützig und stolz, wie immer.
Gewaltige Freude herrschte in Graupen, als das Jahr 1529 die
Stadt zur königlichen gemacht hatte. Glaubte man sich doch bereits
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dem Ziele aller Wünsche nahe und vom Drucke befreit für alle Zeit.
Das Jahr darauf brachte die Enttäuschung, die Stadt wurde wieder
unterthänig; an eine Besserung der Finanzen war vorab nicht zu
denken, wenn man sich auch die erdenklichste Mühe gab. Dazu
kam noch, dass im Jahre 1538 eine Feuersbrunst ausbrach, welche
die Spitalkirche, . die Badstube und 27 Häuser in Asche legte. Der
Schlag war hart, blieb aber nicht der einzige. Wenzel von Warten-
berg, der nunmehrige Herr, nahm eine Anzahl von Wiesen, die in
früheren Jahren Timo von Kolditz der Stadt unentgeltlich als Weide-
platz überlassen hatte, als sein Eigenthum in Anspruch, trotzdem
selbst König Ferdinand I. die Stadt neuerdings in allen ihren Rechten
bestätigt hatte. So ging es Jahre lang weiter, die Gemeinde ver-
armte zusehends.
Erst das Jahr 1547 sollte eine Aenderung bringen; Graupen
wurde abermals königlich, um nahezu ein Jahrhundert frei von jedem
Drucke zu bleiben. Die Schutzherrschaft unter Wolf von Wrscheso-
witz war eine milde und gerechte, die den Bürgern in ihrem Streben
nach Selbstständigkeit nirgends in den Weg trat. Bald sollte sich
denn auch die Wohlthat der königlichen Regierung zeigen, in kurzer
Zeit hatten sich die städtischen Finanzen Dank der vereinten An-
strengung Aller so weit gehoben, dass die Gemeinde daran denken
konnte, ein eigen Besitzthum sich zu erwerben. Der Althof unter
der Stadt wurde im Jahre 1552 erkauft, parcellirt und an verschiedene
Familien der Stadt um einen jährlichen Zins verpachtet. Wolf von
Wrschesowitz that noch ein Uebriges, indem er den Obergraupnern
ein ziemlich bedeutendes Stück Grund als Hutweide gegen einen
Zins von 48 kl. Gr., die nach Graupen zu zahlen waren, überliess
und ausserdem die Holzpreise um ein Bedeutendes herabminderte,
eine Wohlthat, die bei dem grossen Bedarfe der Stadt an Holz nicht
wenig ins Gewicht fallt.
Und immer günstiger gestaltete sich der Wohlstand der Ge-
meinde. Je geeinigter die Stadt wurde im Glauben, um so blühender
entfaltete sie sich ; es war, als ruhe ein Segen auf ihr. Vertrauend
auf die Gerechtigkeitsliebe der neuen Regierung, wandte sich die
Gemeinde an Wrschesowitz mit der Bitte um Rückstellung der ihr
von Wenzel von Wartenberg widerrechtlich entzogenen Gründe;
schon am 31. August 1562 war dieser Wunsch erfüllt. Zwar sollten
die einmal zinsbar gemachten Stücke beim Schloss Graupen ewiglich
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verbleiben, doch , unbeschadet derjenigen, die solche Räume und
Gärten jetzt innehaben, oder zukünftiger Zeit innehaben würden,
und jenseits des Wassers, so im ,Grunde' hereinfliesst, wohnen*, da-
gegen sollten die Gemeindeangehörigen allen übrigen Grund unge-
hindert zu ihrem besten Nutz, mit Viehtrift, Hütung, Holz und
anderer Nothdurft nützen, brauchen und geniessen ;. zum Ersatz aber
für die abgezogenen Gründe wurde den Graupnem und allen ihren
Nachkömmlingen gegeben ,das Stücklein, welches mit Fahrwegen an
einer Seite nach dem Prussensberge zu, an der andern von Sämlein
umfangen*, das sie ,als ihr eigen und proprer Gut ihres Gefallens,
von männiglich ungehindert*, geniessen und gebrauchen sollten. Das
war der erste Grundstein zum Besitze der Stadt, dessen Einkünfte
noch heutigen Tags die brauberechtigte Bürgerschaft Graupens bezieht.
Immer weiter dehnen sich die Gründe der Gemeinde. Das Vor-
werk zur Scheune wurde von Valten Wagner um 24 Schock erstanden,
desgleichen 1571 die grosse Mühle unter der Stadt um 250 Seh.,
eine Wiese in den Modlaner Weiden, zwei Gärtchen an der Mühl-
scheibe gelegen und ein grosser Garten zwischen den zwei Mühlen,
sowie ein Weingarten. Das Jahr 1579 brachte einen weiteren Besitz
in dem Dorfe Soborten, das j^mit aller Macht und Herrlichkeit* um
134 Seh. Gr. m. der Stadt zu eigen ward. Das Jahr darauf überlässt
die Gemeinde dem Kaiser Rudolf den' Bierschank in den Dörfern
Schönwald, auf dem Kratzhammer, Nollendorf, Auschine, Arbesau,
Schanda und Wiklitz, erhält aber dafür den Hof Kirchlitz mit zwei
kleinen Samenteichen, einen Weingarten über der Stadt, die Fleischer-
wiese, sowie ein alt Gemäuer, wo vor alters ein Malzhaus gewesen,
und ein Stück Waldes; ein Vertrag, durch den die Stadt nur ge-
winnen konnte.
Den Höbepunkt städtischer Entwicklung erreichen wir mit dem
Jahre 1584, in welchem eine kaiserliche Commission der Gemeinde
die Dörfer Zinnwald, Voitsdorf, Obergraupen, Rosenthal und Bie-
hanken mit voller Herrlichkeit um 2718 V« Seh. b. Gr. verkauft, und
in einem zweiten Kaufvertrage aus dem gleichen Jahre auch ein
Stück Wald und Wasser um 825 Seh. b. Gr. überlässt. FreUich hatte
sich die Gemeinde damit über ihre Kräfte angestrengt. Der Kauf-
preis war für sie ein zu grosser, wenigstens für den Augenblick nicht
zu erschwingen. Als aber die Commissäre auf Zahlung des Kauf-
schillings drangen und zugleich drohten, im anderen Falle den Kauf
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rückgängig zu machen, musste sich die Stadt, so hart es ihr auch
ankommen mochte, entschliessen, einen Theil des eben Erworbenen,
die Dörfer Zinnwald, Voitsdorf, Biehanken und Soborten, an Adam
Hrsan von Harras um 2574 Seh. m. wieder zu veräussern. So war
die Herrschaft der Stadt zwar auf ein weit geringeres Gebiet einge-
schränkt, als man ursprünglich geplant hatte, aber um so leichter
Hess dieses sich verwalten, um so besser konnte man auf dessen
Wohlfahrt Bedacht nehmen. Und der Magistrat versäumte in dieser
Hinsicht seine Pflicht keineswegs. Rasch ging er daran, fiir Rosen-
thal eine Gerichtsordnung zu schaffen, die 1590 zustande kam, und
auch für Obergraupen wurde eine ähnliche festgesetzt. Erwähnen
wollen wir aus der ersteren — die zweite hat sich nicht erhalten —
nachstehende Punkte : Das Spielen bei den Nachbarn um Geld oder
Geldeswerth ist verboten bei Tag oder Nacht; ingleichen das un-
ehrliche Tanzen, ,das geschieht mit dem Vordrehen, daraus allerlei
Unzucht erfolgt*, bei Strafe von i Seh. Gr. für den Tänzer, als auch
die Tänzerin, sie sei Jungfrau oder Weib (Art. 11, 12). ,Bei Pön und
Strafe 2 Schock Gr., dass keiner einen Wachholderstrauch in der
Gemeinde abhauen, sondern Jeder dieselben hegen solle*.
Im Jahre 1594 konnte die Gemeinde auch wieder den an Ma-
thilde von Sahlhausen verpfändeten Althof auslösen; das Gütchen
wurde in Parcellen getheilt und an Bürger der Stadt um einen ,ewig*
bestimmten Zins verkauft. Wie sehr man besorgt war, dass die Güter
auch wirklich für immer im Besitze von Bürgern blieben, zugleich,
wie sehr der Gegensatz zwischen der selbstbewussten, freien Bürger-
schaft und dem stolzen Adel sich zugespitzt hatte, zeigt der Schluss-
satz dieses Vertrages, worin sich alle Käufer der Gemeinde gegen-
über verpflichten mussten, ,dass Keiner, so dero Erbstücke eines
erblich an sich gebracht, sowol ihre Erben und Nachkommen weder
eines noch keines von den durch die Gemeinde verkauften Erbstücken
durchaus keinem vom Adel, er wäre gleich in oder ausser dieser
hiesigen Bürgerschaft und Jurisdiction, nicht verpfänden, versetzen,
verkaufen, vertestiren oder wie das Menschenlist, Geiz und Sinn
erdenken möchte, heimlich oder öffentlich zukommen lassen soll;
ihnen allein, den Inwohnern dieser Stadt, so nicht des Adels und
gleiche Last und Bürde mit der Gemeinde allhier tragen, auch zu
Aemtern der Stadt sich gebrauchen lassen, soll es zu kaufen und
an sich zu bringen freistehen und zugelassen werden.*
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So lebte die Stadt in den selbst gezogenen Grenzen ein be-
scheidenes, aber glückliches Dasein; sie hatte keine Ahnung, wie
schnell ihr schöner Traum verfliegen sollte. Aber das Jahr 1615 kam
und brachte den Sturz, die Vernichtung der bürgerlichen Freiheit.
Kaiser Mathias hatte Graupen ungeachtet all ihrer verbrieften Rechte
und Freiheiten seinem Oberst burggrafen Adam von Stemberg ge-
schenkt. Was halfen jetzt alle die Opfer, denen die Stadt sich unter-
zogen, um sich frei und unabhängig zu machen ; ein einziges Machtwort
des Kaisers hatte alle Pläne vernichtet ; vergebens alle Anstrengungen,
die alte Freiheit wieder zu erringen. Das Wort des Kaisers blieb
aufrecht ; die Stadt wurde abermals erbunterthänig und sah vor sich
nichts als den Niedergang ihres Wohlstandes, eine Reihe von Jahren
voll von Elend und Kummer und Noth. Und diese Aussicht, sie
sollte sich leider erfüllen.
Wir wollen noch einen Blick werfen auf die gewerblichen Ver-
hältnisse der Stadt, das Handwerk. Dass auch dieses innigen Antheil
nahm an den wechselvollen Geschicken der Stadt, ist natürlich;
hing doch vom Wohle der Gemeinde auch sein eigenes Wohlergehen
ab. Die Fleischer und Schmiede waren bereits zu Ende des 15. Jahr-
hunderts zu einer Innung zusammengetreten; ihre Innungsbriefe da-
tiren vom Jahre 1480; ins Jahr 15 11 fällt die Ordnung der Schuster,
denen der Magistrat, der seit 1477 als alleiniger Leiter des Zunft-
wesens galt, den Innungsbrief in ausfuhrlicher Weise vorschrieb;
doch war derselbe zugleich mit ihm auch von Anna von Kowan
mit unterfertigt, j^ Welcher Geselle aus diesem Handwerke will Meister
werden, der muss haben eine lederne Haut und ein Schaffell, und
aus der Haut soll er seilen ein Paar Halbschäfte und ein Paar Mittel-
schäfte, zwei Paar Furfuss und zwei Paar Überschuh, darzu 8 Paar
Sohlen und Köder (}); was über das, ist sein Frommen. Aus dem
Schaffell soll er schneiden wie hernach folget: zum ersten ein Paar
geschnürte Schuh von dreien Stucken als Herrn und Burgern ange-
hört zu tragen, ein Paar Boslein, ein Paar gesnirckelte Schuh, ein
Paar geschnürte Frauenschuh und ein Paar Buntschuh und ein Paar
hohe Frauenschuh mit Kneuffeln; item ein Paar gehefter Stiefeln
und ein Paar Furstiefeln.* ,Auch soll keiner in unser Handwerk
aufgenommen werden, der do gelernet hat in einem Dorfe, sondern
er lerne denn in einer Stadt nach Gewohnheit des Handwerks. Den
nächsten Sonntag nach Quatuortempora kommen sie alle zusammen
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und ein jeglicher Meister soll i Gr. einlegen und am selben Sonntag
sollen sie haben eine eigene Stunde oder Zeit und welcher zu der-
selben Stunde nicht kommet in ihre Zeche, wie sie die Meister
angesetzt haben, der gebe die Buss i Pf. Wachs. Und stirbt ein
Meister oder eine Meisterin, soll man den Viermeistem kundgeben,
auf dass sie umbgehen lassen, damit ein jeglicher zur Vigilia komme
und zum Begräbnis.* Zank und Hader wird verboten. ^So einer
Hader anhebt in der Zeche, mag er i Pfund Wachs büssen oder
auch 3 nach der Meister Erkenntnis.* Auch soll keiner in der Zeche
ein Gewehr bei sich haben. Was in der Zeche verhandelt wird,
bleibt Geheimnis, so aber einer im Leuthaus etwas davon offenbart,
soll er geben i Pfund Wachs. »An Frohnleichnam soll das Hand-
werk ein gemein Bier haben und jeder darzu kommen; so aber
einer es versäumet, der mag das gleiche zahlen, als sei er dabei
gewesen.*
Aehnlich mag wohl die Ordnung der Bäcker vom Jahre 1565
gewesen sein, doch ist uns deren Wortlaut verloren gegangen. Auch
die der Leineweber vom Jahre 1589 ähnelt der oben besprochenen.
Interessant sind die Lohnbestimmungen: ,Mit dem Lohne vor ihre
Arbeit soll die althergebrachte Gleichmässigkeit allenthalben gehalten
und geübet werden, hiemit sich Niemands der Übersetzung zu be-
schweren, als nämlich, was Flachsenarbeit ist, aus 14, 15, 16, 17,
18 Gängen dem Gezeuge nach von S Ellen i w. Gr., aus 20, 21,
22, 23 Gängen von 2 Ellen i Gr. m. aus 24, 25, 26 Gängen zu 4 '\^,
aus 27, 28, 29 von der Elle zu 5 ^, aus 30, 31, 32, 33 zu 6 A,
aus 34, 35, 36 zu Groschen und was höher bis auf 42 Gänge von
der Elle zu 9 'A. Item do Jemand nach dem Stucke wollt lassen
arbeiten, der soll von i Stuck geben 5 Gr. i ^ und wenn das Garn
ungewunden 6 ^ davon an winden geben.* »Will einer Meister
werden, so soll er sein Meisterstück machen, wie man zweierlei und
dreierlei, auch viererlei Garn zusammenlege und mit jeglichem oder
von jeglichem schere, damit es zusammen antworte, und keinem um
ein Viertel Leinwand Unrecht geschehe, es wäre lange oder kurze
Weifen. Des weiteren soll ein neuer Meister machen drei Schock
Ellen Leinwand, i Schock aus 20 Gängen, das andre aus 30, das
dritte aus 40 Gängen und solche Arbeit, besonders aber die ,Salender'
sollen schlicht sein und ohne Tadel, daran kein Fadenbruch über
3 Schüsse zu finden.*
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Auch die Tuchmacher und Schneider erHielten 1605 unter Auf-
hebung ihres alten Innungsbriefes eine neue Ordnung.
Für das Schulwesen wurde Bedeutendes gleichfalls erst gethan,
als der evangelische Glaube festen Fuss gefasst hatte. Die frühere
Zeit hatte wenig Sinn für Volksbildung gehabt und dieselbe für
überflüssig erachtet; erst als die Geister durch Luther erwachten,
durchwehte auch sie ein neuer Hauch, fühlten auch sie den Werth
einer Bildung, die alle Schichten des Volkes gleichmässig durch-
dränge. In Graupen erstand unter dem Einfluss der protestantischen
Geistlichkeit eine Lateinschule, deren Schulinstruction vom Jahre 1605
uns erhalten ist. Sie ist in vieler Hinsicht interessant. Einiges aus
ihr sei uns hier mitzutheilen gestattet. Die ersten Punkte derselben
gelten den Lehrern selbst; dem Glauben Luther's sollen sie zuge-
than sein, sollen sich aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit befleissen,
und ihren Schülern überall mit gutem Beispiel vorangehen; ihres
Amts sollen sie fleissig walten und dabei nicht den zeitlichen Lohn
ansehn, sondern einstmalen des ewigen gewärtig sein. Die Ruthe
sollen sie mit Mass gebrauchen an Haupt und Leib, mit Schlagen
und Stossen und Treten sollen sie die Kinder verschonen, weil
solches ihnen im Alter schädlich und nachtheilig werden könnte;
wäre aber einer, der zum Studiren untüchtig und ungeschickt wäre,
soll mans den Eltern anzeigen, damit ihnen nicht vergeblich Hoffnung
gemacht werde und sie beizeiten ins Handwerk könnten gethan
werden ; alle Jahr soll von der Schuljugend eine Comödie aufgeführt
werden. Auch findet jährlich im Beisein des Pfarrherrn und einiger
Rathspersonen eine öffentliche Prüfung statt. Die Hinweisung auf
den ewigen Lohn war allerdings nöthig ; der zeitliche betrug fiir den
Schulmeister wöchentlich an einem Sonnabend Vi Thaler und alle
Quartal 2 Thaler, während der Cantor wöchentlich mit 12 w. Gr.
sich zufrieden geben musste. Ausserdem gab es Schulpretia; jedes
Quartal von einem jeden Knaben in der Classe 6 Id, Gr., in der
2. und 3. Classe und die, so lesen und schreiben können, 5 kl. Gr.
Die A-B-Cdarii und die, so buchstabiren, 3 kl. Gr. Diese pretia
wurden mit den Recordationes an Martini, Nicolai und am Tage
trium regum unter alle drei Lehrer gleichmässig vertheilt. Am Oster-
feste und zur Kirch weih bringt ein jeder Knabe Kuchen mit, oder
I kl. Gr., und auch diese Gaben werden getheilt. Ueber das, was in
der Schule gelehrt wird, und es ist das ziemlich viel, berichtet der
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ordo lectionum, den wir seiner Weitläufigkeit wegen hier nicht mit-
theilen können und diesbezüglich daher auf unsere Quelle (Hallwich:
Graupen IL 79) verweisen.
Wir haben im Vorhergehenden abermals ein Bild aus dem Jahr-
hundert der Reformation zu entwerfen versucht, einfach und schlicht,
aber lehrreich für uns Alle. Mögen die Protestanten, die heute in
dieser Gegend wohnen, eingedenk sein der Mahnung, die aus diesem
Bilde ihnen entgegenleuchtet : Treu einzustehen im Glauben imd bei-
zutragen nach besten Kräften, dass der protestantische Glaube wie
einst auch jetzt wieder hier erblühe zum Nutzen, zur Wohlfahrt des
Landes.
Anssig im Anfang des 17. Jahrhonderts.
Auszug aus Tichtenbaum: Usta ad Albim delineata carmine rebusque suis memo-
rabilibus iUustrata.
Ampla foro in medio surgit domus, aere senatus
Exstructa ingenti, et pulchro domus inclyta cultu:
Atra macella calent subtus, spumantia turpi
Caede boum, supra, spaciosa theatra, decensque
Triclinium, aulaeis radians pictisque tapetis,
Regaliue nitens luxu; locus aptus honori
Grex frateme tuo, scenisque accommoda sedes.
Sub tecto tormenta, enses conduntur et hastae,
Arma urbis miranda, arcus, clypeique sonantes,
Loricaeque, cetraeque, et acuto hastilia ferro,
Bombardae, galeaeque leues, validaeque bipennes.
Anterior tecti fades pulcherrima signis
Et pictis diuüm formis; dextra arma Bohaemi
Clara nitent regni, tali subscripta Camaenä:
Dum stat uterque Leo, viget Vrbs, stat uterque Patronus :
Vrbs vige, adesto tuis Caesar uterque diu.
Postea Christiparae Genitricis imago MARIAE,
Virginis aethereae, tali signata Poesi:
Quae te principio, quae te modo, quaeque per euum
Vrbs colit, hanc gremio Virgo Patrona foue.
Tum Venceslai. regnique Vrbisque Patroni,
Forma decens & frontis bonos epigrammate claret :
Venceslae, tuos coluit fratema triumphos
Vsque cohorsy signis hanc tueare tuis.
Jahrbuch de« Protestantismus 1887. H. 11. 7
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Arma deinde, loco extremo, Leo candidus, Vrbis
Erectus, galeä tectus, cristaque superbus,
Lorica indutus membra anteriora trilici
Versibus bis subtus splendent, metrisque duobus.
Albus candorem, Leo stans Constantiam, et Vrbis
Trux Lorica viros cum galea: arma notant.
Supremum excellens tectum supereminet alte
Turricula; haec pinnä aurata spectabilis exit
Hinc medias, seu Teutonico de more diei
Emenfuratas designat malleus horas.
Hanc penes ad riuum mediam qui peruius urbem
Sese infert, viuae terra conclusus aquai'
Ductus, opus certe exdso praenobile saxo
Cemitur, unde frequens, condusa canalibus, unda
Bis binis lymphas praebens sitientibus exit.
Hunc super arma gerens,. chlamydemque induta, sinistra
Vexülum quatiens laetum clypeumque nitentem,
Effigies dextra Regis veneranda Bohemi
Venceslai astat, regnique Vrbisque Patroni:
Hoc quoque praestantis decus immortale senatus,
Gloriaque aetemos perpes mansura per annos.
Curia iaeta Patrum gelida, stat postä, sub Arcto
Clara senatorum sedes, domus ampla potentis
Justitiae; unde suis leges sacrataque ciues
Expectare solent actis et dicere jura.
Hanc super alträ sono quae tempora lucis et horas
Quadrantesque notat, turri suspensa rotunda
Mensurat iusto, spadum campana, meatu
Effigiem inferius mediam similesque gerentem
Viuentis gestus, dextra, labijsque minantem
Et luxta ostendens signumi vaga sydera motus,
Dyctinnaeque globum, vicibus sua fata rotantem
Atque senescentem, artificum manus inclyta fixit.
Proxima Schössen domus est, domus inclyta, cultu
Restaurata nouo, & multo exornata decore:
HJc habitet Princeps, locet häc sua castra Dynastes
Vix erit ut renuant: tanta est sua gloria tecti.
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Quin eadem Leopolde tibi Dux inclyte nuper,
Magnanimae Heroum turbae, procerumque cateruis
Praebuit hospitium, tectisque accepit amicis
Te quoque sacrarum, Praesul venerande, cohortum
Carole, quem signis, Lambergica stemmata, ditant
Nuper honorata dignum susceperat aulä.
Est aliquid tantos tectis fouisse Monarchas?
Hac preciosa quoque, excellens, nullique secunda,
Si quae Boemiacas usquam seruata per urbes
Copia librorum; precio, multoque labore
Qaret parta domo, longo ordine posta seorsim:
Quam consueta diu Schösseri contulit, atque
Hacce suas pulchre celebres ornauerat aedes
Larga manus; sacrum quondam, pro pignore seruans
Aut, si fata volunt, gratis pro fratribus, usum.
Nunc ad consilij loca sacra reuertere; Patres
Enumera, quem quisque locum venerabilis omet.
Proximus a primo, residet Tilemannus, honore
Vir diues, vitaque grauis: tum clarus auitos
Nicoleos veteresque gerens cognomine Thamos.
Hinc Mollerus adest reliquis; quem Solina claris
Nobilitat dignum titulis; cui proximus Albrecht
Matthaeus; tum Schillingi de semine natus.
Septima Fortunae flatus: sacra numina Diuüm
Concessere loci, minimo mihi iura potentis:
Hinc Fibich: et Boiemä de gente Rabusky:
Ezelius, Tatick, et agens cognomine Petrum.
Hos penes emeritos Patriae pia cura tuendae
Perstat, et hos merito Respublica tota stupescit.
Hinc duo, qui secreta Vrbis seu publica scriptis
Facta notare solent; Vrsus germanica signat
Consulta; ast Boemis, Charmensky, praesidet actis.
Quid referam. fatis qui concessere, polosque
Inter, et aethereos gaudent, pia corda, ministros?
Nigrinos, Monachos, Thamios, Windischiadesque
Kippelios, Maleros, Habcones, Harlichiosque
Topinkas, et eos quorum ipse ego sanguine viuo,
7*
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MoUerumque senem, cuius, post funera, virtus
Perpetuumque viget nomen, primatis in Vrbe
Officium qui olim magno cum nomine gessit,
Cuius fata, velut functi deserta parentis
Pignora, lamentis patriae Respublica plangit.
Et reliquos, quorum manes sub pace quiescunt,
Insignes cunctos verae virtutis amicos
Inuida fatalis secuit mors falce, cauisque
Conclusos quondam tenet imperiosa sepulchris.
Sed cum pro patribus superent, pia pignora, nati,
Quorum cura vices subit indefessa parentum,
Hos serua, hos adama, meritoque Vrbs Vsta, verere,
Tu quoque perpetuos DEVS hos per vota clientum
Et viduatorum lachrymas tueare per annos;
Extra urbem irriguis praeterluit Albis arenis
Piscibus omnigenis diues, iuxtaque fluentum,
Bilnensi e tractu veniens, urbemque meatu
Lene pigrescenti, per prata virentia, lambens
Excipit, et secum immensas per Teutonis oras
Intrepidi, Oceani speciosas ducit ad undas.
Hunc penes Eoo, qua Sol conscendit, ab ortu
Mons iacet antiquis Stainperk cognomine dictus;
Vndique pampinea ditatus vite, priore
Vertice caluus apex, nemore ulteriora virescunt
Vmbroso, at tandem prerupto ad flumina saxo
Desinit aduersoque citus submergitur Albi.
Hie ad radices rupem iacet inter et undas
Vinea, clara situ, toto notissima mundo,
Podskalsky quondam de possessore vocata,
Sed modo communis tenet hanc Respublica; et huius
Saepius eximias mercatur munere laudes.
Et merito; si Gnosiacos vindemia coUes
Cretica concelebrat; si aruisia pocula Chios;
Si Pusci arnenses botros: si rura Veseni
Flammiuomil celebris si vina Lygustica vulgi
Fama canit; tu quae reliquas praecellis honore
Podskalsky celebranda magis stas vinea; et ingens
Prae cunctis merito referant tua pocula nomen.
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Post hunc innumeris montana cacumina clarent
Vinetis, grauidisque ferunt bona vina Corymbis.
Siint et praetereä, socij inclyta culmina, montes
Circumquaque suis ditantes viribus urbem •
Innumeris, hac praecipue, qua iluminä cursu
Comita praecipiti Schreckstäinia iugera pulsant,
Arx ubi sublimis natiuo condita saxo,
Strzeckow nomen Habens aspectu, omenque subipiso
Arx ripas penes Albi tuas, tua flumina terrens.
Denique supplicij qua Fontes semita ducit
Mons etiam accliuus, furcä vocitatus ab acri
Justitiae, impendet patriae, atque hanc vitibus omat
Hie st et erat Vietrusch, arx infestissima quondam
Vsta tibi; multumque tuas afflixerat aedes;
Nam fundä ingenti, patria quae nuper ab Vrbe
Missa Rudolphe tibi cessit, celeberrime Caesar,
Nobilis ille, ferusque cadauera cuncta tyrannus,
Si quando indomitä excandens insanijt irä
Ad mediam, faetore graui, proiecerat urbem.
Vndique vitiferae quaecumque ad sydera colles
Assurgunt, multo crescunt cum faenore frondes.
Verum ubi planicies (quae multa est solis ad ortum)
Et qua Tceplicium tepidas via ducit ad undas
Maturis ibi multas Ceres flauescit aristis
Exultantque graues, numeroso mergite, campi
Atque adeo ut largos, cum nix Riphaea, calorem
Sentit, et in Tanaim glacies descendit ab altis
Rupibus, et rapido complet Maeotida cursu
Piurima ruricolis tum verberat area culmos.
Hie etiam Elysium tempe, et peramaena virescit
Copia pratorum, viridantia gramina, iaeto
Vndique prospectu; tenero hie locus aptus amori,
Hic habitat faecunda Pales; hie flora decores
Expandit speciosa suos, siluestria Nymphae
Numina florilegae, quas appellare Napaeas
Gens antiqua solet, bella et cum matre Cupido
Teliger ardentes per roscida rura vagantur.
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Quid fructus memorem, quorum ingens copia, ubique
Arua per, et laetis passim carpuntur in hortis?
Et syluas, quae multa tibi patria inciyta praestant
Commoda; ligna ferunt, lepores, capreasque sequaces
SufHciensque auium munus, grauido ubere praebent?
Singula se passim, propriä cum laude, celebrant.
Aura situsque loci bonus, atque innoxius aer
Hie spirat, sie ut gelidum contagio virus
Pestiferä raro corrumpit pectora tabe,
Hactenus ut multis circa isthaec climata constat
Exemplis; nee enim quisquam non esse salubrem
Diceret hunc caeli tractum, stellasque benignas,
Torpescens ubi nuUa palus, quae pplluat auras
Et totam faetore plagam corrumpat iniquo.
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IV.
Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und
aus Sachsen.
Von Pfarrer SCHEUFFLER in Lawalde (Sachsen).
in. (Fortt«teung.) 1)
XXXIX. Eger im Nordosten Böhmens, Pfarrgemeinde seit
II. November 1862.
Diese seit 1298 an Böhmen verpfändete deutsche Reichsstadt,
25. Februar 1634 Schauplatz der Katastrophe, welche den Gegen-
reformator Albrecht Grafen von Waldstein, Herzog von Friedland
und Sagan, hinwegraffte, war bis zur Gegenreformation Sitz einer
blühenden deutsch-lutherischen Gemeinde, deren Pfarrer als Super-
attendenten bezeichnet werden, wie denn auch hier ein Consistorium
bestanden haben soll.
Wir finden aus Sachsen stammend
lOi. M. Paul Pretzschner, etwa 1538 in Dresden geboren,
1 552 — 58 Afraner, Rector in Neustadt-Dresden, 1 565 Diakonus daselbst,
1574 — 78 letzter Pfarrer der Hospitalkirche zu St. Bartholomäus und
bis 1581 erster Pfarrer der an deren Stelle 26. Juli 1578 geweihten
St. Annenldrche zu Dresden — als welcher er die Concordienformel
unterschrieb — , seit 1581 Superattendent zu Eger: — bis an
seinen Tod 21. December 1586. (Kr. 107. AA. 17.)
Vielleicht war Johann Pfretz sehn er, 1595 Pf. zu Schwand,
1627 dgl. zu Altensalz, beides im Vogtlande, und an der Pest 20. Nov.
desselben Jahres verstorben (Kr. 471, KG. XI, 154), sein Sohn, da
letztere Namensform häufiger ist, auch in Bezug auf ihn vorkommt.
Dagegen war sein unmittelbarer Nachfolger der Jahrg. VI,
S. 132 unter N. Vlü, 10 aufgeführte
*) Vgl. Jahrb. 1885, S. 127—140; 1886, S. 188—202.
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96
M. Nicolaus Polantus, ein Oberpfälzer 1587 — 93 hier
Superattendent, später in Sachsen angestellt; 1589 Dr. Th.
N. XXVIII, 85, S. 196 des VII. Jahrg. ist ebenfalls bereits er-
wähnt Johann Hofstetter, auch Hof st et er, vielleicht auch Hoch-
stätter — , 1623 Archidiakonus, 1 624 — 27 Superattendent in Eger —
14. Dec. 1627 hielt er die letzte Predigt vor der Gegenreformation.
Unter N. 117 haben wir vielleicht seinen Sohn.
Von Schulmännern nennen wir den aus Jena stammenden
102. M. Nikolaus Ballhorn, 1595 — 1600 Rector in Eger,
dann in Schneeberg, 1608 — 6. Juli 1609, wo er starb, Rector der
Lateinschule (Franciscaneum) in Meissen (wohl zu unterscheiden von
der berühmten Fürstenschule zu St. Afra). (Mittheilungen des Vereins
für Geschichte der Stadt Meissen. I. 4, S. 42.)
Nach ihm (1600— 1607) ist
103. Abraham Schadäus (Schade) aus Senftenberg Rector
in Eger gewesen — nach einem vielbewegten Leben. Er war
1573 — 88 Conrector an der Thomasschule in Leipzig, 1588 — 92
dritter Schulcollege zu St. Afra in Meissen, , wegen Verbreitung calvi-
liistischer Grundsätze* abgesetzt, 1593 Cantor in Bautzen, legte
seine Stelle nieder, ward 1598 Rector in Schneeberg: — nachher
dasselbe in Eger (Tausch mit Ballhorn?). Auch in Eger ist er
nicht lange geblieben, denn wir finden ihn noch als Rector in
Speier, Torgau, Conrector in Bautzen (1614), Rector daselbst
(1616). Im J. 1617 legte er auch diese Stelle nieder und zog sich
hochbetagt nach Finsterwalde in der Niederlausitz zurück, wo er
10. Dec. 1626 verstarb. (AA. 620; vgl. Otto, Oberlaus. Gelehrten-
Lexikon III, 127.)
104. Sebastian Fürgang, 1624 — 1627 Rector in Eger, dann
zu Plauen i. V., endlich 1635 bis an seinen Tod 1650 an letzterem
Orte Archidiakonus. (Kr. 403.)
Auch 105. Daniel Bürckner (Betulius), 1578 Conrector in
Eger, war ein Sachse. In genanntem Jahre starb bei ihm sein Vater
Wolfgang B., 1568—76 Pfarrer zu Callenberg bei Waidenburg im
Schönburgischen. (Kr. 61.) Später ward er Diakonus, 1610 als Pfarrer
zu Fraureuth im Reussischen.
106. Nikolaus M edler, aus Hof gebürtig (1502), wird von
Böttcher, Germania Sacra S. 1421 u. a. bei Eger erwähnt. Als Schüler
Luthers von diesem hochgehalten, 1520 Student in Erfurt, 1522
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97
in Wittenberg, kam er 1525 zu Eger als »reisender Mathematikus*
an und gründete eine Schule. Weil er in dieser auch Luthers Lehre
lehrte, kam er mit dem Magistrate in Streit und ging zunächst
nach Hof, seinem Geburtsorte. Von 1531 — 36 war er Diakonus in
Wittenberg, wurde 14. Sept. 1535 Dr. theol., 1537 — 46 wirkte er
als Superintendent zu Naumburg a. S., wo 1536 die Reformation ein-
geführt worden war, zunächst an der Stadtpfarrkirche zu St. Wenzel.
Als der katholische Bischof Pfalzgraf Philipp 6. Jänner 1541 gestorben
war und Kurfürst Johann Friedrich die Einführung evangelischer
Predigt auch im Dome befahl, da Hess Medier die von den Dom-
herrn verschlossene Thür mit Gewalt erbrechen. Dann war er Haus-
caplan der Kurfiirstin Elisabeth v. Brandenburg (Prinzessin von
Dänemark), der evangelischen Gemahlin des bigott katholischen
Joachim I. von Brandenburg, zu Spandau. Bis 155 1 wirkte er in
Braunschweig als Superintendent, starb noch im selben Jahre zu
Bernburg, wohin ihn der treue Bekenner Fürst Wolfgang von Anhalt
in gleicher Eigenschaft berufen hatte, bei seiner ersten Predigt vom
Schlage gerührt, am 24. August, dem Montage nach dem XIII. p.
Trin. — vielleicht dem Sonntage dieser Predigt.
Von der Einmüthigkeit, mit der die Bewohner Eger's am Evan-
gelium festhielten, zeugt die grosse Anzahl aus Eger stammender
evangelischer Geistlicher Sachsens.
Da nennen wir zuerst den ^Egranus* xax' ii^oyi^y
107. Johann Wildnauer oder Wildenauer, 1518 — 1522
Prediger zu St. Marien in Zwickau, der sich nach damaliger Sitte
Silvius Egranus nannte. Wenn Kreyssig S. 571 ihn blos bis 1520
in Zwickau wirken lässt, so stehen dem ganz bestimmte Zeugnisse
aus Luthers Briefwechsel entgegen (de Wette II, 190) — worriach
Luther 5. Mai 1522 über Zwickau schreibt: , In Zwickau hatte Thomas
(Münzer) mit seinem Anhange Unkraut gesäet, Egranus streut hoch
jetzt Irrlehren aus.* In genanntem Jahre, jedenfalls bald und in
Folge von Luthers Anwesenheit in Zwickau 28. April bis 3, Mai,
wurde Wildnauer entlassen, ward zunächst Pfarrer in Joachhnstbal,
kehrte völlig zur römischen Kirche zurück und starb 1535 zu
Böhmisch-Kamnitz. Nach Oswald Schmidt in der von ihm r86o heraus-
gegebenen werthvollen Monographie , Nicolaus Hausmann, der Freund
Luthers* S. 18 fif. gehörte er ,zu denjenigen Theologen, welche die
neue Bewegung nur vom Standpunkte des Humanismus aus beur-
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theüten, und die diplomatische Zurückhaltung des gelehrten Erasmus
sagte ihm weit mehr zu, als die Glaubenszuversicht Luthers, für die
er kein Verständniss hatte. Ohne jemals von der römischen Werk-
seligkeit sich gänzlich losmachen zu können, schwankte er zwischen
Gesetz und Glauben eine Zeitlang haltlos hin und her, bis er an
seiner Halbheit zu Grunde ging und seit 1522 völlig mit Luther
zerfiel*, den er auch in einem Briefe an Hausmann tief unter Erasmus
stellt. Wiewohl ihm noch 1520 (Köstlin, Martin Luther I, 381, L Aufl.)
die Ehre zu Theil ward, neben Luther von Eck auf die päpstliche
Bannbulle gesetzt zu werden, hinderte er später den frommen
Johann Mathesius in seiner Joachimsthaler Wirksamkeit gar bedeutend.
108. Georg Frischeisen, römisch-katholischer Domvikar zu
Freiberg, wurde 1537 zu Pfingsten bei Einführung der Reformation
Archidiakonus an der Domkirche, 1539 Frühprediger zu St. Petri,
IS43 emeritirt, starb 1555. (Kr. 144.)
109. Wolfgang Götzel war Augustinermönch in Grimma
gewesen; 1530 wurde er Pfarrer zu Burkartshain bei Würzen; 1535
vom katholisch gesinnten Rittergutsherm Hans von Milkau schimpflich
verjagt, wirkte er von 1540 bis an seinen Tod 1554 zu Hohnstädt
bei Grimma. (Kr. 57. Grossmann, Die Visitations- Acten der Diöces
Grimma S. 117 ff.)
110. Johann Habermann (Avenarius), 1516 zu Eger als
Bürgerssohn geboren, wurde 1540 vom Bischof Wigand von Redwitz
zu Bamberg im Egerschen Comthurhause des »Kreuzordens mit
dem rothen Sterne* aufgenommen. Von 1542 — 46 war er jedoch
evang.-luth. Diakonus zu Elsterberg im sächsischen Vogtlande und
Pfarrer zu Hohndorf und Steinsdorf (ersteres reussisch); 1546 ward
er Landdiakonus zu Plauen und Pfarrer zu Jössnitz, 15 50 Pfarrer
zu Schönfels bei Zwickau, 1552 Pfarrer zu Lössnitz im Schön-
burgischen, 1560 Dom-Mittagsprediger zu Freiberg, 1564 Pferrer
zu Falkenau in Böhmen, 1572 (nach Böttcher, Germania Sacra S. 687
schon 1571) Professor der Theologie in Jena, 1575 dgl. in Witten-
b^*"?» 1576 Stifts-Superintendent in Zeitz, wo er 5. Dec. 1590 starb
und in der Michaeliskirche begraben wurde. Er war ein gelehrter
Theolog: 1558 ward er Wittenberger Magister, 1574 Jenaischer
Dr. theol., er schrieb eine Grammatik und ein Lexikon der hebräischen
Sprache. Aber vor Allem war er auch ein frommer Theolog und
schrieb als solcher ein weitverbreitetes kleines Gebetbuch : » Christliche
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Morgen- und Abendgebete auf alle Tage in der Woche durch
Dr. Johann Habermann* — oft aufgelegt, das , Habermännlein*
genannt — -zu dessen Druck er sich von Falkenau 1567 — 70 nach
Wittenberg begab. (Kr. 123.) Sein 1551 zu Schönfels geborener Sohn
Jeremias war ebenfalls Pfarrer. (Kr. 337.)
111. Andreas Lange war erst Mönch in seiner Vaterstadt, 1552
evang. Pfarrer zu Kadan m Böhmen, 1555 — 61 Pfarrer zu Harthau
bei Chemnitz, dann Pfarrer zu St. Johannis in Chemnitz; 1566 wurde er
entlassen, als ^Flacianer*, worauf er sich nach Klagenfurt begab
und sich dort durch zelotisch-polemische Schriften, im Vereine mit
dem Jahrb. VII, S. 200 unter N. XXXVHI, 98 genannten M. Hau-
bold, unliebsam machte. (Kr. 202.)
112. Martin Dorn war von 1581 bis zu seinem Ableben 1622
Pfarrer an den vogtländischen Gemeinden Posseck, Schwand (1586)
und Schönberg (1588). An letzterem Ortie folgte ihm sein gleich-
namiger Sohn, der 1636 starb. (Kr. 410, 466.) ■
113. Viktorin Polantus ist 1590 zu Eger als Sohn des unter
Vni, IG aufgeführten M. Nikolaus Polantus geboren. Er war 1604 — 08
Afiraner, wurde 1614 Pfarrer in Grosswaltersdorf bei Freiberg, 1627
in Rosswein, starb 1635. (Kr. 189. KG. V, 203. AA. 93.)
Zwei Söhne, die ihm zu Grosswaltersdorf geboren wurden, sind
sächsische Pfarrer geworden. Er selbst war Schriftsteller.
114. M. Kaspar Reinal (Reinel, Reinelius), welcher 1637
zu Rottmannsdorf, 1639 zu Ebelsbrunn, beides Eph. Zwickau, an-
gestellt wurde und 1650 verstarb, heisst (Kr. 447) »ein Exulant
aus Eger*. Nach KG. VIII, 48 ist er ^^vermuthlich weitergekommen*.
115. Christoph Ruper oder Ruprect, 1643— -52 Pf in Zopen
bei Borna, dann bis 1654 in Eula, war auch aus Eger. (Kr. 564.
KG. VI, 74.)
116. Johann Sebastian Fürgang, Sohn von N. 104, war 1627
zu Eger geboren, 1653—62 Diakonus in Adorf (Kr. 2. KG. XI, 168),
wo er 22. Juni 1662 starb.
117. Der von Pescheck (GR. I, 232) aufgeführte Johann Adam
Hochstätte r, Pfarrer zu Sohra in dem jetzt preussischen An-
theile der Oberlausitz, wird als aus Eger bezeichnet, vielleicht ein
Sohn von N. XXVIII, 85 : s. o. zwischen N. lOi und 102.
118. Johann Adam Scherzer, berühmter theologischer Professor
in Leipzig, von Pescheck GR. II, 210 und Exul. S. 60 erwähnt, war
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100
Sohn des eingekerkerten und später exilirten Advocaten Jeremias
Scherzer, der standhaft im Unglück sich bewährte, wie der Prophet,
dessen Namen er trug. Geboren i. Aug. 1628 zu Eger, gestorben
zu Leipzig 23. Dec. 1683.
119. Georg Rhäsus.oder Rhesus wurde 1604 Pfarrer zu
Karlsbad, 1605 zu Lössnitz im Schönburs^ischen, wo er 1623 verstarb.
(Kr. 309. KG. XI, 31.)
Diese zahlreichen Namen geben genügend Zeugniss von der
grossen Bedeutung jener alten untergegangenen Gemeinde Eger.
120. Klemens Adam Jäger, 1823 21. August hier geboren von
römisch-katholischen Eltern, seit 1847 deutscher römisch-katholischer
Prediger in Prag, auch Secretär des 12. October 1883 verstorbenen
Cardinal-Erzbischofs Friedrich Fürst Schwarzenberg zu Prag, verliess
1868 sein Vaterland und seine glänzenden Aussichten, um in Sachsen
sich zur evangelisch-lutherischen Kirche zu bekennen und ihr zu
dienen. Bereits 1869 wurde er Hospitalprediger zu Pirna und Schloss-
prediger zu Zehista, 1872 Pfarrer zu Hohnstädt bei Grimma; seit
1880 wirkt er zu Mohom bei Tharand. (Kr. 401.)
121. Pfarrer ^bei Eger* war seit 1616 Kaspar Grimm; nach
seiner Vertreibung wurde er Pfarrer zu Thonhausen und Windisch-
leuba bei Altenburg. (Pescheck Exul. 146.)
XL, Eidlitz bei Kommotau im nördlichen Böhmen.
Hier war Anfang der 1620er Jahre bis zu seiner Exilirung 1624
Pfarrer der schon unter N. XXVII, 81 genannte Christoph Knorr.
(Vn. Jahrg. bei Brüx, S. 195.)
XLL Elbogen im nördlichen Böhmen (früher Ellnbogen).
122. Johann von Hofe, geboren zu Hof in Franken, wurde
1554 Rector, 1558 Diakonus zu ,St. Katharinenberg im Buchholz*
— jetzt kurz , Buchholz* genannt, 1566 Pfarrer zu Oberwiesenthal,
beides im sächsischen Erzgebirge. Von 1569 bis zu seinem 1600
erfolgten Tode wirkte er als Pfarrer zu Elbogen. (Kr. 56-)
123. Als Rector finden wir bis zur Gegenreformation Andreas
Morus aus Oelsnitz: — 1624 — 48 Pfarrer zu Markneukirchen im
Vogtlande. (Kr. 322.)
124. M. Georg Lysthenius (List), geb. 1532 zu Naumburg
a. S., wurde zunächst »Cantor in der Elbogner Diöcese*, wir wissen
nicht wo. Im J. 1556 kehrte er in sein thüringisches Vaterland
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zurück, wurde in dem durch Friedrichs glänzenden Sieg nach zwei
Jahrhunderten so berühmt gewordenen Rossbach bei Freiburg Pfarrer,
1567 Diakonus zu Weissenfeis, 1572 Superintendent zu Liebenwerda,
1573 Hofprediger zu Dresden, zuletzt, 1587 bis an seinen Tod 1596,
Superintendent zu Weissenfeis. Als Hofprediger hat er die Formula
Concordiae unterschrieben, als eifriger Lutheraner an den Commissionen
zur Untersuchung der , Irrlehrer* mit Antheil genommen. (Kr. S. lOO.)
Aus Elbogen stammt:
125. Wolfgang Tragk (Tracke, Thrak), KG. X, 62. Wolf-
gang Thrak de Lubito (statt Cubitol) genannt, war 1530 römisch-
katholischer Pfarrer zu Mittweida, 1534 desgl. in dem benachbarten
Alt-Mittweida, ward 1538 bei Einfuhrung der Reformation durch
Herzogin Elisabeth, Landgräfin von Hessen, evangelisch, ist 1546
gestorben (Kr. 331), und
126. M. Jeremias O lischer (0hl i scher), als Sohn des Elbogner
Tuchmachers und Rathsherrn Balthasar O. daselbst 1612 geboren:
als ihn 1627, bei Erlass eines neuen Reformationspatentes, sein Vater
fragt: Nun, mein Sohn, was werden wir thun? Unterschreiben und
katholisch werden, oder Hab und Gut fahren lassen und leer davon-
ziehen? — da antwortet der isjährige Jüngling sogleich getrost: Vater,
lieber das letzterei Gott kann es uns ja wieder bescheerenl Auf
dem Wege nach Zwickau, das sie sich als neuen Wohnsitz wählten,
sprach der Vater beim Anblicke der Reichenbacher Pfarrwohnung:
,Nun, mein Sohn, wo wird Dir Gott ein Haus bescheeren?* Und
der Sohn antwortete: »Gott kann vielleicht mir eben diese Pfarrei
bescheeren, wenn ich fleissig studire und bete!* Und wirklich
wurde er, der in Plauen und Wittenberg fleissig studirt und gebetet,
1644 Pfarrer zu Reichenbach i. V., was er bis an seinen 1678 er-
folgten Tod blieb. Kurze Zeit lang (seit 1643) war er Pfarrer zu
Lengenfeld im Vogtlande gewesen. Er war der Stammvater der
sächsischen O lisch er, unter denen uns noch drei sächsische Pastoren
begegnen, im Vogtlande und westlichen Erzgebirge angestellt. (Kr. 292.
Pescheck G.-Ref. II, 439 f.)
XLIL Enns in Oberösterreich.
Hier finden wir
127. Valentin Birnstein (Birnstengel) aus Radeberg, 1590
Pförtner Gymnasiast: — • später evangelischer Pfarrer in Enns.
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Auch 128. Dr. Christian Gilbert de Spaignard (Spaignart)
möchte hierher gehören. Derselbe, einer vor Alba aus den Nieder-
landen geflüchteten Wallonischen Familie angehörig, war 1609 — 1619
evangelischer Pfarrer in Enns. Im letztem Jahre musste er — wohl
in Folge von Ferdinand II. Regierungsantritte — Oesterreich ver-
lassen. Er wurde als Pastor an der Ulrichsldrche zu Magdeburg
angestellt, erlebte 1631 Magdeburgs Zerstörung, war auch eine Zeit
lang gefangen. Nach seiner Befreiung lebte er in Wittenberg, zuletzt
in Erfurt, wo er 1632 verstarb. (H. w. d. h. 1873, 269 f.) Erwähnung
verdient er vor allem als Glied und vielleicht auch Stammvater der
noch jetzt in Sachsen blühenden geachteten — bisher meist theo-
logischen — Familie Gilbert, welche inzwischen ihr Adelsprädicat
de Spaignard abgelegt hat. Einzelne Glieder derselben werden
uns auch bei diesen Untersuchungen begegnen,
Johann Haselmeyer — bis 1624 hier Pfarrer — ist schon
bei Efferding (S. VII, 201, N. XXXVIII, 100) genannt worden.
129. Gottfried Rüdinger, 1627 inTEnns von katholischen
Eltern geboren, war anfanglich Cistertienser in Seifenstein in Nieder-
österreich. In Seifenstein ist er Subsenior, Beichtvater, Novizenmeister,
Lector der Philosophie, Bibliothekar u. s. w. gewesen. Zur evan-
gelischen Kirche trat er am 7. October 1653, an welchem Tage
(einem Freitage) er auch noch in der Nikolaikirche zu Leipzig seine
^Revocationspredigt* hielt. Zunächst war er Feldprediger bei dem
von Ramsdorf sehen Regimente, von 1665 bis an seinen Tod 1674
Pfarrer zu Naundorf bei Oschatz. (Kr. 343. KG. III. 79.)
XLIIL Eperies in Ober-Ungarn.
Einst Hauptsitz der Lutheraner in Nordungam, erlangte es eine
traurige Berühmtheit in den Verfolgungen unter Kaiser Leopold L,
sowohl durch die Wegnahme des kürzlich erst (1667) gegründeten
lutherischen Collegiums am 6. Juli 1672 — es wurde den Jesuiten über-
geben — , als auch und namentlich durch das schreckliche Blut-
gericht von 1687 (als das »Eperieser Blutbad* in der Geschichte
traurig berühmt).
An ersteres erinnert der Name von
130. Dr. Samuel Pomarius, einem Schlesier, dem gelehrten
Rector des Collegiums, welcher, durch Feindschaft vom Diakonate
zu St. Petri in Berlin verdrängt, am Antritte der Superintendentur
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Salzwedel durch gleichen Grund gehindert, an der St. Jakobi-Kirche
zu Magdeburg endlich seinen Ruhepunkt fand. Im J. 1667 wurde er
von Magdeburg als Professor der Theologie nach Eperies berufen,
musste aber 1673 die Stadt verlassen. Er begab sich zuerst nach
Wittenberg, wo er als ^Adjunct* der Stadtgeistlichkeit und ausser-
ordentlicher Professor der Theologie lebte, trat dann 25. März
1675 die Superintendentur zu Lübeck an und starb 2. März 1683.
(S. Diptycha Exulum S. 136 ff. Borbis, Die evang.-lutherische Kirche
Ungarns S. 85 f. Linberger S. 70.)
An letzteres erinnern uns zwei Namen:
131. M. Mathias Zimmermann, geb. 1625 in Eperies als
Sohn eines Kaufmanns, der später Bürgermeister war, vielleicht
Bruder oder Verwandter des berühmten Siegmund von Zimmer-
mann, Kaufmann, Senator und Inspector des evangelischen Collegs
in Eperies, der nach den schrecklichsten Folterqualen von dem
Jesuiten Perizkof durch das Versprechen der Begnadigung zum
Abfalle sich verleiten liess — um dann doch am 15. März 1687
hingerichtet zu werden! (Borbis y6y Linberger 81.) Unser Zimmer-
mann hatte seit 1638 auf der Leipziger Thomasschule, dann in
Wittenberg studirt. Im J. 165 1 wurde er Rector in Leutschau und
schon 1652 Prediger in Eperies. Bereits vor den Verfolgungen
wandte er sich nach Sachsen, indem er 1660 unbesoldeter Sub-
stitut des Superintendenten Wille in Colditz wurde, 1662 aber Super-
intendent in Meissen. Von der Leipziger Facultät 1661 zum Licen-
tiaten, 1666 aber zum Doctor ernannt, starb er 1689. (Kr. 326.)
132. Georg Heinrich Sappuhn, geboren 12. Juli 1660 zu Heils-
berg in Ostpreussen (Residenz des Bischofs von Ermeland), wurde
1680 Prediger in Eperies, 1687, zur Zeit des Blutbades, vertrieben. Er
wurde nun zu Lorenzldrchen in der Ephorie Grossenhain angestellt,
wo er nach 34jährigem Wirken 3. Mai 1721 6ijährig starb. (Kr. 313.
KG. VII, 184.)
XLIV. Falkenau im nordwestlichen Böhmen, künftiges Filial
von Eger.
Drei hiesige Pfarrer kommen in Betracht.
133. M. Sebastian Stark, geb. 1528 in Meissen, im schmal-
kaldischen Kriege 1547 Soldat, 1548 Dorfschulmeister bei Naum-
burg a. d. Saale. Berufen 1551 als Diakonus nach Buchholz — ganz
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nahe bei Annaberg — zog er bald darauf nach Falkenau als Pfarrer.
Lange war jedoch daselbst seines Bleiben nicht. Im J. 1555 wurde
er von Falkenau vertrieben, durch wen und warum, ist uns unbe-
kannt geblieben. Er wandte sich nach Thüringen, wo er 1556
Pfarrer zu Greussen in der Schwarzburg-Sondershausischen Unter-
herrschaft, 1576 Superintendent in der (durch Thomas Münzer
bekannten) Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen wurde. Dort ist
er 1586 oder 1587 gestorben. (Kr. 56.)
Hierher gehört auch der bereits bei Eger unter N. 1 10 genannte
Johann Habermann (Avenarius), der 1564 — 72 zu Falkenau Pfarrer
war — ausser in den Jahren 1567—70, wo er zu Wittenberg weilte.
In der Zwischenzeit war
134. M. Georg F lad er — seit 1566 Diakonus in Leisnig —
Pfarrer zu Falkenau (Kr. 290). Was später aus ihm geworden,
wissen wir nicht.
Und aus Falkenau stammte
135. Adam Zephel, 1628—41 Pfarrer zu Reichenbach bei
Königsbrück in der Oberlausitz. (Kr. 427. Exul. 92. KG. Oberl. 69.)
Während seiner Amtsführung, von 163 1 — 34, wüthete die Pest in
seiner nicht grossen Gemeinde so sehr, dass 267 Parochianen ihr
erlagen.
XLV, Felsö'Stregova (Ober-Stregova) in Ungarn, Comitat Neo-
grad, luth. Pfarrgemeinde im Seniorate Neograd, (Vgl. Jahrg. VI,
S. 131, VI.)
Hier wirkte nach Jahrb. VI, S. 138 (N. XV, 35) von 1642
bis 1647 als Pfarrer der bei Betzko genannte Stephan Pilarik.
136. Hier war 1644 dessen Sohn Stephan geboren, der sich
wenigstens in Sachsen stets Pilar ick nannte. Auf dem Pressburger
Gymnasium vorgebildet, war er von 1668 an Pfarrer in Ungarn,
erst zu Matzdorf in der Zips, dann zu Timau im Pressburger
Seniorate, hierauf (1673) zu Modem — damals Modor genannt — .
Von dort 1674 vertrieben, ging er 1675 als Pfarrer nach Jordans-
mühle (bei Nimptsch in Mittelschlesien); dort abermals exilirt,
kehrte er nach Ungarn zurück zu seinem früheren Pfarramte Modem.
Von hier musste er 1688 aufs Neue weichen und ging nun nach
Sachsen, wo sein Vater schon 1674 als erster Exulantenpfarrer in
Neusalza seinen Ruhepunkt gefunden hatte. Er wurde 1689 Sub-
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stitut des 74jährigen vielgeprüften Mannes, stand ihm bis an seinen
1693 erfolgten Tod zur Seite und wirkte dann zu Röhrsdorf, Ephorie
Pirna) von 1695 bis an seinen 1720 erfolgten Tod. Er schrieb ein
Buch nut dem Titel , Neuvermehrter, approbirter und mit schönen
Kupferstichen gezierter katechetischer Lehrgrund, welchen durch
Gottes Gnade, zur Bezeugung, seines dankbaren Gemüths gegen
denselben für seine, ihm unzählig erwiesene grosse Wohlthaten, und
sonderlich wunderbare Errettung aus vielen Leibes- und Seelen*
nöthen, im Namen Jesu, des einen Grundes unserer Seligkeit, in
Jordans-Mühl in Schlesien, in der Königl. Stadt Modor in Nieder-
Hungam, wie auch in Neusalza in Meissen gebauet, und allhier in
Klein-Röhrsdorf ausgeführet und zum vierten Mal herausgegeben,
Stephanus Pilarick sen. nach dreifachem schweren exilio, und vielen
von Feinden und falschen Freunden ausgestandenen Kränkungen,
durch sonderbare Gnade Gottes Pfarrer in Klem-Röhrsdorf, Alt-
Dresden (seit 1724 Neustadt - Dresden) druckts Johann Heinrich
Schwenke 17 14*. — Seitdem gab es eine bis in dieses Jahrhundert
hineinreichende Pfarrersfamilie Pilarick in Sachsen. (Kr. 442. KG.
IV, 10. Vn, 67.)
XLVL Fleissen im nordöstlichen Böhmen.
Evangelisch-lutherisch seit 6. Juh 1564. Nach Brambach im
sächsischen Vogtlande eingepfarrt bis 1833, seit April 1834 Pfarr-
gemeinde. Bekanntlich erste Veranlassung zur Begründung der
Gustav- Adolf-Stiftung durch den 29. Juni 1857 f Sup. Dr. Grossmann
in Leipzig.
Von den bisherigen vier Pfarrern der Gemeinde ist der zweite
ein Sachse.
137. Gustav Adolf Henne, 25. März 1838 in Plauen geboren,
Student in Leipzig, 1866—68 Pfarrer in Fleissen, dann Seminar-
oberlehrer in Plauen, 1870 in Zschopau, 1872 Seminardirector in
Schneeberg.
Der bei Dotterwies (VII, 200, N. XXXVI, ^) genannte David
Troll aus Oelsnitz ist Cantor in Fleissen gewesen. Und auch der
schon Jahrg. VI, S. 133 unter Asch (VÜI, N. 17) genannte Pfarrer
Adam Adolf Geipel in Schönberg im Vogtlande ist 28. März 1857
zu Fleissen geboren.
Jahrbuch de« ProtestantUmus 1887. H. II. 3
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XLVIL Franzhausen in Oesterreich — unbekannt wo.
138. Jonas Bechtold, 1537 zu Eisfeld in Franken (Sachsen-
Meiningen) geboren, wurde 1564 Pfarrer zu Bräunsdorf in der
damaligen Ephorie Penig, 1570 Archidiakonus zu Schmölln in
Altenburg; 1573 aber war er einer der iii Theologen, welche von
Kurfürst August als Vormund des Herzogs Friedrich Wilhelm I.
zu Sachsen- Weimar als ^Fladaner* abgesetzt und vertrieben wurden.
Wie viele seiner Leidensgenossen begab er sich nach Oesterreich
und wurde Pfarrer in Franzhausen. Weiteres ist uns nicht bekannt.
(Kr. 49.)
XL VI IL Friedland in Böhmen,
seit etwa 1550 evangelisch, von 1588 — 1624 Sitz des Superinten-
denten der Herrschaften Friedland und Reichenberg in Böhmen,
sowie Seidenberg in der Oberlausitz; seit 5. August 1883 wieder
Predigtstation und demnächst Filial von Reichenberg.
Quelle ist namentlich die von dem (9. October 1872 verstor-
benen) Zittauer Gymnasiallehrer Dr. Tobias, einem tüchtigen Ge-
schichtsforscher, bei Gelegenheit der Reichenberger Kirchweihe,
2 1 . October 1 868, herausgegebene Festschrift : Beiträge zur ältesten
Geschichte der evang.-lutherischen Kirche und deren Diener in den
Herrschaften Reichenberg, Friedland, Grafenstein, Gabel und zuge-
hörigen Ortschaften der heutigen evangelisch-lutherischen Gemeinde
zu Reichenberg in Böhmen — schon mehrfach benutzt — z. B. Jahr-
gang VI, 132 unter Nr. VII — fortan einfach Tob. citirt. Wir finden
da auf S. 12:
139. Georg Mulden er, evang. Geistlicher 1568, f 1588; —
vielleicht identisch mit dem Exul. S. 148 erwähnten M. Andreas
Mildner, gewesenen Pfarrer von Friedland, der 1588 in den Gör-
litzer Todtenbüchern vorkommt.
140. Lazarus Dietrich von Görlitz wird von Tob. ebenda als
Friedländer Prediger genannt.
Vor Allen gehört hierher der zweite Superintendent der Diöc€se
Friedland:
141. M. Wolfgang Günther, geboren 1585 zu Glashütte in
der Ephorie Dippoldiswalde, 161 1 Pfarrer zu Mögein oder Mügeln
bei Annaburg im Kurkreise, 161 5 Pfarrer und Superintendent zu
Friedland als Nachfolger von M. Martin Nüssler, auf Empfehlung
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des Dresdner Oberconsistoriums. Er war eines der edelsten Opfer
der Gegenreformation: der Gewalt weichend, musste er am 15. Mai
1624 Friediand verlassen, nachdem er noch vor mehr als 2000 treuen
Christen auf freiem Felde seinen ^Valet-Sermon*, seine Abschieds-
predigt über des Apostel Paulus Abschied von Ephesos gehalten,
welche 1626 zu Dresden gedruckt wurde. Bis 1627 lebte er amtlos
in Zittau, war 1627 — 31 Pastor und Inspector (Superintendent) in
Spandau, 1633 bis an seinen 19. Januar 1636 erfolgten Tod Pfarrer
zu Herwigsdorf bei Zittau. Die rührende Geschichte seines Ab-
schiedes finden wir in Schröter's Exulantenhistorie S. 184 — 242,
vgl. auch Kr. 208. KG. Oberl. 123. Tob. 13 flf. GR. II, 72—87.
142. Noch einmal gab es unter dem Schutze der Schweden,
welche Friedland besetzt hielten, hier einen Pfarrer und Super-
intendenten: M. Bartholomäus Trautmann, zu Greifenberg in
Schlesien als Sohn des Senators Matthäus Trautmann geboren,
studirte in Breslau und Leipzig, ward 1641 (Tob. 15 : 1647 dürfte
Druckfehler sein) Pfarrer zu Ottendorf in Schlesien. 1645 ward er
zu Friedland als Pfarrer und Inspector über 17 Kirchen eingesetzt,
aber am 10. October 1649 (XIX. Sonntag post Trinitatis) genöthigt,
seine ^Valet- und Gesegnungspredigt* zu halten, welche als ,Vale
Fridlandiacum* gedruckt, ja 1769 noch einmal aufgelegt wurde.
Trautmann kehrte in sein schlesisches Vaterland, nach Rabishau
im Fürstenthume Jauer zurück, von wo er nach vierjährigem geist-
lichen Wirken 1654 abermals vertrieben wurde. Nachdem er in
nächster Nähe seiner Vaterstadt Greifenberg 13 Jahre lang als Privat-
mann in dem lausitzischen Oberwiesa gelebt hatte, wurde er 1667
Pfarrer zu Rengersdorf a. Queiss in der Oberlausitz und starb dort
am 18. October 1684 als sächsischer Pfarrer. (Tob. S. 15.)
Auch mehrere der Diaconen gehören hierher, so:
143. Bartholomäus Pr ätorius (wohl = Richter), der als Pfarrer
zu Ebersbach bei Görlitz starb. (Tob. 13.)
144. Johann Gabler aus Rum bürg, 1583 Diakonus in seiner
Vaterstadt (wahrscheinlicher als, wie Kr. S. 151 will, in Rothenburg),
1597 Pfarrer daselbst, 1598 Pfarrer zu Friedersdorf bei Zittau, 1599
Diakonus zu Friedland, 1602 Pfarrer zu Küpper in dem jetzt preus-
sischen Antheile der Oberlausitz, wo er 1613 starb. (Tob. 13. Jahrb.
V, 134.)
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108 .
145- Josua During (Düring, Thuringus — er selbst
schreibt D Urin ger), geb. 1594 in Wartenberg in Böhmen, war
1618 — 24 (nicht Pfarrer, wie Kr. S. 59 sagt, sondern) Diakonus in
Friedland, wurde zugleich mit seinem Collegen Günther vertrieben.
Von 1629 bis an seinen 1642 erfolgten Tod war er Pfarrer zu
Burkersdorf in der südlichen Oberiausitz. (Tob. 14. KG. Oberl. 115.)
Hierher gehört auch der Cantor:
146. Johann Puschmann (Putschmann) aus Kamenz, 1558
Cantor in Friedland, 1562 Pfarrer in dem ebengenannten Burkersdorf,
1569: — 71 in dem benachbarten Türchau, wo er starb. (Kr. 58. Tob. 13.
KG. Oberl. 36. 114, wo seine Amtsjahre abweichend angegeben sind.)
147. Jakob Fiedler aus Lauban, ^Baccalaureus* in Friedland,
1547 Pfarrer zu Spitzkunnersdorf in der südlichen Lausitz, 1560 — 65
zu Jahna bei Oschatz. (Kr. 486. KG. Oberl. 7, EI, 62.)
148. Johann Richter aus Löbau, seit 1540 Rector in seiner
Vaterstadt, dann Schulmeister und Stadtschreiber in Friedland,
1550 — 53 Pfarrer in obengenanntem Türchau. Er ist von Bugenhagen
in Wittenberg ordinirt worden. (Kr. 517. KG. Oberl. 36.)
Aus Friedland stammten:
149. Augustin Major, geb. 1587; er war 1611 — 14 Pfarrer zu
Beiersdorf bei Neusalza, 1617 Pfarrer zu Kemnitz bei Bernstadt, wo
er im Jahre 1660 starb. (Kr. 28. Tob. 15. KG. VII, 42. Oberi. 205.)
Wenn ihn Kr. S, 28 nach KG. VII, 42 1614 — 17 Diakonus und
wendischer Prediger zu Löbau sein lässt, so streitet dies mit den
Verzeichnissen dieser Diakonen, wie wir sie bei ihm selbst S. 308.
KG. Oberl. 147. Dietm. Sechsstädte 873 finden, wo übereinstimmend
Christoph Lehmann 1614 — 17 als Diakonus aufgeführt wird.
150. Friedrich P^örster, f 1680 als Pfarrer zu Hermsdorf
(früher Hermannsdorf) bei Görlitz. (Tob. 15.)
151. Franz Frenzel, Pfarrer zu (Ober-) Wiesa bei Greifenberg,
t 1599 zu Görlitz (Pesch. Exul. 148), von Tob. S. 15 nicht erwähnt.
Diese Namen genügen, um die Bedeutung der damaligen Ge-
meinde Friedland zu kennzeichnen.
XLIX. Pürstenwalde in Mähren (wo?)
Sohn des hiesigen Pfarrers Johann Hartmann, seit 1569 — wie
es scheint bis 15 71 — in Reichenberg, war der bereits unter N. VII, 9
aufgeführte Pfarrer Paul Hartmann. (Jahrb. VI, 132.)
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109
L. Gabel im nördlichen Böhmen, seit 2. Februar 1870 Filial
von Reichenberg.
Hier bestand schon im i6. Jahrhundert eine blühende evange-
lische Gemeinde. Die Besitzer, die Herren Berka von Duba,
einst eifrige Husiten, bekannten sich seit dem am 1 1 . September
1553 erfolgten Tode des eifrig katholischen Zdislaw Berka von Duba,
Landvogts der Oberlausitz, zum Lutherthume. Die Pfarrer standen
fast alle in enger Beziehung zur benachbarten Oberlausitz. Zdislaw's
Todesjahr, von Dr. Wolkan Jahrb. III, 57. 11 1 auf 1552 bestimmt,
wird von ihm ,Leipa zur Zeit der Reformation* Prag 1885, S. 8 auf
1553 gesetzt, S. 7 ein 1553 von ihm vollzogener, freilich auf den
23. September zu datirender Kauf angeführt. Daneben wird Jahrb. III,
III der Grabstein mit der Jahrzahl 1552 beschrieben. Die Sache
ist noch richtig zu stellen.
152. Matthäus Hacke (Haake) aus Zittau, 1553 ordinirt.
Wie lange dieser amtirt, ist mir nicht bekannt.
Auf den 1579 verstorbenen M. Andreas Seibt folgte
153. Bruno Quinos noch im selben Jahre. Geboren zu Quer-
furt in Thüringen, studirte er zu Wittenberg, war 1562 — 66 Pfarrer
zu Rosenburg in der Grafschaft Barby, dann 1569 Feldprediger der
Grafen Burkhard und Wolfgang von Barby, als welcher er dieselben
nach Ungarn, vor Gotha (1567) und nach Frankreich begleitete. Von
1569 — 71 war er Pfarrer zu St. Blasius in Quedlinburg; dort abge-
setzt, wurde er 1575 Archidiakonus zu Zittau, jedoch 3. Juli 1579
wegen Streites mit dem P. prim. Andreas Sünder abermals abge-
setzt. Und nun erst ging er nach Gabel, nicht schon 1576, wie
Dr. Wolkan III, 117 behauptet. Allein als P. pr. Sünder als ,calvi-
nistischer Streitkopf* im März 15 80 ebenfalls abgesetzt wurde, berief
man im April Quinos an dessen Stelle nach Zittau zurück. Jedoch
bewirkte seine unverbesserliche Streitsucht, dass er wiederum Sep-
tember 1582 suspendirt, August 1584 entlassen wurde. Er wandte
sich nach Oesterreich, wo er im Schnee umgekommen sein soll.
Nach Jahrb. 1882, S. 117 ist er jedoch wieder nach Gabel zurück-
gekehrt. Er war ein begabter Mann, seine in zweiter Auflage in
Gabel bearbeitete Sterbekunst ,Disce mori* ist oft abgedruckt worden,
aber seine stete Streitsucht hinderte überall ein längeres gedeih-
liches Wirken. (Kr. 558. Dietmann 338 ff. [Altmann] Hist. Ecclesiae
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Zittaviensis. 1732. S. 184 ff. Grosser, Laus. Merkwürdigk. II, 63.
Jahrb. 1882, S, 117. Tob. 23.)
Sein Nachfolger war
154. Martin Tectander (Dachmann oder wohl richtiger
Zimmermann) 1580 — 1601. Derselbe war 1553 zu Zittau geboren
als Sohn des gleichnamigen Archidiakonus — seit 1558 P. prim. —
welcher 10. April 1579 verstarb; seine Mutter war ihm schon
18. September 1555 an der Pest gestorben. Er studirte 1567 — 73
auf der Fürstenschule zu St. Afra, dann auf der Leipziger Univer-
sität. Als Q u i n o s' Nachfolger — derselbe war, . wenn auch nicht
unmittelbar, seines Vaters Nachfolger in beiden Zittauer Aemtern
gewesen — zog er 1580 nach Gabel und blieb dort bis 1601. Die
damaligen Reibungen mit den Katholiken schildert Dr. Wolkan
Jahrb. III, 117. Einem im Jahre 1600 an ihn ergangenen Rufe
folgend, ward er 1601 Pastor Secundarius, 1623 Pastor primarius
zu Bautzen. Mehrere Jahre emeritirt, starb er 14. Juli 1631 als Jubel-
priester 78jährig. Bald nach seinem Amtsantritte zu Bautzen legte
er in einer Predigt, um sich vom Verdachte des ,Calvinismus* zu
reinigen, sein lutherisches Glaubensbekenntniss ab. Von seinen zu
Gabel gebomen Söhnen wird der eine unter Nr. 157 erwähnt werden;
merkwürdig ist der jüngste, Georg, der 1602 — 1605 als Secretär
des kaiserl. Abgesandten Kakasch von Zalonkemeny nach Persien
reiste, nach des Gesandten Tode die (Gesandtschaft an Schah Abbas
ausführte, reich beschenkt von diesem heimkehrte und 14. August
16 14 als Zolleinnehmer zu Bautzen durch einen unglücklichen Büchsen-
schuss kinderlos verstarb. (Kr. 24. AA. 40. Dietm. 35. Hist. eccl.
Zittav. 551. Grosser III, 53. Tob. 23.)
Dass es nicht heissen darf, wie Jahrb. III, 117 steht: ein prote-
stantischer Geistlicher folgte dem andern, wenn auf Martin Tec-
tander nach 21 jährigem Wirken ein neuer Seelenhirt folgt, habe
ich schon VI, 41 nachgewiesen. Dieser Nachfolger war:
David Sutorius (Schuster), der eb^ifalls längere Zeit, von
1601— 13, wirken konnte. S. Jahrb. VII, S. 196, Nr. XXVm, 86.
Jahrb. III, 117 wird sein tüchtiges Wirken gerühmt, welches selbst
Katholiken Achtung eingeflösst habe. S. Tob. 23.
Der letzte evangelische Pfarrer in Gabel war
155. Gregor Röscher, geb. 1577 zu Zittau, welcher, nachdem
er 1609 — 13 Pfarrer zu Spitzkunnersdorf bei Zittau gewesen, bis
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1623 in Gabel wirken konnte. Die Reibungen zwischen beiden Con-
fessionen entschied die Schlacht am Weissen Berge und die Gegen-
reformation, die ihr folgte, zum Nachtheile der Lutheraner. Graf
Kolowrat, der kaiserliche Reformations-Commissarius, , zwang die
Einwohner zu Gabel scharf mit Prügeln und in Eisen schlagen, ver-
brannte alle lutherischen Bücher an der Staupsäule daselbst*, heisst
es in der alten Gabeler Chronik über den 28. Februar 1628. Schon
zu Martini 1623 hatte Gregor Röscher Gabel verlassen müssen.
Er ging am 23. November nach Zittau, wo er am 10. November
1632 55 jährig starb, seine Witwe 6. October 1634 ihm folgte. Auf
seinem Denkmale heisst er , ehrwürdig, achtbar und wohlgelehrt*.
^Doch wurde nicht sein Glaubensbekenntniss aus den Herzen der
Bewohner mit verbannt*, sagt Hamburger in seiner Geschichte von
Gabel S. 152. Auch die zurückbleibenden Bewohner Gabeis, die
ihrem Hirten nicht in die Verbannung folgten, blieben lange Zeit
äusserst widerspenstig gegen die römische Geistlichkeit, welche über
fortwährend von ihnen erlittene Beschimpfungen und Beleidigungen
klagt; ^nicht ein Zeichen der katholischen Religion wird bei ihnen
bemerkt: also was kann ich mehr sagen, als dass sie Ketzer sind?*
klagt Prior Dominicus Alanus. (Kr. 486. KG. Oberl. 7. Jahrb. III, 1 18.
Pesch. GR. II, 128. 223. 482. 491. Exul. 72. Tob. 24.)
Hierher würde auch gehören der von Tobias ebenda S. 24 erwähnte
156. Johann Gurckius aus Friedeberg a. Queiss in dem jetzt
preussischen Antheile der Oberlausitz, nahe bei Greifenberg in
Schlesien, der sich Am 16. October 1623 , Pastor in Gabel* nennt
— was aber da doch sicher Gregor Röscher noch war. Vielleicht
war er Roscher's Diakonus.
Aus Gabel stammte
157. M. Heinrich Tectander, Sohn von Nr. 154, 1607 — 8
Sonnabendsprediger zu St. Nikolai in Leipzig, schon 25. October 1610
als Pfarrer zu St. Ulrich in Halle gestorben. (Kr. 276. Hist. eccl.
Zitt. 175 1. Albrecht, Sachs. Kirchen- und Prediger-Geschichte I, 221
— wo sein Tod auf den 27. October gesetzt wird.)
LL Gablonz im nördlichen Böhmen, Pfarrgemeinde seit 20. Oct. 1838.
Hierher gehören ihr 5., 6. und 7. Pfarrer:
158. Otto Bernhard Grieshammer, geb. 10. December 1840
zu Rödem bei Radeburg als Sohn des damaligen v. Klitzing'schen
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Hüttenmeisters, später zu Bernsdorf, G. Grieshammer , gestorben
i88i zu Veckernhagen als hessischer Bergdirector (dessen Name
am König Friedrich-August-Thurme auf dem Löbauer Berge zu
sehen, als dessen Erfinder er zu bezeichnen ist), 1854 — 60 Afraner,
dann Student in Leipzig, zeitweilig Vorsitzender des studentischen
Gustav- Adolf- Vereins, war 1868 — 73 Pfarrer allhier. Seitdem wirkt
er in seinem Vaterlande, erst zu Neukirchen, Eph. Meissen, seit
1880 zu Schandau a. d. Elbe. (Kr. 354. AA. 509.)
159. Max Ludwig Bruno Lampadius, geb. 14. Juni 1845 zu
Leipzig als Sohn des noch im Ruhestande lebenden Diakonus zu
St. Nikolai M. Wilhelm Adolf Lampadius, wirkte als Gries-
hammer's Nachfolger von 1873—1877, wo er als Diakonus zu
Meissen in sein Vaterland zurückkehrte. (Kr. 328.)
160. Ernst Hermann Rolle war geboren 30. April 1849 zu
Rohnau in der Oberlausitz, hatte in Zittau und Leipzig studirt.
Anfangs war er Lehrer und Diakonatsverweser zu Kamburg im
Meiningischen, dann Realschullehrer in Borna. Von 1878 bis 1881
war er in Gablonz, worauf er als Pfarrer nach Hoheneichen bei
Saalfeld in Sachsen-Meiningen berufen wurde.
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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in O es ter reich*', welches unter der Redaction des Präsidenten
(Dr. Karl Ritter von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. w^Z/A. IVttz \xnd Dr. Theodor
Haase) und des Secretärs der Gesellschaft (Lic. Dr. Gustav Trautmberger) in viertel-
jährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in
Mittheihiiig von Urkunden, in Besprechungen und Notizen Alles, was sich auf die
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht.
Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit ungctheilter Freude begrüsst
und von der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden.
Hier einige Worte aus Recensionen:
;,Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb-
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf
man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheissungsvollen Anfang theilneh-
mend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang unter Gottes Segen getrost
in Aussicht stellen."
„Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das
Jahrbuch seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und
ausser Oesterreich femer durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen."
jyWie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeit und
Verschiedenheit des Inhalts den gehegten Erwartungen.''
Theolc^sches Utteraturblatt (Leipzig) 1881. Nr, ao u'. jj. iSSj. Nr. JS-
j,. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nachrichten über
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir
wünschen unsern österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang und
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische
Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 fl. jährlich leisten, unterstützende Mit-
glieder solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als Grün der einen einmaligen
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen."
Neue Evangelische /Circhenzeitung (Berlin) 1881. Nr. 22.
„. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten Doppel-
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum Theil höchst
interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen dem so glücklich
begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fortgang,
Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins unter
den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen!"
(Prof. Dr. Lipsius) Theologische Literaturzeitung (Leipzig) 1881. Nr. ij.
Das Jahrbuch „für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem
Werth und Interesse, aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen" u. s. w.
Theologischer Litter atur- Bericht (Gütersloh) 1883- Nr. 8.
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redaction
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil Icönnen wir . . . nur wieder-
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan-
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Prote-
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per-
sönliches und Allgemeines" u. s. w.
Neue Evangelische Kirchenzeitung (Berlin) 1883. Nr. 40.
^Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfangen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treffliches
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoU sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen** u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung^ Wien z88s. Nr. 410^-
^. . . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations-historischer Forschung auf
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen."
(Prof. Dr. Zöckler) Evangelische Kirchenzeitung (Greifsw.) 1883. Nr. 48.
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wissen
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
und nach jeder Richtung hin zu fördern."
• Evangelische Kirchenzeitung für Oesterreich (Bielitz) 1884. Nr. i.
„. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben" u. s. w.
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift aus der Schweiz (Zürich) 1886. H. I. S.' 61.
„Mit Freude begrüssen wir diese weiteren Jahrgänge der verdienstvollen Zeit-
schrift" u. s. w.
(Prof. S. G.) Theologischer Litter aturbericht (Gütersloh) 1887. S. 78,
Zur Nachricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnau bei Kulmba.ch m
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Centralvor-
stande unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften .
^Geh nur davon, || Sey fromm für mir, {| Gib Armen hier, || Ich bin dein Lohn/
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf I. Mos. I2;
^Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm,
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild,
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron.*^
Der Centralvorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) a i fl.
zu haben ist.
Druck von Wilhelm Köhler. Wien. VI. MolUnipi»«! 41.
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JAHRBUCH
der
Gesellscbalt für die GescUcMe des Protestantismas
in Oesterreich.
Achter Jahrgang.
III. Heft.
Juli — September 1887.
-»2£>«^«
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt
1887.
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Inhalt von Heft III.
Seile
5. Die Execution zu Prag im Jahre 1621. II. Mitgetheilt von JUC. Th. Molndr 113
6. Die erste evangelische Kirchenverfassung in Oesterreich. Von OKR. Dr.
Gustav Frank 129
7. Miscellanea
1. Aus Eibenschitz /Dr. T^-aiäenberger) 147
2. Verfahren der Kaiserin Maria Theresia gegen die Protestanten. /G. WolfJ 147
3. Zwei Berichte Tobias Kiessling's aus Oesterreich. (G, Frank. . . . 14S
4. Statistisches aus Wien. /^O.J 150
8. Bericht des Central- Vorstandes über das Vereinsjahr 1886 151
Zur Beachtung.
Wir ersuchen unsere Mitglieder, in ihren Kreisen für die Verbreitung der
Gesellschaft thätig zu sein, und stellen zu diesem Behufe Exemplare der Statuten
in gewünschter Anzahl zur Verfügung.
Laut Beschlusses des Centralvorstandes in seiner Sitzung am 27. Februar 1884
erhalten die Mitarbeiter am „Jahrbuch", vom fünften Jahrgang (1884) an, nach Erscheinen
des betreffenden Jahrgangs als Honorar pro Druckbogen sechzehn Gulden ö. W.
Den Mitarbeitern werden sechs Gratis • Separatabztige ihrer Arbeiten nach
Erscheinen des betreffenden Heftes von der Köhler'schen Buchdruckerei franco zugesendet.
Eine grössere Anzahl von Separatabzügen kann nur nach rechtzeitiger Verständigung
der Herren Verfasser mit der genannten Buchdruckerei (Wien, VI. Mollardgasse 41)
gegen Erstattung der Druckkosten gemacht werden.
Die noch rückständigen Beiträge bitten wir an unsern Cassier, Herrn Hof-
und Gerichts- Advocat Dr. Carl Ritter von Sääf (Wien, I. Ballgasse 6), ehebaldigst
einzusenden.
Für das „Jahrbuch** bestimmte Arbeiten, sowie Zuschriften an die Gesellschaft
sind „An das Bureau der Gesellschaft, V7ien, I. Dorotheergasse z6' zu richten.
Der Centralvorstand
der Gesellschaft Rir die Geschichte des Protestantismus
in Oesterreich.
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V.
Die Bxecution zu Prag im Jahre 1621.
Mitgcthcilt von JUC. TH. MOLNiR.
IL«)
Es ist leicht erklärlich, dass sich viele gleichzeitige Schilde-
rungen der Execution gefunden haben und zwar sowohl von evan-
gelischer als auch von katholischer Seite, und ist zu bedauern, dass
sich die sämmtlichen Beschreibungen der Hinrichtung, die man als
Zeitungen der damaligen Zeit betrachten kann, nicht erhalten haben.
In der Bibliothek des böhmischen Museums zu Prag haben wir im
Ganzen fiinf gleichzeitige Berichte gefunden, von denen zwei bereits
angeführt worden. Es folgen nun die übrigen Berichte, von denen
die ersten zwei jedenfalls von einem evangelischen, der dritte aber
von einem katholischen Autor geschrieben sind.
Warhaffte Relation und Bericht, |
Welcher massen Fünff und Viertzig | Graven | Herren | Ritter | und
Bürger Stands -Personen | auf Kay: May: Befelch j den 21. Juni
dieses lauffenden 162 1. Jahrs | in der Königlichen Haupt Stadt Prag
Verurtheilt worden | darunder Sieben und Zwanzig auff einer am
Altstätter Ring auffgerichten Bühnen | so mit schwartzem Tuch über-
zogen gewest I Justificiret | die andern aber auff andere weise gestrafft
worden: Auch was sich sonsten zuvor und hernach verloffen hat.
AuDfiihrlicher Bericht |
Welcher gestalt die Kayserl: Execution | mit den Gefangenen im
Königreich Böheim in der Alten Stadt Prag | vorgenommen und
verriebt worden.
Nach dem von der Rom: Kays: auch zu Hungarn und Böheim
Königl: May: Ihrer Fürstl. Gn. von Liechtenstein | und andere Herren
i) Vergl. Jahrb. 1886, S. 174—187.
Jahrbuch des Protestantismus 1887. H. III.
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114
Commissarien | so zu den Malefitzpersonen im Königreich Böheim
verordnet worden | gnädigste anbefohlene Execution den 21. Juni
ergehen lassen: Als ist solche folgender gestalt von gedachten
Herren Commissarien zu werck gezogen worden.
Den Donnerstag zuvor | als den 17. Juni | eeind 7 Comet zu
Roß under dem Commando ihrer Fürstl. G. von Sachsen anhero
gelangt | deren 5 in die Altstatt | und 2 in die Newstatt einlosiert
worden | die haben vom selben tag an in der Altenstatt hin und
wider ihre Schiltwachten gehabt | auff dem Ring aber hat bey der
Nacht ein gantz Cornet gehalten | die Bienen oder Theatrum im
Zimmerhoff der Altenstatt zugericht worden.
Den 19, dito Sambstags frühe | seind 13 gefangene von der
Newstatt | und lO derselben von der Altstatt | durch dero Raht
Kutschen und Pferd | mit begleitung etlicher Musketierer nach Hof
gefiibret worden | allda seind zuvor im gefängnuß gelegen von den
Herren und Ritterstands | auch etliche gewesene Directores [ die
seind nun samptlichen | doch einer nach dem andern | vor das Kays:
Gericht und die Herrn Commissari gefordert worden : und ist solcher
Proceß geschehen in einer grossen Stuben \ wann man den Wendel-
stein hinauff gehet | oberhalb der Cantzley | in der Reichshoffraht-
stuben: alda ein Tron von violbraunen Sammet gemacht gewesen
darunder ihre F. G. von Liechtenstein | und die andern Herrn Com-
missari neben ihm herumb gesessen. Als nun der gewesene Land-
Hoffmeister Herr Popel zum ersten vor geführt worden | ist alsbald
der Kayserl: Procurator auffgetretten | nicht allein ihme | sondern
allen gefangenen (welche zwar nit zugegen waren) in Teutscher und
Böhmischer sprach angelangt | und die Herrn Commissari vmb ein
Endurtheil gebeten: darauff hat Herr D. Melander teutsch geant-
wortet I daß diß Urtheil verfasset were | und sollte nichts anders
ergehen | als was zuforderst Recht und Gerechtigkeit | und dann zur
erhaltung Rom. Kay. May. Reputation dienete | und mit sich brächte :
ein gleichmässige Oration ist in Böhmischer sprach von Herrn
D. Kapper gethan worden. Hierauff der Proceß teutsch von der
Kleinseitner Richter verlesen worden: nicht weniger auch in Böh-
mischer sprach von einem andern beschehen: von welchen beyden
dann nachfolgende fünff und viertzig Personen folgender gestalt sind
verurtheilt worden.
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115
1. Der vermeinte und gewesene Land Hoffmeister Popel von
Lcbkowitz I soll ewig gefangen ligen | doch auff Ratification
ihrer Kay. May.
2. Paul Zenschen [recte Riöan] hat eine gleichmässige Gnad
erlangt,
3. Graff Joachim Andreas Schlick | auß Gnaden die Recht Hand
abzuhawen | und sampt dem Kopff auff den Thum zustecken.
4. Wentzel Budowetz deßgleichen | ohne die Hand.
5. Christopf Harrant au0 Gnaden den Kopff abzuschlagen.
6. Caspar Kapliers [Kaplff] auß Gnaden | und in ansehung seines
Achtzig Jährigen Alters den Kopf abzuschlagen.
7. Morsetzky [Dwofetzk^] den Kopff abzuschlagen und auff die
Brücken zu stecken.
8. Michalowitz die Hand und Kopff abzuschlagen | und auff die
Brücken zu stecken.
9. Friederich von Pylan [Bflä] den Kopff abzuhawen und auff die
Brücken zu stecken.
10. Heinrich Hotte [Otta] auß Gnaden den Kopff abzuschlagen |
und auff die Brück | und vier Viertel auff die Strassen zu
stecken.
11. Hanß Wostrowetz auß gnaden gefangen bleiben | doch auff
Ratification ihrer May.
12. Felix Wentzel Pitibischkli [Pietipesk]^] deßgleichen.
13. Dionysius Tschernitz [Czernin] auß gn: den Kopff abzuschlagen.
14. Wolffgang Haßlawer [Hoslauer] nach Raab in Eisen zu fuhren.
15. Wilhelm Klumsky [Konetzchlumsky] zu köpffen.
16. Johann Theodor Sixt deßgleichen.
17. Valentin Kochein [Kochan] zu köpffen.
18. Thomas Steffeck deßgleichen.
19. Den alten Kober deßgleichen.
20. Johann Schulthes zu köpffen | und den Kopf nach Kuttenberg
auff die Justici zu stecken.
21. Maximilian Ostelik [Hoschtaleck] zu köpffen | und den Kopff
nach Saatz auff die Justici zu stecken.
22. D. Johann Jcssenius I gewesener Professor des Collegii Carolini
der Altenstatt Prag | die Zung auß dem Rachen zu schneiden |
zu köpffen | in vier theil zu schneiden | und dieselbe auff die
Strassen zu stecken.
9*
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116
23- Johann Kuttnauer |
24. Simon Suschitzky | beyde zum Rahthauß herauß zu hencken.
25. Nathaniel Wodnianschky [Wodniansky] an die Justicia zu
hencken.
26. Melchior Deubrecht [Teyprecht] nach Raab gefangen zu fuhren.
27. Georg Sabietta [Zäveta] auß Gnaden gefangen zu nehmen,
doch auff Ratifikation.
28. Wentzel Messeroffky [Maäterowsky] zu köpffen.
29. Paul Pertzka [Pecka] ein Jahr gefangen zu setzen.
30. Niklauß Diebiß [Diwisch] seine Zung an Pranger zu nageln |
und gefangen nach Raab senden.
31. Wentzel Orsitzky [Boietzkj^] außzustreichen.
32. Mathias Borbonius auß Gnaden gefangen | doch auff Ratification.
33. Caspar Vsle [Uhler] auß Gn: gefangen | doch auff Ratifikation.
34. Heinrich Cossal [Kozel] auß Gn: geköpfft.
35. Elias Roßin [Rozin] der Alte deßgleichen.
36. Lucas Barban [Karban] nach Raab gefangen zu fuhren.
37. Andreas Katzawer [Kotzour] zu köpffen.
38. Joseph Rubin [Kubin] die Statt zu verweisen.
39. Johannes Scorsse [Svvehla] mit Ruten außzustreichen.
40. Georg Sersitzky [Äecick^J zu köpffen.
41. Michael Wiedemann [Widmann] deßgleichen.
42. Simon Pockars [Wokäf] deßgleichen.
43. Jan Kummericht [Kamaryt] auff ein Jahr zu verweisen.
Als nun diese Verurtheilung fiirüber gewesen | seind die Herren
Commissarien wider nach Hauß gefahren | zuvor aber hat sich der
Kayserl: Procurator in Teutscher und Böheimischer sprach bedanckt.
Die Verurtheilten aber seind wider in die Gefängnuß geführet | und
ihnen vergünstiget worden | daß sie jederman hat besuchen und mit
ihnen reden können.
Es seind aber j sobald man sie in die Gefängnuß gebracht
underschiedliche par Jesuiter zu ihnen kommen | ob sie einen oder
den andern bekehren möchten | man hat aber von keinem gehört
der sich wolt abwenden lassen : mit D. Jessenio haben sie | in bey-
sein eines Teutschen Predigers M. David Lippach | länger als ein
Stund disputieret | aber er hat ihnen zur Antwort geben: was er
seinem HErm Christo in seiner Tauffe zugesagt | darauff wolle er
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117
leben und sterben | auch solches mit seinem Blut williglich bezahlen.
Sie haben auch die gantze Nacht mit Singen und Beten zugebracht.
Es ist auch diesen Sambstag die Bühn auf dem Altstätter Ring
aufTgericht worden | allemechst am Rahthauß | das man auß einer
Thür herauß darauff gehen können | die ist 4 Ellen hoch | 22 Schritt
breit und 22 lang | ist verschlagen und gerings herumb ein Schrancken.
Sambstags in der Nacht seind über vorige 43 Personen ferner
zum Todt condemnirt worden | Leander Rüppel | Heydelbergischer
und anderer Fürsten Raht | den KopfT und die Hand abzuschlagen.
Deßgleichcn auch Georg Hauenschild.
Sontags frühe den 20. Juni | seind viel der Gefangenen Weib und
Kinder zur ihrer F. G. von Liechtenstein geloffen | umb Gnade für
ihre Männer oder doch Linderung der Straff gebetten | aber nichts
erhalten.
Herr M. Lippach hat auff offener Cantzel das Volck vermahnt |
man wolle die Gefangenen und Verurtheilten ins Gebett mit ein-
schließen I das ihnen der Allmächtige Gott ein seelig bestandhafftes
End verleyhen wolle | darob viel Volcks geweinet | und ist einmahl
ein groß Elend zu ersehen | wie die armen Weib und Kind klagen |
heulen und weinen | die Verurtheilten aber sein gar getrost | Gott
tröste und stercke ihre armen Seelen.
In der Sontags Vesperpredigt hat D. Jessenius | Leander Rüppel
und Georg Hauenschild | umb Verzeihung bitten lassen | im Fall sie
jemand etwas zu wider gethan. Selbigen Tags ist die auffgerichte
Bühn I über und über mit schwartzem Tuch überzogen worden |
deßgleichen auch auff der selten deß Rahthauses etliche Ellen hoch.
Als es 24 geschlagen | hat man alle gefangne Herrn von Hoff
auff II Gutschen | mit 2 Comet Reuter und i Fahnen Fußvolck
herunder in die Alte Statt gebracht j deßgleichen ists auch mit den
Newstätter Gefangenen hernach beschehen | und haben in dieser Nacht
alle Reuterey und Fußvolck auff underschiedlichen Plätzen wachen
müssen. Montag den 21. Juni frühe | als es auf der Teutschen Uhr
vor 5 gewesen | seind am Himmel gesehen worden 2 schöne Regen-
bogen I welche Creutzweiß geweßen | was bedeut ist Gott bekannt |
es wird darvon underschiedlich discurirt. Umb diese Zeit | wie auch
die gantze Nacht | haben 3 Fähnlein Fussvolck und 2 Comet Reuter
auffm Ring gehalten | und als die Glock 5 geschlagen | ist bei Hoff
auß einem grossen Stuck ein Loßschuß geschehen | da dann alsbald
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118
alle Thor zugesperrt | und die Execution vor die Hand genommen
worden | und seind demnach laut der Urtheil die Personen nach ein-
ander gerichtet worden.
Erstlich | Graf Schlick in einem schwartz seidenen Rock | in
der Hand ein Buch haltend | ist gantz getrost zum Todt gangen |
fleißig gebettet | sein Diener hat ihn außgezogen | der Scharpff-
richter hat ihm den Kopff abgeschlagen | und dann hat sein Diener
sein rechte Hand auff ein Klötzlein gelegrt | die auch von dem
Scharpflfrichter abgehawen | und sampt dem Kopff in seine Ver-
wahrung genommen | der Leib aber ist in das Tuch | worauff er ge-
richtet I gewickelt worden | von 6 schwartz verkappten Personen \
welche lange schwartze Rock | schwartze Hut | und im Gesicht mtt
Tuch verkappt gewesen | das sie niemand hat können kennen | vom
Theatro hinweg getragen worden | also das der Leib vom Hencker
nicht angerUhret gewesen | und auff diese Manier ist es mit allen
andern gehalten worden | außer Jessenins und den dreyen | welche
gehengt worden | sobald einer gerichtet | und hinweg getragen ge-
wesen I die 6 Verkappte jedermal ein frisch schwartz Tuch auff-
gebreitet | also das jeglicher sein sonderlich Tuch gehabt | sind also
standhafft blieben | von ihrer Religion nit abgewichen. Herr von
Budowetz hat gar keinen Priester gehabt | sondern sein Gebett allein
verriebt | haben samptlich ihr Gebett fleißig verbracht | gedultig und
doch gar mit frischem Mut gestorben | darob man sich verwundem
müssen | sonderlich wegen der sehr viel alten Eisgrawer Leut | darob
sich bilHch zu entsetzen gewesen | und müsste einer ein steinern
Hertz gehabt haben | der nit Erbarmung mit ihnen gehabt. Die
rechten Anfänger sind zeitlich außgqrissen | weiche diese und andere
verführt haben | Gott gnade ihren Seelen.
Hans Theodor Sixt ist zwar auff der Bühnen gewest | und
gleich niederknien wollen | aber wider ins Gefangnuß geführt | darine
er I und der alte Rosin Director | soweit erbetten worden | biß
Kay. M. allhero gelangen | Die übrigen so zum Todt verurtheilt ge-
wesen I hat man alle hinrichten lassen | in allem 24 mit dem Schwert '
daninder vieren die Hand abgehawen | dem Jessenio die Zung auß
dem Halß geschnitten | und 3 Personen gehengt worden | hat also der
hiesige Scharpffrichter | allein von seiner Hand 21 Personen umbracht.
Dienstags vor Mittag ist Niclaus Debiß [recte Diwisch] ein
Bürgermeister Diener mit der Zungen an die Justicta genagelt
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daran er ein Stund gestanden | hernachher nach Raab in Hungam |
auif sein Lebenlang condemnitt worden | welcher aber deß andern
Tags hernach gestorben | 3 seind mit Ruthen außgestrichen | und
deO Lands verwiesen worden.
Dem D. Friederich Georg ist in der Nacht der Todt auth an^
gedeutet worden | gestalt er sich dann Montags dkrivL präeparirt und
commumcirt | dieweil er aber aufT etliche MeyOnische vom Adel |
so mit den Böhmen under eine Decken gelegen | bekennet | wird
mit der Execution noch etwas innen gehalten | D. Luck und noch
andere sollen in kurtzem auch gerichtet werden. Diese ExecutiOn
hat sich angefangen früh als ed 5 geschlagen, umb 10 ist alles ver-
riebt gewesen | die Köpff stekten auch schon auff dem Brücken-
thum I deren 12 sind | auif jeder seiten 6 | deß Leander Rüppels
Hand ist an dem Altstätter RahthauO angenagelt. Jessenins ist nicht
auff der Bühn | sondern bei dem Galgen geviertheilt | und die Stück
auff die Strassen gehengt worden. Graf Schlicken Gemahlin ist aus
BetrübnuO gestorben | deßgleichen auch 2 andere Weiber | den
21. difl I werden viel Cörpef weg geführet äuff ihre Güter | andere
allhier begraben | Gott laß uns dergleichen nicht mehr sehen.
Ende.
Execntion
Wieder die 2u Präg Eingezogene Evangelische Herrn Directorn,
Volnzogen den 21. Junij | Im Jahr M . DC . XXI.
Nachdem die Kayserliche Resolution | wie man wider die 2U
Prag verhaften | weiter procediren solle | ankommen | hat man am
17. Junij alle Vorlegketten vor den Gassen | durch alle Städte hin-
weg gethan.
Am 18« Junij I haben die Commlssarien ingesampt Raht ge-
halten | ftuch die jetzigen Rahtsverwandten der drey Prager Städte
darzu beruffen | und mit einander der Execution halben Unterredung
gepflogen.
Am 19. Junij in aller Frühe | sein die Commissarien auf dem
Schloß I in der gewöhnlichen Session wieder zusammen kommen |
und die auff den Rahthäusern | außer der Kleinseitner | arrcstirte
Personen | nacher Hof bringen lassen | allda jeden absonderlich für*-
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120
fordern | und die Uhrtheil | wie sie erstlich wider sie gesprochen
worden | und welcher gestalt Ihre Kayserl. May. solche hernach
auß Gnaden gemiltert | in Böhmischer und Deutscher Sprach öffent-
lich fiirgelesen | und darnach zum Todt verurtheilt | auch ihre Güter
dem Fisco zugesprochen worden. Allein der Pietopetzky [recte
Pietipesk^] | und Herr Popel seyn mit dem Leben begnadet | doch
biß auff des Käysers anherokunfft | und weitere Resolution zur ewigen
Gefängnuß condemnirt.
Nach Vollendung dessen seyn sie besucht worden | ob einer [
oder der ander etwas von Gewehr oder Messer bey sich hette | und
ist ein jeder in sein vorig Gefängnuß geführt und oonvoirt. Auch
Herrn Andreas Rüppeln | und Hauenschild | weil sie nicht auffm
Schloß dabey gewesen | noch dieselbige Nacht ihnen ihre Urtheil
schriftlich zugeschicket worden.
Diß Tags hat man die Bühne auff dem Altstädter Platz auff-
gericht | Auch auflgeruffen | das niemand auff künfftigen Montag feil
haben | oder auch unnötig auff der Gassen gehen solle.
An diesem Tag ist auch verordnet | weil diese Gefangene alle
mit einander auff der Evangelischen Religion verblieben | das man
ihnen Deutsche und Böhmische Prediger zulassen solle. Allein Herr
Budewitz [recte Budowetz] | so Reformirt | hat keinen annehmen
wollen I sondern ist in seiner Religion auch beständig verblieben.
Am 20. Junij Abends | seyn die so auff dem Schloß gefangen
gelegen | auff 5 Wagen mit 2 Cornet Reutern | und i Fähnlein Knecht
begleitet | und auff das Altstädter Rahthauß gefuhret worden | welches
auch mit den Newstädtern beschehen | und haben sie im hinabfahren
von jedermänniglich gar schön Urlaub genommen | und jederman
gesegnet | alsdann alle mit einander selbige gantze Nacht | biß an
den andern Tag frühe | da die Execution vorgangen | gantz in-
brünstig mit singen und beten zugebracht.
Am 21. diß I früh umb 5 Uhr | ist ein Losungsschoß vom Schloß
auß einem grossen Stück beschehen | bald seyn beyde Brücken Thor
zugesperret | und zu exequiren angefangen worden | Nach folgender
gestalt I haben die drey Richter von allen 3 Städten einen Gefangenen
nach dem andern | über den Gang | so auß dem Rahthauß | biß auff
die vorm Rahthauß auffgerichte | und mit schwartzem Tuch umb-
deckte Bühne gewesen | vorgefuhret | Auff einen Gang daneben | hat
der Altstädter Raht | und die 3 Kays. Richter als Executores gesessen.
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121
Auff der Bühne ist ein Crucifix gestelt gewesen | und vor dem-
selben einem jeden ein besonder schwartz Thuch auffgebreitet
worden | darauff der anfang mit Graff Schlicken (der neben dem
von Bühla [Bflä] etwa 2 Stund zuvor communicirt, die andern | auß-
genommen der von Budewitz [Budowetz] | es den Tag zuvor ver-
riebt) gemacht worden | der hat sich zu seinem Todt so heroisch |
und hertzhafftig erzeiget | daß sich jederman darüber verwundert |
welchs meistentheils mit den andern auch beschehen | Sie haben alle
fleissig gebetet | und in wahrem Glauben an Christum biß an ihr
Ende standhaflFtig verharret | Nach dem Graff Schlicken ist der von
Budowetz und Harrant | nachmals die Ritterstands Personen nach
einander | folgends Rüppel und Hauenschild | und dann die von der
Burgerschafft | und die andern alle | von einem einigen hiesigen
Scharffrichter ( Justificirt worden | Und hat derselbe mehr nicht dann
3 Schwerter | 2 newe | damit er die Herren und Ritterstands Per-
sonen I wie auch Rüppel und Hauenschild decolliret, und zu den
andern ein altes gebraucht | auch sich von keinem { als dem Jessenio |
und die er gehencket | sehen lassen | weniger ein Hand an sie ge-
legt I sondern sie selbst haben sich dazu fertig gemacht | und ihnen
ihre Diener helffen lassen | so sein auch 6 Personen schwartz ange-
than I und verkappt allezeit dabey gewesen | Sobald nur einer ge-
richtet worden | ist der Körper in einem schwartzen Thuch davon
getragen | in Sarck gelegt [ und ins Rahthauß geschafft worden |
hernach hat man sie den hinterbliebenen Witwen und Erben folgen
lassen.
Diejenigen Köpffe und Hand aber | so auffgesteckt | wie auch
der Cörper | so vorm Thor geviertelt werden sollen | haben deß
Scharffrichters Knechte in eia schwartzes Tuch gewickelt | und weg-
genommen | Mit dieser Execution hat man fast biß umb lO Uhr zuge-
bracht I darauff die Thor wider geöffnet [ und sechs Köpffe an den
Brücken Thurn gegen der Kleinen selten | gegen der Altenstadt
auch sechs sampt vier Händen auffgemacht. Da nun solches fiirüber |
ist die Reuterey | deren bey dem Altstädter Rahthauß drey Comet
auffgewart | wieder abgezogen | welches auch die Soldaten gethan |
deren ingleichen drey Fähnlein gewesen.
Kurtz vor der Execution hat sich über dem Rahthauß ein über-
aus schöner Regenbogen sehen lassen | und selbiger auch von denen
verurtheilten Personen observiret worden | die sich dessen gleichsamb
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122
hertzlichen erfrewet | davon allerley Discurs gefallen | der ist auch
eine gute weil stehen blieben.
Die Bühne stehet noch | ohne zweiffei | das man sie zu den
übrigen | so noch Justiiictrt werden sollen | auch brauchen wil.
Doctor Friederich Georgen ist in der Nacht | als man dem
Rüppel und Hauenschild | die Urtheil schrifftlich uberschtcket j auch
der Todt angekündiget worden | Inmassen er sich gestern frühe
darauff praeparirt und communiciret | Dieweil er aber auff etliche
MeiDnische vom Adel | die mit den Böhmischen ständen interessiret |
bekennet | Als sol Ihre Churfürstliche Gn. zu Sachsen begehret haben |
mit der Execution etwas stille zu halten | welches auch geschehen.
Heute sind wieder drey mit Ruthen ausgestrichen worden | und
ist einer | so der Altenstadt Rahtsdiener gewesen | lebendig durch
die Zung an die Justitia genagelt worden | Wie lange er stehen muss j
gibt die Zeit.
Es seind ihrer noch viel gefangen | und werden täglich noch
mehr eingezogen.
Die auffgehenckten hat man noch gestern abends wider abge-
nommen I und in die Särge geleget.
Herr Graff Schlick (dessen Gemahlin wie man jetzt vemimbt
aus grossem hertzleid heute frühe gestorben) | dergleichen Rüppel
und Hauenschild sollen in der Altstädter deutschen Kirchen beyge-
setzt werden.
Nahmen der hingerichten Evangelischen Personen | Herren Standts:
1. Herrn Graff Joachim Andreas Schlicken ist der Kopff und die
Rechte Hand abgehawen | und beydes am Thurn auffgesteckt
worden.
2. Der alte Wentzel von Budowetz !st enthauptet | und der Kopff
auffgestecket.
3. Christoff von Harrant ist enthauptet.
Aus dem Ritter Standt:
4. Caspar CapUer [recte KapUf].
5. Prokop Dwofetzlr^.
6. Fridrich von Buhla [Bilä].
7. Heinrich Otto von Loß.
8. Wilhebn Klompsky [Konetzchlumsky]. Diese sind enthauptet
und die Köpffe auffgestecket.
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128
g, Bohuslav von Michalowitz der Kopff und rechte Handt abge-
schlagen und auffgestecket.
10. Dion>rsius Tzemin [Czernin] geköpfft.
Aus dem Burger Standt:
11. Valtin Koch [Kochan].
12. Tobias Staphfech [Steffek].
13. Christoph Kober. Diese sind geköpfft und auffgestecket.
14. Johann Schultes Primas zum Kuttenberg | geköpffet | dessen
Kopff sol zu Kuttenberg auffgestecket werden.
15. Maximilian Hoschtälek Primas zu Saatz | geköpfft | und der
Kopff zu Saatz auffgestecket worden.
16. Doctor Jessenius die Zung abgeschnitten | enthäupt | der Kopff
auffgestecket | der Leib in vier stück zerhawen | und auff die
Strassen gestecket worden.
17. Georg Hauenschild enthäupt | die Hand auffgehenckt | und der
Kopff auffgesteckt.
18. Leander Rüppel enthäupt | die Hand am Altstädter Pranger
gehefft I und der Kopff auffgesteckt.
19. Hans Kuttnauer ist zum Fenster juff dem Rahthauß ausge-
henckt.
20. Simon Susitzky [Suschitzk^] deßgleichen.
21. Daniel Bodiantzky [Nathanael Wodniansk^] ist an den Galgen
auff der Altenstadt gehenckt worden.
22. Wentzel Maschtyrobsky [Maschtörovsk^].
23. Heinrich Bock [Kozel].
24. Andreas Cazenauer [Kotzour],
25. Georg Rosetzky [fteöitzky].
26. Michael Widman.
27. Simon Bokatz [Wokätsch], Diese seind enthauptet.
Ende.
Extract auß Prag.
Warhaffle Relation, welcher gestalt auff der Rom: Kay: May:
gnädigsten beuelch | die Böhmischen Rebellen von Grauen Herren:
Ritter: und Burgerstandts Persohnen | auff einer am Altstätter Ring
auffgcrichten | und mit schwartzem tuch überzogenen Bühne | den
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21, Junij dieses schwebenden 1621. Jahrs zu Praag | Jüstificirt und
hingerichtet worden. (Folgt ein Bild der Execution.)
Als man 161 8 gezehlet | hat sich zwischen den Ständen des
Königreichs Böhem ein Rebellion erhaben | der gestalt | das hierüber
etliche zum Fenster hinaußgeworffen worden | auch zur verstärckung
der Rebellen vorhaben | sie sich alsbalden nit allein aller Orten umb
Kriegsuolck beworben | sondern auch umb assistenz und hilff bey
inn: und ausländischen Potentaten angehalten | entlich ihnen von
Gott fiirgesetzten | und selbst gecrönten | gesalbten und auch mit
einhelliger stimb erwehlten König und Herren verworffen | und wider
ihre May: die Waffen an die hand genommen | derowegen dann nit
allein zu abwendung solchen unheils | sondern auch dempffung des
weit aussehenden Fewrs die Rom: Kay: May: Matthias hochseligster
gedächtnuss | verursacht worden | sich auch zur gegenwehr und wider-
stand gefaßt zu machen | Und ob wol nit ohne das nach ableibung
höchstgedachter ihrer May: die Jetzig Rom: Kay: May: Ferdinandus
der 2. bemelte Rebellen zum offtermalen gütlich ermahnt | und von
ihrem vorhalten abzustehen gewarnt | So hat doch solches keines
weges bey ihnen statt finden wollen | sondern seind in ihrer opinion
fortgefahren | und nit allein jhn Kay: May: höchlich offendirt, sondern
auch die arme underthonen in die ausserste Trübsall | Ja gar in
Todtesgefahr gesetzt [ und vil unschuldig Blut vergossen | welches
sie vor Gott dem Allmächtigen nit verantworten werden können ;
dannenhero dann auch allerhöchst bemelte Kay: May: mit den Waffen
zu continuim | und soviel möglich dem Krieg zu adsaerirn | nottrun-
^enlich bewegt worden.
Man liset nit allein in den Historien | sondern es bezeugts auch
die tägliche erfahrung | das niemals einige Rebellion von GOTT dem
Herren ungestraffl geblieben | Jn massen ich dann etlicher kürztlich
gedencken wUl.
Anno 1 597 entstünde in Oesterreich unter der Enns | im Viertel
ober dem Wiener Waldt ] und ober Mannhardts Berg zwischen den
Rebellischen bauren eine auffruhr | und nachdem selbige gestilt worden
seind etliche Rädelfiihrer durch die von der Kay: May: darzu depu*
tirten Herren | zu verhafft genommen | gebürlich examinirt und ver-
höret I auch auff etlich derselben günt : und peinliche bekandtnus j
nach gehaltenem ordentlichem Recht ihre urthel verlesen | und auff
den 24. Octobris obbemelten Jars öffentlich etliche geuiertheilt |
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enthaupt | die Cörper in stücken zerhaut | und sonsten nach eines
Jeden verbrechen hingericht worden.
Gleichfalls ist zu Franckfurt am Mayn | im 1616. Jar auch ein
grosse Rebellion fürgangen | In dem etliche Burger daselbst sich
wieder die Obrigkeit gesetzt | die Judenstadt geblindert | den Raht
verendert | Newe gebrauch eingeführt | und allerhand feindseligkeiten
verübet | darauff dann die Kay: May: verursacht worden | selbige
Rebellen auch durch die darzu verordnete Herren Commissarien
Jeden nach seinem verbrechen zu straffen | Inmassen dann 6 Per-
sonen vom leben zum Todt condemnirt | Wie auch 9 mit Rueten
außgrestrichen | und sonsten vil der Statt verwiesen worden.
Dessen wir diser Zeit an den Rebellischen Böhm ein frisches
Kxempel haben | das nemblich jungst verschienen 21. Junij | dieses
schwebenden 162 1. Jahrs zu Praag | auff gnedigsten beuelch und
Verordnung der Rom: Kay: May: Ferdinandi des andern | durch
sonderlich darzu verordnete Herren Commissarien | auff einer am
Altstätter Rinng auffgerichten und mit schwartzem Tuch überzognen
Bühn I an hernach volgenden Rebellen dieexecution vollzogen worden.
Den 19. diß morgens frue seind die Arrestierten Persohnen mit
einer starken Convoy zu Roß und Fuß auff das Schloß beglait |
und Jnen neben denen daselbst gesessenen gefangnen Herren von
den Kay: Herren Commissarien in der Reichshoffstuben ir verbrechen
Und darauff geschöpfftes urthel | doch jedem Insonderheit vorgehalten j
hernach aber weiter in ire Custoden gefiert worden.
Den 20. diß gar spat seind die im Schloss gefangne Herren
in 5 Wägen sambtlich in die Altstadt auff das Rahthauß gefiert
worden.
Den 21. dito darauff die Kay: execution gegen ihnen furge-
nommen worden | als nemlich ist vor dem Altstätter Rahthauß ein
hohe Pinnen mit schwartzem Tuch überzogen auffgericht | und ein
Crucifix darauff stehendt geweßt | vor welcher riit allein 3 Cornet
sonder auch 3 Fendlein Fueßvolck | Jnmassen auch in anderen Plätze
(weil dessen 7 Cornet und i Regiment zu Fueß allhie ist) nit
weniger beschehen | Wie es nun frue umb S uhr | komen die ver-
urtheilten in beysein der Predicanten sowol Evangelische als Hussiten |
so die gantze Nacht über mit Singen und Beten zugebracht darunder
nur ein Catholischer Herr erschienen | so seiner Religion zugethoner
geistlichen gebraucht | Im Schloß ist ein loßschuß auß einem grossen
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stuck beschehen { darauff das FueOvolck das Spill alsbald gehn lassen |
und gleich selbe viertelstund zu exequirn angefisuigen | welches daii
umb 9 Uhr und also in 4 stund von einem scharpifrichter vollendet
worden.
Neben der auffgerichten Binen seind allein die 3 Kajr. Richter
und der 3 Praager Stät Burgermeister und Rahtsverwandte ge-
sessen I zu welchen aufi disen Justificierten allein ire 4 etwas wenigs
geredt [ welches man aber wegen des Tromenschlagers nit vcr.
nemmen kenden.
Wie frisch und unverzagt | auch mit was eiflfrigem gebett sie
sambtlich zum Todt gegangen | ist sich zu uerwundem geweOt | und
waren dermassen Weisse und Grawe heubter und sehr Alte leuth I
der Alte Budowec ist ohne einigen Prädicanten | auflf der Binen er-
schinen | seind alle ausser des Doc. Jessenii und der 3 gehencten
vom scharpfifrichter nit beriret | sondern von denen darzu verordneten
Persohnen | vor Justificierung ein jeden absonderlich ein schwartz
tuch auffgebraitet | in dasselb gewicklet j daruon getragen und in
die Sarch gelegt worden | welche nun die hinderlaßnen Wittib und
Waisen mit grossem Jammer und klagen nach und nach begraben
lassen | theils auß ihnen ist das urthel was scherpffer gefeilet | doch
alsbald darauff auß Kay: Gna: auff die maß wie in der verzeichnuß
zu finden | gemiltert worden | und ob zwar auch guttheils Persohnen
noch im Arrest verbleiben | ist doch unbewußt | was mit denselben
möcht fiirgenommen werden.
Volgen die Justificirte Persohnen :
1. Erstlich ward Joachim Andreas Schlick Graff und geweßter
Director enthaubt | volgendts die rechte Hand abgeschlagen j
und sambt dem Kopff auff den Thurn bey der Bruggen gegen
der Altstatt auffgesteckt worden.
2. Wentzel von Budowetz geweßter Director ist enthaubt und der
Kopff an der Bruggen auffgesteckt worden.
3. Christ off von Harrant geweßter Böhmischer Cammcrpraesident
ist enthaubt worden.
Auß dem Ritterstandt :
4. Caspar Copliers [recte Kaplif] ist enthaubt | und der Kopf!
auffgesteckt worden.
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5. Profcopius Warsetzki [Dwofetric^]. j geweßte Directores
6. Friderich von Bihla [Bflä]. ( sdnd enthaubt und auff-
7. Heinrich Otta von Loß. 1 gedachten Thurn gesteckt
8. Wilhelm Konetzchlumsk^. | worden.
9. Bachelau [Bohuslav] von Michalowitz | der Kopff und rechte
Hand abgeschlagen | und auffgesteckt worden.
10. Dionisius Tscheratin [Czernin] gewcßter Hauptmann ist ent-
haubt worden.
Burgerstands Persohnen :
11. Valentin Rohan [Kochan], \ geweßte Directores sein ent-
12. Tobias Steffeck. ? haubt | und die Köpff auffge-
13. ChristoflF Kober. I steckt worden.
14. Johann Schultes Primas v. Kuttenberg | und
15. Maximilian Haseleck [Hoschtaleck] Primas zu Saatz | diese
seind auch enthaubt | und die Köpff auf bemelten thurn ge-
steckt worden.
16. Doctor Jessenins geweßter Professor des CoUegii Carolini allhie
ist erstlich die Zung außgeschnitten | hernach enthaubt | ge-
viertheilt I und die Viertel an der Wiener Strassen neben dem
Rabenstein auffgehenckt worden.
17. Georg Hauenschild Aduocat ist enthaubt | die rechte Hand
abgehauen | und der Kopff auffgesteckt worden.
18. Leander Ripel [Rüppel] Heydelbergischer und anderer Fürsten
geweßter Rath und Agent ist enthaubt | und die rechte Hand |
so man hernach in der Altstatt an den Pranger gehefft ] ab-
geschlagen I und der Kopff auffgesteckt worden.
19. Hanns Kuttnauer Altstätter Burger Hauptmann und
20. Susitzki [Suschitzky] sein zu dem Altstätter Rathauß Fenster
herauß gehenckt worden.
21. Nathanael Wodnantzki | Böhmischer Procurator ist an den
Galgen des Altstätter platzes gehenckt.
Newstätter Raths und Burgerstands Persohnen:
22. Wentzel Watschirowitzki [Maschterowsky] ist enthauptet worden.
23. Heinrich Bock [Kozel].
24. Andreas Kotzawer [Kotzour].
25. Georg Seschitzki [Kecitzlof].
26. Michael Wodian [Widmann].
27. Simon Wockatsch.
Diese alle seind mit dem
schwerdt gericht worden.
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28. Der Altstätter Rahtsdiener ist 2 Stund mit der Zungen an
der Justicia angenagelt gestanden | folgendts nach Raab ver-
wiesen worden.
29. Hanns Schwelle [Schwechla] und
30. Joseph Robin [Kubin] sein mit Ruethen aufigestrichen worden |
welche deO Altstätter Burgermeisters Diener geweßt.
31. Johann Camerat [Kamaryt] ist des Landes auff ewig bandisirt
worden.
32. Theodorus Sixt ist zwar schon auff der Bühn geweßt | hatt
gleich niederknien wollen | aber wider ins gefencknus geführt
worden.
33. Wilhelm Popel [von Lobkowitz] geweßter Landhoffmeister
34. Paul Sitzan [ftiSan] Director | seind noch in Arrest.
35. Der alte Rosin Böhmischer Procurator und Director.
36. Westrowitz [Wostrowetz],
37. Pietipeßki.
38. Zawista [ZawSta].
39. Doctor Borbonius.
40. Paul Pristki [Peöka].
41. Ustler [Uhler]. Diese alle seind noch in Arrest.
Auff der kleinen seitten:
43. Doctor Friderich. j
44. Bauschreiber und andere liegen noch gefangen | welchen ir
process auch ehist möchte gemacht werden.
Hierauß lieber Leser kanstu sehen | was Jederzeit die Rebellion
guts gebracht 1 und was die Rebellion für einen Lohn bekommen :
daran sich menniglich gespieglen | seiner von Gott fiirgesetzten
Obrigkeit gehorsamb sein | zu keiner auffwicklung sich bereden
lassen | sondern sich also wie einem Christen wol geziemet | erzeigen
soll I das er dessen vor Gott und der Welt verantworten könne
Inmittelst wolle Gott ihrer armen Seelen gnädig sein | ihnen ihre
missethat verzeihen | und entlich die Ewige frewd und Seeligkeit
miltiglich geben und verleihen. Amen.
Ende.
42. Doctor Luck. . , , ^ ,
* beede Aduocaten.
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VI.
Die erste evangelische Kirchenverfassung in
Oesterreich.
Von Dr. GUSTAV FRANK.
Nicht lange war das Wort der Duldung über die Evangelischen
in den k. k. Erblanden gesprochen, als Kaiser Joseph II. der Ordnung
ihrer kirchlichen Angelegenheiten seine Fürsorge zuzuwenden begann.
Mit kaiserlichem Handbillet vom 21. Mai 1782 war des Jenaischen
Juristen Scheidemantel , Allgemeines Kirchenrecht beider evange-
lischen Confessionen in Polen und Litthauen* (Warschau 1780) mit
den vom kais. Rathe Riedel, damals Privatvorleser des Fürsten
Kaunitz*), dazu gemachten Bemerkungen der böhmisch-österreichischen
Hofkanzlei zur gutachtlichen Aeusserung übermittelt worden. Die
Hofkanzlei bezeichnete in ihrem Vortrag vom 26. Mai ein ordent-
liches Kirchenrecht für die beträchtliche Anzahl Evangelischer als
eine Nothwendigkeit, seine Herstellung könnte auf Grund des Buches
von Scheidemantel durch den Rath Riedel geschehen und über die
vollendete Arbeit die Wohlmeinung einiger auswärtigen Gelehrten
und angesehenen protestantischen Geistlichen eingeholt werden, um
nicht gleich anfangs mit der protestantischen Kirchenverfassung
anderer Länder in Widerspruch zu kommen. Nachdem der Staats-
rath dem Vortrage der Hofkanzlei zugestimmt und nur noch auf
die confessionellen Unterschiede der Reformirten und Lutheraner
hingewiesen hatte, erfolgte die kaiserliche Entschliessung vom
8. Juni 1782, derzufolge für jede der beiden Confessionen ein ihren
Religionsgrundsätzen gemässes Kirchenrecht zusammenzutragen, diese
Arbeit aber auf Grund des Buches von Scheidemantel einem refor-
1) Friedrich Justus Riedel, der Sohn eines evangelischen Geistlichen, geboren
1742 zn Vieselbach bei Weimar, Professor der Philosophie an der Universität Erfort,
seit 1772 vorübergehend Professor an der k. Akademie der bildenden Kttnste in Wien,
gestorben daselbst 1785 im Spital za St. Marx.
Jahrbuch des Protettantismus 1887. H. III. \Q
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mirten Consistorium in Siebenbürgen und dem evangelischen Con-
sistorium in Teschen aufzutragen, und nach deren Vollendung die
endgiltige Feststellung einer unter Zuziehung Riedel's eigens aufzu-
stellenden Commission zu überweisen ist. Nach dreijährigem Zuwarten
wurde mit kaiserlicher Resolution vom i6. Februar 1785 die Ange-
legenheit der Hofkanzlei in Erinnerung gebracht und nochmals
betont, dass des Kaisers Ansicht nicht dahin gehe, für die Refor-
mirten und Lutheraner zusammen nur das nämliche Kirchenrecht
festzusetzen. Die Folge dieser Resolution war nachstehendes Decret
des Regimen Inferioris Austriae vom 9. September 1785 an das
inzwischen von Teschen nach Wien verlegte und am i. Juni 1785
daselbst eröffnete evangelische Consistorium A. C. : , Durch höchstes
Hofdecret vom 29. vorigen und praes. 3. dieses Monats ist der
Auftrag herabgelangt, es sei dem hiesigen Consistorium A. C. mit-
zugeben, dass selbes in Gemässheit der bereits im Jahre 1782 an
das Teschener Consistorium erlassenen Verordnung und der darin
gegebenen Anleitung zu Verfassung eines für die k. k. Erblande
anwendbaren Kirchenrechts für beide evangelische Religionen, ein
dergleichen Kirchenrecht verfassen und einreichen, hiebei aber nur
auf ihr Glaubensbekenntniss die Rücksicht nehmen soll, massen
Seiner Majestät Absicht nicht dahin geht, fiir beide Glaubensgenossen
nur ein und das nämliche Kirchenrecht festzusetzen, sondern dass
jede Religion ihr eigenes und gleichförmiges Kirchenrecht in allen
ihren Staaten habe. Das Consistorium hat demnach diesen Entwurf
ehestens zu Stand zu bringen und hieher zu überreichen, um solches
Sr. Majestät vorlegen zu können.* Ein conformes Decret erging am
6. März 1786 an das (am 27. April 1785 zu Wien errichtete) Con-
sistorium H. C. mit nachfolgender Aufforderung: ,Da dem Con-
sistorium der Augsburgischen Confession bereits der Auftrag gemacht
worden ist, den Entwurf eines solchen Kirchenrechts zu Stand zu
bringen und an Regierung zu überreichen: so wird solches auch
dem Consistorium der helvetischen Confession zu dem Ende bekannt
gemacht, damit auch selbes einen ähnlichen Entwurf zu einem
Kirchenrecht nach den Grundsätzen der helvetischen Confession zu
verfassen und an Regierung zu übergeben wissen möge.* Die beiden
Consistorien, in Erwägung, dass ;^ beide Confessionen, einige litur-
gische Sachen ausgenommen, nur einerlei Kirchenrecht haben*,
traten freundschaftlich zusammen und verfassten gemeinsam, ^theils
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um diese Arbeit beschleunigen und gründlicher überdenken zu können,
theils den Behörden durch das doppelte Lesen einer und der näm-
lichen Sache nicht lästig zu fallen, einen für i>eide Confessionen
anpassenden brauchbaren Entwurf einer Kirchenordnung.* Dieser
Entwurf, wesentlich ein Werk des weltlichen Rathes im Consistorium
A. C. Johann Andreas v. Wielandt, in der Anordnung grösstentheils
dem polnischen Gesetzbuche von Scheidemantel folgend, trägt den
Titel: , Kirchenordnung für die Augsburgisch und Helvetische Con-
fessionsver wandten in den k. k. deutschen Erblandfen.* Da diese
(bisher ung^ruckte) erste evangelische Kirchenverfassung in Oester-
reich ein treues und vollständiges Bild gibt von der Einrichtung
unserer Kirche in der Toleranzzeit, so lassen wir hier den Grundriss
und die wesentlichen Bestimmungen derselben folgen.
Einleitung.
Aus väterlicher Huld, Gnade und Fürsorge für das Wohl und
Glück der Unterthanen haben Seine kaiserlich königliche Majestät
geruhet, ein den Kirchenverfassungen anderer evangelischer Länder
und Provinzen sich so viel als möglich näherndes Kirchenrecht
ftir die der Augsburgischen und Helvetischen Confession zugethanen
evangelischen Kirchen-Gemeinden allergnädigst anzuordnen. Auf diesen
allerhöchsten Befehl ist folglich gegenwärtiges Kirchenrecht ent-
standen. Die Quellen, aus denen es geschöpft worden, sind haupt-
sächlich die bestehenden Landesgesetze und Toleranz- Verordnungen,
welche durchgängig zum Grunde gelegt worden. Nebst diesen hat
man aus den besten, und in den protestantischen Ländern als
classischen Autoren angenommenen Schriftstellern und Kirchenrechts-
lehrem, und vorzüglich aus dem allgemeinen Kirchenrecht beider
evangelischer Confessionen in Polen und Litthauen, dasjenige, was
für die hiesigen Länder anpassend war, herausgezogen und solches
auf die hiesigen Landesgesetze und Toleranz- Verordnungen appliciret,
als wodurch allen Irrungen und Missdeutungen vorgebeugt, Jedem
der Weg, den er zu gehen hat, vorgeschrieben, und die bestimmten
Schranken festgesetzt werden.
I. Abtheilung.
Von den Hauptmitteln, allen Immgen und Feindseligkeiten vorzubeugen,
§ I. Die Prediger müssen oft in ihren Predigten die Zuhörer
zur Verträglichkeit und Bruderliebe ermahnen, und allem einreissenden
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Groll und Feindseligkeit gegen andere Glaubensgenossen durch
gütliche Vorstellungen vorzubeugen suchen.
§ 2. Alle anzügliche Predigten, Schriften und Disputationen
gegen und über andere Glaubenslehren sind den Predigern unt«^agt
§ 3. Superintendenten und Senioren haben darüber zu wachen,
dass bei öffentlichen Vorträgen die Einigkeit der Lehre nach der
heiligen Schrift und den ihnen gemässen Symbolen jeder Kirchen-
gesellschaft beobachtet werde.
§ 4. Die allerhöchsten Toleranz- Verordnungen sollen wenigstens
einmal im Jahr, am Toleranzfest, nach dem vom Cofisistorio ge-
machten und höchsten Orts genehmigten Auszug, den Gemeinden
von der Kanzel vorgelesen werden.
II. Abtheilung.
Von der Ordnung bei gottesdienstlichen Hancilungen.
Articulus I. Von der Liturgie.
§ I. Die Ausübung des liturgischen Rechts kommt sonst Nieman-
dem als dem Consistorium zu.
Articulus II. Von der Zeit des Gottesdienstes.
§ 2. Sollte der Landesfurst die Feier eines ausserordentlichen
Festes anbefehlen, so hat das Consistorium die Art und Weise zu
bestimmen, wie solches zu feiern ist.
§ 4. Das Toleranzfest soll alle Jahr den Sonntag vor oder nach
dem 13. October gefeiert werden.
Articulus III. Von den Predigten.
§ I. Keine Predigt soll über eine Stunde dauern.
§ 3. Die Kanzel gebühret eigentlich nur den ordinirten und
installirten Predigern; andere, die nicht ordinirt, nicht im Amte
sind, die nicht nur eine Gastpredigt halten, sondern entweder
vicariren oder sich im Predigen üben wollen, müssen vorher die
Erlaubniss dazu von dem Superintendenten erhalten haben.
§ 4. Alle Controvers-Predigten, Anzüglichkeiten und Personali-
täten in den Predigten sind auf das schärfste untersagt.
Articulus IV. Von den Kirchengebeten, Fürbitten, Gesängen und Publicandis.
§ I. Die in der Liturgie vorgeschriebenen Kirchengebete sind
nur als Muster anzusehen, wie solche Gebete einzurichten sind;
übrigens steht es jedem Prediger frei nach diesem Muster, eigene
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Gebete zu entw^erfen, dieselben dem Superintendenten zur Genehmi-
gung vorzulegen, und damit abzuwechseln.
§ 2. In das allgemeine Kirchengebet muss allemal der Landes-
fürst, sein ganzes Haus, alle Landes-Obrigkeiten und Kirchenpatrone,
die Christenheit, und insbesondere die betreffende Gemeinde einge-
schlossen und genannt werden.
§ 3. Fürbitten für Kranke und überhaupt alle Nothleidende und
andere, so die öffentliche Fürbitte verlangen, sind nach geendig^cr
Predigt zu halten; nur ist es jedem Prediger auf das schärfste
untersagt, etwas dafür zu fordern.
§ 4. Wenn bei ausserordentlichen traurigen oder erfreulichen
Begebenheiten, die den Landesfursten, dessen Haus oder das Land
betreffen, von der Landesstelle besondere Gebete angeordnet werden,
so haben sich die Prediger an die vom Consistorium ihnen mit-
getheilten Formeln zu halten.
§ 5. Jede Gemeinde kann sich ein eigenes Gesangbuch nach
eigner Willkühr wählen, nur muss es in kaiserlichen Ländern gedruckt
oder besonders einzufuhren erlaubt sein, darf aber doch nicht ohne
Vorwissen des Consistorii eingeführt werden.
§ 6. Alles was die Gemeinde in kirchlichen Angelegenheiten
betrifft oder von deir Landesstelle zur Publication aufgegeben wird,
muss nach der Predigt publicirt werden.
Articulus V. Von den Rechten bei der heiligen Taufe.
§ I. Die Taufhandlung muss in der Kirche oder dem Bethaus,
und soviel möglich, vor öffentlicher Versammlung geschehn, nur wo
Lebensgefahr des Kindes zu befürchten wäre, oder zu weite Ent-
fernung es unthunlich machte, ist ohne Anstand die Haustaufe erlaubt.
§ 2. Wird aber eine Haustaufe ohne Noth begehret, so muss
dafür die von höchsten Orten vorgeschriebene Tax bezahlt werden,
wovon blos adelige Kirchenpatronen ausgenommen sind.
§ 3. Bei den Gemeinden Augsburgischer Confession hat der
Prediger in Ansehung der Nothtaufe zu untersuchen: a. Ob das
Kind erst nach völliger Geburt, b. Ob es mit Wasser, und c. Ob es
im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geist getauft
worden. Ist dieses, so wird die Taufe für gültig angesehen und nach
Anweisung der Liturgie bestätiget; wenn aber einer von diesen
Punkten fehlet oder zweifelhaft ist, so wird die Taufe wie gewöhnlich
verrichtet. Da bei den Gemeinden Helvetischer Confession keine
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Nothtaufe stattfindet, so ist dieser § nur auf jene der Augsburgischen
Confession anwendbar.
§ 4. Kein Mitglied einer Parochie darf sein Kind bei einem
anderen Prediger als dem, zu dem er gehört, taufen lassen.
§ 5. Jeder Prediger hat ein Kirchentaufbuch zu fuhren, in
solches genau das Datum, die Namen des Kindes, der Eltern, der
Taufzeugen und der Hebamme einzutragen, und übrigens in An-
sehung der hierüber zu geschehenden Anzeige an den katholischen
Parochus sich nach allerhöchsten Vorschriften zu richten.
§ 6. Die Taufe muss jeder Prediger unentgeltlich verrichten,
und ist ihm oder dem Küster auf das schärfste untersagt, etwas
dafür als Gebühr abzufordern, noch sind Eltern oder Pathen ver-
pflichtet, da wo die Stolgebühren abgeschafft sind, weder dem katho-
lischen Pfarrer noch seinem Küster etwas abzureichen.
§ 7. Bei gemischten Ehen zwischen Augsburgischen und Hel-
vetischen Confessions- Verwandten oder nicht unirten Griechen werden
die Söhne von dem Geistlichen des Vaters und die Töchter von
dem der Mutter getauft.
§ 8. Bei Ehen zwischen Katholiken und Protestanten darf, wenn
der Vater katholisch ist, kein protestantischer Prediger die Taufe
verrichten, da solches nur dem Parocho ordinario zukommt, wo aber
der Vater protestantisch und die Mutter katholisch ist, wird es wie
im vorhergehenden § gehalten.
§ 9. Sollten sich Juden oder andere erwachsene noch ungetaufte
Personen zur protestantischen Religion bekennen wollen, so dürfen
sie nicht eher getauft werden, bis sie nicht hiezu die Erlaubniss der
Landesstelle eingebracht haben und vorher in den Grundsätzen der
evangelischen Religion hinreichend unterrichtet worden.
§ II. Katholische und nicht unirte Griechen können ohne An-
stand von Evangelischen zu Taufzeugen erbeten werden.
§ 14. In Vacanzfällen oder bei Krankheit eines Predigers sind
Taufe und die Einzeichnung in das Taufbuch der Gemeinde, wie
auch die Anzeige des geschehenen Actus an den parochum ordi-
narium von einem benachbarten erbländischen Prediger zu verrichten,
wo aber solcher zu weit entfernt wäre, ist der katholische Pfarrer
um die Verrichtung der heiligen Taufe zu ersuchen, die Vormer-
kung aber ist von einem der Vorsteher oder dem Schulmeister zu
verrichten.
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Articulus VI. Von der Confirmation.
§ I. Da die Confirmation hinreichende Kenntniss von der Re-
ligion und reife Ueberlegung erfordert, so darf kein Kind, wenigstens
nicht unter 14 Jahren, zugelassen werden. .
§ 2. Die Confirmation muss öffentlich im Angesicht der ganzen
Gemeinde geschehen.
§ 3. Die zu Confirmirenden müssen von dem Prediger der Ge-
meinde, wo sie sich fortdauernd aufhalten, confirmiret werden.
§ 4. Auch die Confirmation und die ihr vorangehende gemein-
schaftliche Vorbereitung der zu Confirmirenden muss jeder Prediger,
ohne etwas dafür fordern zu dürfen, ex officio verrichten.
Articulus VII. Von dem was Rechtens ist bei Beicht und Vorbereitung.
§ I. Wo in Gemeinden Augsburgischer Confession die Privatbeichte
nicht eingeführt ist, hat nur eine allgemeine Beichte und Absolution
statt; doch kann ein Prediger niemandem in Gewissens- Angelegen-
heiten eine eigene Unterredung bei sich und den nöthigen Trost
verweigern.
§ 3. Der sogenannte Beichtpfennig bleibt durchaus abgeschafft.
Articulus VIII. Von dem was Rechtens ist bei dem heiligen Abendmahl.
§ I. Nur ein ordinirter Prediger hat das Recht, das heilige
Abendmahl zu verwalten.
§ 2. Im Nothfall kann auch ein Prediger von einer andern
Confession das heilige Abendmahl einem, der nicht von seiner Con-
fession ist, reichen, wobei er sich, um der Gewissensfreiheit von keiner
Seite zu nahe zu treten, bei der Austheilung des heiligen Abend-
mahls blos der Einsetzungsworte zu bedienen hat.
§ 3. Sollte ein Mitglied der katholischen Kirche, das als solches
bekannt wäre, zum heiligen Abendmahl zugelassen zu werden ver-
langen, so darf solches kein Prediger zugestehn, bis er nicht Zeug-
nisse in Händen hat, dass ein solcher ehemals Katholischer ent-
weder nach allerhöchster Vorschrift als akatholisch angeschrieben
worden oder seine vorgeschriebene Prüfungszeit ausgehalten.
§ 4. Wird ein Prediger zu einem Kranken zur Verwaltung des
heiligen Abendmahls berufen, so muss er sich zu allen Stunden
bereitwillig dazu finden lassen.
§ 5. Nur Wahnwitzige, Blödsinnige und andere, die des freien
Gebrauchs ihrer Vernunft nicht mächtig sind, kann ein Prediger
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eigenmächtig von dem heiligen Abendmahl ausschliessen, sonst aber
kann und darf er Niemanden davon zurückweisen.
§ 6. Ermahnungen der Prediger zum öfteren Gebrauch des
heiligen Abendmahls sind Pflicht, aber vorzuschreiben, wie oft man
des Jahres communidren solle, oder gar Zwangsmittel dazu zu ge-
brauchen, ist untersagt.
§ 7. Privat -Communionen können Niemandem, als solchen
Leuten, die wegen Schwachheit, Alter oder sonstigen der Gemeinde
Ekel, Abscheu oder Schrecken verursachenden Gebrechen nicht
öfferitUch in der Kirche communiciren, oder solchen, welche plötzlich
abreisen müssen und den nächsten Communiontag nicht abwarten
können, wie auch Ausländern, welche die Landessprache nicht ver-
stehen, zugestanden werden.
III. Abtheilung.
Von den Kirchen und Bethäusem,
§ I. Will eine neu entstandene Gemeinde ein Bethaus bauen,
so muss sie solches bei der Landesstelle anzeigen, und die darüber
erhaltene Bewilligung durch den Superintendenten dem Consistorium
bekannt machen.
§ 3. Uebrigens können Bethäuser und Kirchen nach Belieben
von Stein, Ziegeln oder Holz gebauet werden.
§ 4. Nur dürfen sie vermöge der bestehenden allerhöchsten
Toleranz- Verordnungen keine Thürme, kein Geläute und keinen einer
Kirche ähnlichen Eingang von der Gasse haben, es müsste denn
eine specielle Erlaubniss dazu vorhanden sein, oder ältere vorhin
schon bestandene förmliche privilegirte Kirchen- müssten schon von
vorigen Zeiten her diese Freiheiten gehabt haben.
IV. Abtheilung.
Von den Consistorien, den Superintendejiien und Senioren,
Articulus I. Von den Consistorien. *)
§ I. Beide Consistorien, Augsburgischer und Helvetischer Con-
fession, haben ihren Sitz in der Residenz, sind der Landesstelle
untergeordnet und haben einen von dem Landesfiirsten dazu ernannten
katholischen Präsidenten.
^) Die hier nicht mitangefUhrten weiteren Bestimmungen sind der im Jahrgang
VII, Seite 13a flf. mitgetheilten Consistorial-Instruction von 1784 entnommen.
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§ 9. Da von den Consistorien alle Befehle oder Verordnungen
nach der ihnen von allerhöchsten Orten mitgetheilten Instruction
oder nach unmittelbarer Vorkenntniss und Genehmigung der Hof-
und Landesstelle ausgegeben werden, so haben die Landesstellen
anderer Provinzen kein Recht, die vcm den evangelischen Consisto-
rien an die Superintendenten erlassenen Verordnungen, vor deren
Publicirung, sich pro beneplacito vorlegen zu lassen.
Articulus n. Von den Superintendenten. ^)
§ I . Die einem Superintendenten vor anderen Predigern zu-
kommenden Vorrechte bestehen : I. in der Prüfung der Candidaten ;
2. in der Ordination; 3. in der Installation; 4. in der Einweihung
der Bethäuser; 5. in der Visitation.
Articulas in. Von den Senioren.
Wo ein Senior die Geschäfte des Superintendenten verrichtet,
da hat er die von allerhöchsten Orten dafür bewilligten Vortheile
zu geniessen.
V. Abtheilung.
Von allgemeinen Kircheftgesetzcn überhaupt.
§ I. Alles, was' zu dem politisch kirchlichen Fach gehöret,
hängt von der politischen Stelle ab; alle Gesetze hingegen, welche
Liturgie und Kirchenzucht betreffen, verfasst das Consistorium, die
aber erst nach erfolgter allerhöchster Genehmigung ihre Wirkung
erhalten.
§ 2. Landesfurstliche Gesetze und Consistorial- Verordnungen,
welche ganze Gemeinden betreffen, und zur Publication eingesendet
werden, müssen sogleich publicirt werden.
§ 3. Auch Gewohnheits-Rechte, Herkommen, Observanz und
überhaupt in anderen protestantischen Ländern angenommene Kirchen-
gesetze und Rechte können bei besonderen Fällen, die in dieser
kirchenrechtlichen Ordnung nicht vorausgesehen oder genau bestimmt
werden konnten, und in wiefern jene nicht den allgemeinen Lahdes-
gesetzen und Toleranz- Verordnungen entgegen sind, zu Rath gezogen
und zu Grunde gelegt werden.
1) Zu diesem und dem folgenden Artikel ist die im Jahrgang VI, Seite 14 ff-
mitgetheilte Superintendential-Instruction von 1785 zu vergleichen.
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138
VI. Abtheilung.
Von der Kirchenvisitation. *)
§ I. Die Kirchenvisitation, als ein unzertrennliches annexum
exercitii Religionis, verrichtet der Superintendent oder der von ihm
delegirte Senior, welcher solche allemal dem Kreisamt und der
Gemeinde vorher anzuzeigen hat.
VII. Abtheilung.
Von den Rechten und Verbindlichkeiten, die unmittelbar aus der Natur
der evangelischen Kirchcngemeinscitaft entspringen,
Articulus I. Von dem Erwerb dieser Rechte.
§ I. Die Abstammung von ganz protestantischen Eltern oder
von einem protestantischen Vater und einer kathoUschen Mutter in
Ansehung der Söhne, und die einem Katholischen nach ausgedauerter,
gesetzmässiger Prüfung von der Behörde ertheilte Entlassungsscheine,
sowie auch die von einem evangelischen Pastor verrichtete Taufe
eines Juden oder sonst Erwachsenen, noch ungetauften, sind die
drei Wege, wodurch man zu den Freiheiten und Vorrechten eines
Mitgliedes der evangelischen Gemeinden gelanget.
Articulus II. Von diesen gemeinschaftliches Rechten.
§ I. Ein jedes Mitglied der tolerirten evangelischen Gemeinden
geniesset, mit völliger Gewissensfreiheit, die Unabhängigkeit von der
katholischen Kirche und Geistlichkeit in Glaubenssachen.
§ 2. Kein Mitglied der evangelischen Confession kann gezwungen
werden, in die katholische Kirche zu gehen oder öffentlichen Pro-
cessionen beizuwohnen.
§ 3. Jeder Evangelische erfreuet sich des Gebrauchs der Sakra-
mente und anderer liturgischer Handlungen für sich und die Seinigen,
insofern diese evangelisch sind, bei öffentlichen gottesdienstlichen
Versammlungen und, wo es die Noth erfordert, in ihren Privat-
häusern, sie mögen nun in dem Ort liegen, wo ein Bethaus vor-
handen ist, oder wo es immer will; nur haben sich die von Bet-
häusem auch weiter Entfernte doch hierinnen stets zu den innerhalb
den kaiserl. königl. Erbländern gelegenen Kirchen oder Bethäusern
und Predigern zu halten.
^) Die hier übergangenen Paragraphe sind aus der Visitationsvorschrift (Jahr-
gang VI, Seite 25 ff.) entlehnt.
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§ 4- Werden einzelne Glieder in diesen Rechten und anderen
Religionsfreiheiten gekränkt, so haben sie sich unmittelbar an ihre
Landesstellen zu wenden.
VIII. Abtheilung.
Van Ehesaclun, verbotenen Graden und Dispensationen,
§ I. Die Ehe selbst, -als ein bürgerlicher Vertrag, gehört ganz
und allein unter die landesfiirstliche Gerichtsbarkeit, welche alle
dabei vorkommende Fälle und Streitigkeiten schlichtet und ent-
scheidet.
IX. Abtheilung.
Von den Rechten der Consistorien in Ehesachen,
In den Ehesachen, bei deren Entscheidung Rücksicht auf pro-
testantische Grundsätze zu nehmen ist, haben die Consistorien Votum
consultativum.
X. Abtheilung.
Von Vollziehung der ehelichen Verbindungen,
Articulus I. Von dem Aufgebot.
§ I . Ohne vorhergeschehenes Aufjgebot oder die hierüber von der
Landesstelle erhaltene Dispensation kann keine Trauung statthaben.
§ 6. Ohnerachtet in Ansehung der Trauung, in dem Fall, wenn
ein Theil der Verlobten katholisch ist, der katholischen Religion
das Vorrecht eingeräumt worden, dass ein solches Paar allemal der
katholische Pfarrer zu trauen hat, so hat doch solches in Ansehung
des Aufgebotes nicht statt, denn sobald ein Theil, gleichviel ob
Braut oder Bräutigam, evangelisch (st, so muss solches auch von
dem evangelischen Prediger geschehen.
§ II. Sollten in der Residenz oder sonstwo zwei verlobte Per-
sonen, die sich beide eines Fori privilegiati zu erfreuen haben und
folglich den Landesgesetzen nicht unterliegen, von einem inländischen
evangelischen Prediger ohne vorhergegangenes Aufgebot wollen
trauen lassen, so hat der Prediger, wenn ein solches verlobtes Paar
nicht schon selbst von höchsten Behörden eine dispensirende Aus-
nahme von den allgemeinen Landesgesetzen erwirkt hätte, mit
Anzeige des Falls sich um Anweisung seines Verhaltens bei seiner
Landesstelle anzufragen.
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Articulus IL Vom Einspruch vor der Trauung.
§ I. Meldet sich jemand, der den Fortgang der Trauung hindern
will, so hat ein Prediger hier nichts weiter zu untersuchen, sondern
weiset den einsprechenden Theil an die gehörige weltliche Obrig-
keit, stellet aber inzwischen das fernere Aufgebot ein.
Articulus III. Von der Trauung.
§ I. Ohne Trauung hat keine rechtsbeständige Ehe statt.
§ 2. Wenn beide Theile protestantisch sind, oder ein Theil zu
den nicht unirten Griechen gehörte, so geschiehet die Trauung von
dem Prediger oder Popen, zu dessen Gemeinde die Braut gehöret.
§ 4. Unterfängt sich ein Prediger heimlich, und ohne dass
vorher alle nach den Gesetzen verordnete Formalitäten wären beob-
achtet worden, ein Brautpaar, solches möge nun inländisch oder aus
einem benachbarten Ausland, blos um sich in den kaiserl. königl.
Erblanden verstohlener Weise trauen zu lassen, herübergekommen
sein, zu trauen, so wird er seines Amtes entsetzt oder nach Be-
schaffenheit der Umstände noch schwerer bestraft, und die Ehe ist
an und ilir sich ungültig und nichtig.
§ 5. Ist der Bräutigam oder die Braut katholisch, so. verrichtet
ohne Ausnahme der katholische Pfarrer die Trauung.
§ 8. Alle Reverse, die bei vermischten Ehen vor dem Toleranz-
edict vom 13. October 1781 ausgestellt worden, haben ihre Gültig-
keit insoweit, dass alle Kinder, die vor diesem Zeitpunkt geboren
worden, ohne Unterschied des Geschlechts in der katholischen Religion
zu erziehen sind ; die hernachfolgenden aber, wenn der Vater pro-
testantisch ist, folgen dem Geschlecht.
§ 9. Von diesem 13. October 1781 an, wo die Toleranz ein-
geführt worden, hören alle dergleichen Reverse ganz auf, und sollte
ein protestantischer Bräutigam sich von der Braut, ihren Eltern,
Anverwandten und Beiständen, Notaren, oder selbst von dem
katholischen Pfarrer zu einem solchen Revers bereden lassen, so
sind dergleichen Reverse als nicht ausgestellt anzusehen, und als
gesetzwidrig an und für sich selbst ungültig und nichtig.
§ 10. Verstehet sich ein protestantischer Vater mündlich und
freiwillig dazu, seine Söhne in der katholischen Religion erziehen zu
lassen, so hat auch dieses nicht statt, weil der Vater weder die
Rechte seiner zu erwartenden Söhne, noch die der protestantischen
Gemeinde vergeben kann, folglich gehören alle Söhne von evan-
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gelischen Vätern und katholischen Müttern, ohae Rücksicht, in
welcher Reh'gion sie erzogen werden, der evangelischen Gemeinde an.
§ 12. Jeder Prediger ist schuldig, alle in seiner Pfarre vor-
kommenden Trauungen, mit deutlicher Benennung der neuen Ehe-
leute und der dabei gegenwärtigen Zeugen, in die £u diesem End
bestimmte Trauungsbücher eigenhändig einzutragen. Auch muss er
nach geschehener Trauung die vorschriftsmässige Anzeige darüber
dem betreffenden katholischen Pfarrer zufertigen.
§ 14. Zu einer Trauung in der Advent- und Fastenzeit muss
die Erlaubniss von der weltlichen Behörde eingeholt werden.
§ 15. Für die Trauung darf kein Prediger eine pflichtmässige
Gebühr fordern.
XI. Abtheilung.
Von der Ehescheidung,
Ehen zwischen Katholischen und Akatholischen können auf
keine Art gänzlich geschieden werden.
XII. Abtheilung.
Von Besuchung der Kranken und Sterbenden,
§ I . Nur ein ordinirter und von Behörde bestätigter, inländischer
Prediger hat das Recht, Kranke und Sterbende in und ausser den
Spitälern und Krankenhäusern, in Privathäusern und wo sie sich
immer in dem Bezirk seiner und anderer Gemeinden, wo kein
Prediger vorhanden, befinden mögen, zu besuchen und ihnen auf
Verlangen das heilige Abendmahl zu reichen.
§ 2. Wird ein Prediger zu einem ihm unbekannten Kranken
berufen, und er findet aus überzeugenden Beweisen, dass solcher
zur katholischen Kirche gehört, so hört sein Amt auf.
§ 4. Verlangte ein evangelischer Kranker seinen Prediger,
besinnet sich aber eines andern und wünschet einen katholischen
Geistlichen, um zu dieser Religion überzutreten, so hat sich auch
der schon bei dem Kranken befindende Prediger nicht dagegen zu
setzen ; nur ist diese Erklärung des Kranken, dass er zur katholischen
Religion übergehen wolle, blos in dem Fall anzunehmen, wenn der
Kranke bei gesundem Verstand, und wenn sie in Gegenwart des
evangelischen Predigers geschehen ist.
§ 5. Trifft ein evangelischer Prediger mit einem katholischen
Geistlichen bei einem evangelischen Kranken zusammen, so muss
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jener diesem, nach den bestehenden allerhöchsten Toleranz-Ver-
ordnungen, mit aller Freundschaft, Anständigkeit und Bescheidenheit
begegnen und ihm gestatten, dem Kranken seinen Beistand zu bieten.
§ 6. Sollte der katholische Geistliche, gegen erst erwähnte aller-
höchste Toleranz-Verordnungen, seine Besuche mehr als einmal dem
Kranken aufdringen, so hat der evangelische Prediger ihn mit Sanft-
muth und Güte hierauf zu verweisen und, wenn jene Vorstellung
nichts hilft, eine solche Zudringlichkeit bei der Behörde anzuzeigen.
XIII. Abtheilung.
Von den Freydhöfefi.
§ I . Will eine evangelische Gemeinde auf ihre eigene Unkosten
einen Freydhof haben und erhalten, so stehet es in ihrem Belieben,
wenn nicht, so werden auch die Evangelischen auf die gemein-
schaftliche katholische Freydhöfe begraben.
§ 2. Kein katholischer Pfarrer darf sich unterfangen, einem
Evangelischen das Begräbniss auf einem katholischen Freydhof zu
versagen.
§ 5. Epitaphien zu errichten wird, wo es der Raum erlaubt,
jedermann gestattet, jedoch nur auf den Freydhöfen, und nie in
den Bethäusem oder Kirchen.
XIV. Abtheilung.
Von den Parochialrechten bei Begräbfiissen,
§ I . Nur der jedesmalige Prediger bei einer Gemeinde hat das
Recht, ein aus seiner Gemeinde verstorbenes Mitglied zu Grab zu
begleiten und sein Amt dabei zu verrichten.
§ 2. Diese Begleitung kann und darf öffentlich geschehen, und
es steht dem Prediger frei, entweder in dem Leichenhaus oder auf
katholischen Freydhöfen seine Gebete zu verrichten- und eine kurze
Anrede zu halten.
§ 3. Wo eine evangelische Gemeinde einen eigentlichen Freydhof
hat, kann entweder da, oder in dem Bethaus oder Kirche, und auch
da, wo nur gemeinschaftliche Freydhöfe bestehen, auf eigenes An-
begehren der Hinterlassenen eine förmliche Leichenrede, doch ohne
die hier und da noch übliche Ablesung des oft übertrieben gerühmten
Lebenslaufes des Verstorbenen, gegen eine anständige, verhältniss-
mässige Erkenntlichkeit an den Prediger gehalten werden.
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§ 4- Stirbt ein Katholischer an einem Ort, wo nur ein cvan-
geUscher Freydhof ist, so hat der evangelische Prediger solches
dem nächstgelegenen katholischen Pfarrer anzuzeigen, wo dann der
Todte entweder in Begleitung dieses, oder wenn dieser nicht zur
Beerdigung erschiene, von dem evangelischen Prediger begleitet,
allerdings auf den evangelischen Freydhof zu begraben ist.
§ 5. Will der katholische Pfarrer den Leichnam eines ver-
storbenen Protestanten in Gesellschaft des evangelischen Predigers
mit zu Grab begleiten helfen, so ist ihm solches ohne Anstand
erlaubt.
§ 6. Die Leichname der Protestanten können in Begleitung
ihrer Schulen mit Gesang und, wo Glocken erlaubt sind, mit Klang
zu Grabe gebracht werden.
§ 9. Mehrerer Ordnung wegen ist ein jeder Prediger gehalten,
die in seinem Gemeindebezirk Verstorbene, insoweit es ihm möglich
ist, in die eigene Todtenregister einzutragen.
§ IG. Da die Stolgebühren auch bei Leichen, insolange nicht
etwas anderes anbefohlen wird, an den Parochum ordinarium bezahlt
werden müssen, so hat der Prediger auch für die Begleitung einer
Leiche nichts zu fordern, hingegen sind auch alle katholische P&rreien
verpflichtet, wenn bei protestantischen Leichen für Geläut und Fackeln
die vorgeschriebene Tax bezahlt wird, alles auf das Genaueste zu leisten.
XV. Abtheilung.
Von den Wittwen und Waisen der Prediger, Schullehrer und
Kirchendiener,
§ I. Die Wittwen der Prediger gemessen von dieser ihrem
Sterbetag an, ein ganzes Jahr hindurch die Hälfte der festgesetzten
Besoldung und aller übrigen Vortheile, wofern sie unter dieser Zeit
nicht heirathen ; was aber die Wohnung betrifft, so haben sie solche
nur ein halbes Jahr zu geniessen , doch müssen sie dem neuen
Prediger oder Vicarius ein Zimmer einräumen; sollten sie aber
selbst so enge wohnen, dass sie keines abtreten können, so muss
die Gemeinde bis nach Verlauf des halben Jahres wegen Unter-
kommen des neuen Predigers die nöthigen Vorkehrungen machen.
§ 2. Nach dem Verfluss des Gnadenjahres hat eine Predigers-
Wittwe, so lange sie Wittwe bleibt und ihren Wohnsitz nicht ver-
ändert, von dem nächstfolgenden Prediger jährlich den zwölften
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Theil von seinem bestimmten Gehalt zu geniessen. In Ansehung
der Wohnung aber muss ihr die Gemeinde, wenn im Predigerhausc
nicht Raum übrig wäre, oder ihr ausser demselben keine ander-
weitige Wohnung angewiesen werden kann, in Hauptstädten acht,
in Provinzialstädten sechs, auf dem Land vier Procent nach Ver-
hältniss des Predigergehalts statt eines Quartiergeldes abreichen.
§ 7. Kann eine Wittwe eines ärgerlichen, Übeln Lebenswandels
überführt werden, oder trennte sie sich von der Kirchen-Gesellschaft,
so verliert sie alle Vortheile, die sie als Wittwe genossen und solche
fallen, wenn keine Kinder da sind, dem Prediger und der Gemeinde
zurück. Im Fall aber Kinder da sind, so werden die Gnadengelder
den Vormündern derselben abgereicht, die für die zweckmässige
Verwendung zu sorgen haben.
XVI. Abtheilung.
Voll den Gemeinden,
Articulus Ic Von den Gemeinden und ihren Rechten überhaupt.
§ I. Eine bestehende evangelische Kirchengemeinde wird zufolge
der Toleranzgesetze als eine öffentliche Gesellschaft angesehen, welche
sich aller durch dieselbe zugesicherten Rechte und Vorzüge zu er-
freuen hat.
§ 2. Will irgendwo eine evangelische Kirchengemeinde zusammen-
treten, sich Bethäuser bauen und Prediger halten, so muss sie sich
an die Landesstelle wenden, und sich übrigens in Ansehung der
Zahl ihrer Familien oder Mitglieder an die Toleranzgesetze halten
oder hierüber die Dispensation von dem Landesfürsten einholen.
§ 4. Alle protestantischen Kirchengemeinden stehen im Ganzen
genommen und eigentlich in publico-ecclesiasticis unter ihren eigenen
Landesstellen, nur in liturgicis und dem was eigentlich zur Seel-
sorge und zur Aufsicht über das Lehramt ihrer Prediger gehöret,
unterliegen sie den Consistorien und ihren Superintendenten.
§ 6. Die Gemeinden haben allein das Recht, sich ihre Prediger
und Schullehrer zu wählen, wenn sie solche dotiren, und darf ihnen
wider ihren Willen keiner aufgedrungen werden.
Articulns II. Von einigen vorzüglichen Rechten und Verbindlichkeiten der protestan-
tischen Gemeindeglieder.
§ I. Jeder evangelische Unterthan, wenn er sich gleich noch
nicht zu dieser oder jener Gemeinde hält und da eingeschrieben
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worden, ist als ein Mitglied der ihm zunächst gelegenen Kirchen-
gemeinde anzusehen.
§ 3. Alle Glieder einer Kirchengemeinde sind verbunden, ihren
Superintendenten, Senioren und Predigern mit Achtung und Liebe
zu begegnen, den Vorstehern in den ihnen zukommenden Amts-
pflichten nicht entgegen zu arbeiten und, .so lange nicht ein eigener
hinlänglicher Kirchenfond vorhanden ist, alle zur Erhaltung der Kirchen
oder Bethäuser, zur Besoldung der Prediger und des übrigen Kirchen-
personals nöthige Beiträge willig und nach Vermögen zu entrichten.
§ 6. Jedes Mitglied einer protestantischen Gemeinde ist ver-
bunden vermöge der bestehenden Toleranz- Verordnungen die Stol-
gebühren,, so lange der Landesfiirst hierinnen nicht etwas anderes
verordnet, dem parocho ordinario zu entrichten.
§ 7. Da jede Gemeinde verbunden ist, für das Wohl ihrer
Kirche oder ihres Bethauses zu wachen, so muss sie zu dem Ende
eigene Vorsteher aus ihrem Mittel erwählen.
§ 8. Bei Begegnung des Hochwürdigen haben die Evangelischen
mit abgezogenem Hut stehen zu bleiben, oder vorüber zu gehen
oder sich zu entfernen; hingegen muss sie auch jede weltliche
^Obrigkeit, wenn sie diese Vorschrift befolgen, gegen alle Insultirung
des Pöbels sichern und schützen.
§ 9. Alle Glieder der protestantischen Gemeinden haben sich
von allen Schmähungen und Thätlichkeiten, aller Verachtung und
Verspottung einer anderen Religion, aller Vergreifung an Kirchen-
bildem oder andern zur Religion gehörigen äusserlichen Sachen zu
enthalten, widrigenfalls sie nicht wegen der Religion, sondern als
Störer der öffentlichen Ruhe die schwerste Strafe zu erwarten haben.
§ IG. Die protestantischen Gemeinden können ihre Kirchen oder
Bethäuser, wenn sie nur vorschriftsmässig gebauet werden, bauen
wohin und wie sie wollen, zumal wenn sie den Platz dazu selbst
erkauft oder wenn er ihnen verehret worden wäre, und ihren Gottes-
dienst ungestört halten.
§ 12. Die Protestanten haben sich von allem Anlass zu hart-
näckigen und beissenden Religions-Streitigkeiten zu enthalten, ihren
katholischen Mitbrüdern mit aller Verträglichkeit, Liebe und Sanft-
muth zu begegnen und überhaupt alle in den Toleranz-Verordnun-
gen und in gegenwärtiger Kirchenordnung vorgeschriebene Pflichten
auf das genaueste zu beobachten^ sowie sie sich hingegen auch aller
Jahrbuch des Protcatantiamus 1887. H. III. 2^ '
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146
in jenen und in dieser bei einzelnen Fällen erwähnten und ein-
geräumten Vorrechten und Freiheiten ungekränkt zu erfreuen haben.
Articulus IIL Von den Kirchenvorstehem, ihren Rechten und Verbindlichkeiten.
§ I. Kirchenvorsteher haben für das Beste der Kirche zu
wachen und zu sorgen, deren Rechte zu vertreten, die erlangten
Freiheiten aufrecht zu erhalten, ihr allen erlaubten Vortheil und
Nutzen zu verschaffen, das Erworbene gut anzuwenden und treulich
zu verwalten, und unterliegen daher im Ganzen genommen allen
den Pflichten, die man von treuen Haushältem und rechtschaffenen
Vormündern fordern kann ; auch müssen sie wie diese fiir den durch
eigenes Verschulden der Gemeinde zugezogenen Schaden haften.
§ 3. Auch die jedesmaligen Prediger einer Gemeinde nehmen
an der Verwaltung der Kirchengeschäfte Antheil.
§ 5. Die bei einer Gemeinde vorkommende mehr oder minder
wichtige Geschäfte müssen die Anzahl der Vorsteher bestimmen,
doch ist es allemal hinlänglich, wenn höchstens siebene oder funfe
genommen werden, aber weniger als drei dürfen auch nicht sein.
§ 8. Sollte eine Gemeinde mit einem oder dem andern Vorsteher
aus gegründeten Ursachen unzufrieden sein, so hat sie das Recht,
auf die Wahl eines andern zu dringen, sowie auch das Consistorium
in solchem Fall auf die obrigkeitliche Absetzung eines solchen un-
würdigen Vorstehers antragen kann. Und sollte sich der Fall ereignen,
dass, da die Vorsteher ihr Amt unentgeltlich verrichten müssen,
sich Niemand dazu verstehen möchte, so hat der Superintendent,
sobald ihm ein solcher Fall von dem Prediger bekannt gemacht
wird, oder er ihn bei der Visitation vorfindet, solches sogleich seinem
Consistorium anzuzeigen, welches sodann die Behörde anzusuchen
hat, damit die weltliche Obrigkeit einigen Mitgliedern aus solcher
Gemeinde das Vorsteheramt ex officio auftragen möge, welches so-
dann keiner von sich ablehnen kann und darf, er müsste denn die
nämlichen Gründe für sich haben, die Jemanden von der Annahme
einer ihm gerichtlich aufgetragenen Vormundschaft entheben.
§ 15. Bei erledigten Predigerstellen schlagen die Vorsteher der
Gemeinde die Candidaten zur neuen Wahl vor.
(Schluss folgt.)
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VIL
M i s c e 1 1 a n e a.
I. Aus Eibenschitz.
In Eibenschitz, wo ehemals die Hochschule der Mährischen
Brüder bestand, befinden sich nur noch zwei Gebäude, die an jene
Zeit erinnern. Das erste, welches zur Brüderschule gehört zu haben
scheint, ist jetzt eine Brantweinbrennerei, im Besitze eines Israeliten.
Noch vor wenigen Jahren soll daselbst eine Glocke aus der Brüder-
zeit gestanden haben, die von dem Dechant gekauft und in der auf
einem nahen Berge neu erbauten katholischen Kirche aufgehängt
wurde. — Das zweite Haus (in der Nähe des vorgenannten) ist jetzt
der , Gasthof zur Weintraube* und steht am Ende der Grundlgasse,
wo die Strasse nach Kromau und Znaim aus Eibenschitz hinausfuhrt.
Ueber der Eingangsthür ist noch heute das Distichon zu lesen :
Exilium tellus, mors janua, patria coelum,
Omnia praetereunt praeter amare Deum.
Anno Domini MDCXV.
d. h. Die Erde ist ein Exil, der Tod die Eingangsthür, der Himmel
das Vaterland ; Alles vergeht, nur nicht die Liebe zu Gott. Im Jahre
des HErrn 1615. — Diejenigen Personen aus Eibenschitz, welche
sich in der Toleranzzeit zur evangelischen Kirche meldeten, wurden
der Gemeinde Brunn zugewiesen. Dr. Trautenberger.
2. Verfahren der Kaiserin Maria Theresia gegen die Protestanten.
Es ist bekannt, dass die grosse Kaiserin Maria Theresia gegen
die Protestanten härter verfuhr als ihr Vater Kaiser Carl VI. und
hebt dieses Moment ihr Biograph Ritter v. Ameth in seiner Geschichte
Maria Theresia's hervor. Man würde jedoch irren, wenn man glauben
wollte, dass niemand es gewagt hätte, ihr darüber Vorstellungen zu
machen. Als Beweis dessen heben wir einen Passus aus einer
Denkschrift des Hofkammerpräsidenten Grafen von Salaburg vom
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19. Jänner 1748 hervor, welqher lautet: ,Der ehemalige so viele Vor-
sprecher gefundene Conventus publicus ist sehr theuer und dem
Erzhause und den angrenzenden Erblanden noch theurer zu stehen
gekommen. Mehrere malen habe den damaligen Obristkanzler dar-
über klagen gehört, und hätte der höchstselige Kaiser länger gelebt,
so würde vermutlich sowohl hierunter als in jenen Stücken, wo der
Religionseifer zu weit getrieben worden, Rat geschaffen, mithin
das schöne Land (Schlesien) erhalten worden sein.* — Salaburg
meinte daher, dass es Friedrich IL gelungen war einen Theil Schlesiens
zu erobern, weil man gegen die Protestanten zu hart verfuhr. Dass
diese Vorstellung nichts fruchtete, ist allerdings auch richtig. (Vgl.
Arneth und unser: Die Protestanten in Oesterreich unter der
Kaiserin Maria Theresia.) Erst am Ende ihres Lebens wurde die
Kaiserin toleranter. Sie ernannte den Freiherrn von Bruckenthal,
einen Protestanten, zum Generalcommissär, d. h. zum Statthalter
von Siebenbürgen. G, Wolf,
3. Zwei Berichte Tobias Kiessling's aus Oesterreich 1782.
Johann Tobias Kiessling (vgl. Jahrbuch IL J7\ der um
die Evangelischen in Oesterreich (an welchem er, weil es ihn an
irdischem Gut zwar arm [18 12], aber an geistlichen Freuden reich
gemacht hatte, mit ganzem Herzen hing) hochverdiente Nürnberger
Kaufmann, hat an die Deutsche Christenthums-Gesellschaft in Basel,
deren Mitbegründer er war, 1782 zwei Reiseberichte aus Steiernnark
und Oberösterreich gesendet, welche durch ihren merkwürdigen
Inhalt, die nachstehende Reproduction rechtfertigen. *)
I. — »Zu Graz hörte ich auf dem Fastenmarkt, dass auf das
kaiserl. Toleranzedikt zu Kärnthen, Steiermark und an den Salz-
burgischen Grenzen sich zu Hunderten Protestanten fanden, die nach
Lehrern und Kirchen seufzten. Der Papst reiste eben durch und
ich merkte, dass durch seine Gegenwart Viele in der Unzufrieden-
heit über die Toleranz bestärkt wurden. Oft seufzten sie über ihre
Umstände und es kam ihnen ganz unvermuthet, als nach langem
Druck das kaiserl. Edikt von den Kanzeln gelesen wurde. Da war
es ihnen, wie den Träumenden ; sie konnten die Zeit der Erquickung
1) Dieselben finden sich versteckt im Anhang eum I. Bande von A. Sarasin's
Biographie Christ. Friedr. Spittler's, S. 426—28.
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kaum glauben und wurden voll Lobens und Dankens. Sogleich er-
klärten sich Tausende als Protestanten und erbauten sich zu Hunderten
gemeinschaftlich. Da sie jedoch weder Lehrer noch Kirchen hatten,
so bediente sich Gott eines Bauemknechtes, um bei dem Kaiser
dieses auszuwirken. Es wusste sich derselbe einen Pass zu verschaffen,
mit welchem er in Begleitung von 12 andern Bauern durch alle
nöthigen Instanzen hindurch bis zu seiner kaiserl. Majestät selbst
gelangte. Zuerst dankten sie ihm demüthigst für das Toleranzedikt
und baten zugleich um Lehrer und Kirchen. Der Kaiser war ausser*
ordentlich herablassend. Er sprach: »Kinder, wo kommt Ihr her?
Ihr seid ja meine österreichischen Unterthanen, sind denn Euer so
Viele?* Ja, in die Tausende. , Ist's wahr? Nun, ich will Alles
untersuchen und Euch Lehrer aus Teschen und Ungarn geben.
Geweihte Kirchen kann ich Euch keine überlassen, die möget Ihr
selbst bauen/ Bald nachher Hessen drei Landräthe alle Leute rufen,
die sich für lutherisch erklären wollten und brachten in wenig
Tagen über 10.000 Seelen zusammen. Doch kam Befehl, dass Jeder
sich vom katholischen Geistlichen müsse examiniren, seine Beweg-
gründe protokolliren lassen und sich schriftlich für evangelisch er-
klären. Da gab es freilich manche heisse Stunde, denn jede ein-
zelne Seele musste oft stundenlang ganz allein vor den Richtern,
Geistlichen und Scribenten sich hinstellen und auf Fragen Red' und
Antwort geben, die sie nie gehört hatten. Erleuchtete Personen,
welche die Bibel in Mund und Herz hatten, machten zwar
den Gerichten viel zu schaffen; an Allen aber bewies sich das
Wort: ,Es soll ihnen zur Stunde gegeben werden*. Bald erwarten
sie ihren Prediger aus Teschen, der seinen Einstand vor mehr denn
20.000 Seelen im Freien halten wird. Welche Wunder und Thaten
Gottes in unseren Tagen! Ich fühle mich beschämt vor ihnen, die
oft in der Nacht mit Lebensgefahr die Bibel durchforschten, wäh-
rend ich 's bei Gewissensfreiheit in ruhigen Stunden unterliess.*
II. — »Die Bauern um Linz haben nun wirklich ein Bethaus
zu bauen angefangen. Sie beherbergten mich bequem und holten
mich zu ihrer Andacht ab. Mein Herz zerschmolz, als ich dies
hölzerne Gebäude mitten im Thale und Waldung von Balken auf-
geführt noch unbedeckt erblickte. Ach, dachte ich, ist das das
Haus, das der HErr mitten unter seinen Feinden erbauet, wornach
seit mehr denn 1 00 Jahren schon so viele Tausende geseufzt haben?
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Ungeachtet Alles voll Steinen, Brettern uncf Balken lag, so versam-
melte sich am Sonntag nach Trinitatis eine grosse Menge Bauern-
volk, die bei damaligem Regen doch mehrere Stunden weit herkamen,
auf die Balken oben aufstiegen und sich unten zusammenfügten.
Sie sangen ganz harmonisch das Lied : O Herre Gott, dein göttlich
Wort. Ein Bauer, der älteste Vorsteher, stieg, weil Prediger Tülisch
[Thielisch] noch nicht angekommen war, auf die Kanzel, ermahnte
zuerst zur Dankbarkeit fiir die erlangte Freiheit, las die Kirchen-
gebete und eine Predigt von Heinrich Müller deutlich vor. Zum
Schluss wurde wieder gebetet und gesungen: Was Gott thut, das
ist wohlgethan. Es regierte eine heilige Stille. Ich legte 25 fl. in
den Klingelsack von der Gesellschaft mit der Ueberschrift : Von
wem. Das Geschenk wirkte grosse Liebe und Dank gegen die
Wohlthäter. Sie konnten nicht begreifen, dass fremde Personen sich
ihrer annehmen. Ich war ganz entzückt unter diesen lieben Leutlein,
die mich Alle umringten und mir ihre Freude mittheilten an der
erschienenen Hilfe. Ja, ich könnte Bogen voll schreiben, wenn ich
erzählen wollte von den Besuchen dieser treuherzigen Schäflein,
welche sie mir auf dem Markt und in meiner Bude abstatteten und
wie da oft unsere Herzen in himmlischer Freude zusammenflössen.
Ich finde viel mehr hier, als ich erzählen kann. Zwar sind sie noch
ziemlich bedrängt und müssen oft hören, dass das Gebäude in
Flammen aufgehen werde. Man erkennt eben die göttliche Kraft
des Wortes an diesen Seelen, die noch vor einigen Jahren in Ketten
und Banden lagen und jetzt getreu an Jesu halten und von seiner
Verheissung leben. Die Zahl der protestantischen Seelen in den
Dörfern um Efferding beläuft sich jetzt über 3500.* G, Frank.
4. Statistisches aus Wien.
Nach dem , Statistischen Jahrbuch* der Stadt Wien für 1885
fanden in Wien 6571 Eheschliessungen (darunter 6^ Civilehen) und 175
Ehescheidungen statt. Aus der römisch-katholischen Kirche schieden
342 Personen, von welchen 117 zum Protestantismus und 37 zum
Judenthum übertraten, 188 aber sich confessionslos erklärten. Das
Judenthum verliessen 232 Personen, von denen 129 zum Katholi-
cismus, 26 zum Protestantismus, i zum Baptismus übertraten und
^6 confessionslos wurden. O,
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VIII.
Bericht des Central- Vorstandes über das Vereins-
jahr 1886.
In der Versammlung des Cent ralvorstan des am 13. Mai 1887
berichtete der Präsident Dr. Karl Ritter von Otto, dass der Stand
unserer Gesellschaft wesentlich dem vorjährigen entspreche; es sei
sehr zu wünschen, dass die Gesellschaft um ihres hochwichtigen
Zweckes willen eine erfreulichere Theilnahme finde.
Der Schatzmeister Dr. Karl Ritter von Sääf erstattete den
Cassabericht über das abgelaufene Vereinsjahr unter gleichzeitiger
Vorlage der Belege.
I. Einnahmen.
A. Saldo vom Jahre 1885 142 1 fl. 40 kr.
B. Gründerbeiträge:
a) Von der Gemeinde Görkau-Roten-
haus • . 40 fl.
b) von Sr. Durchlaucht Prinz Wilhelm
Schaumburg-Lippe 50 , 90 , — ,
C. Eingegangene Mitgliederbeiträge:
träge ä 5 fl. = 60 fl.
ä 3 , = 12 ,
äs, = 17s ,
ä 3 , = 36 ,
äs* = 445 *
ä 3 , = 33 »
äs, = 10 ,
I Beitrag ä 3 , = 3 >
D. An Interessen von den Einlagen bei der Allge-
meinen Depositenbank, Buch Nr. 21047 und
26696
pro 1884: 12 Bei
4
pro 1885: 35
12
pro 1886-' 89
II
pro 1887: 2
774
38
Gesammteinnahme . 2323 fl. 44 kr.
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152 -
n. Ausgaben.
A. Druckkosten der vier Hefte des , Jahrbuches*
Jahrg. 1886 417 fl. 10 kr.
B. Honorare an die Mitarbeiter am , Jahrbuch* 242 , — ,
C. Diverse:
a) Schreibereien und Aufbewahrung des Mobi-
liarvermögens der Gesellschaft für die Zeit
vom I. October 1885 bis i. October i886 60 , —
b) Steuer gezahlt 1886 bis 1890 5 » 25
c) Eincassiren der Mitgliederbeiträge .... 22 , —
d) Bücheranschaffungen 17^^80
e) Uebersiedelung, Porti, Stempel u. s. w. . . 21 , 56
Gesammtausgabe . 785 fl. 71 kr.
Stellt man den Einnahmen per 2323 fl. 44 kr.
gegenüber die Ausgaben , 785 , 71 ,
so ergibt sich Ende December 1886
ein Rest von 1537 fl. 73 kr.
Hievon waren am 31. December 1886 bei der All-
gemeinen Depositenbank laut
Einlagebuch Nr. 21047 285 fl. 36 kr,
, 26696 919 . 46 ,
und in Händen des Rechnungslegers 332 , 91 ,
Zusammen . 1537 fl. 73 kr.
Dem Schatzmeister wurde das Absolutorium ertheilt und für
seine Mühewaltung der gebührende Dank ausgesprochen.
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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in O esterreich", welches unter der Redaction des Präsidentei^
(Dr. Karl Ritter von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. .-///>^. Witz wneLT^T. Theodor
Haase) und des Sbcretärs der Gesellschaft (Lic. Dr. Gustav Trautest berger) in viertel-
jährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original- Artikeln, in Referaten, in
Mittheilung von Urkunden, in Besprechungen und Notizen Alles, was sich auf die
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht.
Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit Freude begrüsst und von
'ler Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden.
Hier einige Worte aus Recensionen':
„Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb-
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf
man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheissungsvollen Anfang theilneh*
raend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang imter Gottes Segen getrost
in Aussicht stellen."
„Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das
Jahrbuch seinen Wieg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und
ausser Oesterrcich femer durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen."
,Wie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeit und
Verschiedenheit des Inhalts den gehegten Erwartungen."
neologisches Utteraturblatt (Leipzig) j88i. Nr. 20 u. jj. i88j. Nr, jj.
„. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nachrichten über
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir
wünschen unsern österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang und
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische
.Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 fl. jährlich leisten, unterstützende Mit-
glieder solche, welche wenigstens 56. jährlich, oder als Gründer einen einmaligen
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen."
Neue Evangelische Kirchenzeilung (Berlin) iSSi. Nr. 22.
„. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten Doppel-
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum Theil höchst
interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen dem so glücklich
begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fortgang.
Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins unter
den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen!"
(Prof. Dr. Lipsius) Theologische Literaturseitung (Leipzig) 1881. Nr, ij.
Das Jahrbuch „für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem
Werth und Interesse, aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen" u. s. w.
Theologischer Litter atur- Bericht (Gütersloh) 1883. Nr. 8.
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redaction
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir . . . nur wieder-
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan-
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Prote-
stafttismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per-
sönliches und Allgemeines" u, s. w.
(Prof. Dr. Messner) Nn^e Evaiii:;elische Kijchenzeitung (Berlin) iSSj. Nr. ^o.
^Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein trefifliches
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoU sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen*^ u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Detitsche Zeitungy Wien i88j. Nr. 410J.
„. . . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations-historischer Forschung auf
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen."
(Prof. Dr. Zöckler) Evangelische Kirchenzeitung (Greifsw.) iSSj. Nr. 48.
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wissen-
schaftliche Gesellschaft tmserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
und nach jeder Richtung hin zu fördern."
Evangelische Kirch enveitwig für Oesterreich (Bielitz) 1884. Nr. /.
5. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben** u. s. w.
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift aus der Schweiz {Zürich) l886. H. I. S. 61.
„Mit Freude begrüssen wir diese weiteren Jahrgänge der verdienstvollen Zeit-
schrift" u. s. w.
(Prof. S. G.) Theologischer Litteraturhericht (Gütersloh) 1887. Nr. 4.
Zur Nachricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnau bei Kulmbach in
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Centralvor-
stande unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften :
„Geh nur davon, |{ Sey fromm für mir, || Gib Armen hier, || Ich bin dein Lohn.*
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf I. Mos. 12:
„Geh aus deinem Vaterland, imd lass deiner Freundschaft Band«
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm,
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild,
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron/
Der Central vorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, ' welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) a l fl
zu haben ist.
Druck voQ Wilhelm Köhler. Wien, VI. MoUardffUM 41.
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JAHRBUCH
der
Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus
in Oesterreich.
Achter Jahrgang.
IV. Heft.
October — December 1887.
— ^Xg«-
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt.
1887.
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Inhalt von Heft IV.
Seite
9. Josephina. (Zum Toleranzpatent. — Deisten.) Von G. IVolJ 153
10. Die erste evangelische Kirchen Verfassung in Ocsterreich. Von OKR. Dr.
Gustav Frank. (Schluss) 175
11. Sechstes Verzeichniss der Geschenke für die Bibliothek und das Archiv
der Gesellschaft 190
12. Namenregister 192
Zur Beachtung.
Wir ersuchen unsere Mitglieder, in ihren Kreisen für die Verbreitung der
Gesellschaft thätig zu sein, und stellen zu diesem Behufe Exemplare der Statuten
in gewünschter Anzahl zur Verfügung.
Laut Beschlusses des Central Vorstandes in seiner Sitzung am 27. Februar 1884
erhalten die Mitarbeiter am „Jahrbuch", vom fünften Jahrgang (1884) an, nach Erscheinen
des betreffenden Jahrgangs als Honorar pro Druckbogen sechzehn Gulden ö. W.
Den Mitarbeitern werden sechs Gratis - Separatabzüge ihrer Arbeiten nach
Erscheinen des betreffenden Heftes von der Köhler'schen Buchdruckerei franco zugesendet.
Eine grössere Anzahl von Separatabzügen kann nur nach rechtzeitiger Verständigung
der Herren Verfasser mit der genannten Buchdruckerei (Wien, VI. Mollardgasse 41)
gegen Erstattung der Druckkosten gemacht werden.
Die noch rückständigen Beiträge bitten wir an unsem Cassier, Herrn Hof-
und Gerich ts-Advocat Dr. Carl Ritter von Sääf (Wien, I. Ballgasse 6), ehebaldigst
einzusenden.
Für das „Jahrbuch" bestimmte Arbeiten, sowie Zuschriften an die Gesellschaft
sind ,An das Bureau der Gesellschaft, Wien, I. Dorotheergasse x6' zu richten.
Der Centralvorstand
der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus
in Oesterreich.
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IX.
Josephina.
(Zum Toleranzpatente. — Deisten.)
Von G. WOLF.
Wie man auch heute über die Toleranzpatente Josef II. denken
mag, und Jeder, der einen Rechtsstaat verlangt, kann doch un-
möglich wünschen, dass Jemand wegen seines Glaubensbekenntnisses
irgendwie zurückgesetzt oder gar beschwert und bedrückt werde;
zur Zeit, als Josef II. sie ertheilte, waren sie eine That, die ruhm-
reich genannt zu werden verdient. Wie sich auch die Verhältnisse
seit jener Zeit verändert haben, Protestanten und Juden bewahren
dem , Schätzer der,Menschheit* ein dankbares Andenken und werden
es ihm wohl auch für alle Zeit bewahren.
Eigenthümlich genug jedoch ist Folgendes: das Toleranzpatent
für die Juden trat geräuschlos in's Leben. Nach aussen hin, bei der
Bevölkerung, in deren Mitte sie lebten, ging es, soweit uns bekannt
ist und Quellen dafür vorhanden sind, spurlos vorüber. Da und dort
hatte sich unter den Juden selbst gegen die eine oder die andere
Massnahme Opposition erhoben, die jedoch bald zum Schweigen ge-
bracht wurde. So baten die Rabbiner von Brody etc. die Rabbinats-
gerichte, welche in Civilstreitigkeiten zwischen Juden und Juden als
erste Instanz, wenn sie angerufen wurden, entscheiden konnten, die
sich jedoch damals bereits überlebt hatten und nur noch da und
dort functionirten, die der Kaiser 1783 aufhob, wieder einzuführen.
Im Ganzen und Grossen jedoch ging die Angelegenheit ohne alle
Störung vor sich. Anders war dies in Betreff des Toleranzpatentes
für die Protestanten. Da wurden die Massen aufgewühlt, da kam es
gar oft zu argen Störungen u. s. w. Die Ursachen dieser Erscheinung
sind leicht zu finden. Die Juden lebten so ziemlich abseits von dem
Strome des Lebens. Mit Ausnahme etwa in Wien, wo der sociale
Jahrbuch des Prottsiantismus 1887. H, IV. |2
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154
Verkehr zwischen Juden und Christen ein freundlicher und freund-
schaftlicher schon zu den Zeiten Maria Theresia's war, so dass Car-
dinal Migazzi, der Erzbischof von Wien, Anträge stellte, diesen Verkehr
zu unterbinden (vergl. unsere Geschichte der Juden in Wien S. jG\,
worauf jedoch die Hofkanzlei nicht eingehen wollte, lebten die Juden
getrennt und geschieden von der Gesellschaft. Die ausdrückliche
Gewährung, sowohl die niederen wie die höheren Schulen zu be-
suchen, welche bis dahin übrigens nicht verboten war, sowie die
Gestattung, Handwerke betreiben zu dürfen, konnten um so gleich-
giltiger lassen, da die Juden nicht sofort die Lehrsäle füllten. Sie
hatten im Gegentheile anfänglich Vorurtheile gegen das allgemeine
Studium, da befürchtet wurde, dass die Jugend dadurch vom Glauben
der Väter abwendig gemacht werden könnte, und ebensowenig
widmeten sie sich sofort dem Handwerke. Und selbst wenn dieses
der Fall gewesen wäre, so hätte dieses auch weiter keine Folgen
gehabt, da sich die Concurrenz nicht sofort hätte geltend machen
können, da es doch immer einiger Jahre bedurfte, bis Juden Aerzte
oder Advocaten oder als Meister sich hätten etabliren können. Und
täuschen wir uns nicht, hier ist das punctum saliens, die Furcht vor der
Concurrenz oder die Beseitigung der Concurrenz, diese hat die , Schmach
des 19. Jahrhunderts*, den Antisemitismus, wie ihn der Kronprinz
des Deutschen Reiches bezeichnete, erzeugt und sie erhält ihn *).
Durch das Toleranzpatent, welches Kaiser Josef den Juden ver-
lieh, wurde daher das Verhältniss zwischen Christen und Juden wenig
oder nicht geändert und es war mehr eine interne Angelegenheit
der Juden. Anders lagen die Verhältnisse bei den Protestanten.
Schon das Moment, dass Viele, die bis dahin nur heimlich Prote-
stanten waren, diesen Glauben nun auch öffentlich bekennen durften,
dass es ihnen gestattet wurde, wenn hundert Familien in einem Orte
oder Bezirke waren, eine Gemeinde zu bilden, eine Kirche zu haben
und einen Geistlichen zu bestellen, veränderte von Grund auf die
*) Als Beweis dessen mag dienen : Der Gesammtstatus der Advocatenkammer zu
Linz zählte 1886 84 Mitglieder und die Grazer Kammer 145 Mitglieder. In Ober-
österreich gibt es Summa Summarum 2 und in Steiermark 3 jüdische Concipienten,
und nichtsdestoweniger haben sich Advocaturs-Candidaten in Oberösterreich an die
Linzer und Advocaturs-Candidaten in Steiermark an die Grazer Advocatenkammer ge-
wendet und gebeten „um Wahrung des Ansehens des Standes", damit er nicht „ver
judet" werde.
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Dinge. Die gewährte Freiheit nach langem schweren Drucke be-
wirkte auch ein Uebergreifen von Seite der Protestanten und gaben
sich manche Hoffnungen hin, die keine Berechtigung hatten. So
glaubte man, der Kaiser wolle den Protestantismus auf Kosten
des Katholicismus bevorzugen, etc. Andererseits wieder erlitten die
katholischen Geistlichen materielle Einbusse, indem sie von den
Protestanten nicht mehr gewisse Gaben empfingen etc. Selbstver-
ständlich konnte dieses Moment nicht dazu beitragen, das Toleranz-
patent freundlicher anzusehen. Dass der katholische Clerus nicht
sofort die Macht und Gewalt, die ihm bis dahin über die Protestanten
eingeräumt war, aufgeben wollte, wird man ebenfalls begreiflich
finden. Es war also Zündstoff genug vorhanden, der von Zeit zu
Zelt sich Luft machte.
Wir wollen Einiges zur Illustration der angeführten Momente
hier mittheilen.
Am 27. November 1781 berichtete die böhmisch-österreichische
Hofkanzlei in einem allerunterthänigsten Vortrage, der Bischof von
Basel, der Sprengel im österreichischen Gebiete habe, verbiete nach
wie vor den Gläubigen die Bibel zu lesen und wolle die Büchercensur
üben, was umsoweniger zugelassen werden dürfe, da sonst die nütz-
lichsten Bücher verboten werden könnten, wie dies der römische
Index beweise, wo z. B. das fürtreffliche Werk des Grotü: De jure
belli et pacis in der schwarzen Tafel steht. Sollte sich der Bischof
widersetzen, so wären ihm die TempDralien zu sperren. Der Kaiser
genehmigte diesen Vortrag.
Am 22. December 1781 richtete der Kaiser folgendes Hand-
schreiben an den obersten Kanzler, Grafen IJlümegen:
,Ich habe von sicherer Hand vernommen, dass ein gewisser
Advocat Nagel aus Böhmen sich hier befinden solle, welcher öffent-
lich erzählt, dass in Böhmen in einem Ort ein Aufstand gewesen
sein solle, Religions wegen, bei welchem Geistliche und Beamte
misshandelt worden. Da Mir nun von diesem nichts bekannt ist;
so werden Sie ihn vorrufen lassen und erforschen, wo die Sache
geschehen und wie sie sich befinde? und sollte er es nicht be-
weisen können, so werden Sie von ihm fordern, dass er sage, wer
es ihm erzählt hat, damit Ich nachhero gegen Diejenigen, welche
solche Fabeln zur Welt bringen, die gehörige Ahndung zu ver-
anlassen im Stande gesetzt werde.*
12*
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15^_
Hierauf berichtete Graf Blümegen am folgenden Tage, am 23. De-
cember, der Advocat Nagel sei bereits abgereist. Er, Blümegen, Hess
jedoch die beiden Hofräthe v. Heincke und Margelik, die das geist-
liche Referat haben, zu sich kommen und diese überbrachten zwei
kürzlich eingelangte Berichte des böhmischen Guberniums. In den-
selben heisst es, dass im Chrudimer Kreise die Akatholiken nicht
nur verschiedene ärgerliche Reden gehalten, sondern auch durch
Verstümmelung einer Statue des heiligen Johannes sich sträflich ge-
macht. Ein gewisser Hlawka sagte, es werde eine Commission kommen
und dort, wo ein Katholischer wohnt, werde ein schwarzes K auf-
geschrieben und wenn darauf die zweite Commission erfolgen wird,
so werden da, wo ein schwarzes K stehet, alle Katholiken ent-
hauptet werden.
Es sei daher höchst nothwendig, fügte Blümegen hinzu, diesen
Ruhestörungen vorzubeugen, und werde ein Hauptgutachten folgen
Der Kaiser bemerkte zu diesem Berichte:
, Nicht änderst als höchst befremdlich habe Ich aus dieser
Ihrer Note die schreckbare Verfassung, in der sich die Ihnen unter-
gebene böhmische und österr. Hofkanzlei befindet, ersehen. Den
15. December ist ein Bericht hier angekommen, den 18. der andere
und den 23., nämlich heute, wussten Sie und Ich kein Wort davon,
auch würde Ich es vielleicht noch lange nicht erfahren haben,
wenn die allgemeinen Reden in den Caffeehäusern Mir endlich
diese Nachrichten nicht hätten zukommen machen. Es scheint,
daß man die Sache geflissentlich will in eine Verwirrung bringen*),
um sodann seinen Gesinnungen nachkommen zu können.
Sie werden Mir also für jetzo das Nötige heraufgeben und fiir
das Künftige eine solche Einleitung treffen, daß Sie von allen ein-
kommenden Berichten täglich die Nachricht und Ich sodann gleich
die Anzeige erhalte. Ueberhaupt aber darob sein, daß in solchen
Angelegenheiten sich nicht an den ordinären Schlendrian gehalten,
sondern auf die Erheblichkeit der Sache gesehen und Mir sodann
unverzüglich und zwar zu allen Stunden die Meldung davon ge-
macht werde.*
*) Wie bekannt, war die Hofkanzlei gegen die Erlassung des Toleranzpatentes
(vergl. unsere: Die Verhältnisse der Protestanten etc. in Raumer-Riehl's historischem
Taschenbuch, 5. Folge, 8. Jahrg., S. 160).
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_157 _
Noch am 23. December erstattete Blümegen Bericht. Er befür-
wortete, in einem Patente kund zu machen, wie sehr es der Kaiser
missfällig aufgenommen habe, dass man seine Gesinnungen miss-
deutet und sogar gegen die herrschende katholische Religion in
Lästerungen ausbricht. Derartige Schuldtragende sollen hart bestraft
werden. Da die Protestantischen ihre Glaubensgenossen aufsuchen,
weil sie streben, lOO Familien zusammen zu sein, damit sie ein Bet-
haus errichten können, so wäre es angemessen, Hausväter und Mütter
zu fragen, zu welcher Religion sie sich bekennen wollen, und soll
gestattet werden, diese Erklärung bis zum i. März 1782 abzugeben.
Nach diesem Termine aber soll der Uebertritt zur protestantischen
Religion verboten sein und derartige Proselyten mit Einziehung des
Vermögens, wie dies in Ungarn etc. der Fall ist, bestraft werden.
Schliesslich soll auch die Einschleppung protestantischer Bücher ver-
boten und die für Protestanten nöthigen Bücher im Inlande gedruckt
werden, wobei auch das Geld im Inlande bliebe.
Der Kaiser jedoch sprach sich gegen die Publicirung eines
Patentes aus, da die Unruhen nur an einigen wenigen Orten vor-
kamen. Man könnte dadurch nur zu etwaigen schädlichen Folgen
Anlass geben. Um die Unruhen in möglichster Stille zu dämpfen,
müssen die Behörden genau instruirt werden, was sie zu thun und
dem Volke zu befehlen haben, nämlich:
1. Sobald Unruhen ausbrechen, müssen die Akatholiken darauf
aufmerksam gemacht werden, dass sie sich genau nach dem Tole-
ranzpatente zu verhalten haben. Sie dürfen .sich daher weder in dem
einen und noch weniger in einem anderen Orte aufsuchen. Wer sich
zu einer anderen als zur katholischen Religion bekennen will, hat
dieses beim Magistrate oder dem Kreisamte, jedoch ohne Beiziehung
des Pfarrers, schriftlich zu melden. Das Kreisamt hat dem Gubernium
darüber Bericht zu erstatten und, wenn die nöthige Anzahl von
Familien vorhanden ist, so kann denselben ein Bethaus und ein
Geistlicher ihrer ReHgion gestattet werden.
2. So wie den Akatholischen ihr Gewissen und Glaube freige-
stellt wird, so dürfen sie auch nicht ihre katholischen Mitbürger,
Kheweiber oder Männer, Kinder oder Gesind zu ihrer Religion durch
Drohungen oder Verachtung zwingen oder anhalten.
3. Noch weniger dürfen sie Schmähungen oder Thätlichkeiten
ausüben und den Gottesdienst einer andern Religion schmähen oder
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158
sich gar an Kirchenbildern, Statuen etc. vergreifen, da sie sonst
nicht wegen des Glaubens, sondern als Störer der öffentlichen Ruhe
und weil sie selbst auf die ungerechteste Art Gewissenszwang aus-
üben wollen, schärfstens bestraft werden.
4, Sollen sie sich in Wirthshäusern etc. von allen Religions-
gesprächen, , insbesondere aber von Schmähungen enthalten, da sie
sonst unnachsichtlich gestraft werden.
5. So wie hingegen die katholischen Unterthanen ihren irrenden
Brüdern alle Liebe und Gewogenheit bezeigen mögen, sollen sie sich
ebenfalls von allen Streitigkeiten über den Glauben, folglich auch
umsomehr von Schmähungen und Thätlichkeiten unter eben solcher
Bestrafung enthalten.
Diese Anordnung haben sich die Gubernia etc. wohl vor Augen
zu halten und sie bei jeder sich ergebenden Gelegenheit den Unter-
thanen als einen höchsten landesfürstlichen Befehl, jedoch ohne allen
Zusatz oder Hinweglassung kund zu machen und die Dorfrichter
und Wirthshausinhaber darnach zu instruiren. Sie müssen aber dabei
1. keinen Hass oder Abneigung gegen jene Unterthanen zeigen,
die sich sonst ruhig verhalten und sich allein zu einer anderen Reli-
gion bekennen; noch weniger aber in Strafen wegen sonstiger Ver-
gehen hierwegen einen Unterschied machen, vielmehr ihnen mit
Sanftmuth und Liebe begegnen.
2. Wenn die akatholischen Unterthanen zusammenkommen, um
ihre Gebete zu verrichten oder zu lesen, und wxnn sie sich sonst
ruhig verhalten, soll man sie gar nicht stören, und dies noch weniger,
wenn solches zu der Stunde, wenn die Katholiken ihren Gottes-
dienst haben, geschieht.
3. Wenn wegen Thätlichkeiten, Schmähungen etc. eine Strafe
verhängt wird, ist den Verurtheilten allemal deutlich und klar zu
sagen, warum es geschehe und dass es keineswegs ihres Glaubens
wegen sei ; dabei ist auch genau zu beobachten , dass , wenn
zugleich Katholische den Anlass gegeben haben oder in derlei un-
ruhigen Betragen verflochten sind, sie ebenfalls unnachsichtlich
bestraft werden sollen.
Die Geistlichkeit hat sich von allen Controversien und Schmä-
hungen auf der Kanzel, bei der Christenlehre und im Umgang zu
enthalten, nur die Lehre Jesu Christi und der katholischen Kirche
auszulegen, ihre Gründlichkeit und Nutzbarkeit ohne Stichelei auf
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159
Glaubensgegner darzuthun, die Religion, die Sittenlehre mehr den
Menschen einzuprägen und anzuempfehlen als Gelehrsamkeit und
theologische Zwistigkeit dem sie nicht begreifenkönnenden Volke
auszukramen, als im widrigen sie der gehörigen Ahndung nicht
entgehen würden, welches ihr durch die Ordinarios und Landesstellen
zu bedeuten ist.
Von der Bestimmung eines termini praeclusivi zur Erklärung der
Unterthanen, zu was fiir einer Religion sie sich bekennen wollen, hat
es gänzlich abzukommen. Da man nur diejenigen, welche im Herzen
allezeit und in der That protestantisch waren, zu Hintanhaltung
der so schändlichen Heuchelei sich zu erklären gestattet, nicht
aber an das ganze Landvolk und sozusagen an Jedermann die
Frage zu machen scheine, ob er katholisch oder protestantisch
sein "wolle, welcher durch einen terminum praeclusivum entstünde.
Wegen der Bücher ist sich an die neuen vorgeschriebenen Censurs-
regeln und Vorschriften, so viel deren Einschleppung betrifft, in-
zwischen genau zu halten.
So viel den gegenwärtigen Fall insbesondere betrifft, da sind die
hier genannten Rädelsführer, die sich mit Reden oder Thätlichkeiten
vergangen haben, zuerst libero pede zu constituiren und wenn sie
ordentlich überwiesen sind, erst im Arrest zu behalten, auch die
gesammten Acten hieher zur weitern, fiir's Künftige zur Richt-
schnur dienenden Schlussfassung zu schicken.
Es soll getrachtet werden, dass es den Gemeinden, die sich
für den Akatholicismus erklären, an tüchtigen bescheidenen und
rechtschaffenen Geistlichen nicht gebreche und dass durch dieselben
der Sinn für die christliche Toleranz mit der gehörigen Bescheiden-
heit ebenfalls erklärt und wohl eingeprägt werden soll.
Uebrigens hat man in diesem Falle ersehen, dass die Verfassung
der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei wirklich vitios ist, und wird
also die Einleitung zu treffen sein, dass alltäglich vom Protocollo
exhibitorum alles was nur eingekommen, dem Oberist Kanzler der
kurze Elenchus überreicht werde, damit dieser täglich alles einsieht,
was bei der Stelle einkommt, um das wichtigere von dem weniger
wichtigeren zu unterscheiden, welches ihm allein das Mittel ver-
schafft, seine Stelle gehörig leiten zu können.
Ein ähnliches Handschreiben in Betreff Ungarns fanden wir in
Abschrift im Resolutionsbuche im Archive des Ministeriums des
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160
Innern. Es ist datirt 22. Juli 1782; es ist aber nicht angegeben.
an wen es gerichtet war; wir glauben es jedoch hier folgen zu lassen.
,Es ist Mir von Seite der ungarischen Kanzlei die Anzeige ge-
schehen, dass in dem Trentschiner Comitat mehrere Katholiken von
dem Glauben abfallen und hierzu durch den Wsetiner Pastor in
Mähren vornehmlich verleitet werden, da dieser theils selbst, theils
durch die von ihm verwendeten Emissärs sich verschiedener An-
lockungen, sonderheitlich aber der Verheissungen bedienen, dass
bis auf das Johannisfest jedem die willkürliche Auswahl der Religions-
übung freistehe, sodann aber jeder bei der gewählten Religion ver-
bleiben müsse und den zur katholischen Religion sich bekennenden
dieses durch ein Brandmal auf der Stirne aufgedrückt werden würde.
Nicht minder sollte ein mährischer Unterthan von Szemisch Namens
Georg Szevecsek, sich in Gesellschaft eines ungarischen Bauers.
Namens Heide von Silz, aus dem gedachten Trentschiner Comitate
erkühnt haben, der sehr bedenklichen Ausdrücke sich öffentlich zu
gebrauchen, dass, wenn sich die Akatholiken bei den ihnen zuge-
standenen Freiheiten ferners zu schützen unterlassen, selbe in einen
förmlichen Aufruhr ausbrechen würden, dann soll 3. der Andreas
Sepaczek in Ungarn mit Berufung auf den Szevecsek aussagen, dass
ein Decret zum Vortheil der Akatholiken dahin ergangen sei.
dass nach dem Johanni.sfeste alle sich zur akatholischen Religion be-
kennenden von Steuern und Gaben befreit werden würden und dass
für die Auswirkung dieses Decretes eine Barschaft von fl. 8000 hätte
verwendet werden müssen. Da nun derlei auf die Störung der all-
gemeinen Ruhe abzielende Ausstreuungen nicht mit gleich giltigen
Augen angesehen werden können und es allerdings nothwendig ist,
derlei Frevler, wenn sie dieses Verbrechens geständig oder über-
wiesen sind, mit einer erspiegelnden Strafe zu belegen, so werden
Sie einverständlich mit der ungarischen Kanzlei die Veranstaltung:
treffen, dass die oben beschuldigten beiden Individuen über die ihnen
zur Last gelegten Imputata durch ihre Behörde ordentlich, jedoch
libero pede constituirt selbe mit den gegen sie aufgeführten Zeugen
rechtsbehörig confrontirt und nur in jenem Fall, wenn wirklich sehr
gravirende Umstände gegen sie vorkämen, mit Arrest belegt, der
eigentliche Befund aber und mit was für einer Strafe sie allenfalls,
wenn .sie wirklich schuldig befunden worden, anzusehen wären, an-
hero angezeigt werde.
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Die ungarische Kanzlei hat in Rücksicht der in Ungarn sich
auihaltenden Bein zieht igten von Mir unter Einem einen gleichen
Auftrag erhalten und werden Sie sodann, wenn das aufgenommene
Constitutum aus Mähren angelangt sein wird, solches gedachter un-
garischer Kanzlei mittheilen und einverständlich mit derselben Mir
das gemeinschaftliche Gutachten vorlegen.*
Am 13. Jänner 1782 erschien hierauf die Verordnung, dass das
Crimen apostasiae und die damit verbundene actio fiscalis nicht mehr
stattfinden, wohl aber kann versucht werden, einen von der katholi-
schen Religion abgefallenen in einem geistlichen Ort oder Haus
durch eine Zeit von 4 oder 6 Wochen mittelst eines gelinden sanft-
müthigen der Religion angemessenen Unterrichtes von seinen Irr-
thümern zurückzubringen und hat daher gegen einen solchen Un-
glücklichen die Anwendung aller Zwangsmittel von Stockstreichen,
Arrest, öffentlicher Arbeit und anderen Strafen gänzlich zu unter-
bleiben. Die Verführer jedoch sollen bestraft werden.
Am 20. April 1782 resolvirte jedoch der Kaiser auf Grund
eines Vortrages der Hofkanzlei: ,Der Landeshauptmannschaft (in
Kärnten *) ist eingeratener Maßen zu bedeuten, dass es dermalen
einem jeden freistehe, sich entweder zu der dominanten oder einer
der tolerirten Religionen zu bekennen, mithin derzeit das Crimen
apostasiae nicht platzgreife.* Hier ist von weiteren Mitteln, den Ab-
gefallenen zurückzuführen, nicht mehr die Rede.
Es bedurfte jedoch wiederholter Ermahnungen, keine falschen
Gerüchte über die Absichten des Kaisers in Betreff des Protestanten-
patentes zu verbreiten. So erschien am 26. April 1782 ein Circular,
in welchem die ausgestreuten Gerüchte, als wollte der Kaiser den
Abfall vom Katholicismus befördern und den Renegaten Vortheile
gewähren, dass es überhaupt nicht erforderlich sei, sich zu einer
tolerirten Religion zu bekennen u. s. w., als unwahr erklärt wurden.
Der Kaiser, heisst es in diesem Circulare weiter, wolle die Auf-
*) In Ober- und Mittelkärnten erklärten sich 1782 {Vortrngj der Hofkanzlei vom
19. Juli) 8149, im Landgericht Paternion und im Burgfrieden Kellerberg 129O Per-
sonen als Akatholiken. Der Kaiser bemerkte zu diesem Vortrage: „Die Unterthanen
sind zur Haltung eines Pastors und Errichtung eines Bethauses nicht zu zwingen,
sondern ihnen frei zu lassen und wenn sie es verlangen und thun wollen, ihnen nichts
von wem es immer sei, in den Weg zu legen, sondern allen Beistand zu leisten." —
Im Hausruck viertel erklärten sich Nov. 17S4 24.14 Personen ohne Kinder für die
evangelische Religion und legten sie die diesbezügliche Prüfung ab.
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162
rechthaltung der katholischen Reh'gion, doch solle kein Zwang an-
gewendet und nur durch nützliche Aufklärung und gutes Beispiel
gewirkt werden.
Wie sehr es übrigens dem Kaiser darum zu thun war, die
katholische Religion zu fördern und ihr durch die den Protestan-
ten gewährte Toleranz keinen Schaden zuzufügen, geht auch aus
Folgendem hervor : Propst Schulstein *) war Dechant in der Kirche
bei allen Heiligen in Prag (diese Stelle trug jährlich beiläufig
1900 fl. und bezog er überdies fiir seine Thätigkeit im Damenstifte
jährlich 400 fl.) ; zudem aber war er Propst am Welehrad und be-
zog als solcher jährlich 2700 fl. Als der Kaiser hiervon in einem
Vortrage vom 14. Februar 1782 verständigt wurde, rescribirte er:
j^Bei diesen Umständen hat Schulstein von diesen zwei Beneficiis, da
ich deren Anhäufung als unschicksam ansehe, eines zu wählen und
will ich das andere einstweilen vacant lassen, um denjenigen Geist-
lichen damit zu begnadigen, der sich anjetzt bei der publicirten
Toleranz am vernünftigsten benehmen und am mehrsten irrige
Seelen zum wahren Glauben führen und in selbem die Wankenden
stärken und bestens belehren wird. Dieses wird also in Böhmen und
Mähren kund zu machen sein, damit sich jeder nebst seiner Schul-
digkeit auch darum beeifere.*
Am 16. März legte hierauf die Hofkanzlei den Entwurf dieser
Publication dem Kaiser vor, welcher folgenden Passus einschaltete:
, Durch apostolische Mittel, Sanftmuth und Belehrung die meisten
Irrigen auf den rechten Weg zurückleiten wird.*
Als Beispiel für masslose Uebergrifl"e von Seite einzelner Pro-
testanten führen wir Folgendes an (Vortrag vom, ii. Jänner 1782):
Am 20. Nov. 1781 hat Franz Mauczka, Bradschitzer Richter,
nicht nur in seiner eigenen, sondern auch in der Wohnung des
Josef Kohaut alle Bilder sammt dem vor dem Hause des Kohaut
gehangenen Crucifixe herabgerissen, zerschlagen und in den Ofen
geworfen. Hierüber zur Verantwortung gezogen, redete er sich da-
hin aus, er sei betrunken gewesen. Man übergab ihn jedoch dem
Halsgerichte.
1) Es ist dies der bekannte Schulfreund und Pädagog Kindermann Ritter von
Schulstein, der als Pfarrer zu Kaplitz daselbst eine Schule begründete. 1790 wurde er
Bischof zu Königgrätz.
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163
Zu diesem Berichte vom ii. Jänner 1782 bemerkte der Kaiser:
3>Es ist wiederum gefehlt worden, dass man die Sache zu einer
Criminaluntersuchung gewendet hat und Aufsehen und Weitwen-
digkeit dadurch erregt, derweil als durch die eigene Aussage dieses
Menschen und die Beschuldigung der Trunkenheit das Wirthschafts-
oder Kreisamt ihn nur mit einer Polizeistrafe belegen und der
ganzen Sache ein Ende hätte machen sollen. Die Kanzlei wird also
das Gubernium und durch selbes die Kreisämter und Beamten in-
struiren und meine schon öfters geäusserten Gesinnungen denselben
erklären, da ich fest entschlossen bin, gegen die Dawiderhandelnden
in dieser wichtigen Angelegenheit mit grosster Strenge zu Werke
zu gehen, weil es viel zu wichtig ist, als dass das Mindeste ver-
säumt oder Gelegenheit zu falschen Begriffen dem Unterthan ge-
geben werden.*
Am 6. Februar wurde hierauf der Instructionsaufsatz an die
Kreisämter in Böhmen dem Kaiser vorgelegt, zu welchem er be-
merkte:
,Nur muss der Artikel wegen der Proselitenmacher nicht unter
dieser Benamsung, sondern als Störer der Ruhe scharf gegen sie
zu verfahren der Auftrag verbleiben.*
Nicht übergehen wollen wir folgendes Moment : Katholiken, die
zum Protestantismus übertreten wollten, mussten einen sechswöchent-
lichen Religionsunterricht erhalten. Wenn der Neophit während
dieses Zeitraumes sich in articulo mortis befand, so durfte er keinen
Pastor bei sich sehen und wenn er starb, nicht als Akatholik be-
graben werden (Verordnung vom 3. Juli 1783).
Hingegen durfte man es stillschweigend geschehen lassen (resol-
virter Vortrag vom 25. September 1783), wenn Katholiken zu dem
Baue protestantischer Kirchen beitrugen (die Hofkanzlei hatte ange-
tragen, ein derartiges Vorgehen ausdrücklich zu verbieten).
Am 13. Mai 1782 erschien die Hofverordnung, dass Akatholiken
von allen Beiträgen für die Katholischen befreit sind. In einem Vor-
trage der Hofkanzlei vom 9. December 1783 heisst es jedoch: »So
schwer es auch ist, dass die Akatholiken verhalten werden sollen,
ihren ehemaligen katholischen Pfarrern noch forthin Holz zu führen,
Schnittarbeiten u. dergl. zu leisten, Eier, Schmalz, Butter etc. zu
reichen, so kann ihnen doch, so lange die katholischen Pfarrer
nicht auf eine andere Art besser dotirt sein werden, umsoweniger
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geholfen werden, als bei dem materiellen und leichtsinnigen Volke
die Erleichterung und Verminderung der Abgabe ein neuer Beweg-
grund zum Abfall sein könnte* und der Kaiser genehmigte diesen
Antrag. Hingegen wurden akatholische Gemeinden von den Wetter-
läutengebühren an den katholischen Schullehrer, der mit diesem Amte
in früherer Zeit betraut war, befreit, wenn sie ihre Kinder in eigene
Schulen schickten (Hofdecret vom 28. Mai 1788).
Im Jahre 1783 baten die helvetischen Pastoren in Böhmen, dass
zur Beerdigung ihrer Glaubensgenossen besondere Friedhöfe bestellt
werden mögen.
Das Gubernium hielt die Erfüllung dieser Bitte für überflüssig,
da durch besondere Friedhöfe nur Kosten verursacht werden; die
Hofkanzlei jedoch fand diesen Wunsch unbedenklich, falls die Helve-
tischen den Gottesacker auf eigene Kosten herstellen. Der Kaiser
schloss sich dieser Ansicht an (resolvirter Vortrag vom 7. November
1783) *).
Wir haben bisher mehr über die äusseren Verhältnisse der Prote-
stanten in der ersten Zeit, nachdem das Toleranzpatent erschienen
war, gesprochen. Wir wollen nun auch einige interne Momente be-
rühren.
Oberkirchenrath Gustav Frank theilt im ^^ Jahrbuch der Gesell-
schaft für die Geschichte des Protestantismus in Oesterreich* (Achter
Jahrgang, III. Heft, S. 129) ,Die erste evangelische Kirchenverfassung
in Oesterreich* mit. Wir wollen Einiges, was derselben vorausge-
gangen und dieselbe herbeigeführt hat, anfügen.
Am 29. März 1782 ertheilte der Kaiser, nachdem schon früher
über den Gegenstand verhandelt wurde, der Hofkanzlei den Auftrag,
sich blos zu erkundigen, wie es in Ehedispenssachen in anderen
protestantischen Ländern gehalten wird, und in gleicher Weise sollen
*) Bei dieser Gelegenheit wollen wir einer Resolution des Kaisers Franz vom
21. November 1804 gedenken, welche lautet: „Da die Staatsverwaltung bei Einführung
der Toleranz die Verbindlichkeit, den Unterhalt der protestantischen Seelsorger aus
dem öffentlichen Schatze zu bestreiten, keineswegs auf sich genommen hat; sondern
dieser Unterhalt den Gemeinden, für welche die Pastoren berufen werden, sind auf-
erlegt und von ihnen übernommen worden ist, so will Ich, dass sich an diesen Grund-
satz fest gehalten und die Gemeinden zur Entrichtung der übernommenen Beiträge mit
Nachdruck verhalten werden. Mein Aerarium kann Ich bei gegenwärtigen Umständen
diesfalls mit einer neuen Last nicht beschweren lassen." (Die finanzielle Lage des
Staates war thatsächlich zu jener Zeit eine sehr arge.)
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165
auch die Protestanten in , schlechterdings Dispenssachen* behandelt
werden.
Die diesfälligen Berichte des österreichischen Gesandten in Berlin
Freiherrn v. Reviczky und des österreichischen Ministers am chur-
sächsischen Hofe v. Metzburg ergaben, dass die Grundsätze, nach
welchen in Preussen und Sachsen vorgegangen wurde, verschieden
waren. Die Hofkanzlei entschied sich für die sächsischen, weil
das Berliner Consistorium dem sächsischen und dem Reichsconsisto-
rium verdächtig war. Der Kaiser jedoch entschied, es sei sich simpli-
citer an die Cynosur des Berliner Consistoriums zu halten und das
Gleiche sei in Betreff der Ehescheidung zu beobachten.
Am 21. Mai 1782 übersendete der Kaiser der Kanzlei Scheide-
mantels: , Allgemeines Kirchenrecht beider evangelischen Con-
fessionen in Polen und Lithauen* (Warschau, 1780) mit Anmerkungen
von Riedel, damals Privatvorleser des Fürsten Kaunitz, zu dem
Zwecke, ein Gutachten zu erstatten, ob dieses Buch nicht in den
deutschen Erblanden gebraucht werden könnte.
Am 26. Mai 1782 erstattete sie folgenden Bericht:
Die Zahl der beiden evang. Confessionen in den böhmisch-
österreichischen Erblanden dürfte 30.000 Seelen sein. Es wäre daher
wünschenswerth, wenn sie eine ordentliche Kirchen Verfassung hätten.
Die Hofkanzlei theilte die Ansicht Riedel's, dass ein Seminar
zur Heranbildung geschickter und brauchbarer protestantischer
Prediger errichtet werde. Für die protestantischen Bibeln, Gesang-
bücher etc. sei ein eigener unparteiischer Censor zu bestellen. Die
Einfuhr derartiger Bücher von auswärts sei zu verbieten und ein
eigener Bücherverlag zu errichten, dessen Nutzen zur Gründung
des genannten Seminars verwendet werden soll.
Die Resolution des Kaisers lautete:
3>Da die Calvinisten und Lutheraner in ihren Religionsgrund-
sätzen bekanntermassen sehr verschieden sind, so kann für beide
diese Religionen nicht ein und das nämliche Kirchenrecht bestimmt,
sondern es muss für jede ein ihrer Religion angemessenes Kirchen-
recht zusammengetragen, auch für jeden Theil dieser Religionsver-
wandten eigene Consistoria in den deutschen Erblanden errichtet
werden. Da nun sowohl in Hungarn und Siebenbürgen bereits wol-
bestellte Consistoria für die Reformirten dann für die Evangelischen
eines in Teschen vorhanden ist, so hat die Kanzlei das für Polen
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166 _
eingeführte Kirchenrecht durch Behörden einem reformirten Con-
sistorio in Siebenbürgen dann den Teschnischen Evangelischen mit-
zutheilen, auf dass sie aus ihrer eigenen Verfassung und aus diesem
Buch ein Kirchenrecht zusammensetzen sollen, so wie es die Grund-
sätze ihrer Religion und das Wohl ihrer Glaubensgenossen erfordert. . .
Nur muss hiebei vorzüglich darauf die Rücksicht genommen werden,
womit man sich dem gemeinsten Grundsatze der im Reiche befind-
lichen Religionsverwandten so viel als es nur immer die Verfassung
der betreffenden Länder zulässt, nähere und dadurch den besorg-
lichen vielerlei Rücksicht bedenklichen Vorwurf entferne, als ob
die hiesigen Tolerirten mit jenen im Reiche in Glaubenssachen nicht
wesentlich übereinstimmten. Mit dem Verbot der Einfuhr auswärtiger
lutherischer und reformirter Kirchen- und Gesangbücher kann inso-
lange nicht vorgegangen werden, als bis erwiesen ist, dass man inner-
halb des Landes selbst die Erforderniss zu verschaffen im Stande ist.*
Am i6. Mai 1785 erfolgte dann die weitere Resolution :
, Meine Absicht geht nicht dahin für die Reformirten und Lutheraner
zusammen nur ein und das nämliche Kirchenrecht festzusetzen, wol
aber, dass eine jede dieser Religionen in allen Meinen Staaten ihr
eigenes und gleichförmiges Kirchenrecht habe, so wie ein gleiches
auch in den preussischen und sächsischen Ländern eingeführt ist.*
Schon im Jahre 1782 wendete sich der Bischof von Gurk,
Josef II. Fürst von Anersperg, mit einer Vorstellung in Angelegen-
heit der Protestanten an die Hofkanzlei.
Er meinte, dass bei den wenigsten der Uebertritt von der
katholischen zur protestantischen Religion aus innerer Ueberzeugung
hervorgehe, es geschehe blos aus Abneigung gegen die katholische
Geistlichkeit, aus Unwissenheit, Hoffnung auf sinnliche Freiheit etc.
Er wolle diese Ueberläufer nicht als Ketzer betrachten, da sie wider
die katholische Lehre entweder gar nichts oder nur Nebensachen
einzuwenden haben.
Zur Besserung dieser Verhältnisse schlug er vor:
1. Sanftmuth und Mässigung der Geistlichkeit, die durch ihren
Uebereifer dem Katholicismus sehr geschadet habe.
2. Vertheilung gut katholischer Gebe >, Sing- und Lesebücher und
wären zu diesem Zweck 50.000 fl. von der Religionscasse zu leisten.
3. Hingegen soll man die skommatischen Bücher, die sich in
den Händen der Protestanten befinden, wegschaffen.
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167
4- Anstellung gut katholischer Schulmeister in den mit Prote-
stanten vermischten Pfarreien, um die Unwissenheit und den von
ihr abstammenden Irrglauben auszurotten.
5. Aufhebung des Fastengebotes bezüglich der Fleischspeisen
zu Gunsten der Dienstboten, die bei Protestanten sind und Gestattung
der Communion unter beiden Gestalten.
6. Bestimmung einer peremptorischen Frist, binnen welcher jene,
die Protestanten sein wollen, sich als solche zu erklären hätten, und
wenn diese Frist verstrichen ist, jene, die diese Erklärung nicht ab-
gegeben haben, für katholisch angesehen werden sollten.
Die Hofkanzlei sprach sich im Vortrage vom 23. December 1782
folgender Weise aus:
ad I stimmte sie bei.
ad 2 beklagte sie, dass der katholische Clerus Sberhaupt be-
flissen gewesen ist, ungereimte und anstössige Gebet- und Gesang-
bücher zu verbreiten ; hätte man dem Volke Bücher gegeben, welche
mit den Vernunft- und Religionsgrundsätzen übereinstimmen, so wäre
es überhaupt nicht so weit gekommen. Sie befürwortete übrigens
blos, dass die Bücher um einen billigen Preis, aber nicht ganz un-
entgeltlich verabfolgt werden.
Sie spricht sich gegen den Punkt 3 aus, da man dadurch nur
die ehemals bestandenen äusserst gehässigen Haussuchungen ein-
führen würde. Nur wenn derartige Bücher zum Vorscheine kommen,
könnte man sie nach den bestehenden Censurvorschriften ausser
Gebrauch setzen.
ad -/. Da dem Normalschulfonde ergiebige Zuflüsse zugewendet
werden sollen, so wird man den Schulmeistern bessere Gehalte
geben können und wird in der Lage sein, tauglichere Subjecte zu
gewinnen, und ,eine Anstalt, welche freilich eine der nothwen-
digsten und die Grundlage aller andern ist*.
Sie spricht sich gegen den Vorschlag Punkt 5 aus, denn das
würde nur Aergerniss erregen.
Punkt 6 stehet mit kais. Rescripten in Widerspruch.
Der Kaiser genehmigte i, 2, 3 und 4, und 5 kann dem Bischof
freigelassen werden, in einzelnen Fällen zu dispensiren.
ad 6 findet das Crimen apostasiae nicht mehr statt.
Noch bei Lebzeiten Josefs beklagten sich die Protestanten
in Böhmen, dass sie noch immer den katholischen Geistlichen Stola-
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gebühren entrichten und auf eigene Kosten Schulen- und Bethäuser
erhalten müssen.
Dieses Gesuch wurde erst nach dem Tode Josefs erledigt. Die
Hofkanzlei äusserte sich in einem Vortrage vom 24. Juni 1790, wie
folgt: Diese Zustände bestehen deshalb, weil der Protestantismus
eben nicht die herrschende Religion sei. ^^ Seine höchstselige Majestät
nahmen es zum Grundsatze an, dass man diesen Leuten die Aus-
übung ihrer Religion nicht eigentlich erleichtern sollte und dass die
Erschwerung derselben und die Vervielfältigung der damit verbun-
denen Auslagen vielleicht das einzige Mittel sein könnte, die damals
so zahlreich gewordenen Uebertretungen zu akatholischen Religionen
zu beschränken . . . Deshalb mussten auch die Akatholiken wieder
Zehnt und Stolgebühren bezahlen.* In ähnlicher Weise habe sich
der Kaiser auch wiederholt in den Rathssitzungen der vereinigten
Hofkanzlei, welchen er beiwohnte (bekanntlich erschien der Kaiser
oft bei diesen Berathungen) geäussert.
Kaiser Leopold genehmigte diesen abfälligen Bescheid *).
Mit den Toleranzpatenten war für den Kaiser Josef IL die
Religions-, Glaubens- und Gewissensfreiheit abgeschlossen ; eine neue
*) Wir wollen hier einige Entscheidungen in Betreff der Protestanten aus
späterer Zeit beifügen:
Ein protestantischer Handwerker wurde 1806 katholisch, um das Meisterrecht
zu erlangen. Er blieb jedoch Protestant und liets auch seine Kinder protestantisch
taufen. Es erschien hierauf 14. Mai 1807 ein Circular des Inhaltes, dass Protestanten,
die katholisch werden, nicht mehr protestantische Bethäuser besuchen dürfen. Ferner
wurde neuerdings angeordnet, dass Uebeitritte genau den Kreisämiern gemeldet werden.
Im Jahre 1817 baten die Consistorien Augsburger und Helvetischer Confeision.
die Feier des Säcularfestes der Reformation (am 31. October) begehen zu dürfen. Unter
Anderem beriefen sie sich darauf, dass im Jahre 1717 dieser Tag feierlich in der
dänischen Gesandtschaftscapelle begangen wurde. Dieses Gesuch wurde genehmigt.
(Ueber die dreihundeitjährige Säcularfeier des Todestages Luther's im Jahre 1846, vergl.
G. Wolf, Historische Skizzen, S. 133.)
Am 31. März 1818 richtete der Kaiser Franz an den niederöiterreichischen Re-
gierungspräsidenten (jetzt Statthalter) Grafen von Saurau ein Handschreiben, in welchem
es heisst: „. . . Da aber der bestehenden Uebung gemäss, die Religion bei Aufnahmr
in die vom Staate dotirten Erziehungshäuser nur in so weit bei Akatholiken berück-
sichtigt wird, dass die Eltern von nicht katholischen Kindern befragt werden, ob ^ie
selbe in der katholischen Religion erziehen lassen wollen, wo sodann, wenn sie hierzu
ihre Einwilligung geben, die Vormerkung und Aufnahme, wenn sonst keine Anstände
obwalten und sie hierzu die geeignetsten sind, wie gewöhnlich vor sich gehen kann',
so gilt dieses auch für das hiesige Taubstummeninstitut.
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1G9
Secte wollte er nicht gestatten, wie dies aus der Behandlung, die
er den Deisten angedeihen Hess, hervorgeht, und wollen wir der-
selben nun gedenken.
Am 26. Juni 1782 berichtete die Hofkanzlei: Im Pardubitzer
Kreise erklärten 42 Unterthanen, dass sie Israeliten seien. Diese
Leute glauben nur an Gott, sonst aber an kein Religionsgesetz und
wollen sich keinem unterwerfen. Die Hofkanzlei stellte den Antrag,
diese Erklärung nicht anzunehmen, da eine derartige Secte nicht zu
den geduldeten Religionen gehöre.
Das Rescript des Kaisers lautete: »Ich beangenehme das Ein-
rathen und wird, um desto sicherer den Endzwv^ck zu erreichen, der
Königgrätzer Bischof ») mit dem Kreishauptmann sich selbst in locum
verfügen und diese Leute wohl zu belehren haben. Sollten sie dessen
ohngeachtet bei ihrer Erklärung, dass sie Israeliten sind, verbleiben,
so müssen sie auch nach der Vorschrift des Gesetzes Moses behandelt
und ihnen die Verbindlichkeit, sich alsogleich förmlich beschneiden
zu lassen, aufgelegt werden, welches vielleicht weit schneller ihre
Bekehrung als alles weitere Zureden wirken wird. Sind sie aber
schon wirklich beschnitten, so sind sie Juden und können nicht
anders als wie diese im Lande behandelt werden, somit sind sie
auch nicht mehr fähig, Gründe eigenthümlich zu besitzen und müssen
daher gänzlich abgestiftet werden.*
Aus dem Berichte des Bischofs Hay entnehmen wir Folgendes :
Hier (in den zur Pfarre Jesemitz gehörigen Dörfern Rokitno und
Chwojnitz auf der Herrschaft Pardubitz) habe ich eine der seltensten
Erscheinungen gefunden.
In den Dörfern Rokitno und Chwojnitz befinden sich 52 Familien,
welche Christus und sein göttliches Gesetz durchaus verwerfen.
Ich habe mit diesen Leuten, 72 Männer an Anzahl, selbst
mehrere Stunden gesprochen und meine ganze Beredtsamkeit er-
schöpft, um sie zum h. Christenthume zurückzuführen. Ich habe- die
wichtigsten Beweggründe, auf denen die Wahrheit unserer gött-
lichen Religion gebaut ist, die Schönheit, alle Reize der christlichen'
Moral, so viel ich vermochte, geltend gemacht, um sie wenigstens
zu einem oder dem anderen christlichen Bekenntnisse zu überreden.
Mit der grössten Gelassenheit haben sie meine freundschaft-
lichen Vorträge angehört, aber allemal darauf geantwortet, ihre Ver-
*) Johann Leop. v. Hay.
Jahrbuch des Protestantismus 1887. H. IV. 13
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170
nunft könne die Geheimnisse der christlichen Religion nicht aus-
halten und sie können nichts, was gegen ihre Vernunft läuft, glauben.
Tausende und mehrere Tausende Menschen dächten so wie sie, nur
diesen Unterschied gebe es unter ihnen, dass diese schweigen, sie
aber Freimüthigkeit genug hätten, ihre Denkungsart öffentlich zu
bekennen.
Ihr Glaubensbekenntniss aber besteht beiläufig in dem: Wir
glauben an einen Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde; die
Lehre von der Dreieinigkeit ist Mehrgötterei und folglich eine Gott
beleidigende Lehre; dass ein Christus war, glauben wir, wie man
eine Geschichte glaubt. Entweder ist er wegen seiner Sünden ge-
kreuziget worden, oder ist er unschuldig gestorben. Im letzteren
Falle fällt die Schuld auf seine Richter, und dann glauben wir, dass
er eben so Gottes Sohn war, wie wir es sind. Alle Menschen sind
doch nichts anderes, als Geschöpfe und Kinder Gottes. Aber dass
ein Gott Mensch geworden, können und werden wir nie glauben.
Unser Gesetz sind die zehn Gebote, welche Moses auf dem Berge
Sinai bekommen, der Herr hat sie mit seinem Finger in die steinerne
Tafel und zugleich in unser Herz geschrieben.
Wir werden Gott und unsern Nächsten lieben, wir werden jene
zehn Gebote halten, wir werden unseren Oberkeiten gehorsam sein,
wir werden alle Menschen in Ruhe lassen und sonst nichts anderes
glauben, es mag mit uns geschehen, was da will. Die Menschen,
unter denen wir leben, mögen uns verabscheuen, wie sie wollen;
wir können und werden von der Anbetung eines einzigen Gottes
nie abgehen und kein anderes Gesetz als seine zehn Gebote an-
nehmen.
Wir glauben an eine Zukunft, aber an keine ewigen Höllen-
strafen; die Sünder werden jenseits des Grabes nach der Grr)sse
ihrer Verbrechen gezüchtigt oder vielleicht vernichtet werden, die
Gerechten werden ewig mit Gott sein und ihn lieben.
In ihren Zusammenkünften beten sie das Vaterunser und singen
Psalmen.
Ihr Bekenntniss belegen sie mit mehreren Schrifttexten aus dem
alten Testamente.
Wenn ich nachforschte, woher sie wohl so eine Lehre geschöpft
haben, war ihre Antwort: ^Aus öfterem und längerem Nachdenken
haben wir die Erleuchtung bekommen.*
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171
Ihre Kinder schicken sie in die Schule, und der Pfarrer Kautzky
versichert mich, sie wären in der Christenlehre besser als andere
unterrichtet. Er und der Oberbeamte in Pardubitz sagten mir, sie
hätten *gute Sitten, vormals wären sie Holzdiebe gewesen, seitdem
sie aber öffentlich bekannt haben, hätten sie auch ganz diese Aus-
schweifung unterlassen.
Mir sind sie mit der grössten Ehrerbietung begegnet, recht oft
haben sie mir die Hände geküsst. ,Ihr redet mit uns die Sprache
des h. Evangelisten Johannes*, sagten sie mir, ,wir erkennen die
ganze Güte Eures Rathes, aber mit allem dem werden wir nie
anders denken . . . ."
,Gibt es denn noch mehrere dergleichen Menschen in Böhmen,
die Eure Denkungsart haben*, fragte ich sie unter Anderem. ,Ja,
Herr*, gaben sie zur Antwort, ,auf der Herrschaft Chlumetz .sind
noch 300 unserer Brüder; sie schweigen aber, sie sind klüger als
wir, aber wir sind ehrlicher.*
,Mit meinem Comraissionsgeschäfte beschäftigt, gab ich hierauf
meinem Neustädter Dechant Josef Hurdalek, einer der besten Priester
meiner Diöcese. der unüberwindliche Gelassenheit und Menschenliebe
mit gründlicher Gelehrsamkeit verbindet, den Auftrag, diese armen
Leute zurechtzuweisen. Fünf ganze Stunden hat er mit ihnen in
freundschaftlichen Unterredungen zugebracht und am Ende aber
nichts anderes als ich ausgerichtet.*
Der Kaiser resolvirte hierauf:
,Die in der Herrschaft Pardubitz sich vorgefundenen Deisten
können keineswegs geduldet werden. Werden sie sich auf den nach-
maligen mit ihnen zu veranlassenden Versuchen durch wiederholte
gründliche und bescheidene Vorstellungen von ihren irrigen Begriffen
nicht zurückfuhren lassen, oder sich zu einer aus den tolerirten
Religionen vorschriftmässig bekennen, so sind sie von ihren Gründen
und Häusern gänzlich abzustiften und nach Siebenbürgen zu ver-
setzen, wo die religirten Arianer mit ihrem Glauben mehr Aehn-
lichkeit haben.*
Nachdem alle Versuche, diese Leute von ihrer Religion abzu-
bringen, fruchtlos waren, resolvirte der Kaiser über Vortrag vom
8. März 1783, dass sie abgestiftet werden sollen. Sie selbst sollen
als Grenzer zum Militär kommen; ihr unbewegliches Vermögen
13*
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aber verkauft und bis zur Grossjährigkeit der Kinder für diese ver-
waltet werden.
Die minderjährigen Kinder (unter 15 Jahren) sollen zu guten
Christen in Erziehung kommen. , Sollen sich einige, von dieser
Behandlung abgeschreckt, zu der katholischen oder einer andern
recipirten Religion bekennen wollen, so ist ihnen zu bedeuten, daß
es zu spät wäre und daß alle, die hier aufgeschrieben sind, Alt und
Jung, auf ihre Bestimmungsorte müßen übersetzt werden, wo sie
alsdann wahre Beweise ihrer Bekehrung auch in den Orten, wohin
sie übersetzt worden, erst werden zu geben haben, wenn sie
jemals hoffen wollen, wieder zurückkommen zu können/
Am 19. März 1783 erstattete die Hofkanzlei wieder einen Vor-
trag des Inhaltes:
Es haben sich neuerdings in Böhmen 273 Personen, 142 Männer
und 131 Weiber als Deisten bekannt, ihre Kinder unter 15 Jahren
betragen 223 Köpfe. Wie das Gubernium meldet, sei der Kreis-Com-
missär Braun bei der Herrschaft Leutomischel zu weit gegangen
und habe auch jene, welche nur des Deismus verdächtig waren,
vorgerufen.
Hierauf resolvirte der Kaiser:
,Dem böhmischen Gubernio ist bei schwerster Verantwortung
zu untersagen, daß solches jemals wegen Deisten, Israeliten oder
wegen was immer für einer andern Secte eine Untersuchung veran-
lasse oder Leute zusammenberufen oder befragen lasse, gegen welche
man Zweifel hat. Das nämliche hat auch die Geistlichkeit sorgfältigst
zu vermeiden. Der Kreis-Commissarius Braun ist wegen diesem Vor-
gehen ohne weiterem seines Dienstes zu entlassen und so wird es
jedermann indistinctim ergehen, der sich nach was solches gelüsten
lassen wird.
Meldet sich ein Mann, ein Weib oder wer immer bei einem
Ober- oder Kreisamt als Deist, Israelit oder sogenannter Lampel-
bruder, so sind ihm ohne weitere Anfrage 24 Prügel oder Karbatsch-
streiche auf den Hintern zu geben und hiermit ist er wieder nach
Hause zu schicken, auch dieses so oft zu wiederholen, als er sich
neuerdings melden kommt, nicht weil er Deist ist, sondern weil er
sagt, das zu sein, was er nicht weiß, was es ist.
Der einen Deisten in der Gemeinde nennt oder angibt, der soll
von dem Ober- oder Kreisamt mit 12 Stockstreichen belegt werden.
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173
da es durch die von mir selbst untersuchten und bereits in Hungarn
befindlichen derlei Leute sattsam bewiesen ist, daß solche keine
Deisten und Israeliten sind und diese Männer und Weiber theils aus
Dummheit, aus Unwissenheit, theils aber aus Leichtsinn und Wande-
rungslust, auch durch die Verfolgung meist dazu sind verleitet
worden; sie es auch wirklich erkennen und viele davon sich erklären,
daß sie katholisch leben und sterben wollen. Es müssen alle diese
mißbrauchten Benennungen gänzlich ausgerottet werden.*
Wir lassen nun noch folgende Handschreiben des Kaisers folgen :
, Lieber Graf KoUowratl *) Ich überschicke Ihnen in der
Nebenlage dieses Memorial der auf der Pardubitzer Herrschaft
sich befindenden 49 Familien sogenannter Deisten. Da nun er-
wünschlich ist, daß die Leute nicht verloren gehen und sie auch
in Siebenbürgen nur zum Ungemach sein werden, so sollte diese
ihre Erklärung, worin sie sich als Akatholiken bekennen, benutzt
und sie also als Protestanten angesehen und bei ihren Häusern und
Wirtschaften belassen werden. Dieses zu bewerkstelligen wäre dem
Chrudimer Kreishauptmann per privatas aufzutragen, sich in dieses
Dorf hinauf zu begeben und gegen Vorweisung dieses Memorials
ihnen in meinem Namen zu bedeuten, daß ich ihre Erklärung als
Protestanten, nämlich als Lutheraner, in Gnaden aufnehmen wollte
bis sie nicht durch Ueberzeugung eines Bessern belehrt werden.
Sie hätten also als Lutheraner für welche sie sich hier selbst
erklärten ruhig fortzuleben, unter welcher Bedingung sie auch bei
Haus und Hof verbleiben könnten. Sollte ein oder anderes dieser
ihrer Häuser oder Gründe schon veräußert worden sein, so wären
solche wieder einzulösen oder statt selben andere ihnen zu ver-
leihen. Endlich von dem auf die Reise erhaltenen Gelde hätten
sie außer jenem, was sie auf der Hin- und Herreise verwendet zu
haben erweisen könnten, den Ueberrest zurückzustellen.
Sollten Sie hingegen räthlicher finden die hier unterschrie-
benen 4 Männer mit Abreichung eines Reisegeldes hieher nach
Wien abgehen zu lassen, da doch alles darauf ankommt sie von
ihrem Irrwesen auf eine begreifliche Art zurückzuführen, so erwarte
ich Ihre Aeusserung hierüber des ehestens da dieser Zeitpunct
>) Graf Kollowrat, oberster Kanzler, Nachfolger des Grafen Blümegen.
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benutzt werden muß und vielleicht wenn ich selbst mit diesen
4 Deputirten hier ganz kurz mich bespräche auch alle andern fiir
sich sowol als für den Staat könnten gerettet werden.
Wien, 21. Juni 1783. Joseph.*
, Lieber Gf. Kollo wrat. Nachdem zufolge meiner Anordnung
von denen vorigen Jahres nach Siebenbürgen, Galizien und in die
Buccowina verschickten Deisten die in dem anliegenden Verzeich-
nisse enthaltenen Individuen deren Bekehrung und sonstig gutes
Betragen man bestätigt hat zurückberufen worden und hier ein-
getroffen sind, auch demnächst nach Meiner unter einem an den
Hofkriegsrat ergehenden Weisung unter militärischer Escort nach
Pardubitz u. s. w. in ihre Geburtsorte werden transportirt werden,
so haben Sie also gleich die behörige Verfügung zu treffen, damit
diesen Leuten von dem Tag der Eintreffung in ihren Ortschaften
ihre innegehabten Häuser und Gründe sammt ihren abgenommenen
Kindern wieder zurückgegeben so wie ihnen auch das was ihre
Besitzungen während ihrer Abwesenheit ertragen haben, nach
Abschlag desjenigen, was mittlerweile hiervon auf ihre zurück-
gelassenen Kinder verwendet worden ist, zurückzustellen sein wird.
Uebrigens aber wird auf die Handlungen dieser Leute immer ein
obachtsames Auge zu tragen sein.
Wien, 4. July 1784.*
Ein ähnliches Handschreiben vom 8. Juli erging bezüglich der
nach Siavonien und in den Banat abgeschickten sogenannten Deisten
und Israeliten.
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X.
Die erste evangelische Kirchenverfassung in
O esterreich.
Von Dr. GUSTAV FRANK.
(Schluss,) «)
Articulus IV. Von den Versammlungen der Kirchengemeinden.
§ I. Die ordentlichen Versammlungen der Gemeinden geschehn
bei dem öffentlichen Gottesdienst, wo derjenige, der sich unterfängt,
solche durch was immer für ungeziemende Thätigkeiten zu stören,
als Störer der öffentlichen Ruhe wird bestraft werden.
§ 2. Ausserordentliche Versammlungen geschehen bei Visitationen,
bei Wahlen oder bei sonst wichtigen, die ganze Gemeinde betreffenden
Vorfällen; doch ist es untersagt, unter dem Vorwand der besser
zu befördernden Andacht heimliche Zusammenkünfte zu halten.
§ S- Erscheinet nicht die Hälfte der erforderlichen Repräsen-
tanten der ganzen Gemeinde, oder es könnte nichts beschlossen
werden, so wird die abzuhandelnde Sache, wenn sie Aufschub
leidet, auf ein andersmal ausgesetzt ; wäre sie aber von Wichtigkeit
und litte keinen Aufschub, so entscheiden die Gegenwärtigen, und die
Gemeinde muss sich in solchem Fall das Beschlossene gefallen lassen.
§ 7. Bei solchen ausserordentlichen Versammlungen hat in geist-
lichen oder liturgischen Sachen der Prediger, in weltlichen oder
ökonomischen Angelegenheiten aber der erste Vorsteher den Vortrag
zu machen, wo sodann die Stimmen gesammelt werden und die
Mehrheit den Beschluss entscheidet.
Articulus V. Von den Statuten einzelner Gemeinden.
§ I. Da besondere Umstände jeder Gemeinde eine gänzliche
Gleichförmigkeit bei allen unmöglich machen, so kann sich deren
jede oder ihre Vorsteher für sich eigene Statuten zu ihrer Richt-
schnur verfassen und sich daran halten, nur dürfen sie in keinem
Punkt dieser Kirchenordnung, den Toleranz- und Landesgesetzen
widersprechend sein.
1) Vgl. Jahrb. 1887. H. III. S. 129 ff.
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176
XVII. Abtheilung.
Vom Erwerb des Predigt-Amts,
Articulus I. Von den Erfordernissen zu einem Predigt amt überhaupt
§. I. Wer zu einer Parochie gelangen will, muss nach vorher-
gegangener regelmässiger Vocation, wofern er nicht schon ein im
Land angestellter Prediger ist, sattsam geprüft worden sein, ob er
alle zu dem wichtigen Predigtamt erforderliche Eigenschaften hat,
und ist er ein im Ausland schon ordinirter, so muss er sich erst
einem Colloquio mit dem Superintendenten unterziehen.
§ 2. Zur rechtlichen Gelangung zu einer Parochie, gehöret
ferner die Ordination, die Bestätigung von der Landesstelle und die
Installation.
§ 3. Auf taugliche Landeskinder ist vorzüglich bei Vergebung
der Parochie Bedacht zu nehmen.
Articulus II. Von den persönlichen Eigenschaften eines zu einem Predigtamt
berufenen Candidaten.
§ 2. Jeder Candidat muss einen frommen, unbescholtenen,
unsträflichen Lebenswandel geführt haben, und sowohl hierüber, als
auch seinen bisherigen Fleiss authentische Zeugnisse beibringen
können.
§ 3. Blinde, Taube, Stammelnde, Krüppel, mit unheilbaren
Krankheiten Beladene sind nicht zum Predigtamt zu befördern;
sollte aber einem Prediger während seines Amtes ein solches Un-
glück zustossen, so muss ihm ein Substitut an die Seite gesetzt
werden.
§ 4. Vor dem 25. Jahr kann keiner zu einem Predigtamt
gelangen, wo ihn nicht das Consistorium , wenn anders Fähigkeit
die Jahre ersetzet, dispensiret.
§ 5- Wegen gesetzwidriger Handlungen gestrafte Leute, wenn
sie auch wirklich alles Gute versprechen, können sich, so lange sie
nicht gewisse und anhaltende Beweise ihrer Besserung gegeben
haben, zu keiner Parochie Hoffnung machen.
§ 6. Sollte es sich fugen, dass ein Candidat in einen Rechtshandel
verwickelt wäre, der ihn einem dem Predigtamt nachtheiligen Ver-
dacht aussetzte, so kann er bis zu Ausgang der Sache zu keiner
Parochie gelangen.
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177
Articulu» III. Von der Wahl *u einer Prediger-Stelle.
§ I. Das Recht zu wählen hat derjenige, welcher den Prediger
besoldet. Thut dieses die Gemeinde, so gebühret ihr dieses Recht;
thut es aber der Landesfiirst oder ein Kirchenpatron, so kommt
solches ihm zu.
§ 2. Diejenigen, denen das Wahlrecht gebühret, können solches
dem Consistorio, dem Superintendenten oder den Vorstehern alleinig
übertragen.
§ 3. Soll ein Prediger gewählet werden, so müssen zwei oder
drei Subjecte in die Wahl gegeben werden, und blos, wo ein Mangel
an tüchtigen Subjecten obwaltet, ist es erlaubt, einen einzigen Candi-
daten vorzuschlagen.
§ 4. Das Recht mitzuwählen hat jedes einheimische, ansässige
Mitglied, das zum Wohl der Gemeinde etwas beiträgt.
§ 6. Keine Obrigkeit darf da, wo die Gemeinde oder der
Kirchenpatron den Prediger erhält, sich in das Wahlgeschäft mischen
oder einen Prediger ihr aufzudringen versuchen.
Articulus IV. Von der Vocation oder Berufung zum Predigt- Amt.
§ 2. Das Reclrt zu berufen kommt, wenn der Landesfiirst
dotiret, dem Consistorio, sonst aber dem Kirchenpatron oder den
Vorstehern im Namen der Gemeinde zu.
§ 4. Wird eine Vocation in den kaiserl. Ländern innerhalb zwei
und in dem Ausland innerhalb drei Monaten nicht angenommen
oder gar nicht darauf geantwortet, so ist eine neue Wahl und
Vocation zu veranstalten.
§ 6. Mündliche Vocationen oder Verabredung zwischen einem
Prediger und Vorstehern sind ungültig. Es muss demnach allemal
ein förmliches Vocationsschreiben ausgefertigt, und in solchem der
dem Prediger bewilligte Gehalt, oder worinnen sonst sein Einkommen
zu bestehen hat und das Wesentliche seiner Pflichten, deutlich und
ausdrücklich bestimmt werden.
Articulus V. Von der Prüfung.
§ I. Die Prüfung geschieht entweder vor dem Consistorio oder
von dem betreffenden Superintendenten mit Zuziehung des Seniors
oder eines anderen Predigers.
Articulus VI. Von der Ordination.
§ I. Die Ordination, wodurch ein nach der Prüfung tüchtig
befundener Candidat die Rechte, alle actus ministeriales verrichten
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zu dürfen, erhält, geschieht von dem betreffenden Superintendenten
oder subdelegirten Senior sogleich nach dem Examen, nach welcher
der Ordinirte der Behörde durch das Corisistorium zur Bestätigung
präsentirt werden muss.
Articulus VII. Von der Installation.
§ I. Sobald die Bestätigung eines Candidaten von der Behörde
einläuft, ertheilet das Consistorium dem betreffenden Superintendenten
den Auftrag, den Ordinirten zu installiren.
XVIII. Abtheilung.
Von den allgemeinen Pflichten der Prediger,
§ I. Ausser den, unter den eigenen hieher einschlagenden Ab-
theilungen genau bestimmten, Amtspflichten muss ein jeder Prediger
seinem Amt ein Genüge in allem Verstand zu leisten und Ehre zu
machen suchen.
§ 2. So wie ein jeder Prediger verpflichtet ist, allen Bedrängten.
Kranken und Sterbenden mit seinem geistlichen Rath und Trost
beizustehen, Friede und Einigkeit unter seiner eigenen Gemeinde
zu erhalten und brüderliche Liebe gegen andere Glaubensgenossen
einzuflössen, ebenso muss er auch hauptsächlich über den guten
Lebenswandel seiner eigenen Familie wachen und sich der Eintracht
und eines guten Einverständnisses mit seinen Amtsbrüdern befleissigen.
§ 6. Nie darf ein Prediger seine Gemeinde verlassen, selbst bei
ansteckenden Krankheiten nicht, und will er eine Reise machen, so
hat er solches allemal dem Superintendenten anzuzeigen.
XIX. Abtheilung.
Von den Rechten und Einkünften des Predigers.
Articulus I. Von den Rechten der Prediger.
§ I. Alle Söhne der Prediger und Vikarien sind frei von dem
gemüssigten Soldatenstand.
§ S. Kein Prediger darf förmliche Wechsel ausstellen; sollte
aber dennoch wegen auf andere Art von ihm gehäufter Schulden-
last persönlicher Arrest auf ihn erkannt werden, so hat die Obrig-
keit solches dem Consistorium anzeigen zu lassen.
§ 7. Jeder Prediger ist frei von Vormundschaften, Wachten.
Vorspann, Frohn dienst en, Einquartierungen in Friedenszeit und Ab-
gaben in betreff seines Gehalts und seiner Parochialwohnung, für
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welche letztere die Gemeinde das Landesübliche zu entrichten hat.
Von allen ihm eigenthümlichen Grundstücken aber muss er das
bezahlen, was jeder andere Unterthan zu bezahlen hat.
Articulus II. Von den Einkünften der Prediger.
§ I. Bei einem jeden Bethaus muss eine anständige Wohnung
für den Prediger sein, die er unentgeltlich bewohnen, jedoch nicht
weiter vermiethen kann.
§ 6. Ausser dem einmal festgesetzten Gehalt, der nach den
Vermögens-Umständen der Gemeinde verhältnissmässig sein muss,
darf kein Prediger an Stolgebühren oder anderen Accidentien etwas
als pflichtmässiges fordern; aber freiwillige und gutherzige Beiträge
und Geschenke anzunehmen ist ihm nicht untersagt, doch dürfen
ihm diese, wenn sie auch noch so beträchtlich sein sollten, nie zur
Besoldung angerechnet werden.
XX. Abtheilung.
Vom Verlust des Predigt- Amtes ,
Articulus I. Von der Niederlegung des Predigt- Amtes.
§ I. Ein Prediger kann sein Amt entweder ganz niederlegen
oder, wenn er eine anderweitige Vocation bekommt, seine bisherige
Gemeinde verlassen, ohne dass ihn diese davon zurückzuhalten vermag.
§ 2. Verlässt ein Prediger seine Gemeinde, ohne um seine Ent-
lassung oder auch nur um Urlaub angehalten zu haben und kehrt
innerhalb zwei Monate nicht wieder zurück oder macht innerhalb
dieser Frist nicht seine gehörige Anzeige, so hat er schon an und
für sich selbst seine Stelle verloren.
§ 6. Sollte man den Prediger durch Furcht, Drohungen oder
andere widerrechtliche Wege zwingen wollen, sein Amt niederzulegen,
so hat er solches dem Consistorium anzuzeigen, welches seine weitern
Vorkehrungen bei der Behörde machen wird.
Articulus II. Von der Versetzung in eine andere Parochie.
§ I. Da jede Gemeinde oder Patronus das Recht hat, sich ihre
Prediger zu wählen, folglich ihnen keiner aufgedrungen werden kann,
so hat die Versetzung (Translocation) nur in dem Fall statt, wenn
ein Prediger von einer Parochie zu einer andern vorschriftsmässig
berufen wird ; und die sogenannten Pönitenz-Pfarren bleiben gänzlich
abgeschafft.
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§ 2. Ist ein Prediger durchaus nicht zu bessern, so ist er seines
Amtes zu entlassen und nicht zu versetzen, weil die Gemeinde,
wo er hinkäme, durch ihn unverdienter Weise mit gestraft werden
würde.
§ 3. Findet das Consistorium oder ein Superintendent, dass ein
sonst brauchbarer, rechtschafifener Prediger unverschuldeter Weise
von der Gemeinde, an der er stehet, gehasst und gedrückt wird,
oder wegen Schwäche der Brust bei einem kleinen Bethaus oder an
einem seiner Gesundheit zuträglicheren Ort einer andern Gemeinde
nützlicher sein kann, so ist es erlaubt, bei einer erledigten Stelle
ihn der Gemeinde zur Versetzung zu empfehlen.
Articulus III. Von der Absetzung vom Predigtamt.
§ I. Soll eine Absetzung statthaben, so hat das Consistorium
hierüber seinen Antrag nebst Gründen und Gutachten der Behörde
einzureichen, von da das weitere zu erwarten und nach erfolgtem
Urtheile der Absetzung solches dem Abgesetzten und der Gemeinde
durch den Superintendenten oder anderen Subdelegirten bekannt
machen zu lassen.
§ 2. Durch die Suspension verlieret noch kein Prediger sein
Amt, er behält demnach, sobald solche aufgehoben worden, alle
seine vorigen Rechte, nur dass er so lange als solche dauert, keine
actus ministeriales verrichten darf und seinen Gehalt verlieret.
§ 3. Ausser jenen gröberen Verbrechen, welche langwierige
Leibesstrafen verdienen und Jemanden überhaupt zur Führung
eines Amtes unfähig machen, hat die Absetzung vorzüglich auch bei
Irrlehrern, Verführern und Aufwieglern des Volkes, bei vorsetzlichem
Ungehorsam und halsstarriger Widersetzlichkeit gegen die Befehle
der Landesstellen und die Verordnungen des Consistoriums statt.
§ 4. Gibt ein, nicht wegen gröberen Verbrechen oder tumultua-
Tischen Benehmen abgesetzter, Prediger sichere Beweise seiner Bes-
serung, so kann er nach Beschaffenheit der Umstände wieder von
einer Gemeinde berufen und durch das Consistorium zur Wieder-
anstellung präsentirt werden.
XXI. Abtheilung.
Von der Zerüuilung und Zusammenziehung mehrerer Gemeinden,
§ I. Wächst eine Gemeinde zu stark an, so dass ein Prediger
nicht hinlänglich wäre, und ein Theil davon, mit einem Filial nicht
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zufrieden, sich absondern und einen eigenen Prediger haben will, so
ist sich dieserwegen an die Landesstelle zu wenden, weiche hierüber
ein Gutachten von dem Consistorio einzuholen und das Weitere vor-
zukehren hat.
§ 3. Werden zwei oder mehrere Gemeinden zu schwach und
wünschten sich in eine Parochie zusammenzuziehen, so haben sie
sich dieserwegen an das Consistorium zu wenden, welches seine gut-
achtliche Anzeige an die Behörde zu machen und nach erhaltener
Genehmigung seinen endlichen Bescheid zu ertheilen hat.
§ 4. Die Zusammenziehung zweier oder mehrerer Gemeinden
kann nur in dem Fall statthaben, wenn eine Prediger-Stelle auf eine
oder die andere Art bei einer oder der andern dieser Gemeinden
erledigt wird.
XXII. Abtheilung.
Von Vi c arten.
§ I . Befindet sich nicht schon ein Vicarius bei einer Superinten-
dentur, welcher entweder von dem Superintendenten, wenn er dazu
dotirt ist, oder von den Gemeinden gemeinschaftlich salarirt wird,
so trägt der Superintendent oder durch ihn der Senior bei Erledi-
gung der Parochie den benachbarten Pastoren das wechselweise
Vicariat auf
§ 7. Erfordert das Wohl der Gemeinde oder die Umstände
eines Pastors einen Vicarium. so kann das Consistorium 'auch ohne
Einwilligung des Predigers und ohne Ansuchen der Gemeinde, nach
vorheriger Anzeit^e bei Behörde, der Gemeinde den Auftrag geben,
sich einen zu wählen.
XXIII. Abtheilung.
Von Schulen, Katecheteny Schullehrem und andern Kirchendienern.
Articulus I. Von Schulen.
§ I. Jede evangelische Gemeinde hat das Recht, Schulen zu
halten, nur müssen sie in Ansehung der Lehrmethode und allem,
was nicht die Religion angehet, nach dem bestehenden Normal ein-
gerichtet werden und stehen überhaupt unter der Normal-Schul-
Direction, die aber mit dem Religionsunterricht nichts zu thun hat.
§ 2. Ist eine Gemeinde zu arm, als dass sie eine eigene Schule
halten könnte, so kann die Jugend in den öffentlichen Normal- und
Landesschulen ihren Unterricht finden, aber was den Religionsunter-
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rieht betrifft, dazu muss ein eigener Katechet bestellt werden, oder
der Prediger selbst muss sich diesem Unterricht unterziehen, und in
diesen hat sich weder die Normal-Schul-Direction noch eine sonstige
Obrigkeit zu mischen.
§ 5. Wenn Eltern ihren Kindern einen Privatlehrer halten, so
muss derselbe von der Normal-Schul-Direction geprüft und zuge-
lassen sein.
§ 7. Gehen evangelische Kinder in die katholische Schule, so
dürfen sie durchaus nicht gezwungen werden, bei dem katholischen
Religionsunterricht gegenwärtig zu sein und mit den katholischen
Kindern gottesdienstlichen Handlungen beizuwohnen.
Articulas II. Von Katecheten und SchuUebrem.
§ I. Alle Schulmeister oder Schullehrer müssen von der Normal-
Schul-Direction geprüft und attestirt worden sein und durch das
Consistorium zur Bestätigung der Landesstelle präsentirt werden,
welches letztere auch von den blossen Katecheten zu verstehn ist;
doch sind diese nur von dem Consistorio oder Superintendenten zu
prüfen und haben sich nur einzig und allein mit dem Religionsunter-
richt abzugeben.
§ 7. Söhne von Schullehrern und Katecheten, welche wirkliche
Candidaten der Theologie folglich honoratiores sind und immer Hoff-
nung zu einer Parochie haben, können nicht zum Soldatenstand
conscribirt werden, wovon aber die Söhne solcher Schulmeister,
welche blosse Handwerker sind, nicht losgezäblet werden können.
Articulus III. Von Kirchendienern, Organisten und Kantoren.
§ I . Alle diese untern Kirchenbedienten ernennen die Vorsteher
mit Zuziehung des Predigers und haben auch allein das Recht nach
Umständen solche wieder ihres Dienstes zu entlassen oder zu ent-
setzen.
XXIV. Abtheilung.
Vom Kirchenpatronatrechte,
§ I . Das Kirchenpatronatrecht kommt eigentlich und im engsten
Verstand einem evangelischen adeligen Gutsbesitzer zu, auf dessen
Grund und Boden ein von ihm fundirtes und dotirtes Bethaus stehet,
oder im weiteren Verstand auch einem jeden anderen, der ein Bet-
haus fundirt, dotirt oder die jährlichen Kirchenbedürfnisse und Ee-
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soldungen allein aus seinem Vermögen bestreitet ; doch können auch
mehrere gemeinschaftlich dieses Recht besitzen.
§ 2. Ein solcher Kirchenpatron, der den Prediger besoldet und
alle Nothdurften der Kirche allein trägt, hat auch allein das Recht,
den Prediger selbst zu wählen, zu berufen und zu präsentiren ; doch
ist er gehalten, das von ihm gewählte Subject der Gemeinde bekannt
zu machen, welche, im Fall wenigstens zwei Drittheile von ihr etwas
Erhebliches gegen den Gewählten einwenden sollten, innerhalb
14 Tagen diese Einwendungen sammt ihren Gründen dem Kirchen-
patron vorzutragen, und, wenn dieser dennoch auf seiner Wahl be-
harren wollte, diesen Hergang dem Consistorium zur Entscheidung
vorzulegen hat.
§ 3. Hat aber ein Grundherr und Gutsbesitzer oder dessen Vor-
fahren eine Kirche oder Bethaus auf seine Unkosten erbauet und
sorget für dessen Baurechterhaltung, so hat er blos das Recht der
Gemeinde die Subjecte zu einer Predigerstelle vorzuschlagen, den
von der Gemeinde Gewählten zu berufen und zu präsentiren.
§ 4. Wo kein solcher Patron vorhanden, treten an dessen Stelle
die Vorsteher als Vertreter der Gemeinde.
§ 5. Ist ein Kirchenpatron nicht von der Religion der Gemeinde,
so hat er sich um den Vorschlag tüchtiger Subjecte zu der Prediger-
stelle an das Consistorium zu wenden.
§ 8. Will sich Jemand ein immerwährendes Patronatsrecht er-
werben, so muss er die bestimmten Dotal-Güter für sich und seine
Erben vor dem Consistorio unwiderruflich verschreiben.
Erbietet sich aber jemand die Prediger zu salariren und die
übrigen kirchlichen Lasten zu tragen, und das auf bestimmte oder
unbestimmte Zeit, so geniesset er das Patronatsrecht nur insolange,
als er alles das leistet, was er sich einmal anheischig gemacht, zu
leisten.
§ 10. Sollte eine begüterte Gemeinde oder Kirchencassa eine
andere Parochie fundiren oder dotiren, so erwirbt sich auch diese
Gemeinde oder ihre Vorsteher das verhältnissmässige Patronatsrecht
bei der von ihr fundirten Gemeinde.
§ 12. Ist unter einer Familie oder mehreren Mitpatronen ein
Streit wegen des Patronatsrechts selbst und kein Theil der streitenden
Parteien wäre in dem Besitz, so übet solches bis die Sache bei der
Civilbehörde entschieden worden, das Consistorium aus.
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§ 14. Verarmte Kirchenpatronen geniessen aus dem Kirchen-
vermögen solcher Kirchen, die so reichlich dotirt sind, dass sie
mehr Einkommen haben, als zu den jährlichen Kirchenbedürfnissen
erfordert wird, einen massigen Unterhalt.
XXV. Abtheilung.
Von den Kirchengütern,
Articulas I. Von Bethäusern, Altären, Vasis sacris, Predigerwohnungen und übrigen einer
Kirche gehörigen Grundstücken.
Articulus II. Von den Kirchenstühlen.
§ 15. Die Predigerfrauen und ihre Kinder haben ihre Kirchen-
plätze unentgeltlich, und ihre Witwen behalten solche solange sie
Witwen bleiben oder ihren Wohnsitz nicht verändern, ihre Kinder
aber nur solange als sie in dem Haus der Eltern sind.
Atticulus III. Von anliegenden Capital ien und allen Gelderträgnissen.
§ 3. Alle Capitalien müssen in öffentliche Fonds angelegt werden.
XXVI. Abtheilung.
Vo7i der Bestimmung^ Benutzung und dem Erwerb der Kirc/iengüUr.
§ I. Alle Kirchengüter sind nicht zur Sammlung todter Schätze,
sondern zur Besoldung der Prediger und des übrigen Kirchenper-
sonals, zur baurechten Erhaltung der Kirchen und Bethäuser, Schul-
und Predigerwohnung, zur Unterstützung der Prediger- Witwen und
Waisen, zur Bestreitung der auf den Kirchengebäuden etwa liegenden
bürgerlichen Lasten und überhaupt aller bei einem Bethaus und
öffentlichem Gottesdienst erforderlichen Ausgaben bestimmt.
§ 2. Nächst diesen dient das zu entbehrende Kirchenvermögen
auch dazu, die nothleidenden Mitglieder einer Gemeinde mit etwas
Ausserordentlichem zu unterstützen.
§ 3. Ohnerachtet diese Kirchengüter eigentlich der ganzen Ge-
meinde gemeinschaftlich gehören, so hat doch kein einzelnes Mitglied
derselben einen Anspruch auf deren Privatbenutzung zu machen,
folglich kann niemanden, wenn auch auf noch so kurze Zeit, Kirchen-
geld vorgestreckt oder ein etwaniges Haus oder Grundstück unent-
geltlich zu seinem Gebrauch eingeräumt werden.
§ 6. Häuser und Grundstücke darf eine Gemeinde aus ihren
vorräthigen Geldern nicht kaufen, es wäre denn, dass bei besonderen
Umständen ihr eine besondere Bewilligung ertheilet würde.
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§ lO. Alle Länderstellen und Obrigkeiten sind verpflichtet, alle
evangelischen Kirchen und Bethäuser in dem ruhigen Besitz ihrer
Kirchengüter und der damit verknüpften Rechte und Vorrechte zu
schützen und zu erhalten.
XXVII. Abtheilung.
Von Sjntoden,
Sollte man es für nöthig erachten, eine allgemeine oder Pro-
vinzial-Synode zu halten, so hat das Consistorium mittels Behörde
die Anzeige der Materien, die der Gegenstand der Synode sein
sollen, an den Landesfürsten gelangen zu lassen, und von diesem
die Einwilligung dazu einzuholen, und nach erlangter Einwilligung
die Superintendenten, Senioren oder subdelegirten Prediger und
deputirte weltliche Stände oder Vorsteher dahin, wo solche gehalten
werden soll, einzuberufen und nach geendeter Synode, wobei immer
Präses Consistorii, wenn vom Landesfürsten nicht etwas anderes an-
geordnet werden sollte, das Präsidium zu führen hat, alles, was dabei
abgehandelt worden, dem Landesfiirsten vorzulegen.
XXVIII. Abtheilung.
Von der gänzlichen Erlöschung einer Kirchengemeinde.
Gehet eine evangelische Gemeinde, die ein eigenes Kirchen-
vermögen besitzt, gänzlich ein, so fallen die Interessen von den zu
Geld gemachten unbeweglichen Kirchengütern oder schon anliegen-
den Capitalien den zunächst gelegenen Gemeinden, zu denen sich
die noch etwa vorhandenen wenigen evangelischen Glieder der er-
loschenen Gemeinde halten, zum Behuf ihrer gottesdienstlichen An-
stalten verhältnissmässig anheim. Findet sich aber in einer solchen
eingegangenen und erloschenen evangelischen Kirchengemeinde gar
kein evangelisches Mitglied mehr, so hat das Consistorium die ärm-
sten Gemeinden der Behörde bekannt zu machen und zu empfehlen,
wo es sodann von der Gnade und der Willkür des Landesfürsten
abhängt, wie diese Vertheilung eingerichtet werden soll. —
Unter dem 13. Juni 1787 berichteten die Consistorien an die
niederösterreichische Landesregierung wie folgt: , Nachdem der Ent-
wurf einer Kirchenordnung sub Praesidio Consistoriali und in pleno
beider Consistorien nochmals vorgenommen, durchgelesen und recti-
ficiret worden und solchergestalt seine Vollendung erreicht hat, so
Jahrbuch des ProtestantUmut 1887. H. IV. j^
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_186__
überreichen Unterzeichnete denselben der hochlöblichen Landesregie-
rung mit der Bitte, solchen bei etwa auffallenden Mängeln mit gütiger
Nachsicht anzusehen und an die höhere Behörde einzubegleiten.*
Nach Verlauf von beinahe zwei Jahren wurde diese Kirchenordnung
den Consistorien zurückgestellt mit folgendem Indorsaterlass vom
27. Februar 1789: ,Den beiden protestantischen Consistorien mit
der Erinnerung ex offo wieder zuzustellen, dass, da seither mehrere
Verordnungen erflossen sind, wonacli im gegenwärtigen Entwürfe
manche Abänderung angebracht werden muss: so ist solches bei
den betreffenden Stellen anzuzeigen, hierauf dieser Aufsatz zu be-
richtigen und sohin seiner Zeit wieder an Regierung zu überreichen,*
Das Consistorium A. C. glaubte diesem Auftrag gemäss sich auf
die Hinzufügung der nothwendigen Zusätze beschränken, den Ent-
wurf sonst unverändert lassen zu sollen. Das Consistorium H. C.
aber fand sich jetzt bestimmt, seine bereits vor mehr als Jahr und
Tag durch den Consistorialrath Karl Wilhelm Hilchenbach fertig-
gestellten , Anmerkungen über das von beiden protestantischen Con-
sistorien entworfene Kirchenrecht*, welche dem Referenten bei der
Regierung nach Einreichung des entworfenen Kirchenrechts , unter
der Hand* zugestellt worden waren, nunmehr (24. December 1789^
auch dem Consistorium A. C. mitzutheilen. Das Consistorium A. C.
beschloss am 12. Jänner 1790, auf eine Abänderung des Ganzen
nicht einzugehen und nur die durch Zeit und Umstände nöthig ge-
wordenen Abänderungen nachzutragen. Dieser Beschluss wurde am
16. Februar 1790 dem Consistorium H. C. mitgetheilt. Der vier Tage
später erfolgte Tod Kaiser Joseph's brachte die Verhandlung zum
Stillstand. Zwar Consistorialrath v. Wielandt, durchdrungen von der
Ueberzeugung, wie nothwendig es sei, dass endlich einmal die ganz
unbelehrten Gemeinden und manche gleichfalls nicht viel unterrichtete
Prediger mit ihren in das Parochiale einschlagenden Rechten und
Pflichten bekannt gemacht werden, unternahm es noch einmal die
zurückgestellte Kirchenordnung zu überarbeiten, durch seitdem noth-
wendig gewordene Weglassungen und Zusätze zu rectificiren und
die Materien systematischer zu ordnen. Der , Neubearbeitete Entwurf
zum praktischen Kirchenrecht für die Augsburgische und Helvetische
Confessionsverwandten in den k. k. deutschen Erblanden*, vom Ver-
fasser am 31. Mai 1793 den Consistorien überreicht, ist in folgende
Abtheilungen gegliedert :
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187
I. Von den Kirchengesellschaften.
IL Von den Kirchengesetzen überhaupt,
III. Vofi Rechtcfi und Verbindlichkeiten, die unmittelbar aus der
Natur der evangelischen Kirchengemeinschaft entspringen.
IV. Von den Gemeinden, ihren und ihrer Gemeindeglieder vor-
züglichen Rechten und Verbindlichkeiten.
V. Von der Zerthcilung oder Zusammensiehtmg einer oder meh-
rerer Gemeinden.
VI. Von der gänzlichen Erlöschimg einer bestandenen Gemeinde.
VII. Vo7i den Kirchen und Bethäusern.
VIII. Von der Ordnung bei den gottesdienstlichen Handlungen, als :
a) Von der Liturgie
b) Von der Zeit des Gottesdienstes
c) Von den Predigten
d) Von den Kirchengebeten, P'iirbitten, Gesängen und
Publicandis
e) Von der Taufe
f) Von der Confirmation
g) Von der Beicht und Vorbereitung zum heil. Abendmahl
h) Vom heiligen Abendmahl.
IX. Von den Predigern und ihren allgemei?ien Pflichten.
X. Von dem Erzverb des Predigeramtes, den Erfordernissen und
Eigenschaften, Wahl und Berufung dazu, der Prüfung, Ordi-
nation und Installation.
a) Von den Erfordernissen zu einem Predigtamt überhaupt
b) Von den persönlichen Eigenschaften eines zum Predigt-
amt berufenen Candidaten
c) Von der Wahl zu einem Predigtamt
d) Von der Berufung zum Predigtamt
c) Von der Prüfung
f) Von der Ordination
g) Von der Installation.
XI. Von den Vorrechten und Einkünften der Prediger.
XII. Von den Predigerbesuchen bei Kra?iken und Sterbenden.
XIII. Vom Verlust des Predigtamies, als:
a) Von der Niederlegung des Predigtamtes
b) Von der Versetzung an eine andere Parochie
c) Von der Absetzung vom Predigtamte.
14*
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XIV. Von Wilwen und Waisen der Prediger, Vicatien, Schul-
lehrer und Kirchendiener.
XV. Von Vicarien.
XVI. Von Schidien, Katecheten und Kirchendienern,
XVII. Von Freydhöfen und Rechten bei Begräbnissen.
XVIII. Vo7i Kirchengütern wid Kirchenstühlen.
XIX. Von der Bestimmung, Benutzung und Enverb der Kirchengüter.
XX. Von der Verwaltung der Kirchetigüter durch die Vorsteher.
XXI. Vom Kirchenpatronatrecht,
XXII. Von Consistorien, Superintendenten und Senioren,
XXIII. Vo7i der Kirchenvisitation.
XXIV. Von Synoden,
XXV. Von Ehesachen, als:
aj Von den verbotenen Graden und Dispensationen
b) Vom Aufgebot (Proclamation)
cj Vom Einspruch vor der Trauung
dj Von der Trauung
e) Von der Ehescheidung.
XXVI. Von Kindern aus vennischten Ehen.
Da dieses überarbeitete Kirchenrecht seinem Hauptinhalte nach
mit dem ersten Entwürfe sich deckt, so genügt zu seiner Charak-
teristik die Mittheilung der 5 ersten Paragraphen.
§ I. In jedem christlichen Staat sind förmliche und ordentliche
Kirchengesellschaften eingeführt, die sich nach den hierinnen beste-
henden Rechten und Vorschriften zu benehmen haben.
§ 2. Die Kirchengesellschaften bestehen aus Gemeinden und
ihren Lehrern, aus vorgesetzten geistlichen Obern, Bischöfen, Consi-
storien, Superintendenten und Senioren, je nachdem es die Religion,
zu der sie sich bekennen, oder die Landesgesetze oder Landesver-
fassungen es bestimmen.
§ 3. Die Religion, zu der sich eine oder die andere Kirchengesell-
schaft bekennet, thut zur Sache selbst nichts, aber dem Staat liegt
daran, bestimmt zu wissen, zu welcher Religion sich jeder seiner
Unterthanen bekennet und zu welcher Kirchengesellschaft er gehöret.
§ 4. In den k. k. deutschen Erblanden theilen sich die Kirchen-
gesellschaften in die der herrschenden und tolerirten Religionen, und
diese, nämlich die tolerirten, in die der A. und H. C, Verwandten
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189
und der nicht unirten Griechen, von welchen ersteren eigentlich
hier die Rede ist.
§ 5. Sowie in protestantischen Ländern der protestantische
Landesfurst auch das Oberhaupt in Kirchensachen ist, ebenso sind
auch in den k. k. deutschen Erblanden Seine k. k. Majestät in An-
sehung der Protestanten, die kein anderes Oberhaupt der Kirche
anerkennen, ihr Oberhaupt und exerciren ihre diesfälligen landes-
herrlichen Rechte über die Kirchen gesellschaften der A. und H. C.
Verwandten theils durch ihre Hof- und Landesstellen, theils aber in
Betreff der ColJegialrechte und dessen, was lediglich in das Religiöse
einschlägt, durch die von höchstdemselben angestellten protestan-
tischen Consistorien und solchen angeordnete Superintendenten und
Senioren.
Consistorialrath Fock gab über v. Wielandt's Arbeit Folgendes
zu den Acten: , Dieser sehr zweckmässige Entwurf des Kirchen-
rechts, der ein neuer Beweis von den praktischen Kenntnissen und
dem unermüdlichen Fleiss des Herrn Consistorialrathes v. Wielandt
ist, ist nach dessen Vorschlage von den übrigen Mitgliedern des
Consistorii A. C. gemeinschaftlich durchzusehen, wo es nöthig sein
sollte, zu berichtigen, und dann dem Consistorio H. C. zur Einsicht
mitzutheilen, damit dieses schriftlich seine Bemerkungen und Gegen-
erinnerungen darüber oder auch einen eigenen Entwurf für sich
machen möge, und alsdann die Arbeiten beider Consistorien unter
einem gemeinschaftlichen Bericht der Regierung zur Beurtheilung
eingereicht werden könnten.* Dass nach diesem Antrag, mit welchem
sich der Mittelsrath G. Chr. Sam. Schmidt einverstanden erklärte,
weiter vorgegangen und das als so nothwendig erkannte Normativ der
Allerhöchsten Sanction unterbreitet worden wäre, darüber schweigen
die Consistorialacten. Die erste österreichische Kirchenverfassung ist
thatsächlich mit Kaiser Joseph begraben worden. Aber das todt-
geborene Kind erregt noch jetzt unser wehmüthiges Interesse.
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XL
Sechstes Verzeichniss der Geschenke für die Bibliothek
und das Archiv der Gesellschaft.
(Jahrbuch, I. Jahrg. 1880, S. 79—82, 174 f.; II. J«hrg. 1881, S. 185 f.;
VI. Jahrg. 1885, S 98; VII. Jahrg. f«86, S. 48)
1. Von Oberkirchenrath Dr. Witz in Wien: seine Festrede „Zur fünfundzwanzig-
jährigen Jubelfeier der Erlassung des A. h. Prot^tanten-Patentes vom 8. April 1861."
Klagen fürt 1886.
2. Vom Verleger Hugo Klein in Barmen: O. Kallsen „Hermann Tast". Barmen.
O. J, — Bernh. Rogge: „Zur Erino^ung an die Aufhebung des Edictes von
Nantes am 17. Octobcr 1685.** Barnen. O. J. — Herrn. Dechent: „Die Anfange
der Reformation in den Niederlanden." Barmen. O. J. — Rieh. Weitbrecht: „Die
evangelischen Salzburger." Barmen. O. J. — „Die Gemeinden Galiziens und der
Bukowina." Barmen 1886. — Rieh. Weitbrecht: „Die Vertreibung der Salzbur-
ger Protestanten 1732." Bai^men 1885. — A. Colditz: „Reformation und Gegen-
reformation in Steyr." Barmen 1886.
3. Vom Verfasser Arnold Dodel-Port: „Konrad Deubler. Tagebücher, Biogra-
phie und BriefwcciMicl des Bauernphilosophen." Leipzig 1886.
4. Von Regierungirath Dr. Ritter von Otto in Wien: seine Schrift „Evangelischer
Gottesdienst in Wien vor der Toleranzzeit." Wien 1886.
„Verzeichniss der von den Mitgliedern der evang. Gemeinde A. B. eingehobenen
Kirchenbeiträge." Wien 1869, 1882.
„Statut der Wiener evangelischen Kirchengemeinde A. B." Wien 1877.
„Vorschriften für die Studirenden an der k. k. evangelisch-theologischen Fakultät
in Wien." Wien {2. Aufl.) 1869 und (3. Aufl.) 1881.
„Statuten der k. k. evang.-theolog. Fakultät in Wien, in Betreff der Ertheilung
der evang.-theolog. Würden." Wien 1861.
„Prüfungs-Statut für die evang. Theologen A. u. H. C. im Amtsbereiche des
k. k. evang. Oberkirchenrathes." (Wien 1873.)
5. Vom Verleger Rudolf Roth in Stuttgart: „Eugen Schneider, Württcmbergiscbe
Reformations- Geschichte." Stuttgart 1887.
6. Von Professor Dr. A. Kirch ho ff in Halle: sein „Bericht der Central -Commis-
sion für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland." Berlin 1887.
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191
7- Von Alfred Grenser in Wien; Dr. Martin Luther's Verlobungsring und Reise-
löfifel (2 alte Kupferstiche). — Maske des Lutherkopfes für das Wormser Monu-
ment von Donndorf und von Rietschel (eine Photographie) nebst zehn diesbezüg-
lichen Zeitungsausschnitten. — Verzeichniss einer Sammlung von Schriften Luther's
und seiner Zeitgenossen.
8. Von Senior Medicus in Triest: Vier silberne Gedenkmünzen des Jubelfestes der
Reformation am 31. October, und zwar je eine von 1617, 17 17, 18 17 und eine
der Stadt Frankfurt a. M. 18 17. — Vier silberne Gedenkmünzen der Jubelfeier
der Augsburgischen Confession am 25. Juni 1730, darunter je eine von Augsburg
und Ulm. — Eine silberne Erinnerungsmünze an die Salzburger Emigranten vom
Jahre 1732.
9. Von Ministerialrath Ritter Brunner von Wattenwyl in Wien: Wiener evan-
gelisches Gemeindeblatt, Jahrg. 1874 und 1875 (3 Nummern) ; — Evangelisches
Kirchen- und Schulblatt, herausgegeben von J. Ergenzinger, Jahrg. 1875 — i88o; —
Halte was du hast. Evangelisches Volks- und Gemeindeblatt aus Oesterreich,
herausgegeben von Lic. Dr. Trautenberger, Jahrg, 1879, 188 1 ; — Protestantische
Blätter für das evangelische Oesterreich. Jahrg. 1863, 1864; — Der österreichische
Protestant, Jahrg. 1877 (incompl.), 1878— 1879, 1882— 1884 ; — Oesterreichisches
evangelisches Sonntagsblatt, Jahrg. 1882, 1883.
Für diese Geschenke dankt Namens des Centralvorstandes auf
das Wärmste
Alfred Grenser,
d. Z. Archivar.
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XII.
Namenregister.
Altpcrk Hieron. 23.
Avenarius s. Habennann.
Ballhorn Nikolaus 96.
Bechtold Jonas 106.
Becker Johann 65.
Behr Christoph 66.
Berka v. Duba 109.
Bila Friedr. v. 115. 121. 122.
127.
Birnstein (Bimstengel) Valentin
lOI.
Blümegen Graf 155 ff.
Böttiger Hans 65.
Borbonius Matth. 116. 128.
Boietzkj Wenzel 116.
Brücken thal Frhr. v. 148.
Budowetz Wenzel v. 115. 118.
120. 121. 122. 126.
Bünau V. 2. 3. 4. 5. 78.
Bürckner Daniel 96.
Butterschn eider David 36. —
Michel 40. — Anna 65.
Carl VI. 147.
Czernin Dionysius v. 115.
123. 127.
Czoha V. 43.
Dammer Peter 43.
Dietrich Lazarus 106.
Diwisch Nikolaus 116. 118.
Dorn Martin 109.
Drobitz Jakob 31.
Dröschl Johann 65.
During Josua 108.
Dwofetzk}^ Prokop v. I15.
127.
Egelthan Andreas 5. 29.
Ellingk Augustin 41.
Erasmus 98.
Etzelt Valentin 65.
Eyser Marcus 30. — Christoph
Ferber Georg 10. 29.
Fiedler Jakob 108.
Flader Georg 104.
Fock 189.
Förster Friedrich 108.
Francke Kaspar 65.
Frenzel Franz 108.
Friedrich II 148.
Frischeisen Georg 98.
Fritsch Matth. 9. 26. —
Hans 40.
j Fürgang Sebast. 96. — Joh.
1 Sebast. 99.
' Gabler Johann 107.
I Geipel Adam Adolf 105.
I Georg Friedr. 119. 122. 128.
I Gleichenberg Adalb. v. 10.
I Götzel Wolfg. 98.
Greulich Paul 36.
Grieshammer Otto Bernh. iii.
Grimm Kaspar 100.
Günther Wolfg. 106.
Gurck Johann iii.
Habermann 43. — (Avenarius)
Johann 98. 104.
Hacke Matthäus 109.
Hagel Johann 34.
Harrant Christ, v. 115. 121.
122. 126.
Hartmann Joh. u. Paul 108.
Haselmeyer Johann 102.
Hauenschild Georg 117. 120.
121. 122. 123. 127.
Hay Joh. Leop. v. 169.
Heineke v. 156.
Helfenburg Albin v. 27.
Hendschl Matthias 66.
Henne Gustav Adolf 105.
Herlich Georg 36.
Hermann Joseph 75.
Herschel B. 10. 25 27.
Hessler Raphael 65.
Hirschfeld Wilh. 8. 10. 26. 63.
Hochstätter Joh. 96. — Joh.
Adam 99.
Hofe Johann v. 100.
Hohenberg, die Herren v. 45.
Hohenfeld Rudolf v. 51.
Holfeld Jakob 36.
Hoschtäleck Maxim. 115. 123.
127.
Hoslauer Wolfg. 115.
Hoyos J. B. Frhr. (Gral)
53. 55
Hübner Martin 31. — Hans
43-
Hurdalek Joseph 171.
Jäger Matthias 65. — Kle-
mens Adam 100.
Jessenius Johann 115 ff.
Jörger Christoph Frhr. v. 45.
— Helmhard 52.
Joseph II. 129. 149. 153 ff.
Kamaryt Joh. 116. 128.
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193
Kaplif Kaspar v. 115. 122.
126.
Karban Lukas Il6.
Kaunitz Fürst 129.
Kautzky 171.
Kehl Georg 42.
Kekula Albrecht 62.
Khun Martin 136.
Kiessling Joh. Tob. 148.
Kindermann Ritter ▼. Schal-
stein 162.
Klinser Andreas 7. 33.
Kluge Dionys 65.
Knorr Christoph 100.
Kober Christoph 115. 123. 127.
Kochan Valentin 115. 123. 127.
Kohant Joseph 162.
Kohlschatter 65.
Kölbel V. Geissing, die Herren
2. 3. 6. 8. 62.
Koldltz Timo v. 80.
Kolowrat Albrecht v. 79. —
Graf 173.
Konetzschlumsk^ Wilh. v.
115. 122. 127.
Kotzour Andreas 116. 123.
127.
Kowan Anna v. 79.
Kozel Heinrich 116. 123. 127.
Krause Balthasar 165.
Kreutziger Kaspar 13. 14. 16.
19 ff.
Kriesche Jakob 9.
Kriner Georg 5. 9.
Kubin Joseph 116. 128.
Kuntze Jakob 65.
Kuttnauer Joh. 116. 123. 127.
Lange Andreas 99.
Lampadius Max Ludw. Bruno
112.
Langenberg Joh. 41.
Langenberger Joh. 65.
Liechtenstein Fürst 113. 114.
"7.
Lippach David Xi6. 117.
Lobkowitz Christ. Popel v.
21. — Wilh. Popel V. 114.
115. 120. 128.
Loss Heinr. Otta v. 115. 122.
127.
Luck 119. 128.
Lysthenius (List) Georg 100.
Major Augustin 108.
Maltzan Joachim, Beruh, u.
Georg V. 79.
Margelik 156.
Maria Theresia 147.
Matthias Kaiser 124.
Mauczka Franz 162.
Medier Nikolaus 96.
Melander 114.
Metzborg v. 165.
Michttlowitz Dion. v. 33. —
Bohusl. V. 115. 123. 127.
Migazzi 154.
Moller Joh. 36. 65.
Morus Andreas 100.
Muldener Georg 106.
Nagel 155.
Netter Peter 4. 6.
0(h)lischer Jerem. 10 1.
Pasta Georg 43
Patck 18.
PaUelt Christoph 66.
Peöka Paul 116. 128.
Pezolt Matthias 43.
Pietipesky Felix Wenzel 115.
120. 128.
Pilari(c)k Stephan 104.
Piscatoris Georg 27.
Pit erschwant Raimund 51.
Polandus Nikolaus 96. —
Victorinus 99.
Pomarius Samuel 102.
Porkh Ludw. 53.
Portenwändigs Andreas 65.
Prätorius Martin 31. — Barthol.
107.
Pretzschner Paul u. Joh. 95.
Prochlitz Simon 26.
Puschmann Joh. 108.
Quinos Bruno 109.
ftcöick;^ Georg 116. 123 127.
Reichel Tobias 40.
Reinel Kaspar 99.
Reviczky Freih. v. 165.
Rhäsus 100.
&6an Paul 115. 128.
Richter Johann 108.
Riedel Friedr. Jastus 129. 165.
Ring Philipp 65.
Rodinger Paul 9.
Rolle Ernst Herrn. 112.
Röscher Gregor iio.
Rosenzweig Margaretha 66.
Roth Heinr. 27. 67.
Rotte Joh. 65.
Rozin Elias 116. Il8. 128.
Rozmital Zdenek Leo v. 79.
Rüdinger Gottfried 102.
Rüppel Leander (Andreas)
117 flf.
Ruper Christoph 99.
Sahlhausen v. 2.
Salaburg Graf 147.
Sappuhn Georg Heinrich 103.
Schade Abraham 96.
Schedler 63.
Scheidemantel 129. 131. 165.
Scherzer Joh. Adam 99.
Schilling Val. 36.
Schimann 55.
Schindler Christoph 65.
Schirs Tilmann 36.
Schleifer Elias 5.
Schlick Joach. Andr. Graf
115. 118. 121. 122. 126.
Schmidt G. Chr. Sam. 189.
Schosser Joh. Ernst 34 ff-
Schulstein 162.
Schult(h)es Joh. 115. 123. 127.
Schulze Michael 64.
Schwertforb Joh. 48.
Sepeczky Andreas 160.
Seyffert Johann 65.
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194
Simon Johann 67.
Singer Dan. L. 53.
Sixt Joh. Theod. 115. Il8. 128.
Spaignard Gilbert de 102.
Stang Tobias 13.
Stark Sebastian Z03.
Steffeck Thomas (Tobias)
IIS 123. 127.
Sepaczek Andreas 160.
Sternberg Adam v. 80. —
Grafen 62.
Steyer Kaspar 3.
Stössel Joh. 13.
Sträbl Georg 27.
Strahlendorf Peter Heinrich
Frhr. v. 62.
Stueler Matthias 9.
Suschitzky Simon Il6. 123.
127.
Sutorius (Schuster) David iio.
Swehla Joh. 116. 128.
Szevecsek Georg 160.
Tectander (Zimmermann) Mar-
tin HO. — Heinrich iii.
Teyprecht Melchior 116.
Thaur Hielaus 36.
Thiclisch 150.
Tragk Woifg. 10 1.
Trautmann Barthol. 107.
Troll David 105.
Türmitzky v. Mücheln, die
Herren 2.
Uhler Kaspar 116. 128.
Ulbrecht Matthes 36.
Wagner Tobias 65.
Walter Christoph 27.
Wall(en)stein Adam v. 58.
59- 77« — Jo^- wnd Beruh.
V. 79. 80. 81. — Albert
u. Johann v. 79.
Wartenberg Otto Heinrich t.
66. — Wenzel v. 79. 83.
Weger Christoph 65.
Widmann Michael 116. 123. 127
Wielandt Joh. Andr. v. 131.
186. 189.
Wild(e)nauer 97.
Windisch Adam 36.
Wodniansky Nathanael 116.
123. 127.
Wokäf (Wockatsch) 116. 123
127.
Wosowitz Barthol. 65.
Wostrowetz Hans 115. 128
Wrschesowitz, die Herren ^
2. 9. 10. 80.
Zdvgta Georg 116. 128.
Zephel Adam 104.
Zimmermann Matthias 103.
Droek «oa «ilh*lm KfiUcr Wien. Tl. MolUrdf»»» 41
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INHALT.
Seite
I. Beiträge zu einer Geschichte der Reformation in Böhmen. Von Dr. R. Wolkan,
I. Das Dekanat Aussig i
II. Burg Hohenberg. (Ein Beitrag zur nieder österreichischen Reformations-
geschichte.) Von Dr. Eduard Bdhl 45
III. Beiträge zu einer Geschichte der Reformation in Böhmen. Von Dr. R, Wolkan.
I. Das Dekanat Aussig. (Schluss) .' 57
IV. Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und aus Sachsen. Von
Pfarrer ScheuffUr in Lawalde (Sachsen). III. (Fortsetzung) 95
V. Die Execution zu Prag im Jahre 1621. Mitgetheilt von JUC. Th, Molndr. II. 113
VI. Die erste evangelische Kirchenverfassung in Oesterreich. Von Dr. Gustav
Frank 129
VII. Miscellanca.
1. Aus Eibenschitz. /Dr. TratUenberger) 147
2. Verfahren der Kaiserin Maria Theresia gegen die Protestanten.
(G. Wolf) 147
3. Zwei Berichte Tobias Kiessling's aus Oesterreich 1782. (G. Frank) 148
4. Statistisches aus Wien. (O.) 150
VIII. Bericht des Central- Vorstandes über das Vereinsjahr 1886 151
IX. Josephina. (Zum Toleranzpatent. — Deisten.) Von G^ Wolf 153
X. Die erste evangelische Kirchenverfassung in Oesterreich. Von Dr. Gustav
Frank, (Schluss) I75
XI. Sechstes Verzeichniss der Geschenke für die Bibliothek und das Archiv
der Gesellschaft 190
XII. Namenregister 192
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Das „Jahrbuch der G«sell8chaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in Oest er reich", welches unter der Redaction des Präsidenten
(Dr. Karl Ritter von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. ^//A. Wf/*undDr. Theodor
Haase) und des Secretärs der Gesellschaft (Lic. Dr. Gustav Trauten berger) in viertel-
jährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in
Mittheilung von Urkunden, in Besprechungen und Notizen Alles, was sich auf die
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht.
Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit Freude begrüsst und von
der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden.
Hier einige Worte aus Recensionen:
„Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb-
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf
man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheissungsvollen Anfang theilneh-
mend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang unter Gottes Segen getrost
in Aussicht stellen."
„Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das
Jahrbuch seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und
ausser Oesterreich femer durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen.**
„Wie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeil und
Verschiedenheit des Inhalts den gehegten Erwartungen."
Theologisches Litter aturblatt (Leipzig) i8Ht. Nr. 20 u. SS- iS8j, Nr, jy.
„. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nachrichten über
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir
wünschen unsern österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang und
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische
Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 fl. jährlich leisten, unterstützende Mit-
glieder solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als Gründer einen einmaligen
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen."
Netu Evangelische Kirchenzeitung (Berlin) t88l. Nr. 22.
„. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten Doppel-
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum Theil höchst
interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen dem so glücklich
begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fortgang.
Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins unter
den Protestanten Oesterreichs das Seiniye beitragen!"
(Prof. Dr. Lipsius) Theologische Literaturteitung (Leipzig) 1881, Nr, IJ.
Das Jahrbuch „für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem
Wcrth und Interesse, aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen" u. s. w.
Theologischer Litteratur-Bericht (Gütersloh) iSSj. Nr. 8.
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redaction
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir . . . nur wieder'
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan-
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Prote-
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per-
sönliches und Allgemeines" u. s. w.
(Prof. Dr. Messner) Neue Evangelische Kirchenzeitung (Berlin) xSSj- Nr» 40.
„Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstätzung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treffliches
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschieh ts freund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoU sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen** u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung, Wien 1883^ Nr, 4103,
,. , . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations-historiscber Forschung auf
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen.*
(Prof. Dr. Zöckler) Evangelische Kirchenzeitung (Greifsw.) 1883. Nr. 48.
„. . . Es ist fiir uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wissen-
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
und nach jeder Richtung hin zu fördern.*
Evangelische Kirchcnxeitjmg für Oesterreich (Bielitz) 1884, Nr. /.
„. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben* u. s. w.
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift aus der Schweiz (Zürich) 1886. H. I. S. 61.
„Mit Freude begrüssen wir diese weiteren Jahrgänge der verdienstvollen Zeit-
schrift** u. s. w.
(Prof. S.-G.) Theologischer Litterattirbericht (Gütersloh) j88y, Nr. 4.
Zur Nacliriclit.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnaa bei Kulmbach in
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Central vor-
stände unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften :
^Geh nur davon, || Sey fromm für mir, || Gib Armen hier, || Ich bin dein Lohn.*
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf I. Mos. 12:
„Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm,
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild,
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron,*
Der Centralvorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) a I fi.
zu haben ist.
Druck von WUhrlra Kühler. Wien. Tl. MolUnlfr-iss« 41
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JAHRBUCH
der
Gesellscbaft für die Geschiclite des Protestanüsinas «
in Oesterreich.
Neunter Jahrgang.
•a*CE*
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt.
1888.
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JAHRBUCH
der
Gesellscbaft für die Geschicbte des ProtesWismos
in Oesterreich.
Neunter Jahrgang.
I. Heft.
Januar — März 1888.
~»^MS.<"
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt.
1888
Digitized byCjOOQlC
Inhalt Yon Heft I.
.Sc:-
1. Johann Mathesius. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte des nordwestlichen
Böhmens. Von Professor Dr. Loesche in Wien i
2. Extract der in materia religionis ergangenen k. k, auf die Gegenreformation
im Teschener Gebiete bezüglichen Verordnungen 1692 — 1781. Mitgetheilt
von Professor R. Fritsche j ,
3. Bücherschau:
A. Venetianer, Die evang.-reform. Kirche Cn'sto Salvatore zu Triest.
Triest 1887. fG. Frank) 5^
P. Schlegel's Chronik von Bensen. Bensen 1887. (G, Loische) ... ;;
4. Bibliographie 5-
5. Dritte Generalversammlung der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in Oesterreich ;
Zur Beachtung.
Wir ersuchen unsere Mitglieder, in ihren Kreisen für die Verbreitung d-
Gesellschaft thätig zu sein, und stellen zu diesem Behufe Exemplare der St.i:utr'
in gewünschter Anzahl zur Verfügung.
Laut Beschlusses des Centralvorstandes in seiner Sitzung am 27. Februar \%^:,
erhalten die Mitarbeiter am „Jahrbuch", vom fünften Jahrgiing (1884) an, nach Erscheii.--
des betreffenden Jahrgangs als Honorar pro Druckbogen sechzehn Gulden ö. W.
Die Mitarbeiter sind allein verantwortlich für den Inhalt und die Form .i-
unter ihrem Namen im Jahrbuch erscheinenden Artikel.
Den Mitarbeitern werden sechs Gratis - Separatabzüge ihrer Arbeiten na
Erscheinen des betreffenden Heftes von der Köhler'schen Buchdruckerei franco zugesendr-
Eine grössere Anzahl von Separatabzügen kann nur nach rechtzeitiger Verstau digiir^
der Herren Verfasser mit der genannten Buchdruckerei (Wien, VI. Mollardgasse 4.1
gegen Erstattung der Druckkosten gemacht werden.
Die noch rückständigen Beiträge bitten wir an unsern Cassier, Herrn H,
und Gerichts-Advocat Dr. Carl Ritter von Sääf (Wien, I. Ballgasse 6), ehebaldig-:
einzusenden.
Für das „Jahrbuch" bestimmte Arbeiten, sowie Zuschriften an die Gesellsclii!
sind ^An das Bureau der Gesellschaft, Wien, I. Dorotheergasse 16* zu richten
Der Centralvorstand
der Gesellschaft fiir die Geschichte des Protestanii^m.
in Oesterreich.
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Johann Mathesius.
Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte des nordwestlichen
Böhmens. ^)
Von Professor Dr. LOESCHE in Wien.
Während vielen der Reformatoren zweiter Ordnung bereits ein
würdiges Denkmal errichtet ist, harrt dessen noch der geistes-
mächtige, im Wort und Schriftthum fruchtbarste Prophet des wieder
aufgedeckten Evangeliums in österreichischen Landen.
Die von einem Familiengliede im ersten Lustrum des vorigen Jahr-
hunderts aus den Werken des Ahnen musivisch zusammengesetzte
und aus sonstiger Ueberlieferung mit Bedacht bereicherte, treuherzige
Lebensbeschreibung •) des ahen Joachimsthaler Lehrers und Kirchen-
engels ist zwar bis heut lobenswerth, voll Bewunderung und schreckte
alle fHiheren Berichte in's Dunkel Allein, abgesehen von dem alt-
vaterischen, doch nur den entschlossenen Alterthümler anmuthenden
Zuschnitt, sucht sie nach verschwundenen Quellen, die seitdem wieder
aufgesprungen sind •) ; und vor Allem : obwohl mitunter so mittheilsam,
^) Diese auf Wunsch reröffentlichte Skizze bietet im Wesentlichen die beim
Beginn des Studienjahres in der Wiener ev.-theol. Facultät von mir gehaltene Antritts-
rede. Sie kann sogleich als Programm gelten für die in Vorbereitmig befindliche, auf
bibliothekarischen und arthivalischen Studien beruhende Monographie über Matheshis'
Leben und Werke, mit Original-Urkunden.
*) Hm. M. Joh. Mathesii weyl. berühmten und frommen Pfarrers im Joachims-
tfaal L^ensbeschreibung | So da Seine Geburth | Anferziehung | Studia, Beförderung j
Tugenden | Ehestand | Priesterlidh-Exemplarisches Ende | und was sonst zu seinem
Lebenswandd gehört | Nebst einem Kern aus seinen Schriften in sich fasset | und
zusammengesuchet worden von Einem Mathesischen Nachkommen M. Johann Balthasar
Maäittiua Pfarrer in Brockwits, Dresden | bey Johann Christoph Zimmermann {
1705. -*- Mit dem Bilde des M. 10 Bl. u. 228 S. Ueber diesen Balth. M. v)g^. Jöcher^s
CSelehrtenlexikon 3, 290; Ergänz. 4, 990. Er starb 1737 als Superintendent in Würzen.
*) So S. 165, der Bericht von des M.'s Anfechtting. Er befindet sich in der
kgl. Biblioth. m Berlin: Drey Predigten Johan Mathesii. Nürnberg 1564.
Jahrbuch des Protcstantinaut x888. H. I. 1
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dass sie — unwillkürlich an eine Art der Goethe-Forschung erinnernd
— selbst die Leibgerichte des Gefeierten der Nachwelt zum ewigen
Gedächtniss aufbewahrt *), stellt sie bei Weitem zu wenig die wissen-
schaftliche, theologische und homiletische Bedeutsamkeit des Mannes
heraus. Der ehrwürdige Dekan Ledderhose von Neckarau, seit
Jahrzehnten unermüdet fiir christliche Unterhaltung wirkend, hat
auch Balthasar's Arbeit andächtig und liebevoll flir's Volk herge-
richtet. •) Der Geologe Laube mit seinen trefflichen, nur zu kurzen
Aufsätzen ') zum Besten des materiellen Aufbaues von Joachimsthal
nach jenem dies /r^7^-Brande vor fünfzehn Jahren, wie des geistigen
Aufbaues in der Erinnerung, wollte auf den Theologen nicht näher
eingehen. Der Anlage nach das Genaueste und Umfassendste, vor-
nehmlich in bibliographischer Richtung, hat der , Theologe der
Thatsachen*, ,der ewige Superintendent der hessischen Kirche* ^)
geleistet. Doch ist er über die Vorarbeiten, die auch nicht ohne
Unrichtigkeiten, nicht hinausgekommen. Pfarrer Abraham in seinen
verdienstlichen Jubiläumsblättern *) will nur den treuen Schüler
Luther's schildern. Die Artikel in den Sammelwerken lohnen nicht
immer das Aufschlagen. *)
So ist der noch zu Gebote stehende Stoff zu gross, um nicht
einen umfassenden Neubau zu fordern. An tausend Predigten liegen
gedruckt ') vor, in welche autobiographische und andere das Arbeits-
feld erhellende Mittheilungen in willkommenem Reichthum einge
^) S. Ii8. — ') Das Leben des M. Johann \fathesius, des alten Bergpredigers im
St. Joachimstbal, Heidelberg 1849.
«) Aus der Vergangenheit Joachimsthais. Prag 1873. Separat- Abdruck aus den
„Mittheil. d. Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen." — *) Kirche und
Welt oder die Aufgaben des geistlichen Amts in unserer 2^it. Gesammelte pastoral-
theologische Aufsätze von Dr. A. F. C. Vilmar. 1873. Gütersloh. 2, 247 — 363, mit
Ergänzungen und Berichtigungen von Pfarrer Müller. — *) J. M., der treue Jünger
Luther's. Wittenberg 1883.
«) Grosses Universal- Lexikon aller Wissenschaften und Künste. 19. Bd. 1739.
S. 2ii6f. Jöcher a. a. O. 3. Bd. 1751. S. 289 f. Ergänz. 9. Bd. 1813. S. 989. Allgem.
Deutsche Biogr. Bd. 20. 1884 von Ledderhose. Ganz besonders unbefriedigend: Plit!
in der R. E. 2. Aufl. 9. Bd. 398.
7) Eine, zur Krönung Maximilian's 1562, ist mir handschriftlich in der Wiener
Hofburg-Bibliothek Vol. VII. N. 11.580 begegnet, deren Druck ich bis jetxt nicht
wahrgenommen. — Erwähnenswerth ist auch der Posten in der Kammerrechnung
Maximilian's im Juni 1570, ebd. Cod. Ms. N. 9089: Beuelch Irer Khay. Ms. etc. Johanni^
Mathesii Erben welliche Ir. Maj. etc. ain schönne Inluminirts Hausspostill verert geben
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ordnet sind. Dazu gesellt sich des Mathesius Joachimsthalische Chronik
an seiner Sarepta, leider in lakonischer Kürze, im Lapidarstil ; ferner
die an ihn gerichteten Briefe *), zu denen nun auch eine ganze Reihe
von ihm ausgegangener treten. Bis jetzt sind nur drei Briefe des
Mathesius gedruckt, an Joh. Marbach '), an einen Magister Caspar ') und
an seinen CoUegen Frank *). Ausserdem werde ich veröffentlichen :
aus der Gothaner Schatzkammer ^) die an Paul Eber und Melanthon;
die aus der CoUectio Camerariana in München; die Correspondenz
mit dem Juristen und Vorsteher der Wiener Hofbibliothek Caspar
Nydbruck •) ; die Zeilen an den Leipziger Professor Donatus Cami-
tianus in der Annaberger Kirchenbibliothek; sowie endlich die an
Caspar Peucer und Joh. Gigas, welche die Wallenberg'sche Kirchen-
bibliothek in Landshut i. Schi, hütet. Wie immer Briefe ein unschätz-
barer Gewinn sind für den Biographen, weil sie meist in dem Inner-
sten des Schreibers lesen lassen, so auch diese. Naiv und geistvoll,
humoristisch und wuchtig, bang und siegesgewiss athmen sie den-
selben Geist wie die Predigten. Sie lohnen die nicht ganz geringe
Mühe der Entzifferung; die an den geliebten Meister Philippus
erinnernde, doch undeutlichere Handschrift verschlechtert sich noch
durch zunehmendes Alter und Rheumatismus im Arm, so dass für
die Presse Amanuenses herbeigezogen wurden ').
Zu der epistolaren Fundgrube kommen die erst zum Theil verwer-
theten Documente und Nachrichten aus den Missiv- und Copialbüchern
sowie den Rathsprotokollen im Joachimsthaler Magistrats-Archiv ; aus
den Copulations- und Todten-Matrikeln in der dortigen Dechantei ®) ;
schliesslich sind auch herbeizuziehen die handschriftlichen Chroniken
80 Taller — 90 fl. 40 kr. — Dies Exemplar ist jedenfalls das noch heut auf der
Hof-Bibl. befindliche (21. C. 18), mit colorirten Holzschnitten. Diese Ausgabe ist auch
bei Vilmar nicht notirt. Schon die i. Ausgabe 1565 war Maximilian gewidmet.
1) Bei de Wette; Corpus Reformator, und Supplement v. Bindseil; Krause,
Koban ^ess. 2, 195. — ') In Fechtii histor. eccl. seculi XVI suppl., Durlach 1694.
pg- '3' — ') Beilage zum Corp. Ref. VI, 251, N. 2, 3581 a. — *) In dem Bericht über
seine Schwachheit; vgl. oben S. i, Anm. 3. — «) A. 123. — 8) Vol. VI, S. 71.
Briefwechsel mit N. 9737 i. e. k. — '') Vgl. z. B. Brief an Nydbruck 9737, k. fol.
167. Die Handschr., die ich bisher von den gedruckten Werken des M. in Rochlitz,
Nürnberg, Wien gesehen, sind, wie jene Krönungspredigt, von Amanuenses geschrieben.
') Herrn Bürgermeister Dr. med. Langhans und Herrn Dechant Lindner möchte
ich bei dieser Gelegenheit meinen Dank fUr ihr freundliches Entgegenkommen aus-
sprechen; nicht minder Herrn Pfarrer D. Enders in Oberrad, der zuerst mich auf jenes
Archiv aufmerksam gemacht.
1*
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von Seltenreich, dem Stadtschreiber *), Miesl *), [Wüst') und Böhm*)],
sowie die Acten des k. k. Statthalterei-Archivs Prag.
Vfel ist verloren. Die Städte und Acten des Erzgebirges sind
fast alle einmal und öfter von Feuersbrünsten heimgesucht worden.
Anderes wurde während der Gegenreformation, hier von Freunden,
dort von Feinden, beseitigt; die klösterlichen Waschküchen haben
viel BrennstofiF verbraucht. *) Vielleicht am schmerzlichsten ist der
Verlust eines Tagebuches des Mathesius; er schreibt nämlich am
15. Juni 1550 an Paul Eber ®), dass er in den von diesem verfessten
historischen Kalender ') Vieles aus seiner und der Seinigen Ge-
schichte einzutragen pflege. ')
Wie Martin der Einzige gehörte auch Mathesius dem Sachsen-
stamme an, welcher zuerst sieghaft gegen die römische Sklaverei
sich erhob und damit bewährte, dass die vom grossen Karl so grausig
niedergetretene Urkraft noch immer zu höchsten Thaten sich erstraffen
konnte. Zwar war in dem Beruf von Johann's Vater sein Wirken
als Fundgrübner nicht in gleich wunderbarer Weise symbolisirt.
\vie bei Hans Luther. Aber das meissnische Rochlitz % wo er am
Täufertag, 21 Jahre nach dem Reformator, in einem durch Theurung
^) In Joachimsthal; sie reicht bis 1580, wurde von anderer Hand fortgesetzt bis
160 1 und hat noch einige Notizen zu 1655 u. 1669.
>) Im böhmischen Museum zu Prag, aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. M. war
k. k. Oberamts-Actuarius in J. Er berichtet meist in fortlaufender Erzählung, ron
Beginn bis 1545 mit seitenlangen Auszügen aus Mathesius, in dessen Lebensdaten die
tollste Verwirrung angerichtet ist. Die verheisscne Fortsetzung und ein oft dtirtcs
Buch mit Urkunden ist verschwunden. Die anderen im Museum aufbewahrten J. Acten
kommen für uns nicht in Betracht.
») „Geschichte der freien kgl. Bergstadt Set. J.« vom k. k. Bergrath Wüst. c. 1813
im Archiv der k. k. Berg- und Forst Verwaltung in J., reicht bis 1545. Sie meint,
erst 1517 sei J. protestantisch geworden, als Martin Luther vom Geist der Geilheit und
Ehrfurcht (sie ! statt Ehrsucht, Worte Miesl's) getrieben, abtrünnig wurde. W. versucht
einige Correcturen der Sarepta, die in eigenthümliches Licht treten durch die auf
15 Zeilen über M. gebotenen falschen Nachrichten. — *) c. 1862 aus Sareptu und Miefl
in der Dechantei. — ») Vgl. dies Jahrbuch II, 65. — •) A. a. o. S. 242. — ^ Ueber
diesen vgl. Strobel's neue Beiträge I, 156. — s) Die glücklichen Finder von Hdschrfm
des M. werden um gef. Mittheilung gebeten.
•) Vgl. Heine's Chronik der Stadt R. Leipzig 17 19. Heine'« Chronik wird
ergänzt und fortgesetzt in der des R. RathsthÜrstehers Büttner, gest. wohl 1783, welche
kürzlich auszugsweise aus dem Manuscript veröffentlicht wwrde, in „Vereinigtes Wochen-
blatt für Rochlitz« 1887, N. 116 fr. — Chronik der Stadt Rochlitz und Umgegend.
Hrsgg. von Bode 1865.
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5
und grosses Sterben dem Chronisten bedeutungsvollen, in die Welt
trat, war doch auch eine Bergstadt. Man fand hier Silber und Kupfer,
und mit dem Rochlitzer bunten Marmelstein war die Wittenberger
Thesenkirche gepflastert. Der alte Wolfgang Matthes war Senator
und wohlhabender Gewerke, wir würden sagen, Actionär an jenem
nur kurz blühenden Bergbau. Es gereicht dem Sohn zu besonderer
Genugthuung, berichten zu können, dass der Vater nicht nur mit
Lust in einer deutschen Postille gelesen, sondern auch eine ganze
deutsche Bibel ersehnte. Er hielt sogar auf die Frage, weshalb er für
die Seinigen keine Seelenmessen halten lasse, nicht zurück mit dem
scharf gespitzten Ausdruck des Zweifels an deren Wirkung. Trotz
solcher evangelischer Keime, deren auch die Beginen ausstreuten,
welche, seit lange in ketzerischem Verdacht, ihre sittliche Würde
in diesen Gegenden besser zu wahren gewusst *), musste noch viel
Wasser in die Mulde fliessen, ehe die Wahrheit siegte. Für sie wirkte
hier, als in ihrem Witwensitz, erst Herzog Georg's Schwiegertochter
seit 1537. *) Der Aberglaube scheint daselbst in besonders heidnische
und zugleich cynische Formen sich gekleidet zu haben.
Anders wie Luther, dessen Eltern der Prügel-Pädagogik huldigten,
durfte Mathesius an den milden, mit Güte lockenden Vater, dank-
bare Erinnerung pflegen. Ueber die gewiss früh verblichene Mutter
schweigt die Ueberlieferung. Um so beredter lobt sie die Gross-
mutter, welche ihrem begabten Enkel durch neun Jahre einen Haus-
lehrer hielt, obwohl er die Schulen besuchte, erst im Heimatsort,
dann in dem benachbarten Mittweida, das uns heut nahe steht als
Geburtsstadt Tzschirner's — welcher des Wieners Schröckh Riesen-
werk fortsetzte — sowie des Niederwald-Künstlers Schilling. Noch
in den Knabenschuhen stehend wurde Johann Zubusseinnehmer
daheim bis zum Tode des Vaters. Dieser hatte sein Vermögen
verloren; wir vernehmen plötzlich, dass der Sohn, wiederum in
Mittweida, lediglich von Almosen erhalten wird. In solcher Armuth
theilte er, als Nürnberger Schüler seit dem Jahr des Wormser
Triumphes, Luther's Jugendschicksal, als Partekenhengst mit seinem
1) Uhlhorn, Die christliche Liebesthätigkeit im Mittelalter. 1884. 3S5, 389.
<) In den noch heute die Stadt malerisch überragenden ThÜrmen des RochliUer
Schlosses schmachteten Georg Major und Caspar Peucer und konnten den von dem Chro-
nisten Melchior Mathesius aufbewahiten Volkswitz an sich erproben: Wer die Rochlitser
Jupcn an hat, der erfriert nicht, auch fressen ihn nicht die Wölfe. Bode, a. a. O. 32.
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schönen Gesang hausiren zu gehen *), obwohl ein Vetter Rector an
St. Sebaldus war. In Nürnberg musste sein Horizont sich erweitern.
Erreichte doch dies deutsche Venedig — das Auge und Ohr Deutsch-
lands — damals seine Sonnenhöhe in merkantiler, politischer und
künstlerischer Beziehung. Noch nicht lange war Adam Krafft ver-
blichen, der so lebendig wahr und innig Scenen aus dem Leben
des Heilandes gemeisselt. Vor wenigen Jahren hatte Veit Stoss sein
berühmtestes Marienwerk geschnitzt, voll Wärme und Anmuth;
Peter Vischer das Sebaldus-Denkmal vollendet, in der geistreichen
Vereinigung des gothischen Stils und der Renaissance-Formen; hatte
Albrecht Dürer seine zweite, wohl fruchtbarste und vielseitigste
Periode abgeschlossen, der Schüler Michael Wohlgemuths, welchem
das bis heut berühmte Altarbild der Rochlitzer Kunigundenkirche
zugeschrieben wird. Damals mag ein Gemälde Dürers den Mathesius
bewegt haben, durch das er nach fast einem halben Jahrhundert
in einer Leichenpredigt die Dogmatik illustrirt. *) In Dürer •) und
seinem vertrautesten Freunde, dem glänzenden mäcenatischen
Humanisten, dem stürmischen Satiriker Wilibald Pirkheimer *) trat
das reformatorische Element dazu. Sie standen der Staupitzianischen
Gesellschaft nahe, dem auserlesenen Kreis, der sich um die Kanzel
des geistlichen Vaters und Förderers Luther's schaarte, wenn diesen
seine Generalvikars-Pflichten in die Stadt führten. Luther hatte hier
auf der Reise nach Augsburg gerastet. Den ,Martinianem* nahm
der Dichter - Schuster das Lob aus dem Mund, welches er in der
Wittenbergisch Nachtigall durch Berg und Thal klingen liess, so
frisch und frei wie keins der schulgemässen Bars und Stollen. •')
Das einst mit Rom und Köln wegen seiner , Frömmigkeit* in
Parallele gesetzte Nürnberg «) war eine der ersten deutschen Städte,
welche die reformatorische Lehre annahm und durchführte. Manche
der Werke des Mathesius sind hier gedruckt ; noch heut bewahrt das
Germanische Museum ein kostbares Andenken an ihn, in Gestalt
des Codex seiner Niederschriften von Luther's Tischgesprächen. ')
*) Ueber das traurige Loos eines solchen Buben verdient die ergreifende Schilderung
verglichen zu werden in der nach Mathesius' Einführung einsetzenden Vorrede Nikol.
Herman's zu den Historien von der Sündfluth. 1562. — •) Leychpredigten, 1559.
Nnn. 2b, Syr. (1589) 3, 57b. — ») Zucker, A. D. 1887. — ^) Friedrich Roth, WUibald
Pirkheimer. 1887. — »j Rudolf Gen6e, Hans Sachs* Leben und ausgewählte Dichtnnges
1888, S. 13. — «jRoth, a a. O. S. 47, vgl. auch desselben: Einführung der Refor-
mation in Nürnberg. 1885 — 'j Hdschr. 20, 994 --20, 996 von Fol. 499 b — 599 h
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Von Nürnberg wanderte der Jüngling auf die noch junge aber
schnell emporblühende Universität Ingolstadt, eine der untergegan-
g^enen Hochschulen, auf die kürzlich Riggenbach *) wieder hinwies.
Sie war damals schon, nach dem Wunsch ihres hochgesinnten Stifters,
Ludwig des Reichen, eine Hauptpflegerin des Humanismus. Hier
hatte Urbanus Rhegius gewirkt, dessen Namen seinen Charakter
bezeichnet^ der spätere Reformator Lüneburgs ; Hubmaier, der dann
als Täuferapostel bei Wien den Scheiterhaufen besteigen musste.
Noch gehörte ihr an und beherrschte sie der grosse Klopffechter
Dr. Eck, dessen bezahlter, scrupelloser und eitler Fanatismus die
verheissungsvoUe Schöpfung schnell zu Grunde richtete. Mathesius
dürfte Zeuge der Tragödie Seehofer's gewesen sein, der, nach
Melanthon's Heften docirend, zum Widerruf genöthigt wurde, wor-
auf Argula von Grumbach, von ihrem Vater in Luther's Schriften
und die Bibel geführt, der gesammten Universität den Fehdehand-
schuh hinwarf und sie zu einer Disputation herausforderte*).
In München konnte er — ohne wirklich Nahrhaftes zu finden
— seinen Lesehunger stillen in Diensten der Bibliothek eines Herrn
vom Hofe. Er erfuhr hier die Wahrheit des Spruches: Kinder und
Narren reden die Wahrheit; denn der Hofnarr Löfifler wurde ihm
ein Prophet auf Luther '). So ist der bayrische Freudenmacher in
den Annalen der Reformationsgeschichte verewigt wie der be-
rühmtere Friedrichs des Weisen ; gewiss ist durch Klaus Narr, dessen
Schwanke mehrmals gedruckt wurden^ Luther in der Widmung an
Amsdorf vor dem Appell an den christlichen Adel zu dem Scherz
veranlasst worden, er wolle auch einmal Hofnarr werden. Eine Frau
Cotta fand Mathesius in der Nähe von Augsburg auf dem Schloss
Adelshausen, wo er mehrere Jahre als Informator weilte. Dort be-
kam er im Jahre der Freilassung der Stände auf dem Speyerschen
Reichstag auch den ihn befreienden Sermon Luther's von den guten
Werken in die Hand; diesen für Laien geschriebenen, zu einem
sittlich-christlichen Leben anweisenden Tractat, zugleich eifernd gegen
die Wölfe in Schafskleidern ; die erste eingehende Ausfuhrung über
das Verhältniss von Glauben und Werken in einer deutschen Schrift,
in welcher Luther sein Bestes niedergelegt zu haben hoflfte*). Da
*) Untergegangene deutsche Universitäten. 1887. — *) Seehofer von Mathesius
erwähnt in seiner Luther-Historie. 5. Pred. — «) Flögel, Geschichte der Hofnarren.
1789. 212. — 4) Köstlin, Luther. I. 308 f.
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ward ihm sein Ds^mascus; er bekennt, nun erst den Anfang seines
ChristentlHinis erlernt zu haben. Die JerichchPosaunen dessen, der
mehr als Josua, aus demselben Jahre des Sermons haben damals
sdn Ohr nicht erreicht ; daher er ihrer in den Lutherfaistorien *)
nicht in hervorragender Weise gedenkt. Wie wenig seine neue
Stimmung ein jäh aufloderndes und ebenso rasch in sich ver-
sinkendes Strohfeuer war, beweist, dass er Schritt vor Scteitt vor-
anrückt, unermüdlich den grossen Wundermann und theuren deutschen
Propheten in seinen Werken, in seinem Hause studirt. Dessen erstes
Bekenntniss vom Abendmahl entdeckte er bei dem Pfarrer Weixner
zu Brück an der Ammer, der ihn ein ganzes Jahr in seiner Wohnung
mit Stube, Tisch und sehr guten Büchern versorgte. Besondere Stär-
kung gewann er auch durch den persönlichen Verkehr mit Dr. med.
Petrus Widmann, später in Königgrätz. In der Vorrede zu den
Leychpredigten rühmt er ihn öffentlich : mit dem ich über 30 Jahre
beständige Freundschaft gehalten, drum dass er mich erstlich in
Bayern zur reinen Lehre brachte; und in einem Brief an Paul Eber •)
empfiehlt er diesem auf's Angelegentlichste des Verstorbenen Sohn.
Es hielt ihn bald nicht mehr in Bayern, er machte sich au( nach
Wittenberg. Trotz Entbehrungen, trotz Gefahren von Wassern, Ge-
fahren von Mördern langte der Wanderer im Protestationsjahr
glücklich im Mittelpunkt der Weltbewegung an. Sofort am Tag^e
nach der Ankunft hörte er Luther predigen, dessen kurzen und
seligen Bericht von der Taufe, die verleugnet war von Allem, was
im Pabstthum der rothen Braut von Babylon Malzeichen und Brandmal
angenommen, wird er nicht vergessen, so lange er Athem im Leibe
hat'). Dank einem Rochlitzer Stipendium lebte er hier, wenn aach
begcheiden, doch nicht in Sorgen um das Nöthigste, in inniger
Freundschaft tüchtigen, emporringenden Männern gesellt. Für die
geistige Diät war der Tisch überreich gedeckt mit theologischer und
humanistischer Kost. Er hörte Luther in vierzig Wochen die 22
letzten Capitel im Jesajas anlegen: ,aus dieser Lection bin ich oft-
mals voller Trost und Freude heimgekommen* ; Dr. Pomcranus
exegesirte die Korintherbriefe, über die auch Mathesius später 163
Predigten herausgab ; Justus Jonas Psalmen. Aurogallus las hebräische
Grammatik und hätte in den Reden dieses Schülers reiche Früchte
seiner Unterweisung gewahren können. Melanthon trieb den Römer-
i) 2. Pred. — »J A. a. O. 254. — ») Luther-Historien, Pred. 7.
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brief, Dialektik und Rhetorik, daneben wie Tulichius Cicero; Vach
Virgil, Caspar Cruciger Terenz; wie unzählige Male begegnen wir
diesen Alten in der Joachimsthaler Kirche! Ohne das Studium der
Alten, bekennt Mathesius, würde er die gemalte und figürliche Art
und Weise der biblischen Sprache vielfach nicht verstanden haben ; doch
drückt er jene wieder nieder, indem er der philonischen und kirchen-
väterlichen Naivität folgt, dass bei den merkwürdigen Parallelen
die Männer der Antike nur biblische Geschichten carikirt hätten:
die guten Leute haben wohl läuten hören, aber nicht zusammen-
schlagen. Auch Realien trieb der Bergstadtssohn in unbewusster
Vorbereitung auf sein sareptanisches Wirken. Volmar las Theorie
der Planeten, Mülich Himmelskunde; auch Paul Eber pflegte natur-
geschichtliche Interessen *). Es musste dabei nicht wenig spornen, von
einem Luther zu hören, es sei ein gewaltiger Irrthum, wenn man
meine, die Philosophie und die Kenntniss der Natur seien für die
Theologie unnütz *). Mathesius scherzt später einmal in einem Briefe '),
dass schon sein Name ihn zur Mathematik dränge. Freilich waren
ja damals diese physikalischen Studien überwiegend philologische *),
vorzugsweise auf genauer Erforschung der Alten beruhend ; aber die
»Reinigung der Texte der alten Quellen rief die ersten Anfänge
besserer Naturerkenntniss hervor* und ihre Durcharbeitung kam dem
Mathesius trefflich zu Statten, als er später als Bergprediger der
Empirie sich widmen konnte. — Manche seiner Lehrer wurden
seine Freunde, wie die Briefe an Melanthon und Eber beglaubigen.
Nicht lange, . kaum ein Jahr, war ihm vergönnt, der Constella-
tion so erlauchter Namen sich zu freuen ; denn im Jahre der Augs-
burger Confession wurde er Lehrer an der Altenburger Schule, um
schon nach zwei Jahren zum Rector im böhmischen Joachimsthal
aufzusteigen, wo er sein Lebenswerk finden sollte. Sein Vorgänger,
Petrus Plateanus, war einem Ruf als Professor der Rhetorik in Mar-
burg gefolgt. Es lohnt sich in mancher Richtung, einen Blick auf
den merkwürdigen Ort*) zu werfen.
*) Sixt, Paul Eber, 1843 ^^^^ «857. Mathesius verspricht ihm 1552 Erzstufen als
Lehrmittel zu senden; Brief an ihn, a. a. O. 251. — •) Köstlin, a. a. O. i, 475. —
') Gothan. Mnscr. 83. — *) Geiger, Renaissance und Humanismus 1882. 494 f- —
*) Mathesius' Sarepta, 1571. Vorrede. Pred. 9, Anf. u. Fol. n7 a, n8 a b. Pred. 12, Anf.
Laube, a. a. O. und die von ihm genannten Quellen, namentlich Sternberg, Umrisse einer
Geschichte des böhm. Bergbaues. 1836—38. i, 312—428. Hering, Gesch. d. sächs. Hochl.
1828. I, 322. 381. 2, 23. 28. Kapper und Kandier: Das Böhmcriand. 1865. Mit Dlustrat.
Schlesinger, Gesch. Böhmens. 2. Aufl. Prag 1870. 434, 36, 47. 526, 28, 33, 43. ^53«
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10
Joachimsthal, etwa zwei Meilen von Karlsbad, genannt nach
dem edlen evangelischen, auch von Luther*) mit Briefen und der
Widmung einer Schrift beehrten Grafen Joachim von Schlick •), wel-
cher das Gebiet zu Lehn erhalten, und zugleich nach dem Heiligen,
sodass es zur heiligen Familie der Bergstädte ") gehörte, romantisch
die Thalschlucht sich hinab lagernd, zählte erst sechszehn Lenze.
Im Anfang des Jahrhunderts ein armseliges, zur Herrschaft Schlacken-
werth gehöriges Dörfchen, unter dem Namen Conradsgrün*), war
es, Dank seiner unsichtbaren Welt, emporgeschossen, wie — nach
Laube's Vergleich — in unseren Tagen Städte in Amerika und
Australien. Die Fremden wurden an Prag, Bologna, Padua, Erfurt
gemahnt.
Man erzählt, das Silber wuchs an mehreren Stellen zu Tag her-
aus und bildete förmlich Zapfen, sodass man es mit Meissein ab-
schrotten konnte. Nächst dem gräflichen Schlosse Freudenstein auf
überragender Höhe — in dessen Ruinen noch heut der Feuerwächter
thront und die Schichtzeiten abläutet — fand man beim Fällen der
Bäume gediegenes Silber in die Wurzeln hineingewachsen. 1520
zählte die nun freie Bergstadt bereits an ICXX) Zechen, 8000 Berg-
leute, 800 Steiger und 400 Schichtmeister. Schon seit dem Jahr
vorher wurden vom eigenen Münzamt Schlickenthaler geprägt, die
bald in Joachimsthaler umgetauft wurden. Also die in Deutsch-
land, in Dänemark und den Vereinigten Staaten Nordamerikas an-
genommene Münzbezeichnung ist aus diesem engen Thal in Cors
gesetzt, wenn auch die vorzüglichere Etymologie auf das in der
mittelalterlichen Münzsprache gebräuchliche Talenter fuhrt*).
Der märchenhafte Silbersegen von Schneeberg schien sich hier
zu wiederholen. Aber die Berge, von denen die ewige Hilfe kommt,
den Reichthum, welchem Diebe nicht nachgraben, hat erst Mathe-
sius voll und ganz diesen Schatzgräbern erschlossen ; denn wesentlidi
durch ihn nahm die , Metropole des böhmischen Erzgebirges* einen
1) Köstlin, a. a. O. i, 664. — <) [„Zur ältesten Geschichte der Schlick« vgl.
GradI, Jahrbuch der k. k. heraldischen GeseUschaft „Adler<< in Wien. XIII. Jahrg.
und die Quellen daselbst.] — *) Mit Marienberg, Jöhstadt (Josefstadt), Annaberg.
^) Das Königreich Böhmen. Ein historisch-statistisch-topogr. Handbuch. 1840.
2 Bde. Die Zusammensetzung mit ^Grün*' ist sehr beliebt; allein im Elbogener Kreis
an fünfzig Mal. — ^ Rückblick auf Annabergs und seiner Umgebungen Vorzeit. Anna-
berg 1855. 2. Hfr. 67. 79. Klotzsch, Kursächs. Münsgeschichte. 1779. 201.
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Ehrenplatz ein unter den Burgen des Protestantismus wie unter den
Culturstätten. Zwar war er nicht der erste Lichtbringer ; Joachims-
thal war fast von Anbeginn protestantisch. Die Verbreitung des
Evangeliums ging allerdings in Böhmen ungeachtet der hussitischen
Wegbahnung nicht so rasch vor sich als in Oesterreich. Aber der
Bergbau in diesen Gegenden beruhte ausschliesslich auf deutschem
Fleiss; da die Zahl der einheimischen deutschen Arbeiter massig
war, zogen aus den benachbarten deutschen Ländern viele gewiegte
Bergmänner in's böhmische Gebiet ; mit ihnen kam der Protestantis-
mus. Elbogen erfreute sich schon 1523 einer protestantischen Kirchen-
ordnung. Der Erzpriester des Elbogener Kreises, Thusl, hatte sich
zuerst der neuen Thalgemeinde annehmen wollen und »einen Fuss
in die Kirche setzen*, wie sich auch die benachbarten Klöster bei
den Herren Schlicken bewarben, ihnen neue Niederlassungen zu
gestatten. Doch hat jener Archidiakon von Falkenau nie im Thal
residirt, sondern nur eine kleine Zeit Vicare daselbst gehalten und-
>die römischen Ceremonien sich unterfangen anzurichten. Dieweil
aber der Schwan begann in Sachsen zu singen . . ., berathschlagt der
fromme Herr Graf Stephan Schlick mit seinen Herren Brüdern und
Vettern, wie man den Erzpriester dahin vermögen möchte, dass er
sich dieser Gemein gütlich verziehe. Darauf ist ihm etlich Geld er-
legt worden. Also ist durch die Herren Schlicken das jus patronatus
und Bestellung dieser Kirchen neben anderen Privilegien und Frei-
heiten dem Rath und Knappschaft . . . eingeräumt. Da nun durch
das Concil zu Basel, dieser löblichen Krone zu Behem, auch her-
nach durch aufgerichte Compactata und Verträge den Hussiten ver-
möge des Herrn Jesu Christi Wort und Einsetzung bewilligt und
zugelassen ward, sich des Abendmahls des Herrn nach dem Befehl
des Sohnes Gottes und Exempel der ersten Kirchen seliglich beider
Gestalt zu gebrauchen, ist mit zeitigem Rath bedacht worden, die
rechte Austheilung des hochwürdigen Abendmahls einzuführen. Also
ist diese Kirche anfanglich zum rechten Brauch des Abendmahls kom-
men. Weil aber des Erzpriesters Vicarien im Lehrampt säumig waren
und es wohl Strafens, Lehrens, Berichts und Vermahnung bedurfte
bei dieser neuen Gemein*, machte der Rath von seinem Patronats-
recht Gebrauch, und fing an die Prediger zu berufen *). Nur allmäh-
lich hat sich ein echt lutherisches Kirchenwesen auswirken können;
* Sarepta, Predigt 12, Anf.
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12
erst mit Mathesius gewann es rechten Bestand. Doch zunächst kam
er nicht als Pfarrer, sondern als Rector. Wo das Evangelium züadete,
wurde der Jugendunterricht alsbald eine Herzensangelegenheit. Nicht
als ob Luther's gewaltiger Weckruf an die Rathsherren der deutschen
Städte aus Nichts hätte Schöpfungen erstehen lassen *). Niedere und
höhere Schulen gab es allenthalben; wir hören 1470 die Mahnung
eines Theologen : man soll die Kinder frühzeitig zur Schule schicken
bei ehrbaren Meistern; wir haben verschiedene Nachrichten über
fleissigen Besuch und einen geachteten Lehrerstand und gegen Ende
des 15. Jahrhunderts zog unter dem Einfluss des Humanismus naehr
die gelehrte Richtung in die Schulen ein. — Das Gründungsjahr
der Bildungsstätte, deren Rectorat der 28jährige Mathesius über-
nahm, ist nicht genau zu ermitteln, da die alten Acten auch hier
wieder verbrannt sind. Vogl*) hat wohl Recht mit der Annahme,
dass sie schon damals eine Lateinschule gewesen. Mathesius war
der siebente Rector und hatte gewiss wenigstens fünf Lehrer
unter sich. Der Ruf der Anstalt verbreitete sich bald durch ganz
Deutschland; das Gebäude wurde bereits im nächsten Jahre vcr-
grössert, binnen Kurzem ein Haus des Grafen Schlick bezogen «nd
wiederum an dieses ein Anbau nöthig. Eine Liberey fehlte nicht;
sie enthielt sogar einige Kostbarkeiten •). Des neuen Schulmonarchen
Regierung wird durch zwei Momente hinreichend gekennzeichnet;
er führte trotz manchen Spottes darüber den Katechismus ein und
liess griechische und lateinische Comödien spielen. Letzteres nament-
lich war damals weit und breit im Schwange, und Terenz der er-
klärte Liebling.
Luther hatte die dramatischen Aufführungen gebilligt, sowohl
zur Uebung im Sprechen der alten Sprachen, als wegen der Weis-
heits- und Sittensprüche in den classischen Dramen, Melanthon em-
pfahl besonders das Studium des Terenz, dieses Lehrers des Lebens
*) Geiger a. a. O. 387, vgl. auch : Kämmel, Geschichte des Schulwesens in dem
Uebergange vom Mittelalter zur Neuzeit. 1882. — *) Die alte Lateinschule in Joachims-
tlifll in ^Mittheil. d. Vereins för Geschichte der Deutschen in Böhmen''. 1871. 164.
•) Vogl, Die Liberey von Joachimsthal. Ebd. 1872, 215. Die Bibliothek ist
mm grossen Theil erhalten. Herr k. k. Adjunct Naaff hat begonnen, einen peinlich
genauen Zettelkatalog anzufertigen, den er hoffentlich vollenden wird. Durch Ablöencg
von Vorblättern, die wohl durch Feuchtigkeit des früheren schlechten Aufbewahrungs-
ortes an den Deckel geklebt waren, hat er werthvoUe Aufschriften enthüllt; so na-
mentlich ein Gedicht des Johann Major.
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und der Rede ; fast kein Buch sei würdiger, in aUer Hände zu sein
als Terenz ; die auf Philipp's Namen ruhende kursächsische Schul-
ordnung von 1528 fuhrt von Aesop über Terenz zu Plautuö. In der
ersten, unter dem Einfluss des Humamsmuis und der Reformation
entstandenen Schulordnung, der der Lateinschule zu Nördlingen,
wird für die erste Nachmittagsstunde Terentius vorgeschrieben *) ;
ebenso im Lyceum des Joachimsthal benachbarten Annabei^, ') Aber
auch die Auflührung von Terenzischen Comödien wurde in den
Schulordnungen lebhaft befürwortet. Unzählige Male schmückt Ma-
tbesius seine Predigten mit Gtaten aus Terenz, der eben als der
rechte Sittenlehrer zumal für die Jugend galt. Auch im Uebrigen,
in der Wahl der Lehrgegenstände und der Eintheilung, dürfte sicli
Mathesius nach Melanthon's Visitationsbüchlein gerichtet haben. Als
echter christlicher Pädagog fühlte er sich wie für die Köpfe auch
für die Seelen der Schüler verantwortlich; kein Wunder, dass er,
wenn auch strenge Zucht haltend"), ihre Sympathie gewann und
wie ein Vater geliebt wurde. Das Schulmeistern war ihm solche
Freude, dass er es lange, nachdem er ihm Valet gesagt, seinen
Söhnen als den fast erstrebenswerthesten Beruf hinstellte *). Der Ma*
gistrat erkannte indessen, dass dieser Rector die Kanzel noch mehr
zieren würde, als das Katheder. Sobald der Diakonat vacant wurde,
wählte man ihn zum Ersatzmann.
Dieser weilte damals (1540) auf Urlaub in Wittenberg, zur Fort-
setzung seiner theologischen Studien, Dank der Freigebigkeit eines
Vaters seiner Zöglinge, der ihn zum Actionär an seinen Zechen
gemacht. Vielleicht hatte ihn der schon im Jahre vorher aufge-
tretene Plan, ihn zum Prediger zu wählen, aufs Neue auf die Schüler-
bank getrieben. Er genoss diesmal die ausserordentliche Auszeich-
nung, Luther's Tischgenosse zu werden, mehr als das, sein Ver-
trauter. Auch ihm ward der Tag der Gcmst ein Tag der Ernte. Er
kaufte die Spanne unter Anderem aus zur Aufzdchnung von Luther's
Tischgesprächen nach eigenem Anhören und Anderer Mittheilungen *).
Der kleine Codex wird noch seine Rolle spielen bei der endgiltigen
1) Die Reformation im Spiegelbilde der dramatischen Litwfttur des sechssehnten
Jahrhimderts von Hugo Holstein. 1886» 20. 26, $$. 35. 37. — •) Spiess, Unterricbts-
weise des Lyceams zu Annaberg (1533—1835). Schulprogramm. 1856. — •) Vgl. Ma-
thesius' Syr«u:h (1589). 2, 35, — <) In den Leychpredigten, seinen Kindern gehalten.
— ») LutherHistor. Pred. 12.
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Lösung des Problems der CoUoquia, das, wie Nippold kürzlich be-
merkte *), fast so verwickelt geworden ist wie das synoptische, und
seinen Beitrag liefern zu der schon von Mathesius ersehnten Zu-
sammenarbeitung der Wittenberger Tage und Nächte, welche in der
Weimaraner Luther-Ausgabe, wenn auch vielleicht erst nach zehn
Jahren, zu erwarten ist ').
In Betreff der Predigerberufung haben wir noch fünf Schreiben
des Rathes in einem Joachimsthaler Missivbuch '). Schon im November
1540*) wird eine Deputation des Magistrats unter Führung des
Bürgermeisters an Mathesius abgeordnet, mit einem Schreiben des
Magistrats *), um das Nöthige zu besprechen. Wahrscheinlich ant-
wortete Mathesius, er wolle erst noch weiter Theologie studiren
und stehe dann zur Verfügung. Auf den Bericht der Gesandten
schreibt *) der Rath nach Weihnachten ^), er bitte um Entschuldi-
gung, dass er nicht früher geantwortet, aber der Graf — der zwar
nicht Patron war, aber doch wohl nicht umgangen werden durfle —
sei abwesend. Im Februar *) des folgenden Jahres ergeht die erneute
Berufung ") mit beigefugtem Schreiben des Grafen Hiernonymus
Schlick und des Pfarrers Steude ").
Doch drohte eine neue Verzögerung. Pfalzgraf Philipp bei Rhein,
Herzog zu Bayern, hatte sich an Melanthon gewendet und einen
Theologen zur ,Anrichtung seiner Kirchen* erbeten. Melanthon
wusste keinen Geeigneteren als Mathesius vorzuschlagen und bat
dessen Patronat um Urlaub auf ein Jahr.
Dafür war indessen der Rath nicht zu haben ; da die Gemeinde,
gottlob! gross und weitläufig und ein zusammen versammelt Volk.
sei er noch eines gelehrten und verständigen Prädikanten, dessen
Lehre, Wesen und Wandel ihnen bekannt, zum höchsten noth-
dürftig '»)•
Ebenso berichtet er unter demselben Datum ") dem Mathesius
und meldet ihm gleich Wagen und Pferde an zum Abholen in den
späteren Osterfeiertagen. Am Dienstag nach Palmarum erfolget der
*) Theolog. Jahresbericht 5, 195. — ') Ich hoflFe diese M.-Niederschriften mit
Benützung von Seidemann's Copie und Noten herauszugeben. — ') 1541 — 42, fol. i.
12 b. 41b. 73 b. 47 b. 48 b. — *) An Allerheiligen. — «) A. a. O. fol. i. —
•) A. a. O, 12 b. — *) Dienstag nach Natalis Domini. — ®) Freitag nach Valen-
tinus. — ») A. a. O. 41b. — ") Vgl. Sarepta (1561) 136. — ") A. a. O. fol. 48 b.
— ") A. a. O. 47 b; vom Mittwoch nach Reminiscere.
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letzte Brief als Begleiter des Gespanns *). Mittwoch nach Judica
war der Candidat von Luther ordinirt.
Die grosse Joachimsthaler Kirche — zwei kleine Capellen waren
schon vorhanden — die Thalschlucht beherrschend auf der Anhöhe
nach Osten gelegen, war vor acht Jahren angefangen zu bauen ; nach
drei Jahren konnte sie bereits eingeweiht werden ; mit Stolz fügt die
Chronik hinzu, dass man keine fremde Hilfe in Anspruch genommen.
Ganz vollendet wurde sie erst sehr allmälig. Das im Archiv be-
findliche , Rechnungsbuch über den Kirchenbau* geht bis zum Jahre
1540') und danach noch werden von Seltenreich*) bis 1573 Mo-
mente der Fertigstellung erwähnt : das Setzen von zehn Pfeilern *),
die Herrichtung des Tafelwerkes und eines neuen Predigtstuhls *) die
Bemalung •). Allerdings mag das im Jahre des Augsburger Religions-
friedens in der Kirche ausgekommene Feuer — ein Symbol davon,
dass Joachimsthal dessen Segnungen nicht lange geniessen sollte —
manches schon früher fertig Gestelite wieder zerstört haben. Die
Kirche war ein beachtenswerthes altdeutsches Baudenkmal, nament-
lich wegen der frei schwebenden Decke. Es wird erzählt, dass
wegen der Schachte die Tiefe des Fundaments der Höhe der Kirche
entspricht. Der Altar war mit Gemälden von Lucas Cranach ge-
schmückt, für die in neuerer Zeit die höchsten Summen geboten
wurden. Nun ist die alte Herrlichkeit durch jenen fürchterlichen
Brand vor fünfzehn Jahren zerstört, worüber der im Innern über-
raschend schöne Neubau den Freund des Mathesius nicht trösten
kann. Die alten Grundmauern sind stehen geblieben. Ueber dem
westlichen Portale ist, überragt von dem Medaillon des alten Grafen
Stephan Schlick, in Initialen in Stein gemeisselt das Distichon : Hunc
pietas regisque favor atque inclita virtus orbarunt vita conjuge et
imperio. D. Stephanus Schlick, Comes. Z. G. an. 1526. Aetatis 40.
Auch über dem nördlichen Haupt- und östlichen Seitenthor befindet
sich je ein Medaillon, ersteres einen männlichen, letzteres einen weib-
lichen Kopf darstellend. Die darunter angebrachten Inschrifttafeln
enthalten aber keinen Text. Wen diese Porträts darstellen, ist un-
bekannt. Schliesslich prangt noch oberhalb einer kleinen westlichen
*) A. a. O. fol. 73 b. — >) Daselbst werden bis Sonnabend nach Estomihi für den
Kirchenbau als ausgegeben verzeichnet: 14.824 fl. 8 Groschen 3Va ^r. Die Localsage
berichtet, das Rathhaus habe Vi Kreuzer weniger gekostet. Der jetzige Neubau belief
sich auf lio.ooo fl. — •) A. a. O. — -*) 1564. — ») 1566. — «) 1573.
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Seitenthüre ein in Stein gehauenes Wappenschild, welches einen
Theii des Schlick'schen Familienwappens, ein Dreieck mit drei
Ringen zeigt.
Schon in dem Jahre vor Luther's Hinscheiden, in welchem
die Schlicks das Lehn an die Krone abtreten mussten und Pfarrer
Steude in Folge dessen resignirte, wurde der Diakon zum Pfarrer, also
ersten Geistlichen mit der Superintendenz über benachbarte Orte wie
Gottesgab, Mariasorg und Platten *) gewählt. Zwanzig Jahre lang hat
er hier die frohe Botschaft, wie er sie verstand, mit ungewöhnlicher
Kraft und Fülle, mit bewundernswerther Beredtsamkeit gepredigt,
dieselbe in immer neuer Gestalt und Einkleidung, derselbe, mit pau-
linischer Schmiegsamkeit Allen Alles werdend. Er war weitaus der
bedeutendste sämmtlicher Geistlichen des Ortes vor und nach ihm.
Mehrere waren nur kurze Zeit geblieben; der eine weicht, weil er
durch Irrlehren Aergerniss erregt; andere, weil sie den Aufstand
der Bergleute nicht bezwingen können, ein dritter, weil eine katho-
lisirende Strömung ihm das Heiraten nicht zulässt *).
Die Gemeinde war eine besonders schwierige, eine ebenso gedul-
dige als weise und feste Leitung erfordernd. Wie hätte sie auch anders
sein können 1 Viele, die nur schnell reich werden wollten, strömten her-
bei, viel gebrochene Existenzen, viel Gesindel. Das leicht Gewonnene
wurde oft schnell verschwelgt; der Völlerlei folgten Verbrechen, Meu-
chelmord durch Kobalt u. A. ; das ,rothe Buch* im Archiv mit den
Criminalfallen weiss davon zu berichten; Wucherer nahmen lO bis
20V0 '). Zu der socialen Bewegung kamen elementare, Feuersbrünste
und Erdbeben und vor Allem die religiöse, welche durch Auftreten
der Täufer noch verwickelter wurde. Im October des Jahres von
Mathesius' Rectorats-Antritt ermahnt Luther — darum angegangen —
die Grafen, ein fleissig Auge auf die Rottengeister zu haben *) ; drei
Jahre darnach verzeichnet der Chronist die Verweisung eines , Wieder-
täufers*. Je länger je mehr kamen die Dinge in ein ruhigeres Fahr-
wasser, zw^eifellös zum grossen Theil Dank der Führung des neuen
Steuermannes. Drei Jahre vor seinem Tode kann dieser die inhalts-
schweren Worte eintragen : ,in den vergangenen vierzehn Jahnen
ist hier gottlob kein Totschlag geschehen*, wobei freilich in Betracht
*) Vgl. Vogl: Kirche und Schule in der kaiserl. Bergstadt Platten. 1882. —
«) Ueber die Vorgänger vgl. Sarepta, Predig. 12, fol. 136. — ») Bei Wüst, a. a, 0.
zu 154 1. — *) Köstlln, a. a. O. 2, 327.
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zu ziehen, dass das Aufhören des leichten Erwerbs, das Nachlassen
des Bergreichthums, auch die Wirren des schmalkaldischen Krieges
die Einwohner geworfelt und das schlinnmste Gesindel verspreut
hatten. Gleichwohl blieb noch viel zu wünschen übrig ; immer wieder
muss Mathesius strafen ^) wegen der Schlemmerei, scandalöser Ge-
berden, frecher Moden •), Geiz, Herzlosigkeit gegen das Gesinde ").
Warfen schwächliche Freunde ihm vor, dass er bei solcher Gemeinde
aushielt, tröstete er sich wohl mit Korinth, wo doch ein Paulus ge-
predigt; auch hatte er viel Ernst, Anhänglichkeit und Opferfreudig-
keit zu rühmen.
Die Kirchenordnung *), welche er in Lehre und Ceremonien con-
form denen zu Wittenberg, Nürnberg und Leipzig entwarf, begreift
eine unter diesen Umständen doppelt noth wendige Kirchenzucht, in
deren Handhabung er vom Rath unterstützt wurde. Je entfernter
sie war von asketischer, die Volksbedürfnisse missachtender Herb-
heit, um so aussichtsreicher fiir dauernde und von innen heraus sich
gestaltende Erfolge. Allerdings blieb man in Ehesachen noch viel-
fach in kanonischer Aengstlichkeit stecken. In den Kirchenbüchern
findet sich eine Reihe von Ehefallen ausführlich von Mathesius' Hand,
theils deutsch, theils lateinisch, fast levitisch-peinlich erörtert und dazu
für seine Amtsnachfolger eine Gruppe lateinischer Paragraphen zur
Nachachtung aufgestellt *). Auch das ,Repertorium Philippi* wird
um Rath in besonders schwierig dünkenden matrimonialen Vorlagen
angegangen *), wie Mathesius wiederum von ausserhalb, von seiner
früheren Arbeitsstätte Altenburg befragt zu sein scheint ').
Seine eigene Ehe mit der Tochter eines Hüttenreiters, d. h.
Rechnungsführers am Bergwerk, im Jahre des Diakonats- Antritts ge-
schlossen, war eine ideale, gemäss seinem Ausspruch: ,Der erste
*) Besonders derb im Syrach. — •) Diese machten auch anderwärts Noth, vgl.
z. B. Bartsch, Sfichs. Kleider -Ordnungen aus der Zeit 1450— 1750. Annaberg 1882,
S. 16. Schulprogramm N. 487. — >) Ueber Gotteslästerer und Gerichtsschänder
vgl. Seltenreich, a. a. O. zu 1552. — *) Sie findet sich, zugleich Schul- und Spital-
bestimmungen umgreifend, am Schluss mehrerer Ausgaben der Sonntags-Postille, z. B.
in der von 1570, ist leider noch in keinem kirchenrechtlichcn Werke aufgenommen. —
8) Todtcn-Matrikel, Tom. I., 185 f., 267 b, vgl. Raths-Protokoll 1560, 114. — •) Brief an
Paul Eber, a. a. O. 85. 274. Diese Stücke der Handschrift gehören jedenfalls zusammen,
sind nur falsch gebunden. — ') In der gräflichen Bibliothek in Wernigerode findet sich
in einem Mengbande in Folio Zd. 82, einem Copialbuche mit Reformatorenbriefen
(Bl. 105 b), ein solcher Casus vom Altenburger Rector Misenus mitgetheilt. Ich ver-
danke diese Notiz der Güte des Herrn Archivrathcs Dr. Jacobs in Wernigerode.
Jahrbuch des Protestantiimut t888. H. I. 2
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heilige Orden Gottes ist der heilige Ehestand* ; ein Aergerniss und
eine Beschämung für die Verlästerer der Priesterehe, ein Vorbild
für die Gemeinde. Freilich fehlten nicht die Dornen an den Rosen,
die Dornen von mancherlei Krankheit ; namentlich das arme Caspar-
lein mit dem Hasenschart und dem kranken Rückgrat war ein be-
ständiges Sorgenkind *) ; und vor Allem : der fruchtbare Weinstock
selbst welkte in der Unglückszahl, nach dreizehnjähriger Ehe, dahin.
Wilhelm Baur *) hat ihr mit Fug einen Platz eingeräumt in seinem
Panorama evangelischer Pfarrhäuser; freilich lässt sich das Bild mit
allseitiger Benutzung der Werke des Mathesius viel reicher aus-
gestalten, wie es Ledderhose •) bereits unternommen hat.
Sibylle war es, die pietätvolle Tochter, welche keine Tracht haben
wollte, die ihre Mutter nicht getragen *), die hingebende Gattin un^?
Mutter, welche ihrem Manne heroisch zusprach, als politische Wolken
seinen Horizont verdüsterten, bald nach dem Antritt des Pastorates.
Er hatte zu Gunsten seiner Grafen Schlick gegen den Uebergan:;
Joachimsthals an König Ferdinand gesprochen, sogar wohl agitirt
und wurde deshalb sammt dem Magistrat am Tage Nicolai 1 546 nach
Prag beschieden. Mit Zagen betraten sie die Residenz, auf Gefangnis>
gerüstet; warteten Wochen lang. Doch Ferdinand erwies sich a}>
unerwartet milde. Er heischte nicht einmal Unterwerfung des be-
schränkten Unterthanenverstandes ; wie er zeitlebens ein constitu-
tioneller Regent war, setzte er in besonderer Audienz die Gründe
seines Verfahrens auseinander; er habe nur von seinem Recht Ge
brauch gemacht, ein Lehn wieder einzuziehen; als Genugthuun^
forderte er nur von denen, welche durch die Auseinandersetzung
gewonnen waren, öffentlich davon Zeugniss abzulegen; Mathesius
solle auch sein Amt nicht ohne königliches Vorwissen mit einem
anderen vertauschen. Die Confession blieb unangetastet. Ferdinand
war ja vielmehr wie sein kaiserlicher Bruder zu Milde und Duld-
samkeit geneigt, Angesichts der Misserfolge von dessen entgegen-
gesetzter, mehr zu spanischen Idealen gravierender Politik und in
der beständigen Bedrohung durch die Orientfrage, obwohl er per-
1) Hdschrft. in Gotha, a. a. O. 263. — *) Das deutsche evangelische Pfarrhaus
1884. 135. — 8) In der Zeitschrift: „Das Pfarrhaus«, hrsg. v. Steinhausen. 1887
Nr. 4. — *) Leychpredigten Rr. — *) Gehässiger Bericht darüber aus J. an Ferdinand,
vom 26. October desselben Jahre?, in den Acten des k. k. Statthalterei-Archivs Pra^
den Herr Archivar Dr. Köpl mir gütigst mittheilte.
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sönlich streng katholisch war und die innere Restauration der katho-
lischen Kirche lebhaft förderte, die Curie und ihre vorgeblichen Refor-
men verspottend *). Freilich hat er auch eine Zeit scharfer Edicte
gehabt, foltern, köpfen und brennen lassen ; aber je länger je mehr
war er in menschlichere und klügere Bahnen eingelenkt, eine Bekeh-
rung, wenigstens Versöhnung der Abgefallenen erhoffend. Bekanntlich
hat er auf dem Tridentiner Concil durchgesetzt, dass dem Pabst an-
heimgestellt wurde, in einzelnen Gebieten der Kirche die Priesterehe
und den Laienkelch freizugeben. Durch diese Versöhnungspolitik
Ferdinand's kam die reformatorische Bewegung in Deutschland zum
Stehen. Seit jener Begegnung im Hradschin war Mathesius von
warmer Verehrung für den Monarchen erfüllt, welche Beide ziert und
an moderne Beziehungen zwischen Krone und Evangelischen freund-
lich gemahnt, freilich um so bitterer empfinden lässt, dass zwischen
diesen Fanalen ein dunkles Meer voll Blut und Thränen liegt.
Von den königl. Commissären im Thal rühmt Mathesius in den
Aufzeichnungen des Kirchenbuchs: ,Der kgl. Commissar hat auf
des Bürgermeisters Verwendung den Pfarrer dem Evangelium zu
Ehren glimpflich und ehrerbietig angefraget und auf seine Aussage
bei seiner priesterlichen Würde bleiben lassen. Das rühme ich dem
ehrlichen Mann zu Ehren und Unterricht eines künftigen Pfarrers
und dass meine successores mit behimischen und allerlei Welthändeln
zufrieden seien und warten ihres Studirens und Betens*. ■)
In seiner Leichenpredigt auf Ferdinand ■) preist er diesen als
einen wohlfrommen und friedlichen Landesvater, einen lieblichen Baum,
davon viel Schatten, Schutz und Schirm auf uns gefallen: ,er hat
das Silber theurer als zuvor bezahlt und die Religion nicht gehindert*.
Allerdings war die Blüthe Joachimsthals geknickt,! seitdem die
Schlicks das Thal verlassen.
Nächst der Gattin, die sich also in diesem politischen Conflict
vortrefflich als , Helfebein* beglaubigt hatte, war es eine Reihe treuer
Freunde, darunter die ersten Männer der Zeit, welche Mathesius'
Kraft stählten und sein Leben verschönten. ,Es ist ein edler Schatz
um einen rechtschaffnen Freund*, ruft er aus*), , solche hat mir
unser lieber Gott mein Tag viel beschert* ; und ein ander Mal : *)
*) Ranke, zur deutschen Geschichte. 1869. 27. — >) Todten-Matrikel. Tom. I.
«S5>' Vgl. auch Goth. Hdschrft a. a. O. $3. — «) 1564. — *) Leychpred. 3. Th.
Rr. 2 b. — *) Syrach i, 78 a.
2*
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,Ohne Freundschaft kann man auf Erden keine Freude noch Leben
haben.*
Der Verkehr mit Auswärtigen war ihm auch deshalb werth, um
in seiner Thal-Einsamkeit oder -Abgeschlossenheit das Weltwichtige
zu erfahren und nicht auf Gerüchte angewiesen zu sein. *) Man
correspondirte, man besuchte sich. Eoban Hess schickt ihm noch
als Rector schwungvolle lateinische Distichen aus Erfurt mit dem
Verzeichniss seiner Werke ') ; der in Joachimsthal geborene und von
Mathesius getraute Johann Major, zu dem Dichter-Trio in der zweiten
Hälfte des Jahrhunderts gehörig, in welchem ,der Humanismus evan-
gelisch wird* *), hat ihn in der Storch-Idylle als alten, festen Lerchen-
baum *) besungen, weil der Lerche Name wie der seinige mit der
Kunst zu lehren zusammenhinge. Mathesius war ein jovialer Wirth.
der gern die Trinkschale der Unterhaltung kreisen Hess und ein
Quartel gottgeschenkten Weins als Oel für den Leib auch der
Gemeinde von der Kanzel empfahl *). Unsichtbar stand über seiner
gastlichen Pforte : Tages Arbeit, Abends Gäste , saure Wochen,
frohe Feste.
Die so hochgewerthete Freundschaft versagte nicht ihre Dienste
in Anfechtung und Trübsal. Eine solche, ausserordentlicher Art, blieb
ihm nicht erspart. Wie Luther mehr in der Mitte seines Laufes wie-
derholt von finsteren, als dämonisch geachteten Gedanken geplagt
wurde — wie der gleich Riccio's Blutspuren in Holyrood immer wieder
aufgrfrischte Wartburger Dintenfleck aut der Koburg einen Mitzeugen
hat ®) — wurde Mathesius gerade ein Jahr vor seinem Tode davon
betroffen, so dass er sich als im Siebe Satans unterzeichnete. Bei
Beiden wirkten körperliche Leiden mit ein. Mathesius hatte schon seit
längerer Zeit gegen Lähmung der Hand Medicin genommen ') und
die Heilkraft der Thermen ®) erprobt ®). Gegen Ende des Lebens
verschlimmerte sich der Zustand, der wohl auf Blutstockung beruhte.
Daher haben seine in idealer Eintracht mit ihm lebenden Collegen
in jener Drangsalszeit, da ihr Pfarrer die Höllenangst, den Grimm
1) Brief an Nydbruck, a. a. O. 9737 K. 167. — >j Balth. Math. 112. —
•j G. Frank, Johann Major der Wittenberger Poet, in Ztschr. f. wissensch. Theologie
1863. 117. — *) Ebd. 119, 124. — ») Syrach 2. 50 a. Vgl. auch die Hochzeits-
predigten; namentlich Urbanus und »Vom Gebrauch und Missbrauch des Weins". —
•J Vgl. Köstlin, a. a. O. i, 473. Anm. 801. 2, 207. — ') Brief an Paul Eber a. a. O.
25s t 347. — •; Man hat die Wahl zwischen dem Warmbad bei Elbogen, Karlsbad und
Teplilz. — ») Biief an Paul Eber a. a. O. 264.
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uüd Schrecken Gottes etliche Wochen erfuhr, so dass er nicht aus-
gehen, nicht lehren, noch predigen, noch das Tageslicht vertragen
konnte, nicht nur mit ihm ^gedöbert* und mit besserem Trost alfe
Hiobs Freunde ihm zugesprochen, sondern auch ärztlichen Beistand
zugezogen. Wenn Mathesius in diesem traurigen und heissen Seeien-
bade nicht immer beten konnte, getröstete er sich der Collecten
Christi und dass er ihn unter seinen Kelch aus Gnaden stürzet. So
ward er in .seinem de profundis erhalten, und nachdem er etliche
Wochen in seinem geistlichen Gefangniss verpausirt hatte, durch
den Gesang der Schüler, wie Saul durch Davids Harfenspiel erlöst.
Am Gregorius-Schulfest stimmten diese unter des Cantors Leitung
ihres Pfarrers Lieblings-Motette an. Sie ergriff ihn dermassen, dasS
er vor Freude aus seinem Bettlein sprang, die Teppiche von den
Fenstern zog und bald auf der Kanzel von seiner Demüthigung und
Erlösung zeugen konnte. *)
Doch Hess die letzte grosse Katastrophe, die er schon oft her-
beigesehnt, nicht mehr lange auf sich warten. Es war ein schöner
Tod, wie jeder Arbeits-Enthusiast ihn sich wünscht, am 7. Octo-
ber 1565. Fast stehend ist er gestorben, wie Vespasian es nach
Sueton's Bericht •) von einem rechten Kaiser verlangt, ein Priester-
Fürst. Beim Herabsteigen von der Kanzel traf ihn der Schlag ; nach
wenigen Stunden war er eine Leiche, in Prosa und Versen beklagt.
Ein wirklicher Seelenhirt war er seiner Heerde trotz der vielen
räudigen Schafe treu geblieben , obwohl er Gelegenheit fand , in
glänzendere Stellungen überzutreten. Er dachte darüber, wie die
alte Kirche, welche den Amtswechsel als geistlichen Ehebruch
brandmarkte. So lehnte er einen von Melanthon befürworteten Ruf
als Professor nach Leipzig ab, der die Achtung vor seiner auch
wissenschaftlichen Qualification bekundet. Immer wieder warnt er
vor Amtswechsel : ein Stein, der oft hin und her walzt, berast nicht
und mit Umziehen verzehrt man viel. Wenn der Teufel Einen einmal
hebt, so bringt er ihn in's Walzen. •)
*) D«s Scherzes halber sei erwähnt, dass Pelrel a. a. O. fabelt, Mathesius habe diese
Gewissensangst empfanden wegen seiner „Abtretung von der katholischen Glaubenslehre.*
— ») Vita Caesar. Lib. VIII. «5. — •) Leychpred. 3 Rr. Nach den Abbildungett bei
Pehel, Balthas. Mathesius und in einigen seiner Werke, sowie nach dem Oelbild auf det
Gallerie ^er Annaberger Berg-Kirche war sein Gesicht oval, mit vollem Haupt- und
Barthaar. Nach dem angeblich ihm gehörigen Hut und Stock in Joachimsthal mnss er
gross und stattlich gewesen sein. Der Mathesius auf dem Gemälde von G. Spangen
berg: Luther die Bibel übersetzend (Berlin, Nationalgall. Nr. 359), scheint eine Idealgestalt.
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Von seinen sieben Kindern *) wurde der älteste Sohn mit des
Vaters Vornamen Stadtphysikus und Professor der Medicin am
Gymnasium zu Danzig. Medicinische Interessen hatten dem Vater
schon nahe gelegen : sie wurden zuweilen gestreift bei mineralogischen
Studien ; sie zeigen sich im Syrach *) in einer Schul- und Haus-
Hygiene; in einem jener in Landeshut aufbewahrten Briefe ■) an
Dr. Caspar Peucer spricht er von dem in einem Franziskanerkloster
gefundenen Skelet, das er für den Arzt bestimmt habe.
Ich fand sechs Briefe dieses Sohnes in Erlangen*) an Joachim
Camerarius in Nürnberg, medicinischen und botanischen Inhalts, doch
die priesterliche Gesinnung des Vaters nicht verläugnend, in schönem
Vertrauen auf die göttliche Vorsehung. Auch gab er noch als Leipziger
Magister seines Vaters Predigten über das Leben Jesu heraus. ')
Der zweite Sohn Paul wurde in jungen Jahren Superintendent in
Oschatz «), das man von der Rochlitzer Höhe erblickt. Von den
Töchtern reichte Sibylle ') dem Diakon Felix Zimmermann in
Joachimsthal im Frühling des Todesjahres vom Vater die Hand.
Die directe Linie ist erloschen; von einer Seitenlinie gibt es noch
heute Schösslinge. ®)
^) Vgl. Richter, Prosopia Mathesiorum. 1745. Derselbe: Das alte und berühmte
Geschlecht der Herren Mathesien, gesammelt und in eine gute und gegründete Ord-
nung gebracht. Annaberg 1755. 18 Fol.-S. ; nicht ganz zuverlässig. Herr Schulr^th
Spiess in Annaberg hatte die Güte, mir seine Richter berichtigenden Aufzeichnungen
zur Benutzung zu überlassen. — Das gelehrte Deutschland von Meusel ; 4. Nachtrag zur
4. Ausgabe 179I. 428. 5. Bd. 1797. 73. 6. Bd. 1821. 638. 10. Bd. 1803. 255. 8. Bd,
1808. 529. Jöcher und Rotermund s. v. Mathes. Meiern, Die Herrlichkeit des Anna-
berger Tempels. 1776. 177.
») Th. 2, 5. Pr. u, ö. — ■) A. a. O. 292. — *) Epistel, autograph. clarissim.
Medic. et Philos. Tom. VI. 145 — 152; a. 1581 — 88. Die Bezeichnung derselben im
Erlanger Katalog ist nicht ganz richtig. — *) Jöcher a a. O. 3, 190. Ergänzung
4, 988. — •) Jöcher, Ergänz. 4, 991. — ^) Nicht Katharina, wie Laube a. a. O. 3Ö
angibt. Vgl. Copulations-Matrikel Tl. 208. 1565.
") So durfte ich Herrn Senator Mathesius, der stolz ist auf den Ruhm seines
Namens, in Buchholz bei Annaberg begrüssen ; beiläufig jenem Buchholz, das einer der
ersten Orte im heutigen Kgr. Sachsen, in welchem das Evangelium (1523 u. 1524) frei
verkündet wurde. (Beiträge zur Geschichte von Buchholz und seiner Kirche insbesondere
von Dr. Spiess. Schulprogramm. Annaberg 1854). Hieher eilten die Annaberger trotz
der strengen Befehle des Herzogs Georg, um Myconius predigen zu hören. (Zur Ge-
schichte der Reformation in Annaberg von Wolf. Schulprogramm. Annaberg 1886. il. —
Ein Dr. med. Mathesius in Naumburg.)
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23
IL
Noch weit bedeutsamer als die leibliche Nachkommenschaft
waren des Mathesius Geisteskinder. Seine publicistische Thätigkeit
beginnt indessen eigentlich erst mit dem Tode der Gattin: virescit
vulnere virtus. Seine Schriften, ganz überwiegend Predigten, sind
ungemein zahlreich, über die Bibliotheken zerstreut. *)
Am geringsten ist seine Bedeutung als Liederdichter, die fast
von Allen überschätzt wird ; den Meisten ist er wesentlich als solcher
bekannt.
Eine Menge Lieder entstanden in der üppig aufblühenden Berg-
stadt ') ; je stärker die Sangeslust und je leichtfertiger viele Gesänge,
desto nothwendiger musste es erscheinen, diese durch christliche
zu verdrängen. Da hat sich zunächst der alte fromme Cantor des
Thals Nickel Herman als Dichter und Componist segensreiche Ver-
dienste erworben •). der sich in der Form vielfach an Hans Sachs
anschloss. Er war der poetische Trabant seines Pfarrers. ,Wenn
dieser eine gute Predigt gethan, so ist der Cantor geschwind dage-
wesen und hat den Text mit den vornehmsten Lehren in die Form
eines Gesangs gebracht, und so hat unser Herr Gott dem Mathesius
die Ehre gethan, wie jenem Engel, der die Geburt Christi predigt,
weil sich auf eine gute Predigt ein schöner Gesang gehört.* Auch
Mathesius drängte es zum Dichten, natürlich nach Melodien; denn
wie Luther, mit dem er oft musicirt, liebte er die Musika, deren
sonderer Liebhaber der heilige Geist*); Gott hat sie gegeben zur
Wollust und Erfrischung der Gemüt her *). Am wenigsten glückte es
ihm mit den kirchlichen Poesien. Da das als das beste derselben
geltende: ,Aus meines Herzens Gunde*, welches Gustav Adolf alle
Morgen gebetet haben soll und lange allein Mathesius' Namen dem
Gedächtniss der Nachwelt aufbewahrt hat, ihm abzusprechen ist "),
bleibt wenig übrig. Kein Gesangbuch hat von dem Rest etwas auf-
genommen; kindliche Einfalt und Andacht ist ihm nicht abzu-
erkennen ; aber Gehalt und Gestalt sind sehr dürftig ; noch pein-
^) Am vollständigsten, doch nicht lückenlos in der kgl. Bibliothek zu Berlin,
femer in München und Nürnberg. — •) Vgl. Eteliche schöne Bergreyen etc. Nürnberg.
Mittheil. d.. Vereins f. Gesch; d. Deutsch, in Böhmen. 1880. 4. Hft. — ») Nikolaus
Hennan's und Johannes Mathesius' geistliche Lieder in einer Auswahl von Ledder-
hose. 1855. — *) Vorrede zu Herman's Historien von der Sündfluth. — *) Syrach,
2, 5a. — •) Vilmar a. a. O. 313, wohl erst 1592 gedichtet.
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lieber wie in der Prosa wirkt hier das Aufmarschiren vieler Haupt-
worte hinter einander. Glücklicher war Mathesius in der Haus- und
Spruchpoesie, wie ein Wiegenlied beweist, seine allerdings lateinischen
Pastoralregeln *) ; und namentlich seine ebenfalls lateinische *), von
seinem Cantor verdeutschte ■) Öconomia oder Bericht, wie sich ein
Hausvater halten soll, die ausserordentlich beliebt wurde und von
Laube *) unter die besten Erzeugnisse der Zeit gerechnet wird.
Aber doch! ,wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!* tritt uns
unversehens auf die Lippen, wenn wir von dem Reimer zu dem
Prediger übergehen, der als solcher seine Waffen in der Esse des
heiligen Geistes geschmiedet hat. Da die Geschichte der Predigt noch
wenig ausgebaut ist, wurde auch Mathesius noch nirgends *) gebüh-
rend gewürdigt. Auch hier kann es nur erst eine Umreissung gelten.
Seine gerühmtesten und verbreitetsten Werke sind die Berg-
Postille Sarepta *) und die Luther-Historien.
Die sechzehn Sarepta-Predigten ') sind im Verlaufe von zehn
Jahren *), angeblich ®) in bergmännischer Tracht gehalten ; dieser grosse
Zeitraum fällt für die Beurtheilung sehr in's Gewicht. Pädagogisch
wie ästhetisch wäre es ein Missgriff gewesen, diese Reihe sonntäglich
auf einander folgen zu lassen. Erdrückend hätten sie gewirkt durch
die Fülle und vielfache Schwierigkeit des Stoffes, ermüdend durch
die Gleichartigkeit nach Zweck und Anlage, wenn auch innerhalb der
einzelnen das : Abwechslung ergötzt, weitgehend beherzigt ist. Die
grossen Pausen erklären die mehrfachen grundsätzlichen Einleitungen
und Rechtfertigungen des ganzen Unternehmens, sowie manche
Wiederholungen im Einzelnen. Ferner ist in den Blick zu fassen,
dass sie in dieser ganz ausserordentlichen, uns vorliegenden Aus-
dehnung, in der sie zum Theil je mehrere Stunden zum Vortrag
verlangt hätten, nicht gehalten, sondern erst zum Druck erweitert
sind, auch jetzt erst viel aus den alten Poeten und Historien ein-
1) Vgl. Vilmar a. a. O. 252 f. Abgedruckt 1556, 58, 74, 78, 86, 87. 1689. 1702, 05.
1807. Deutsch 1561, 74, 86, 87. 1705. 1807. — >) Ausgaben: 1560, 65, Abgedruckt auch
1574. 1705. — ■) 1561, 64, 65, 67, 68, 74, 94, 98, 99- '601. ZT' 1746, 9^- Abgedruckt
auch: 1563, 67, 68, 86, 91, 92. 1667. 1705. (Gekürzt) 1849. — *) A. a. O. S. 39.—
6) Nothgedrungen kurz auch in der neuesten Geschichte der Predigt von Cbristlieb,
bei Herzog & Plitt R. £*. 18, 521. — «) i. Kön. 17, 9 f. mit der Deutung „SchmeU-
hütte«. — T) 1562, 64, 71, 74, 78, 85, 87. 1619, 20, 27, 79. Bemerkenswerth die Lücke
während des 30jähr. Krieges. — »J 1552—1562. Die angehängte 17. rthrt aus d. J. I55*-
— ») Pehel a. a, O.
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gesprengt wurde. Sie wollen alle Sprüche, Historien und Exempel
der heiligen Schrift, die vom Bergwerk handeln, erklären, damit
man den rechten Erzmacher und obersten Bergherren aus seinen
sichtigen Werken erkenne» b$i ihm Gedeihen des Bergwerks suche
und ihm fiir seine reiche Gabe danke und man neben dem Wort,
aus den Metallen und den Bergarbeiten erinnert würde, wodurch
man an Leib und Seele könnte reich, gerecht und selig werden in
alle Ewigkeit. Es war eine merkwürdige Fügung, dass Mathesius
ausser dem Studium der alten Naturkündiger namentlich des Ari-
stoteles und Plinius; ausser den Berichten seiner Bergleute, mit
denen er selbst anfuhr, denen er ebensogut glauben könne, wie
Aristoteles seinen Fischern und Waidleuten ; ausser der Hilfe seiner
lieben Herren Präceptoren und Freunde, welche für ihn manchen
Schürf geworfen; dass er ausserdem noch Gewerke an den For-
schungen eines Mannes werden durfte, der auf seinem Gebiet als
ersten Werthes gilt. Georg Agricola '), schon zehn Jahre nach
Gründung der Stadt Arzt in Joachimsthal , schrieb daselbst seinen
Dialog über die Metalle, einen Katechismus des Bergbaus, durch
den er der Schöpfer allef neueren europäischen Mineralogie geworden
ist. Er verliess zwar Joachimsthal schon in dem Jahr nach Mathesius'
Rectoratßantritt, um in Chemnitz Stadtarzt und später Bürgermeister
zu werden. Doch bot sich später noch Gelegenheit auch zu münd-
lichem Austausch. Während der Arbeit an der Sarepta kann er
an Eber *) berichten, dass Agricola wegen einer Consultation bei
Graf Hieronymus Schlick einen Monat im Thal gewesen. »Täglich
hat er mich besucht oder ich ihn ; da haben wir schön philosophirt
über die Metalle; ich gab ihm Gelegenheit, einige neulich aus
den Karpathen angekommene zu besehen/ Das nahe Verhältniss
zwischen Beiden ist um so bemerkenswerther, als Agricola zeitlebens
katholisch blieb.
Bei dem originellen Unternehmen der Sarepta war es allerdings
fatal, dass uns von edlen Metallen und Bergwerken in Palästina
nichts bekannt ist, welches vielmehr jene durch den Handel bezog.
Die relativ mangelhafte Kenntniss des Hebräischen, trotz tüchtigen
Studiums und vielfacher Berufung auf die Rabbinen, kam dem Ver-
fasser zu Statten, an vielen Punkten für ihn Geeignetes zu ent-
1) Laube a. a. O. 19 fif. Geiger a. a. O. 494- 579- — *) A. a. O. 247, Brief
voD Neujahr 1551.
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decken und zu combiniren, wo heut das nicht mehr erlaubt wäre.
Vieles missversteht er mit Luther *), dem er aber auf Grund des Ur-
textes mehrfach entgegentritt •), wobei nicht seine Meinung, die aller
Ehren und des Bugenhagen 'sehen Uebersetzungsfestes werthe Dol-
metschung zu tadeln«). Um die mineralogischen Ausführungen, um
die Darlegungen aller möglichen Dinge aus dem Gebiet der Hütten-
und Münzkunde, die oft zu förmlichen Abhandlungen anschwellen
und Böhmen, Europa, Asien umspannen; von Dingen, welche den
nächsten Zuhörern, den Bergleuten zwar zum guten Theil aus der
täglichen Arbeit bekannt waren, aber fiir die jungen Leute wichtig
sind, die sie erst lernen sollen, fiir die alten, insofern von anderen
Bergwerken gehandelt wird, für Ausheimische, sofern sie Interesse
für Mineralien haben: krystallisiren sich die irgendwie herbeizu-
ziehenden biblischen Stellen mit dogmatischen, religiösen, sittlichen
Anwendungen und gegenwärtigen, allgemeinen, wie die Ein-
zelnen angehenden Beziehungen, mit geschichtlichen, autobiogra-
phischen, culturhistorischen, geographischen, topographischen, ethy-
mologischen, grammatikalischen Zwischenspielen. Mathesius bewährt
dabei ein ausserordentliches Geschick der Zusammenstellung, wenn
auch manche Fugen nicht verkittet sind*), umfassende, vielseitige,
tiefdringende Gelehrsamkeit und eisernen Fleiss. Manchmal wird ihm
wohl bange um seine sareptanischen Legirungen, man scheint ihm
sogar seine kühnen Vermittlungen vorgerückt zu haben; indessen
,ich rede hier wie ein Bergmann, darum verdolmetsche ich die Worte
nach Gelegenheit der alten Bergleute*); sogar der heilige Geist er-
wähnt in seinem Buch mit Ehren allerlei Künstler und schämt sich
nicht von Gottes Gaben auch in Handwerksleuten zu reden •)/ —
Noch weit volksthümlicher, wenigstens für damals und daher in
etwa doppelt so viel Auflagen, selbst in Uebersetzung verbreitet
sind die zwei Tage vor seinem Tode vollendeten Historien vom
Leben Luther's ^). Sie behaupten einen Ehrenplatz in der Geschichte
der Luther-Biographie. Sie müssen als die erste eigentliche Lebens-
1) Z. B. 189 b (Ausg. 1571). — •) Z. B. 190 a. — «) 190 b. — *) Z. B. 119 a. —
*) 15 a. — «) 196 b.
*) Die Verzeichnisse der Ausgaben, sind nirgends vollständig, nicht einmal bei
Vilmar a. a. O. und bei Vogel, Bibliotheca Biographica XrUtherana 1851. Folgendes
dürfte lückenlos sein: 1566, 67, 68, 70, 76, 80, 83, 88, 92. 1600, 21, 33. 1715, 24,
73. 184 1 beste, etwas modemisirte Ausgabe mit tüchtigen Anmerkungen. 1846 (schwe-
disch). 1855 u. 83 für grössere Kreise unbrauchbar, weil ohne Erklärungen und sogar
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geschichte des Reformators gelten *) und waren bis in die neuere
Zeit hinein unübertroffen. Sie beweisen, dass ihr Verfasser mehr als
nur einen Hauch von Luther's Geist verspürt; dass er, trotz seiner
Minderwerthigkeit, ihm von Haus aus congenial, immer mehr in
sein Wesen sich hinein gelebt und geliebt hat. ,Zum Trotz allen
I^ästerem, Mamelucken und undankbaren Kuckuks hat er das Bild
seines deutschen Propheten und grossen Wundermannes* gezeichnet,
treu und naiv, ein literarischer Lucas Cranach; das Wesentliche
überall herausstellend und dann wieder reiche Einzelheiten bietend,
diese erprobten Anreger ermüdender Aufmerksamkeit, mit vielen
wörtlichen Anführungen aus Werken und Briefen, nicht ohne Fehler
und Fehlendes; vor Allem nicht ohne die Chemie der Kritik*), nicht
der Sünde des Schönfärbens um jeden Preis verhaftet, welche jedem
Biographen vor der Thür lauert').
Diese beiden Fahnenwerke gehören in die Abtheilung der
volksthümlich - wissenschaftlichen, belehrend - erbaulichen Vorträge ;
man darf sie daher nicht als genügende Unterlage fiir ein Gesammt-
urtheil über Mathesius' homiletische Weise verwenden. Sie behaupten
auch insofern eine Sonderstellung — und darauf beruht zugleich ein
besonderer Rechtstitel derselben — dass es Fastnachtsreden sind,
in denen man nach altem Brauch etwas besonders Unterhaltendes,
ja Belustigendes zu hören erwartete.
Unter den Predigten im engeren Sinn ist es nicht leicht, die Samm-
lungen in einer Stufenleiter ihres Werthes zu ordnen : die Evangelien- *),
[die Propheten- *) und die Spruch- *)] Postille ; die Passionsreden *)
und das Bekenntniss vom Abendmahl ®); das mächtige , Leben Jesu* •)
mit Fehlern. Auszüge i8o6, 17, 18, 25, 30, 41, 43, 46, 54, 71. Für die dramatische
Bearbeitung des Lebens Luther's von Adreas Hartmann (1600) bildet Mathesius eine
HanptqueUe; Holstein a. a. O. 235, — *) Pütt, die vier ersten Luther-Biographien. 1876.
*) Deshalb ist Janssen's Bezeichnung des M. schlechtweg als Lobredner (Geschichte
des deutschen Volkes. 3. Bd. 1887. 555) so halbwahr, wie das Meiste, was dieser grosse
Historiker einem kritiklosen Publicum auftischen darf. — •) Eine Aehnlichkeit mit
diesen Predigten haben die 22 vor den Mansfelder Bergleuten (1562 — 1574) gehaltenen
des M. C^iacus Spangenberg, welcher die des Mathesius zuweilen citirt. Vgl. Rembe,
M. Cyriacus Spangenberg's Formularbüchlein der alten Adamssprache. Mit Lebens-
beschreibung und einem Verzeichnisse seiner Werke. 1887. Derselbe: Dr. Luther als
Treckejunge. Eine Bergmannspredigt. Von M. Cyriacus Spangenberg. 1887. — *) 1565,
70, 79, 88. 1600, 13, 14. 1571 plattdeutsch. 131 Pred. Ausserdem eine Ev.-Post. als
Enchiridion für die Gemeinde. 1558. 83 u. ö. — ») 1588. 29 Pred. — •) 1588. 68 Pred.
— ») 1568. 72, 84, 87. 1601. 17 Pred. — 8) 1567, 68, 79, 85 16 Pred. — ») 1568, 72.
85. 1622. 1596 polnisch. 57 Pred.
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im Rahmen des zweiten Artikels ; die wie dies vornehmlich an Kinder
gerichteten Katechismus-Auslegungen^); das mit dem eigensten
Herzblut getränkte de profundis ') und den Ruf zur Busse ^ ; die
Homilien über Psalm 72 *), - die Korintherbriefe *) und das erste
Capitel des Johannes - Evangeliums •) ; die Casualien zur Hochzeit')
und am Grabe ®), unter welchen letzteren besonders ergreifend die
nach dem nie verschmerzten Tode der Gattin den Kindern Nach-
mittags im Hause vor dem Gang auf den Friedhof gehaltenen').
Einen Platz für sich nehmen die Homilien zum Syrach ") und zur
Siindfluth-Historie **) ein. Jene bieten mehr Entwürfe zu Predigten,
zugleich für die Diakonen gedacht; das Diluvium, nach Concepten
des Verstorbenen gearbeitet uud vielfach ^complirt*, ist mehr eine
Nachahmung **).
Die Vorbereitung für seine Kanzel nahm Mathesius sehr ernst.
Mit Ausnahme von Syrach und Diluvium schrieb er alle Predigten
vollständig nieder. Eine solche Fülle der Gedanken, der Lesefnichtc
ans alter und neuer Zeit, heiligen und profanen lateinischen, griechi-
schen, deutschen Autoren ; der Bilder, der Anspielungen, der Sprich-
wörter, der Gedanken- und Wortspiele, der Anwendungen auf die
Wirklichkeit strömen auch dem Fähigsten nicht ohne Anspannung
zu ; auch hier muss der Fleiss der treueste Genosse des Genius sein ;
auch hier ist der Schweiss — Mathesius würde sagen, der saure Nasen-
schweiss — vor den Preis gesetzt. Mit Bienenfleiss hat er Alles
zusammengetragen, was er im Dienst des HeUigthums verwenden
konnte, als ein Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, Altes und
Neues aus seinem Schatz hervorbringend. Weil er es so ernst nahm,
konnte er nie ohne Furcht und Zittern predigen. Er weiss nicht, was
das müssen fiir Prediger sein, die allezeit eine Predigt im Bauch haben,
wie die Henne ein Ei. Er will lieber zehn Mal zuhören, als einmal
predigen. Es kommt ihm schwer an, wenn er improvisiren soll.
1) 1574—1586, 89. — «) 1565, 71 (II Pred ), 80 81 (16 Pred.). — «) 1589,
25 Pred. — *) 1592, 14 Pred. — «) 1590, 163 Pred. — •) 1589, 41 Pred. —
») Vom Ehestand und Hauswesen. 1563, 64, 67, 69, 72, 75, 84. 16 Pred. — Ehespiegcl.
1584, 91. 76 Pred. — «) Leychpred. 1559, 61, 65, 72, 81, 87. 20 Pred. — ») 3. Th.
d. Leychpr. — »«) 1586, SS, 89, 98. 308 Pred. — ") 1887, Zwei verschiedene Reoen-
sionen. Leipzig in 54 Pred., Nürnberg in 57 Pred. 1597. 1605. — ^«) Vilmar a. a. O.
308. In Bezug auf einige andere Predigten, Einzelausgaben, Beschreibung der Exem-
plare muss ich auf Vilmar und, da dieser trotz vieler dankenswerther Mühewaltung
unvollständig ist, auf meine in Vorbereitung befindliche Monographie verweisen.
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Er ist nicht ängstlich, jedesmal ein Bibelwort an die Spitze zu
stellen; so oft er es thut, erfüllt er von den beiden idealen Anfor-
derungen der Texttreue und Texterschöpfung eher die zweite als
die erste. Das verschuldet sein starrer Inspirationsbegriflf, seine un-
gesdiichtliche Auffassung der Testamente, sowie das Bestreben, Alles
zusammenzuschweissen, was nur irgend sich zusammenreimen lässt.
Schon bei Mathesius begründet sich die Entwicklung, dass
Luther's analytische Predigtweise mehr verdrängt wird durch die
synthetische *), obwohl er noch viel in der ersteren Gattung arbeitet ;
gern vermischt er beide Arten.
Auf die Eintheilungen ist viel Sorgfalt verwendet, um dem Vor-
trag ein kräftiges Knochengerüst mit starkem Rückgrat zu verleihen
und die Behältlichkeit zu fördern. Namentlich in der Sarepta war
solche Mühwaltung dringend. Einzelne Reden, wie z. B. im , Leben
Jesu* sind von fast domartiger Architektur; es ist, als wenn die
Jugendeindrücke der heimatlichen Kunigundenkirche und der ihr be-
nachbarten berühmteren Wechselburger Kirche hier eine gedankliche
Auferstehung feierten. Solcher Inhalt ist gekleidet in markige, nervige,
lutherisch anklingende, zum Theil äusserst derbe Sprache, die, ob-
wohl bereits von Vilmar für Grimm's Monumentalwerk ausgebeutet,
einer besonderen Untersuchung und Schilderung wohl würdig wäre.
Die Eingänge sind verschieden behandelt ; oft allzu schlicht und
nüchtern, oft aber auch geschmückt mit einer anfassenden Erzählung,
einem sprechenden Bild, einer überraschenden Verbindung der Be-
deutung des Tages im Kirchenjahr mit der fortlaufenden Betrachtung ;
so, wenn die Sareptapredigt vom Gold mit dem heiligen Dreikönigs-
tag und den Geschenken der Weisen verknüpft wird ■), Der Schluss
gestaltet sich wie beim , ersten Prediger* zur Doxologie, sehr gern
zur Collecte •) und Paränese.
In der Exegese ist Mathesius beflissen, aus dem Grundtext den
Wortsinn zu erheben und erspart dann auch nicht den Blick in seine
Arbeitskammer. Wir staunen über diese grammatikalischen und ethy-
mologischen Erörterungen, über den oft dreisprachigen Wortsegen,
der sich über die Berggemeinde ergiesst. Zur Erklärung dieser, den
1) Schmidt. Geschichte der Predigt in der evangelischen Kirche Deutschlands von
Luther bis Spener. 1872. 62. 36—39. — ») Pred. 4. Fol. 41. — ■) Diese Gebete sind
auch gesammelt erschienen : Andächtige vnd Christliche gemeine Gebetlein für allerley
not der Christenheit. Nürnberg 1568. Neue Ausgabe (von Lohe, der leider für gut fand,
des Mathesius Vorrede durch eine eigene zu ersetzen), Nürnberg 1836. 177 Gebete.
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Vorschriften des bpünstig gefeierten Meisters widerstreitenden Vor-
liebe genügt nicht die Beobachtung der bis in unsere Tage hinein-
reichenden, namentlich in Landgemeinden zuweilen anzutreffenden
höheren Achtung nicht nur der Analphabeten vor den Geheimnissen
des Unverstandenen und der Persönlichkeit, welche diese Wunder-
dinge beherrscht ; theils vergass vielleicht Mathesius in wissenschaft-
lichem Eifer, die, welche seinem Fluge nicht folgen konnten; theils
wollte er wohl auch seinen Collegen, den Lehrern und den Gym-
nasiasten etwas Besonderes bieten und zugleich Vielen mitten in
dem Rennen nach den Metallen einen Sporn in die Seite drücken,
wenigstens ihre Kinder zu den höheren Wissenssphären hinaufzu-
führen ; in dem ruhigen Bewusstsein, so viel Allgemeinverständliches
und Volksthümliches zu bieten, dass auch für die Armen an Bildung
genug übrig blieb. Er spürte nach dem Wortsinn ; aber um die reifen
Früchte seines heissen Bemühens brachte ihn einmal ein Zug zu
sareptanisch bestimmter, phantastischer Ausbeutung und dann eine
falsche Auffassung von dem Verhältniss der Oekonomieen des alten
und neuen Bundes. Er begnügt sich nicht mit der schönen Formel
Augustins. Er christisirt das Alte Testament im höchsten Grade;
es steht ihm von vornherein fest — es bedarf für ihn keiner Be-
gründung — daselbst allenthalben irgendwie Christus zu finden: das
alte Testament redet ihm — mit Hilfe typischer Auslegung — an
allen Orten von dem ewigen Sohne Gottes *) ; Christus schöpft seine
Predigten aus dem Brunnen Israel's*). Er kommt dabei in die Ge-
fahr einer Gleichstellung der beiden Testamente. Dies könnte als
ein reformirter Zug erscheinen, doch weist Bindemann ') darauf hin,
wie auch hier die confessionelle Farbe sich nicht verleugnet und
formulirt sehr treffend den Unterschied der beiden Confessionen in
in dieser Richtung dahin, dass die Reformirten mehr in der Gefahr
sind, das neue Testament in das alte hinabzuziehen, die Lutheraner,
ohne gehörige Vermittlung das alte in das neue hinaufzuheben. Trotz
dieses Fehlers bewundert man die findige Spürkraft, die Feinfiihlig-
keit und Sinnigkeit, mit der Beziehungen unserer heiligen Urkunden
zu einander entdeckt werden.
In der Dogmatik trägt Mathesius noch vielfach die Eierschalen
der mittelalterlichen Kirche und der Scholastik an sich. Er betont
i) Leben Jesu, i, 8 a. — ") Ebd. i, 38 b. — ») Die Bedeutung des alten Testa-
ments für die christliche Predigt. 1886. 94, 95. Ueber Mathesius. 95—194.
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wiederholt den Zusammenhang mit jener in den Grundlagen der
Schrift, Taufe, Beichte, Absolution. Man predigt in dieser Kirche
das Gesetz und das Evangelium nach prophetischen und apostolischen
Schriften und man bekennt der Apostel, das nicänische, Sanct
Athanasii und Sanct Ambrosii Symbole, wie diese Lehre in der
Augsburgischen Confession kurz verfasset, dazu wir uns allezeit
bekennen; denn ein grösser und höher Werk und theurer und
herrlicher Bekenntniss ist nicht geschehen von der Apostel Zeit
an. *) So sehr nun freilich die siegesfreudige Festigkeit, die rück-
sichtslose Entschiedenheit, eine gewisse Geschlossenheit der Welt-
anschauung bei Mathesius Eindruck macht, regt sich seiner dog-
matischen Stellungnahme gegenüber natürlich immer wieder der
Widerspruch bei Jedem, der eine reinere, befriedigendere, widerspruchs-
freiere Ausgestaltung der protestantischen Grundsätze für möglich
und nöthig achtet, der auch die Reformatoren dem unerbittlichen
Gesetz der menschlichen Bedürftigkeit nicht enthebt und mit der
Teleologie sich nicht zu befreunden vermag, welche in der gewaltigen
theologischen Arbeit der letzten vier Jahrhunderte, zumal unseres
jetzigen, wesentlich Abfall und Verirrung erblickt. Neben dem Ueber-
glauben mangelt es nicht an Aberglauben, von dem ja auch der
grosse Meister sein Leben lang nicht frei wurde. Beide kämpfen
dagegen und warnen ■) davor ; Beide verfallen ihm häufig : die Teufel
wohnen in alten Schachten, Stollen, Wassern, Nixtümpeln und
Wüsteneien. •)
Auch den unseligen Hexenwahnsinn hat er aus der mittel-
alterlichen Folterkammer mit hin übergenommen : der Teufel bedröhnt
die Hexen *) ; die Kinder werden von Teufeln und bösen Leuten
oftmals gehexet, verlähmt, beschädigt und verstümmelt. *)
Fast rückhaltlos können wir uns dagegen seiner ethischen
Gedanken freuen : des Ernstes, mit dem er die Heiligung als Folge
und Frucht des Glaubens betont; der echt evangelischen, so lange
verschütteten Behauptung der Gleichheit aller Menschen vor Gott •) ;
der Unerschrockenheit, mit der er den Mächtigen und Begüterten
in's Gewissen redet '') und wiederum der Weisheit, mit welcher er
der engen Wirklichkeit Rechnung trägt •) ; der hohen Idealität, welche
i) In der Kirchenordnung. — •) Mathesius z. B. Syrach, 2, 75 b. — •) Leychpred.
I» b 2 a. — *) Leben Jesu. 1568, 46 a. — ») Leychpr. i, d 20. — •) Z. B. Syrach
2, 89 a. — ') Ebd. 2, 82. — 8) Ebd. a, 71b.
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32
er dem Dasein selbst des Elendesten zu geben vermag, sofern er
nur Christus gefunden.
Dass er seiner harten Zeit zuweilen den Zoll rauhen Urtheils *)
entrichtet, wird ihm Niemand verargen.
Weit rücken wir wieder von ihm ab, wenn wir seine Polemik
in's Auge fassen. Freilich, wenn er seine scharfe Klinge gegen Rom
führt, werden wir ihm nicht in den Arm fallen, wenn auch wider
die Fechterkünste der modernen Gegenreformation noch andere
Streiche zu führen sind.
Bedenklicher ist schon zum Theil sein Verhalten in den Kämpfen
des Lutherthums mit der melanthonisch-calvinischen Richtung und
denen innerhalb des Lutherthums. Er liebt es allerdings nicht, in sie
sich einzumischen, seine Entfernung von ihrem Schauplatz würde ihn
auch dabei hindern; er ist kein Freund von Haarspaltereien und
Spitzfindigkeiten; doch scheut er nicht, Farbe zu bekennen. Ueber
das Interim ergiesst er die Lauge seiner Satire und schilt über den
erneuten Götzendienst ■) ; doch ist er entschiedener Adiaphorist mit
weitgehenden Zugeständnissen in den , ungefährlichen Ceremonien.
welche die Jugend und den gemeinen Mann in guter Zucht erhalten.*
Man hat ihn wohl des Majorismus beschuldigt, weil er wie beregt auf
die Heiligung drang ') und sich gegen jene Amsdorf sehe Proposition
von der Schädlichkeit der guten Werke erklärte *) ; doch legt fast
jede Seite beredtestes Zeugniss über seinen Solafidismus ab, daher er
im synergistischen, wie auch im Sacramentsstreit viel entschiedener
als sein Freund Melanthon zu Luther hielt. Ebenso bei den Kämpfen
innerhalb des Lutherthums; Grickel heisst ein Sonderling und
Schwärmer*), die lehren, was ihnen Gold trägt*); Oslander und
Stancarus werden zu den Rotten, Secten und Ketzern geworfen *) ;
vielleicht ist auch auf Flacius Illyrikus gezielt, wo von dem illyrischen
Pech gesagt wird, dass es schwarz und stolz ist und bald darauf
von bösen, rasenden, unsinnigen Köpfen die Rede wird, mit denen
man nicht in Disputationen sich einlassen soll. *)
1) Z. B. Ebd. I, 172 b. 2, 35 a. — «) Brief an Eber, a, a. O. 83 und Syrach
2, 58 b. — «) Vgl. Vilmar, a. a. O. 278. — *) Sarepta 121 b. — *) Syrach 154 b.
Sarepta 129 b. Luth.-Hist. 135 b. -— •) Syrach 2, 61 a. — ») Ebd. 57 b. 53 a. a, 61 b.
— *) Ebd. 2, 79 a. Es ist daher nicht zutreffend, wenn Vilmar nur von einer Partei-
nahme gegen Oslander spricht, a. a. O. 278.
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Entschiedenen Protest gilt es indessen seinem Auftreten gegen-
über den Juden, Täufern und Reformirten, wo er in bedauerlichster
Weise der Nachtreter seines grossen Lehrers ist und insofern in diese
Verschuldung mit ihm sich theilen darf. Dabei scheint er nicht
einmal Luther's Stellung zu den Juden in seiner Blüthezeit, in den
zwanziger Jahren, im Gedächtniss zu haben, wo er in evangelischer
Liebe mit dem Ahasver zu fahren gebietet, sondern nur die aus den
vierziger Jahren, deren Aeusserungen den modernen Sportsmännern
des Antisemitismus eine so unschätzbare Fundgrube geworden sind.
So spricht er z. B. : Die alten Juden waren massige Leute, die
jetzigen essen kein Schweinefleisch und sind selbst Säue *); gern
redet er sprichwörtlich vom gelben Neid der Juden ; von ihnen als
von Leuten, die nichts ohne Vortheil thun *). Freilich zu Luther's
Masslosigkeit verirrt er sich nicht.
Gegen die Täufer, diese ^Spazier- und Schwarmgeister mit
ihrem türkischen und teuflischen Wahnsinn*, wüthet er bei jeder
Gelegenheit. Es gereicht ihm dabei nur zu geringer Entschuldigung,
dass sie allgemein mit dem Hass des Menschengeschlechts beladen
waren, dass er sie in München vielleicht in sehr zweifelhaften Ver-
tretern kennen lernte, und dass sie, wie berührt, in Joachimsthal
Aufregung hervorgerufen; wohl aber der Umstand, dass der Fluch
der Reformatoren bis in die neuere Zeit auf dieser unseligen Partei
gelegen. Erst jüngst hat man begonnen, auch diese Verkannten
zu retten, zu begreifen, dass das ^Täuferthum vielfach nur eine
Reaction war gegen die mit Gewalt unterdrückte rein evangelische
Bewegung.*
Was soll man aber vollends über die Schroffheit und Härte des
Mathesius gegen die Reformirten sagen, , diese aufrührerischen
Koraiten, welche Christi Abendmahl mit gotteslästerlichen Worten
verspotten* ! *) Zwingli wird mit Arius und Mahomet in demselben
Athem genannt; er gehört zu den Ohrenkrauern, die Geschenke
bekommen *). Der ganze Schmerz, den wir Angesichts des Bruder-
zwistes zwischen Luther und den Schweizern und deren Epigonen,
1) Syr. 2, 43. — •) Ebd. 2, 39 b. 43 b. — •) Ueber die Geschichte der Täufer
in Oesterreich erinnere ich namentlich an Bd. 43 der Fontes rerum Anstriacarum. Mittheil.
d. V. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen. 1866, 149 f. Adam Wolf, Geschichtliche
Bilder aus Oesterreich. 1878, i, 67—112. — *) Luth.-Hist. 58 b. — «) Syr. 2, 58 b.
Luth.-Hist. 177 a.
Jahrbuch des Protestantismus x888. H. I. 3
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34
diesen Kindern Eines Geistes, vielfach bis heut empfinden müssen,
bricht da in aller Bitterkeit auf.
In der Kennzeichnung von Mathesius' Predigten sind überaus
fruchtbar und daher in diesem Rahmen zu besonderer Enthalt-
samkeit drängend die Capitel von dem Bilderschmuck und von der
Verwendung seiner humanistischen Kenntnisse. Nicht umsonst hat
er fast zehn Jahre geschulmeistert und sich so in den Alten ge-
tummelt, dass ihn Laube einen der vorzüglichsten Humanisten seiner
Zeit nannte. Sie müssen ihm wider Willen Handreichung thun, die
Herrlichkeit der. Offenbarung zu veranschaulichen in der Verneinung
wie in der Bejahung. Zum Theil wurde schon bei Gelegenheit der
Sarepta darauf hingewiesen.
Griechische und römische Historiker wie Philosophen, Epiker.
Lyriker, Dramatiker steigen mit auf die Kanzel von Joachimsthal.
Von den Vätern Homer und Hesiod an, durch die goldenen und
silbernen Zeitalter hinunter bis in die ehernen wird über ein Jahr-
tausend literarischen Schaffens durchmustert. Als brauchbar werden
nicht nur die Hauptleute der jetzigen Gymnasialbildung gefunden,
auch nicht nur der gnomische Elegiker Theognis ; der stoische Sitten-
prediger Persius; der auch als Charakter hochachtbare Quintilian.
dessen Institution ja noch heut als eins der gediegensten Lehrbücher
der alten Literatur geschätzt wird; der tiefsinnige Seneka; der für
die Alterthumskunde so verdiente Gellius, dessen , Attische Nächte*
wohl jenen Titel der ersehnten Wittenberger Nächte *) geprägt
haben; der neuplatonisirende didaktische Makrob; nicht nur die
Schöpfer des europäischen Lustspiels, ein Plautus und der Liebling
Terenz; sondern auch die antiken Zolaisten Juvenal und Martial,
deren Satiren und Epigramme, bei der Unsterblichkeit der Laster,
der züchtigenden Rede immer willkommenen Stoff liefern werden.
Dass man den Anekdoten des Valerius Maximus häufig begegnet,
ist nichts Absonderliches ; war doch ihre Sammlung im Mittelalter
sehr beliebt; auch Zwingli hat sie auswendig gelernt, um sie als
Beispiele in der Predigt verwerthen zu können').- Die Gedanken.
Sprüche und Verse aus den Schriften dieser heidnischen Handlanger
werden vielfach in der Originalsprache angeführt, meist mit Ueber-
setzung, die zum Theil sehr volksthümlich zurecht geschnittene und
gereimte Zeilen bietet.
*) A. a. O. 19. — «) S. oben S. 15. — ») Stähelin, Zwingli als Prediger. 1887, o
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Es ist eben christlichen Leuten unverboten, in der Heiden
Bücher zu lesen, wie auch ein Prediger solche Beute auf der Kanzel
wohl gebrauchen darf, ohne Nachtheil und Abbruch der Propheten
und Apostel % wie auch Sanct Paulus thut •). Die alten Poeten, feine
und werkliche Köpfe '), sind ihrer Zeit Propheten und Pastoren ge-
wesen, welche Zucht gelehret und die Leute gestraft und zur Tugend
ermahnt haben. Bei dem Aergerlichen und Gefährlichen in ihren
Büchern gilt es : behalte das Gute, warne vor dem Bösen *). Freilich,
wenn wir etlicher Heiden Schriften in ihrem Werth bleiben lassen
und jungen Leuten gute Sprachen, Redekunst und was zur schönen
Zucht und Ehrbarkeit im Haus, Stadtwesen, Recht, Arznei, des
Himmels Lauf zu erforschen, studiren und lernen befehlen, müssen
wir dennoch, wenn wir eigentlich von Sünde, Tod und menschlichem
Elend und dessen Ursache und dem Herrn Herrn, der ihrer mächtig
ist, reden, uns an Mosis, der Apostel und Propheten Schriften
halten, in denen wir Alles weit, hoch, breit und viel besser finden,
denn sonst in aller Welt *). An dieser Werthung der heidnischen
Pastoren wurde Mathesius auch nicht im Alter irre, wie so mancher
Andere selbst der hervorragendsten Humanisten •).
Mit dieser Vorliebe hängt auch die für die Bilder zusammen.
Unbegreiflich, wenigstens in dieser Allgemeinheit, ist daher Vilmars ')
Ausspruch: , seine Darstellung ist höchst einfach, ohne allen und jeden
Schmuck, ohne allen sachlichen und rhetorischen Effect* ; ganz im
Gegentheil. Wie er in den Kirchen nicht die wirklichen Bilder ikono-
klastisch schalt, so auch nicht die gedanklichen in der Predigt : ^^denn
auch der Sohn Gottes, die Apostel und Propheten thuen ihren Mund
gern auf in schönen Gleichnissen* *). Allerdings wird es manchmal
des Guten zu viel, so dass man geneigt wird, auf ihn die Bemänge-
lung anzuwenden, welche Nitzsch •) seinem Urtheil über die Blüthezeit
der lateinischen Predigt einfügt, dass der BUder und Symbole, des
Fettes der Embleme zu viel ist. Die Hauptschatzkammern sind die
Bibel und das Hüttenwesen ; daneben die Legende, Mythologie, die
Natur, der tägliche Verkehr, selten die Kunst.
Auch durch Sprichwörter, diese destillirten Tropfen der Erfahrung
ganzer Völker, war Mathesius bestrebt, seine Rede zu beleben, auch
1) Leychpr. i, 2 b. — «) Sarepta 67 b. — «) Ebd. 225 a. — *) Leychpr.
a, a. O. — ») Sarepta 201 b. 202 a. — •) Geiger, a. a. O. 388. — ») A. a O. 278. —
») Lutb.-Histor. 70 ab. — •) System der praktischen Theologie. 2, 15. 19.
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darin einem Zug der Zeit folgend. Es sei hier nur an die Sprich-
wörtersammlungen Luther's, Erasmus\ Sebastian Frank's und Johann
Agricola's erinnert. Er will damit Manchem eine Klette in den Bart
werfen und einen Stift in's Herz stecken.
Ferner durchziehen Wortspiele, eine humanistische Liebhaberei,
der z. B. der alte Alexander Hegius in Deventer *) in ganz seltsamer
Weise fröhnte, fast alle Vorträge wie Mohnblumen das Kornfeld,
wie sich denken lässt, von sehr verschiedenem Werth, zuweilen in
ermüdender Häufung.
Im Gehorsam der apostolischen Mahnung : Alles ist euer, hat er
endlich dem Humor einen nicht unbedeutenden Raum eingeräumt.
Nicht nur in den Hochzeitspredigten macht er reizende Figur, selbst
in der Vorrede zu den Leichenpredigten blitzt er durch. In der noch
schwebenden Streitfrage über dessen Berechtigung an heiliger Stätte
wird auch die Stellungnahme eines so gewiegten Geistlichen in's
Gewicht fallen und die Schale der Bejahung senken helfen. In der
That ! welch ein Mittler zwischen der idealen und realen Welt, welche
ja der Diener am Wort versöhnen helfen, in der höheren Einheit
aufheben soll, ist doch der Humor, nach der Volkssage ein Kind
aus dem Bunde von Schmerz und Freude, von der Mutter in ein
Priestergewand gekleidet und ausgesandt, jene beiden Welten zu ver-
mählen, aus welchen die ungleichen Eltern stammten!
Nicht selten nimmt der Mathesianische Humor lutherisch-
groteske Formen an ; wie man mit Fug Luther einen Classiker des
grotesken Humors genannt hat. Häufig verschärft sich der Humor
zur Ironie und Satire und das gerade in jener uns heute oft
ärgernden Polemik. Wie hierin geht Mathesius auch in der Nennung
des Wirklichen und Natürlichen — wohl wieder in Erinnerung an
das lateinische Sprüchlein — weit hinaus über das uns Heutigen
schicklich, geschweige geschmackvoll Dünkende. In der Aera
Rabelais' und Shakespeare's hatte man eben andere Massstäbe,
besassen selbst die Frauen stählerne Nerven.
Beim Licht ist der Schatten. Die Krone der Vollendung ist
nicht von dieser Erde, sie schmückt keinen sterblichen Scheitel,
Aber die unerlässlichen Ausstellungen dürfen nicht auch nur in
den Hintergrund rücken lassen, was wir Treffliches, Grossartiges,
*) Geiger, a. a. O. 392.
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37
Herz-Erfreuendes unserem sudetischen Pfarrer zu danken haben.
Trotz der hermeneutischen, kritischen, historischen, dogmatischen,
polemischen, ästhetischen Gebresten steht er vor uns als das Kunst-
werk einer geistdurchwirkten Persönlichkeit, bewuniiernswerth als
Forscher, Prediger und Seelsorger; der Besten Einer aus dem
zweiten Gliede der reformatorischen Helden, ein Lichtbild, das bis
zu uns herüberglänzt und manchem jungen und alten Theologen ein
Wegweiser sein kann; vor Allem in dem sittlichen und religiösen
Pathos, das keineswegs von seiner Dogmatik unzertrennlich ist; in
dem Eifer, die Ergebnisse der Wissenschaft dem einfachen Mann
mitzutheilen und zu Eigen zu machen; in der Inbrunst, dem Tag
für Tag hart in den Sielen gehenden Volk Seine nur zu leicht es
aufsaugende Berufsthätigkeit ebenso sinnig als unauflöslich mit dem
Einen, was noth ist, zu verknüpfen ; in der Verschmelzung von
theologischen, humanistischen und naturwissenschaftlichen Studien.
Schon der Kryptiker Lukas Osiander charakterisirt ihn *) als
selten aufrichtig und äusserst beredt, als feinen und gebildeten Kopf.
Ein Anderer der Aelteren spricht nicht nur von bewunderungs-
würdiger, sondern fast göttlicher Beredtsamkeit ■). Vilmar, der be-
kanntlich mit Lob nicht verschwenderisch war, räumt ihm unter
den Homileten des i6. Jahrhunderts den ersten Rang nach Luther
ein und wünscht seine Werke studirt zu wissen ; Bindemann befür-
wortet sogar Wiederabdruck seiner Propheten-Postille.
Es war nicht des Mathesius Schuld, dass seine Lebensarbeit
nicht nachhaltiger gewirkt, dass von ihr weniger übrig geblieben als
von den Mauern seiner Kirche. Es wird immer ein Räthsel der
göttlichen Zulassung bleiben, dass eine der kläglichsten Schlachten
der Weltgeschichte der evangelischen Kirche Böhmens den Todes-
stoss gab, dass durch jesuitische Dragonaden die schönen, kaiserlichen
Lande, welche fast ganz schon in der Sonne evangelischer Wahrheit
und Freiheit erblühten, in Dunkelheit und Erstarrung zurückgeworfen
werden durften. Allerdings haben sich die Sareptaner tapfer gewehrt
und sind meist lieber ausgewandert, als Glaubenswechsler zu werden.
Nur zu wirklich ist die Schilderung des Romantikers Achim von
Arnim von den heutigen Joachimsthalern. Es ist ein armes Völkchen,
das mit Cigarrendrehen und Spitzenklöppeln sein Leben fristet ; nur
1) Chronic. Misn, l, 35, 7. — ■) Schmidt, a. a. O.
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38
etwa dreihundert betreiben noch den wenig lohnenden Bergbau ; von
einem Gymnasium ist keine Rede mehr, nicht einmal eine Buch-
handlung befindet sich am Ort. In der unverhältnissmässig schönen
Kirche schwebt in der Mitte eine Mutter Gottes mit dem Kinde.
Und gleichwohl zehrt man noch von dem Ruhm des Mathesius.
Wie übermächtig sein Andenken sich geltend macht, beweist, dass
ihm an seinem Geburtstag 1874 am Joachimsthaler Rathhaus in feier-
licher Handlung, unter Huldigungen in Prosa und Versen, in Gegen-
wart der katholischen Geistlichen eine Gedenktafel gewidmet wurde,
die freilich nicht nur in dem falschen Tagesdatum des Todes, son-
dern in den kühlen und vorsichtigen Worten der Anerkennung,
welche ihm den Pfarrertitel versagen, an den Wandel der Zeiten
gemahnt.
Möchte dieser Vorgang, dieses Reformatoren-Denkmal im katho-
lisirten Joachimsthal ein Bote jenes Dorado sein, in dem nicht nur nicht
mehr Kanonen gegen Gedanken gelöst werden, und der Landsknecht
in das Heiligthum der Seele einbricht^ sondern auch die durch Hass
und Lüge vergifteten Geisteswaffen im Tempel der Toleranz und
der neidlosen, freudigen Anerkennung des in jeder Confession Grossen
und Gesegneten aufgehängt werden!
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II.
,,Extract derer in Materia Religionis ergangenen
sowohl Kaiser- und Königlichen — als Königlich
Ober-Amtlichen — dann Königlichen Amts- — wie
auch Königlichen Repraesentations- und Cammer-
Rescripten ab Anno 1692/'
Mitgetheilt von Professor RICHARD PRITSCHE.
In der vom Exjesuiten Leopold Scherschnik in Teschen gegrün-
deten Bibliothek befindet sich ein 252 Quartseiten umfassendes
Manuscript, welches unter obigem Titel eine Sammlung im Auszuge
gegebener, zumeist die Gegenreformation im Teschner Gebiete be-
treffender Verordnungen vom Jahre 1692 — 178 1 enthält. Wir heben
aus diesem Schriftstück alle irgendwie wichtigen Verfügungen heraus,
bringen dieselben jedoch in eine gewisse Ordnung, indem wir die
nach den einzelnen Jahren bunt unter einander aufgezählten Reso-
lutionen bestimmten Abschnitten einreihen. Dabei bemerken wir,
dass der Abschnitt, welcher die Verordnungen über die dem Re-
ligionsanspruch unterliegenden enthält, d. h. über diejenigen Evan-
gelischen, welche die katholische Kirche als ihr rechtlich angehörig
beanspruchte, zu welchen aber auch diejenigen gehörten, die den
katholischen Religionsunterricht geniessen sollten, sowie viele Apo-
staten und Halsstarrige, nur deshalb besonders verzeichnet wurde,
weil auch in den allgemeinen Verordnungen dieser Sammlung ein
solcher Unterschied gemacht wird. Die Verordnungen beginnen auch
eigentlich erst vom Jahre 1707, indem vorher nur das einzige an-
geführte Rescript aus dem Jahre 1692 in der Sammlung sich vor-
findet. Die Verordnungen sind entweder Kaiser- und Königliche
Ober - Amtliche Rescripte, Intimationen oder Communicationen
(K. K. O. A. R.), oder Königlich Ober -Amtliche Resolutionen
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(K. O. A. R.), oder Kaiser- und Königliche Repraesentations- und
Cammer-Rescripte (K. K. Repraes. R.). Es sind vor Allem allge-
meine Verordnungen, die von der k. k. Religions-Commission und
dem Consistorium A. C. in Teschen, von dem evangelischen Kirchen-
und Schulwesen im Teschner Gebiete, von den Beschwerden der
evangelischen Gemeinden über Bedrückungen und von Anderem
handeln, dann solche gegen die Apostaten, deren Vermögen in usus
religionis confiscirt werden, gegen die Halsstarrigen, die zum Militär-
dienst oder zu einem opus publicum in Eisen und Banden venirtheilt
oder nach Ungarn und Siebenbürgen verbannt werden, solche ge-
gen die Entwichenen und Verschickten, deren. Eltern bis zur Rück-
kehr der Ihrigen in die Frohnveste gesteckt werden sollen, solche,
welche als dem Religionsanpruch unterliegend den katholischen
Religionsunterricht zu geniessen haben, solche gegen lasterhafte
evangelische Bücher, gegen die Pietisten, gegen die heimlich ausser
Landes Getrauten, solche über das zuerst in Lippowetz, dann nach
Ustron transferirte katholische Waisenhaus, in welches die Kinder
renitenter Lutheraner zur Erziehung im katholischen Glauben ge-
bracht wurden, solche, in welchen die Vybrantzen- (Grensdarmen)
und Dragoner-Assistenz bei Einbringung der Ketzer verlangt wird,
solche über die Ausschliessung der Evangelischen vom Bürgerrechte,
endlich einige wenige Verordnungen milderer Tonart, die schon vom
Josphinischen Geiste angehaucht sind.
Wir fuhren nun die wichtigeren Verordnungen der Sammlung vor.
Allgemeine Verordnungen.
1692, den 17. Juny. Kays. R.,' was maßen Ihro Kays. Mayestät
aus dem von dem Königl. Ober- Amte auf derer Stände des Fürsten-
thuins Teschen in puncto der verbothenen Unterthanen Copulationen
allerunterthänigst eingereichten Beschwerden müsfallig vernommen
hätten, welcher gestalt der Teschnische Landes-Hauptmann Rudolf
Freyherr von Sobeck an den Obersten Hauptmann und Bischofen
zu Brefilaü einen höchst gefahrlichen Vorschlag: daß denen ge-
meldten Teschnischen . Unterthanen die priesterliche Copulation so
lange bis dergleichen in den heüigen Ehe-Stand zu trethen begrie-
fenen Persohnen sich zuvor zu der allein seeligmachenden katho-
lischen Religion bekennet, versaget werden solle, zu thun unter-
maßet, so auch darauf von dem Bischöflichen Consistorio also ein-
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41
gerichtet und würklich vollzogen worden und nun das Consistorium
dieses sein Factum mit desselben Landes - Hauptmanns unzeitiger
Veranlassung zu entschuldigen suchet. — Wenn nun dergleichen
Sachen, so in das Jus Reformationis et Regium einlaufen, und zwar
mit Execütiv- Vorschlägen an die Geistlichkeit zu bringen, ihme keines-
weges Zugestanden, sondern ihme vielmehr die diesfalls etwa ge-
habten Gedanken vorhin an Ihro Mäyestät gehorsamst gelangen zu
lasseh, obgelegen hätte; Als Befehleten Ihro Mayestät demselben
gnädigst: daß er sich dessen ins künftige bey Vermeidung schär»
feren Einsehens hütten, und in seiner Amts-Direction mit mehrerer
Prudenz und Vorsichtigkeit verfahren sollte. Interim aber weil das
Consistorium, wie die Beylage zeigete, durch dieses Mittel 378 paar
Persohnen convertirte. hätte er; ob diese angegebenen conversi re-
vera convertiret worden, auch bei der wahren katholischen Religion
beständig verbleiben .> und dann ob gegen denen convertirten nicht
eben so viel und mehrer aus dem Lande gewichen? oder noch auß-
weichen und die hierdurch dem Lande verursachende depopulation
perseverire .^ wohl und gehörig zu untersuchen und sodann, wie
auch was sonst quietis publicae sowohl intra Provinciam als in ad-
jacente Vicinia der katholischen Religion zum Besten geschehen
könne, oder per extortas et factas conversiones zu der Lästerung
Gottes zu besorgen wäre, fundate nebst Zurücksendung der Ein-
schlüsse zu Händen der Königl. Boheim. Hof-Cantzelley gehorsamst
zu berichten, damit Ihro Mayestät gestalten Dingen nach, ob der
von dem Königl. Ober-Amte vorgeschlagenen Connivenz oder aber
nöthigen Revocation der geschehenen Publication allergnädigst re-
solviren könnten. Hierin wird ^eschen unser gnädigste Wille und
Meinung. Geben Wien, den 17. Juny 1692.
1707, den II. Sept. K. O. A. I. in puncto derer zwischen
Ihro Kays. Mayestät und dem Könige in Schweden geschlossenen
Religions-Puncten in specie wegen Verstattung des freyen Religions»
Exercitii in diesem dero Erb-Hertzogthum Schlesien vor dasige
der Augsburgischen Confession zugethane treugehorsamste Stände
zu weiterer Kundmachung und genauester Beobachtung.
1708, den 13. Febr. K. O. A. V. ratione derer von denen
Augsburgischen Confessions- Verwandten außgeschrieben seyn sollen-
den Collecten, um solche durch nachdrücklichen Verboth sogleich
zu sistiren und genauest nachzuforschen: durch wen.^ und wie viel
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bereits von solchen Geldern collectiret oder wohin sie distribuiret
worden, auch wo irgends noch was davon anzutreffen ? welches also-
gleich in Sicherheit zu bringen und darüber Bericht an das Königl.
Ober-Amt abzustatten ist,
1709, den 4, Jan. K. O. A. R.: vermöge welchem die von
denen herumvagirenden Lutherischen Praedicanten wider die Alt-
Ranstädtische Convention sich anmaßende Attentata mit öffent-
licher Verrichtung ihres Exercitii Lutheranismi in Dörfern unter-
brochen werden sollen.
17 IG, den 21. Febr. Kais, allergnädigster Befehl, daß die
Augsburgischen Confessions - Verwandten in der Hertzogl. Stadt
Teschen als Inwohner geduldet werden können.
17 10, den 9. July. K. O. A. I., daß vermöge emanirten K. k.
allergnädigsten Rescripti die Tauf-Actus von denen Lutherischen
Wortsdienern in denen Privat-Häußern und Wohnungen Adelicher
oder anderer Persohnen auf keine Weise gestattet, die vorsetzlichen
Transgressores dessenthalben zur Rede gestellet und wie solche zu
bestraffen guttachtlich berichtet, auch hirob die Allerhöchste Ver-
ordnung erwartet werden solle.
17 19, den 23. Sept. K. O. A. V., daß die von denen katho-
lischen Eltern von Teschen nacher Bielitz zu Erlehrnung der deut-
schen Sprache abgeschickten Kinder unnachbleiblich zurückgenommen
werden sollen.
1723, den II. Novemb. K. O. A. V., daß mit denen bey der
allhiesigen Augs. Conf. zu lang haltenden Andachten, wann dar-
wider sonsten nichts erhöblicheres vorzuwenden wäre, zu dissimu-
lircn seye.
1724, den 14. Febr. K. O. A. R. wegen verbothener Theo-
logie Tradirung zu Teschen.
1724. den 26. Juny. K. O. A. R., daß die Augsb. Ministri
fremden Lutherischen Theologis in der hiesigen Teschnischen Gna-
den-Kirche A. C. publice zu predigen sub poena suspensionis nicht
erlauben sollen.
1736, den 8. May. Extract eines Kay serlichen Rescripts, ver-
möge welchem 6) ratione derer von zweyerley Religion zugethanen
Eltern entsproßenen und contra sexum in perversa fide auferzogenen
Kindern statuiret worden, daß, wann selbte bereits über 20 Jahre
alt sind, man dieselben zwar von aller Instruirung nicht simplidter
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losgesprochener halten, sondern die Geistlichkeit etwa glimpflich
und nach Beschaffenheit der docilitaet deren Leuthen sehen solte,
ob sie was fruchtbarliches operiren könne, falls aber solches nicht
zu hoffen wäre, respectu dergleichen in ihrem Irrthum verstockt
bldbenden Persohnen connivendo zu gehen haben würde. 7) finden
Ihro K. und K. Mayestät: quo ad copulandös diversae Religionis,
daß, weilen die Libertas super educatione prolium stipulandi in dem
Alt-Ranstädtischen Executions-Recess fundirt ist, denen Braut-
Persohnen von zweyerley Religion, wann selbe durch güttliche und
geistreiche Vorstellungen zur Stipulation de educandis prolibus utri-
usque sexus in fide catholica nicht gebracht werden können, die
Copulation wider die schon vorhinergangene diesfallige allerhöchste
AuOmessungen keineswegs verweigert werden, sondern es an dem
genung seyn soll, wann die paciscirung secundum sexum erfolgt,
8) begnehmigen Ihro K. und K. Mayestät den Königl. Ober- Amt-
lichen Antrag, daß die katholische Geistlichkeit die etwan geschehen
mögenden Stipulationes antehuptiales de educandis prolibus in fide
catholica vor jedes Orths Obrigkeit oder Gerichte, falls selbe katho-
lisch seynd, bewerckstelligen, daselbst vormerken und darüber sich
eine Recognition geben lassen solle.
I737i d«n 10. Octob. K. O A. R., daß Persohnen, welche
das 20. Jahr bereits überstiegen, im Lutherthum connivendo gelassen
werden könnten, woraus aber keines weges fließet, daß dieselben
gleich wider propria authoritate auf freyen Fuß entlassen werden
sollen, sondern es ist vielmehr all ersinnlicher Eyfer zur Gewinnung
ihrer Seelen mit Glimpf und Bescheidenheit anzuwenden und deren
Kinder sind unweigerlich in Anspruch zu nehmen und im katho-
lischen Glauben zu unterrichten und zu erziehen. Weiters daß die
SU sistirenden reducendi, es mögen selbte ein Alter erreicht haben,
wie sie wollen, ehender nicht von dem Religions-Anspruch frey ge-
lassen werden sollen, bis nicht darob de casu in casum dem Königl.
Ober -Amt umständliche Anzeigung geschehen und darüber die
weithere Verordnung eingelangt seyn wird. Was aber deren Kinder
anlanget, so ist darbey keines Weges zu gestatten, daß die in fide
orthodoxa zu erziehen kommenden etwan bis nach dem 20. Jahr
verstecket oder gar außer Landes geschickt werden und hierdurch
von dem Religions-Anspruch sich befreyen mögen, worauf dann
ex parte Parochorum zu invigiliren seyn wird.
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1738, den 2, Jan. K. O. A. I., i) daß vermöge K. und K. R.
vom 22. Sept. 1737 von Niemanden außer der eigends angeordneten
Religions-Commission einige Religions-Session oder Decision allhier
vorgenommen werden solle. 2) ist auf die Taxam Stolae de Anno
1710 handzuhalten. 3) sind die Cambiaturae und Substitutiones
Animarum denen weltlichen Obrigkeiten unter schwerster Strafe zu
verbitten. 4) sollen zu katholischen Kindern keine Lutherischen Ge-
vattern angenommen werden, doch können katholische Eltern ihren
Lutherischen Befreundten zu Gevattern stehen. 5) daß denen von
Eltern zweyerley Religion gebohrnen, nach dem Tod des katho-
lischen Theils aberhinterlassenen und in der katholischen Religion
zu erziehen kommenden Kindern alsogleich katholische Tutores oder
Curatores educationis bestellet Und zwar in Abgang eines anderen
der Pfarrer oder Schulmeister, denen von zweyerley Religion geboh-
renen nach dem Tod des Lutherischen Theils hinterlassenen und
Lutherisch zu erziehen kommenden Kindern hingegen ebenfalls katho-
lische Tutores, wenn es ohne reclamo thunlich, gegeben, im widrigen
aber Lutherische Vormünder constituiret werden sollen. 6) um auf
die Religions-Emissarios und heimliche Werber eine genaue Obsicht
zu tragen, erstere zu arrestiren und anzuzeigen, wider letztere aber
nach den Generalien zu verfahren. 7) daß dem Lutherischen Worts-
Diener Heinrici das Verkaufen der Medicamenten und die Besuchung
der katholischen Krancken sub poena amotionis zu verbitten seye.
8) daß von dem Herrn von Bludowsky die in einem Schul-Haus genom-
mene Wohnung alsogleich zu rauhmen, denen hiesigen Schul-CoUegen
die Tradirung der Theologie indistincte verbothen und nur allein die
Explication des Catechismi gestattet, dann die Kirchen-Rechnungen
dem fürstlichen Landes Amte jährlich abgegeben werden möchten.
1737, den 2. Dec. Kays. R., daß die Lutherischen Obrigkeiten,
welche ihre katholischen Unterthanen und Dienstbothen in katho-
lischen Feyer-Tägen zu Robothen oder anderer knechtischen Arbeit
anhalten, wenn sie dessen überwiesen wurden, nach bisheriger Ob-
servanz mit einer scharfen Strafe angesehen, übrigens aber in der
Heu-Math Ernte und Einflihrungs-Zeit mit denen katholischen Unter-
thanen und Dienstbothen auf ihre Anm.eldung bei denen Pfarrern
dispensirt werden sollen: daß sie in gedachter Zeit auch an Fest-
Tagen, wann es die Noth erforderte, nach dem Gottesdienst die
Arbeith für ihre Lutherischen Obrigkeiten verrichten können.
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1738, den 2. Jan. Extract einer K. O. A. I. einiger Kays, vom
22. Nov. 1737 ergangenen Ausmessungen, i) daß alles yi Religions-
Sachen von der Teschnischen Landes-Religions-Commission tractiret
werden solle, worzu 2) dem Freyherrn von Skrbensky das Praesi-
dium aufgetragen, zu Beysitzern aber der Freyherr von Gotschal-
kowsky und Carl von Czelesta benennet worden, welche 3) alle
14 Tage eine Session halten und auch darob seyn sollen, daß 4) mit
denen jenigen, so von Kindheit an in dem Lutherischen Glauben
erzogen worden und nicht resipisciren wollen, darneben darnach
getrachtet werde, daß bei ihrer Verheyrathung wenigstens ihre
Kinder katholisch erzogen würden. 5) wollen Ihro Kays. Mayestät
die reductiones nur ad filios filiasque et nepotes restringiret haben.
1740, den 6. Febr. Extract eines K. O. A. R. besagend: daß
nach Ihro Kays. Mayestät sowohl die Geistlichkeit als das Publicum
auf alle zu Beförderung der katholischen Religion dienliche Mittel
bedacht seyn. Bei Erziehung der Kinder ist zu untersuchen, ob einige
pacta antenuptialia oder einige stipulatio de educandis prolibus
utriusque sexus in fide catholica vorhanden, welche zu beob-
achten sind. Sind keine pacta vorhanden, so habe man solche als
male educatos zwar mit allem Nachdruck zur Instruction in fide
catholica anzuhalten und gegen die renitenten mit einer hinläng-
lichen Schärfe fiirzugehen, jedoch dabei alle Behuttsamkeit und Dis-
cretion zu gebrauchen. Auch soll die Religions-Commission von
Session zu Session die fructus Instructionis von der Geistlichkeit
individualiter abfordern, auch die Instruendos selbsten zu vernehmen
haben. Die von denen Supplicanten suchende Trauung in der Lu-
therischen Kirche kann nicht gestattet werden.
1744, den IG. Mertz. Extract einer K. O. A. R. nach dem
allerhöchsten Rescript vom 19. Dec. 1743, wornach das Königl.
Gubernium die Religions-Sachen tractiren, einfolglich die Religions-
Commission von dem Königl. Gubernio dependiren, mithin in Casibus
dubiis et arduis sich an dasselbe wenden solle, dieses Gubernium
aber mit dem Bischöfl. Commissario correspondiren, deme die Status
minores subordinirt seyn werden.
1747, den 18. July. Extract einer K. O. V., daß die Luthe-
rischen Worts-Diener sine parochiaü Attestato die male educatos
weder zur Glaubens-Bekanntnuß noch Beicht und Abendmahl an-
locken sollen.
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1748, den 5. Jan. K. A. R. um guttachtlichen Bericht wegen
der an Sonn- und Feyertägen auf dem Lande leer stehenden Pfarr-
Kirchen, wobey auch die in Sachen von dem ehemahligen K. O.. A.
vom 25. Octob. 1738 ergangene Verfugung befundlich, worinnen
unter andern enthalten, daß wann einer aus Ursach der frequen-
tirten Luth. Kirche denunciret würde, selbter vor die Commission
zu fordern und zu mehreren Glaubens-Eyfer anzumahnen, falls aber
solches nichts fruchten sollte, bei weitherer Uebertrettung der ge-
schehenen Wahrnigung ein derley beschuldigt und überwiesener zu
gehöriger Bestrafung zu ziehen und zu erforderlichen Glaubens-
Unterricht zu übergeben.
1748, den 12. Mertz. Extract eines K. A. R. wegen der von
den Luth. Worts-Dienern attentirenden heimlichen Seduction und
Gewissen-Beschränckung der zur kath. Religion zu reduciren kom-
menden male educatorum.
1748, den 2. May. K. A. R. betreffend die Beschwerdefiihrung
des Cammer - Guttes Weichsel entgegen dem Herrn Pfarrer von
GoUeschau in puncto übermäßigen Abheischung der Accidentium
Stolae.
1750, den 12. May. K. K. Repraes. und Cammer R. mit aller-
müldester in 4 passibus bestehenden Ausmessung auf die von denen
Herren Ständen August. Conf. eingebrachte das Jus patrocinatus,
vocirung des Schul-Rectoris, die Wahl derer Kirchen -Vorsteher
betreffende allerunterthänigste Vorstellungen, besagende: wie nach
sie Stände das Jus Patrocinatus nicht wohl praetendiren könnten,
sondern es wäre ihnen nur nach dem Ranstädtischen Executions-
Recess die praesentatio Ministrorum zur allerhöchsten Confirmation
eingestanden, womit sie sich ad petitum i zu begnügen hätten.
Ad petitum 2 enthielten Allerhöchste Resoluta besonders jenes vom
2. May 1732 gantz klar, daß so oft einer von den Kirchen- Vor-
stehern abgehet, solches jederzeit angezeiget und ohne allerhöchsten
Vorwissen zu der Wahl eines andern nicht geschritten werden solle,
respectu des neoelecti aber wäre einzuberichten, ob er nicht in
einem Verdacht einiger der Augsb. Conf. zuwiderlaufenden Princi-
piorum sich befünde, dann ob er nicht geneigt in Religions-Sachen
sich zu weith einzumischen und ungegründete Motus zu erwecken,
auch ob derselbe nach dem Westphälischen Friedens -Schluß die
erforderliche qualität, ein ruhiges friedferttiges und zu Beobachtung
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der Allerhöchsten Anordnungen geneigtes Gemüth besitze? Ad peti-
tum 3 wären sie Stände auf den letzten § der neu errichteten Con-
sistorial-Instruction zu verweisen, daß sie die Erledigung der Schul-
Bedienten jedesmahl gehörig anzeigen, darzu taugliche Subjecta, und
so viel möglich dießseitige Landeskinder vorzuschlagen, deren Be-
nennung aber von allerhöchsten Orth zu gewärttigen haben. Quoad 4
sind Ihro K. K. Mayestät allergnädigst ge wollet, daß zu denen
Consistorial-Vorfallenheiten ein bescheidener Land-Stand Augsb. Conf.
nach voriger Anmeldung desselben und erfolgter Resolution bey-
gezogen werden möge. Dabey declarirende : daß die sich ereignende
Causae matrimoniales et aliae ad Religionem spectantes nach denen
Rechten der Augsburgischen Confession und denen allerhöchsten
Verordnungen Generalien salva appellatione immediata an Ihro
K. K. Mayestät erörthert werden sollen.
1750, den 6. Dec. K. K. Repraes. R., daß 4 Kirchen-Vorsteher
hinlänglich befunden worden, dieselben wann sie nicht ansäßig jeder
eine Caution per 3000 fr praestiren solle und wienach Herr Ernst
von Bludowsky zum Consistorial Assessor resolviret seye.
1750, den 9. Dec. K. K. Repraes. R. wegen zum Kirchen-
Vorsteher A. C. bestättigten Ludwig Nostitz.
1750, den I. Sept. K. K. Repraes. R., daß Ihro K. K. Maye-
stät den Baron Marcklowsky, von Karwinsky, von Fragstein und
von Radotzky als Kirchen- Vorsteher A. C. zu bestättigen geruhet,
jedoch, daß die letzteren 2 eine Caution per 3000 fr. praestiren
möchten.
175 1, den 7. Jan. K. K. Repraes. R., daß die erforderlichen
Cautiones für die Kirchen- Vorsteher auch von Weiblichen Geschlecht
angenommen werden können, wenn sie ihren juribus renundret haben.
175 1. K. K. Repraes. R. in Betreff des wegen des resolvirten
Kirchen-Vorstehers A. C. Ludwigs von Nostitz seiner Possession
halber hervorgekommenen bedenklichen Anstandes um ferneren
Bericht.
1751. K. K. Repraes. R., um auf die Herrenhutterische Secta-
tores ein wachsames Auge zu tragen.
1752, den 22. Febr. K. K. Repraes. R., daß die von dem
Teschnischen Cammer-Procuratore und von Andern eingehobenen
Confiscationes binner 8 Tagen sicher und ohnfehlbar angezeiget
werden sollen.
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1752, den 29. Februar. Extract eines K. K. Repraes. R.
wegen der von den Bielitzer Bürger und Bauern angesuchten 3 Luth.
Instructorum.
1752, den 14. Mertz. K. K. Repraes. R., daß anstatt des ver-
storbenen Herrn Baron von Gottschalkowsky der neue Herr Landes-
Marchal Carl Wentzel Freyherr von Czelesta pro Assessore Reli-
gionis - Commissionis et Consistorii A. C. und Herr Gottlieb von
Tluck pro Substituto resolviret worden.
1752, den 9. Sept. K. K. Repr. R. : daß die Revision der
Kirchen-Rechnungen A. C. durch das Consistorium vorgenommen
und ein Extract hievon eingesendet werden solle.
1752, den 18. Sept. K. K. Repr. R., damit die Casus speciales
wegen der von denen Luth. Ministris zu Teschen außer ihrem Terri-
torio exercirenden ministerialien cum parere einberichtet werden
möchten.
1752, den 16. Sept. K. K. Repr. R. : daß dem Luth. Worts-
Diener Heinrici dieWiderspänstigkeit wegen Ausstellung des Almosen-
Kasten bei hiesiger Gnaden-Kirche verhoben werde.
1753, den 12. Mertz. K. K. Repr. R. : Ausmäßung, wie weit
denen Worts - Dienern die Ministerialia zu Bielitz zu exerciren er-
laubet seye.
1753, den 17. Mertz. K. K. Repr. R., daß denen Luth. Worts-
Dienern zu Teschen gestattet werden könne, den krancken oder
Gebrechlichkeit halber bis nacher Teschen zu gehen unvermögenden
Luth. Religions -Verwandten zu Bielitz das Abendmahl zu reichen.
1753» den 27. Oct. K. K. Repr. R., daß von denen Consisto-
riis ordinariorum weder die Dotes in Causis deflorationum, noch die
Kind-Beths Unkosten und Kindes Unterhaltung, noch auch die
alimenta in causis separationis matrimonii determiniret, sondern hier-
über von denen weltlichen Richtern erkennet werden solle, femer
haben die Obrigkeiten manniglich unter schwerer Geld- oderLeibes-
Strafe zu verbiethen : vor einer fremden Weltlichen oder Geistlichen
Instanz außer Landes in was Sachen es immer seyn mögen weder
zu klagen noch als beklagte zu erscheinen, ohne Obrigkeitliche
Erlaubnus nach deren Erhaltung derselben jedermann die ergangenen
Urtheile vorzuzeigen, die Obrigkeit aber die Partes, wann sie beede
hirländige Unterthaner vor sich citiren und in Fällen, wo keine Pro-
mission Matrimonii probiret wird, gleichwohlen mit Bestrafung der
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copulae fomicariae so wohl, als der Satisfaction pro defloratione et
puerperio und alimentationis prolis, nicht weniger in casu negatae
patemitatis mit gehöriger Untersuchung furgehen und sprechen, auch
wo eine baldige Hülfe nöthig, mittelst eines Provisorii der Mutter
und Elinde ohne gestattende Aufzüge beyspringen, überdies bei ver-
spührende Ehe-Zwietrachten dieselbige zu vereinigen, den schuldigen
Theil aber zu corrigiren trachte, endlich wo causa separationis legi-
tima anscheinet, selbe ad judicem Ecclesiasticum zwar entlassen,
jedoch mit dem Vorbehalt, daß secuta separatione man circa ali-
menta das Quantum zu determiniren schon wissen werde, zu dem
Ende die an das geistl. officium verwiesene anzuhalten, die erhaltene
Sententias beyzubringen. So fem aber nur ein Theil ein hierlän-
discher Unterthan wäre, denselben wessen er sich in casum condem-
nationis zu verhalten habe, gehörig verweisen und überhaupt keine
Execution quoad quanta a Consistoriis determinata ertheilen.
1754, den 5. Jan. K. K. Repr. R., daß Herr Ignatz Daniel
Spens von Boden als Assessor Supemumerarius bei der K. K. Reli-
gions-Commission ernennet worden.
1754, den 4. May, K. K. Repr. R., daß dem Freyherm von
Gotschalkowsky das Praesidium bei der Religions-Commission und
Consistorio A. C. bis auf weithere allerhöchste Entschlüßung, dann
dem Adam Wentzel von Kisielowsky die änderte Beysitzer-Stelle
daselbst würckl. conferiret worden wäre.
1755, den 8 April, K. K. Repr. R., um dem Bischöfl. Herrn
Commissario die zu Einkaufung der kath. Bücher allerhöchsten Orths
destinirten 200 fr. gegen seinen Schein auszuzahlen, welche er aber
durch die Rel.-Com. zu verrechnen haben wird, was hievon aus-
gegeben worden.
I7SSj den 29. Nov. K. A. I., auf was Wayse die kath. Geist-
lichkeit zu denen nach Vorschrift der Taxa Stolae de Anno 1708
alisgemessenen 4 oflfertoriis bey denen Augsb. Conf. Verwandten
gelangen kan? Und zwar so viel es das Alter jeder Persohn mit
welchen das offertorium seinen Anfang nehmen soll belanget, dies-
falls ist bey Abnahm sothanen oifertorii, jedoch mit Ausnahm derer
reducendorum, mit welchen bis ad Annum Decretorium 20 abzu-
warthen ist, nach dem Beyspiel der Luth. Worts-Diener jeglichen
Orths sich zu richten, folgbahr wo selbe von 8-, 9- und lojährigen
Persohnen solches einnehmen, dieses ebenfalls die kath. Geistlichkeit
Jahrbuch des ProtesUntismus 1888. H. I. 4
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zu genüßen hat. — Was aber den Opfer -Pfenig selbst betrieft,
solcher sey bey denen armen mit '^ kr., mithin jährlich 3 kr. abzu-
nehmen, was aber den notorie armen nachzusehen ist. Diese Offer-
tpria haben die Vögte zu sammeln und dem Schulmeister des
Pfarrers einzuhändigen.
1757, den 21. July. K. K. Repr. R., die von denen Zeißlowitzer
und Weichsler Unterthanen A. C. wider den GoUeschauer Pfarrer
in puncto übermäßiger Taxae Stolae erhobenen Beschwerden be-
treffend.
1757, den 23. July. K. K. Repr. R., daß Ihro K. K. Mayestät
dem Herrn Ignatz Daniel Spens von Boden die durch Absterben
des von Tluck bey der Religions-Commission erledigte würckliche
Assessor-Stelle zu conferiren geruhet, mithin derselbe qua talis zu
instaliren seye.
1759, den 12. Juny. K. K. A. I., daß der Bielitzer Ertz-Priester
George Entzendorfer zum Bischöfl. Commissario im Teschnischen
Bezierck bestimmet worden.
1762, den S- Juny- K. K. Repr. R. wegen Verleihung der
Assessor -Stelle bey der Religions-Commission dem George Frey-
herm von Saingenois.
1762, den II. Juny. K. K. Repr. R., damit die Zwangs-Mittel
in Religions- Sachen dergestalten angewendet werden, daß daraus
keine Emigration erfolgen möge.
1765, den 17. Dec. K. K. A. V. wegen Absetzung der 2 Luth.
Dorf -Vögten von Bystrzitz und Karpentna und Einsetzung zwey
anderen Katholischen an deren Platz.
1766, den 12. Aug. K. K. A. R. in Angelegenheit derer von
verschiedenen Weichsler Unterthanen A. C. bei Ihro K. K. Mayestät
angebrachten ungegründeten Beschwerden in Materia Religionis.
1766, den 29. Nov. K. K. A. R. wegen Berichts Abforderung
über das Supplicat der Stadt Bielitzischen Augsb. Conf. Verwandten
zu Errichtung einer Schule und Gnaden-Kirche.
1767, den 24. Mertz. K. K. A. I., daß die Bielitzer Bürger-
schaft A. C. mit ihrem allerunterthänigsten Gesuch um eine Schule
und Gnaden-Kirche ihrer Religion cum jure vocandi et praesentandi
daselbst erbauen zu dürfen, ein für allemahl abzuweisen seyen.
1767, den 24. Mertz. K. K. A. R. in Betreff deren drey
Cammer- Gemeinden Smilowitz, Ellgoth und Gutty entgegen ihre
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vorgesetzte Pfarrern zu Trzitiesch und Domaslowitz erhobenen Be-
schwerden, so wohl in puncto Religionis, als wegen excessiven Stolae
Taxae Abforderungen, mit welchen Querelen besagte drey Ge-
meinden ab- und zur Ruhe zu verweisen kommen.
1769, den 23. May. K. K. A. I., daß der hiesige Herr Landes-
Hauptmann Otto Freyh. von Skrbensky die Praesidia bei der Reli-
gions-Commission und dem Consistorio A. C. übernehmen könne.
1769, den 12. Aug. K. K. A. L, daß Ihro K. K. Mayestät
dem Eltesten Religions-Commissions Beysitzer Herrn Georg Freyh.
von Saingenois die Praesidia bei der Religions-Commission und dem
Consistorio A. C. provisorie aufzutragen allergnädigst befunden.
1770, den 23. Jan. K. K. A. I., daß Ihro K. K. Mayestät die
Resignation des von Spens gnädigst anzunehmen und zur Religions-
Commission Assessoren den Carl Freyh. von Beeß und den Friedrich
von KrÄdlowsky zu benennen geruhet.
1772, den 19. Sept. K. K. A. I., wegen des in Weichsel ent-
standenen Aufruhrs und Relation darüber.
1773, den 31. July. K. K. A. R. um Eröfnung der Meynung
über die von denen zwey Cameral-Dorf-Gemeinden EUgoth und Smi-
lowitz allerhöchsten Orts angesuchte allergnädigste Erlaubnus einen
gewissen Gottfried Kotschy zur Unterrichtung ihrer Luth. Jugend
aufnehmen zu dürfen.
1773. den 9. Oc tob er. K. K. A. L, daß Ihro K. K. Mayestät
die Teschnischen Cameral-Dorfschaften EUgoth und Smilowitz mit
ihrem Gesuch : zu Unterrichtung ihrer Jugend den Gottfried Kotschy
aufnehmen zu dürfen, nicht nur abzuweisen sondern auch ihnen ihr
diesfäUiges Unternehmen scharf verheben und die fernere Unterweisung
ihrer Luth. Jugend durch derley Leuthe unter harter Leibes-Strafe
nachdnicksamst verbitten zu lassen allergnädigst resolviret haben.
.1774, den I. Mertz. K. K. A. C. in Betreff derer in Reli-
gions-Sachen sowohl von den Vorstehern der Gnaden-Kirche A. C.
vor Teschen als auch denen Herzogl. Teschnischen Cameral-Unter-
thanen, dann jenen des Fürstenthums Bielitz angebrachten Be-
schwerden.
1774, den 10. April. K. K. A, I., wienach kraft eines aller-
höchsten Befehls in allen K. K. Erb-ländem auf den grünen Donners-
Tag sämtliche Dicasteria in Corpore öfentlich die heil. Conununion
zu empfangen sich in der Pfarr-Kirche zu bestimter Stunde einzu.
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fiinden hätten und daß allemahl ein Verzeichnis jener Dicasterial-
Persohnen, so an diesem Tage der vorgedachten heil. Communion
nicht beygewohnet haben, nebst bemerckung der Ursachen warummen
solches unterblieben, zur allerhöchsten Einsicht eingesendet, auch
über die Befolgung dieses allerhöchsten Befehls ein Bericht zu seiner
Zeit abgestattet werden solle.
1774, den 18. Oct. K. K. A. L, daß Ihro K. K. Mayestät
den Freyherrn von Skrbensky das Praesidium bei der hierorthigen
Religions-Commission und dem Consistorio A. C. abermahlen aufzu-
tragen geruhet haben.
177s, den 21. Jan. K. K. A. R. in Betreff der Ernennung
des Rudolph Freyh. von Czelesta zum Praesidium der K. K. Reli-
gions-Commission und des Consistoriums A. C.
1777, den 3. April. K. K. A. R., daß vermöge eingelangten
Hof-Decrets der Königl. Böhm, und Oesterr. Hof-Canzelley vom
22'*° erst ausgetrettenen Monaths Mertz der in den Fürstenthümern
Teschen und Bielitz befündlichen Geistlichkeit die allerhöchste Zu-
friedenheit über die in den 1776^*° Jahre geschehene Bekehrung von
106 Persohnen zum kath. Glauben zu erkenen zu geben, und sie
Geistlichkeit zu ferneren gleichen Eyfer aufzumutheren seye.
1777, den 24. Juny. K. K. A. I., daß wann ein K. K. Beamter
Krankheits- oder Dinstverrichtungen halber von der öffentlichen
Communion an den grünen Donners-Tage verhindert würde, derselbe
sich mit einem Stempelfreyen Attest seines Pfarrers ausweisen solle,
die Beicht und Communion noch unter der darzu bestimten öster-
lichen Zeit verrichtet zu haben.
1780, den 12. Febr. K. K. A. L, daß außer der bei hiesiger
Gnaden -Kirche bestehenden — für die Augsb. Conf. Verwandten
weder eine öffentliche noch Winckel Schule geduldet, dahingegen
aber denenselben ihre Kinder allenfalls privatim unterrichten zu lassen,
nicht verwehret werden solle, und daß kein Privat-Lehrer, bei Ver-
meidung einer Strafe von 10 Rthlr unterstehen solle, Kinder mehrer
Familien, wann sie auch in einem Hauße wohnen, zugleich zu unter-
richten.
1780, den^2o. May. K. K. A. R. wegen Berichts-Erstattung
über das allerunterthänigste Gesuch der auf der Herrschaft Gotsch-
dorf befündlichen August. Conf. Verwandten, um allerhöchste Er-
laubnüß in Hillersdorf ein evangelisches Beth-Hauß erbauen und einen
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Geistl. Seelsorger, nebst einen Küstner ihrer Religion daselbst unter-
halten zu dürfen.
1780, den n. Nov. K. K. A. L, daß es Ihrer K. K. Apost.
Mayestät sehr bedenklich gefallen, der Bielitzer Stadt-Genneinde A. C.
die von derselben angesuchte Errichtung einer öffentlichen Schule
daselbst einzugestehen, sondern, wie nach ersagte Bielitzer Gemeinde
auf die in Sachen unterm 18. Dec. 1779 erlassene und unterm
4. Jan. d. J. publicirte höchste Verordnung, bei welcher es ohne
weitheren sein unabänderliches verbleiben hat, nochmals durch den
hiesigen Königl. Landes Eltesten verwiesen werde.
178 1, den 22. April. K. K. A. R. um Äußerung über die von
den Vorstehern der hiesigen Gnadenkirche A. C. bey Seiner K. K.
Apost. Majestät angebrachten die hierortige K. K. Religions-Com-
mission betreffende Beschwerde-Punkte und solchen angehängte
Gesuche.
1781, den 15. Sept. K. K. A. L, daß die Gebeth- Gesang- und
katechetischen Bücher derer Protestanten nicht mehr aus fremden
Staaten hereingebracht, sondern in den K. K. Erblanden, jedoch
nach eihaltener Erlaubniß der politischen Censur aufgeleget werden
sollen.
(Fortsetzung folgt.)
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IIL
Bücherschau.
A. Venetianer, Die evangelisch-reformirte Kirche Cristo Salvatore
(vormals S. Silvestro) zu Triest. Beitrag zur Geschichte des Evan-
geliums in Triest. Triest und Leipzig. Verlag von Julius Dase.
1887. US S. 8.
Vorliegende Schrift beginnt mit der Geschichte der Gründung
(7. Jänner 1782) der reformirten Gemeinde in Triest in Folge des
Toleranzpatentes. ,Im Namen des Herrn unsers Gottes verbanden
sie sich. Da walteten keine ängstlichen nationalen Bedenklichkeiten
zustimmend (? — soll wohl heissen: , bestimmend*) über ihre Be-
schlüsse.* Als besonders um die Gemeinde verdiente Männer werden
hervorgehoben Rudolf. Ferdinand Juvalta und Bartholomäus Grass
aus Chur, ihr erster Prediger. Der zweite Abschnitt berichtet über
den Kauf der Kirche S. Silvestro am 20. September 1785 um den
Preis von 2120 fl., nunmehr Cristo Salvatore genannt. Es folgt eine
Beschreibung und Geschichte dieser Kirche. Sie soll auf dem Platze
stehen, wo die Märtyrerjungfrauen Euphemia und Thecla ihr Wohn-
haus gehabt hatten. Seit 1619 waren die Jesuiten Eigenthümer der
Kirche, die sie nun auch von einem zu Ehren der unbefleckten Em-
pfangniss errichteten Altar Immaculatae Virginis Oratorium nannten.
Das Capitel ,S. Sylvestro im XVI. Jahrhundert* enthält eine Dar-
stellung der Reformation und Gegenreformation in Triest, die im
Zusammenhang mit der analogen, anabaptistisch und antitrinitarisch
verquickten Bewegung in Italien betrachtet wird. Bereits 1520 nehmen
die Gebildeten Triest's Kenntniss von Luther's Schriften, die vom
nahen Venedig aus in Nachdrücken verbreitet wurden. Trotz der
strengen Verbote häretischer Bücher ging die Reform ihren Gang.
Das ist geschehen durch die Gunst des edlen Bischofs uud Staats-
mannes Bonomo, der den Primus Trüber, den nachmaligen Refor-
mator Krain's, als Jüngling unter seinen Schutz genommen hatte,
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und der den die Reform der Kirche lebhaft anstrebenden Arzt und
Philosophen Doctor Melchior Cerroni seinen Freund nannte. Durch
des Letzteren Einfluss wurde der bereits der Ketzerei verdächtige
Giulio aus Bologna berufen, welcher durch seine Predigten eine all-
gemeine Bewegung entzündete, bis er durch der Gegner Feindschaft
auf immer verscheucht wurde. Nach Bonomo's 1546 erfolgtem Tode
brach die Contrareformation herein durch den 1546 zum Stadthaupt-
mann berufenen Spanier Giovanni de Hoyos und den zum Bischof
ernannten zweiten Spanier Antonio Pereguez Castilegio, ,inquisitor
apostolica autoritate subdelegatus*. Doch ist es nie gelungen, den
Geist völlig zu dämpfen, welchen Bonomo erweckt hatte. ,Triest,
schliesst der Verfasser, ist heute wiederum Bonomo's Stadt: freisinnig
und human, intelligent und gesittet. Wollte Gott, dass auch Bono-
mo's evangelischer Glaube die Herzen erfüllte.*
Es ist schade, dass der Verfasser die Wirkung seiner Schrift
selbst beschränkt hat durch Einflechtung zahlreicher italienischer
Citate. Sie ist eigentlich nur Lesern wirklich geniessbar, welche
des Deutschen und Italienischen gleich mächtig sind, wie die Trie-
stiner. Die wälschen Citate hätten unter den Text verwiesen, ihre
Quintessenz in guter Uebersetzung in den Text verwebt werden
sollen.
Auf S. 9, wo von einem ,Consens des Augsburger Bekennt-
nisses zu Teschen* die Rede ist, muss der Ausdruck Consens offen-
bar in ,Consess* verwandelt werden. S. 90 wird j^die Kirche der
Grigionen* erwähnt. Ob wohl jeder Leser wissen wird, was das für
eine Kirche ist? G. Frank,
Pastor Schlegers Chronik von Bensen. Aus dreierlei Ueberliefe-
rungen zusammengestellt von A. Paudler. Herausgegeben von
Amand Böhm. Bensen 1887. Im Verlage des Herausgebers. 47 S.
Eine kleine, aber sorgfaltige, auch für die Ziele des Jahrbuches
nicht unbrauchbare Arbeit.
Der erste Chronist der alten freundlichen Polzenstadt, welche
noch heut von Schlossruinen überragt ist und ortsgeschichtliche Er-
innerungen topographisch pflegt, war der protestantische Pfarrer
Schlegel (f 1579), mit gewissenhafter Benutzung von Urkunden und
besonderer Obacht auf die culturellen Wichtigkeiten.
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Ein strenger Katholik des i8. Jahrhunderts, der Weis^erber
Sierich (f I7S9), hat Schlegels Chronik, welche nicht nur längst
vergessen, sondern auch schon äusserlich viel gelitten, erhalten, sie
zweimal seiner eigenen Chronik eingefügt in zwei etwas verschie-
denen Recensionen, wobei er leider, wie das auch sonst geschehen
ist, die Nachrichten über evangelische Pfarr- und Schulangel^en-
heiten kürzte. Professor Paudler in B.-Leipa hat eine möglichst voll-
ständige Wiederherstellung und getreue Wiedergabe des Originals
unternommen. Die Schlegel'schen Notizen reichen von 1203 — 1571.
Anno 15 17 heisst es: das Evangelium heriiirbracht durch Doctor
Martin Luthem wieder den Tetzell. 1523 ist der erste evangelische
Pfarrer Micael Celius in Bensen eingezogen. Zu 1553 wird lakonisch
bemerkt: Alles lutterisch. Im Jahre darauf wurde der Bau der
Kirche vollendet.
Die Scheu vor erklärenden Anmerkungen scheint etwas zu weit
getrieben. G. Loesche.
Wien.
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IV.
Bibliographie.
Xrautenberger Gustav, Kurzgefasste Geschichte der evang. Kirche
in Oesterreich. 2. Ausgabe. Wien, Verlag des österr. Haupt-
vereins der evang. G.-A .-Stiftung. 1886. 108 S. gr. 8. Pr. 60 kr.
Derselbe, Ein Vierteljahrhundert unter dem G.-A .-Banner. 1862 bis
1887. 25 Jahre österr. Protestantengeschichte. Wien 1887. Im
Selbstverlage des Wiener Hauptv. der G.-A.-Stiftung. 94 S.
gr. 8. Preis 30 kr.
Charv6riat E., Les affaires religieuses en Boheme au XVI. sitele.
Paris 1886. 8.
Otto Karl R. von, Evangelischer Gottesdienst in Wien vor der
Toleranzzeit. Wien, W. Braumüller. 1886. gr. 8.
Lrandenberger Albert, Joseph Schaidberger. Eine Erzählung aus
den Tagen der Salzburger Auswanderung. Buchh. der Evang.
Gesellschaft in Stuttgart. 1887. 64 SS. Geb. 40 Pf.
Witz C. A., Das evangelische Wien. Wien, Hartleben 1887. III. u.
86 S. 16.
Venetianer A., Die evang.-reformirte Kirche Cristo Salvatore (vor-
mals S. Silvestro) zu Triest. Beitrag zur Geschichte des Evan-
geliums in Triest. Triest u. Leipzig. Verlag von Jul. Dase. 1887.
115 S. 8.
Färber K., Der Herr denkt an uns und segnet uns. Zur Erinnerung
an W. F. Frhn. v. Riese-Stallburg. Prag 1887. 13 S. gr. 8.
Pastor Schlegers Chronik von Bensen. Aus dreierlei Ueberlieferungen
zusammengestellt von A. Paudler. Herausgegeben von Amand
Böhm, Bensen 1887. Im Verlage des Herausgebers. 47 S.
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58
Rezek Ant., Döjiny prostonärodnftio hnutf näboiensk^ho v Cechäch
od vydäni toleranönfho patentu a2 na naSe öasy. [Geschichte der
national - religiösen Bewegung in Böhmen seit dem Erscheinen
des Toleranzpatentes bis auf unsere Tage.] Th. I. Prag, in
Comm. b. Fr. Rivnäö. 1887. 156 S. gr. 8. Preis 3 Mark.
Hahn G., Die Zillerthaler im Riesengebirge. Was ist aus den hier
eingewanderten Z. geworden? Schmiedeberg 1887. 8. Pr. i fl. 24 kr.
Aus Zeitschriften.
Wolkan R., Leipa zur Zeit der Reformation: Mittheilungen des
Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. XXTV. Jahr-
gang. Prag 1885. S. 33—73.
Bilek Thomas, Das nordwestliche Böhmen und der Aufstand im
J. 1618: a. a. O. S. 155—185 u. 233—303.
Penn H., Der slovenische Luther [Pr. Trüber] : Magaz. L d. Liter.
des In- u. Auslands. 1886. Nr. 30 f.
Krebs Julius, Beiträge zur Geschichte des böhmischen Aufstandes
von 161 8: Mittheilungen des Vereines f. Gesch. d. Deutschen
in Böhmen. XXVI. Jahrg. 1887. S. 171— 197.
Grisar H., Vaticanische Berichte über die Prptestantisirung und die
katholische Restauration in Böhmen zur Zeit Ferdinands 11.:
Zeitschr. f kathol. Theologie. Redigirt von J. Wieser u. H, Grisar.
X. Band. Innsbr. 1886. S. 722 ff.
. . ., ,Dr. Ritter von Otto* (Leben und Schriften): Evang. Kirchen-
Zeitung für Oesterreich, herausg. von F. Schur. Bielitz 1887.
Nr. 23. — Auszug: Prot. K.-Z. (Berl.) 1887. Nr. 47. — Damach
und nach den Conv.-Lexx. ist das »Biogr. Lex. d. Kaiserthums
Oesterreich* XXI, 138 f, 510 zu berichtigen.
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V.
Dritte Generalversammlung der Gesellschaft für die
Geschichte des Protestantismus in Oesterreich. ^)
Am 20. December 1887, Abends 7 Uhr, fand diese General-
versammlung im evangelischen Schulgebäude zu Wien (Techniker-
strasse) statt. Der Präsident, Regierungsrath Prof. Dr. C. Ritter
von Otto, begrüsste die Erschienenen mit herzlichen Worten und
schloss seine Anrede mit dem Wunsche, es möge unsere Gesellschaft,
welche einen guten Anfang gehabt, sich im Interesse ihres hoch-
wichtigen Zweckes auch eines immer mehr gedeihlichen Fortgangs
erfreuen. Alsbald ersuchte er den Vicepräsidenten, Herrn Ober-
kirchenrath Dr. C. A. Witz, dass derselbe den Rechenschafts-
bericht über die letzten drei Jahre erstatte.
Dieser Bericht lautete folgendermassen :
,Ich kann mich kurz fassen. Ich habe ohnehin nicht viel zu
berichten. Unsere Gesellschaft fahrt eben fort in aller Stille zu arbeiten,
ohne Lärm, ohne Trommel. Vielleicht ist dies auch mit ein Grund,
warum wir uns keines erheblichen Zuwachses erfreuen, keiner allge-
meinen Verbreitung rühmen dürfen. Wir können uns jedoch nicht ent-
schliessen, von unseren bisherigen Grundsätzen abzuweichen. Unsere
Sache muss sich von selbst empfehlen. Unser Jahrbuch niuss durch
sich selbst siegen. Freilich könnte der Inhalt des Jahrbuches mitunter
reichhaltiger, mannigfaltiger und in Folge dessen interessanter sein.
Dazu aber brauchten wir zahlreichere Mitarbeiter und ein grösseres
Budget. Es wäre unbillig, die längeren Aufenthaltskosten, welche
da und dort zum Studium der Archive nothwendig wären/ unseren
Mitarbeitern zuzumuthen, unsere Vereinscasse aber sträubt sich noch
1) Uebcr die i. u. 2. GV. vgl. Jahrb. i88i, S. 92—94 u. 1884, S. 213—219.
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60
gegen solche Auslagen. Wir müssen uns daher bescheiden mit dem
was wir mit geringeren Mitteln erreichen können und uns einer
besseren Zukunft getrösten. Unsere Gesellschaft wird sich gewiss
immer mehr und mehr Bahn brechen. Zwar haben sich schon einige
Stimmen dagegen erhoben und mehrere unserer Mitglieder sind uns
untreu geworden — aber wir werden uns deshalb nicht entmuthigen
lassen. Das Verständniss fiir unsere Bemühungen setzt eben, ab-
gesehen von einem tieferen rel^iösen Interesse, auch allgemeinere
Bildung voraus — zwei Factoren, deren Vereinigung und Zusammen-
wirken nicht allzu häufig ist. Trotzdem wollen wir ausharren. Wir
zweifeln nicht, dass es in Oesterreich noch viele Protestanten gibt,
die Beides mit einander zu vereinigen wissen und zum Wohle unserer
Gesellschaft zu bethätigen bereit sind. Die ansehnliche Schaar
unserer bisherigen Getreuen dient uns hiefiir als Bürgschaft. Auch
wissen wir, dass manch' Einer, dem für seine eigene Person das
Interesse fiir unsere Arbeiten fehlt, den Werth derselben fiir die
allgemeine Geschichtsforschung zu würdigen versteht und fortfahren
wird, uns nach Kräften zu unterstützen. Unter solchen Verhältnissen
ist es heilige Pflicht, weiter zu streben.
Was wir in den letzten drei Jahren veröffentlicht haben, ist
ihnen bekannt. Wir heben mit Freuden hervor, dass sich unsere
Arbeiten auf alle Kronländer Oesterreichs erstreckt haben. Es sind
nämlich erschienen:
Ueber Oesterreich im Allgemeinen:
Aus trüber Zeit. Von G. Wolf.
Superintendential-Instruction v. J. 1785. Von Dr. G. Frank.
Verzeichniss der Studirenden aus Oesterreich -Ungarn auf dem aka-
demischen Gymnasium in Hamburg. Von Dr. G. Sillem.
Jakob Andrea über Hans Ungnad. Von Fr. Preidel.
Dr. Martin Luther's 400jährige Geburtstagsfeier In Oesterreich 1883.
Von Pfr. J. Dödie.
Die erste evang. Kirchenverfassung in Oesterreich. Von Dr.G. Frank.
Josephina. Von G. Wolf.
Ueber Niederösterreich:
Joseph II. und die Frankfurter reformirte Gemeinde. Von Dr. C. A.Witz.
Nachricht vom Entstehen, Fortgang etc. der Wiener evang. Gemeinde.
Von C. W. Hilchenbach. Herausgegeben von Dr. C.A.Witz.
Nachtrag zu Tauberiana. Von Dr. C. v. Otto.
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61
Evangelischer Gottesdienst in Wien vor der Toleranzzeit. Von
Dr. C. V. Otto.
Consistorial-Instruction v. J. 1785. Von Dr. G. Frank.
Burg Hohenberg. Von Dr. E. Bohl.
Ueber Ober- und Innerösterreich:
Zur Geschichte der Transmigration aus Ober- und Innerösterreich
nach Siebenbürgen. Von Dr. Reissenberger.
Ueber Steiermark:
Zur Geschichte der Gegenreformation in Steiermark. Von Dr. R.
Leidenfrost.
Drei alte Schriftstücke aus dem Landes-Archiv in Graz. Von Prof.
Dr. Mayer.
Ueber Krain:
Beiträge zur Reformationsgeschichte in Krain. Von Aug. Dimitz.
Ueber Tirol:
Beiträge zur Geschichte Tirols in der Reformationszeit. Von Pfarrer
Gust. Bossert.
Ueber Böhmen:
Schwarmgeister in Böhmen und Mähren. Von Lic. Dr. G. Trauten-
berger.
Nachträge zu den Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens.
Von Pfr. Scheuffler.
Zug der österreichischen Geistlichen nach und aus Sachsen. Von
Pfr. Scheufler.
Die Eheordnung des böhmischen Landtages von 1609/10. Von
Dr. R. Leidenfrost.
Die Execution in Prag i. J. 1624. Von J.U.C. Molnar.
Beiträge zu einer Geschichte der Reformation in Böhmen. Von
Dr. Wolkan.
Ueber Mähren:
Der erste Hirtenbrief an die evangelischen Seelsorger A. C. in
Mähren. Von Lic. Dr. Trautenberger.
Ueber Schlesien:
Zwei Actenstücke zur Geschichte der Reformation in Oderau. Von
Dr. Th. Haase.
Endlich auch über Ungarn:
Bericht über das Martyrium zweier Lutheraner im Sohler Comitat 1527.
Von Jos. Rydel.
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62
Wir können nicht umhin zu bemerken, dass wir einige dieser
Artikel Freunden verdanken, welche weder unserer Kirche noch
unserem engeren Heimatlande angehören. Unter den ersteren be-
gfrüssen wir die Herren G. Wolf, Prof. Dr. Mayer und den leider
vor Kurzem verstorbenen Aug. Dimitz; unter den letzteren heissen
wir willkommen, ausser dem seit Anfang treu gebliebenen Mitarbeiter
Scheuffler, die Herren G. Boss er t und Dr. Sillem. Es freut uns
bestätigen zu dürfen, dass unserem Unternehmen auch von fremden
und fernen Kreisen Wohlwollen und Sympathie entgegengebracht
wird. Klingt dies nicht wie ein Tadel für unsere einheimischen
Protestanten.^ Nicht doch. Es soll ihnen dieses Entgegenkommen
nur zur Nachahmung empfohlen werden.
Ein freundliches Entgegenkommen haben wir auch bei ver-
schiedenen historischen Vereinen des In- und Auslandes gefunden.
Mit der ,Soci^td de l'histoire du protestantisme en France* und mit
dem , Verein für Thüringische Geschichte und Alterthumskunde in
Jena* stehen wir bereits seit der ersten Zeit in Schriftentausch. Ein
gleiches Verhältniss pflegen wir nun auch mit dem , Verein für
Reformationsgeschichte', mit dem , Verein für sächsische Kirchen-
geschichte*, mit der , Historischen Gesellschaft für die Provinz
Posen*, mit' dem , Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen*.
Ausserdem werden uns der , Theologische Jahresbericht von Lipsius*
und die , Theologische Zeitschrift aus der Schweiz von Meilli* gegen
unser Jahrbuch eingesendet.
So sind wir bestrebt, unsere Thätigkeit auszudehnen und be-
stätigen gerne, dass viele Zeitschriften des In- und Auslandes uns
dabei durch freundliche Berichte und wohlwollende Besprechungen
behilflich gewesen sind.
Auch wird es Sie interessiren zu erfahren, dass unsere Bibliothek
sich um einige werthvoUe und für die Geschichte des Protestantismus
unentbehrliche Werke bereichert hat. Wir haben innerhalb der letzten
drei Jahre gekauft :
Radda Karl, Materialien zur Geschichte des Protestantismus im
Herzogthum Teschen. Teschen 1885. gr. 8.
Derselbe, Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Protestantismus
im Herzogthum Teschen bis zum Toleranzpatent. Teschen
1882. gr. 8.
I
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63
Zwiedineck-Südenhorst Hans von, Geschichte der religiösen Be-
wegung in Innerösterreich im 1 8. Jahrhundert. Wien 1875. 8.
Ribini Johannes, Memorabilia Ecclesiae Augustanae Confessionis in
regno Hungariae a Ferdinando I. usque ad III. Posonii 1787. 8.
Barth-Barthenheim Joh. Ludwig Graf von, Oesterreichs geistliche
Angelegenheiten in ihren politisch-administrativen Beziehungen.
Wien 1841. 8.
Derselbe, Oesterreichs Schul- und Studienwesen, mit besonderer
Rücksicht auf die Schul- und Studienanstalten im Erzherzog^hume
Oesterreich unter der Enns. Wien 1843. 8.
Christliche Kirchen- Agenda ; Wie die von den zweyen Ständen
der Herrn und RitterschaflFt im Ertzhertzogthumb Oesterreich
vnter der Enns gebraucht wirdt. [Stein] 1571. Fol.
Dannappel E., Die Literatur der Salzburger Emigration (1731 — 35).
Stuttgart 1886. 8.
Greter Gregor, Artickel Auß der Augfpurgifchen Confeßion vnd
derselben Apologia, deßgleichen auß Doctor Luthers Melanchthons
vnd anderer jhrer Anhänger Büchern und Schrifften gezogen etc.
Dilingen 1575. 4.
Cobenzl Jo. Raph., Libellus in concionem Simonis Mann, Lutherani
ad Viennae suburbia in Herrenhals verbi min., ibidem V. Nov.
anni 161 5 habitam. Olomucii 161 7. 4.
Rudolphi II. Rom. Imp. Pro libero exercitio Religionis Augustanae
Confessionis in Silesia clementiss. Confirmatio. o. O. 1609. 4.
Rudolphi deß Andern, Deß Aller durchlauchtigsten Fürsten vnd
Herrn, . . . vber das freye Exercitium Religionis, Aufpurgifcher
Confession, im Lande Schlesien, AUergnädigste Confirmation,
Im Jahre 1609. — Beigebunden: Wie Rom. Kais. Maj. den
Dreyen Euangelischen Ständen deß Königr. Böhmens zugelassen,
das Prag. Consistorium, so wie auch die Academia wieder auff-
zurichten. Prag 1609. 4.
Articul der Vergleichung Aller dreyer Stände des Königreichs
Bohemen, das Niderprägerische Consistorium, Kirchenordnung etc.
betreffend. Item derselben Instruction. Gedruckt im J. 1610. 4.
Religions-Gravamina articulirte der Evangelischen Ständte im Marg-
grafthumb Mähren, bey jüngst den 15. Decembris 1618 Jahrs zu
Brin gehaltenem Landtage verfaste und abgegebene. Sampt hier-
aufF Antwort, o. O. 16 19. 4.
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64
Confessio Augustana et Antiaugustana. Das ist Augfpurgifche
Glaubens-Bekantnuß, Vnd dero Gegenlehr. In zwey Theyl. Auf
Befelch Leopoldi Graffen von KoUonitsch Bischofen zu Neu-
stadt etc. Wienn i68i. 4.
Wir werden fortfahren in diesem Sinne weiter zu arbeiten und
erbitten, erhoffen von unseren Glaubensgenossen zu diesem Zwecke
reichliche Unterstützung und kräftige Handreichung.
Nur unter dieser Bedingung kann sich erhalten, erweitem und
vervollkommnen die , Gesellschaft für die Geschichte des Protestan-
tismus in Oesterreich*.
Nachdem der Rechenschaftsbericht beifallig zur Kenntniss ge-
nommen, wurde der die Periode 1884 — 1886 umfassende Cassa-
bericht des leider am Erscheinen verhinderten Schatzmeisters, Herrn
Dr. C. Ritter von Sääf, mitgetheilt. Die in jener Periode jährlich
dem Central-Ausschusse gelegten, von diesem geprüften und geneh-
migten, bereits im Jahrbuche* 1885, S. 49 f., 1886, S. 47 f., 1887,
S. 151 f veröffentlichten Cassaberichte wurden von den durch die
Generalversammlung als Revisoren gewählten Herren Professor
Dr. Loesche und W. A. Schmidt einer genauen Prüfung unter-
zogen : worauf die Generalversammlung über Antrag der Genannten
dem Schatzmeister das Absolutorium ertheilte.
Schliesslich erfolgte die Wahl des Central-Ausschusse s. Es
wurden durch Acclamation die seitherigen Mitglieder desselben
wiedergewählt: die Herren Superintendent Bauer, Buchhändler
Grenser, Reichsraths- und Landtagsabgeordneter Superintendent
Dr. Haase, Schriftsteller und Redakteur Dr. Lauser, Geh. Lega-
tionsrath Lumö de Luine, Regierungsrath Dr. Ritter von
Otto, Hof- und Gerichtsadvocat Dr. Ritter von Sääf, Ober-
kirchenrath Dr. von Trauschenfels, Senior Lic. Dr. Trauten-
berg er, Oberkirchenrath Dr. Witz, Consenior Dr. von Zimmer-
mann; neu berufen wurde Herr Professor Dr. Loesche. — Der
Centralvorstand bekam die Ermächtigung, sich eventuell durch
Cooptation zu ergänzen.
Der Präsident dankte nach erschöpfter Tagesordnung den Ver-
sammelten flir ihr Erscheinen und erklärte die Versammlung für
geschlossen.
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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in O est er reich", welches unter der Redaction des Präsidenten
(Dr. Karl Ritter von Otto)y der beiden Vicepräsidenten (Dr. ^//A. Witz VLnd Dr. Theodor
Haase) und des Secretärs der Gesellschaft (Lic. Dr. Gustav Trautenberger) in viertel-
i ährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in
Mittheilung von Urkunden, in Besprechungen und Notizen Alles, was sich auf die
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht.
Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit Freude begriisst und von
der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden.
Hier einige Worte aus Recensionen:
„Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb-
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf
man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheissungsvoUen Anfang theilneh-
mend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang unter Gottes .Segen getrost
in Aussicht stellen."
„Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das
Jahrbuch seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und
ausser Oesterreich ferner durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen."
,Wie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeit und
Verschiedenheit des Inhalts den gehegten Erwartungen.'*
Theologisches Litter aturblatt (Leipzig) i8Si. Nr, 20 u. sS- 'SSj. Nr. jj.
„. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nachrichten über
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir
wünschen unsern österreichischen Brüdern' Glück zu diesem schönen Anfang und
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische
Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 fl. jährlich leisten, unterstützende Mit-
glieder solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als Grün der einen einm.iligen
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen."
Neue Evangelische Kircheu%eitung (Berlin) 18S1. Nr. 22.
jf. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten Doppel-
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum Theil höchst
interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen dem so glücklich
begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fortgang.
Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins unter •
den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen I"
(Prof. Dr. Lipsius) Theologische Literaturzeitung (Leipzig) 1881. Nr. /j.
Das Jahrbuch „für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem
Werth und Interesse aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen" u. s. w.
Theologischer Littsratur- Bericht (Gütersloh) 18 8s. Nr. S.
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redacrion
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir . . . nur wieder-
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan-
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Prote-
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per-
sönliches imd Allgemeines" u. s. w.
(Prof. Dr. Messner) Naie Evangelische Kirchemeitung (Berlin) 1883. Nr. 40.
„Es^ ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treffliches
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoll sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen** u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung, Wien i88s. Nr. 4103.
„. . . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations-historischer Forschung auf
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen."
(Prof. Dr. Zöckler) EvangeHsche Kirchenzeitzmg (Greifsw.) 1883. ^r. 48,
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine EhrenpHicht, diese erste und einzige wissen-
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
und nach jeder Richtung hin zu fördern."
Evangelische Kirchen%eiiuug für Oesterreich (Bielitz) 1884, Nr, /,
,. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben'' u. s. w.
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift aus der Schweiz (Zürich) 1886. H. l. S. 61.
„Mit Freude begrüssen wir diese weiteren Jahrgänge der verdienstvoUen Zeit-
schrift" u. s. w,
(Prof. S.-G.) Theologischer Litteraturbericht (Gütersloh) 1887. ^r, 4,
Zur Nachricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnau bei Kulmbach in
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Central vor-
stände unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften :
,Geh nur davon, || Sey fromm für mir, || Gib Armen hier, || Ich bin dein Lohn.-
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf i. Mos. 12:
^Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm.
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild.
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron."
Der Centralvorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse l6) a i fl
tu haben ist.
-•«8«-»-
Druck von Wilhelm Köhler. Wien, VI. Mollnrdicatii« 41
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JAHRBUCH
der
GesellscM für die Geschichte des Protestantisnins
in Oesterreich.
Neunter Jahrgang.
II. Heft.
April — Juni 1888.
-•»skb<-
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt
1888.
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Inhalt von HeftQ.
Seit-
6. „Lutheranisirung der Gemeinde Gnesau". Mitgetheilt von Pfarrer FriedHch
Koch (J5
• 7. Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und aus Sachsen. Von Pfarrer
Scheujfler in Lawalde (Sachsen). IV. (Fortsetzung.) ......... Sj
8. Extract der in materia religionis ergangenen k, k. auf die Gegenreformation
im Teschener Gebiete bezüglichen Verordnungen 1692 — 1781. Mitgetheilt
von Professor R. Pritsche . II. (Fortsetzung.) 103
9. Noch einmal Martin Philadel phus Zamrscenus. Mitgetheilt von Prof. Dr.
Anton Rczck 1 1 0
10. Bericht des Central- Vorstandes über das Vereinsjahr 1887 1 1 i
Zur Beachtung.
Wir ersuchen unsere Mitglieder, in ihren Kreisen für die Verbreitung der
Gesellschaft thätig zu sein, und stellen zu diesem Behufe Exemplare der Statutfr
in gewünschter Anzahl zur Verfügung.
Laut Beschlusses des Centralvorstandes in seiner Sitzung am 27. Februar 18S4.
erhalten die Mitarbeiteram „Jahrbuch", vom fünften Jahrgang (1884) an, nach Erscheinen
des betreffenden Jahrgangs als Honorar pro Druckbogen sechzehn Gulden ö. W.
Die Mitarbeiter sind allein verantwortlich für den Inhalt und die Form cL^r
unter ihrem Namen im Jahrbuch erscheinenden Artikel.
Den Mitarbeitern werden sechs Gratis - Separatabzüge ihrer Arbeiten nacl:
Erscheinen des betreffenden Heftes von der Köhler'schen Buchdruckerei franco sugesendei
Eine grössere Anzahl von Separatabzügen kann nur nach rechtzeitiger Verständigni.L:
der Herren Verfasser mit der genannten Buchdruckerei (Wien, VI. Mollardgasse 4.1 .
gegen Erstattung der Druckkosten gemacht werden.
Die noch rückständigen Beiträge bitten wir an unsem Cassier, Herrn Ho:*-
und Gerichts-Advocat Dr. Carl Ritter von Sääf (Wien, I. Ballgasse 6), ehebaldig-:
einzusenden.
Für das „Jahrbuch" bestimmte Arbeiten, sowie Zuschriften an die Gesellschat:
sind „An das Bureau der Gesellschaft, Wien, I. Dorotheergasse 16* zu richten.
Der Centralvorstand
der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismu
in Oesterreich.
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VI.
„Lutheranisirung der Gemeinde Gnesau"').
Mitgetheilt von Pfarrer FRIEDRICH KOCH.
Mit dem Anfange des i8. Jahrhunderts ist die lutherische Ketzerei
durch Emissäre und Bücherhändler von dem sogenannten Corpus
Evangelii zu Regensburg, hier in Kärnthen und namentlich in dieser
Gegend eingeschmuggelt worden, und hat an den Gebirgen bei
schlecht unterrichteten, in seelsorgerlicher Hinsicht mehr vernach-
lässigten und darum versauerten Christen zuerst Freunde gefunden
und sich nach und nach immer mehr ausgebreitet.
Aus dieser Ursache ist schon im Jahre 1735 von dieser Pfarr-
kirche ein Kirchlein und ein Priester-Wohnhäuslein in Görz erbaut
und alldort zur besseren Belehrung und Ueberwachung der Gebirgs-
bewohner ein Missionspriester angestellt worden, welcher seinen
Unterhalt mit jährlich 318 fl. aus der Casse der hiesigen Pfarrkirche
erhalten hat.
Diese Massregel hat sicher manche Verführung verhindert, aber
die von der Ketzerei Angesteckten hat sie nicht geheilt; denn gegen
den bösen Geist des Hochmuthes und Eigensinnes nutzen in der
Regel die schönsten und eifrigsten Lehren wenig, wenn nicht Gott
ein besonderes Wunder der Gnade zu wirken sich bewogen fühlt.
So hat dieser bedauernswürdige Irrglaube in vielen Herzen sich
festgesetzt, besonders da die Aufwiegler und Proselytenmacher von
Gnesau. — Gnesau (Post Himmclberg), eine im Jahre 1783 gegründete evangelische
Pfarrgemeinde im politischen BezirkeJUagenfurt in Kärnten, hat nach dem statistischen
Ausweise des Jahres 1886 eine Zahl von 990 Seelen. Vgl. „Schematismus der evan-
gelischen Kirche" etc., Wien 1875 u, 1886. Selbstverlag des k. k. ev. Oberkirchen-
rathes. S. 37 u. 25.
Jahrbuch des Protestantismus iS88. H. II. 5
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06 •
Regensbiirg her, wie die bösen Fliegen, gekommen und das Land
in allen dürchkreutzet, und hier sich Helfer zu ihrem Verführungs-
werke angeworben haben. Sie sind in den verschiedensten Ge-
stalten, und zwar als Bauern und Bürger, als Handelsleute» al-
Handvverksburschen und al^ Bettler im Lande und besonders in ein-
schichtig gelegenen Bauernhäusern herum geschlichen, und haben da
ihre lutlierischen Bücher um wohlfeiles Geld verkauft, auch verschenkt:
unter der Larve der Wohlmeinung ihre b5sen Lehren ausgebreitet
und nach und nach ordentliche Versammlung und darinnen Lehr-
vorträge gehalten. Ein gewisser Christian Grundner, dem Anscheine
nach ein Bürger aus Regensburg, scheint die Hauptperson dieser
lutherischen Propaganda gewesen ^u seyn. Ob er selbst einmal hier
war? ist aus den vorhandenen Schriften nicht zu entnehmen; woh:
aber liegen mehrere Briefe von ihm in Abschrift, welche er unter
der Adresse: ,An Johann Rauter am Drageisberg*, an die in diesen
Gebirgen herum zerstreuten Lutheraner geschrieben hat, um sie iß
Abtrtinnigkeit zu befestigen, sie zu Proselytenmacherey aufzumuntern
seine Bothen zu empfehlen und ihnen Rathschläge zu geben, lndess<'r.
gingen seine Handlanger eifrig hin und her mit Büchern und Briefen.
Namentlich waren laut einer Aufschreibung des Pfarrers Foregger
sub i6. 1 vom Jahre 1752 in dieser Hinsicht besonders thätig : Caspar
Fleiss aus Regensburg; dieser schon im Jahre 175 1 als Bauer ver
kleidet, mit einem Lodenrock, in der letzten Fastenwoche mit luthf
Tischen Büchern hier gewessen; im Jahre 1752 kämm er wrieder vor
dem Schwarzsonntag zum Hansel am Drageisberg ob Himmel berg.
dießmal in einen dunkelblauen herrischen Rock» aufgestülpten Huth
gekleidet und mit einem Burger*Stock in der Hand, er kämm ohne
Bücher sondern bloß mit S Briefen ; worin alle heimlichen Lutheraner
aufgefordert wurden sich öffentlich zu erklären und zum Lutherthunie
einschreiben zu laßen; und zwar darum, damit die Landesbehördcti
durch die grosse Zahl der Abtrünnigen geschrekt und zur Nach-
giebigkeit bewogen würden. Zu diesem Ende ist er fast das ganz-
Oberkärnten dieß- und jenseits der Drau ausgegangen,
2. Ein ge wißer Martin Pikele, ein Inländer, gebürtig zu Trefifen
welcher ehemals als Knecht in der Teuchen und in Arriach gedien:
dann aber das Geschäft eines Aufwieglers ergriefen hat. Er ist mehr-
mals nach Oedenburg in Ungarn gereißt und mit lutherischen Büchern
bebackt zurück^^ekehrt. Er ist in Mülstatt arretiert \srorden.
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3. Ein gewisser Hanßl, Sohn des Schulmeisters Anderl zu St. Peter
am Tweng — hat immer mit Büchern gehandelt, bis er im Arrest
zu Gmünd eine Wohnung fand.
4. Der Raufhiesele, welcher immer als Knecht in Haidenbach
und in Arriach gedient, und nebstbey einen Unglaubensprediger ge-
spielt. Er ist selbst nach Regensburg gewandert und mehrere andere
als Auswanderer mitgefuhrt; er ist wieder zurückgekommen, um
noch mehrere zu verführen und zu entfuhren. Hatte allzeit brav Geld
bey sich, woher .^
5. Ein gewißer Hansl, als Bettlerkind in der Pfarre Himmelberg
geboren, ist auch öfters nach Ödenburg gegangen und mit Büchern
heimgekehrt.
6. Ein schwarzes Betlmandl ; gieng als Bettler umher, trug aber
in seinem Bettler-Bak lutherische Bücher, um sie unter die Leute zu
verschmugeln,
7. Ein gewißer Jörgl, ein zu Nöring geborner Weber.
8. Ein kleines, altes Schäusterle, welches besonders mit Brief-
schaften von Regenspurg hin- und hergegangen seyn soll.
9. Das alte Eggerle, welcher schon vor 18 Jahren von der
Obereggerhube in Koflach hin weggeführt und nach Siebenbürgen
relegiert worden ist. Dieses Männlein hat sich aus seiner Verbanung
herauszustellen gewußt, und sich grosentheils hier in Gnesau aufge-
halten, wenn er sich nicht auf seinen Geschäftsreisen in lutherischer
Glaubensangelegenheit befunden hat.
10. Jakob Rohrer ein in Treffen gebürtiger Deserteur, der sich
meistentheils in St. Margarethen aufgehalten und lutherische Bücher
verbreitet hat; weßwegen er von der Polizey verfolgt wurde, und
die Flucht ergrif.
1 1 . Dahin gehört laut Bericht des Herrn Pfarrers Franz Grittner
vom 28. May 1752 16./1. 4 der berichtigte Mattheus Neidhardt vgö
Bergischneider im Graben gegen Görz, dessen Vater vormahls emi-
grirt ist ; dieser hielt sogenannte conventicula, in welchen er sich förm-
lich als lutherischer Religionslehrer gerierte, durch Vorlesen lutherischer
Bücher und Briefe und durch eigenes Ermahnen und Aufreitzen.
Er hat auch den herumziehenden Emisären Unterkunft gegeben,
der Propaganda in Regensburg über den Vorgang der Religions-
Verkehrung Bericht erstattet, und viele in die Liste der Abgefallenen
eingeschrieben; bis er am 6 Xber 1752 auf i Jahr zur Festungs-
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arbeit verurtheilt und abgeführt wurde. Er ist am 31. Xber 1755
gestorben — (da er nach überstandener Strafzeit wieder zurückge-
kehrt ist).
12. Laut Bericht des Herrn Pfarrer Grittner vom 2. Juny 1752
sub 16/1 6 war ein vorzügliches Werkzeug der Proselytenmacherey
Johann Rauter vgo Dragelsberger ob Himmelberg und sein Weib
Margareth Rauter; bei ihnen wurden die meisten Briefe aus Regens-
burg abgegeben, die Bothen beherberget und Zusammenkünfte ge-
halten, in welchen die Kezerei ordentlich gepredigt und über deren
weitere Ausbreitung verhandelt wurde. Er ist laut Verzeichniß der
abgeführten Sektierer sub 16/1 11 als ein Coripheus ad opera
publica condemniert und am 15. May 1752 abgeführt, und am
9. September 1752 ist ihm sein Weib Margarethe Rauter nachge-
schickt worden. Nach Verhaftung dieses Sektierers sind laut obigem
Bericht mehrere Briefe aus Regenspurg an den Schneider Matheus
Neidhardt eingelofen, worin sie aufgefordert wurden, ihre Sektiererey
recht eifrig zu betreiben und recht Viele als zum Lutherthum be-
kehrte einzuschreiben; wie sich auch wirklich Viele sehr eifrig be-
müht haben die Einschreibung zu befördern; unter diesen haben sich,
auser dem genannten Math. Neidhardt, der bey Tag umhergelofen.
um die Leute zu sich einzuladen, des Nachts aber eingeschrieben
hat, auser dem haben sich besonders hervorgethan Caspar an der
Sonnleiten, Möstl-Bauer zu Gnesau und der Christian am Feld (May-
tratten), dann der Hafner an der WöIIach ob Himmelberg mit Namen
Thomas Zaminer, dann der Petugger an der Wöllach und der Sieben-
liaar am Klatzenberg; welche sämmtlich nach Siebenbürgen oder zur
Festungsarbeit nach Gratz abgeführt worden sind.
13. Gehört dahin auch laut Bericht des Pfarrers Grittner ohne
Datum Vincenz Nuss, Nussbauer zu Gnesau, der ebenfalls in seineir.
Hause die Augspurger und Regenspurger Bothen aufgenommen und
sogenannte conventicula gehalten hat. Er war ein besonders wüthendei
Disputirer, der Viele überredet und am 4. März (wahrscheinlich 1752
da bey ihm Christenlehre gehalten wurde den Herrn Missionär (Ignat?
Putz) mit harten Worten angefahren und mit ihm zu disputieren ange-
fangen hat, so dass viele sich darüber geärgert haben und fortge-
gangen sind, weil er dabei wüthend geschrieen und sogar dem
Missionär sein Büchl in das Gesicht geworfen hat. Er wurde am
14. März 1753 (wahrscheinlich zur Festungsarbeit) abgeführt. Einigt
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von den Briefen der Regenspurger Propaganda liegen hier sub i6yi 3
in Abschrift vor, in welchen mit den gewöhnlichen Redensarten hin
und hergeworfen und auf das Pöll nicht vergessen wird und aufge-
fordert wird recht geschwind und allgemein zum Lutherthum über-
zutretten, weil die Thüre offenstehe etc. Einen dieser Briefe finde
ich besonders werth per extensum hieher zu schreiben, weil darin
Rathschläge ertheilt werden, um von der Regierung die Religions-
freiheit oder doch eine Duldung zu erlangen,
Regenspurg den 5. Martii 1752.
Gottes Gnad wünsch ich euch allen zum Gruß. Deine Briefe
habe ich richtig empfangen und dem corpus evangelii überreicht,
hab darauf eine Antwort erhalten, daß jetzt den Leuten geholfen
könnte werden, wann sie sich zu der Augsburger Confession be-
kenneten ; indeme ^ich jetzt wunderlich ereignet und in allen
4 Orten der Welt Glaubensbekenner seynd; im Landl Oberöster-
reich und Stfeyermarkt haben sich wirklich schon viertausend Mann
bekennet, in Salzburger Land haben sich wieder eine so grosse
Zahl bekhennet, daß man sie noch nicht beschreiben kann; es
seynd auch in welschen Tyrol aus Trient solche Bekehner, aus
der Schweitz seynd auch gar viel; diese Bekhener seynd alle in
Regenspurg ankommen, das corpus evangelii umb Schutz und
Hülf anzuflehen, haben auch Vertröstung bekommen, daß keiner
wird terfen aus sein Vaterland ziehen, sondern im Land eine Ge-
wißensfreyheit haben können, weilen sie sich öffentlich bekhenet
haben. Dann bericht ich Euch meine lieben Glaubensgenossen,
daß jetzt der Tag des Heils ist und Euch die Gnadenthür offen
steht, nach euern Wünschen und Verlangen. Ich kanns nicht
unterlassen vermög meines Gewissens euch gewisse Nachricht zu
geben, damit ich nicht dermahleinst an jenem Tag vor Gottes
ernsthaften und gerechten Gericht eine schwäre Verantwortung
habe, ich habe mich wegen Eurer schon viele Mühe geben bei
denen H, H. Gesandten hin und wieder, und habe es mit Freuden
gethan, und thue es noch mit Freuden, wann ihr nur die ange-
bottene Gnad Gottes mit Freuden aufnehmet zu eurer Seelen
Seligkeit, und nicht mit Füssen von Euch stossen, ich habe von
denen H. H. Gesandten ein Befehl, ich sollte euch hineinschreiben,
ob Ihr auch ein Verlangen habt nach der lutherischen Milch des
Evangelii, so sollet ihr Euch nach diesen Exempel richten, wann
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euch sollte geholfen werden, gleichwie in Steyermarkt und Ländl
sich haben abgesondert von dem Pell zu Babel und seinem Gottes-
dienst ; sprich ich vom falschen Vertrauen, diese GJaubensbekenner
haben den Betrug zwischen Christo und Bellial recht rein gesehen,
und mehret sich die Zahl derer Bekhener noch bis dato von Tag zu
Tag. Gott sey dafür gelobt und gepreißt in alle Ewigkeit. Amen.
Ich berichte euch meine liebste herzinniglich gewünschte Brüder
in Christo Jesu unsem Herrn und Heyland, daß das Corpus Evang.
in Regenspurg für gut befunden, daß diese 3 Länder Kärnten
Steyermarkt und Ländl sollen bey der Königin Eurer allergnä-
digsten Fr. Fr. ein Memorial eingeben, daß in lauter Bitt bestehe
und umb ein Gewissensfreyheit darin anlangen. Wofern dieses nicht
geschieht, so kann die Sach nicht vollzogen werden; indem die
Königin dem Corpus Evang. bis dato diose Antwort giebt, Es
seynd in Kärnthen keine solchen Leut, weil sich noch niemand
hat angemeldet umb eine Gewissensfreyheit; aber dieses Memorial
wird nur in Klagenfurth eingeben bey der königlichen Repraesen-
tation, die Abschrift darzue muß herausgeschickt werden und allda
bey dem königl. H. Abgesandten eingehändigt werden.
Nun wäre Zeit, das beste Theil zu erwählen ; ihr müsst aber
zum Gebet greiffen und Gott in die Hand fallen, daß Er Eure
Herzen nicht verstocke wie dem König Pharao in Egypten; es
ist im Himmel auf Erden nichts kräftiger als ein ernstlich eifriges
Gebeth, denn Gott hat aller Menschen Herzen in seiner Gewalt
und kann sie lenken wie die Wasserbäch; er kann eure größten
Freund zu Feind machen ; in Gott seynd alle Ding möglich, ja
denen die Gott lieben müssen alle Ding zum Besten dienen, der
Teufel Selbsten.
Ach herzgeliebte Glaubensgenossen lasset uns miteinander
betrachten, daß wir alle geladene Hochzeitsgäst seynd zu der
grossen Herrlichkeit erscheinen ewig frohlockendt himmlischen
Hochzeit, da werden wir uns mit allen Auserwählten die unaus-
sprechliche, unaufhörliche ewige Hochzeit halten, da wird uns kein
Nahrungsmangel mehr plagen, da wird uns kein Leid mehr an-
rühren därfen, da wird kein Kreutz oder Verfolgung mehr se)Ti
Ach da wird ewige Freud und Fried über unser Haup seyn.
Ach mein Herz das Himmelreich ist nahe herbeygekommen.
die Büß die Gnadenzeit kann bald vorbey seyn; wehe dir du
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Unbußfertigkeit, auch ewig wehe, wann du versäumet hast, hie
alle Sünden vergeben werden, dorten keine Sünden vergeben
werden. Das Himmelreich ist nahe herbeygekommen, wer da
hineinkommen will, der säume sich nicht lang, ist die Thür ein-
mahl verschlossen, so hilft kein Anklopfen mehr.
Mit Gottes Befelch
Christian Grunder.
Am 24. Aprill schrieb der nehmliche Grunder:
Gott zum Gruß! Ich bericht euch, daß mir die Mühe hab
geben wegen Euer, dem Corpus Evang. hab ich grose Bit einge-
legt wegen eurer Trübsal und habe die Ehre gehabt solches alles
mündlich vorzubringen, ich habe vorgestellt, daß Euch die welt-
liche und geistliche Obrigkeit bedrohet hat Hab und Gut zu
nehmen und ins Elend zu verschieben, wie wir solche viel Exempel
haben und selbst ein solcher Zeug bin, so hab ich ein und ander
Wort bekommen von dem Corpus Evang., wann sich nur eine
große Zahl bekennen thuet, so haben sie sich nicht zu fürchten,
daß ein Mann aus d'em Lande tärfe ziehen, wann sie beständig
bey der Bekanntnuß bleiben und ihr sollt euch nit schreken lassen
mit Bedrohung und Gefängnusen, das seynd nur Zeichen, damit
sie euch binden und abschrökhen, ich ermahne euch, 1. Christen,
als ein treuer Bruder gegen euch, weichet nur kein Haar breit
von dem Wort Gottes. Sehet nur die Exempel an, die schon
wirklich am Tag seyn, so müßt ihr ja erkennen, daß Gott der
allmächtige absonderlich eine Zeit hat auserkohren seines Namens
Ehr zu rotten, wann ihr euch nur darin wollt schicken in die
Zeit, das Maß der Gottlosen wird einmal voll seyn, daß Gott
nimmer länger kann zusehen. Gott wird der Bedrängten Seufzer
ergötzen, und der Wahrheit ein Kränzlein aufsetzen, ich sollte
solches nit ausreden, noch viel wöniger schreiben, nur kann ich
es wahrhaftig nit unterlassen, daß ich euch sollte zu wißen machen,
daß alle evangelische Potentaten zusammenstimmen, die Sach bey
dem k. k. Hof auszumachen; wir sollen in diesen Umständen
fleißig beten, daß Gott gedejen und seinen segen darzu möcht
geben; — denn mit Gott fang Alles an, wann es soll gelingen,
sey nicht ein vermeßner Mann — in solchen schwären Dingen.
Es ist heraus im Reich bey der evangel. Gemein ein ordentliches
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Gebet gerichtet auf die neuen Bekenner, daß sie Gott möge be-
ständig erhalten in ihrer Anfechtung. Singe bett und geh auf
Gottes Wegen — verriebt das Deine nur getreu — traue nur
des Himmels reichen Sögen — so wird Gott bei dir werden neu
— denn wer auf Gott sein Zuversicht — setzt den verlaßt er nicht.
Christian Grundtner.
In Folge dieser erhaltenen Weisungen haben die lutherischen
Bekenner unter 24. März 1752 eingereichet folgendes
M e m o r i a 1 e.
AUerdurchlauchtigste, großmächtigste Kaiserin und Königin
Allergnädigste Frau, Frau!
Vor Euer kais. und königl. Mayestät geheiligten allerhöchsten
Person wirft ein groser Theil dero Ihren gehorsamsten unterthanen
in Kärnten sich in aller submissesten Demuth fußfälligst nieder und
unterwindet sich in aller tiefster unterthänigkeit gehorsamst vorzu-
tragen, welcher gestalt wir durch Antrieb unseres Gewissens ur.d
fleißiges suchen und forschen in h. göttlicher schrift uns entschlossen
abnun an unser Leben und Wandel Einig und allein nach den ge-
offenbarten wahren Wort Gottes und der unveränderten Augspurger
Confession einzurichten und solches bis an unser Lebensend frey zu
bekennen. Wann nun aber umb solch aufrichtigen Bekanntnuß willen
wir mit Gefangnuß, Bande und Verschikung an Orte, wo wir das
Tageslicht nicht mehr sehen sollen, auf das hörtist bedrohet werden,
ja einige unserer Mitbrüder mit dergleichen schon allbereits belegt
worden : so nehmen in dieser höchst bedrängten und unserer Seelen
ewiges Heil betrefenden umständen Euer k. k. Majestät allerunter-
thänigste Unterthanen zu dero geheiligten Thron ihre Zuflucht mit
der fussfälligen Bitte nach dem Exempel dero glorwürdigsten Vor-
fahren allergnädigst zu erlauben, daß wir durch nach der unbetrig-
lichen Richtschnur des Wort Gottes und der Augsb. Confess. ein-
gerichteten Gottesdienst Gott derfen geben was Gottes ist, und
wenigstens bei Euer kais. kön. Majestät hierinnen weitere Verfügung
zu treffen allergnädigst geruhen, dem gewaltsamen Begögnussen mit
Gefangnuß und Banden, auch fernem dergleichen würklichen Thättig-
keiten und harten Bestrafung und Bedrohung uns unser Haabe und
Güter zu entziehen, allergerechtesten Einhalt zu thun, da wir die be-
reitwilligsten seynd Leben und Leib, Gut und Bluth für Euer kais.
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kgl. Majestät den Glanz dero glorgeheiligte Person und Thron aufzu-
opfern zu vermehren, allso Eur k. k, Majestät würdigsten Regierung
auch noch dadurch, daß diejenigen, so den König auf dem Berg
Zion fiir einziges geistl. Haupt, sein blutiges Versöhnopfer für den
einzigen Grundt ihrer Seligkeit, und sein unbetrügliches Wort für
die einzige Richtschnur ihres Glaubens und Lebens halten, unter
schatten dero allerhuldreichsten Scepters Ein geruhiges und stilles
Leben fuhren mögen.
Dieses ist die allerdemüthigste und fußfälligste Bitte, umb dero
allergnädigste Erhörung in Namen ihrer mitunterthanen flehend-
lichste Bitt
Euer kais. u. kön. Majestät
allergetreueste im Namen aller
Christian Egger; Niclas Stieger; Christian Puchreiter, Johannes
Rauter, Georg Fischer, Urban Raner, Adam Köstinger, Mathias
Löbackh, Thomas Zamminer, Lucas Patzer, Veit Wiggeser, Lucas
Pichler,
bezeigen anjezo ein unbeschreibliches großes Theil der inclassificirten.
Memoriale an Titl. H. H. Kreishauptmann :
Ihre Excellenz
Hochwohlgeborener Reichs-Freyherr, gnädig' hochgebietender Herr
Landeshauptmann.
Ihro Hochfryherrlich Excellenz überreichen Endesunterschriebene
im Namen ihrer mitunterthanen in Kärnten gegenwärtige allerunter-
thänigste Suplic mit sondersgehorsamster Bitte, solche mit dem
Ehesten, als es geschehen kann, an Ihro k. k. Majestät unser gnä-
digste Frau allerunterthänigst einzusenden, auch solche mittels dero
eigenen vielvermögenden Vorspruch dahin zu unterstützen, daß dennen
bißherigen harten Bedrohungen, auch andern würklichen Thätigkeiten
bis zu weiterer allergnädigster Verfügung gebührenter Inhalt geschehen
möge, die wir übrigens mit aller schuldigen Treue und Gehorsamb
lebenslang verbleiben
Euer Hochfreyherrl. Excellenz
Christian Egger, Niclas Stieger, Christian Buchreiter, Johann Rauter,
Georg Fischer, Urban Rainer, Adam Köstinger, Mathias Läbackh,
Thomas Zaminer, Lucas Patzer oder Siebenhaar, Veit Wiggiser,
Lucas Pichler.
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Diese Unterschriebenen waren alle eifrige Proselitenmacher aus
der Pfarre Tiffer, Himmelberg und Gnesau; und es sind gerade 12,
wahrscheinlich haben sie sich für die 12 Apostel gehalten.
Mittlerweile als die vorstehenden Einlagen gemacht und im
diplomatischen Wege sich von Regensburg aus für die Lutheraner
Kärntens verwendet wurde, ist das sub 16/1 ohne Datum hier vor-
liegende Religions-Edikt Ihrer Majestät der gnädigsten Kaiserin
Maria Theresia erflossen, welches ich hier per extensum folgen lasse:
Principia generalia.
1. Wollen Ihro k. k. Majestät als eine wahre Landesmutter
gleichwie vor das zeitliche allso auch vor das Seelenheil ihrer Unter-
thanen Sorge tragen; mithin kein Emigration verstatten, wodurch
die Seel sammt dem Unterthan verloren geht, ja nicht einmahl zu-
geben, daß man sich dieses Wortes der Emigration oder des freyen
Abzuges gebrauche, allermassen Allerhöchstdieselbe in ihren teutschen
Erblanden eine ungebundene freye Hand haben, das Religionswessen
nach Wohlgefallen zu reguliren, und die sich einschleichende
Glaubens-Irrthume durch gutfindende Anordnung zu vertilgen.
2. Zumahlen die Irrlehre noch von denen älteren Zeiten ab-
stammet und sich seithero mit deme ausgebreitet hat, daß man das
Uebel zu wönig geachtet, keine standhafte Remedia vorgekehret,
sondern das Unkraut immerfort wachsen lassen. Allso. geht die aller-
höchste Gesinnung dahin, daß man ohne Zeitverlust alle geistl. und
weltl. Hilfsmittel ergreife umb all ferneren An wachs einhält zu thun.
und die schon angestökte Heerde nach und nach durch die sanftesten
Wege anwiederumb auf die Strasse ihres Heils zu fuhren.
3. Da bey dem mehrsten Volk der leichtsinnige Glaubensabfall
von der Unwissenheit entspringet, indem sie von der katholischen
Religion wönig Begrif, und auch in der lutherischen keinen festen
Grund haben, über dieses an gar vielen Orten von ihren Seelenhirten
sehr weit entfernet seynd, folgbar dem Gottesdienst selten beywohnen
und daher das Gift aus denen un katholischen Büchern gar leicht in
sich saugen ; allso ist quoad media spiritualia das allernothwendigste
durch den apostolischen Eifer frommer Missionarien diese Quelle der
Unwissenheit zu verstopfen, die Jugend gründlich zu unterweisen,
die noch gut Katholischen zu befestigen und eine mehrere Andachts-
liebe allenthalben einzupflanzen.
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4. Da nun alle Ordensklöster zur Aufnahme der katholischen
Religion ursprünglich eingesetzt worden; allso ist ihrem Beruf und
ihrer Schuldigkeit gemäss, daß sie zur Ausrottung dieses Unwessens
mit vereinigten Kräften zusammen greifen und sich andurch bey Gott
und der Welt verdienstlich machen. Ihre zeitl. Wohlfahrt selbsten
hanget daran, indem aus denen Geschichten mehr dann bekannt ist,
dass fast alle Unruhen, so aus der Religions-Spaltung erwachsen,
auf die Ordens Klöster am ersten losgebrochen und daß derley
Feuer, wann es einmal aufflammet, gar schwär mehr zu löschen sey.
Dahero Ihro k. k. Majestät sich ganz ungezweifelt versehen, es
werden die genannten Herrn Praelaten und Ordensvorsteher bey so
andringender Gefahr das Äusserste thun und dem Uebel mit Freuden
entgegengehen, folgbar ihre tichtigste Subjecta erkiesen, umb an
denen Orten, wo man es nöthig findet, als Missionarii angestellt zu
werden. Die Erfahrung hat vielfältig bewiesen, daß dieses das alleinige
Mittel seye umb diesen Zustand zu heilen, und ein Land, so mit der
Irrlehre beflecket ist, nach und nach wieder rein zu machen.
5. Es steht aber sothaner Missions Frucht änderst nicht als mit der
Zeit zu hoffen, absonderlich bei verstockten Gemüthern und solchen
Personen, wo die Irrlehre tiefere Wurzeln gefaßt hat ; und ist demnach
vor allen darauf zu sehen, dass die gemeine Ruhe unverletzt bleibe
und allen wiedrigen Beginnungen der ernstliche feinhalt beschehe, auch
zu solchen Ende vor allen Seiten ein obsichtiges Auge bestellt werde.
6. In gleicher Absicht ist denen erklärten Lutheranern Zeit und
Raum zu gönnen, damit sie von denen Missionariis erleuchtet werden
und ihren Irrthum erkennen mögen. Nur allein ist Schärfe darauf zu
halten, damit sie keinen Muthwillen treiben, die Geistlichkeit nicht
verachten noch auch sich bestreben ihre Kinder und Dienstbothen
oder auch andere auf gleiche Irrwege zu verleiten.
7. Sollte sich nun einer finden, so de seductione vel de conci-
tatione schwär bezuchtiget wäre, hat ihn das Landgericht sogleich
in Verhaft zu nehmen, das angeschuldete Verbrechen summariter
jedoch rechtskräftig zu untersuchen und folgends die acta an den
Religions-consessus einzuschicken, all wo der Inquisitus nach Be-
schaffenheit der Umstände mit einer erspiegelnden Bestraffung in
terrore reliquorum anzusehen ist.
8. Eine gleiche Beschaffenheit hat es, wann man fremde luthe-
rische Emissarios, welche die Leut in ihren Irrthum stossen, oder
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auch solche Personen betretten, welche luther. Bücher einschleppen,
dieselben an das Bauern- Volk verkauffen und andurch die irrlehre
ausstreuen, wie ingleichen, wann sich Jemand vermesset verbotene
conventicula oder sogenannte Andachtsversammlungen zu halten,
als welche der Religion und dem gemeinen Wessen höchst ge-
fährlich sind.
9. Wann sich aber begibt, daß einige Unterthanen nicht nur
auf ihren Irrglauben halsstarrig verbleiben, keine geistliche Instruction
annehmen und dahero der ganzen umliegenden Gegend zum Aerger-
nuß seynd, sondern zugleich die Merkmale von sich geben, daß sie
andere aufwiklen, ihren Anhang zu verstärken suchen, mithin die
gemeine Ruhe und den Religionsstand stören und aus dieser Ursach
ohne groser Infectionsgefahr und besorglichen schwären Unheil im
Land nicht geduldet werden können, sondern als räudige unheilbare
Schafe von der gesunden Herde hindan gesondert werden müssen;
so solle ein solcher anfangs dem Rel. consessui, von diesem aber
nacher Hof angezeigt werden, damit man sonderlich jene, die bey
ihren übrigen Glaubensgenossen in Ansehen stehen, nacher Hungarn
abschicke und anmit ein Aufsehen im Land mache.
IG. Im Fall ein erklärter Lutheraner mit Tod abgeht, ist die
Vorsehung dahin zu machen, damit alles Leichengepräng vermieden
bleibe, und der verbli<!hene Körper in Geheim in ein abseitiges Ort
(auser dem geweihten Freithof) nach Anordnung des Pfarrers be-
graben werde, massen kein privatum viel weniger ein publicum RcH-
gions Exercitium diesen Leuten zu gestatten ist.
11. Der hauptsächlichste Nutzen aber ist in der nachwachsenden
Jugend zu suchen und haben dahero die Missionarii ihre geflissenste
Bemühung anzuwenden, daß sie die lehrfähigen Kinder im Glauben
und gutten Sitten gründlich unterrichten und durch alle Mittel ihre
Lieb und das Vertrauen erwerben, sonderlich aber durch einen
frommen auferbaulichen Wandel sich den Wog bahnen auch bey
den Eltern nach und nach ein günstiges Gehör zu finden.
12. Wo eine Pfarr allzu weitläufig ist und aus solcher Ursach
vieles Volk des Wort Gottes beraubt, die arme Jugend verwahrloset
und die Kranken an denen h. h. Sacramenten öfters verkürzt werden,
hat der Rel. consessus solche Beschafenheit dem Ordinariat mit Nach-
druck vorzustellen und aut die Anstellung eines Localvicarii zu drin-
gen, darzu auch ihres Orts allen möglichen Vorschub beyzulegen.
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13- Weilen es auch an vielen Orten an den Schulmeistern ge-
bricht und eben derohalben die Jugend in so groser Unwissenheit
aufwachset, als wäre denen Herrschaften und Gemeinden sothane
Nothwendigkeit vor Augen zu legen und selbe dahin zu vermögen,
daß sie entweder mehrere Schulmeister , bestöUen oder doch eine
solche Anordnung trefen, damit die Jugend durch andere fromme
Leuth an denen Sonn- und Feyertagen unterwiesen werden, als
wozu das Institutum catecheticae gar dienlich ist.
14. Erfordert die Natur der Sache, daß wo eine unkatholische
Wittib Kinder hat, solche Kinder ob periculum perversionis ihr keines-
wegs beygelassen, sondern anderweit und zwar in weiter Entfernung
zu gut katholischen Leuten in die Erziehung verdungen w^erden,
damit man auf solche Weis die nachwachsende Irrlehrs-Brut erstike.
15. Ist in allen Ländern, wo die Rel. Seuche eingerissen, eine
höchst erwünschliche Sache, daß man eigene Conversions-Häuser er-
richte und darinnen solche Personen unterweise, von welchen ohne
derley totaler Separation und anhaltenden mühsamen Fleiß einige
Seelenfrucht nicht wohl anzuhoffen ist. Insonderheit aber ist es vor
die erwachsenen Kinder nöthig, welche von der verkehrten Glaubens-
lehre alschon eingenommen und in dem Haus ihrer unkatholischen
Eltern darvon nicht wohl abzubringen seynd.
16. In allen diesen Anordnungen wird ein besonderer Religions-
fundus ohnumgänglich erfordert, theils umb gut katholische Bücher
auflegen zu laßen und die ausgesetzten Missionarios damit zu ver-
sehen, theils aber umb armen Kindern, so man den Eltern entzieht,
die nothdürftige Verpflegung zu raichen und viele Kosten zu be-
streitten, so das Missionsgeschäft, wann es anders die abzielende
Wirkung haben soll, fast alltäglich erheischet.
17. Denen Missionariis ist eine wohlgefaßte Instruction circa
modum operandi mitzuo^eben, damit sie ihren Eifer behörig mäßigen,
viel Geduld und Sanftmuth gebrauchen, sich nach der Gesinnung
des Volkes richten, und durch strenges Leben und liebreichen Um-
gang die Herzen gewinnen, folgbar nach und nach das vorgestekte
Zill erraichen. Sie haben sich in die pfarrlichen Verrichtungen nicht
zu mischen, sondern lediglich zu bemühen, damit sie die dareine
Glaubenslehre vertilgen, Spuren des Irrgeistes entdeken und auf
solche Weis ein gut katholisches Volk aller orts erzigeln.
18. Ist bishero von den Grundherrschaften wönig Sorg getragen
worden, ob wohl die Unterthanen, so Häuser an sich kaufen, der
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katholischen Religion zugethan oder des Wiedrigen nicht beargwöhnt
seyen? und lernet ebendahero die Erfahrung, daß durch eben diese
Unterlassung sehr zahlreiche Häuser an unkatholische Familien ge-
diehen, ja die Kühnheit der Irrgläubigen, da sie nirgends einen
Wiederstand gefunden, umsomehr gestiegen seye.
Es scheint daher so nothig als vorträglich zu seyn, daß keiner
zu einem Haus- oder Huben-Kauf zugelassen oder auch sonst zum
Unterthan angenommen werde, wann er nicht ehevor eine beglaubigte
Zeug^nuß, daß er und sein Weib eines gut katholischen Wesens seynd,
von dem Pfarrer bey gebracht hat.
19. Eine gleiche Vorsehung ist erforderlich umb zu verhüthen,
daß nicht gut katholische Leut durch Lesung lutherischer Bücher
verfuhrt werden, worzu nichts dienlicher seyn kann, als wann in
denen beyden Vierteln des Lands generaliter verordnet wird, daß
jedermann seine geistlichen Andachtsbücher in certo termino dem
Pfarrer vorweisen, dieser aber dieselben, wann er nichts verdächtiges
darinnen findet, mit Handschrift und Petschaft unterzeichnen solle.
Alle übrigen Vorsehungen seynd nach eines jeden Landts be-
sonderen Umbständen so abzumessen, damit einerseits die gute Zucht
und Ehrbarkeit immer mehreres blühe, anderseits aber allen deme
der ernsthafte Einhalt geschehe, was den Irrglauben befördern, oder
aber dem abzielenden Missions-Nutzen im geringsten hemmen kann.
Nach Vorschrift dieses k. k. Edictes ist am 24. 25. und 26. July
1752 sub Praesidio excellentissimi domini comitis a Sobeck eine soge-
nannte Religions-Commission gehalten und folgendes ProtocoU auf-
genommen und in Vollzug gebracht worden.
Protocollum
commissionis Repraesentationis et camerae Carinthiae de dato 24. 25.
et 26. Julii 1752.
Praesentes: Sr. fiirstl. Gnaden Bischof von Lavant,
Frhr. von Doblhofen k. k. Commissär
Baron von Rehbach
Graf von Lodron Herr Erzpriester von Friesach Safran
Graf von Wagensperg Stadtpfarrer allhier
Graf von Heister v. Rampichl
von Kulmer P. Rector collegii S. J. Ludovicus
von Biber Pestaluzzi.
von Ohrigs
von Kaihammer
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Bei vorbenannt hochlöbl. Religions consessu wurde von dem
k. k. Herrn Commissario v. Doblhoffen die von ihme nach vorge-
nommener Untersuchung bey Feldkirchen und St. Paternion verfaßte
Anmerkung über das Religionswesen in Kärnten und durch welcherley
Verordnungen dasselbe zu verbessern sey vorgetragen.
Ob nun schon von dem anwesenden Fürsten und Bischof zu
Lavant wieder die Anstellung deren Missionäre in der Person deren
Ordens Geistlichkeit verschiedene Einwendungen, besonders ratione
subordinationis beschehen, so hat man doch diese von keiner solchen
Erheblichkeit zu seyn befunden, derentwegen von dem gedachten
k. k. commissario committiert und festgestellten Plan sub A, wo man
die geistl. Missiones theils in weltlichen Priestern theils in Ordens-
leuten bestehent anzustellen gedenke, umb so wäniger abzugehen,
als die Erfahrenheit lehret, daß bißhero die Missiones in der Person
der Ordensgeistlichen in andern Ländern, insonderheit im Land ob
der Ens und Steyer gute Wirkung gethan und die Intention ohne
deme dahin geht, diese an die Missions Superiores, welche größten-
theils in weltlichen Priestern bestehen, anzuweisen, folglich der Um-
stand respectu subordinationis genugsam gehoben zu seyn scheint.
Dann kommt noch bey, dass man darnach mit der erforderlichen
Anzahl weltlicher Priester, die ad Missiones tauglich und geschickt
seyen, schwärlich oder gar nicht aufkommen dürfte, deren allfällige
Anstellung auch viele Unkosten, wozu der zeit kein fundus vorhanden
ist, erfordern würde; wohingegen man bey den Ordensgeistlichen
die Wahl hat, und die Abänderung ein so andern patris, der sich
zur Mission nicht schiket, sogleich zu bewirken steht, die Verpflegung
und Unterhaltung auch theils aus denen Stift und Klöstern, von
welchen die Ordensgeistlichen seyn werden, theils aus andern aus-
findig gemachten Mitteln beschehen wird, wie solches nebst mehr
andern erhöblichen Umbständen aus denen hieroben allegierten An-
merkungen ausführlich zu entnehmen ist.
Und gleichwie die allerhöchste Intention des k. k. H. Commis-
sarii dahin lautet, dasjenige was zur Steyerung des immer mehr und
mehr umb sich greifenden Religions-Uibels in Kärnthen immer dien-
lich zu seyn erachtet wird, ohne weitere Anfrag in das Werk zu
setzen, allso ist auch deme zu folge mit AnstöUung derjenigen
Missionen, für die das Unterkommen und die Unterhaltung bereits
vorhanden ist und ausgemacht, ohne Anstand vorzugehen.
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Ansonsten wird i*?? der Fürst und Bischof zu Gurgg wegen
Erbauung eines neuen Pfarrhofes in der Ebene (Reichenau) allwohin
der dermahh'ge Pfarrer zu St. Lorenzen in der Reichenau, einer
seinigen Pfarr-Filial transferiert werden soll Selbst den Augenschein
nehmen ; wo indessen und bis zur besseren Zeit mit Er\veiterung
dieser Filial-Kirchen zuzuwarten ist — und da
2^° dahin angetragen wird zu Görz in der Gnessa ein hospitium
von 4 Capuciner mit einem Lajco aufzustöUen ; zu dem Ende die
daselbst abgebrunnene Kirchen Ehestens wiederumb erheben, auch
die nöthige Wohnung für gedachte Patres zu errichten zu laßen.
Allso ist dem Vogteyverwalter der Herrschaft Himmelberg auf-
zutragen, daß er gewiß seiner an die ohnlängst zu Feldkirchen, so-
dann auch in Oberkärnten geweßte k. k. Hof-Commission abgegebenen
Erklärung darob seyn solle, auf daß
1. Von Sr Hochgräfl. das benöthigte Bauholz von dem soge-
nannten Moschwald verabfolgt und
2. durch die Unterthanen von der Kirchen Gnessa sothanes
Bauholz, soweit ihr Fuhrwesen erkleket, mittelst der Roboth herbey-
geführt, auch andere Pfarrkinder zu gleichmässigen Pferd- oder Hand-
robothconcurenz mit guter Arth disponiert werden; sonderlich in
der Zeit, wo sie an ihrer Feldarbeit nichts verabsäumen.
3. Sey von ihme Vogt Verwalter Sorg zu tragen, daß der Kalch
ohne Verschub gebrennet und noch vor einfallenden Winter abge-
löscht, wie ingleichen, daß die rechte Zeit zum Holzschlag beob-
achtet und mit Bröchung der Steine sogleich angefangen werde,
damit die Pfarrkinder alle diese Materialien mit Gelegenheit abführen
mögen und im Frühjahr der Hauptbau vor sich gehen möge; aller-
massen in dieser Gögend das Missions-Haus weit fiiglicher mit Steinen
als mit Holz zu erbauen seye.
4. Weilen das Missionshaus vor 4 Priestern und einen Lajcum
dienen müsse, hätte man den beyl. Grundriß entwerfen lassen, nach
welchen der Bau zu vollführen seye.
5. Da die Kirchen in der Gnessa für den ehemaligen Kaplan
zu Görz ohne den gestifteten Messen jährlich 130 fl. abgeraichet,
von Zeit des Brandes aber eben diese Summe ersparet hätte, so
sey billich, daß diese 130 fl. zum Kalchbrennen und Steinbröchen
allsogleich verwendet werden.
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81
Allermassen dann auch kein Bedenken obwalte, jene 310 fl. zu
diesem Kirchenbau zu bestimmen, so eben dieses Gotteshaus in der
Gnessa bei der Kärntnerischen Laal. anliegend hätte und welche in
den Abschnitt verfallen wären, bey solcherley Umständen aber mit
nächsten werden mobill gemacht werden, wie dann diesertwegen das
erforderliche an die contributl. Abschnitts Cassa unter einstens zu
erlassen ist.
Es könnte auch zu diesem Gebäu die Pfarrkirchen in der Teuchen
mit 600 fl. beytretten, indem bey selber von einer heimbgefallenen
Hüben 800 fl. bar vorräthig liegen und dieses Gotteshaus zu denen
Current-Ausgaben mit einlänglichen Mitteln versehen ist.
6. Was nun über sothane 440 fl. und 600 fl., zusammen 1040 fl.
noch weiter erforderlich seyn möchte, wird von Seiten der Religions-
cassa bestritten werden.
7. Wollte man die Aufsicht über sothanes Gebäu ihme Vogt-
verwalter mit Beziehung des Pfarrers zu St. Margarethen in der
Gnessa aufgetragen haben und ihme alle mögliche Beschleunigung
wie zu seiner Zeit des Holzschlages, allso derzeit das Prennen und
Ablöschung des erforderlichen Kalkes, dann auch die genaue Ver-
rechnung derer aus obbenannt dermahl. schon vorhandenen fundo
hierzu aufwrendenden Unkosten eingebunden haben.
Sovill hiemächst 3 ?!? den schon von nun an nacher Himmelberg
selbst gewidmeten und alldort in nächsten Tagen eintrefenden Mi-
sionarium anbelangt, da ist ihme Vogtverwalter unter einem mitzu-
geben, gedachten Misionarium das benöthigte unterkhomen und die
geziemende Wohnung in der Kobalter Keuschen gegen denen be-
dungenen jährlichen 12 fl., so ex cassa Religionis ersetzt werden
sollen, zu verschaffen.
Und nachdem 4^ nicht minder in dem Winkel beym Grundner
in der Pfarre Teuchen ein Hospitium für 4 Hieronimitaner anzulegen
und daselbst eine neue Kirche, ingleichen auch die erforderliche
Wohnung nach obangezogenen Grundriß erbauen zu lassen ange-
tragen wird, so ist ihme Vogtverwalter weiters anzufiegen, daß er
die Herrschaft Himmelberg, damit selbe auch mit dem erforderlichen
Holz sich herbeylasse, zu disponieren trachten und ohnverlängert
einen Uiberschlag deren dießfälligen Bauunkosten formieren, sodann
diesen samt der von seiner hohen Herrschaft erfolgten Erklärung
zur weiteren Entschliessung anhero einsenden solle.
Jahrbuch de« Protestantismus x888. H. II. Q
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1
82
In diesem nemlichen Comissionsbeschlusse wurde auch ange-
ordnet, daß die alte Pfarre S. Joseph an der Tratten von dem
Benediktinerstifte Ossiach wieder besetzt werde; daß man mit dem
Vermögen der Kirche zu Treffen in Buchholz ein Missionshaus
bauen; daß man mit der Rästlhofischen Stiftung das Beneficiathaus
zu Nöring erbauen und ein solches zu Plassnitz bei Gmünd er-
richten solle; so zwar daß vom Ertrag der Rästlhofischen Stiftung
per 350 fl. jährlich der Vikar zu Nöring 250 fl. ; jener zu Plassnitz
aber 100 fl. empfangen sollen, während der Stadtptarrer zu Gmünd
Ihm ebenfalls 100 fl. zu geben versprochen hat. Ingleichen wurde
auch beantragt zu Krems im Katschthale einen Vikar anzustellen;
zu dessen Unterhalt die Herrschaft Gmünd 150 fl. ; die Kirche 50 fl.
und der Pfarrer (zu St. Peter im Katschthale) 20 fl. jährlich beyzu-
tragen versprochen haben. Ebenso sind vom Jesuitenconvent in
Millstatt die zwey curatien zu Trefling und zu Kaning errichtet und
besetzt worden; sowie auch nach Freysach zwei Missionspriester
abgeordnet worden sind.
Mit § 13 wird in nehmlichem Beschluse verordnet: daß auch
kein Dienstbothe ohne attestato von dem Parocho loci, wie er sich
aufluhre, in den Diensten angenommen und die bey denen ver-
bothenen conventiculis betrettende ledige Pursche der Millitz als
Recruten übergeben werden sollen etc.
(Schluss folgt.)
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VII.
Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und
aus Sachsen.
Von Pfarrer SCHEUFFLER in Lawalde (Sachsen).
IV. (Fortsetiung.) *)
LIL Gaja, Stadt im südöstlichen Mähren.
i6i. Dr. th. Paul Rudolf Be r au nsky, geboren 1602 als Sohn
des hiesigen Bürgermeisters, römischer Priester, 1649 Dr. theol. in
Prag geworden, trat 1653 in Wittenberg zur evang.-lutherischen
Kirche über und wurde 1654 Pfarrer zu Johnsbach bei Glashütte im
sächsischen Erzgebirge, wo er bis an seinen Tod 1667 wirkte. (Kr. 223.
KG. IV, 88: ,ein Conversus aus Mähren*.)
LI IL Gayn in Böhmen.
162. Valentin Fried oder Paceus (Pacäus), — Sohn des gleich-
namigen Vaters, der unstet an verschiedenen Orten, in Leisnig, Querfurt,
Lützen, Leipzig, als evangelischer Geistlicher gewirkt hatte, 1552
von Kurfürst Moritz als evangelischer Abgesandter zur Kirchenver-
sammlung nach Trient geschickt wurde, freilich gleich den Andern
nur bis Nürnberg gelangte, trotzdem 1557. als Professor an die Uni-
versität Dillingen berufen, zur römischen Kirche übertrat, aber ,als
ein abtrünniger Mameluck* .schon 1558 von einem räuberischen Sol-
daten ermordet wurde. (Kr. 290. Albr. I, 132 f.) Wo bei des Vaters
unstetem Leben der Sohn geboren, ist nicht bekannt; er ward, etwa
1539 geboren, auf der Schule zu Pforta 1553 aufgenommen, nach
1572 Diakonus zu Adorf im Vogtlande und 1577 Pfarrer zu Gayn
in Böhmen. Weiteres ist nicht bekannt, (Kr. 2. KG. XI. 168.)
1) Vgl. Jahrb. 1885, S. 127— 140; 1886, S. 188—202; 1887, S. 95— 112.
6»
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LIV, St, Georgen in Ungarn, Comitat Pressburg.
163. Daniel Klesch, geb. 22. Februar 1624 zu Iglo in der
Zips, als Sohn des Rathsherm und Bergrichters Christoph K., wurde
Rector des Gymnasiums zu Oedenburg, 1659 Oberpfarrer zu Graz (?)
in Ungarn, später Pfarrer zu St. Georgen — wo er 1664 die
Verwüstung durch die Türken erlebte — , 1665 als Superintendent
der ^Ephorie der XXIV. regalium Pastorum* in der Zips berufen —
ich weiss nicht, mit welchem Amtssitze. Die Glaubensverfolgung
brachte auch ihm 1673 siebenmonatliche Gefangenschaft und dann
Verbannung. Nach mannigfachem Umherwandem und vielen Gefahren
Hess er sich in Sachsen nieder. Er wurde 1676 Rector der Stadt-
schule in Jena, später Professor am Gymnasium zu Weissenfeis, Hof-
prediger und Beichtvater der verw. Herzogin Qiarlotte von Sachsen
(Landgräfin von Hessen-Kassel, Wittwe August's von Sachsen- Weissen-
fels, seit 1679 Gräfin von Bentheim-Tecklenburg), dann (1683 bis 1690)
Superintendent zu Heldrungen, jetzt in Meiningen, und starb 1697
als Emeritus in Berlin. (Dietmann, Sächsische Priesterschaft, III, 8 ff.)
LV, Georgenthal im nördlichen Böhmen, Parochie Rum bürg.
164. Georg Pitzschmann (Pitschmann), — 1616 Pfarrer
in Georgenthal, seit 161 6 in Seidenberg in der Oberlausitz (seit 181 5
preussisch), s. P. GR. II, 87. 480. Jahrb. V, 138. Seine Nachkommen
sind mindestens drei Generationen hindurch — z. Th. mit der Namens-
form Pietzschmann — oberlausitzer und schlesische Pastoren
gewesen.
165. Joachim Schönfelder oder Schönfeld, wie es scheint,
nach 161 6 hier Pfarrer — , ging nach Zittau als Exulant (Jahrb. V,
138); seine Tochter Elisabeth traute er noch in Georgenthal 13. Oct.
1620 mit Pfarrer Johann May (Majus) aus dem nahen Niedergrund,
der damals in Berzdorf amtirte: (s. Nr. XIII, 32. Jahrb. VI, 137.)
Zwei Zittauer Geistliche, die beide Namensformen führen, stammen
vielleicht von ihm ab.
166. Der letzte hiesige Geistliche scheint der Pfarrer Kinder-
mann gewesen zu sein, der nach P. GR. II, 481. Exul. 74. Jahrb. V,
138 auf dem Frauenkirchhofe zu Zittau begraben liegt und seinen
Grabstein hat. Christian Kindermann, 169O — 1695 Pfarrer zu
Oberseifersdorf, 1704 zu Reichenau in der Oberlausitz (Kr. 374. 424.)
ist vielleicht sein Nachkomme.
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LVL Georgswalde im nördlichen Böhmen,
ebenfalls im Gebiete der Rumburger Pfarrgemeinde, sah seine
beiden letzten Geistlichen in die Verbannung gehen.
167. Michael Baude — auch Bauden (Baudenius), Bude,
Buder — 1615 Pfarrer in Schluckenau. etwa 1620 Pfarrer allhier —
ging herüber nach Sachsen. (Jahrb. V, 136.) Er war Pfarrerssohn
aus Schluckenau, Glied einer nordböhmischen Pastorenfamilie.
168. Matthäus Schulze (Scultetus), ebenfalls ein Schlucke-
nauer — geboren daselbst 29. Januar 1591 — und daselbst 1619
Schulmeister, war jedenfalls sein Nachfolger im Georgswalder Pfarr-
amte. Er 'hielt sich in demselben bis 1627, ging dann in die Lausitz.
Er war 163 1 Pfarrer in Krostau bei Schirgiswalde, 1632 noch ein-
mal Pfarrer in Böhmen, nämlich in seiner Vaterstadt, aber nur kurze
Zeit, so lange die Macht Kursachsens ihn decken konnte. Er suchte
und fand wieder eine Wirksamkeit, und zwar in der nahen Lausitz:
von 1635 an hat er in Oppach, von 1639 an in Sohland a. S. amtirt,
und ist an letztgenanntem Orte 22. März/i. April 1642 verstorben.
(Kr. 80. Jahrb. V, 138. KG. Oberl. 220. 250. 217.)
169. Von Michael Baude's (Nr. 167) Söhnen kommt hier in
Betracht Rudolf, 1620 in Georgswalde geboren, der sich Buder
nannte. Er war von 1641 Kantor zu Altstadt - Brandenburg, von
1646 bis zum I.Juli 1693, seinem Todestage, Pfarrer zu Friedersdorf
bei Zittau. (Kr. 151. Jahrb. V, 138. P. Exul. 84.)
LVIL Gerssa oder Gerschaii in Oesterreich — vielleicht Garsch
bei Hom in Niederösterreich, oder Geras ebenda?
170. Hier ist Konrad Degen aus Weissensee in Thüringen,
1597 Pförtner Fürstenschüler, zu Anfange des 17. Jahrhunderts Pfarrer
gewesen — wie Kr. mir auf Grund des Pförtner-Albums mittheilt.
LVIIl. Gitschin im nördlichen Böhmen,
bekannt als Wallenstein 's Residenz (seit 1627) und anfängliche
Begräbnissstätte (s. 1636) — , war bis zur Gegenreformation eine
Stätte evangelischen Bekenntnisses. In Nr. X, 24 (Jahrb. VI, 135)
haben wir einen der letzten, wenn nicht den letzten hiesigen evan-
gelischen Pfarrer Wenzel Galli besprochen. Von hier stammte
171. Franz Rühr, — Sohn des katholischen Stadtrichters, ge-
boren 1659. Seine Eltern waren heimliche Bibelleser geblieben, auch
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da sie, der Gewalt weichend, äusserlich zur römischen Kirche zurück-
kehrten. Wohl war er eine Zeit lang in seiner Vaterstadt und in
Hohenelbe Jesuitenschüler gewesen. Dann aber flüchtete seine — wie
es scheint, inzwischen verwittwete — Mutter mit ihm nach Zittau,
wo er das Gymnasium besuchte. Er bildete sich zum evangelischen
Geistlichen aus. Dass er jedoch um 1683 ein solcher in Prag, wenn
auch in grösster Heimlichkeit, gewesen, erscheint höchst zweifelhaft.
Von 1686 bis an seinen 1734 erfolgten Tod war er Prediger der
böhmischen Exulanten zu Dresden. Zeitweilig, von 1717 bis 1723,
war sein Sohn M. Johann Jacob ihm zur Hilfe beigegeben; derselbe
starb vor dem Vater 1731 als Pfarrer zu Thaliwitz bei Würzen.
(Kr. 114. P. GR. II, S18.)
Noch ein Convertit war in Gitschin geboren:
172. Chudy, Jesuit, 1749— 1754, wo er starb, Lehrer der
böhmischen Exulantengemeinde in Zittau — , ein gelehrter, sprach-
kundiger Mann. (KG. XI, 196.)
LIX, Glawe in Ungarn (wo?)
Hier war 1639 Kantor der Nr. XV, 135, Jahrb. VI, 138 ge-
nannte Stephan Pilarik, bis er vertrieben wurde.
LX, Gmunden in Oberösterreich, seit 20. März 1870 wieder
Pfarrgemeinde.
Bereits 1550 bis 30. October 1624 bestand hier eine blühende
Gemeinde. Einer ihrer Geistlichen war
173. Johann Mautius (wol = Mauz), der hier bis 1599 amtirte.
Vielleicht vertrieb ihn die am 18. Januar erfolgte Wegnahme der
Kirche, in welcher nach 40 Jahren die erste Messe wieder gelesen
wurde. In genanntem Jahre wurde er Pfarrer zu Ruppersdorf in der
Oberlausitz, was er bis an seinen Tod, bis 1637 blieb. (Kr. 451. KG.
Oberl. 321.) Uebrigens bauten sich die Evangelischen 1599 eine neue
Kirche, um sie nach 25 Jahren wieder zu verlieren.
LXL Göllersdorf \n Nieder Österreich, bei Ober-HoUabrunn,
unter dem Schutze der eifrig lutherischen Freiherren v. Puchheim
eine Stätte evangelischen Lebens. Unter den hiesigen evangelischen
Pfarrern ragt hervor
174. Dr. Polykarp Leyser, 18. Nov. 1552 zu Winnenden in
Württemberg als Sohn des dortigen Superintendenten geboren. Als
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ein frühreifer Jüngling bezog er schon im 15. Jahre 1566 die Ui¥-
versität Tübingen, wo er bis 1570 Theologie studirte. Bereits 2ijährig
wurde er nach GöUersdorf berufen 1573 (nicht 1570, wie Kr. S. 101
will), und wirkte mit Segen und Treue auch hier, wie in seinen
späteren Aemtem. Lange war freilich hier seines Bleibens nicht.
Es war wohl sein berühmter Landsmann Kanzler Jacob Andrea,
welcher den auf sein Urtheil so viel gebenden Kurfürsten August
von Sachsen auf den jungen österreichischen Pastor aufmerksam
machte. Derselbe berief ihn zum General-Superintendenten und Pro-
fessor nach Wittenberg — und soll ihn nach Altmann's Hist. eccL
Zittav. 174 Jacob Andrea schon 3. Februar 1575 zu Wittenberg ,in-
vestirt* haben. Allein er ist noch bis 1577 zu GöUersdorf verblieben
und hat sein hochwichtiges neues Amt erst 2 5 jährig angetreten. Mit
einer Unterbrechung von 1587 — 1593, wo er, den damaligen ,cal-
vinistisch* gesinnten Machthabem Sachsens unbequem, nach Braun-
schweig entlassen war, wirkte er als , milder Lutheraner* bis an
seinen Tod 22. Februar 1610 in Kursachsen — seit 1594 als erster
Hofprediger in Dresden. Tholuck in den , Lebenszeugen der luthe-
rischen Kirche* S. 254 ff. charakterisirt ihn als eine , durchaus ehr-
würdige und fleckenlose theologische Persönlichkeit*. Hervorzuheben
ist hier, dass er 1607 in Begleitung des Kurfürsten Christian II.
von Sachsen in Prag weilte und längere Unterredungen über die
Duldung der Evangelischen mit Kaiser Rudolf II. pflog, der ihm
sogar einen Adelsbrief verlieh. Ja nach Pescheck (GR. I, 181) war
ci* noch einmal, im Jahre vor seinem Tode, auf Wunsch der Defen-
soren in Angelegenheiten der durch den Majestätsbrief 1609 reor-
ganisirten Universität in Prag, bei welcher Gelegenheit er sogar
im Dome eine später gedruckte Predigt gehalten habe. (Kr. loi.
Jahrb. V, 195.)
LXIL Görkau im nördlichen Böhmen, seit 27. Februar 1858 wieder
evangelisch-lutherische Pfarrgemeinde.
Hier bestand vor der Gegenreformation bereits eine blühende
evangelische Gemeinde, von deren Geistlichen hier zwei in Betracht
kommen.
175. Abel Held, Pfarrerssohn aus Lausigk in Sachsen, 1549
geboren, trat nach 1570 seine Wirksamkeit in Görkau an. Er weilte
hier bis 1580, wo er, zunächst als Diakonus in Penig, nach seinem
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Vaterlande zurückkehrte; von 1589 bis an seinen Tod 1617 war er
als seines Vaters Nachfolger Pfarrer in Burgstädt. (Kr. 396, KG. X, 123.)
176. Sein (freilich nicht unmittelbarer) Nachfolger war M. Johann
Kunad (Cundius), 1545 in Dresden geboren, 1560 bis 1566 Afraner.
Von 1577 an war er an verschiedenen Orten Geistlicher: zuerst Pferrer
in Eibau in der Oberlausitz, 1 5 79 Pfarrer zuDittersbach: — welches
der drei in Sachsen und ob überhaupt eines hier gemeint, ist zweifel-
haft; in Dittersbach a/E. bei Bemstadt kann er nicht Pfarrer ge-
wesen sein, weil es damals dort noch einen katholischen Pfarrer gab,
neben diesem vielleicht einen von den evangelisch gesinnten Ge-
meindegliedern angenommenen Prediger, aber auch dies ist unwahr-
scheinlich. D. v. Zobel, Das Leben und Wirken der Pfarrer und
Superintendenten in Borna etc. S. 16 nennt den Ort Zittersbach,
welcher Ortsname jedoch in Sachsen nirgends vorkommt. Am wahr-
scheinlichsten ist noch immer Dittersbach in der Ephorie Pirna, wie
auch KG. Oberl. 113 gesagt ist. Von 1584 — 1588 war Kunad Pfarrer
zu Kirchhain bei Dobrilugk in der Niederlausitz. Und nun war er
hier in Görkau Pfarrer von 1588 — 1590. Sein letztes Lebensjahr ver-
brachte er als Superintendent zu Borna in Sachsen. Seine Bomaische
Wirksamkeit hat kein rühmliches Andenken hinterlassen. Er zeigte
sich als einen gar eifrigen ,Calvinisten* ; man erzählt, ein Schuhmacher
habe ihm in der Predigt laut widersprochen, die Zuhörer aber die
Kirche verlassen. Am 25. September 1591 starb Kurfürst Christian L,
der Gönner der ,Calvinisten*, und schon am folgenden Tage folgte
ihm Sup. M. Cundius nach. Er sei — erzählt man — an einem
fetten Hasen gestorben, der ihm nach dem Gottesdienste entgegen-
gelaufen sei und der Gift in sich enthalten habe. Ja, man nahm an,
dieser Hase sei von einem bösen Geiste besessen gewesen. Richard,
Der Kurf. Sachs. Kanzler Dr. Nicolaus Krell (Dresden 1859) theilt
(I, 348) aus einem 1592 erschienenen Spottliede folgende bezügliche
Stelle mit:
„Der alte schelmische Calvioist
Der neulich zu Born gestorben ist
Hat sich zu Tod an einem Hasen gefressen
Dabei hat auch ein Magister gesessen
Mich dünkt sein Nam ist David genannt
Trägt allezeit ein Calvinisch Buch in der Hand.^
Ist unter diesem Tischgenossen sein Amtsgenosse M. David
H e n n i g k, Archidiakonus in Borna, gemeint, so hat diesem wenig-
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stens der Hase nichts geschadet, denn er ist nach KG. VI, 1 1 2 erst
lO. Januar 1597 gestorben, wohl aber seine theologische Richtung,
denn er scheint schon 1591 einen Nachfolger bekommen und daher
die Absetzung erlitten zu haben. Ueber Cundius s. Kr. 120. KG. VI,
III. AA. 29 und die bereits angeführten Stellen.
Aus Görkau stammte
177. Lorenz Dresser — hier 10. August 1526 geboren, 1553
Pfarrer in Böhmisch-Kamnitz, 1576 nach Bautzen berufen als Gehilfe
des erkrankten Pfarrers Nicolaus Bohemus, nach dessen 1579 erfolgten
Tode sein Nachfolger bis an seinen eigenen Tod 19. Januar 1595.
(Kr. 23. Dietmann 30. Grosser Laus. Merkw. II, 22. 53; in demDiet-
mann 1. 1. mitgetheilten lateinischen Gedichte wird seine Vaterstadt
Girca genannt.)
LXIIL Gottesgabe im nördlichen Böhmen.
178. M. Kaspar Eberhard, geb. 1532 in Schneeberg, Bacca-
laureus in seiner Vaterstadt, amtirte eine Zeit lang in Böhmen, erst
als Rector in Joachimsthal, dann als — vielleicht erster — evan-
gelischer Pfarrer in Gottesgabe. Aber bereits 1558 wurde er nach
Sachsen zurückberufen. Er ward zunächst Pfarrer in Wolkenstein,
1564 Superintendent in Meissen, 1574 General-Superintendent in
Wittenberg und Professor an der dasigen theologischen Facultät,
welche ihm bereits 1570 das Doctor-Diplom ertheilt hatte; er starb
aber schon im Jahre 1575. Weitere hiesige evangelische Geistliche
sind uns nicht bekannt, ausser Johann Aquilejus aus Nordheim
seit December 1572 (seit Mai dess. J. Diakonus in Platten, FranckeS. 10).
Die Gegenreformation 1624 ff., dann 1650 berührte, wie Dr. Francke
Zur Gründungsgeschichte von Johanngeorgenstadt S. 10. 15. 16. mit-
theilt, auch Gottesgabe; viele Bewohner wanderten aus und halfen
Johanngeorgenstadt gründen ; aber da die Kirchenbücher von Gottes-
gabe verbrannt sind, so ist von dortigen Geistlichen nichts weiter be-
kannt. (Kr. 547.)
LXIV. Gräbern, Städtchen bei Auscha im nördlichen Böhmen.
Hier soll der Jahrbuch 1886, S. 191 unter Nr. XVII, 70 ge-
nannte David Rivius 1640 Pfarrer geworden sein, was aus nahe-
liegenden Gründen zweifelhaft erscheint. Dagegen war hier (und auf
Schloss Bürgstein) letzter Pfarrer
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179- Johann Kellner (Keiner), geboren etwa 1552. Pfarrer
etwa seit 1580; er flüchtete 1624 nach Zittau, wo er 13. Sept«nber
1629 verstarb, bald nach ihm seine Gattin. Solches giebt sein noch
vorhandener Grabstein an, mit einem Kelche und der Inschrift: 1629.
13. Sept. ist selig verschieden der ehrwürdige, achtbare, wohlgelahrte
Herr Johann Keiner zu Burgstein und Kräbern in Böhmen, 47 Jahre,
in exilio 5 Vi Jahr, seines Alters 47. (GR. II, 490.) Wenn auch ein
Thomas Keiner ebenda II, 227. 294. 480 als dortiger Pfarrer ge-
nannt wird, so war dies vielleicht sein Sohn oder Verwandter, der
ihm zur Seite stand, nach ebenda S. 481 20. October 1648 ver-
storben.
LXV, Grafenstein bei Reichenberg in Nordböhmen.
Dieses bis 1562 den Burggrafen von Dohna, zur Zeit der Gegen-
reformation den Herren von Tschirnhausen, jetzt dem Grafen Ciam-
Gallas gehörige Schloss war im 30jährigen Kriege von 1645 bis 165 1
von den Schweden besetzt, die hier einen evangelischen Gamison-
prediger hielten. Dieser war
180. M. Johann Kübel — der beim Abzüge der Schweden
165 1 Schloss Grafenstein mit ihnen verliess und Pfarrer zu Bertsdorf
bei Zittau wurde, als welcher er 1665 verstarb. Auch seine Gattin
Sabine war als Tochter des Leipaer Rathsherrn Johann Germiii im
Kindesalter exilirt. (S. Kr. 34. KG. Oberl. 24. Tob. 35. Exul. 83.)
LXVL GrasUtz im nordwestlichen Böhmen — einst auch Greßlaß
genannt, auch — wie es scheint — Größel.
Wie Francke S. 11. 42 erzählt, sahen sich auch viele Bewohner
von Graslitz veranlasst, um dem Glaubensdrucke zu entgehen,
nach Sachsen auszuwandern, wie sich denn auch mehrere in Johann-
georgenstadt 1654 anbauten. Als im September 1628 trotz Verwen-
dung der evangelischen Grundherren, der Herren von Schönburg,
der Pfarrer , abgeschafft* wurde, genehmigte auf deren Verwendung
am 25. October 1628 der Kurfürst, dass dieser Geistliche — dessen
Name Uns unbekannt ist — von Klingenthal in Sachsen aus seine
Gemeinde versorge. Vielleicht war es einer der zwei Brüder Benjamin
und Josua Reiche, welche noch im December 1628 den neuen
Gottesacker zu Klingenthal mit den Leichen ihrer daselbst ver-
storbenen Söhne einweihten. (KG. XI, 144.)
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i8i. Michael Schönfeld, 1589 zu Penig geboren, ward hier
(in ,Greßiaß*) Schulcollaborator, kehrte aber schon 1625 in seine
Vaterstadt zurück als Diakonus, war von 1633 bis zu seinem 1657
erfolgten Tode Archidiakonus. (Kr. 396. KG. X, 122 f.)
Von hier stammten:
182. Johann Brendel, »aus Größel in Böhmen*, 1649 — 51
Pf. zu Posseck im Vogtlande (Kr, 410) und
183. Christoph Herold (Heroldt), welcher 1645 Rector in
Eibenstock, 1648 Diakonus in Lichtenstein und Pfarrer in Rödlitz,
1654 Pfarrer in Bernsdorf, 1670 in Langenchursdorf — alles im Schön-
burgischen — wurde und 1679 verstarb. (Kr. 299. KG. Xu, 76.)
LXVII. Gratz, Hauptstadt von Steiermark, seit 16. Februar 1856
wieder Pfarrgemeinde.
Hier bestand im 16. Jahrhundert eine fast die ganze Bevölkerung
umfassende blühende Gemeinde, bis Ferdinand II. von 1598 an in
seiner Residenz die Gegenreformation auf's Gründlichste durchführte.
Der alten Gemeinde Gratz gehörten an
184. M. Erasmus Scherer (Sarcerius) aus Annaberg. 1501
als Sohn eines reichen Bürgers und Grubenbesitzers geboren. Der-
selbe hat, nach tüchtigen eigenen Studien in seiner Vaterstadt und zu
Freiberg, in Leipzig und Wittenberg als Schulmann wie als Theolog
viel für das Evangelium gethan und gelitten, wie er denn der , Refor-
mator von Nassau* genannt wird. Als Schulmann hat er in Lübeck,
Rostock, dann in Wien und endlich in unserm Gratz das Rectorat
verwaltet — zwischen 1530 und 1536 — und zwar in evangelischem
Sinne und Geiste. Er ging von hier noch einmal nach Lübeck, von
wo man ihn schon einmal um seines evangelischen Bekenntnisses
willen vertrieben hatte, um die dortige Schule wiederum zu über-
nehmen; dann, seit 1536. leitete er die Schule in dem damals
Nassauischen Siegen. Seine Wirksamkeit zu Dillen bürg als Pfarrer
und Superintendent, die er 1541 begann und die Nassau zu einem
evangelischen Lande machte, fand ihr Ende durch das Augsburger
Interim von 1547, das er nicht annehmen wollte. Er kehrte daher
1548 in seine Vaterstadt zurück. Im Jahre 1549 fand er an der
St. Thomaskirche zu Leipzig wieder eine Anstellung als Pfarrer.
Hier blieb er bis 1554; Superintendent zu Eisleben war er bis 1559,
wo er Pfarrer an der Johanniskirche zu Magdeburg ward und als
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solcher noch im selben Jahre starb, am 28. November, nachdem er
in Magdeburg nur vier Predigten gehalten hatte. Auch er war, wie
der unter Nr. LUI, 162 genannte Fried, von Kurfürst Moritz zur
Tridentiner Kirchenversammlung abgesandt worden. (Kr. 265. Albr.
Sachs. Kirchen- u. Prediger-Geschichte I, 303 ff. Böttcher Germania
Sacra 1347 u. ö.)
185. M. Paul Odontius (Zahn), geb. 1570 zu Werdau in
Sachsen, kam 1595 nach Gratz in das Haus des Pfarrers D. Wilhelm
Zimmermann, wo er die Aufsicht über drei junge, in dessen Hause
erzogene Edelleute führte : die Freiherren Max und Johann Andreas
von Trautmannsdorf und Johann Nicolaus Popel von Lobkowitz. In
dieser Zeit predigte er auch fleissig in der Stiftskirche zu Gratz. Im
Jahre 1598 wurde er Schlossprediger zu Waldstein, der verw.
Freiin Hippolyta von Windischgrätz, geb. Gräfin Schlick gehörig,
auch in Steiermark gelegen, von wo ihn die Gegenreformation ver-
trieb. Am 20. April 1602 wurde er daselbst gefangen genommen,
nach Gratz geschafft und, da er seinen Glauben standhaft bekannte,
nach iowöchentlicher Gefangenschaft erst zum Tode, dann zur Ga-
leerenstrafe verurtheilt. Auf dem Transporte nach Triest entfloh er
am 5. August auf wunderbare Weise zu Senosetsch in Krain, 3 Meilen
vor Triest, und entkam unter vielen Fährlichkeiten glücklich in sein
Vaterland, wurde April 1603 Pfarrer zu Oederan, zwischen Chem-
nitz und Freiberg gelegen, starb aber schon im December 1605
— wohl mit in Folge der ausgestandenen Gefängnisspein und Todes-
angst. Hinter dem Altare der Kirche ist sein Denkstein noch zu sehen.
Und wenn am 14. August 163a die Holkeschen Scharen Oederan
besonders grausam behandelten, so wird dies nicht blos dem tapferen
Widerstände zugeschrieben, den die Bewohner des Städtchens dem
feindlichen Angriffe entgegenstellten, sondern auch der Aufnahme,
die der vom Kaiser zum Tode verurtheilte Odontius hier gefunden
habe. (Kr. 377. KG. II, 190. Saxonia IV, 50, namentlich Jahrb. VI,
51 ff., und Bote des ev. Vereins der G.-A.-St. 1845, S. 81 ff.)
186. M. Raimund Friedrich Rudolf Janicke, geb. 1660 zu
Gratz als Sohn eines ^ Herrendieners*, ist ein Beweis dafür, dass es
doch damals noch evangelische Regungen muss in Gratz gegeben
haben. Er war Gymnasiast in Halle, wurde 1687 Diakonus in Hai-
nichen; von 1695 — 1727, wo er verstarb, stand er zu Freiberg in
verschiedenen geistlichen Aemtern. (Kr. 199.)
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Auch die Gegenwart fuhrt von Gratz nach Freiberg;
187. Gustav Bernhard Walter, geb. 1831 zu Nürtingen in
"Württemberg, wurde 1856 Lehrer und Hilfsprediger bei der eben
damals selbstständig werdenden ev.-luth. Gemeinde Gratz. Von 1860
bis 1863 Aushilfeprediger für die ev.-luth. Gemeinden in Oberöster-
reich, wirkte] er vom 17. Januar 1863 bis zum i. Februar 1865 ^^^
erster Pfarrer der neu entstandenen ev.-luth. Gemeinde Reichenberg
und ist seitdem als Pfarrer zu St. Petri in Freiberg angestellt.
(Kr. 146.)
LXVIIL Graz in Ungarn (wo?)
Unter Nr. LIV, 163 ist bereits Daniel Klesch genannt, welcher
von 1659 an hier als , Oberpfarrer* gewirkt haben soll. Vielleicht
war sein Vorgänger
188. Daniel Müller aus Plauen im Vogtlande, etwa 1594 geboren,
1608 Portenser Schüler, welcher als , Pfarrer in Graz* 1656 gestorben
sein soll, da ja für ihn eine geistliche Wirksamkeit in der steirischen
Hauptstadt ausgeschlossen ist. (Briefliche Mittheilung von Kr. auf
Grund des Portenser-Albums.)
LXIX, Graupen in Böhmen (bei Teplitz).
Einer der letzten hiesigen Pfarrer war
189. Jacob Sattler, 1586 als Sohn eines Geistlichen in Frei-
berg geboren; er wurde hier 161 1 Cantor, 16 14 Pfarrer, kehrte jedoch
1618 in sein Vaterland zurück; er wurde 161 8 Pfarrer zu Tuttendorf
in der Nähe seiner Vaterstadt, 1632 in dieser selbst Geistlicher in
verschiedenen Aemtem, f 1657. (Kr. 518.)
Wie unser Mitarbeiter Dr. Wolkan Jahrb. VIII, S. 63 mittheilt,
wurde sein Nachfolger
190. Schedler von dem Rathe und der Bürgerschaft im
September (1621, wie es scheint) gebeten, die Stadt zu verlassen
und vom sächsischen Zinnwald aus sie auch ferner zu versorgen,
und es ist nicht zu zweifeln, dass er dies gethan hat, da sich bis
1628 noch viele Evangelische in Graupen erhalten haben. Seine
weiteren Schicksale kennen wir nicht.
191. Christian Dröschel aus Graupen studirte auf dem Frei-
berger Gymnasium, war 1625 — 39 als Pfarrer zu Lomnitz in der
Radeberger Ephorie ; was dann aus ihm geworden, wissen wir nicht.
(Kr. 312.)
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[LäX, GrosS'Laukow in Böhmen, bei Gitschin.
Hier war 1617 — 1623 Pfarrer der schon Jahrb. VI, S. 135, Nr. X.
23 genannte M. Paul Cruppius.
LXXL Grattau in Böhmen, seit 5. December 1880 Filial von
Reichenberg.
Hier bestand bis zur Gegenreformation eine blühende evange-
lische Gemeinde. (Tob. 20 ff.)
Bereits der 2. Pastor findet hier seine Stelle:
192. Johann Kolberg, Sohn des gleichnamigen Bürgers von
Schluckenau, wurde 25. November 1556 zu Wittenberg von Bugen-
hagen, Melanchthon, Georg Major, Sebastian Fröschel (nicht Hesthu-
sius, wie Tobias jedenfalls falsch gelesen hat) und Lukas Hetzer für
Taubenheim in der Oberlausitz ordinirt, auch dem Bautzner Pfarrer
Nikolaus — nämlich Bohemus — als Amtsnachbar empfohlen : denn
Tilemann Hesshusen lebte an genanntem Tage bereits als Professor
in Rostock, war schon seit 1552 nicht mehr Professor in Wittenberg,
während auf andern Wittenberger Ordinationsdiplomen — so auch
auf dem vom Jahre 1556, für meinen Amtsvorfahr Wolfgang Engel-
mann ausgefertigt, der (aus Leipzig vertriebene) Wittenberger Geist-
liche Sebastian Fröschel sich findet. (Dietmann 854.) Kolberg wurde
1564 Pfarrer zu Pankratz mit Schönbach, und 1569 am 13. Mai von
Dr. Georg Mehl von Strölitz, kaiserlichem Vicekanzler — einem der
Urheber des bekannten Ober lausitzer ,Pönfalls* (des Strafgerichtes
Ferdinand I. über die angeblich Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen
begünstigenden Sechsstädte) — , der seit 1562 die Herrschaft Grafen-
stein (Nr. LXV) besass, als Pfarrer nach Grottau vocirt. Er starb
im hiesigen Pfarramte 1585. Sein (in Pankratz 1565 geborener) Sohn
Martin, der uns noch begegnen wird, wie auch dessen Sohn Hiero-
nymus waren Geistliche in Böhmen und in der Lausitz. Sie schrieben
sich Kolberger. (Kr. 504.)
Ihm folgte
193. M. Georg Grünwald aus Guben bis etwa 1609. (Tob. 19. 21.'
Wir finden später in der Lausitz 5 Geistliche d. N., deren einige viel-
leicht mit ihm zusammenhängen.
Aus Sachsen stammte sein Nachfolger
194. Henning Arndt, der 1612 (nicht 1620 Tob. 19, nach S. 20
Druckfehler) nach Kratzau berufen wurde, nach I2jährigem Wirken
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am 15. December 1624 in die Verbannung ging. Er wurde etwa
1625 Pfarrer in Marklissa und wirkte daselbst bis zu seinem 26. Fe-
bruar 1645 erfolgten Tode. (Exulant. 150, wo er schon 1624 als
Marklissaer Pfarrer genannt wird, was nicht gut möglich ist.)
195. Der letzte Pfarrer Georg Lange flüchtete nach Görlitz,
wo sich 1629 seine Tochter Anna mit David Steinis verheiratete.
Er scheint kein neues Amt angenommen zu haben. (Exul. 148.)
196. Auch der Schulmeister Hieronymus Schubert um 1586
war ein Sachse, er stammte aus Annaberg. (Tob. 19. 21.)
LXXIL Giickmiro-Neusiedel mit Filial Gerersdorf in Ungarn,
(Comitat Oedenburg oder Wieselburg), gegenwärtig keine Gemeinde.
Hier war Pfarrer von 1665 bis zu seiner Vertreibung 1672
197. M. Christoph Richter — , geb. 1642 zu Rosswein in
Sachsen, Freiberger Gymnasiast und Wittenberger Student. Im
Jahre 1664 wurde er als Rector in die königliche Frdstadt Güns
berufen, nach einem halben Jahre nach Guckmiro (Guckmir). Wie er
selbst erzählt, wurde er nach 7 Jahren vertrieben, floh, unter Zurück-
lassung seiner Habe, mit Gattin und zwei Kindern nach Sachsen.
Nachdem er zwei Jahre lang Feldprediger gewesen, wurde er 1675
Pfarrer zu Niederstriegis, nahe seiner Heimat, 1695 zu Greifendorf,
wo er 1723 im Alter von 71 Jahren verstarb. Während er als Mär-
tyrer des evangelischen Glaubens achtungswerth dasteht, erscheint
sein etwa 1675 zu Niederstriegis geborner Sohn M. Ephraim Richter
leider in einem ganz andern Lichte. Obgleich er 1703 — 1709, also
6 Jahre lang, unter seines Vaters Augen als dessen Substitut mit
ihm zu Greifendorf, dann 10 Jahre lang, von 1709 — 1790 in seinem
Geburtsorte gewirkt hatte, musste er wenige Jahre nach seines Vaters
Tode, der solches zum Glück nicht erlebte, 1726 wegen Abfalls vom
evangelischen Glauben seines inzwischen angetretenen Pfarramtes zu
Flöha entsetzt werden. Er hatte sich vom Prior eines böhmischen
Klosters durch die Aussicht auf den einträglichen Posten als Kloster-
bibliothekar verblenden lassen, Amt und Famüie zu verlassen. Wohl
trieb ihn der Umstand, dass er den Prior nicht mehr am Leben
antraf, zur schleunigen Rückkehr nach Flöha. Allein es war zu spät;
ein an ihn gerichteter Brief hatte bereits der verlassenen Gattin die
Augen geöffnet und den Superintendenten D. Green zu Chemnitz
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veranlasst, seine Absetzung zu bewirken. Drei Jahre lang hatte er
privatisirt, da ward er aus Mitleid wieder zu Gnaden angenoaimen
und in 's geistliche Amt wieder eingesetzt : erst 1729 in das sehr gering
dotirte Diakonat zu Pausa im Vogtlande, dann 1733 in*s Pfarramt
zu Lichtenhain bei Sebnitz, nahe der böhmischen Grenze. Hier trat
abermals die Versuchung zum Abfalle an ihn heran; er veriiess
nochmals seine Gattin mit 6 unerzogenen Kindern und ward Secretär
des Bischofs zu Leitmeritz. Als solcher starb er 1743 (Kr. 362. KG. V.
162. Vin, 172. IV, 122. AA. 199.)
LXXIIL Güns in Ungarn, Comitat Eisen bürg, Königliche Frei-
stadt, — Sitz einer zahlreichen Gemeinde.
Neben deren eben erwähntem Rector 1664 — 1665 finden wir
um 1670
198. Georg Wislicenus (Witschel), Pfarrerssohn aus Pucho,
Comitat Trentschin, erst Pfarrer zu Petersdorf, dann zu Neu -Güns.
Von hier 1674 vertrieben, zog er sich nach Sachsen zurück. Er
ward noch 1674 Pfarrer zu Schönburg bei Naumburg. 10. September
1671 Pfarrer zu Härtensdorf und zugleich erster Hofprediger in
Wildenfels, 1681 Pfarrer zu St. Moritz in Naumburg, als welcher er
1709 verstarb. (Kr. 199, KG, VIII, 96.)
LXXIV. Haber in Böhmen bei Auscha, Pfarrgemeinde seit 1784.
lange Zeit die einzige deutsch-lutherische Gemeinde im nördlichen
Böhmen.
Von ihren Geistlichen gehören drei hierher:
199. Johann Baptist Borott, 1757 zu Bösing in Ungarn, Comitat
Pressburg, geboren, 1784 erster Pfarrer zu Haber, was er bis 1791
blieb (bis 1786 unter Mitverwaltung des damaligen Filials Kowanetz),
worauf er an die böhmisch-lutherische Gemeinde Krabschitz — jetzt
Lipkowitz — versetzt wurde. Seit 1789 war er zugleich Superinten-
dent über die lutherischen Gemeinden im Königreiche Böhmen —
mit Ausnahme der Grafschaft Asch. Im Jahre 1793 wurde er als
böhmischer Prediger nach Zittau berufen, als Nachfolger des Jahrb. VI,
131 f. unter Nr. VI, 7 genannten Johann Czaplovics, und starb
4. März 1832 als letzter böhmischer Prediger jener Stadt, ohne einen
Nachfolger zu bekommen. Er war ein sehr fleissiger Schriftsteller
(Kr. 562. GR. II, 424. KG. XI, 196). gab z. B. 1803 auf Grund
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einer gleichzeitigen vidimirten Abschrift in der .Zittauer Stadtbibliothek
den Majestätsbrief von 1609 heraus.'.
Einer seiner Nachfolger .war.:
200. Johann Gottfried Klinger,< geb. 1774 in dem damals
böhmischen, seit 1849 sächsischen Dorfe Niederleutersdorf in der
Lausitz. Er war Pfarrer in Haber von 1805 — 1808, dann bis an sein
Ende iS-October 1841 zu Dittersbach »auf dem Eigen.*, bei Bern-
stadt in der. Oberlausitz. (Kr. 87.)
Diesem folgte' 18Ö9
201. Martin Stephan, 13. August 1777 zu Stramberg bei Neu-
titschein in Mähren geboren. Ursprünglich Weber, ward er vorge-
bildet zu. Breslau (EUisabeth-Gymnasium, 1802 — 1804] und auf den
Universitäten zu Halle und Leipzig (bis 1806 und 1809). Bereits 1810
wurde er an d je böhmische Kirche nach Dresden berufen und galt
lange Zeit für eine Säule der Rechtgläubigkeit. Als er 1837 suspen-
dirt wurde, 1838 sein Amt niederlegte und nach Amerika auswan-
derte, weil in Sachsen für ein echtes Lutherthum kein Raum sei,
da folgten ihm Viele, namentlich auch fünf Geistliche, mehrere Lehrer
und viele G^meindeglieder aus dem Muldenthale mit vollstem Ver-
trauen als ihrem Bischof über den Ocean. Es war das Verdienst
Walther's, des erst 7. Mai 1887 zu St. Louis verstorbenen späteren
Professors und Präses der Missouri-Synode — einst Pfarrers zu
Bräunsdorf in Sachsen — , dass er Stephan's Unlauterkeit und Un:
Sittlichkeit erkannte und ihn ausstiess. Aus den ,Stephanisten* sind
die , Missourier* geworden, Stephan aber ist, 1846 zur katholischen
Kirche übergetreten, im Elende gestorben. (Kr. 114. GR. II, 519.)
LXXV, Habstein — früher Habichtstein — bei Böhmisch-Leipa
im nördlichen Böhmen.
202. Pf Nicolaus Schramm aus Leipa wurde von hier ver-
trieben und lebte seitdem in Zittau, ohne, wie es scheint, wieder eine
Anstellung zu suchen oder zu finden. (Exul. 74. GR. II, 227. 480.)
Er war ein guter lateinischer Dichter.
LXXVL Haindorf h€\ Friedland in Böhmen — bekannt durch
sein Kloster.
203. Ignaz Bernhard Maudry, geb. 17. October 1838 zu Joslo-
witz in Mähren von katholischen Eltern, 1867 katholischer Hilfs-
g-eistlicher in Prag, wurde 1869 erster Cooperator an hiesiger Pfarre,
Jahrbuch des Protestantismus 1888. H. Tl. 7
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wiir<le 6iraiigdisch*li]tiieriich, 1873 HU&gdstlieher zq Petterwite bd
Dresden, 1874 Pfarrer zu RautenkraiiE im Vogtlande, starb la Februar
1877 zu Zwickau in Folge einer Opcratioa«
LXXVIL Haimpach im nördlichen Böhmen — jetzt zur Parochie
Rumburg gehörig.
Hier war seit 1553 Plarrer
204. Adam Kotmayr, 1539 Diakonus zu Neustadt bei Stolpen,
1546 Pfarrer in Böhmen, wie aus den von Pf. Görner in Hohii^tein
veröffentlichten Visitationsacten der Ephorie Pirna sich eigibt. (Ein-
fuhrung d. Ref. u. s. w. S. 58.)
LXXVIIL Hämdun ^ wohl bd Kathariaeaberg im nördlldien
Böhmen.
205. Valentin Metzler schdnt 1580 als Sohn des hiesigen
P&rrers Johann Metzler — der wahrscheinlich später nach Kadiarinen-
berg versetzt wurde — allhier geboren zu sdn. Er besuchte die
Landesschule zu Pforta sdt 1595, wurde 1611 Diakonus, 1636 Pfarrer
zu Marienberg und starb als solcher 22. Juni 1642. Wenn er auch als
»aus Buchholz* gebürtig bezdchnet wird, so scheint eine Verwedis-
lung des »St. Katharinenberg im Buchholz' mit dem böhmischen
Städtchen gl. N. vorzuliegen, wo er seine Jugend verlebt hat.
(Kr. 319. KG. XII, S. 47. 226.)
LXXIX, Hayd bei Tachau im westlichen Böhmen, jetzt asu Pilsen
gehörig.
20(5. Hier wirkte seit 1620 als Diakonus, seit 1623 als Pfarrer
Christoph Dorf fei — geb. 1596 als Sohn des Pf. Nikolaus Dörffcl
im nahen Schönewalde und selbst seit 1618 Pfarrer zu Neundorf,
ebenfalls bei Tachau. Er erlebte 1624 im vollen Masse die Schrecken
der Gegenreformation: während der Predigt drangen die Cpmmissäre,
von Musketieren begleitet, in die Kirche, schleppten ihn fort und ge-
boten ihm, binnen sechs Tagen Stadt und Land zu meiden. Er gincr
mit Weib und Kindern nach Vohenstrauss, das, obwohl inmitten
der Oberpfalz gelegen, dem. eifrig lutherischen Pfalzgrafen August
zu Sulzbach gehörte. (Hier war 12. März 1753 der grosse Reinhard
als Pfarrerssohn geboren.) Erst 1630 fand er wieder eine Anstellung:
1630 als Diakonus, 1633 als Superintendent zu Oelanitz im Vogt-
lande, als welcher er 1661 verstarb, als Stammvater einer ange-
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sehenen, viele Pastoren u. a. Gelehrte zählenden Familie. (Kr. 379.
GR. n, 226.)
207. Auch einer seiner Söhne* ist hier geboren — etwa 1621 —
Georg Christoph, der 163$ nach Schnlpforta kam — von Oelsnitz
aus, und von 1642 bis an seinen schon 1668 erfolgten Tod an zwei
vogtländischen Kirchen als Pfarrer wirkte; zu Schwand, seit 1653
zu Geilsdorf. (Kr. 471. KG. XI, 11. 91.)
LXXX. Neinersdor/ hei Fr ie dl a,nd.
208. Pfarrer Joseph Ethinger oder Ethner ward 1558 nach
Lauban als Diakonus berufen, ward 1560 Archidiakonus daselbst; er
zog im December 1561 nach Köntgshain bei Görlitz. (Tob. S. 17.
Dietmann 590 f.)
209. P&rrer Daniel Bursche, musste 1624 von hier weichen
und zog nach Görlitz. (Tob. S. 17.)
LXXXL Heinrichsgrün bei Eger in Böhmen, zwischen Falkenau
und Graslitz.
Hier war 1620 geboren
210. Johannes Seh roll. Derselbe wurde 1654 Diakonus, 1662
Pfarrer zu Staucha bei Döbeln, als welcher er 25. October 1700
verstarb. (Kr. 488. KG. III, 102.) Er war ein guter lateinischer Dichter.
LXXXIL Herman-Miestetz bei Chrudim in Böhmen.
Als in der Gegenreformation der greise Bürgermeister und die
andern Rathsberren durch Gefängniss und Marter zur Rückkehr in
die katholische Kirche gezwungen wurden, da ahnte Niemand, dass
von hier einst ein evangelischer Geistlicher stammen würde.
2U. Hier war i. September 1809 Hermann Hlina geboren,
der Anfangs als Augustiner-Mönch dem römischen Clerus angehörte,
zu Prag lebte, durch Ammon's Predigten, die er wiederholt in Dresden
angehört, gewonnen, 1841 in Gotha zur lutherischen Kirche übertrat,
zu Leipzig Theologie studirte, 1844 Lehrer zu Markranstädt, 1845
Pfarrer zu Rückmarsdorf mit Lindnaundorf wurde. Er trat 1882 in
den Ruhestand und starb 7. Januar 1884 zu Reudnitz bei Leipzig.
(Kr. 449. Böttcher Germ. Sacra 1433.)
LXXXIII. Hirschberg am B ö s i g, im nördlichen Böhmen, bei Leipa.
2-12. Der hiesige Pfarrer Jonas S c u 1 1 e t u s (Schulze) zog als
Exulant nach Zittau. (GR. II, 227. Exul. 74.)
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LXXXIV, Horaiitz im Kreise Eger im nördlichen Böhmen.
Hier war von 1613 — 1623 Pfarrer
213. Johannes Kirchner, etwa 1588 in Annaberg geboren.
Nach seiner Vertreibung wurde er 1633 Pfarrer zu Herrmannsdorf, •
in der Nähe seiner Vaterstadt, wo er 1648 verstarb. (Kr. 206.
KG. XII, 64.)
Hier war auch (etwa 1617) dessen Sohn ^
214. M. Johann Theodor Kirchner geboren: 1631 Afraner,
26. Januar 1653 als Pfarrer zu Mildenau bei Annaberg verstorben,
wo er seit 1647 amtirte. (Kr. 329. AA. 132, KG. Xu, 191.)
LXXXV, Hörn in Niederösterreich, nördlich der Donau bei
Krems.
Das der Familie Puchheimer gehörige Schloss und überhaupt
die Stadt Hom war längere Zeit ein Mittelpunkt des niederöster-
reichischen Protestantismus, weshalb die Kirchenvisitation des Rostoker
Professors Lukas Bacmeister im J. 1580 von hier ihren Anfang nahm.
215. Jakob Stiber aus Stolpen, 1568 Portenser, soll später
Prediger in Oesterreich bei den Herren von Hörn, also wohl Pre-
diger der Puchheimer auf Hörn, gewesen §ein. (Kr. briefliche Mit-
theilung auf Grund des PfÖrtner-Albums.)
LXXXVI. Hostau im westlichen Böhmen, Stadt im Kreise Pil sen.
216. Von hier stammte Christoph Flachs (Flaxius), 1654
als Pfarrer zu Teichwolframsdorf bei Weida gestorben, wo er seit
1610 amtirte. (Dietmann, Kursächsische Priesterschaft HI, 1266.)
LXXXVII, Hostromirz in Böhmen, Kreis Budweis.
217. Der hiesige letzte Pfarrer Johann Frazi ging nach Zittau,
wo er 1631 verstarb. (Exul. 136.)
LXXXVIIL Hünerwasser bei Leipa im nördlichen Böhmen.
218. Der hiesige letzte Pfarrer Kaspar Zedlitz wurde 1624
zu Görlitz — wohin er sich gewendet hatte — unterstützt. (Exul. 148."^
LXXXIX, Jägerndorf in Oeste rreichisch-Schlesien, seit 1872
Filial von Klein-Bressel, seit 1874 von Troppau.
Hier ist die Gegenreformation schon 1629 durchgeführt und das
von Georg von Brandenburg, dem Augsburger Bekenner, angezündete
Licht ausgelöscht worden. Trotzdem soll
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lÖl
219. Renatus Friedrich Longolius etwa 1650 als Sohn eines
dortigen Pfarrers geboren sein. Derselbe hat von 1676 bis 1698 als
sächsischer Pfarroi: gelebt: in Rückersdorf bei Stolpen, seit 1689 zu
Taubenhdm, seit 1693 zu Sohland a/S. (Kr. 448. KG. VII, iii.
Oberl. 280.)
XC, Idensbojen — wie es scheint, in Niederösterreich. {Der
Name scheint enstellt zu sein.)
Hier war von 1612 — 1616 Pfarrer
220. M. Johann Jentzsch, geb. 1585 zu Mügeln in Sachsen
als Sohn eines Rathsherrn, 1599 — 1604 Grimmenser; er studirte in
Wittenberg, wo er 1608 Magister wurde. Im Jahre 1611 zog er
nach Niederösterreich, zunächst als Schlossprediger nach Inzersdorf.
Von Idensbojen kam er 1616 als Pfarrer nach Pressburg. Von hier
vertrieben 1635, fand er von 1638 — 1662 als Superintendent zu
Oschatz einen gesegneten Wirkungskreis in seinem Vaterlande und
starb 17. Januar 1662 77jährig. (Kr. 383. GA. 81. KG. III, 134.)
XCL Jechnitz bei Saaz im nördlichen Böhmen.
Hier wirkte bis zu seiner Exilirung 1624 der bereits Jahrb. VII,
194 f. unter XXIV, 78 aufgeführte Viktorin Facilides als Pfarrer.
XCIL Iglau in Mähren, seit 1824 Filial — erst von Briinn. seit
10. März 1878 von Znaim.
Hier finde ich zwei Austro-Sachsen :
221. M. Johann Georg Fi ekler, geboren 1612 zu Jglau als
Sohn des gleichnamigen dortigen Rectors — besuchte, jedenfalls
mit seinem Vater exilirt, vom 21. September 1626 — 1632 die Meissner
Fürstenschule, studirte zu Wittenberg bis 1637, wo er Magister wurde.
Er ward 1642 als Tertius am Freiberger Gymnasium, 1652 als Pfarrer
im benachbarten Berthelsdorf angestellt und ist dort 1671 verstorben.
(Kr. 33. AA. 126.)
222. Sein Landsmann Joachim Rauscher wurde 1639 Cantor
in Werdau, 1643 Pfarrer im benachbarten Oberalbertsdorf, wo er
1663 verstarb. (Kr. 365.)
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102
XCIII. Jglo in Ungarn, in der Zips,
eine der i6 Zipser Kronstädte — , 1412 — 1772 mit 12 derselben an
Polen verpfändet, während dieser Zeit mannig&ch geprüft.
Hier war der unter Nr. UV, 163 genannte Daniel Kl e seh
geboren.
XCIV, Illyrien (vielleicht Istrien, woAlbona liegt, der Geburtsort
von Matthias Flacius Illyricus) wird angegeben als Vaterland des
223. Georg Scharff, der von 1560 an eine Zeit lang Pfarrer
zu Briessnitz bei Dresden war. (Kr. 53.)
XCV, Inzersdoff in Niederösterreich, südlich von Wien (am
Wienerberge) — in der Nähe der , Spinnerin am Kreuze*.
Hier war von 1611 — 1612 Schlossprediger der schon unter
Nr. XC, 220 genannte M. Johann Jentzsch. Der Ort, den eifrig
evangelischen Freiherren von Geyer gehörig, war lange ein Sitz
evangelischen Gottesdienstes.
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VIII.
,^£xtract derer in Materia RdigiMus ergangenen
sowohl Kaiser^' und K&nigHchen -^ als KönigHcb
Ober^'Anifliehen — datin Königlichen, Amts-- — wie
auch Königlichen Repraesentations- und Cammer-
Rescripten ab Anno 1692/'
Uk^etheih rcn ProfesMr ttfCfiAftD FRlTSCtf£.
II« (FötMokuaf.)^)
VerordnuDgen gegen die ApotUten.
1709, den 3. Juni, K* O. A. R»: da0 diejenigen Lande»-Iii*
wohner» weQ Condition oder Standes sie immer sein mögen, so ent*
weder kathoUscb gebohren oder erzogen and sich zn der Augsb.
Confession gewendet oder welche von ermeldter Aagsb. Conf. zur
kathoL Religion getreten und davon wiederum abgefallen^ die ver-
lassene katholische Religion binnen einer sechswochentücben Frist
ohnfehlbar annehmen, oder im widrigen nicht nur mit ewiger Landes-
verweisung* sondern auch mit Confiscirung ihres gegenwärtigen und
künftigen Vermögens bestrafet werden sollen.
17 10, den 18. Mertz: allergnädigster Befehl um Einsendung
einer Speciiication von der Apostatarum confisdrtem Vermögen.
17x0, den 27. Juni: K. R. : daß denen resipiscirten Apostaten
ihr confiscirtes Vermögen zu restituiren seye.
17 IG, den 7. Juli. K« R. : daß diejenigen Apostaten, welche
zwar revertiret, aber suum errorem cum pertinacia tuiren, zu Re-
crouten gegeben, oder wann sie darzu untauglich sind, wider aus
dem Lande verwiesen werden sollen.
17 17, den 30« April. K. K. R.: daß denen Biehtzer Apostaten
eine sechswöchige Frist ad resipiscendum verliehen und nach deren
») Vgl. S. ^9-53
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104
fruchtloser Verflüßung sodann wider selbe mit der wider dergleichen
abgefallene in dem emanirten Poenal-Patent vom 3. Juni 1709 auß-
gesetzten Strafe ohnnachläßlich verfahren werden solle.
17 17, den 30. Juli. K. O. A. I., daß wider derley Apostaten,
wann sie nach der wiederholten Relegation, und vorher abge-
schworenen Urphede das dritte mabl revertiren, mit der in denen
Rechten außgemessenen Strafe des Maynayds imnachbleiblich ver-
fahren, auch dergleichen Casus mit Anzeigung: ob der reversiis zum
ersten mahl oder iterato praestitä Urp}ied9- r^legiret worden; gehörig
einberichtet werden solle,, wo sonach die benothigte Außmessung er-
folgen wird. .,J».
17 19, den 17. August. K. O. A. R. in puncto der von dem
Herrn Johann Leopold von Zemetsky* begahgenen Apostasie und
Criminis falsi, weßwegen er Zemetzky durch den hiesigen königlichen
Fiscum in Anspruch zu nehmen und sofort nach Befund zur verdienten
Strafe zu ziehen, auch auf den Fall des periculum fugae versichert
würde.
17 19, den 21. August. K. O. A. I., daß die Obrigkeiten und
Domini Jurisdictionis, welche die Apostaten wissentlich und vörsetz-
lich auf ihrem Grund und Boden latitiren lassen und zu ihrem Auf-
enthalt allen Vorschub geben, die zu Bestrafung derley Apostaten
erforderlichen Unkosten fiirohin zu ertragen schuldig seyn sollen.
1720, den 11. May. K. O. A. V.: womit die Apostaten, falls
bey ihnen keine Resipiscenz zu bewürcken wäre, mit der von Ihro
Kays. Majestät außgesetzten Strafe irremissibiliter angesehen, wie
nicht weniger jene Kinder, so von der Religion des katholischen
Theils, sonderlich dem Geschlecht nach, abgewendet werden wollen,
zu Annahme und Beybehaltung des allein seelig machenden Glaubens
mit allem Nachdruck angewiesen werden möchten.
1722, den 4. May. K. O. A. R.: daß die Relegation derer
Apostaten aus denen gesammten Kays. Erb-Ländern deren von
katholischen Eltern erzeigten und Lutherisch erzogenen auch nicht
resipisciren wollenden Kindern aber nur aus dem gantzen Fürsten-
thum zu verstehen seye. Solte hingegen jemand, der aus dem
gantzen Fürstenthum oder einer benachbarten Herrschaft geschaffet
worden, in ludibrium der Amts- Verfugung sich etwa nahe an dessen
Gräntzen niederlassen und dadurch zu einem besonderen Scandalo
Anlas geben, so ist solchenfalls die benachbarte Herrschaft, damit
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105
einem fiolchen verwegenen Renitenten kein Unter komriien verstattet
werde, zu reqniriren, oder der Casus an das König!. Ober- Amt ein-
zuberichten. • ...:.-'
1722, den 17. July. K. CK A. R.,'äaÖ das von dem P. Gawinsky
ertheilte Attestatum in puncto des apostatirteil ?olwarczny' denen
andern Zeugen vorzuziehen und selbter aus dem gantzen Fürsten-
thume zu relegiren seye.
1724, den 13. Juny. K. O. A. R. besagende i) daß diejenigen,
welche von differenter Religions-Eltern gebohren sind und das 20. Jahr
schon überschritten haben und wo keine Hoffnung der Reduction
wie auch kein Verdacht der Apostasie vorhanden, connivendo un-
angeferttigter gelassen, hingegen 2) die übrigen, so unter diesem
Alter und etwa im 15. 16. oder 17. Jahre seynd, zur Annehmung
des katholischen Glaubens juxta sexum partis catholicae quovis modo
angehalten, nicht minder 3) jene Abtrinnige, so von beiderseits katho-
lischen Eltern entsprossen, absque discrimine. aetatis et sexus, in
Entstehung der Resipiscenz aus dem Lande cum effectu abge-
schaffet, und endlich 4) diejenigen katholischen Eltern, so noch
beym Leben und durch eine so gewissenloße Cönnivenz der Ver-
fuhrung ihrer Kinder sträflich zugesehen, nach Beschaffenheit der
Persohn. Alters und Vermögens, oder anderer derley aggravirenden
Umständen, besonders aber die katholischen Vätter wohl empfündlich
und exemplariter, es seye an Leib in opere publico oder an Geld
ad pias causas abgestrafet werden sollen.
1727, den 13. Jan. K. O. A. R. wegen der als Apostaten an-
gegebenen Ehe-Leuthe Pasterwer von Gureck.
1734, den 10. Mertz. K. O. A. V.: daß die in der Apostasie
verharrende Anna Glaitzar aus dem gantzen Lande zu relegiren seye.
1738, den 14. Juny. K. O. A. R. wegen einer in Bielitz be-
fundlichen Apostatin Anna Steffek, um derselben halber das nöthige
vorzukehren.
1751. K. K. Repraes. R., daß die bereits einmahl relegirte und
hinwiederum revertirte Apostatrix Anna Czyi nunmehro cum urpheda
praescribiret werden solle.
175 1, den 28. Aug. K. K. Repraes. R. ratione des Thomas
Bujock von Weichsel und Paul Sykorischen Eheweibs von Karpentna
relegirte Apostatin pro restitutione reversionis um Bericht.
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106
1752, .K. K. Repr. R. vom i. July, daß künftighisi denen
Männern wegen ihren apostasirenden Wetbem die tertia conjugaUs
bei lebzeiten jener nicht benommen, sondern nur versichert, mithin
dem Paul Sykora von Karpentna und Jakob Hetzko von Koscharczik
die benommene tertia conjugalis restituiret werden solle.
1753, den 28. Aug. K, K. Repr. R,, daß mit dem Ehe- Weibe
des verstorbenen Paul Wowreczka und des Johann Wrubels Ehe-
Weibe als apostatinen von Grodischt nach denen Generalien ver-
fahren werden solle.
1754, den 20. April. K. K. Repr. R., daß die bey der Rele-
gation derer apostaten sich ereignende Gerichtsunkosten aus dem
confiscirenden Vermögen der proscribirenden Apostaten lauth der
Joseph. Peynl. Gerichtsordnung zu bestreithen, wann aber solche
unbemittelt, so solle sothane malefiz Spesen das Dominium tragen.
1754, den 25. Juny. K, K. Repr. R., daß die ex apostasia
angeferttigten Persohnen sogleich vorgeladen, nach deren Überführung
denenselben die öwochentliche Bedenckzeit ad resipisceiidum gegeben
und binnen denen 6 Wochen gefänglich aufbehalten werden sollen,
weilen selbe für criminal anzusehen.
1756, den IG. April. K. K. Repr. R., daß weilen wider den
de Apostasia überführten Paul Bailaß seines hohen Alters und
schwächlichen Kräften halber mit der Uebersetzung nacher Sieben-
bürgen nicht wohl fiirgegangen werden kan, selbter zwar im Lande
belassen, dahingegen auf ein anderes von Puntzau genugsam ent-
ferntes der Teschner Cammeral-Jurisdiction untergebenes Orth zu
emem kath. Würth in die Armen- Verpflegung gegeben werden solle.
1764, den 6. Nov. K. K. A. R., daß die revertirte Apostatin
Anwa KurÄok auf ein anderes von Weichsel entferntes Camcral Dorf
zu einem kath. Würth in die armen Verpflegung gegeben werden solle.
1764, den 18. Dec. K. K. A. R. wegen Entlassung der ex
capite Apostasiae im hiesigen Stock-HaaB sitzenden Anna Polak
gegen Caution von 100 Ducaten.
1765, den K). April. K, K. A. I., daß der Andreas Kintzel,
dann die Marina Frohnin von Br^ezuwka und die Marina Tiemalm
von Godischau als convincirte Apostaten nach Maaß höchster An-
ordnung de Anno 1755 nacher Siebenbürgen abzuschicken und
welchergestalten mit des Andreas Kintzel seinen Söhnen zu ver-
fahren seye.
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176s, den 19. Nov. K K. A. I. der allerhöchsten K. K. Re-
solution wegen der arrestirlich insitzenden Apostaten und deren Ver-
absendung halber nacher Hungam.
1766, den 26. Mertz. K. K. A. L in Betreff der Bestrafung
derer in dem Teschnischen Stock-Haufl einsitzenden drei Apostaten.
1766, den 24. Nov. K. K. A. I., dafl die in dem Teschnischen
Stock-Hauß insitzenden drey Apostaten benanntlich Andres Kintzei
von Nieder-^ukau , Marina Fruhnin von Briezuwka und Marine
Tiemalin von Godischau dchleinig nach Wien abgesendet, von da
aber nach Siebenbürgen abgeflihret werden sollen.
1769, den 19. Sept. K, K. A. R. wegen Relegirung der Apo-
statin Anna Suniek und Confiscirung des Vermögens, dann wegen
Arretirung ihrer entwichenen zwey Töchter Susanna und Marina.
1769, den IG. Octob. K. K. A. R., was maßen der de apo-
stasia überwüsene Georg Smolon als Recrout, wann er hiezu tauglich
ist, gestellet, im widrigen aber außer Landes geschadet werden solle.
1774, den 22. Nov. K. K. A. R. wegen Ablieferung des de
apostasia bereits überwiesenen Andres Pilch von Weichsel in die
hierortige Frohn Veste.
1777. den 13. May. K. K. A. R., daß die Apostatin Anna
Sikora, wann sie sich nicht bekehret, in das Troppauer Commercial-
Arbeiths-Hauß unter sicherem Geleite eingeliefert werden solle, wo*
selbst sie bis zur Wieder-Aufnahm des kath. Glaubens aufbehalten
werden wird.
1781, den 6. Mertz. K. K. A. L, daß Ihro K. K. Majestät
über die von hier eingeschickte General- Verzeichnüß und Ausweiß
der zum katholischen Glauben bekehrten Persohnen Dero Aller*
höchstes Wohlgefallen zu erkennen zu geben geruhet.
Verordnungen gegen die Malsstarrigen.
1719, den 14. August. K. O. A. R., daß der von Beedersciths
katholischen Eltern entsproßene und ad Religionem catholicam sich
nicht bequemen wollende fünfzehnjährige Knabe Georg Gaß unter
das militare gegeben und des Johann Zagitz Tochter Eva, wenn
die Mutter katholisch gewesen, auf des Vaters Unkosten in ein
Jungfrauen-Kloster, bis sich selbe zum katholischen Glauben bequemt,
gebracht werden solle.
1720, den 3. Mertz. K. O. A. R. Die Reduction derer zum
Theil von katholischen, zum Theil aber von zweyerley Religion
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1Q8
Eltern- enisprössenen Kindef betreffend, womit diejenigen Eltern, so
entweder wider <fie gdeisteteh Stipülationes handeln, od^ sonsten
ratione sexus ihre Kinder katholisch zu erziehen,' so schuldig als be-
rechtiget sind; und' Solches' dennoch unveraht wortlich und zä Ihrem
Selbst dgeiien Verderb unterlassen, mit ' wohlverdienter und' in die
Augen leichterider Bestrafung. angesehen werden itiögeft.
1720, den 12. Juni. K. O. A. R; : daß die als zu halsstarrig
sich bezeigenden Knaben, deren VäteV katholisch, wenn sie zwischen
14 und 16 Jahren seyndt, selbe unter die Militz zu Drummel-Schlägem
gegeben, die erwachsenen aber zu Recrduten gemacht, oder auch
aus deni Landie, weilen doch die von der Religion ihrer katholischen
Eltern abgewichenen Kinder denen wahren Apostaten nicht viel un-
gleich zu sein scheinen, abgeschaffet, nicht minder unter einem die
katholischen Väter, welche durch ihre strafbare Lauigkeit zu Er-
greifung derley verdrüßüchen Extremitaeten Anlas gegeben, mit
einer wohl empfündlichen Animädversion es seye dui-ch Gefängnus
oder Anstrengung ad opus publicum, andern zur künftigen Wahr-
nigung, und um mehrere üble Sequelen kräftig vorzubeugen, ange-
sehen werden könnten. Ferners, daß die Casus specifici, oder die
Individua, welche denen Kayserlicbeh Befehlen sich nicht unterziehen
wollen, nebst Eröffnung derer Obstaculörum, so sich darbey hervor-
thun, anzuzeigen sind.
1720, den 3. July. K. O. A. V. : daß die zwei älteren von
einem katholischen Vater erzeugten Czyanischen Söhne unter die
Militz gegeben, der Väter aber in einem sechswochentlichen engen
Arrest aufbehalten und da er binner solcher Zeit zur Resipiscenz
obgedachter Knaben cum Effectu zu concurriren sich weigern sollte,
sodann gleichfalls unter die Militz gegeben werden möge.
1724, den 4. Febr. K. O. A. R.- wegen der Orlauer Kinder
Bekehrung, dann ratione der ihren kaitsinnig und gewissenloßen
Eltern ad opus publicum andictirten Acht und respective Sechzehn
wöchentlicher Strafe.
1724, den 16. October. K. O. A. R. : daß die von beyder-
seiths katholischen Eltern gebohrenen. Lutherisch aber erzogenen
Kinder, so nicht resipisciren wollen, aus dem gantzen L^nde zu
relegiren und wider die Eltern, welche hieran Schuld tragen, mit
empfiindlicher Strafe zu verfahren seye, auch die Geld-Bußen in
Usus Religionis anzuwenden sind.
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1732, <ien 27; Mertz, K. =0. A.,R.,:. womit der von einem.:
katholischen Vater erzeugt^ Mathias Holexsi, daiin; dar MOn ;Beeder-
seiths katholischen Eltern h^r^tan^mende Johani)- Jasio(wsky« B^ede
zum Luth^rthum verführte , Cammpr-Untefthan.^ ; zu; Usjtrön izui
Amplectirung der wahren katholischen Religion per arQtiora: ange-
halten werden tsollen. : r . - . ;- :.:..• ;•
1754, den 2j. Sept. K..:K. Repr. R., daß der Johann Martinek.'
und Adam Boczek, welche sich denen zu Gestellung «der Elisabeth "
Martjnek abgeschickten 2 Högern widersetzten, miteinemlö Wochentl.
opere publico Dominieali in Ey^en und'Banden. zu ! bestrafen, seynd.
2) Sind von denen jenigen Persohnen, so die luth. Prcsdigenirequen- .
tiret, des Johann Schlauer Eheweih und George Lassota wegen ihrer"
bezeigten Hartnäckigkeit durch 8, Tage zur Säuberung der Wendriner
Kirchen und Kirchhofs condemniret, zugleich aber sojle nicht alleiti .
diese sondern alle übrige diesfalls angeschuldigte. . Individua durch :
3 Monath alle Sonn- und Feyertäge in ^dem kath. Gottesidienst.sich .
ohnfehlbar einfiinden und bey dem Pfarrer persöhnlich zu meldea •
haben, dieser aber dahin angewiesen >yerden solle, auf diese Per-
sohnen ein wachtsam.es Auge zu tragen. ' , '
1768, den 9. Aug. K., K. A. R„ daß der Johann Tientiala
von Wendrin aus dem Schloß-Arreste in die Stadt Teschenische
Frohn-Veste übersetzet und mit einem 2 Monathl. opere publico
beleget werden solle.
1768, den 27. Sept. K. K. A. R., daß die Anna Podgoyskin
von Roppitz, dann der Michael Schlauer von Puntzau und der Jakob
Zienteck von Oldriichowitz mit einem 6 wöchentlichen opere Domini-
eali in Eysen und Banden bei der Stadt Teschen beleget werden
sollen.
1769, den 15. April. K. K. A. R. wegen Bestrafung der drey
halßstärrigen Eltern Georg Turon, Johann Marosch und Mathes Sto-
navsky mit einem sechs wöchentlichen opere publico in Eysen bei
der Stadt Teschen.
1770, den 13. Febr. K. K. A. R., daß dem Bernhard Primus
aus Tierlitzko die Bezahlung 40 fr. Kost-Geldes vor seine bey den
Elisabethinerinnen befündliche Tochter auferleget worden seye, dann
noch wegen auf Kleidung und Wesche jährlich abzureichenden 40 fr.
1770, den 24. März. K. K. A. R. wegen Bestrafung der Vero-
nicae des Adam Kischa aus Ellgoth übel erzogenen Ehe-Weibes
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mit einem sechs wöchentlichen opere publice in Eysen zu Teschen,
und wienach selbe bd nicht erfolgender Gestellung ihrer altem drey
Töchter zur Glaubens Unterweisung btnner dieser Straf-Zeit sodann
nach Troppau auf Ihre Unkosten zu langem opere publico gebradit
werden solle.
1774, den 23. Nov. K. K. A. R., daß die beyden halßstarrigen
Vätter AdMn C^asldlo und Johann Kischa von Ellgoth, falls sie
binnen 3 Tagen ihre dem Anspruch unterliegenden Kinder zum
kath. Unterricht nicht gestrileten mk emem sechswochentlichen
opere pubUoo in Eysen xmd Banden bey hiesiger Stadt beleget und
falls diese Züchtigung nichts verfangete, mit anderweithiger Öfent*
licher Arbeitb beleget werden sollen.
1781, den a8. Aug. K. K. A. R., da0 der Gcwg Janik von
Grudek, so nach Anzeige des hies^en Herzogl. Kammeral Ober-
Regenten dem Wendriner Rewier-Jäger Thomas Wistuba bey Ab-
hoUung sehies Knabens sum kath. Unterricht mtt Schlägen übel
tractiret hat, noch zuvor über seine sträfliche Widersetzlichkeit zur
Verantwortung zu stehen und falls sich das Factum angezeigter
maßen verhielte, derselbe nebst aner scharfen Wamigung pro fiituro
mit einem I4tägigen opere DominicaH in Eisen zu seiner verdienten
Strafe andern zum Beyspiel zu belegen seye.
Verordnungen gegen die Entwichenen und Venchickten.
1719, den 25. August. K. O. A. I., daß dem Herrn Bernhard
Freyherm von Marddowsky seine in Gestellung seines Sohnes bis-
hero gebrauchten verschiedenen Tergiversationes scharf verwiesen,
hernach aber der auf sein Vermögen gethane Beschlag aufgehoben
und dessen Sohn zwar auf freyen Fuß gestellet, jedoch seibter nidit
außer Landes gelassen und educirt werden solle.
1751, den 18. Dec. K. K. Repraes. R.: daß die kath. zu erziehen
kommenden Kinder ohne Vorwissen des kath. Pfarrers extra oder
intra Provinciam bey arbitrarischer Strafe nicht verschicket werden
sollen.
1754, den I. July. K. K. Repr. R., daß die Eltern, welche an
der Entfernung ihrer Kinder Theil haben, so lange diese ad Locinn
unde nicht zurückgesteilet werden, arrestirlich angehalten, falls aber
die ZurücksteHung nicht mehr in ihrer Macht stünde, mit einer andern
Strafe nach den Umständen angesehen werden sollen.
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1755» <lwi 3. May. Extract eines K. K. Repr. R. respectu der-
jenigea EHern, «o am der Entfernung ihrer Kinder Schuld tragen,
die Facultates genau zu erforschen, folgl. hirüber auch die (Ör efai
oder die andere milstireode erschiverend oder lindernde Betchaffen-
heit ein separirter Bericht tnnexo parere zu erstatten, wie selbte
entweder in «ere oder pelle zu beatraüsn tetn dürften.
1755, den 2U Juny. K. K. Repr. R., daA die Eltern, so ihre
Kinder aufier Landes gesehtcket, benamtd. Jaicob Syicora mit einer
Geld Strafi» von 30 fr* für das Ustioner Waysen-Haus beleget, die
übrigen aber als der George TuroQ, Michael Ticby, Andres LanU
und des Paul Ttntiala Ehewdb Susanna mit einem z Monatbl. opere
dominicali in Eysen und Banden bestrafet, fiihrabin aber in derley
Fällen das Juramentum purgatorium nicht mehr deferirat werden solle*
1755. dca 16. ScpUf K. K. Repr. JL, daO die Marina Cbmiel
so lang mit persobnlicben Arrest zu belegen, bis sie ihre Tochter
ad hoQWi unde zurückgestellet haben wird.
1756, den 17' Jan, K- K. Repr. R., welcher gestalten der Eigen*
sinn des Johann Filatzek in Troppau in opere pubüco zu züchtigen,
dessen aber derselbe nicht ehender zu befreyen« bis er die Wider-
gestellung seines Sohnes befolget haben wird.
1765. den 5. Febr. K. K. A. R., daß der Paul Pszczolka von
Ogrodzon w^en seines übel erzogenen und ins Preußische verschickten
Sohnes mit zwei Monathl. opere Dominicali in Eisen und Banden be-
leget — auch ihme der so lang erduldende Arrest in poenam im-
putiret werden solle.
1768, den 31. May. K. K. A. R. wegen Bestrafung des George
Niedoba von Zeißlowitz mit zwey Monath. opere pubüco in Eysen
und Banden ratione der entweichung seiner 3 Söhne in Preußisch
Schlesien.
1770; den 30. Octob. K. K. A. I., daß der Mathes Liberda
nacher Troppau ad opus publicum abgeliefert und allda so lang auf
behalten werden solle, bis er seine außer Landes geschickten Kinder
zu dem kath. Unterricht gestellet haben wird.
1772, den 25. April. K. K. A. R., daß des Bernhard Primus
von Tierlitzko sein Ehe-Weib wiederholt in Arrest genommen und
allda in so lang aufbehalten werden solle, bis sie ihre zur kath.
Religion bereits adjudicirte zwey Töchter aus dem Preußischen zu-
rückgeschafet haben wird, wo so dann beede diese Kinder entweder
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in das Ustroner Waysen-Hauß oder sonst in gute Verwahrung ge-
geben werden soUqn, dann wegen. Reassumirung der .Sequestration
des Primusseben. Frey-Guths. : . j.
. 1772, den 6, Octob. K. K. A. I., daß die Anna Primu» faUs
sie binnen drei Tagen, ihre ansprüchigen Kinder : nicht gestellen
würde, mit einem .scchswochentlichen opere public© • in Ejrsen auf
ihre Kosten zu belegen und : überhaupt in so lang zu ^ züchtigen
seye, bis sie ihre Töchter wieder ins Land gisstellet haben wird.
1772, den t2. Dec. K. K. A. R., was maßien' die Helena
Matlöchin clermahlen verehligte Malisch mit ihrem Gesuch' um Frey-
las^ung ihrer Töchter von allem Religions- Anspruch* gäntzlich ab-
und dahin anzuweisen seye, daß sie ihre ins Preußfsche Verschickte
18jährige Tochter, die sie aus dem 'Ustroner Waysen-Haüße weg-
geschafft, binnen 4 Wochen bei Strafe ■ persöhnlichen Arrestes abso-
lute in besagtes Waysen-Hauß zurückgestellen solle.
1773, den 14. Nov. K. K. A. R., worinnen die Zufriedenheit
über die von der verwittibten Anna Primus A. C. befolgte zurück-
schafung ihrer zwey Töchter aus Preußisch Schlesien und in An-
sehung derer geschehenen Angelobung in das Ustroner Waysen-
Hauß bezeiget, zugleich auch die Arrest-Entlassung der Mutter und
was wieder die Entführer dieser zwey Töchter von dem Criminal-
Gerichte zu Teschen erkennet worden.
1776, den 9. Nov. K. K. A. V., daß der wegen Entführung
ihrer Tochter ins Preußische in hiesigen Stock-Hauß insitzenden
Anna Raschka annoch ein 3 tagiger Tehrmin zu Gestellung ihrer
Tochter ad Locum unde und dem Orths Pfarrer zum kath. Unter-
richt anberaumet, nach dessen fruchtlosen Verstreichung aber die-
selbe mit einem öwochentl. opere publico allhier beleget und wann
dieses auch nichts verfünge auf eigene Kosten in das Troppauer
Commercial Arbeiths-Hauß abgeliefert und darinnen bis zu ge-
schehener Sistirung ihrer Tochter aufbehalten werden solle.
1781, den 21. April. K. K. A. R. i) in Betref der Marina
Czy2 und der Anna Bonka, ihrer Bestrafung halber. 2) respectu der
entwichenen Männer obgesagter zwey Weiber. 3) um die nöthige
Vorkehrung zu treffen, auf daß die entwichenen Czyz und Bonkische
Töchter ausgeforschet und in das Ustroner Waisen-Haus abgegeben
werden möchten.
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Verocdnuai^cn über die znr Inttructioii in Articulis Pidei Safvificfie zu Stellenden.
1721, den 23. August. K. O. A. V.: wasmafien die consignirteo
von zweyerlei Rdigion^ElCern entsprossenen Kinder aus ZiwotHz
und Nieder-Bludowitz dem da$igen Pfarrer zur Instruction in Arti-
culis Fidei salvificae eingeantwortet und hierinnfalls erzogen, respectti
dererjenigen katholischen Väter, so ihre Söhne im Lutberthum edu-
ciren lassen, auf eine in die Augen leichtende Bestrafung rcflectiret
und darmit cum £(fectu verfahren, auch die Herrschaften, welche
an derley Verführung Theri nehmen, mit einer wohl empfündlicheo
Ge(d-Strafe beleget werden sollen.
1725, den 26. November. K. O. A. R.: wegen des Pruch-
nauer Kretschmers seiner zwey katholisch zu erziehen kommenden
Töchter.
1737, den 2. De'c. Kays. R., daß die Eltern jener Kinder,
welche in der katholischen Religion zu erziehen kommen, in denen
Örthem, wo Kathoiische Kirchen sind, in sothane Kirchen, in jenen
Orthen hingegen, wo keine katholischen Kirchen vorhanden, in der
von denen Pfarrern daselbst destinirte besondere HäuOer, und in
dem von Ihnen Pfarrern vorhero angezeigten Tag und Stund obo-
fehlbar zu schicken verbunden, auch damit solches desto verlässiger
geschehe, die Obrigkeiten, wessen Religion sie seyn mögen, gehalten
seyn sollen, die Eltern zu Schkrkung gedacht ihrer katholisch zu er-
ziehen kommenden Kindern an die katholischen Kinder-Lehrer um
so gewisser anzuhalten, als im widrigen, wenn nemlich der katho-
lische Pfarrer bei einer Obrigkeit die diesfällige Assistenz in Gegen-
wart eines Zeugens zu dreymahlen ansuchete und solche dennoch
nicht würcklich geschehete, sothane Obrigkeit auf die von deai
Pfarrer hierüber an das König!. Ober- Amt geschehene verlässige
Anzeige mit einer arbitrarischen Strafe zu belegen, auch sofort auf
die erfolgende würckliche Assistenz-Leistung schärfer anzudringen seye.
1738, den 10. May. K. O. A. R., daß die Schniegonißchen
Kinder zur GtaubensJnstruction nacher Teschen zu gesteilen und
über den Erfolg der Bericht abzustatten seye.
1738, den 28. Juny. K. O. A. R., daO der Andres Tichy von
Grodischt non obstante der erreichten 20 Jahre qua male educatus
ad Instructionem Parochi durch 8 Wochen gestellet und wann solche
nichts verfangen sollte, in der Luthrischen Religion connivendo ge-
lassen, jedoch vom katholischen Parocho getrauet werden solle.
Jahrbuch des Proteataotumu« 1888. H. II. 3
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114
1739. den 31. Jan. K. O. A. R., damit die Anna Juraschkowa,
um von allen lutherischen Persohnen abgesondert und im katholischen
Glauben unterrichtet zu werden, zu dem Herrn Ober-Regenten auf
ein paar Monathe in die Dienste gegeben und der Erfolg einbe-
richtet werde.
1740, den 5. Aug. K. O. A. R. wegen ad instruendum in fide
catholica von Grodischt successive gestellender Kinder.
1746, den 2. Mertz. K. O. A. R. um ratione der Mariannae
Cieslar, ob selbte zur Instruction gefordert und hierzu von ihrer
Herrschaft angehalten worden, dann wegen ihres Alters die Aus-
kunft zu erstatten.
175 1, den 4. Juny. K. K. Repraes. R., dafl der Vogt von
Bystritz Paul Raschka zu Gestellung seiner zweyen Söhnen ad In-
structionem Parochialem ernstens angehalten werde.
1752, den I. July. K. K. Repraes. R., daß die Anna Tieplik
vor eine male educata allerhöchsten Orths erkannt und resolviret
worden seye, selbte auch durch bescheidene Wege und gutte In-
struirung des Parochi Loci zu der kath. Religion zu bewegen, ihren
Vatter aber anzubefehlen bey schwerer Strafe, daß sie weder die
Luth. Kirche frequentiren, noch auch aus dem Lande gehen solle.
1752, den 24. Oct. K. K. Repr. R., damit dem Herrn von
Logau die Sistirung derer im kath. Glauben zu erziehen kommenden
Kindern unter einer Geld-Strafe auferleget wurde.
1754, den 4. May. K. K. Repr. R., daß die Dominia Locorum
nach Proportion ihrer facultaten und circumstantzien zu sistirung
derer instruendorum unter einer Straf von 50. IQO. oder auch mehr
Ducaten angehalten werden sollen.
1754, den 12. Aug. K. K. Repr. R., daß Ihro K. K. Mayestät
die Elisabeth Ditzius von Bielitz mit ihrem unbefugten Gesuch, ihre
Tochter luth. erziehen zu können abzuweisen geruhet.
1757, den 11. Jan. K. K. Repr. R., daß die George Slowik
und George Hallamische Kinder aus Grodischt zur kath. Unter-
weisung von ihrer Obrigkeit anzuverlangen sind.
1766, den 15. April. K. K. A. I., damit die Anna Brzezinin.
dann der George Kania und George Slowik, falls ihre Kinder binnen
3 Tagen zu dem kath. Unterricht nicht gestellet wurden, über den
Bericht ausgestandenen Arrest mit einem 6 Wöchentlichen Opere
Dominieali zu Teschen beleget werden sollen.
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115
1766, den 15. April. K. K. A. R. wegen des George Sykora
von Pruchna und seiner Gestellung nacher Teschen in Arrest, dann
in Ansehung der Sistirung seiner zvvey Töchter zur kath. Instruction.
1768, den 17. May. K. K. A. R., daß die Gebrüder Johann
und Andres Mamitza von Konskau mit ihrem bei Ihro K. K. Mayestät
allerunterthänigst eingereichten Gesuch, deren Kinder in der prote-
stantischen Religion erziehen zu können ab und zur Gestellung ihrer
Kinder in die kath. Lehre angewiesen sind.
1770, den 25. Aug. K. K. A. J., daß die Anna des verstorbenen
Andres Mychnik aus Zywotitz Ehe Leibl. Tochter zu fleißiger Ge-
stellung in der kath. Lehre anzuhalten, und da sie erst 17 Jahr ist,
mit deren Copulation noch zurückzuhalten seye.
1773, den 7. Dec. K. K. A. L, daß der Johann Twardzik,
Acker-Bauer in Kurtzwald mit seinem Seiner Mayestät selbsten ein-
gereichten Gesuch ab- und zu Gestellung seiner Kinder zu dem kathol.
Unterricht angewiesen werden solle.
^775» den i. July. K. K. A. I., daß der Bielitzer Handelsmann
Gottlob Barte! mus zu Gestellung seiner Tochter Eleonora Susanna
dem Bielitzer Ertz-Priester zu Erlangung des kath. Unterrichts zu
verhalten seye.
1777, den II. Febr. K. K. A. L, daß die Tochter des Bielitzer
Luth. Kauf- und Handelsmannes Gottlob Bartelmus bei ihrem in Wien
befundlichen Groß-Vatter Ludwig Seelkopf, wohin sie per Diligence
gebracht worden, zur Erziehung belassen und von ihrem Vater auf
Kost und Kleidung jährl. 150 fr. an besagten Ludwig Seelkopf in
halbjährigen Ratis anticipate richtig abgeführet werden sollen.
1777, den 26. July. K. K. A. R., daß wider die in Gestellung
ihrer 18jährigen Tochter Marina zum katholischen Unterricht hart-
näckige Eva Gomolin von Lomna mit einem 6 wöchentlichen opere
publico zu verfahren seye.
1781, den 3. July. K. K. A. R., betreffend die von dem Golle-
schauer Pfarrer specificirten von ihren Eltern zum kath. Unterricht
nicht gestellende Kinder alle aus Weichsel.
(Schluss folgt).
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IX.
Noch einmal Martin Philadelphus Zamrscesius.
Mitgetheilt von Prof. Dr. Anton REZEK.
Zoin ÄufsstjE« des Herrn Siipevintendentefn Dr. Haase über den Troppftaer
protestantischen Prediger Martinus Philadelphus (Jahrbuch III. S. 103 ff.) erlaube ich
m)r Folgendes zu bemerken.
Martinus Philadelphus gehört zu den bedeutendsten Vertretefn des Lutheranismus
in der böhmischen Literatur, und die von ihm verfasste, von Herrn Superintendenten
Dr. Haase beschriebene Postille zu den werthvollsten Büchern des XVI. und
XVII. Jahrhunderts. Diese Postille hat auch ihre eigene Geschichte, die ich in aller
Kürze berühren will, weil sie zugleich einen charakteruitischen Beitrag «ur Geschichte
des Lutherthums in den böhmischen Ländern bietet.
In dem von mir herausgegebenen historischen Jahrbuche (Sbornik Historicky)
hat C. Zibrt (Band IV S. 77 ff.) eine erschöpfende, in Bezug auf die dargebrachten
Resultate ganz zuverlässige Studie über Martin Philadelphus veröffentlicht und auf
diese Arbeit stütze Ich mich im Nachfolgenden. *)
Martinus Philadelphus ist nicht irgendwo in der ungarischen Slowakei, sondern
in Zämrsk bei Hohenmauth (in Böhmen) geboren und zwar im Jahre 1550. Uebcr
seine Jugend und Studien sind wir gar nicht unterrichtet. Gegen das Jahr 1579 oder
1580 finden wir ihn in Mähren und zwar als einen hervorragenden Vertreter der
Augsburger Confession. In der Gegend von Alt- und Neutitschein war bis zum Jahre
1578 in derselben Richtung Jacobus Künewald oder Kunwaldsk^ thätig, der sich —
sonderbar genug — einer besonderen Gunst des berühmten UnitätsangehÖrigen Carl
von 2erotfn erfreute. Auch Kunewald war schriftstellerisch thätig. Wir besitzen von
ihm drei Sammlungen geistlicher Lieder und Gesänge. «) Bald nach seinem im Jahre
1578 erfolgten Tode nahm Martinus Philadelphus seine Stelle an und zwar so, dass
er in der ersten Zeit kein festes Amt bekleidete, sondern nur mehr im Geheimen den
Anhängern des lutherischen Bekenntnisses in der Neutitscheiner Gegend predigte und
das Abendmahl darreichte. Sein Muth und seine Beredsamkeit stärkten die Lutheraner;
im Jahre 1581, 12. Juli, fassten die Neutitscheiner den allerdings gewagten Beschluss,
Martin Philadelphus in ihre Stadt zu berufen und ihn als „böhmischen" Prediger an-
zustellen. Und so geschah es auch. Martinus kam und wurde bald noch mehr berühmt
und beliebt, wovon die Art und Weise, wie ihn die Neutitscheiner mit Geschenken
») Zu vergleichen wäre noch J. Jirecek Rukov^e k dejindm literatury c«sk< (Handbuch xur
Gesch. der böhm. Literaiur) II. Artikel: Philadelphus.
>) J. Jirecek, Rukovef I. 433.
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117
entlohnten, der beste Beweis zu sein scheint. Aber diese HerrHchkeit war von kurzer
Dauer. Schon am I3, Januar 15S2 kam nach Nentitachein der Landesunterkämmerer
Nicolans von Hridek und im Auftrage des Kaisers bciahl er, den böhmischen Prediger
sofort zu entlassen. Die Neutitscheiner sträubten sich, aber endlich mussten sie — als
königliche Stadt •— nachgeben. Zu Ehren des beliebten Martinus wurde ein grosser
Abschiedsschmaus veranstaltet und Philadeipbus ging dann (9. Febr. 1582) nach Weiss*
kirchcn, wo er bei seinem Freunde Christoph Slansky (von Schlan?) Zuflucht fand.
Aber bald darauf nahm sich seiner Carl von ^erotin an, und berief ihn nach AU-
titschein, wo er unter dem Schutze dieses mächtigen Herrn längere Zeit ruhig verlebte.
Im Jahre 1584 finden wir ihn schon inTroppau als böhmischen Prediger an der
Georgskirche. Hier heiratete er auch; aber die Ehe blieb kinderlos.
Seine lieben Nentitscheiner besuchte er von Troppau aus öfters und predigte
ihnen j^ls Gast*'. Seine Predigten und Erbauungsreden haben damals schon eine seltene
Rühmlichkeit erlangt. In Abschriften circulirten einzelne Proben ,,in Böhmen, Mähren,
Schlesien und in der Slowakei''. Martin meinte zwar von sich selbst recht gering-
schätzig, er sei ^einer der allerletzten Hauer auf dem Weinberge des Herm^ (»jeden
a£ nejzadnöjäi kopd£ na vinici Pdn^'*), aber die allseitige Anerkennung seiner Leistungen
wirkte doch so weit auf ihn, dass er sich vornahm, seine ganze pastorale Thätigkeit
in einer Postille zusammenzufassen. Das Werk ist gross angelegt; die erste Auflage
zählt 1247 Seiten. Im Jahre 1590 war das Buch fertig und die sehr anschauliche aber
langathmige Vorrede (XXXVI Seiten) am 15. Juni dieses Jahres unterschrieben. Ein
Verleger fand sich bald und zwar in der Person des hochmögenden Herrn Hynek von
Würben und auf Freudenthal, damals Landeshauptmann von Mähren. Dieser Mann
war ein eifriger Anbänger der Augsburgischen Confession und Hess sich sehr angelegen
sein, dem Lutherthnm mehr Eingang und Ruhe in Mähren zu verschaffen. Martinus
Philadelphus rühmt diesen Eifer mit beredten Worten. Herr von Würben Hess auf
seinem Schlosse Freudenthal eine Druckerei herrichten und dort wurde Philadelphus'
Werk im Jahre 1592 fertiggestellt. Aber der Verfasser erlebte diese Ausgabe seines
Baches nicht, denn er starb kurz vorher, 9. März 1592, beweint und betrauert von
Allen die ihn kannten. Gewidmet ist die Postille dem Herrn von Würben, als dem
grössten Förderer dieses Werkes.
Den Inhalt und die Vorzüge der Philadelph'schen Postille hat bereits Herr
Superintendent Dr. Haase so klar und erschöpfend dargelegt, dass ich wohl auf eine
Wiederholung des dort Gesagten verzichten kann. Eines muss jedoch hervorgehoben
werden. Martinus Philadelphus Zamrscenus war nämlich ein gewaltiger Sitten-
prediger, und in dieser Beziehung hat seine Postille einen hervorragenden Werth
für die Beurtheilung der Lebensweise damaHger Zeiten. In kraftvoller, manchmal auch
derber, aber immer sehr reiner und correcter Sprache geiselt er die Gebrechen seiner
Zeitgenossen, die Missbräuche des menschlichen Geschlechtes von der Geburt des
Kindes bis zum Tode des Greises. Man findet bei Philadelphus Schilderungen, die
lebhaft an die grossen Sittenprediger Böhmens im XIV. und XV. Jahrhundert erinnern.
Aber seine Postille hatte mannigfache Schicksale zu überleben. Gleich noch im
Jahre 1592 verklagte der OlmÜtzer Bischof Stanislaw Pawlowsky den mährischen
Landeshauptmann beim Kaiser, dass er eine vom akathoHschen Prediger verfasste
Postille drucken Hess und befahl aus eigener Machtvollkommenheit das Buch zu confisciren.
Dies geschah sogleich. Und da die Auflage ohnehin eine ziemlich kleine war, gehörten
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Exemplare der PliUadelph'schen Postilfe setir bnld tu. den grössten 5ieIt«rTiheiteii. Die
Nachfrage war nber groüs. Dir Anhänger de^ Augsburgischen Bekenn In isses bemühter»
sich also um tine neue Auflage und verbandehen darüber mit dem Prager Buchdmtker
Daniel ScdManskJ, Dieser aber hehalf stich mit der Ausrede, dass er mit andcrcft
Sachen in seiner Druckerei sehr he,'ichMftigt aei und somit Pbiladelph*s Postille nlcli!
Hbernehrnen könne. Ich glatibe^ «■> gcscbtih dies aus Furcht vor den Ma^sregelungcn
der Regierung, die es scharf ahndete^ wenn in den Itoniglichen Städten etwds gedruckt
wurde, was nicht katholisch oder altutraquistisch war. Man fand ako ein anderem
Auskiinftsniitteb Dnniel RedlöanskJ liess im Jahre Itjoa die zweite Auflage der PcKtilEe
bei Ifieronymus SchUx, Buchdrucker in Dresderij herstellen. Die Druckkoslen wwden
von vier vornehmen Herren und eifrigen FfirJercm des Luthertburas in Bobmcn
bestritten: von Stephnn von Sternherg, Sigmund von Smtf-ic, Johnnti TrCka laid
Caspttr Kaplif^ von Sulewic. Der letite dieser Männer ist bekannt durch seinen tragischen
Tod am Alistädter Ring am £1. Juni 162I, Diese zweite Auflage iit j,aus Dankbarkeit
gewidmet von den evangelischen Predigern im Königreiche Bobmen und der Mark-
grafschnft Mähren dem wohl edlen Herrn Chrislian IL Kurfürsten von Sachsen*',
Noch im selben Jahre (ibol) stellte sich die Noth wendigkeit einer dritte»
Auflage von Philadelplius' Postille heraus. Den Druck vermittelte der Präger Buchdrucker
Georg Da^icky in der Druckerei des Michael Knpjhorsky zu Ijeipzig, Dte Kosten
wurden von xwei Brüdern aus dem böhmischen Rittergeschl echte der Wcncelfk rrm
Sarabi c bestritten,
Das Buch musstc ungeheures Aufsehen erregen, denn die gerade im Jahre lööi
beim kaiserlichen Hofe sich besonders stark geltend machende katholische Partei West
nichts an versucht, um Diejenigen zur Strafe ku ziehen, die sieb nuf irgend eine Weise
bei der Ausgabe bclheiligten. An den Personen des Herren- und Ritterstandes, welche
die Druckkosten deckten, konnte man sich aber unmöglich vergreifen. Es wurden ilso
die beiden Prager Buchdrucker SedlÄansky und DaftickJ, die den Druck in Dresden
beziehungsweise in Leipzig vermittelt hatten^ verhaftet und büssten ihre That mit
einer iMngeren fiefängnissstrafe. — In der grossen Beschwerdeschfift *)t welche die
evatigeli sehen Stände mr Zeit der Verhtuidlungen um den Majestätsbrief (1^9) denn
Kaiser vorgelegt hatten, befindet sich auch (als 23. Punkt) eine Klage über diese
Gewattmassregel, die sich uicbl einmal mit Berufung auf Irgend ein formelles Recht
beschönigen liess.
Sonderbar genüge hat man die der Po^^tille beigegebenen Lieder im Jahre 1607 ia
Prag als „Pisnf na evangelia** (EvangelienliederJ anstandslos neudrucken Ijisseti.
*) Gvdruckl b« SI«VKiaj Fvnfd (Sl*«Ktft'i DvqkwdinliffkfliEefi) f. ff|o.
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X.
Bericht des Central- Vorstandes über das Vereins-
jahr 1887.
Nachdem in der dritten Generalversammlung unserer Gesell-
schaft am 20. December 1887 (vgl. Jahrb. 9. Jahrg. S. 59-— 64) die
Wahl des Central-Vorstandes stattgefunden, wurden von dem-
selben die bisherigen Functionäre, Regierungsrath Dr. Ritter von
Otto als Präsident, Oberkirchenrath Dr. Witz und Superintendent
Dr. Haase als Vicepräsidenten, Senior Lic. Dr. Trautenberger als
Secretär, Hof- und Gerichtsadvocat Dr. Ritter von Sääfals Cassier,
Buchhändler Grenser als Archivar wiedergewählt.
In der Versammlung des Central-Vorstandes am 15. März 1888
erstattete Herr Dr. Ritter von Sääf den Cassabericht über das
abgelaufene Vereinsjahr 1887 unter gleichzeitiger Vorlage der Belege.
I. Einnahmen.
A. Saldo vom Jahre 1886 1537 fl. 71 kr.
B. Gründerbeitrag von der evg. Gemeinde Teschen SO , — ,
C. Eingegangene Mitgliederbeiträge:
a) Rückstände bis inclusive 1886:
37 Beiträge ä 5 fl.
.
=
185 fl. — kr.
24 , ä 3 ,
.
=
72 , — ,
b) Beiträge pro 1887:
76 Beiträge a 5 fl.
.
=
380 . - ,
16 , ä 3 ,
=
48 . - ,
I Beitrag ä 3 ,
60 kr.
=
3 , 60 »
\ , ä 6 ,
14 >
=
6 . 14 ,
c) Beiträge pro 1888:
2 Beiträge ä 5 fl.
.
=
10 , —
I Beitrag ä 3 ,
.
^~"
3 , — 707 » 74 ,
Fürtrag . 229s fl. 47 kr.
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4/6,
75
>
2527 fl.
8
kr-
384 fl-
SO
kr.
282 ,
50
>
120
Uebertrag. . 2295 fl. 47 kr.
D. Einnahme durch den Verkauf des Jahrbuchs von
der Manz 'sehen (Klinkhardt 'sehen) Buch-
handlung pro 1885/6 laut Abrechnung
Nr. 1 89 fl. 82 kr.
pro 1886/7 laut Abrechnung
Nr. 2 95 , 4 , 184 ^ 96 ,
E. An Interessen von den Einlagen bei der Allge-
meinen Depositenbank:
a) Buch Nr. 21047 • • • • u fl- 93 kr.
b) , , 266g6 .... 34 ^ 82 ,
Gesammteinnahme
II. Ansgaben.
A. Druckkosten der vier Hefte des ^Jahrbuches*
Jahrg. 1887 und Versendung
B. Honorare an die Mitarbeiter am ^Jahrbuch* .
C. Diverse:
a) Schreibereien und Aufbewahrung des Mobi-
liarvermögens der Gesellschaft für die Zeit
vom I. October 1886 bis Ende December 1887
(fünf Quartale)
b) Bücheranschaffungen und Buchbinder .
c) Eincassiren der Mitgliederbeiträge . . .
d) Copiaturen, Porti, Stempel u. s. w. . .
Gesammtausgabe
Stellt man den Einnahmen per 2527 fl. 8 kr.
entgegen die Ausgaben , 820 , 72 ,
so ergibt sich Ende December 1887
ein Vermögenstand von 1706 fl. 36 kr.
Hievon waren am 31. December 1887 bei der All-
gemeinen Depositenbank laut
Einlagebuch Nr. 21047 347 A- 29 kr.
, , 26696 1104 » 28 ,
und in Händen des Rechnungslegers .... 254 » 79 ,
Zusammen 1706 fl. 36 kr.
Dem Herrn Cassier wurde das Absolutorium ertheilt und für
seine Mühewaltung der gebührende Dank ausgesprochen.
75 ,
>
20 ,
»3 »
30 ,
>
28 .
59 »
820 fl.
72 kr
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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in Oesterreich'S welches unter der Redaclion des Präsidenten
(Dr. Karl RitUr von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. A^Ä. Witz yxM^ldx, Theodor
Haase) und des Secretärs der Gesellschaft (Lic. Dr. Gustav Trautenberger) in viertel-
jährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in
Mittheilung von Urkunden, in Besprechungen und Noti/en Alles, was sich auf die
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht.
Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit Freude begrüsst und von
der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden.
Hier einige Worte aus Recensionen :
„Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb-
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf
man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheissungsvollen Anfang theilneh-
mend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang unter Gottes Segen getrost
in Aussicht stellen."
„Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das
Jahrbuch seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und
ausser Oesterreich ferner durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen."
^Wie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeit und
Verschiedenheit des Inhalts den gehegten Ei-wartungen."
Theologisches Litteratttrblatt (Leipzig) 1881. Nr. 20 u. sj. iSSj. Nr. sS-
„. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nachrichten über
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir
wünschen unsern österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang und
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische
Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 fl. jährlich leisten, unterstützende Mit-
glieder solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als G rün der einen einmaligen
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen."
Neue Evangelische Kirchenzeitung (Berlin) 1881. Nr. 22.
y,. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten Doppel-
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum Theil höchst
interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen dem so glücklich
begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fortgang,
Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins unter
den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen!"
(Prof. Dr. Lipsius) Theologische Literaturzeitung (Leipzig) 1881. Nr. ij.
Das Jahrbuch „für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem
Wcrth und Interesse aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen" u. s. w.
Theologischer Lüteratur- Bericht (Gütersloh) 1883. Nr. 8.
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüclitiger Redactioij
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir . . . nur wiefler
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evar.-
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Prote-
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per
sönliches und Allgemeines" u. s. w.
(Prof. Dr. Messner) Neue Evangelische Kirchenzeitung (Berlin) iSSj. Nr. 40.
pEs ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treffliche-
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jeden
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoll sini
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen^ u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung^ Wien i88j. Nr, 4103.
p. . . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations-historischer Forschung auf
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen.**
(Prof. Dr. ZÖckler) Evangelische Kirchenzeitung (Greifs w.) i88j. Nr. 48.
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenj^flicht, diese erste und einzige wissen
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützer.
und nach jeder Richtung hin zu fördern."
Evangelische Kirch enzeitung für Oesterreich (Bielitz) 1884. Nr. J.
„. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben* n. s. w.
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift aus der Schzueiz (Zürich) 1886. H. I. S. öl.
„Mit Freude begrüssen wir diese weiteren Jahrgänge der verdienstvollen Zeit-
schrift** u. s. w.
(Prof. S.-G.) Theologischer Litt er aturbe rieht (Gütersloh) 1887. Nr. 4,
Zur Nachricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnau bei Kulmbach in
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischer.
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Centralvor
Stande unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften •
„Geh nur davon, || Sey fromm für mir, {| Gib Armen hier, |{ Ich bin dein L^hn.^
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf l. Mos. 12
„Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
. Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm;
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild,
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron.*
Der Centralvorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) a l fi-
zu haben ist.
Druok von Wilhelm Köhler, Wien, ri< Mollardgnsse il.
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JAHRBUCH
der
GesellscMt für die Gescbicbte des Protestantisniüs
in Oesterreich.
Neunter Jahrgang.
III. Heft.
Juli — September 1888.
--"»SmB.-'
Wien und Leipzig.
Julius KHnkhardt.
1888.
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Inhalt von Heft III.
Sc
11. pLutheranisirung der Gemeinde Gnesau". Mitgetheilt von Pfarrer Friedrich
Koch, (Schluss.) i::
12. Extract der in materia religionis ergangenen k. k. auf die Gegenieforraation
im Teschener Gebiete bezüglichen Verordnungen 1692 — 1781, Mitgetheilt
von Professor R. Pritsche, III. (Schluss.) ij-
13. Die mährischen evangel. Kirchengemeinden und ihre Seelsorger in der
Reformationszeit. Mitgetheilt von George Deutsch ,...15
Zur Beachtung.
Wir ersuchen unsere Mitglieder, in ihren Kreisen für die V^erbreiiung J -. •
Gesellschaft thätig zu sein, und stellen zu diesem Behufe Exemplare der Statu*-
in gewünschter Anzahl zur Verfügung.
Laut Beschlusses des Centralvorstandes in seiner Sitzung am 27. Februar iSS,
erhalten die Mitarbeiter am „Jahrbuch", vom fünften Jahrgang (18S4) an, nach Erscheint, r
des betreffenden Jahrgangs als Honorar pro Druckbogen sechzehn Gulden ü. W.
Die Mitarbeiter sind allein verantwortlich für den Inhalt und die Form ;;-
unter ihrem Namen im Jahrbuch erscheinenden Artikel.
Den Mitarbeitern w^erden sechs Gratis • Separatabzüge ihrer Arbeiten n...
Erscheinen des betreffenden Heftes von der Köhler'schen Buchdruckerei franco zuge^en Je.
Eine grössere Anzahl von Separatabzügen kann nur nach rechtzeitiger Verständig!. _
der Herren Verfasser mit der genannten Buchdruckerei (Wien, VI. Mollardga<>j: ^i
gegen Erstattung der Druckkosten gemacht werden.
Die noch rückständigen Beiträge bitten wir an unsern Cassier, Herrn 11 •
und Gerichts-Advocat Dr. Carl Ritler von Säaf (Wien, 'l. Ballgasse 6), ehebaldig; "
einzusenden.
Für das „Jahrbuch" bestimmte Arbeiten, sowie Zuschriften an die Gesel;:.^..^
sind „An das Bureau der Gesellschaft, Wien, I. Dorotheergasse 16" zu richten
De?' Ce)Ltraivorsta7id
der Gesellschaft für die Geschichte des Prote^tanii-r
in Oesterreich.^fc
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XL
„Lutheranisirung der Gemeinde Gnesau.*'
Mitgetheilt von, Pfarrer FRIEDRICH KOCH.
(Schluss.)')
In Folge des vorstehenden Religions-Edictes und dieses Commis-
sions-Beschluses ist mit mehr Eifer und Nachdruck nach verführe-
rischen Büchern und nach dem Glauben der Pfarrs-Insassen geforscht
und es sind bloß in der Pfarre Gnesau samt Zedlitzdorf laut Ver-
zeichniß von 1752 sub 16/1 9 viele hundert schlechte Bücher gefunden
und abgenommen und mit guten katholischen Büchern vertauscht
worden. Es waren wönige Häuser, *) in denen nicht solche Bücher
gefunden worden wären. Es ist daher auch nicht zum wundern, daß
die meisten Pfarrs-Insassen vom Lutherthume sehr stark angefressen
waren und nur wönige ihren katholischen Glauben rein erhalten haben.
Es hat sich bey dieser Gelegenheit erwiesen, daß laut Bericht
sub 16/1 4 durch die Agitation des Schneider M. Neidhardt die meisten
Bauern zu Meytratten, als Christian, Zaminner, Pichler, Jaggl, Glatz,
Saliterer, Neidhardt Steinacher und Schreiber; dann der Caspar.
Schwab, Ranner, Möstl an der Sonnleiten; dann der Kalchgruber,
der Nager, Nuß, Burger, Payr untern Holz, die beiden Burgstaller
zu Gnesau mit sammt ihren Familien und den meisten ihrer Haus-
genossen lutherisch geworden sind.
In der damaligen Zedlitzdorfer Pfarrsgemeinde sah es noch
schlimmer aus, weil sie weiter von der Kirche entfernt und folglich
der Verführung noch zugänglicher waren. Es waren dort wönige
noch aufrichtig katholisch. Besonders halsstarrig haben sich laut
Bericht vom Jahre 1753 sub 16 i 12 Georg Eder, Peter Pränter, Bauern
1) Vgl. S. 65—82.
*) Der ursprüngliche Text lautete: „es war kein Haus, in deme nicht solche
Bücher gefunden worden wären."
Jahrbuch des Protestantismus 1888. H. III. 9
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in Haidenbach, erwiesen, da sie ihre Kinder nicht mehr wollten
taufen lassen, wenn ihnen nicht lutherische Taufpathen zugelassen
würden, denn sie gaben vor: die Kinder seyen schon nothgetauft.
und das sey genug, und wann sie auch erst später einmahl getauft
werden, so seye es auch recht, denn es ist Christus der Herr auch
schon 30 Jahre alt gewesen, als er getauft wurde. Man sieht die
lutherischen Grundsätze sind schon ziemlich tief in ihren Köpfen
gesessen.
Besonders eifrig hat man dut Glaubensverkehrung in der Um-
gebung dieser Pfarre betrieben, so daß die Ortschaften WöUach.
Drageisberg, Zedlitzberg. Tiebel und Hochegg in der Pfarre Himmel-
berg, dann die Teuchen und die Pfarre Arriach fast ganz dem
Lutherthume verfallen sind.
Für jene Gegenden ist die Verführung durch die Regenspurger
Emisäre hauptsächlich vom Dragelsberger, von der Grundnerin in
der Teuchen und vom Krammer in der Statt ausgegangen und
eifrig verbreitet worden.
Indessen hat man von Seite der k. k. Regierung durch die
Religions - Commisionen aufzuräumen angefangen, und es sind die
eifrigsten Verführer und Agitatoren theils nach Ungarn verbannt,
theils aber zum Festungsbau abgeführt worden. Aus der Pfarre
Gnesau sind am 17. Dezbr. 1752 der Schneider und Hauptagent
Mathias Neidhardt und sein Weib Ursula auf i Jahr zur Festungs-
arbeit verurtheilt worden; dann 1753 der Bauer Kaspar Sonnleitner
sammt Weib und Kindern ; der Ambros Obermühlbacher vgo Nager
mit seinem Weibe Johanna; der Lorenz Glatz vgö Möstl sammt
Weib und 2 Kindern auf 2 Jahre zur Festungsarbeit ; dann Balthasar
Glatz vgo Payr untern Holz; Jakob Köffeler, Bauer in Zedlitzdorf
sammt Weib und 4 Kindern auf i Jahr zur Festungsarbeit; dann
der Vincenz Nuss vgo Nuß samt Weib und drey Söhnen ; und der
Christian Pichler, Bauer, samt Weib und 6 Kindern.
1753. Am 14 May 1753 wurde abgeführt der Bauer Ruep
Kobalter in Görzwinkel mit seinem 18jährigen Sohn Josef, während
sein Weib mit 4 Kindern zurückgeblieben ist. Dann die 73 Jahre
alte Witib Anastasia Payerin, und ein gewiser Peter Nuß. Am
17 July 1753 wurde abgeRihrt Mathias Santer, Webermeister zu
Gnesau, samt seinem Weibe und 3 Kindern; dann der ledige
Andreas Sonnleitner und die 60 Jahre alte Wittwe Agnes Brugger,
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wie auch der Schneider Hans Kalchgruber mit seinem Weibe und
einem Kinde und ein Knecht des Eder in Haidenbach, Namens
Josef Rauter.
1754. Am 10 Juny 1754 traf die Reihe den schon genannten
hartnäckigen Protestanten Georg Eder, Bauer in Haidenbach, welcher
samt seinem Weibe Ursula und 4 Kindern, wahrscheinlich nach
Hermannstadt in Siebenbürgen zur öffentlichen Arbeit befördert
wurde, sowie auch am 23 July 1754 Johann Obermühlbacher, dann
sein Weib und zwei Kinder dorthin gewandert sind. — Am 5. August
des neml. J. wurde der Christian an derZamin (Maytratten) mit seinem
Weibe und zwey Kindern, dann der Adam Schreiber sammt Weib
und einem Sohn und die Bäuerin Elisabeth Raner zur Strafe ent-
fernt. — Am 19*«" August 1754 traf die nemliche Straffe die ver-
wittwete Biernwirthin zu Gnesau Namens Anna Payer, welche ihre
3 Kinder zurücklassen mußte, dann die ledige Ursula Pacher und
den Zimmermeister Christian Laßner samt Weib und Sohn. Am
2. Dezember 1754 wurden deportiert Veit Müller; dann Jakob
Pränter, sowie auch Gregor Glatz lediger Schreiber-Bauers Sohn,
sammt seinen 2 Schwestern Margareth und Katharina.
1755. Am 18. April 1755 traf die nehmliche Straffe den Lucas
Glatz Bauer an der Maytratten sammt Weib und zwey Töchtern
während 2 Kinder zurückgeblieben sind.
Am 12 Juny 1755 wurden abgeführt die ledigen Burschen
Lorenz Dolzner und Matthias Staudacher; dann am 11 July folgende
ledige Personen: als Magdalena Platzer, Maria Romm, Maria Dolzner,
Klement Krammer, Ruep Prandter und Katharina Rauter; dann
Peter Zahre, Niklas ThuU, Math. Graff, Christian Ranner und Simon
Kaunzer sammt seinem Weib Eva. Dann am 14 July Christian
Tschrinter; und am 25. July Urban Burger, Gertraud Rom und
Christian Dolzer. Dann am 20. August Simon Mayer vgo Winklbauer
samt seinem Weibe Maria und seiner Schwester Maria ; dann Susanna
Gangl, Ursula Moser und Christian Moser; sowie auch Kaspar Pil-
gram, Georg Stampfer, Nicolaus Huber, Brigitta Schuster, Mathias
Wegscheider mit Hinterlasung dreyer Kinder; dann Jakob und
Lorentz Glatz, der Bauer Gregor Burger, dem sein Weib Rosina
samt 2 Kindern nachgeschickt wurde; dann Georg Burger, Georg
Krammer, Joseph Oberrisser und Bartlmä Schnitter. Am 23 August
Gregor Mooser, Bauer an der Eben mit Weib und Tochter, samt
9*
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124
seinem Weibe Regina und der Tochter Maria; dann der Ulrich
Glatz, Bauer in Mitteregg sammt seinem Weibe Kunigund, während
seine 30 Jahre alte Tochter Rosina zurückgeblieben ist. Dann die
Bäuerin Kunigund Fritz in Haidenbach sammt 2 Kindern. So auch
Elisabeth Praenter Bäuerin in Haidenbach sammt 4 Kindern.
1756. Am 19 April 1756 traf das Loos der Deportation folgende
Personen: Lorentz Glatz, Mathias Nieschier, Jakob Pichler, Ursula
Pluech, Christina Feichter, Maria Kräuter, Maria Priss, Susanna
Krueg und Elisabeth Mayer vgö Kotzin, Elisabeth Gimpl, Bruggerin
ist heimlich entwichen.
Von dieser Zeit an gab es in der Glaubensverkehrung einen
Stillstand, indem viele wieder durch Ablegung des Glaubensbekennt-
nisses in den Schoos der h. kathol. Kirche zurückgekehrt sind ; die
andern aber sich wönigstens aus Furcht und Vorsicht ruhig ver-
halten haben.
Indessen hat das unlautere Feuer unter der Asche noch fort-
gegloßt, und es sind bey mehrmals wiederholten Untersuchungen
offenbar schlechte und verdächtige Bücher gefunden und abgenommen
worden. So berichtet Herr Pfr. Lorenz Foregger am 15. May 1767
sub 16/1 23 ,1. Obschon in diesen Vicariat dermahlen keine öffentl.
Ketzer befindlich, 2. so könnten doch heimliche Verführer in der
Gemeinde seyn — welche aber nicht bemerkt werden können. —
Verdächtige Gleißner giebt es 3. aber viele, die sich katholisch be-
kennen — und doch von lutherischen Büchern nicht ablassen wollen.
Erkennbare Emisäre sind 4. zwar keine gesehen worden, jedoch
gehen abgedankte Soldaten, Störgier, Abdekerleut und dergleichen
verdächtige Bettler ungehindert umher, welche bei den einschichtigen
Häusern im Gebirge die besten Geschäfte machen. 5. und 6. Weil
dermahlen keine offenbaren Ketzer da sind, so hat dieß Jahr auch
niemand das Glaubensbekenntniß abgelegt, die es aber im vor. Jahre
abgelegt haben — sind meistens laue Christen und verdekte Gleißner.
Von verdächtigen Zusammenkünften hört man nichts.
16. Von langer Zeit her sind keine, und zwar seyt der letzten
Visitation vor 4 Jahren sind keine ketzerischen Bücher eingebracht
worden, da aber in Himmelberg ungefähr einige angetrofen wurden
und die Untersuchung geschehen, da hat sich gezeigt, daß sich der
Tauschhandel in die Gnesau und besonders in Haidenbach ausgedehnt
hat; da nehmlich während der Osterbeichtzeit den 4. April durch
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den Gerichtschreiber bei Maria Fritz, Bäuerin in Haidenbach 5 solche
Bücher gefunden und abgenommen wurden; nehmlich i. Andächtiger
Better, 2. Habermann, 3. Psalmbuch, 4. Nürnberg. Handbuch,
5. Trost- und ChristenschuU. Dann bekannte sie über weitere Ur-
gierung ein Paradeisgartl des Arnt dem Arter Knecht Berti Huber
geliehen zu haben, welcher gleichfalls mit drey solchen Büchern ver-
sehen war, und nebst denselben eine Postille vom Ederknecht Thomas
Hassenberger zu leihen empfangen hat. Mithin ist auch dieser ohne
Verzug aufgesucht worden, welcher bekannte, nebst vorigen noch
zwey andere Bücher von seinem zu Gmünd verstorbenen Vater über-
nommen zu haben, welcher ihm dieselben sehr empfohlen hat. —
Nun sind diese 2 Knecht gleich am nächsten Tag zu dem P. Carme-
liter Praeses zur Beicht gekommen und weil unbekannt als katholisch
angenommen worden.*
So fuhrt einem der Teufel von einem Verbrechen zum andern.
,Die genannte Bäuerin Maria Fritz geborne Arter, des Lesens
kundig und immer verdächtig, da sie noch bey Lebzeiten ihrer, dem
Scheine nach, katholischen Eltern sich zur Augsb. Confession schreiben
ließ, aber als angehende Braut am 26. Octob. 1755 wieder öffentl.
das Glaubensbekenntniß abgelegt und dadurch wahrscheinlich nicht
den Glauben sondern nur den Namen geändert hat. Ihr Ehemann,
welcher des Lessens unkundig war und für gut gehalten wurde, ist
als Mitwiser schuldig. — Er bath sie Beide zur h. Beichte anzu-
nehmen, allein sie blieben einstweilen von den h. Sakramenten aus-
geschlossen. —
21. Der Gottesdienst wird an Sonntagen im Winter um 9 Uhr,
im Sommer um 8 Uhr gehalten mit einer cathetischen oder pole-
mischen Predigt.*
Ein anderer Bericht des vorgenannten Pfarrers vom 26. Septbr.
1771 16/1 24 an das F. B. Salzb. General Vicariat zu Lavant lautet:
Da Sf Hochfürstl. Gnaden als gnädigste Salzburger Generalvicario
zu wissen beliebet, welche von anno 1767 bishero a censuris loßge-
sprochen, und hierüber ein genaues Verzeichniß abverlangt wurde;
diene unterthänigst : daß in meinem Vicariat Gnesau, wegen zurück-
behaltenen und gerichtlich abgenommenen- sectischen Büchern, fol-
gende sonst katholisch sich benennende, mit gnädigster Erlaubniß
wieder angenommen, und nach öffentlich abgenommenen Glaubens-
bekenntniß von mir Endesbenannten absolviert worden: als anno 1767
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den 2. August Sebastian Flath vgö Fritzbauer in Haidenbach als Mit-
wisser. Dessen Eheweib Maria Pilgram als recidiva. Thomas Hasscn-
berger von Nöring, p. t. Knecht bey Eder in Haidenbach, wegen
einigen ererbten und behaltenen Schriften. Anno 1768 den 12 Juny
wurden mit auferlegten, öffentlichen Rosenlcranzgebette vor der Pro*
cession folgende 14 auch sonst katholisch sich benennende, wegen
verbothenen Büchern betrettene, absolviert : Matthias Dallnig, Weber
und Keuschler in Weissenbach, von Teuchen. Simon Lieschnig
60 Jahre alter lediger Knecht. Christian Kranner, Bauer am Görz-
berg. Georg Schinder vgö Winkelbauer. Georg an der Mauer, Bauer
in Zedlitzdorf. Philipp Steinacher Bauer am Bergl als Mitwisser.
Dessen Eheweib Gertraud Hölbling. Lorenz Gastinger Bauer an der
Eben. Maria Gastinger Witib alldort. Matthias Zahre, Bauer allda,
des Lesens unkundig. Christian Möstl, Weber und Keuschler am
Moos. Dessen Eheweib Gertraud Jainig. Georg Müller Weberknecht
alldort. Michael Tilli Knecht bei Brugger.
Anno 1769 den 16 7^ Matthias Neidhardt Bauer an der May-
tratten, wegen fremden aufbehaltenen Büchern.
Anno 1770 den 20. März tempore jubilei Georg Tschrieter Bauer
am Görzberg. Den 7. Aprill Gregor Demon ein 70 Jahr alter Inwohner
aus Teichen recidivus wegen Büchern, wird wegen seiner Mühselig-
keit angenommen.
Von dieser Zeit an ist nichts mehr Wiedriges vorgekommen.
J. L. Foregger von Greifenturn.*
So standen die Sachen betrefs des Protestantismuß, als Weiland
Sl Majestät Kaiser Josef II unter 13 October 1781 das unheilvolle
Tolleranz-Patent publicieren ließ. Es fand ein unter der Asche
glimmendes Feuer, welches jetzt wegen günstigen Luftzuge hellauf
loderte ; denn die bisherigen Heuchler warfen nun freudig ihre Lan*en
ab und mit verdoppelten Eifer arbeiteten sie um recht viele Prose-
Hten zu machen, was ihnen auch nur zu gut gelungen ist. Denn
leichtsinnige, nach den Fleischtöpfen Egyptens lüsterne, gleichmütige,
unwissende und angefaulte Katholiken gab es damals genug, welche
sich gerne bereden ließen den Selbstüberwindung und Demuth des
Herzens fordernden katholischen Glauben gegen ein dem mensch-
lichen Hochmuthe schmeichelndes, der Sinnlichkeit nachgebendes
und allseitig commodes Religiönlein zu vertauschen, wo der Glaube
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aliein selig macht und keine Werke erfordert werden. Daher haben
sich auch, nach der Publikation des obigen Patentes eine unver-
muthet grose Menge als Protestanten erklärt und einschreiben lassen,
so daß sich die erforderlichen Familien bald zusammen gefunden
haben, welche erforderlich waren um ein Betthaus zu bauen und ein
Pastorat samt Schule zu errichten; besonders da sie zum Huben-
ankauf und zu allen Meisterrechten berechtigt wurden.
Zwar sind viele rein überredet worden diesen verderblichen
Schritt zu thun und darum sind auch nachträglich, anno 1783, 43 Per-
sonen dem Pfarrer allhier und 43 den P. P. Carmelitern in Zedlitz-
dorf zum öwöchentlichen Religionsunterricht übergeben worden, als:
Philipp Sonnleitner, Weber, Ursula Sonnleitner Krammerin in Graben
mit 2 Töchtern, Ursula Hofifer, Magd; Eva Berger, Magd; Leopold
Löchner, Schneider; dessen Weib Gertraud; Christina Löchner und
ihre Tochter Eva; Anton Laboisnig Schneider gesell; Jakob Hölbling
Unterwirth, mit 3 Kindern; dann Jacob Grundner, Knecht, Jacob
Granig, Knecht; Johann Papst, Knecht; Michel Staudacher, Knecht;
Binder Matthl und dessen Eheweib; die alte Glatzin zu Maytratten;
Thoman an der Eden samt seinem Weibe und seiner Stiefmutter
und seiner Schwester; Matthias Kobalter Gast in der Zaminner-
keusche; Maria Baumgartner beym Pichler; und Simon Meinhart
beym Bauer am Bach. Dann der Haberl Bauer, dessen Weib, Mutter
und Bruder; Bärtl am Bichl sammt seinem Weibe; die Magd
Christina Haßlerin; Rupert Grundtnig, Knecht beim Michl; Kristian
Mülbacher Knecht ebendort sowie auch die Mutter des Bauers Eva
Sonnleitner; Georg Schintler Bauer, dessen Knecht Loren? Klein-
dienst und dessen Magd Maria Mayerl und Thomas Rainer, Ober-
lukenkeischler.
Laut Anmerkung sub 16/1 21 befanden sich damahls d. i.
19. July 1783 lOi erklärte Lutheraner in der Pfarre Gnesau.
Ob die obgenannten zum öwöchentlichen Unterricht verwiesenen
sowie auch die 43 von den Carmelitern unterrichteten Personen
wirklich lutherisch geworden, oder zum Katholizismus sich gewendet
haben, ist nicht gesagt; wahrscheinlich sind die Meisten dem Luther-
thum verfallen.
Indessen in dem Verzeichnisse der vom 24. July bis 6. Nov.
1783 Abgefallenen ddo. 24 9^ 1783 kommen nur folgende 22 Per-
sonen vor: Susanna Schury Magd beim Schintler in der Gnesau.
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Karl Tillitz, Gast in der Ahrterkeische samt Weib und 2 Töchtern,
Michael Flath Gast in der Payrkaische, Peter Sturm ein Fremder
aus Prün, Ursula Burgstaller Bäurin zu Gnesau, Eva Wiesneger
beim Hauser am Feld (zu Maytratten), Maria Pibernig beim Kristl
in der Kläm, Gertraud Winkler Gästin bei Flath, Maria Kobalt er
beim Glasser an der Maytratten, Jakob Hoffer Knecht beim Siegl
in Zedlitzdorf, Gregor Weinberger Knecht beim Siegl in Zedlitzdorf,
Maria Rainer Oberluken-Keuschlerin, Maria Schintler alte Bäurin an
der Schintlerhube, Maria Flath und ihr Sohn Vincenz beym Schintler
in Gnesau, Eva Bernthaler Gästin beym Brugger, Regina Mader
Bacherin an der Maytratten, Lucia Adelbrecht beym Payr untern
Holz, Johann Gurgger Weber beym Bruggern-Jagl (Zedlitzdorf).
Laut einem zweyten Bericht ohne Datum wahrscheinlich vom
Jahre 1783 sind am 24. Xber abgefallen folgende 5 Individuen:
Johann Galler, Blasi Grunwald, Rosina Lakner, Maria Leeb und Anna
Oberdorfer.
Laut Bericht vom letzten Juny 1784 sind in der ersten Hälfte
desselben Jahres vom katholischen Glauben abgefallen folgende
IG Personen: Leonhard Marktl bey Michl an der Sonnleiten am
25. März, Peter Adelbrecht bey Krammer im Graben am 25. März,
Maria Hölbling Bauers (Steinacher) tochter am 8. Aprill, Matthias
Fächer, Schustergesell in Zedlitzdorf am 8. May, Ulrich Krameter
bey Kalchgruber in Gnesau am 11. April, Anna Mitterer bey Toff
in Mitteregg am 15. May, Magdalene Dalnig bey Hois am Kofel
am 22. May, Anna Pabst bei Prugger in Gnesau am 22. May,
Maria Huber bey Glatz an der Maytratten am 6. Juny, Josef
Kötterer beym Flath in Görz am 19. Juny. Dann laut Bericht voai
30. Aprill 1785 sind von i. Jänner bis letzten Aprill desselben
Jahres aus der Pfarre Gnesau zum Lutherthum gerathen, folgende
6 Personen:
Johann Schuri vgö Plörgbauer in Gnesau am i. Febr., Sebastian
Glatz Knecht beym obigen, Georg Köchl Knecht bey Schreiber zu
Maytratten am 19. März, Matthias Glatz vgo Payr untern Holz am
2. Aprill, Veit Glatz des obigen Sohn und Besitzes Nachfolger am
2. Aprill, Rupert Marktl Bauerssohn und Zimmermeister am 19. April,
Dieser soll seinen Abfall oft bereuet haben, hatte aber nicht den
Muth, zur Kirche zurückzukehren.
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Pastorat. In Verbindung mit den in den Pfarren Himmelberg,
Feldkirchen und Tififen befindlichen Lutheranern ist ohne Zweifel
schon am Ende des Jahres 1782, längstens aber 1783, in Gnesau
ein Pastorat errichtet worden, dem die Lutheraner von Sirnitz und
jene am Kraigerberg als Filialen-Gemeinden mit eigenen Bethäusern
beigegeben worden sind, sowie auch alle in Unterkärnten zerstreuten
Protestanten.
Betthaus. Ein Betthaus hat bey Errichtung eines Pastorates
noch nicht bestanden, sondern sie haben anfangs ihren sogenannten
Gottesdienst im Stadl des Michl oder Sonnleitner an der Sonnleiten
gehalten.
Mittlerweile . hat man auf Errichtung eines Bethauses gearbeitet.
Allein es handelte sich jetzt um einen geeigneten Bauplatz. Anfangs
wollte man denselben an der Maytratten auf dem Grunde des Neid-
hardtbauers gefunden haben, weil dort (vide pag. 121) die meisten
Bauern von der Ketzerey angestekt oder wegen früher stattgehabter
Anstekung noch immer verdächtig und wankelmüthig waren. Allein
der Neidhardtbauer ist in den Schooß der h. katholischen Kirche
zurückgekehrt und hat die Erbauung des Bethauses auf seinem
Grunde nicht bewilliget. Dann wollte man den Tempel sammt Pa-
storat und Schulhaus auf dem Felde des Brugger zu Gnesau errichten,
denn dieser Bauer Adam Schintler ist so wie sein Bruder der Schintler-
Bauer lutherisch geworden, während ihre Weiber katholisch geblieben
sind; da hat sich aber die brave Bäuerin Maria geborne Winkler
diesem Vorhaben mit aller Kraft eines würdigen Weibes widersetzt
und zwar mit dem Bedeuten, daß sie den Tempel des Unglaubens
in Brand steken und sein Bestehen niemahls dulden werde.
So ist die nächste Umgebung der Kirche von der Errichtung
des Bethauses verschont worden.
So wurde der Versammlungsort der Abgefallenen in Weisen-
bach, beyläufig 1 500 Schritte von der Kirche entfernt, erbaut, wozu
den Platz ein Katholik, nemlich der Pratschbaurer hergegeben hat,
dem sie noch heute einen jährlichen Pacht zahlen müssen. So be-
richten es alte Leute, welche es von ihren Eltern erfahren haben.
Anfangs war dieser Tempel • nur aus Brettern zusammen-
geschlagen sowie auch Pastors-Haus eine armselige Hüthe war. Im
Jahr 1803 beyläufig wurde das sogenannte Bethaus gemauert, so
wie es gegenwärtig ist. Das Pastorathaus aber wurde erst im Jahre
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1849 überbaut und zwar grosentheils aus Ziegeln gemauert, so daß
jetzt ein schönes und geräumiges Haus dasteht, deren Bezahlung
viele Schwierigkeiten erzeigt hat, die noch nicht gehoben sind.
Pastoren.
Am 30 Dezbr 1782 steht im Tauf buche der erste Pastor als
Taufender und zwar nur einmahl eingeschrieben: Johann Hagen*).
Ob er aber wirklich hier angestellt war, ist ungewiß ; wahrscheinlich
war er nur Pastor zu Arriach und hat dort ein Kind vom Görz-
winkel getauft.
Nach dieser Vermuthung wäre der erste Pastor von Gnesau:
1. Christoph Sigmund, welcher am 13. August 1783 das erste
Mal als Taufender eingeschrieben erscheint; aber schon im Jänner
1784 erscheint als Pastor
2. Gabriel Wucherer, welcher am 27. May 1801 zu Klagen-
furth 86 (?) Jahre alt gestorben und am 30. desselben Monates hier
beerdiget wurde. Er soll ein sehr frommer und ruhiger Mann gewessen
sein, war aber bey seiner Gemeinde nicht beliebt und geachtet, ja
er soll arg verfolgt worden seyn, weil er zu wönig lutherisch war
— bey seinem Tode will man einen Rosenkranz an seinem Halse
hängend gefunden haben. Ist das richtig so, so giebt dieser Um-
stand hinlänglich Zeugniß, daß er nur aus Brodsorge Pastor war
und nicht den Muth hatte seinen Glauben zu bekennen aus Furcht
vor dem Hungerleiden *).
3. Johann Christian Lederer erscheint zuerst am 31. Dezbr 1801
bis zum Jahre 1816, wo er am 22 9^ noch da war.
4. Paul Laitner erscheint zuerst am 23. Dezbr 18 16 und zum
letzten Male am 8. August 1820').
5. Daniel Langius erscheint zum ersten Male am 30. November
1820 und zum letzten Male am 24. August 1823. Er war nicht
1) Vgl. Waldau, Geschichte der Protestanten in Oesterrcich, 2. Bd., S. 528.
J. Hagen war seit 1782 Prediger zu Arriach.
*) Es dürften in Oberösterreich wenige evangelische Geistliche gestorben oder
auf andere Stellen in die Ferne gezogen sein, über welche nicht gleiche oder ähnliche
Gerüchte in Umlauf gesetzt worden wären. Das ist hierzulande ein alter und bis in
die neueste Zeit geübter Brauch.
•) Im Jahre 1824 wurde Laitner Professor der Moral und Pastoraltbcologie an
dem „protestantisch-theologischen Studium" in Wien, gest. 1855. Vgl. Frank, Die k. k.
ev.-theol. Facultät in Wien, S. 31 f. Taufrath, Nachrichten über die k. k. cv.-theol.
Facultät in Wien (2. Aufl.), S. 14.
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beliebt, weil er zu wönig lutherisch war. Er ist von da als Pastor
nach Fresach überwandert und von dort nach Hermahnstadt in
Siebenbürgen, wo er eine Tabak-Krämmerey betreiben soll.
6. Christian Posnik erscheint zuerst am 14. Febr 1824 und das
letzte Mal am 20. Juny 1832, Er ist nach Ungarn übersiedelt. . . .
7. Jakob Traninger aus Bleyberg; erscheint zuerst als Pastor
hier am 27. November 1832 und zum letzten Mahle am 24. Aug.
1845, obwohl er noch längere Zeit darnach hier geblieben ist, weil
er mit der Gemeinde in Betref seiner Dienstesentsetzung und Pen-
sion einen Prozeß geführt hat. Er war ein ordnungsliebender Mann,
aber nach dem Urtheile der Gemeinde zu wönig lutherisch, daher
nicht beliebt
Es wurde ihm in der Person des Christian Raschke ein Vikar
heygegeben, wodurch die Lage des guten Pastors noch schlimmer
wurde, denn dieser Vicar wollte selbst Pastor werden und die Ge-
meinde hatte ihn zu ihrem Hirten gewünscht Indessen wurde
diese Angelegenheit durch eine gemischte Commission, bestehend
aus dem Superintendenten Pauer in Wien und einem politischen
Beamten, untersucht, wovon das Ende war, daß die Gemeinde dem
abtretenden Pastor 200 fl jährliche Pension zahlen und den Vikar
Raschke entfernen mußte. Dieser ist jetzt Pastor in Trebesing. Ihm
folgte nach :
Karl Babiräth ein Ungar, Anfangs Juny 1847, der noch gegen-
wärtig da ist. Dieser hat sich bisher in seinem Amte zu erhalten
verstanden, obwohl allgemein und laut über ihn geschimpft wird
Im Jahre 1848 hat er sich auch als eifrigen Lutheraner erwiesen,
da er mehrere Kinder aus gemischten Ehen der katholischen Schule
entwendet und dem Protestantismus einverleibt hat
J. Baumgartner Pfarrer.
Obiger Karl Babiräth ist am 10. Oktober 1856 nach Ramsau
Amtsbezirk Schladming in Obersteyer überwandert und an dessen
Stelle hier ist nach einem Zwischenräume von 6 Monathen am
27. März 1857 eingetreten Herr Schmidt.
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XII.
,,Extract derer in Materia Religionis ergangenen
sowohl Kaiser- und Königlichen — als Königlich
Ober-Amtlichen — dann Königlichen Amts- — wie
auch Königlichen Repraesentations- und Cammer-
Rescripten ab Anno 1692/'
Mitgetheilt von Professor RICHARD PRITSCHE.
III. (Schlu8$.)*)
Verordnungen gegen die dem Religionsanspruch Unterliegenden.
1756, den 2. Oct. K. K. Repr. R. wegen der erfolgten aller-
höchsten Resolution in puncto der angesprochenen Johann Fol-
warcznischen Tochter von Bludowitz.
1766, den 30. Sept. K. K. A. R. wegen abweißlicher Vor-
bescheidung des Andres Kischa von Smilowitz A. C. mit seinem
eingereichten Gesuch von dem Anspruch malae educationis befreyet
zu werden.
1766, den 13. Dec. K. K. A. R. um Anzeigung der Umstände
in Ansehung der von verschiedenen Oldrzichowitzer Unterthanen
bei Ihro Mayestät allerunterthänigst eingebrachten Beschwerde wider
den Trzitiescher Pfarrer wegen des von ihme entgegen ihre Kinder
zur Ungebühr machen sollenden Religions-Anspruchs.
1769, den I. April. K. K. A. R. um Gutachten über das von
dem Bernhard Primus in Tierlitzko wegen seinen ansprüchigen
Kindern höchstens Orths eingereichte allerunterthänigste Gesuch,
1769, den II. April. K. K. A. R., daß der Anna Fyrkin von
Gutty Tochter Maria Anna von all ferneren Religions-Anspruch
gäntzlich befreyet worden seye.
1771, den 21. Sept. K. K. A. C. Das K. K. Amt commu-
nicirt die Anzeige der Frey in von Skrbensky auf Grodzischtz wegen
*) Vgl. S. 39—53 und S. 103— 115.
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133
der von dem Müller Johann Kottula nebst seinem Weibe und
8 Kindern intendirenden Revertirung aus dem Preußisch Schlesien,
wann er von dem Religions-Anspruch befreyet wurde.
1771, den 8. Oct. K. K. A. R., daß des Grodetzer Müller
Johann Kottula seine Kinder vom künftigen Anspruch frey sein
sollen.
1773, den 2. Jan. K. K. A. R. um Erstattung eines Berichtes
über das Gesuch des Johann Wladniczny von Ellgoth wegen Be-
freyung seiner ins Preußische emigrirten und zurückkehren wollenden
zwey Töchtern von allem Religions-Anspruch.
^771^ den 20. April. K. K. A. R., daß der Johann Pindur
von Gutty, weilen er seine von ihme zur kath. Religion verspro-
chene zwey Söhne Andres und Adam in die christliche Lehre nicht
abschicken will, auf 6 Wochen ad opus publicum bey der Stadt
Teschen angestellet und wann solches bei ihme nichts verfangen
möchte, er hernach auf seine eigenen Unkosten nacher Troppau
überbracht und allda so lang in opere publico weithers zu arbeithen
angestellet werden würde, bis er seine zwey Buben werde gestellet
haben.
1773, den II. Dec. K. K. A. R., wie nach dem Adam Niem-
czyk von Ober Trzanowitz ernstlich zu bedeutten seye, daß, wofern
derselbe binnen 3 Tagen seinen dem Anspruch unterliegenden dritt-
gebohrnen Sohn Johann nicht zurück gesteilen und dem katholischen
Unterricht übergeben wird, er sodann mit mehrerem Nachdruck
und Schärfe hierzu angehalten einfolglich mit einem 6 wöchentlichen
opere publico bey der Stadt Teschen geschlossener beleget und da-
durch zu Gestellung seines Sohnes verhalten werden würde.
1774, den I. Mertz. K. K. A. V., daß die Susanna Krzemien
und Susanna Kischa, wann sie ihre angeferttigten Kinder binnen
3 Tagen ihren Pfarrern zum kath. Unterricht nicht stellen würden,
mit einem 6 wöchentlichen opere publico bey der Stadt Teschen
beleget und falls diese Züchtigung nichts fruchten sollte, gedachte
zwey renitente Mütter nacher Troppau zu Verrichtung einer ander-
weithigen öfentlichen Arbeit gebracht werden sollen.
1774, den 3. May. K. K. A. L, daß die Anna Pindurin mit
dem Gesuche ihre Kinder Männlichen Geschlechts bey der Vätter-
lichen Religion in Ruhe zu belassen, nicht nur ab sondern sie auch
und ihr Ehemann zu fernerer Gestellung ihrer Söhne zum kath.
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Unterricht unter Bedrohung der schärfesten Zwangs-Mittel ange-
wiesen und Beeden all weithere Behelligung des höchsten Hofes mit
gleichfalls schärfster Bedrohung untersaget werden solle.
1780., den 19. Febr. K. K. A. R., kraft welchen der Georg
Raschka aus Wendrin von dem auf seine Kinder Männl. Geschlechts
gemachten Anspruchs gänzlich entbunden und frey gesprochen wird.
Verordnungen über das Ustroner Waysen-HauD.
1749, den 9. S ep t. K. R. betreffend das von Ihro Kays. Mayestät
dem Lippowetzer Waysen-Hauße jährlich Allergnädigst resolvirten
1200 fr., wohin auch das confiscirte Vermögen der relegirten Apo-
staten zum Theil gehörig.
1750 K. K. Repraes. R. vom 9. Juny um Bericht, ob nicht das
Lippowetzer Waysen-Hauß nacher Ustron transferiret und daselbst
ein standhaftes Hospital errichtet werden möge.
1753, den 13. Oct. Extract eines K. K. Repr. R., wienach
Ihro K. K. Mayestät dem Ustroner Orphanotrophio bloD 300 fr.
zum jährlichen Unterhalt verwilliget haben.
1753, den 20. Oct. K. K. Repr. R. wegen der aus dem arrest
entwichenen 4 Söhnen des apostatirten George Buchtschick, dann
was respectu seines Vermögens vorzukehren und daß hinkünftig alle
pro male educatis erkannten Kinder nach dem 7. und 8. Jahr in
das Orphanotrophium gegeben werden sollen, jedoch mit dem Ver-
stände: daß wann deren Eltern ihnen die Media alimentationis zu
verschaffen in dem Stande seynd, seibete auch allerdings hirzu an-
zuweisen, wo aber diese unvermögend, solche Kinder von dem Fun-
dations-Instituto zu unterhalten seyn würden.
1753» den 27. Oct. Extract eines K. K. Repr. R., womach
auch angeferttigte von 18 Jahren wie des Paul Sytko Tochter auf
drey Monath an das Orphanotrophium zu Ustron zu geben seyn.
1753» den II. Dec. K. K. Repr. R., daß die Eltern derjenig-en
Kindern, welche als male educati zu ihrer Reduction in das Ustroner
Orphanotrophium übergeben werden, des Jahres hindurch 30 fr. und
zwar quartaliter anticipato 7 fr. 30 kr. abzureichen, jene hingeg^en,
welche mit derley baarer Bezahlung nicht aufkommen könnten, flir
ihre Kinder an Victualien quartaliter eben so viel nach dem Tesch-
nischen Marck-Preyß abzugeben verbunden seyn sollen und womit
die Eltern zu heimlichen Unterredungen mit ihren in Orphano-
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trophio befündlichen Kindern nicht zugelassen würden, sondern
solchen entweder der P. Missionarius oder Instructor beywohnen
möchte.
1753» ^^" 29. Dec. Extract eines K. K. Repr. R. respectu
der übel erzogenen Kindern des George Niemietz, die, wann keine
Frucht der kath. Instruction anzuhoffen, in das Orphanotrophium
gegeben werden sollen.
1754, den 23. Febr. K. K. Repraes. R., kraft welchem die
facultates der Relegirten confisciret und dem Orphanotrophio zuge-
wendet werden sollen.
1754, den 8. Juny. K. K. Repr. R., damit bei dem P. Missio-
nario in ipsis aedibus Orphanotrophii Niemanden außer denen Waysen
Einkehr oder Wohnung unter dessen Verantworthung gestattet würde.
1754, den 25. Juny. K. K. Repr. R., daß weilen dies Orpha-
notrophium vi Instituti für die orphanos et orphanas destiniret ist,
andere nicht ehender hinein zu geben, als wenn die Reduction durch
die parochos nicht füglich zu erreichen ist.
1754, den 23. Sept. K. K. Repr. R., daß die aus dem Orpha-
notrophio dimittirten Kinder de casu in casum gegen Bescheinigung
ihren Gründen Obrigkeiten eingeantwortet werden sollen, welche sie
denen Eltern, oder, in defectu eorum zu kath. Würthen in Dienste
zu übergeben und daß selbe nicht die Flucht ergreifen.
1755, den 9. Dec. K. K. Repr. R., daß dem Teschnischen
Cammer Ober-Regenten die zu dem Ustroner Waysen-Hauß gewid-
mete Gurschdorfer Geistl. Verlassenschafts- und Groß-Herrlitzer Straf-
Gelder zusammen 614 fr. 15 kr. mit nächster Gelegenheit zugesendet
werden sollen.
1756, den 24. July. K. K. Repr. R. wegen Promovirung des
Simon Sliwkischen Sohns ad Orphanotrophium.
1757, den 5. Mertz. K. K. Repr. R. wegen der Gestellung
des Johann Krania' Sohns Johann und des Mathes Krania von Orlau
ad Orphanotrophium.
1759? dc^ 27. Oct. K. K. Repr. R., vermöge welchem dem
Heinrich Semball die Praeceptor- Stelle bei dem Ustroner -Waysen
Hauß conferiret werden mag.
1760, den 13. April. K. K. Repr. R. wegen Annehmung des
nach Absterben ihrer Mutter Pasternack hinterlassenen Madeis in
das Ustroner Waysen-Hauß.
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1760, den 21. Oct. K. K. Repr. R. wegen Ernennung des
P. Paul Stocklossa zur Aufsicht und Instruction der in dem Waysen-
Hauß zu Ustron befündlichen Jugend.
1761, den 15. Dec. K. K. Repr. R. wegen Bestättiguiig des
P. Georgii Kubitza zu der Ustroner Waysen-Hauß Inspection.
1762, den 24. April. K. K. Repr. R., daß des Bielitzer Bürger
Andres Bittner seine jüngere Tochter in das Ustroner Orphanotro-
phium zur Erziehung im kath. Glauben abgegeben werden solle.
1763, den 26. Febr. K. K. Repr. R. wegen Ablieferung der
5 übrigen Bittnerischen Töchtern in das Ustroner Waysen-Hauß
auf Unkosten ihres Vatters.
1763, den 19. April. K. K. Repr. R. wegen Bestrafung des
Andres Bittner von Bielitz mit 100 fr. pro Orphanotrophio ex causa
weilen er seine ältere der kath. Religion adjudicirte Tochter nacher
Pleß zur Luth. Lehre und Abendmahl gefuhret.
1763, den 7. Juny. K. K. Repr. R., um binnen 8 Tagen die
Auskunft wegen der geschehenen Entweichung des Andres Bittner
von Bielitz samt seinem Weibe und saugenden Kind zu erstatten.
1763, den 10. Dec. K. K. Repr. R. : wegen des Bielitzer Bürgers
Andres Bittner, dann seines Eheweibes und seiner in Ustron befünd-
lichen 5 Töchtern, um erstere nach Bielitz zurückzulocken und über
den Ausschlag der Sache zu relationiren.
1764, den 8. Febr. K. K. A. R. in Betreff der Bittnerischen
Ehe-Leuthe und Kinder, damit jenen diese bei ihrer Rückkehr nebst
dem hinterlassenen Vermögen retradiret und der Erfolg einberichtet
werde.
1765, den 2. Jan. K. K. A. R. wegen Approbation des zum
Ustroner Waysen-Hauß Praeceptor in Vorschlag gebrachten P. Franc.
Conv. Anton Ephrem und Amovirung des Heinrich Semball.
1765, den 26. Nov. K. K: A. I. wegen des vor 2 Jahren ge-
tauften Sohns des Friedecker Judens Baruch Munck und dessen
Abgebung in das Ustroner Waysen-Hauß zum Unterricht und Er-
ziehung im kath. Glauben.
1766, den 15. April, K. K. A. R. wegen des Adam Polok
älteren Tochter Marina, daß selbe denen Eltern abgenommen und
in das Ustroner Waysen-Hauß abgegeben werden solle.
1766, den 21. Oct. K. K. A. R. um guttachtlichen Bericht,
wie mit Abkürzung des Unterrichtes bei denen in dem Ustroner
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Waysen Hauße befündlichen Kindern dieselben zu denen erübri-
genden Nebenstunden zu Manufactur-Arbeithen angehalten werden
könnten.
1766, den 10. Febr. K. K. A. R. wegen Absetzung des Prae-
ceptoris in dem Orphanotrophio Anton Ephrem und Anstellung des
Johann Maday statt seiner.
1767, den 17. Mertz. K. K. A. I., daß die Jugend in dem
Ustroner Waysen Hauße bei der daselbst eingeführten Flachs- Spin-
nerey ferners erhalten werden solle.
1768, den 27. July. K. O. A. R. wegen Arrestirung des Mathes
Liberda und Paul Rudzky von Oldrzichowitz in so lang bis sie ihre
Kinder in das Ustroner Waysen-Hauß werden gebracht haben.
1768, den 13. Dec. K. K. A. R. um eine Äuserung über das
dem Ustroner Waysen-Hauß von Weyl. Herrn Carl Freyh. von
Pfütschner a Palude gewesten würcklich geheimen Raths durch Sub-
stitution nunmehro 'zugefallene Verlassenschafts-Vermögen.
1770, den 13. Jan. K. K. A. R. wegen Aufnahm der drey
Kinder der vom Judenthum zum Christlichen Glauben bekehrten
Franciscae Gottwillin in das Ustroner Waysen-Hauß.
1770, den 22. Dec. K. K. A. I. in Betreff der von dem Freyh.
von Pfütschner a Palude dem Ustroner Waysen-Hauß zugedachten
mit Zuschlag der Interessen nunmehro auf 25000 fr. sich erstrecken-
den Fundationes.
1773, den 20. Mertz. K. K. A. I. wegen der dem P. Sylvester
Geyer allergnädigst verliehenen Inspectorat-Stelle in dem Ustroner
Waysen-Hauße.
1773, den 16. Nov. K. K. A. R., damit des getauften Juden
Dominik Bobretzky Brandwein Pachters zu Bobreck hinterbliebenen
zwey getauften Kinder Leopold und Mariana in das Ustroner Waysen-
Hauß an- und aufgenohmen auch unterhalten und von allen Nach-
stellungen wohl verwahret werden möchten.
1776, den 20. April. K. K. A. R. wegen zu veranlassender
An- und Einnahm des von einem zum kath. Glauben von dem cal-
vinischen Irrthum convertirten und von Schwarz- Wasser außer Landes
sich begebenen Taglöhners daselbst hinterlassenen Mägdels in das
Ustroner Waysen-Hauß.
1776, den 23. April, Inhalts dessen des Bielitzer Bürgl. Sattler-
Meysters Andreas Schauderma jüngere Tochter Dorothea in das
Jahrbuch des Protenantismus xS88. H III. "[Q
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Ustroner Waysen-Hauß gegeben werden solle, deren Eltern aber
wegen nicht erfolgter Gestellung dieser ihrer Tochter zum kath.
Unterricht mit einem 24 stündigen Stockhaus Arreste bei Wasser
und Brodt bestrafet werden sollen.
1781, den 15. April. K. K. A. I, daß Seine K. K. Apol. Maje-
stät den Pater Franz Entzendorfer zum Vorsteher des Ustroner
Waisen-Hauses zu ernennen allermildest geruhet.
Verordnungen über die Copulation cum promissione prolium ad 8. fidem
Catholicam.
1727, den 24. Mertz. K. O. A. R. wegen des Heinrich Zima
mit der Marina Maroschowa gegen freywilliger Stipulation circa edu-
cationem prolium vollzogenen Trauung, mithin des Dechants Er-
ledigung.
1728, den 7. Octob. K. O. A. R.: daß der Kretschmer als
male educatus mit seiner Lutherischen Brauth erga stipulationem de
educandis prolibus in fide salvifica und pracstirten Caution de non
emigrando ehelich zusammen gegeben werden können.
1729, den 15. J u l y, Bischof liches Administrations-Schreiben
wegen drey copulirenden Grodischtscher Unterthanen Paul Herock.
Andres Wawreczky und Thomas Kania gegen Amtlicher Stipulation
de educandis prolibus utriusque sexus in fide catholica.
1729, den 24. Nov. K. O. A. R., daß die Marina Kluzowa
von GoUeschau, falls sie zu der katholischen Religion bono modo
nicht zu bringen wäre, selbte an den Paul Kubick verehliget werden
möge, sofern die Verlobten, daß sie die aus sothaner Ehe erzeigende
Kinder katholisch erziehen lassen wollen, stipuliren würden.
1755, den 20. Sept. K. K. Repr. R.: wegen denen meistens
aus Ursache der verweigerten Copulation von den Cammeral-Dorf-
schaften ausgetrethenen 127 Persohnen, und wie nach solche ver-
weigerte Copulationes denen betreffenden Pfarrern in Geheim zu
verhöben, und daß derley Casus denegatae copulationis ohnverlangt
anzuzeigen.
1775, den 28. Mertz. K.K. A.I. in Ansehung der derMariannae
Catharinae Korniassowey ertheilten Erlaubnus zur Verehligung mit
dem hiesigen Bürgert. Schneidermeister Johann Figna erga appr«>-
missionem de educandis prolibus utriusque sexus in fide catholica.
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Verordnungen gegen clandestine CopuUtionen.
1750, den 18. Aug. K. K. Repraes. R., daß der Schönhofer
Schmied Johann Mixa nebst seiner außer Landes angetrauten Brauth
mit 3 Monathl. opere dominicali bestrafet, ihre erzeigenden Kinder
secundum Generah'a kathol. erzogen, künftig hin aber derley aus-
ländische Copulationes fiir null und nichtig gehalten, die dergestalten
copulirte als Concubinarii bestrafet, auch die erziehlte Kinder für
unehlich angesehen werden sollen.
1753» «len 12. May. K. K. Repr. R., daß in Hungam verbothen
seye, denen dahin flüchtenden male educatis die Trauung zu er-
theilen.
1761, den 26. May. K. K. Repr. R. in Betreff des Andreas
Pilch und der Ewa Walach, dann des Michael Bujok und Ewa Czyl,
welche sich in Preussisch Schlesien zusammen geben lassen, weß-
halben sie mit Arrest bestrafet und recopuliret werden sollen.
1767, den 21. Jan. K. K. A. R., daß in Betreff des clandestine
copuiirten Ehe-Paares Andres Pindur und Veronica Brzezinin ihrer
Bestrafung halber bei Ihro Mayestät favorabiliter eingeschritten
werden wolle.
1771, den 12. Mertz. K. K. A. I., daß dem mit der Ewa
Müllerin clandestine copuiirten Johann Biaiek, weilen er die Ver-
sicherung von sich geben, seine künftigen Kinder Männlichen Ge-
schlechts in dem kath. Glauben erziehen zu lassen, die ausgemessene
Strafe gäntzlich nachzusehen seye.
1773, den 20. Nov. K. K. A. R., daß der Adam Skandera
von Gutty mit der Ewa verwittibten Brudny aus Willamowitz, weilen
sich selbe in Preußisch Schlesien clandestine copuliren lassen, mit
einem 3 Monathl. opere publico beleget werden sollen.
1775, den jS. April. K. K. A. I., daß dem wegen der clande-
stinen Copulation mit der Christina Rosina Neser in der Bielitzer
Frohn-Veste insitzenden Bürgl. Tuchmacher Paul Niedetzky A. C.
der erlittene Arrest zwar zur Strafe angerechnet, jedoch auch ein
Versuch zur Erlangung der Versicherung de educandis prolibus
utriusque sexus in fide catholica gemacht werden solle.
1776, den 12. Octob. K. K. A. R., vermöge welchen Paul
Kluß und Susanna Wantulokin von Lippowetz wegen clandestiner
Copulation in Preußisch Schlesien mit einem drey Monathl. opere
publico beleget werden sollen.
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1780, den 24. Oct. K. K. A. I. betreffend die Bestrafung des
Michael Stebel und Marina Balon aus Weichsel wegen ihrer im jen-
seitigen Landes-Antheile erfolgten heimlichen Trauung mit einem
I4.tägigen opere Dominieali.
Verordnungen über das Bürgerrecht der Augsburgischen Confessions- Verwandten.
1722, den 14. December. K. O. A. R. um Bericht: ob einige
Persohnen, so den Lutherischen Glauben profitiren, zum Burger-Recht
und per consequens in die Handwerks-Zunften admittiret worden.
1726. den 28. Mertz. K. O. A. V.: daß dafeme die Augsbur-
gischen Confessions- Verwandten wider das Hertzogliche, von Ihro
Kays, und Königl. Mayestät allergnädigst confirmirte Religions-Privi-
legium *) einiges Burger-Recht oder fundum in der Stadt Teschen
erworben hätten, ex nunc zu cassiren und in vorigen Stand zu setzen,
auch hirob gutachtlichen Bericht zu erstatten.
1726, den II. July. K. O. A. R. wegen ex nunc zu cassirenden
Lutherischen Burgern und zu verkaufenden Liebischen und Baron
Skrbenskyschen Häußern.
1773, den 16. Mertz. K. K. A. R., daß diejenigen Augsb.
Conf. Verwandten, so in der Vorstadt zu Teschen Bürgerliche Häußer
und Gründe besitzen, zur Veräuserung derselben unter einer Jahres
Frist angehalten werden, das Teschnische Fürstl. Amt aber in Zu-
kunft den Magistrat zu derley Confirmationen nicht mehr an-
weisen solle.
1773, den 24. April. K. K. A. R., was maßen Ihro K. K.
Mayestät die denen Augsb. Conf. Verwandten, so in der Teschnischen
Vorstadt Gründe besitzen, zu Verkaufung dererselben bestimmte
Jahres Frist auf drey Jahre zu verlängern geruhet haben.
177s. den I. Jan. K. K. A. R. occasione des von dem Erd-
mann von Radotzky wider die allerhöchsten Satzungen unternom-
menen Hauß-Kaufs und dessen Ahndung.
Verordnungen über die Vybrantzen-Assxstenz.
1726, den 6. Mertz. K. O. A. R. um Bericht: wie die lauen
Eltern abgestrafet werden, dann wegen der denen F. P. Missionariis
gebender Vybrantzen-Assistenz und bestellender katholischer Vor-
münder.
^) Der Herzogin Elisabeth Lucretia vom Jahre 1629.
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'75 5» ^^^ 4- Nov. K. K. Repr. R., daß bey nicht verfangender
3 mahliger Requisition des Cammer Ober- Regenten Amts, so gut
wie von anderen die Assistenz verweigernden Dominus die ohnfehl-
bare Anzeige zu machen seye, um in dieser häcklichen Angelegen-
heit pro pessimo exemplo keine Dissimulationes zu gestatten, sondern
denenselben in tempore gehörig vorbeigen zu können.
1767, den 14. April. K. K. A. C: wegen der von dem hiesigen
Cammer Ober -Regenten über die Beschuldigung wegen nicht ge-
nugsam geleisteter Assistenz wider die Luth. Dorf -Vögte zu Sisti-
rung derer ansprüchigen Kindern und anderen Persohnen einge-
brachten Verantwortung um sich himach zu richten und das nöthige
zum besten der Religion an die Hand zu geben wiessen.
1768, den 15. Nov. K. K. A. R. wegen geschehener Anweisung
des allhiesigen K. K. Landes Eltesten zur Gestellung der Anna
Primuß und anderer derley frey Leuthe auf allmahliges Verlangen
die erforderliche Assistenz durch die Landes Dragoner zu leisten.
1770, den 16. Oct. K. K. A. R., wodurch eine an den Cammer
Ober-Regenten erlassene Verfügung der ernstlichen Assistenz halber
wider die drey Dorf Vögte zu Weichsel, EUgoth und Oldrzichowitz
communiciret wird.
Verordnungen gegen scandalöse Bücher.
17 14, den 10. Juli, K. K. R. : wegen einigen von dem bey
der Augsb. Conf. Verwandten Schule zu Teschen bestelten CoUega
August Mevius aus Leipzig verschriebenen lasterhaften Büchern,
um solche zu verbrennen und gedachten Schul-Collegam seines
Dienstes zu entsetzen.
1746, K. A. R. vom 18. Oct ob., damit von denen durch das
Jablunkaische Zohl-Amt in Commissum gezogenen recht skandalösen
fünf Ballen Büchern einige Exemplarien an das Königl. Amt einge-
schicket, hinführo aber auf Einschleppung dergleichen ärgerlichen
Bücher genau invigiliret werden solle.
1752, den 26. Febr. K. K. Repraes. R. um g^ttachtlichen
Bericht wegen der in Bielitz in Verhaft gezogenen Luth. Eheleuten
und von dem daselbstigen Patre Missionario Joanne Braun einge-
zogenen zwey Evangelischen Predig-Büchern.
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1752, den 2. Mertz. K. K. Repraes. R., daß die von dem
P. Missionario Bilicensi eingezogenen zwcy Luth. Bücher nacher
Troppau ad Censuram überschicket werden sollen.
1752, den 24. July. K. K. Repr. R. in puncto des von dem
Johann Bujok zu Freystadt vorgelehnten skandalösen Buches.
1752, den II. July. K. K. Repr. R., daß die dem Bielitzer
P. Missionario eingestandene Revision der daselbstigen Herrschaft-
lichen Bibliothec hinvviderum ex nunc sistiret werden solle.
1752, den 2. Oct. K. K. Repr. R., daß die betroffenen Luth.
Bücher durch die K. K. Religions-Commission mit Vernehmung des
P. Missionarii ante confiscationem censuriret werden sollen.
i7S3f den 17. April. K. K. Repr. R.: umb Bericht, was es
mit denen Samuel Trautmannischen Büchern für eine Beschaffen-
heit habe.
1753, den 6. Oct. K. K. Repr. R., wienach Ihro K K. Mayestät
die in der inliegenden Specification bemerckten Luth. Bücher confis-
ciret und deren weithere Einfur sub Confiscatione und einer ander-
weithigen Strafe verbothen haben.
1776, den 21. Sept. K. K. A. R.. wienach i) das bey dem
Freyh. v. Calisch auf Drahomischl fiirgefundene und in Beschlag
genommene Luth. PredigBuch dem Eigenthümer keines Weges
zurückzustellen, sondern zu confisciren, dann 2) daß die in hier-
orthiger Verwahrung annoch befündliche gesamte Exemplarien
sothanen Buches mit gutter Gelegenheit dahineinzusenden seye. Wobey
auch 3) dasjenige communicieret wird, was in Betref dieses Buchs von
dem hiesigen Königl. Landes-Eltesten annoch erhoben werden solle.
1777, den 3. April. K. K. A. R. Inhalts dessen die bey dem
Freyherrn von Calisch in Drahomischel fürgefundene 45 Exemplarien
eines sehr ärgerlichen Predig-Buchs sogleich zu vertillgen und nicht
nur erstbesagten Freyh. von Calisch die unterlassene Vertilgung
der die kath. Religion lästernden Bücher zu verheben, sondern auch
dessen Rendmeister, welcher solche in Verwahrung gehabt, zu be-
drohen seye, daß bei einer ferneren Betrettung wieder ihn eine
scherfere Ahndung verhänget werden würde.
Verordnungen gegen die Pietisten.
1722, den 6. August. K. O. A. V.: womit die von denen
Lutherischen Praedicanten exercirende Winckel-Lehre bey ICX) Du-
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caten Strafe untersaget, wegen des angemaßten Pietismi aber auf
den Wortsdiener Sassadium noch mehrere Indicia angezeiget werden
selten.
1722, den 15. November. K. O. A. V.: daß denen Luthe-
rischen Wortsdienern ihre angemaßten Conventlcula und Winckel-
Lehre mit empfiindlicher Animadversion von nun an untersaget
werden sollen.
1727, den 4. Dec. K. O. A. I.: daß Ihro Kays. Mayestät die
drey Worts-Diener zu Teschen Steinmetz, Muthmann und Sassadium
mit ihrem allerunterthänigsten Recurs wider das zwischen ihnen als
Beklagten und dem Königl. Fisco als Klägern in puncto der von
ihnen gehaltenen Conventiculorum und Winckel-Lehren von dem
Teschnischen Landes Amte ergangene Interlocut ratione der Beklagter
Seits producirt — hingegen nicht admittirten vier Zeugen abge-
wiesen haben.
1728', den 18. Jan. K. O. A. R. wegen der in der Augsb.
Sacristey verbothenen Winckel -Lehre.
Mildere Verordnungen.
1727, den 3. Jan. K. O. A. R : daß der Martin Sabinsky nebst
seinen zwey Söhnen von Freystadt gegen der geleisteten Caution
mit fernerer Persöhnlicher Verhaftung verschonet bleiben könne,
doch wäre gutachtlich einzuberichten, mit was vor einer Geld- Strafe
er Martin Sabinsky wegen vernachleßigter Education seiner zwey
Söhne in der katholischen Religion anzusehen seye.^ Dann wegen
des an dem Sabinsky von den Raubern erlittenen Schadens und
dessen Ersetzung halber.
17SS1 <^d 30. Dec. K. K. Repr. R., wienach mit dem de
Apostasia überwiesenen Mathes Skowrunek aus Bystrzitz und des
Johann Niedoba Eheweib Anna als beeden alten Persohnen ihrer
dermahligen üblen Gesundheit halber nichts vorgenommen, sondern
deren Genesung abgewartet, auch das geringe Vermögen des ersteren
seinem 2jährigen Sohn zugewendet werden solle.
1771, den 14. May. K. K. A. R., daß vermöge eines einge-
langten Höchsten Hof-Decrets die in beyliegenden Beschwerden
unterschriebenen Querelanten und alle übrigen, so wegen des An-
spruchs ihrer Kinder dermahlen in Arrest sich befunden, sogleich
frey entlassen und bis zu wegen Mäßigung der. in Religions-Sachen
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144
bestehenden Generalien erfolgenden allerhöchsten Resolution keine
andern derley Leuthe mit Arrest beleget werden sollen.
1771, den 17. Sept. K. K. A. I., daß diejenigen Luth. Kinder,
die das 20. Jahr erreichet, von dem Anspruch frey geworden seyn
und wenn sie sich sodann an Luth. Weiber verehligen, ihre Kinder
von allem Anspruch frey gelassen werden sollen, es sey denn, daß
sie sie freywillig in der kath. Religion erziehen lassen.
1776, den 28. May. K. K. A. R., daß es dermahlen von der
Anno 1773 angeordneten Veräußerung der von denen Acatholicis
in der hiesigen Vor-Stadt bereits vor mehreren Jahren erkauften
und besitzenden Häußern gänzlich abkomme.
1781, den II. July. K. K. A. L, daß von nun an jedes ein-
geführte Religions-Patent aufgehoben und zwischen Katholischen
und Protestantischen Unterthanen kein Unterschied mehr zu machen
ist, als daß diese kein freyes Religions-Exercitium haben, die Auf
hätzer und Verführer aber nach den Politischen Grundsätzen zu
bestrafen seien.
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XIII.
Die mährischen evangeU Kirchengemeinden und ihre
Seelsorger in der Reformationszeit.
Mitgetheilt von GEORGE DEUTSCH.
In dem mährischen Landesarchive zu Brunn erliegt eine Hand-
schrift des ausgezeichneten Geschichtsforschers und unermüdlichen
Sammlers, des mährisch-schlesischen Gubemialsecretärs Johann
Peter Cerroni, welche ein Verzeichniss der evang. Kirchen-
gemeinden und ihrer Seelsorger in Mähren enthält. Ich theile hier
die bisher ungedruckt gebliebene Arbeit mit, jedoch habe ich die-
selbe durch zahlreiche Zusätze und Berichtigungen ergänzt, die jch
den Sammlungen zweier ebenfalls schon längst in das Jenseits hin-
übergegangenen mährischen Gelehrten entlehnte, des Landesarchivars
Anton Boczek und des Raigener Benediktiners Gregor Wolny.
Die bei jedem Orte eingeklammerte Bezeichnung nennt die katho-
lische Diöcese, zu welcher er gehört.
Die in der Reformationszeit bestandenen nichtkatholischen
Kirchengemeinden waren folgende :
Allerheiligen (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann 1562
und 1563; Wolf gang, früher Prämonstratenser in Brück, 1570 und
1574; Paul 1600; Jakob Zeidel 1609; Georg Nolens 16 . .
Altstadt bei Goldenstein (Olmütz), lutherisch ; Johann A pp e 1
1561, geb. zu Frankenstein in Schlesien.
Altstadt bei Mährisch-Trübau (Olmütz), lutherisch; Jakob
Pallio oder Pellio 1603, noch 1612; Christof Fritscher, 1616,
noch 1621.
Alt-Titschein (Olmütz), Jakob Kunwaldsky 1572, noch
1578; Mathias Brodsky 1580 und 1584; Peter Hembert
1600 — 1605, geb. zu Fulnek; Philipp Lemonica 1610; Magister
Martin Öembersky 1611—1613; Valentin Arnoldus 1614—1624,
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gest. 12. März 1624; Paul Salter 1627; Simon Nitzko 1629, geb.
zu Czeleg in Ungarn.
Aschmeritz (Brunn), lutherisch; Tobias Dürbart 1619.
Auerschitz (Brunn), Böhmische Brüder; Paul Wolf zwischen
1592 und 1596; Thomas Nicolaides 1616; Thomas Simonides
1619, gest. als Private 1627.
Augezd bei Klobauk (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann
Hodowinsky 1565.
Augezd-Ober bei TrebitscK (Brunn), Böhmische Brüder;
Burian 1555; Georg Stinsky 1557, nach PoCatek in Böhmen
übersiedelt 1557 ; Johann Strakonicky 1557 und 1562; Thomas
1562; Blasius 1572.
A u s s e e (Olmütz), Böhmische Brüder ; Wenzel P i s e c k y 1560,
nach Bystritz bei Pernstein übersiedelt 1562; Mathäus 1562,
nach Loschitz übersiedelt 1587.
Auspitz (Brunn), lutherisch; Johann Mankovicenus 1620,
geboren zu Liptau in Ungarn, ausgewiesen 1624.
' Austerlitz (Brunn) , böhmische Brüder ; I s a i a s 1 506, Consensior
dei: Gemeinde, geb. zu Austi in Böhmen, gest. 1526; Johann
Taborsky 1563; Jakob Klusak 1572, geb. zu Austerlitz 1525,
gest. 1585; Daniel Boreas 1589, geb. zu Trebitsch, gest. 1592;
Benedikt Polenus 1592, geb. zu Pacow in Böhmen, Schullehrer
daselbst 1588, nach Reznowic übersiedelt 1594; Adam Felinus
1594, gest. an der Pest 1598; Samuel Bene, Consenior. gest. 1601;
Mathias Pauli 1601, geb. zu Nimburg in Böhmen; Wenzel Ar am
1586, geb. zu Netolic in Böhmen; Johann Heraus 1613, noch
1620, geb. zu Meseritsch; Diakone: Christof Plor an tius, ge-
borener Ungar, 1601.
Barn (Olmütz), lutherisch; Samuel Henzner, geb. zu Berg-
stadt, gest. 1617; Michael Kristein 1619—1622, geb. zu Brieg in
Schlesien 1592.
Bergstadt (Olmütz), lutherisch; Christof Gerstenberg 1563.
geb. zu Leuben in Schlesien.
Alt-Biela (Olmütz), lutherisch; Georg Wartsky 1567.
Bilkau (Brunn), Böhmische Brüder ; Georg 1579 — 1589, nach
Datschitz übersiedelt 1589.
Biharzowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Krum-
lowsky 1563, nach Lipnik übersiedelt 1566; Niklas 1573 und
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1576; Georg 1575; Niklas 1576; Jakob Jaromificky 1576
und 1578; Georg Reggia zwischen 1606 und 1616.
Bisenz (Olmütz), Böhmische Brüder; N. Rudiny, oder
Rudinsky, um 1610.
Biskupitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Hofepnicky
1548 — 1550; abermals 1558; Johann Slawiöek 1599 und 1560;
Johann 1566.
Bist ritz unter dem Hostein (Olmütz), Böhmische Brüder;
Tobias Zaworka 1593, geb. zu Leipnik; Johann Pofica 1606;
Georg Borowsky 1611, geb. zu Stfelitz; sein Gehilfe Jakob der
ältere Petrocelinus 1612; Wenzel Woititius 1620, erschossen
von Kosaken 5. Februar 1620.
Bistritz bei Pernstein (Brunn), Böhmische Brüder; Martin
1528 — 1538, früher Pastor zu Sezemitz in Böhmen; Wenzl 1540;
Johann Dalenzie 1544; Wenzl Pisecky 1562, früher in Aussee;
Georg Wartsky von Risberg 1569, früher Pastor zu Biela in
Böhmen; Philipp 1569 und 1572; Christof 1575, früher in Blansko;
Martin 1576; Laurenz Dukat 1580, früher in Littentschitz, wurde
wegen seiner Unverträglichkeit vom Stadtrath entlassen 1581; Georg
Borowsky 1586. früher in Oels, nach Boskowitz übersiedelt 1594
Johann Bochdanowsky 1594; Wratislaw 15 . . ; Andreas 15 .
Gross-Bitesch (Brunn), Böhmische Brüder; Philipp 1555
nannte sich Dechant des Bitescher Bezirkes; Johann 1561
Blasius 1565; Georg 1567; Kaspar Fabritius 1570, nannte
sich Dechant des Bitescher Bezirkes, gest. 18. Juni 1574
Johann Meytsky 1579; Samuel Benediktus, ordinirt 1601, gest
1605; Daniel Sofron, Senior der Brüder, gest. 1605; Josef Alfreus
1612, ordinirt 1594; Daniel Straznicky 1612; Adam Calinius
Hj07; Cornelius Meytsky, Sohn des oben Genannten, mit ihm
Wenzl Blank, Elias Bram und Adam Kfiz 1612; N. Klement
1614; Tobias Balsam 1619; Adam Pisecky 1620; Johann Zed-
niöek 1622; Johann Chodnitius 1624; Adalbert Wrablitius 1624.
Bladensdorf (Olmütz), lutherisch; Hanns Pilz 1563, geb. zu
Dresden, ordinirt zu Wittenberg 3. März 1563.
Bladowitz (Olmütz), lutherisch; Melchior Maudrius 1607, geb.
zu Sternberg.
Blansko (Brunn), Böhmische Brüder; Johann 1560; Christof
1576; Johann Polnicky 1599; Thomas 1607.
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Bochdalau (Brunn), Böhmische Brüder; Mathias Pfenicka
1620.
Bochdalitz (Brunn), Böhmische Brüder; Peter um 1567;
Andreas Launsky 1577 und 1578; Georg Solosinsky 1581 und
1583; Veit Cech 1590, aus Iglau.
Bohuslawitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Martin Trunkat
1589 und 1572.
Bohutin (Olmütz), lutherisch; Wolfgang Schulweiss 1562,
geb. zu Zwickau, ordinirt zu Wittenberg..
Bojanowitz, Unter- (Brunn), Böhmische Brüder; Stefan
Pfihradny von Mosovec 1580; Simon Strumersky um 1592.
Boikowitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Paul 1571, früher
katholischer Pfarrer in Mährisch-Neustadt ; Johann Sitinsky 1591.
B ölten (Olmütz), lutherisch; Daniel Junius 1623.
Borstendorf (Brunn), Böhmische Brüder; Jakob Antropas
Kaufimsky 1580; Peter Kozel 1582, geb. zu Teltsch; Simon
Zdiarsky 1591; Jakob Melchiorides 1600, gest. 1610.
Boskowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Wiwieta 15 . . ;
Wenzl Towacowsky 1561 und 1562, früher in Leipnik; Georg
Friscianus 1559, geb. zu Thurocz in Ungarn, ordinirt zu Witten-
berg 18. Juli 1569; Jacob Antropas 1581, geb. zu Kaufim in
Böhmen; Georg Borowsky, von Bistritz bei Pernstein hierher be-
rufen 1594.
Boschowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Mathias Kuöera 1593.
Bothenwald (Olmütz), lutherisch; Jakob Lotge 1584;
Valentin Calcearius 1619—1624.
Braunseifen (Olmütz), lutherisch; Johann Krauswitz 1580;
Tobias Stegmann 1589, geb. zu Jägerndorf; Johann Gabriel 1595.
geb. zu Habeischwert, gest. im September 1620; Tobias Hof-
mann 1621, geb. zu Jägemdorf, ausgewiesen 1625.
Bfeznik (Brunn), Böhmische Brüder; Stanislaus 1520;
Johann 1522.
Ungarisch-Brod (Olmütz), Böhmische Brüder; Gallus 1531,
geb. zu Horazdiowitz in Böhmen, ordinirt 1526, gest. 1535; Veit
Michaletius 15.., Baccalaureus, gest. zu Leitomischl 1536;
Wenzl Planconitius um 1550, gest. zu Prerau 1564; Lukas
Johann 1564, geb. zu Wodnian in Böhmen, ordinirt zu Witten-
berg 12. April 1564; Niklas Marci 1574, geborener Ungar,
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ordinirt zu Wittenberg 17. November 1574; Paul Kirchmezer
oder Kirchmesser 1578, ordinirt zu Krakau; Johann Aquila
(Wodiöka) 1578; Paul Pressius 1580, gewesener Professor der
Theologie, Doctor und deutscher Prediger zu Kuttenberg seit 1575,
gest. 7. März 1586; wieder Johann Aquila 1586, gest. 1591;
Martin Malobicky 1588, geb. zu Brod, dann Rector der reformirten
Schule und Baccalaureus in Prag; Samuel Silinsky 1611; Paul
Dubinus, Senior, 1619, gest. 1623; Johann Hermon, Consenior,
gest. 28. Juli 1636; Diakone: Johann Pelargi 1588, geborener
Ungar, ordinirt zu Wittenberg 7. Juli 1588, früher Rector der hiesigen
Schule; Niklas Wrbowsky 1607, geborener Ungar, ordinirt zu
Wittenberg 3. März 1607, früher Rector der hiesigen Schule;
Peter Berger 1608, geborener Ungar, gest. 1610.
Brumow (Olmütz), Böhmische Brüder; Viktorin Pfibislawsky
um 1576, noch 1579.
Brunn, lutherische Geistliche bei St. Jakob, 10. April 1619 bis
8. Februar 1621; Adam Windhofer, Pastor, seit 1608 Pastor zu
Stein in Niederösterreich ; Magister Elias Kogter, Helfer; Thomas,
böhmischer Prediger; Caspar Burek, Ecclesiastes.
Budwitz, Mährisch- (Brunn), Böhmische Brüder ; Peter Vischer
1533; Jacob Petrozellin, geb. zu Kunstadt 1571, ordinirt zu
Wittenberg 1592, Pastor 1601—1604, nach Trebitsch übersiedelt
1604; Bartholomäus Ja worsky 1606; Georg Polom 1667, geb. zu
Kremsier; Johann Tykalides, geb. zu Skuß in Böhmen; Pastor
1612; Wenzl Olirius 1612, Rector der Schule zu Trebitsch 1611;
Johann Jurowec 1614, geb. zu Neu-Wessely; abermals Georg
Tykalides 1619; Jakob Petrozellin 162., Sohn des oben Ge-
nannten, Magister in Prag geworden 1619, Prediger zu Neu-Lhota
in Böhmen 1624.
Butschowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Florian 1564,
früher katholischer Geistlicher, Jakob Gallina 1588, geb. zu Zamost
im Szolnoker Comitate : Gehilfe: Mathäus Andrea, aus Trentschin
in Ungarn berufen 1599.
Charwat (Olmütz), Böhmische Brüder; Georg Hobides 1557.
Chropin (Olmütz), Böhmische Brüder; Mathias Skalicius,
Senior, 1565, gest. 15. December 1568; Johann Jothan, ordinirt
1560, gest. 1592.
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Chwalkowitz bei Butschowitz, Böhmische Brüder; Georg
Zlinsky 1584.
Cebin (Brunn), Böhmische Brüder; Elias öerwenka, gest. um
1595; Laurenz Curtius Brodsky 1605.
Öastohotitz (Brunn), Böhmische Brüder; Niklas 1569, nach
Biharzowitz übersiedelt 1573; Laurenz Wolsky 1576; Johann von
Tismic, gest. 1586; JohannBubacek 1601, geb. zu Hof ic in Böhmen.
Czech (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Polnicky 1567.
Czeikowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Simon Ädiarsky 1593.
Czernin (Brunn), Böhmische Brüder; Paul Matausek Zurawsky
aus Zerawic 1606.
Czettechowitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Gallus Czellach
1622.
Czuczitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Lednicky
1567, gest. um 1597.
Dambofitz (Brunn), Böhmische Brüder; Paul Jaromeficky
1575 und 1577.
Dannowitz Unter- (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Efron
Hornicky 1613; Stanislaw Humelius 1617.
Datschitz (Brunn), Böhmische Brüder; Georg Vicius 1550,
Mitältester der böhmischen Brüdergemeinde, gest. 1551; Georg
1580, Georg 1589; Andreas Hawljk 15.., geb. zu Raudnitz in
Böhmen; Laurenz Rusky 1601; Samuel 1613; Adam 1617.
Daubrawnik (Brunn), Böhmische Brüder; Tobias Zaworka
1597 und 1603; Tobias Pfikersky 1599; Daniel Pfihradny 1603.
Caplan; Mathias Lipensky 1612; Franz Öperka, gest. 61jährig
26. Jänner 16 . . .
Dobromielitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Wenzl 1571:
Adam 1588; Georg Seratorius 1598; Michael Chmelowsky 1601.
Domstadtl (Olmütz), lutherisch; Michael Kirstein 1617.
Döschen (Brunn), lutherisch; Wolfgang Lotter 1621 und 1629.
Drahanowitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Urban 1560 und
1572; Niklas Prazsky 1574 und 1576; Peter Tfebochowsky
zwischen 1588 und 1592.
Drahotusch (Olmütz), Böhmische Brüder; Viktorin 1585:
Niklas Drabitius 1620, geb. zu Strassnitz 1586, ordinirt zu
Äerawic 1616, nach Ungarn übersiedelt 1624, enthauptet zu Press-
burg 1630.
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Dfewohostitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Jelec,
auch Felecius genannt, Visitator der Brüder-Bethäuser in Polen,
ordinirt 1543, gest. 1555; Heinrich Schwarz von Semonina 1588,
Liebling des Carl, von Zierotin, ordinirt 1560, gest. zu Rossitz 1611;
Johann Nemßansky, Senior der Brüder in Böhmen und Mähren,
geb. zu Ungarisch-Brod 1522, gest. 1588.
Dfinow (Olmütz), Böhmische Brüder ; Paul Accantides 1599,
geb. zu Horazdiowitz in Böhmen.
Dubitzko (Olmütz), Böhmische Brüder; Lukas Polak nach
1537, früher Chorherr des Augustinerstiftes zu Sternberg, zur
katholischen Kirche wieder zurückgekehrt 1561; Samuel Tfebowsky
15. .; Rafael Kaukai 1613.
Ober-Dubnian (Brunn), Böhmische Brüder; Georg Basti
1584, nach Hunkowitz bei Selowitz übersiedelt 1588; Florian
Kozmanek 1589; Michael Zdiarsky 1591 und 1592.
Dum holz (Brunn), lutherisch; Paul Radek; Magister N. Kug-
1er; Balthasar Bretius 1598, geb. zu Breslau.
Eibenschitz (Brunn), Böhmische Brüder; Martin Slama, ge-
nannt Niger, 1540, Consenior der Brüder, geb. zu Prossnitz, gest.
1549; Jakob Sidlarius, Consenior 1551, im nahen Eichenwald von
Räubern erschlagen 29. October 1552; Urban 1553; Johann Bla-
hoslaw, Brüderbischof nach Johann Augusta 1557, gest. zu Krumau
24. November 1571; sein Gehilfe Paul Rasowsky; Peter Her-
bert, Consepior 1571, gest. 1. October 1571; Andreas Stephan
1571, geb. Prossnitz, früher Prediger zu Prerau, Senior und Vor-
steher des Eibenschitzer BrüdercoUegiums 1575, gest. zu Jaromief
in Böhmen in der Badecur 21. Juni 1577; Johann Aeneas 1588,
geb. zu Jungbunzlau in Böhmen, früher Pastor zu Trebitsch, gest.
5. Februar 1594; Paul Jesen 1594, geb. zu Ungarisch-Brod, Senior
der Brüderunität seit 1589, gest. zu Bezuchow 24. Mai 1594; sein
Gehilfe Elias von Cebin noch 1595; Johann Narciss 1599, Senior
seit 1594, gest. zu Brandeis in Böhmen 1611; seine Gehilfen Wenzl
Kopecky und Johann Cruciger; Daniel Marchel 1605, ging ab
1606; Zacharias Ariston 1606, Senior, gest. 8. Februar 1608;
Timotheus Erithräus 1609, ordinirt zu Wittenberg; Johann Morawa
1609, seine Gehilfen Adam Holeßin und Felix Antropius; Mathäus
Seh midi, geb. zu Iglau, deutscher Diakon, deutscher Prediger seit
1612; Georg Erastus 1615, Senior und durch vierzehn Jahre
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Präses der Brüderunität ; Georg Öermak 1616, Gehilfe der Brüder:
Sigmund Heger, deutscher Pastor 1620; sein Gehilfe Simon Seiker:
Wenzl Viktorin, ausgewiesen 1624.
Eichhorn-Bitischka (Brunn), Böhmische Brüder; Abraham
1608; Gabriel 1619; Daniel 1620; Johann 1622; Georg
26. August 1628; Peter 1636.
Eisenberg (Olmütz), lutherisch; Fabian Hofmann 1563, geb.
zu Freistadt in Schlesien, ordinirt zu Wittenberg 19. Septem-
ber 1563.
Eisgrub (Brunn), Böhmische Brüder; Melchior Gans, über-
siedelt nach Ranzern bei Iglau 1554; Christof Mänkl 1574, noch 1580.
Erdberg (Brunn), lutherisch; Andreas Janitius 1590.
Frain (Brunn), lutherisch; Anton Dörflinger 1617.
Freistadtl (Olmütz), Böhmische Brüder; Paul Zalud 1565,
gest. 9. Februar 1574; Johann Jawor, gest. 1588.
Fröllersdorf (Brunn) lutherisch; Johann Laterowic 1595.
Fulnek (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Elias 15..;
Michael Weise 1536, früher zu Landskron in Böhmen; Georg
Erastus 1557, gest. zu Lesna in Polen 1613; Peter Herbert, gest.
1571; wieder ein Georg Erastus 1581, geb. zu Meseritsch. ordinirt
1580, gest. schon 1581; Wenzl Pontanus 1618; Johann Arnos
Comenius 1618—24.
Füllstein (Olmütz), lutherisch; Martin Pittich 1622.
Gaya (Olmütz), Böhmische Brüder; Isaias 1528;, Paul Aquilin
Hradecky 1560 und 1565; Veit um 1578; Johann Albitius 1579:
Veit Aquilinus Hradecky 1580; Paul Aquilinus, auch Worlicky
genannt, 1589, geb. zu Königgrätz, Corrector an der Druckerei der
Brüder zu Prossnitz 1548, Rector der Schule daselbst 1555.
Geppersdorf (Olmütz), lutherisch; Johann Clericus, aus-
gewiesen 1625.
Gerlsdorf (Olmütz), lutherisch; Zacharias Richter 1590.
Ge witsch (Olmütz), Böhmische Brüder; Thomas Petrozelin
1563; Calixtin um 1565, ordinirt in Wittenberg; Laurenz Rwa-
eowsky 1576 und 1577; Laurenz Hradecky 1594; Caspar Albin
Hoiepnicky 1595.
Gnadlersdorf (Znaim), lutherisch; Philipp Jakob Ferber 1616.
früher Hofprediger zu Heidenreichstein in Oesterreich, gest. zu Znaim
6. September 1620.
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Göding (Brunn), Böhmische Brüder ; Isaias 1560; Nathanel,
dessen Sohn, 1568; Niklas Dobromir 1590, Consenior, gest.
1. Jänner 1590; Georg Caspar ides Kfizan 1593; Tobias Bal-
samus 1607; Paul Dubinus 1609.
Grosse (Olmütz), lutherisch; Burkhardt Hertwik 1560.
Grussbach (Brunn). lutherisch; Jakob Walker 1588; Bal-
thasar Hulner 1595; Johann Sculteti 1612; Valentin Tapenzer
1G14; Johann Gärtner 1615; Peter Sculteti 1617.
Gurdau (Brunn), lutherisch; Bartholomäus Henrici 1620.
Gurein (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Boeme 1603,
geb. zu Banowic in Ungarn, ordinirt zu Wittenberg 1603.
Hannsdorf (Olmütz), lutherisch; Caspar Siegler 1561, geb.
zu Striegau in Schlesien.
Heidenpiltsch (Olmütz), lutherisch; Daniel Obern dorf oder
Olbendorf 1608 und 1609; Michael Kristein 1616, nach Dom-
stadtl übersiedelt 1617.
Hennersdorf (Olmütz), lutherisch; Martin Vincenti 1584,
geb. zu Steinau in Schlesien; Martin Marquard 1601, geb. zu
Sagan in Schlesien; Michael Linke 1627, geb. zu Liebenthal.
Heraltitz (Brunn), Böhmische Brüder; Niclas Pika 1601
geb. zu Hohenmauth in Böhmen.
Hermannsschlag (Brunn), Böhmische Brüder ; Johann Swie-
chinus 1552.
Hlinsko (Olmütz), Böhmische Brüder; Daniel Joannides
1619, geb. zu Skotschau in Schlesien.
Hluk (Olmütz), Böhmische Brüder; Samuel Sitinus 1606,
geb. zu Jumikowa.
Hof (Olmütz), lutherisch; Johann Teufel, auchAngelus ge-
nannt, 1534; Adam Seh wem 1580; Jakob Plombe rius 1608
und 1609; Adam Heumann 1627.
Höflein (Brunn), lutherisch; Alex 1579; Alex. Schwarz 1581;
Bartholomäus Heumann 1615.
Hohenstadt (Olmütz), Böhmische Brüder; Bartholomäus
15..; Peter Cramplitius, ordinirt 1541, gest. 1551; Mathias
Paterculus, ordinirt 1542, gest. 1562; Paul Dubinus 1610; Tho-
mas Dubinus 16. ., geb. zu Gross-Meseritsch ; Zacharias Albus,
geb. zu Trebitsch; Johann Fotan, geb. zu Setin,
Jahrbuch des Protestantismus 1888. H. III. 1 {
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Holleschau (Olmütz), Böhmische Brüder; Mathias Aquila
1558, ordinirt 1557, früher in Preussen, dann kurze Zeit in Strass-
nitz, geb. zu Gross-Meseritsch 22. Jänner 1561 ; Mathias Piscator
(Fischer), Consenior, gest. 22. November 1570; Peter Bendinus
1573, früher in Ungarn; Martin Holecius 1573, früher in Ungarn,
ordinirt zu Wittenberg; Niklas Dobromjr 1575 und noch 1584;
Georg Andronicus 1585, früher Diakon, gest. 1585; Martin
Boleslawsky 1593 und 1595; Mathias Plorantius 1595, früher
in Ungarn, Diakon 1594, ordinirt zu Wittenberg; Daniel Hra-
betius 1606, geborner Ungar, ordinirt zu Wittenberg; Matthäus
Kapsander 1613, nannte sich Dechant, geendet durch Selbstmord
20. December 1613; Johann Vita 1613—16.
Hoschtitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Georg Trnawsky
zwischen 1589 und 1592; Martin Pfelaucky 1592—94; Wenzl
Romenec, aus der Prager Neustadt, 1616 und 1617.
Hosterlitz (Brunn), lutherisch; Mathias 1530; Georg 153<>;
Martin Schwarzenberg oder Schwarzenberger 1566; Johann
Gärtner 1612, gest. um 1617.
Hosting (Brunn), lutherisch ; Thomas von Hradec 1521 ; Georg
Tausek 1560; Jakob 1560 und 1563; Johann von Tismic 1570
und 1571; Johann Sibiladelphus 1582—83.
Hotzendorf (Olmütz), Böhmische Brüder; Elias Horny 1588;
Bartholomäus 1600; Jakob Archesius Polnicky 1614.
Hotzenplotz (Olmütz), lutherisch; Christof Reus 1558;
trat zur katholischen Kirche über, wurde Abt des Prämonstratenser-
stiftes St. Vincenz in Breslau, gest. 1588.
Ho woran (Brunn), Böhmische Brüder; Lukas Marti n-
kowsky 1581.
Ungarisch-Hradisch (Olmütz), lutherisch; Kaspar 155i^
Hieronymus 1562; Peter 1570; Martin Sklenicka, ausge-
wiesen 1573; Daniel Verga 1573; Simon 1577; Gregor Phila-
ret 1579, geb. zu Karpfen in Ungarn, ordinirt zu Wittenberg
1579 ; Jakob Kozogedsky 1595, geb. zu Bechin in Böhmen,
ordinirt zu Wittenberg 1595; Sebastian Pierius 1609, auch
Consenior, gest. 1604; Augustin N. 1619—21.
Hunkowitz (Brunn), Böhmische Brüder ; Georg Basti 1587,
noch 1594, geb. zu Mährisch-Budwitz.
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155
Hustopetsch (Olmütz), Böhmische Brüder ; Mathias Mezeficky
vor 1580; Mathias Lipnicky 1588, früher in Neutitschein.
Jaispitz (Brunn), lutherisch; Georg äkopec 1620, Rector
der Schule zu Vielgut bei Oels in Schlesien 1631.
Jakobau (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Jakob Öen-
kowsky 1569.
Jarmeritz (Brunn), a) Böhniische Brüder; Wenzl 1560 und
1561; Balthasar 1564 und 1567;. Blasius 1568—1570; Johann
Mestecky 1571 und 1572; Laurenz Rwaöowsky 1573 und 1574;
Andreas Sofronius Pardubsky 1576, geb. zu Pardubitz in Böhmen,
gest. 21. Juni 1577; Wenzl Zdiarsky 1581, geb. zu Saar, gest.
1581; Niklas Peldfimowsky 1587, geb. zu Nachod in Böhmen;
Johann Porphyrides 1601 und 1613, geb. zu Reichenau in
Böhmen.'— b) lutherisch; N. Most 1613; Wenzl Olirius 1617.
geb. zu Skuö in Böhmen; früher Schullehrer zu Trebitsch; Johann
Semonius 1619; David Richter 1620; Simon Ovalides 1623,
geb. Jarmeritz, trat zur katholischen Kirche über 1630; Laurenz
Lehmann 1623—25.
Deutsch-Jassnik (Olmütz), lutherisch; Mathäus Salz er
1611; David Richtr 1619 und 1620; Laurenz Lehmann 1622.
geb. zu Zahne in Sachsen.
Jedownitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Seynoch
Murnowsky 1583.
Jeneschau (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Hofepnicky
1558, nach Biskupitz übersiedelt 1560; Johann 1560 und 1566;
Bartholomäus 1572; Mathias Turnowsky 1573 und 1578;
Johann Fidinus, alias Hudba 1580; Jakob Pandulsky 1589
und 1590; Mathias Puöowsky 1598.
J e sc how (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Hradecky 1574.
Ig lau (Brunn), lutherisch; Paul Sperat 1520—22; Christof
Arwitz 1522; Simon Schneeweiss 1525; Albert Cr ucig er, aus
Wittenberg berufen 1556, auf königlichen Befehl ausgewiesen
1556, abermals berufen 1566; Max Stralitzer, Hans Struninger,
Simon Schönwald, Esaias Tribauer, geb. zu Iglau 1530, früher
Schulmann, dann Pastor in Preussen; alle Genannten 1560; Magister
Mathias Eberhard 1572, geb. zu Iglau, studierte als Stipendist
dieser Stadt in Wittenberg, wurde Superintendent zu Schemnitz
in Ungarn 1574; Dr. Johann Heidenreich, oder Hedericus,
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1575—86, geb. zu Löwenberg in Schlesien 1542, Professor der
Theologie zu Frankfurt an der Oder 1573, wurde Superintendent
zu Braunschweig 1586; neben ihm zweiter Pastor Simon Schön-
wald, gest. als Prediger 1591; Dr. Caspar Stolzhagen 1587—94.
geb. zu Bernau in der Mark Brandenburg 1550; Mathäus Marchart
1594, früher Diakon zu Startsch ; Magister Michael Gruber und
Daniel Grässel 1598; Andreas Bistfitzer 1614, gest. 1. April
1621; Magister Paul Pauspärtel 1615, geb. Iglau. gest. 1. Sep-
tember 1622; Paul Schubert, geb. Iglau, zweiter Pastor 1615.
Prediger 1622, ausgewiesen 2. October 1622, Pastor in Oedenburg
1624; Magister Augustin Pauspärtl, Diakon, ausgewiesen 2. Octo-
ber 1624.
Ingrowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Caspar 1591; Sebastian
Gemnicky (lutherisch), 1602; Adam 1609.
Joslowitz (Brunn), lutherisch; Jakob Strauch mann 1600,
geb. zu Neisse in Schlesien.
Kaltenlautsch (Olmütz), lutherisch; Paul Halmann, geb. zu
Friedland bei Schweidnitz in Schlesien 1593, nach Rause übersiedelt
1620, gest. zu Steinau in Schlesien 1653.
Kamenitz (Brunn), Böhmische Brüder; Georg 1553 und 1558:
Johann 1560 und 1562 ; Sixtusl568; Caspar Albert Hof epni cky
1581; Mathias Posthumus 1585; Mathäus 1612.
Kanitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Hofepnicky
1563; Peter Nicolaides 15 . .; geb. zu Sobieslau in Böhmen, gest.
1612 ; sein Stellvertreter Kaspar 1588 ; Andreas Paulinus Bezdecky
1607; Mathias Dukat 16 . ., ging nach Somotule in Polen; Zacharias
Zabfesky 1613; Peter 1615—17.
Kaunitz, Ober- (Brunn), Böhmische Brüder; Mathias Kar-
nowsky 1573; Wenzl Posensky 1581 und 1582.
Kinitz, Deutsch- (Brunn), Böhmische Brüder; Enoch Äerawsky
von Zerawic 1567.
Kirchau (Brunn), Laurenz Rwaßowsky 1575, früher in Jar-
meritz; Johann Tykalides 1607, geb. zu Sku6 in Böhmen, Bacca-
laureus der Philosophie in Prag 1601, dann Rektor der Schule in
Prag und bei St. Niklas in Leitmeritz, in gleicher Stellung zu
Banowec in Ungarn, . wurde Ecclesiastes zu Mährisch-Budwitz 1613;
Bartholomäus Jaworsky 1621.
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Kirchwiedern (Brunn), Böhmische Brüder; Felix Antropius
Chotuborsky 1612.
Kornitz (Olmütz), lutherisch; Egidius Teschner, gest. 1593;
Johann Melchner 1593; Mathäus Freudenreich 1593 und noch
1608, geb. zu Brieg in Schlesien; Melchior Hassendorfer, geb. zu
Mährisch-Trübau, gest. 1617; David Frobenius, ausgewiesen 1622.
Kosti (Brunn), Böhmische Brüder; Daniel So phron, Consenior,
gest. 1606; Wenzl Erastus, Consenior, gest. 1611; Johann,
nannte sich Bischof der Brüder; gest. 1626.
Kostelletz bei Prossnitz (Olmütz); Mathias Sutorius, 22. Oc-
tober 1595, geb. zu Oslowan, ordinirt zu Wittenberg; Mathias
Ulicky 16 . .; Jonas Fabricius, Senior der Kirchen des Olmützer
Kreises. 1606.
Kralitz bei Namiest (Brunn), Böhmische Brüder; Isaias Cäpola
1578, gest. 1582; Martin Dadan, gest. 3. Februar 1584; Zacharias
Solinus, ordinirt 1560, gest. 1596; Samuel Sylvesti, gest.
25. November 1605; Wenzl Elam 1615, wurde Vorsteher der
Druckerei zu Namiest 1622; Johann Lanecius, gest. 1626.
Kretin (Brunn), Böhmische Brüder; Mathäus Turnowsky 1574.
Kfizanau (Brunn), Böhmische Brüder; Nikolaus Slanius,
um 1540, ordinirt 1537, gest. 1542; Mathias aus Beraun um
1543; Johann Nowomussky um 1560, gest. 1563; Martin
Richovsky um 1590, kam nach Gross-Meseritsch 1591.
Kromau (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Bob uslaw, geb.
zu Prerau, gest. 1571; Georg Medek 1590 und 1595; Georg
Hlauska 1626.
Krönau bei Mährisch-Trübau (Olmütz), lutherisch; Mathias
Mischko, ausgewiesen 1622.
Kunstadt (Brunn), a) Böhmische Brüder; Thomas Petroce-
linus 1571; Michael Leporius 1605, geb. zu Banya in Ungarn;
Georg Zaworka 1606, nach Sebranitz übersiedelt 1606; b) luthe-
risch: Elias Spaltholz 1589, geb. zu Stolpen.
Kunzendorf beiHof (Olmütz), lutherisch; Adam Seifert 1607.
Kurlupp (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Konecny, ordi-
nirt 1560, gest. 1621.
Kwassitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Aorgus 1603.
Landshut (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Schleefisch,
geb. zu Hodrawitz in Ungarn 1555, ordinirt zu Neutra in Ungarn 1580.
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Lauczka, Unter- (Brunn), Böhmische Brüder; Kaspar Ludwig
Stodsky 1617.
Lautschitz (Brunn), Böhmische Brüder; Andreas 1582; Jo-
hann 1596; Thomas 1614; Georg Breyer 1615; Josef 1615 und
1618; Georg 1620 und 1621.
Leipertitz (Brunn), lutherisch; Johann Schluder 1581; Bar-
tholomäus Henrici 1617.
Leipnik (Olmütz), Böhmische Brüder; Mathias Kunwaldsky,
Senior, gest. 1500; Wenzl Towacowsky, nach Boskowitz über-
siedelt 1561; Valentin Tragunsky, gest. 1588; Georg Facilides
1593; Paul Javornicius, ordinirt 1561, gest. 1601; Georg Weli(5
1603, geborener Ungar, früher Schullehrer, dann Diakon, ordinirt
zu Wittenberg 1603; Daniel Ruchirides 1606, geb. zu Bielitz:
Mathias Floren tius 1609 und 1618, geborener Ungar, Lehrer der
Söhne des Carl von Zierotin, ordinirt zu Wittenberg, Diakon zu
HoHeschau 1604; Pastor zu Lipow bei Strassnitz 1607; Johann
Zahora 1622, gest. 1622.
Lettowitz (Brunn), aj Böhmische Brüder; Johann Kalenec
1543; bj lutherisch; Johann Hoffmann 1550, entlassen 1564; Bar-
tholomäus Kügler 1564, ordinirt zu Wittenberg 4. April 1564;
Johann 1567 — 69; Simon 1574 und 1575; Johann Reindler
1583—87; Andreas Prokopec 1604; Erasmus Melzer 1608 und
1610; Jakob Skop 1611 und 1619; Caplan: Magister Andreas Handl
1583, früher Schulrector.
Liebenthal (Olmütz), lutherisch; Johann Friedek, gest. 1616:
Joachim Bayer, geb. zu Ziegenhals in Schlesien, gest. 1620; An-
dreas Richter 1620 und 1623; Martin Blesäl, gest. 1628; Martin
Lichtblau, geboren zu Liebenthal, gest. 1632.
Lideczko (Olmütz), Böhmische Brüder; Adalbert Skfinsky
1594, früher katholischer Curat zu Topolan.
Lidhersch (Brunn), lutherisch; Methud Forcht 1550.
Lippau (Olmütz), Böhmische Brüder; Mathäus Plorantius
oder Placko 1604, ordinirt zu Wittenberg 1604, Lehrer der Söhne
des Carl von Zierotin, nach Leipnik übersiedelt 1609; berief als
Diakon den Schlesier Adam Swesch 1607; den Ungar Melchior
Sartorius 1609.
Lippau (Olmütz), Böhmische Brüder; Georg von Bojnic 1552:
Johann Francisci 1596, ordinirt zu Wittenberg, früher Rector
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der Schule zu Senitz in Ungarn; Martin Moncoricenus 1598, ge-
borener Ungar, ordinirt zu Wittenberg, wurde Schulrector zu
Trentschin 1612, später Hofprediger des Grafen lUyeshazy, gest. 1624.
Lipnik (Brunn), Böhmische Brüder; Adam Swetelsky 1558,
früher in Trebitsch; Mathias 1560 und 1561; Johann 1566, früher
in Biskupitz.
Lispitz (Brunn), hitherisch; Simon Press ius 1580; Johann
von Tismic 1582; Jakob Cernohorsky 1597.
Lissitz (Brunn), Böhmische Brüder; Andreas Cruciger Pof icky
1598 und noch 1600.
Littau (Olmütz), lutherisch; Magister Andreas Handels 1561,
geb. zu Ratibor, gest. 18. Juli 1573; Magister Erasmus Melzer 1573,
gest. 1. Jänner 1581; Magister Ambros Oswald 1581, geb. zu Prag,
gest. 1590; Dr. Philipp Bar bat us 1590, geb. zu Badenheim in der
Unter-Pfalz, gest. 23. August 1599; Magister Jeremias Getterus 1600,
geb. zu Neustadtl in Böhmen, gest. 12. Jänner 1606; Dr. Peter
Calamini 1606, geb. zu Teschen, wurde Superintendent daselbst
1616; Magister Daniel Kranich 1610, geb. zu Kralitz, wurde Pastor
zu Passek bei Eulenberg 1618; Magister Daniel Johann Benischy
1619, geb. zu Pösing in Ungarn, gest. 24. November 1624; Johann
Richter 1624, geb. zu Freudenthal, früher Pastor zu Ratibor, wurde
ausgewiesen, erlangte jedoch die Stelle des Archidiakon zu Schemnitz
in Ungarn.
Lösch (Brunn), Böhmische Brüder; Mathias Tarnowsky 1584;
Philipp Rhau 1608.
Loschitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Albrecht 1560; Veit
Mestecky 1562; Paul Daufey 1576; Sylvius Huberinus um 1586;
Mathäus 1587, früher Prediger in Aussee; Mathäus Semelius 1597,
geborener Ungar, von der Stelle entfernt 1618, gest. 1624.
Löschna (Olmütz), Böhmische Brüder; Andreas Reussius
zwischen 1620 und 1623.
Lowtschitz, Klein- (Brunn), Böhmische Brüder; Georg Hra-
decky 1580; Friedrich Nowomöstky 1592 und 1593.
Lugau (Brunn), lutherisch; Paul Stessberger zwischen 1574
und 1584, geb. zu Iglau.
Lukau (Brunn), Georg Forster 1598.
Lundenburg (Brunn), Böhmische Brüder; Hieronymus 1561.
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Maispitz- Gross (Brunn), lutherisch; Laurenz Streicher
1580 — 86, geb. zu Iglau; David Mylius 1603, geb. zu Dresden.
Mallenowitz (Ol mutz), Böhmische Brüder; Johann Hranicky
1569.
Malspitz (Brunn), lutherisch; David Mylius 1603, geb. zu
Dresden, nannte sich ,pastor ecclesiae MalspicensisMarcomannonim*.
Mautnitz (Brunn), Böhmische Brüder; Adam von Mstowa
1595 und 1596; Niklas Dietrich, gest. zu Znaim 6. December 1620.
Gross-Meseritsch (Brunn), Böhmische Brüder; Siron 15 . .;
Benedikt 1522 und 1524; Johann Spissus 1543 und 1544; Niklas
1544; Wenzl aus Böhmen 1546, Consenior, gest. 1546; Simon
Haliläus 1555, geb. zu Saar; Niklas Panthammer 1558 und 1562,
geb. zu Ledeö in Böhmen; Mathias Aquila, Ordinirt 1557. gest.
22. Jänner 1561; Georg Solnicky aus Prag 1562; Johann Turek
1572; N. Jehnatko 15 . .; Wenzl von St rasch kau 15 . .; Wenzl Le-
decky 15 . .; Simon Zdiarsky und Jakob Kamenicky 1574;
Joachim Pistorius 158 ., Doctor an der Hochschule zu Frankfurt
an der Oder, früher Rector der Schule zu Iglau; Mathias Käme*
nitzky, genannt Taborsky, geboren zu Tabor in Böhmen, früher
Pastor zu Kamenitz, gest. 1591; Martin Richnowsky 1591 und
1594, früher zu Kfizanau; Thomas Laurenz Zandawsky. früher
katholischer Priester; Andreas Fabritius 1595, gest. 1597.
Walachisch-Meseritsch(Olmütz), Böhmische Brüder; Stephan
um 1450; Wenzl aus Böhmen, auch Consenior, gest. 1550; Mathias
Aquila, gest. 1561; Andreas Schindler 1577, geb. zu Liptau in
Ungarn; Georg Cruciger 1580; Erasmus 1590; Georg Erzinger
1591; Jakob Stephanides Pfibislawsky 159., geb. zu Pf ibislawitz ;
Lucas Gallus 16 . ., ging nach Lednitz in Ungarn; Florian Theo-
philactus 1606; Daniel Hrabovvsky 1616; Georg Tfanowsky
1616, früher Rector der Schule, ausgewiesen 1622.
Mikultschitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Anton Jan-
kowsky 1586.
Mislitz (Brunn), lutherisch; Hanns Pairi 1581.
Misloschowitz (Olmütz), lutherisch; Jakob Delffin 1580.
Modes (Brunn), lutherisch; Johann Ekeswyter 1567; Jakob
1588.
Mödlau (Brunn), lutherisch; Daniel Agricola 1610 — 17; früher
katholischer Priester.
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Mohelno (Brunn), Böhmische Brüder; N. Sedulius 1617.
Mönitz (Brunn), a) Böhmische Brüder; Viktorin 1562; Wenzl
Wodniansky, gest. 1598; b) lutherisch; Simon Jahn 1614, ent-
lassen 1616.
Morbes (Brunn), lutherisch; Florian Pinta 1557.
Morkovvitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Wercholitius
1615 und 1616.
Müglitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Gallus 1557 und 1560,
früher katholischer Priester.
Namiescht (Olmütz), Böhmische Brüder; Augustin 1560,
früher katholischer Priester.
Namiest (Brunn), Böhmische Brüder; Benedikt Optat, geb. zu
Teltsch, ordinirt 1520; Paul Timon, Veit Gallus; Daniel Streyc;
Paul Hronowsky 1621; Wenzl Elam, gest. 1622; Mathäus Theodor
Krokocinsky 1627; Julian Poniatowius 1628.
Napagedl (Olmütz), Böhmische Brüder; Jakob Bjlek, ordinirt
1560, gest. im Kerker zu Prag 1580; Paul Capito, ordinirt 1560,
gestorben an den Folgen einer schweren Verwundung durch Kosaken
6. Februar 1620.
Nettin (Brunn), Böhmische Brüder; Niklas 1557; Simon 1562;
Peter Chlumecky 1567; Viktorin Agrikola 1608; Wenzl Cur-
tius 1621.
Neusiedl (Brunn), lutherisch; Paul Naderk 1588.
Mährisch-Neustadt (Olmütz), lutherisch; Wolfgang Gräcelius
1590, geb. zu Brück in Steiermark, gest. als Sollicitator in Olmütz
um 1599.
Neustadtl (Brunn), Böhmische Brüder; Joachim von Zwo la 1561;
Andreas 1568; Wenzl Pisecky 1569; Georg Nosalowsky von
Zlonitz 1576; Johann Wisota zwischen 1581 und 1586; Mathias
Chytreus 1588 — 96; Georg Prokop Boleslawsky zwischen 1597
und 1608; Wenzl Duranius 1609, gest. 1616; Niklas Heliades
Netolicki 1616—21.
Neustift (Brunn), lutherisch; Paul Ostermann 1541; Jakob
Werl 1567; Conrad Höss 1613.
Neutitschein (Olmütz), lutherisch; a) Deutsche Prediger:
Jakob Lotge 1584, gest. 1604: Valentin Calcnarius 1604—17;
Georg Blumy, Diakon 1604, Pastor in Odrau 1606; Jakob Choy
von Kirchdorf, Diakon 1610; Johann Böhm 1617 und 1618; David
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Hartmann 1619 und 1620 ; Magister Johann N o n b ü b e 1
1621—23, früher Rektor, gest. 1623; Johann Hublius 1624, aus-
gewiesen 1624; b) Böhmische Prediger: Martin Philadelphus
Zamrsky 1581 und 1582; Johann Korinsky 1583 und 1584:
Georg Philo 1584 und 1585; Johann Postius 1586 und 1587;
Wenzl L a r i n i u s 1587 ; Martin L i p n i c k y von Raitz 1588 ; Simon
Archesius von Saar 1589 — 92; Melchior Delung von Jägem-
dorf 1593 und 1597; Simon Sartorius aus Liptau 1598 und 1600:
Wenzl Fabricius aus Deutsch-Brod 1600 und 1601; Johann Ur-
banides Ratiboiky 1601 und 1602; Bartholomäus Pochwat
von Schwarzvvasser 1602 und 1603, gest. 1603; Martin Koöi, geb.
aus der Zips, 1623.
Nezdenitz (Olmütz), Böhmische Brüder ; Tobias H e n z e 1 1595 :
früher Schullehrer zu Ostra, ordinirt zu Wittenberg 24. October
1595.
Niemtschitz (Olmütz), Böhmi.sche Brüder; Daniel Pf ihradny
1600, geb. zu Banow.
Gross-Niemtschitz (Brunn), a) Böhmische Brüder; Daniel
Pf ihradny 1606, geboren zu Banow; b) lutherisch; Valentin Vi-
gilius aus Mannsfeld 1603.
Nikolsburg (Brunn), lutherisch; Oswald Glaidt 1527; Jo-
hann Spitalmayer 1528; ein Unbenannter 1582: Johann
Kuchowsky 1592; Wenzl Patzarius 1G26.
Nikoltschitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Hradecky
1571 und 1572; Daniel Pfichodny 1612.
Nuslau (Brunn), a^ Böhmische Brüder ; Philipp 1571 und 1572:
Johann Teotimus 1586 und 1587; Jakob Zamost 1617 und 1622:
b) lutherisch; Valentin Vigel oder Vigelius 1603 — 7.
Oels (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Albus Hof ick y
1581; Georg Borowsky oder Stfezicky 1586.
Olschy (Brunn), Böhmische Brüder; Andreas Laurenz 1579;
Wenzl Pisecky 1591; Tobias Zaworka 1592, nach Bistfitz am
Hostein übersiedelt 1593.
Oppatowitz (Olmütz), BöhmischeBrüder; LinhartDoldius 1591.
Gross-Ofechau (Olmütz), Böhmische Brüder; Dalibor 1Ö57:
Johann um 1560. noch 1563.
Ossek (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Polnicky 15'^S
und 1.^90; Johann Hoffmann 1612 und 1613.
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Oslawan (Brunn), Böhmische Brüder; Georg Zenker 1587;
Georg Sartor lus 1588, geborener Ungar, ordinirt zu Wittenberg
20. October 1588.
Ungarisch-Ostra (Olmütz), Böhmische Brüder; Martin Malo-
bicky 1592, geborener Ungar; Emerik Frondator Ende 1592,
ordinirt zu Wittenberg 1592; Peter Periscelides 1622.
Ostrau bei Obicztau (Brunn), Böhmische Brüder; Johann aus
Tysmys 1581; Michek 1581; Mathias Turnowsky 1581 — 86.
Ottaslawitz (Olmütz), lutherisch; Johann Meytsky 1579;
Sebastian Archelaus Gcmnicky 1693.
Ottnitz (Brunn), Böhmische Brüder; Mathäus Pauli Palecius
1607, geb. zu Nimburg in Böhmen; Marcus Marcellus 2diarsky
1621.
Paskau (Olmütz), Böhmische Brüder; Thomas 1583.
Pailenz (Brunn), lutherisch; Viktorin Agricola, gest. 1583.
Passe k (Olmütz), lutherisch; Magister Daniel Kranich 1618
bis 1621 ; früher in Littau.
Pausram (Brunn), lutherisch; Mathäus Schmidt zwischen 1616
und 1622, ausgewiesen 1622.
Pawlowitz bei Prerau (Olmütz), Böhmische Brüder; Zybfid
1564; Florian Theophilaktus 1574; Johann Polnicky 1574;
Mathäus Meäeficky 1588; Michael um 1590; Johann Rafanides
1611, geb. zu Melnik in Böhmen.
Gross-Petersdorf (Olmütz), lutherisch; Georg Lukas 1620,
Mathias Antorp, 1620 und 1623.
Pirnitz (Brunn), Böhmische Brüder; Ladislaw Corvinus 1580,
geborener Ungar, früher Prediger zu Neu-Wessely bei Saar ; Samuel
Sitinsky 1591 7 Johann Adelphus 1592, geb. zu Hefmanmiestec
in Böhmen, früher Pastor zu Prossnitz, gest. 1593; Mathias Chyträus
(lutherisch) 1594; Stefan Corvinus, geborener Ungar, ordinirt zu
Wittenberg 1608; Jakob Colidius 1613, geb. zu Trebitsch, früher
SchulcoUega daselbst.
Pittin (Olmütz), Böhmische Brüder; Samuel Sitinsky 1592.
Plumenau (Olmütz), Böhmische Brüder; Thomas 1588.
Pohrlitz (Brunn), Böhmische Brüder; Mathias 1590; Johann
Fabricius 1619.
Pohofelitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Laurenz 1585.
Poppitz (Brunn), lutherisch; Peter Müder 1621 und 1622.
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Poslowitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Stefan Okrutsky
zwischen 1599 und 1603.
Posofitz (Brunn), Böhmische Brüder; Peter Opawsky 1560:
Blasius 1561; Gregor 1562; Johann Hradecky 1573, früher in
Nikoltschitz ; Martin Smutny 1583; Andreas 1593; Linhard
Czaban 1610.
Pralitz (Brunn), lutherisch; Johann Hofmann 1596; Daniel
Morhiter 1609.
Prerau (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann, Senior, geb. zu
Cheläc in Böhmen, gest. 1484; Elias Kfenowsky, Senior, ordinirt
1499, gest. 6. September 1503; Paul Kronowsky, gest. 1507;
Thomas, Senior, gest. 23. Februar 1517; Martin Ökoda, Senior,
gest. 1532; Paul aus Mähren. Consenior, gest. 1549; Wolfgang,
Consenior 1548, gest. 1550; Mathias Öerwenka, oder Erythräus.
Senior 1555; Johann Walausek, ordinirt 1543, gest. 1556; Andreas
Stefan, Senior, nach Eibenschitz übersiedelt 1572; Johann Abdias.
Senior, ordinirt 1587, gest. 24. Jänner 1588; Georg Sartorius,
geborener Ungar, gest. 12. Juni 1597; Christof 1599; Georg
Erastus, Senior, vierzehn Jahre Präses der Brüdergemeinden, geb.
zu Lesna in Polen; Bartholomäus Lortius 1602, geb. zu Rosen-
berg in Böhmen; Paul Schumberger 162.; Paul Hronovius
162.; Johann Laneci US 162., Senior, fünf Jahre Präses, gest. zu
Kralitz 1626; Georg Theophilus 162.; Jacob Drazdius, nach
Ungarn übersiedelt 1620; Johann Zachora, gest. 1622; Andreas
Michaelis, geborener Ungar, ausgewiesen 1624; Peter Costitius.
Senior, ordinirt 1604, gest. 1626.
Pf edmost (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann 1540; Johann
Prostejowsky 1588 und 1593.
Pribitz (Brunn), Böhmische Brüder; Wenzl Sandinu 1616.
Prossmeritz (Brunn), lutherisch; Valentin Hagen 1577 — 86.
früher katholischer Priester.
Prossnitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Georg von Brodna
1451; Gabriel 1466; Elias Crenovius, oder Kfenowsky,
ordinirt 1499, gest. 1503; Martin Skoda, Wenzl Wranecky.
Daniel Hranecky, Senioren, 1528; Zacharias 1558; Martin
Michaletz 1540, Senior, geb. 1504, ordinirt 1537, gest. im Jänner
1547; Johann Tutko; Wolfgang N. 1550, Consenior, ordinirt 1549,
gest. 1551; Wenzl Wrautetius, Consenior, einer der ersten
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Gründer der Brüdergemeinde, ordinirt 1516, gestorben 90jährig
1552; Johann Zahradka, gest. 1558; Jacob Wolinus 1562, geb.
zu Wollein, ordinirt zu Wittenberg: Gallus Dfewnius, Prager
Baccalaureus, Senior, gest. 22. November 1562; Johann Husita,
1569, studierte unter Luther zu Wittenberg, gest. als
Consenior zu Branders in Böhmen 1670; Mathäus Brodsky 1564
und 1573; Johann Adelfus Mustecky 1580—83, gest. als
Pastor zu Pirnitz im October 1593; Martin Richnowsky, oder
Wiänowsky 1595, früher Pastor zu Kfizanau und Gross-
Meseritsch; Georg Di käst us 1608, wurde Pastor an der Stefans-
kirche in Prag 1612, der Theinkirche daselbst 1619, Administrator des
Consistoriums , krönte die Gemahlin des Winterkönigs, gest. zu
Zittau in der Lausitz; Andreas Dubenius 1613; Martin Swor-
nicius 1614, geb. zu Reichenau in Böhmen.
Przno (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Postius, nach
Neutitschein übersiedelt 1587.
Prussinowitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Jonas F ab ritius
1588; Peter 1590.
Rauchowan (Brunn), Böhmische Brüder; Lukas Hansel
1607, geb. zu Lissitz; Johann, Sohn des Wenzl Canon, 1609.
Radost in (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Kraupa 1554;
Martin Sperocius 1576; Michek 1581; Johann, zwischen 1590
und 1594.
Ranzern bei Iglau (Brunn), lutherisch; Adrian G ose hei
1527; Gregor 1528; Albin Galliculus 1550, früher Schullehrer
in Iglau; Marcus Krumm 1551; Melchior Gans, früher in Eisgrub ;
Johann 1556; Andreas Kupitz 1556; Laurenz Streicher
1563 — 76, geb. zu Iglau, ordinirt zu Wittenberg 3. October
1563, nach Böhmen abgegangen 1576; Andreas Lylkho 1577;
Thomas Mader 15 . . ; Joachim Pistorius 1577, früher Rektor
der Schule in Iglau; abermals Marcus Krumm um 1580, bisher
Prediger in Iglau, wurde Pastor in Wilenz 1607; Gabriel Lam-
bert us 1612, ausgewiesen 1623.
Rattai (Olmütz), Böhmische Brüder; Andreas 1561; Niklas
Paldfimonsky 1571; Viktoria Pfebislawsky 1572 und 1576;
Wenzl 1599; Laurenz Slanina 1603.
Rautka (Olmütz), Böhmische Brüder; Jacob Andrea 1596,
ordinirt zu Wittenberg 1596.
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fteckowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Severin 1522; Gregor
1547; Johann Milota um 1557; Johann StmiStie Plsensky um
1575; Johann Hradecky 1577; Alex Thomann 1610.
Reichenau (Olmütz), lutherisch; Friedrich Schäffer 1550.
geb. zu Rottenburg an der Tauber in Würtemberg, ordinirt zu
Wittenberg 1550; Johann Flederwisch 1616.
Reitendorf (Olmütz), lutherisch; Balthasar Zwiker oder
Seh wicker von Auerbach zwischen 1550 utid 1560; Mathias Freu-
denreich 1583, geb. zu Brieg in Schlesien; Paul Keil 1613, geb.
zu Lichtenwalde in Schlesien, nach Ullersdorf übersiedelt 1618:
Martin Gast 1618—25.
Äeznowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Sedlejowsky
1581; Johann Albin 1590, gest. 1591; Johann Lomnicky 1591,
früher Pastor in Zbraslau ; Benedikt Polenius, gest. 1596; Stefan
Mi Sek 1601, geb. zu Saar; Sebastian Mnisek 1603.
Rimnitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Ezechiel 1624.
Rohatetz (Olmütz), Böhmische Brüder; Paul Urbanides.
zwischen 1600 und 1614, Vorstand der Brüder.
Rohle (Olmütz), lutherisch; Johann Reindler 1572; Nikolaus
Kaukai, nach Mährisch-Neustadt übersiedelt 14. August 1619.
Roketnitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Kraupa, aus-
gewiesen 1553.
Römerstadt (Olmütz), lutherisch; Christof Raschko 1563;
Andreas Flacius 1597; Rafael Aichler und sein Diakon Caspar
Lambert 1616; Martin Raimann 1617, geb. zu Strehlen in Schle-
sien, gest. nach sechswöchentlicher Amtsführung; Diakon Mathäus
Gebhard, Administrator bis Ende November 1617, geb. zu Frank-
furt an der Oder; Magister Thomas Scholz, geb. zu Freudenthal
und Diakon Peter Zürch, geb. zu Elbogen, Beide 1617, aus-
gewiesen 1625.
Rossitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann 1555; Johann
Mrawek 1596, weggegangen 1609; Georg Streyc 1605; Johann
Malina 1G09, abgegangen 1612; Heinrich Schwarz, gest. 70jährig
1611; Georg, gest. 1625.
Rossoch (Brunn), Böhmische Brüder; BrictiusSkalawsky 1571.
Rosswald (Olmütz), lutherisch; Magister Johann Zindler
1608, geb. zu Leobschütz 1584, lutherischer Prediger in Olmütz
1613—25.
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Roth mü hl (Brunn), lutherisch; Elias Spaltholz 1599 j^ kaiser-
lich belorberter Poet*, nach Kunstadt übersiedelt 1610.
Rowetschin (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Adam
Krapiski 1581.
Rozna (Brunn), Böhmische Brüder; Niklas öaslawsky 1575;
Veit Stanicky 1591; Jakob Petrozelin, nach Strutz über-
siedelt 1600.
Roznau (Olmütz), Böhmische Brüder; AdamRyöansky 1580.
Saitz (Brunn), lutherisch; Mathias Laib hart 1591, ausge-
wiesen 1592.
Schaffa (Brunn), lutherisch; Christofor Regulus, geb. zu
Lauben in der Lausitz, gest. 16. September 1619; David Sigismund
Lehmann, geb. zu Breslau, ausgewiesen 1631.
Schönau (Olmütz), lutherisch; Mathias Boksbart 1587 und
1588; ordinirt zu Wittenberg 1587; Melchior Faschank 1613,
geb. zu Neutitschein, ausgewandert um 1627.
Schönberg (Olmütz), lutherisch; Fabian Saukenjk 1564;
Gregor Lagus. ^pastor primarius* 1620, geb. zu Köslin in Pom-
mern 1585, ausgewiesen 1623, gest. als Pastor zu Colberg in Pom-
mern 1652.
Schumitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Augustin Mospacy
1619.
Sebranitz (Brunn), Böhmische Brüder ; Johann K 1 e m e a 1 1603 ;
Georg Zaworka zwischen 1606 und 1612.
Selowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Bartholomäus Conrad
1572, früher Schulrector zu Stannern, geb. zu Leutschau in Ungarn;
(Teorg St r eye, Consenior 1590, gest. 25. Jänner 1599; Georg
Streyc, Sohn des eben Genannten, ordinirt 1560, gest. 25. No-
vember 1605; Tobias Junius 16 . . ; Abraham Rufin ius 1611,
geb. zu Nowyhrad; Paul Streyc, zweiter Sohn des Obigen, gest.
1622.
Senft leben (Olmütz), lutherisch; Valentin Beldichen 1570;
Daniel Mellinsky 1580, geb. zu Bielitz; Valentin Laubmer 1610,
geb. zu Breslau: Magister Johann Schütz 1618; Valentin Arnold
1620—25.
Sla witsch in (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Slaninka,
auch Lardiu3 genannt, 1570, nach Ungarn abgegangen 1572.
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Slizan (Olmütz), Böhmische Brüder; Magister Johann Aeneas,
Pastor, eine ausgezeichnete Zierde der Brüderunität, gest. 5. Februar
1590; Wenzl Kiovius, Prediger, gest. noch jung 1619.
Sponau (Olmütz), lutherisch; Johann Sterabirsky 1612.
Staliek (Brunn), lutherisch; Georg Hermann 1620, gest. zu
Znaim 1620.
Stannern (Briinn), lutherisch; Nikolaus 1536, noch 1539;
Georg Beham, entfernt 1558: Ulrich 1560; Johann Mo Her Ende
1560; Mathias Dobianer, gest. 1572; Augustin Grassl 1572,
gest. 29. Juli 1595; Daniel Grassei, gest. 1595; Lukas Nisch-
bauer 1599, studirte als Iglauer Stipendist zu Witten-
berg, gest. 1. Februar 1606; Caspar Palargus 1610, früher Schul-
rector in Iglau; Johann Fi kl er 1617, früher ebenfalls Schulrector
in Iglau, gest. 13. April 1622; Georg Rudlof 1623, ausgewiesen.
Startsch (Brunn), lutherisch; Andreas Marchard, Diakon
1560; Mathias Marchard 15 . .; Ladislaw Corvinus 1570, gest.
12. November 1608; Benedikt Mikus 1610, geb. zu Bilin in Böh-
men, nannte sich ^Dechant der lutherischen Geistlichkeit im oberen
Theile des Brünner Kreises*.
Steinitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Meitensis 1530,
gest. 1532; Johann Beranek, getödtet von Kosaken 17. März 1622.
Sternberg (Olmütz), lutherisch ; Johann T e c 1 e r u s 1556 :
Johann Lang 15 . .; Johann Henzn er 1569 — 79, geb. zu Namslau
in Schlesien; Tobias Faber 1597, geb. zu Neustadt in Schlesien,
gest. 60jährig 1614; Johann Feyerbrand 1616, geb. zu Namslau
in Schlesien, ausgewiesen 1625.
Stignitz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Kuchowsky
1584 ; Johann Q u a 1 1 e r u s, früher katholischer Priester, abgeschafft 1586.
Stramberg (Olmütz), Böhmische Brüder; Niklas 1582, geb.
zu Fulnek; Georg 1584; Markus Koczi 1614.
Straschkau (Brunn), Böhmische Brüder; Wenzl Jehnota.
Schuhmacher daselbst, zwischen 1570 und 1591.
Strassnitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Peter von Pilsen
1550; Mathäus Streyc, Consenior, beredt, ordinirt 1532, gest.
13. Mai 1555; Mathias Orel 1557, ordinirt 1557, später Prediger
zu Holleschau, Tobitschau und Meseritsch, gest. im letztgenannten
Orte 22. Jänner 1561; Niklas Mosowsky 1674, geb. zu Ungarisch-
Hradisch; Johann Molotinsky 1586 und 1593, sein Diakon
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Michael Petrowic, geborener Ungar, seit 1590; Paul Sperat,
Conseniof, gest. 1601; Johann Albin 1605; Johann Orion, Con-
senior, gest. öOjährig 1615; Johann Ephron Hranicky, Diakon
1617, geb. zu Weisskirchen, früher Schullehrer zu Fulnek, Pastor
1620, gest. als Ausgewiesener in Ungarn; Martin Hoficka 1619,
geborener Ungar, früher Rector der Schule in Ungarisch-Brod, gest.
als Ausgewiesener in Ungarn; Daniel Miliwensky 1620, geb. zu
Pardubitz in Böhmen.
Strutz (Brunn), Böhmische Brüder; Mathias Holomucky
1574; Jakob der ältere Petrozelinus noch 1600, kam später nach
Mährisch-Budwitz,
Swolla (Brunn), Böhmische Brüder; Joachim zwischen 1561
und 1565,
Gross-Tajax (Brunn), lutherisdi; Jacob Tanzar 1546, geb.
zu Budweis in Böhmen, ordinirt zu Wittenberg 1545; Sebastian
Taraler 1591; Georg Albinus 1610; Johann BermüUer 1616.
Tassau (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Kraupa 1553;
Wenzl Tabor 1556 und 1588; Caspar Fabricius 1569, nach
Gross- Bitesch übersiedelt 1570; Mathias Stuhl er 1580 und 1585;
Valentin Micius 1586, geborener Ungar, ordinirt zu Wittenberg
1583; Martin Holecius 159 . ; Johann Schmidt Pfesticky 1598
und noch 1610.
Tattenitz (Olmütz). lutherisch; Andreas Pfalzgraf 1571—90;
Daniel Kranich 1591; Johann Frigius 1617.
Telnitz (Brunn), Böhmische Brüder; Friedrich Felix Nowo-
meftky 1600.
Teltsch (Brunn), Böhmische Brüder ; Johann Leczdar 1586.
Teschitz (Olmütz), Bömische Brüder; Jacob Matericky 1600;
Tetschowitz bei Mallenowitz (Olmütz), Bömische Brüder;
Jacob Del ff in, zwischen 1575 und 1580, ging nach Misloschowitz
1580; Gregor Phil ar et 1580; Lukas Jaworsky 1583; Georg
Zlinsky 1603.
Tischnowitz (Brunn), Böhmische Brüder ; Johann Hradecky
1567 und 1569; Johann von Tismic 1570, nach Ostrau über-
siedelt 1580; Peter Mohelnicky 1580 und 1582.
Tieschnowitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Lukas Polak,
früher Chorherr des Augustinerstiftes zu Sternberg, 1557; Michael,
zwischen 1570 und 1576.
Jahrbuch des Protestantismus z888. H. III. 12
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Tischtih (Olmütz), Böhmische Brüder ; Martin Holecius 1613.
Tlumatschau (Olmütz), hussitisch; Benedict, auf einen
Reise gefangen genommen und in Brunn verbrannt um 1460.
Tobitschau (Olmütz), a) hussitisch; Simon von Tisnow
1416, wieder zur katholischen Kirche zurückgekehrt 1419; b) Böhmi-
sche Brüder; Martin Arator 1527, gest. 1544; Johann Patrobius
1547, gest. 6. Jänner 1551 ; Johann Laurenz 1555, geb. zuGaya,
ein Schüler Luther's und Melanchthon's, gest. zu Ostrorog
in Polen 1587; Mathias Orel, oder Aquila 155., gest. zu Mese-
ritsch 1561; Elias Joram 1560; Wenzl Holy um 1561, gest.
1566; Mathias Clämpirius, Consenior 1566, ordinirt 1555, gest.
3. Februar 1566; Georg Witkowsky 1607, geborener Ungar,
früher Rector der Schule, dann Diakon, ordinirt zu Wittenberg 1607.
Trebitsch (Brunn), Böhmische Brüder ; B 1 a s i u s 1550 ; Adam
Swötelsky 1555 und 1557; Samuel 1561 und 1564; N. So-
pauch 1566; Martin Stephanides aus Nuslau 1569; Andreas
(lutherisch) 1571 und 1574, geb. zu Pardubitz in Böhmen; Blasius
1575 und 1577, geb. zuPüsen; Mathias Mathesius 1578, geb. zu
Skuö in Böhmen; Johann Latus 1590, geb. zu Öaslau in Böhmen
1545, ordinirt zu Wittenberg 1572, gest. 1595; Paul Rassovius
15 . . , ordinirt 1572, gest, 10. Augu.st 1572; Johann Aeneas Boles-
lowsky (lutherisch) 1572, Magister zu Wittenberg; Paul
Cedron (lutherisch) 15.., geb. zu Bistfitz; Johann Capito 1588
und 1589, gest. 1. Jänner 1590, Johann Aeneas 1588 — 94, gest.
5. Februar 1594; Georg Lotis und Daniel Borras 1592; Jacob
Kment 1597; Samuel Raudnicius 1601; Samuel Benedictus
1603, ordinirt 1601, gest. 1605; Jacob P et rocelinus, Senior 1601
und 1613; Wenzl Aram, Diakon, oder Minister, 1607 und 1611:
Laurenz Justin 1613, geb. in Ungarn 1570; sein Diakon 1614
Wenzl Ostirius, geb. zu Skuc in Böhmen; Niklas Heliades,
geb. zu Netolic in Böhmen, gest. 3. November 1624; gleichzeitig
als Prediger MathäusAita, geb. zu Taus in Böhmen, gest. 10. No-
vember 1624; seitdem nochmals Jacob Petrocelinus, geb. zu
Kunstadt in Mähren, gest. als Ausgewiesener zu Breslau 14. Octo-
ber 1633.
Treskowitz (Brunn), lutherisch; Johann Schinder 1582;
Balthasar Lyra 1604; Augustin Gambertus 1610, gest. zu Znaim
17. Jänner 1617.
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Triesch (Briinn), Böhmische Brüder; Simon Brantl 1588;
Caspar Rhodius 1601, ordim'rt zu Wittenberg 3. Mai 1601;
Melchior Luzicky Ende 1601; Jeremias, ausgewiesen 1624.
Mährisch-Trübau (Olmütz), lutherisch; Johann Satbogen
1550, geb. zu Trübau, studirte zu Wittenberg, früher Schulrector,
gest. 20. November 1573; Christian Charbat 1573 und noch 1582,
geb. zu Iglau; Elias Spaltholz 1587; Andreas Junicelli 1590,
geb. zu Mühlberg, gest. 1599; Diakon Niklas Waiden; Andreas
Feinkikoll 1600, gest. 1601; Martin Zimmermann 1603, gest.
1612: Diakon Christoph Friedrich, geb. zu Habeischwert; Bar-
tholomäus Hengk 1613, gest. 1617; Diakon Hieronymus Reich el;
Georg Riemer 1617, auch ,Dechant* genannt, gest. 1622.
Ullersdorf-Gross (Olmütz), lutherisch; Georg Fontan 1600
und 1614; Paul Keil 1618.
Urbanau (Brunn), Böhmische Brüder; Prokop 15..
Vöttau (Brunn), Böhmische Brüder; Dyonis 1562.
Weimislitz (Brunn), lutherisch; Johann Zakal 1582; Johann
Hodelsky 1606.
Weisskirchen (Olmütz), Böhmische Brüder; Simon 1500,
gest. 1511; Wenzl Kowacowsky 1566, geb. zu Prag; Georg
St r eye zwischen 1574 und 1578, geb. zu Zabfech in Böhmen, or-
dinirt zu Prerau 1567, gest. zu Selowitz 25. Jänner 1599; Georg
Philo 1584; Wenzl Fabricius 1601; Johann Hoffmann 1620.
Welka (Olmütz), Böhmische Brüder ; nach einander Georg Götz
und Georg M i c h a 1 o w i c 1588, geborener Ungar, ordinirt zu W i 1 1 e n-
berg 27. Mai 1588.
Wessely (Olmütz), Böhmische Brüder; Isaias 1536; Bar-
tholomäus 1544; Zacharias Zablowsky 1622.
Wessely-Neu (Brunn), Böhmische Brüder; Ladislaus Cor-
vinus 1579, nach Pirnitz übersiedelt 1580; Georg Bakowsky
1606; Johann Jurowec 1614; Paul Matausek Czerawsky 1616.
Wiese (Brunn), lutherisch; Blasius 1526; Martin 1583;
Veit Jemnicky 1587.
Wiesenberg (Olmütz), lutherisch; Paul Braun 1580.
Wilenz (Brunn), lutherisch; Thomas Schenermann 1556
und 1558; Wölfgang R u b e i n 1558; Mathias Marchard 1559 und
noch 1591; Johann Faber 1592, gest. 18. Jänner 1606: Marcus
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Krum 1606, früher in Ranzern, gest. 3. October 1608; N. Eber-
hart el, gest. 1608; Andreas Lewald 1609, gest. 7. December 1623.
Wisch enau (Brunn), Böhmische Brüder; Johann 1564; Ma-
thias Karnowsky 1573; Absolon 1579; Johann von Tismic
1583; Markus Chyträus 1617.
Wisternitz, Gross- (Olmütz), Böhmische Brüder; Veit Aquilin
Hradecky 1571, nach Kralitz übersiedelt 1574.
Wlachovvitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Äydansky
1570 und 1573.
Wladislau (Brunn), Böhmische Brüder; Mathäus 1568 und
1573; Johann Korinsky 1584; Niklas Heliades 1613.
Woikowitz (Brunn), lutherisch; Stanislaw 1564; Magister
Johann Leuchammer 1563, geb. zu Ronnenberg im Voigtlande,
gest. 15. November 1585; Leopold Lachenger 1590; Joachim
Mylis 1596; Michael Krautundfleisch 1615; Michael Lacho-
nosor 1620.
Wolfirsch (Brunn), lutherisch; Gallus vor 1526; Gallus Hoz-
linger 1588.
Wollein (Brunn), Böhmische Brüder; Viktorin 1571; Ma-
thäus Taborsky 1584; Johann Sebatsky oder §ebatecky 1592
und 1601, geb. zu Prag; Georg Posthumius 1614; Daniel Os-
lansky 1619.
Wolframs (Brunn), lutherisch; Georg Schild 15..; Samuel
N. 1563; Georg Popitzer 1563, geb. zu Iglau, ordinirt zu Witten-
berg 30. Juni 1563; Hanns Gast 156.^, geb. zu Iglau, nach Ungarn
übersiedelt 1567; Johann Faber 1573; Paul F er mann 1586,
später Diakon zu Iglau; Mathäus Marchart 1590, geb. zu Iglau.
wurde Diakon zu Startsch: Georg Lentzer 15..; Martin Liebe-
zeit 1592, geb. zu Bischofswerda in Meissen, war früher Caplan zu
Iglau, wurde 1617 Pastor zu Scherles in Böhmen; Johann Cardinal
l(K)o; Johann Fuchs 16 . . , früher Schuldiener in Iglau, ausgewiesen
6. September 1623.
Wolframskirchen (Brunn), lutherisch; Jakob 1564; Bar-
tholomäus 1570 und 1572; Hieronymus 1574 und 1580;
Thomas 1580; Johann Albinus 1581; Johann Woda z Wody
1590; Andreas Gallus 1600; Georg Förster 1603.
Wostitz (Brunn), lutherisch; Jakob Melzer 1586; Jakob Mezig
1588; Timotheus Erithreus 1614.
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Wsetin (Olmütz), Böhmische Brüder; Michael 1579, früher
kathoHscher Priester; Martin Lipnicky 1586, nach Neutitschein
übersiedelt 1588.
Zahorowitz (Olmütz), Böhmische Brüder; A. K oh au t um 1600.
Z aschau (Olmütz), Böhmische Brüder; Christoph Pocza-
nowsky 1580.
Z au chtel (Olmütz), lutherisch; Peter Julius, zwischen 1620
und 162S.
Zbraslau (Brunn), Böhmische Brüder; Johann Purkrabek
1550 und noch 1556; Johann 1577; Johann Lomnicki 1582—91;
Nikolaus Baccinius 1592 und 1593; P. Klement 1598; Severin
N. 1628.
Zdaunek (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann Möstecky
1574 und 1575; Thomas 1583, früher katholischer Pfarrer in
Plumenau.
Zdiaretz (Brunn), Böhmische Brüder; Johann aus Daubraw-
nik 1571.
Zellechowitz (Brunn), Böhmische Brüder; Michael zwischen
1586 und 1590, früher katholischer Priester.
Äeranowitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Johann 1619.
Ziaroschitz (Brunn), Böhmische Brüder ; Michael Trnawsky
1549; Jakob Wisocky 1557.
Zierawitz (Olmütz), Böhmische Brüder; Mathias Sionsky
1548; Wenzl Aram, Diakon zwischen 1604 und 1607; Johann
Alb in und Jakob Alphäus, gest. 1621.
Zittow (Olmütz), Böhmische Brüder ; Georg M arte ni des 1611.
Zlabings (Brunn), lutherisch; Gabriel Weidenbach 1620;
Conrad Hirn 1620.
Zlin (Olmütz), Böhmische Brüder ; Johann Stitnowsky 1563,
früher Cisterzienser in Wellehrad; Wenzl Bojan 1568; Tobias
Gregory 1606.
Znaim (Brunn), lutherisch ; Johann Rohrbacher 1542; Hanns
Waigel 1543, beide ausgewiesen durch einen kaiserlichen Befehl
11. September 1543; Magister Johann Stumpf 1519; Wolfgang
Erasmus nach 1543; Christian 1550; Conrad 1550; Johann
von Miksnic 1 550 — 52 ; Johann F r i n k 1 55 1 ; Johann V o 1 1 m e y e r
1555; Bemard Dubniansky; Georg Schild 1505, früher berühmter
katholischer Prediger in Wien, gest. 1590; Merthan Gieringer,
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Pfarrer, und Augustin Grässl, Prediger ]569; Niklas ßber 1572:
Goloman Strobel 1574; Mathias Spasneus 1575; Achaz Syric
1577, wurde katholisch und trat in das Prämonstratenserstift Brück
ein; Andreas Eber ding,- ein geborener Sachse, Pfarrer, und Se-
bastian Rauscher, Caplan 1578; Leonard Fichtner 1577; Martin
Candrodt 1578; M.Steinweg, Prediger 1580; Peter Corvinus
1582; Caspar Ludwig 1589; Felix Wesely 1594; Balthasar
Hühner 1595, Senior 1604; Michael Grünsperger 1595; aber-
mals Felix Wesely 1597, noch 1604; Jobann Fresdorf aus Würz-
burg; Johann Stumpf, Oberpfarrer; Magister Franz Arnold:
Magister Johann Seger; Gallus Stabel, mährischer Prediger —
alle vier ausgewiesen 1623.
Znorow (Olmütz), Böhmische Brüder; Paul Urbani des 1625.
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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in Oesterreich", welches unter der Redaction des Präsidenten
(Dr. Karl Ritter von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. ^/M. Witz ww^X^t. Theodor
Haase) und des'Secretärs der Gesellschaft (Lic. Dr. Gustav Trautetiherger) in viertel-
jährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in
Mittheilung von Urkunden, in Besprechungen und Notizen Alles, was sich auf die
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht.
Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit Freude begrilsst und von
der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden.
Hier einige Worte aus Recensionen :
jjMit dem ersten Doppelliefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb-
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf
man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen nnd verheissungsvoUen Anfang theilneh-
raend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang unter Gottes Segen getrost
in Aussicht stellen."
„Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das
Jahrbuch seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und
ausser Oesterreich ferner durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen."
,Wie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeit und
V'erschfedenheit des Inhalts den gehegten Erwartungen.**
Theologisches Litteraturblatt (Leipzig) iSSi. A'r. 20 tt. S3- ^^^S- ^^' SS'
„, . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nachrichten über
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirclie in Oesterreich enthält. Wir
wünschen unsern österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang und
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische
Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 fl. jährlich leisten, unterstützende Mit-
glieder solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als Gr ü n der einen einmaligen
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen.**
/Veue EviDigelische Kirchenzeitung (Berlin) rSSi. Ar. 22.
„. . . Als erfreuliche P'rucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden er<ten Doppel-
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum Theil höchst
interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen dem so glücklich
begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fortgang.
Möge dasselbe an seinein Theile zur Stärkung des evangelischen Bewus>tseins unter
den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen I**
(Prof. Dr. Lipsius) Theologische Literatuneitung (Leipzig) 1881. Nr. /j.
Das Jahrbuch „für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem
Werth und Interesse aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen** u. s. w.
Theologischer Liiteratiir-Bcj-icht (Gütersloh) iSSj- AV. 8.
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Rcdaction
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir . . . nur wieder-
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen a\B dem vorigen
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Prote
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per
sönliches und Allgemeines« u. s. w.
(Prof. Dr. Messner) Nene Evangelische Kirchemeitung (Berlin) 1883, Nr. 40.
yjEs ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter-
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treffliche
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem
Geschichtsfreand aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoll sind
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen'* u. s. w.
(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung, Wien 1883, Nr. 410J.
. . . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations-historischer Forschung auf
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen.**
(Prof. Dr. Zöckler) Evangelische Kirchenzeitung (Greifsw.) 1883, Nr, 48.
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wissen-
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstützen
.und nach jeder Richtung hin zu fördern/
Evangelische Kirchenzeitung für Oesterreich (Bielitz) 1884. Nr. i.
,. . . Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben* u. s. w.
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift aus der Schweiz [Zmic\i) 1886. H. I. S. 61.
„Mit Freude begrüssen wir diese weiteren Jahrgänge der verdienstvollen Zeit-
schrift" u. s. w.
(Prof. S.-G.) Theologischer Litte raturbericht (Gütersloh) 1881, Nr. 4,
Zur Nachricht.
Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnau bei Kulmback in
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f In Nürnberg 1658) dem Central vor-
stände unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerischer
Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriften
jjGeh nur davon, |{ Sey fromm für mir, || Gib Armen hier, |{ Ich bin dein Lohn.'
Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf I. Mos. 12 t
,Geh aus deinem Vaterland, imd lass deiner Freundschaft Band,
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm,
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild«
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron."
Der Centralvorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) ^ i fi.
zu haben ist.
Druck von Wilhelm Köhler, Wien, VI. Mollard|;u«e 41.
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JAHRBUCH
der
Gesellscbaft für die Geschichte des Protestantismas
in Oesterreich.
Neunter Jahrgang.
IV. Heft.
October — December 1888.
»H»R.
Wien und Leipzig.
Julius Klinkhardt.
1888.
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Inhalt von Heft IV.
Seuc
14. Kaiser Franz Josef 1. und die Evangelische Kirche. Von D. C. A, IVitz . 175
15. Bücherschau: Allgemeine kirchliche Chronik, Jahrg', 34 (Loeschej .... 242
16. Namenregister 243
Zur Beachtung.
Wir ersuchen unsere Mitglieder, in ihren Kreisen für die Verbreitung der
Gesellschaft thätig zu sein, und stellen zu diesem Behufe Exemplare der Statuten
in gewünschter Anzahl zur Verfugung.
Laut Beschlusses des Centralvorstandes in seiner Sitzung am 27. Februar 18S4
erhalten die Mitarbeiter am „Jahrbuch", vom fünften Jahrgang (1884) an, nach Erscheinen
des betreffenden Jahrgangs als Honorar pro Druckbogen sechzehn Gulden ö. W.
Die Mitarbeiter sind allein verantwortlich für den Inhalt und die Form der
unter ihrem Namen im Jahrbuch erscheinenden Artikel.
Den Mitarbeitern werden sechs Gratis - Separatabzüge ihrer Arbeiten nach
Erscheinendes betreffenden Heftes von der Köhler'schen Buchdruckerei franco zugesendet.
Eine grössere Anzahl von Separatabzügen kann nur nach rechtzeitiger Verständigung
der Herren Verfasser mit der genannten Buchdruckerei (Wien, VI. Mollardgasse 41)
gegen Erstattung der Druckkosten gemacht werden.
Die noch rückständigen Beiträge bitten wir an unsem Cassier, Herrn Hof-
und Gerichts-Advocat Dr. Carl Ritter von Sääf (VJien, I. Ballgasse 6), chebaldig>t
einzusenden.
Für das „Jahrbuch" bestimmte Arbeiten, sowie Zuschriften an die Gesellschai:
sind „An das Bureau der Gesellschaft, "Wien, I. Dorotbeergasae 16* zu richten.
Der Cefitralvorstand
der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantism-?
in Oesterreich.
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XIV.
Kaiser Franz Josef L
und die
Evangelische Kirche.
Von
I>. C. A. Witz.
Mit aufrichtiger, herzlicher Begeisterung feiern die Völker und
Länder der österreichisch-ungarischen Monarchie in diesem Jahre das
vierzigjährige Regierungs-Jubiläum Sr. Majestät unseres allergnädigsten
und vielgeliebten Kaisers und Herrn, Franz Josef I.
Jubiläums-Ausstellungen, wohlthätige Stifhmgen, Werke der barm-
herzigen Nächstenliebe bezeugen — dem Willen des Kaisers ent-
sprechend, welcher selbst gewünscht, dass der Dank für die Segnungen
Seiner Regierungszeit nicht durch kostspielige Feste, sondern durch
gemeinnützige Schöpfungen zum Ausdrucke gelange — Oesterreichs
loyale und treue Hingabe an seinen erhabenen Monarchen.
Auch die Evangelischen Oesterreichs betheiligen sich an diesen
Kundgebungen patriotischer Gesinnung und freuen sich, ihren Dank
für die , Gleichberechtigung* in ungetrübter Gemeinschaft mit allen
andersgläubigen Mitbürgern bethätigen zu können.
Nichtsdestoweniger fühlen sich die evangelischen Oesterreicher
verpflichtet, ihre Dankbarkeit noch in besonderer Weise zum Aus-
drucke zu bringen. Hat sich doch der Kaiser, während seiner vierzig-
jährigen Regierungszeit, stets als der treue Schutz- und Schirmherr
der evangelischen Kirche erwiesen. Sind uns doch aus Seiner Hand
so viele, so mannigfaltige Segnungen zugeflossen.
Darum hat auch der k. k. evangelische Oberkirchenrath A. und
H, B. beschlossen, eine Wohlthätigkeitsstiftung in 's Leben zu rufen,
welche — unter Voraussetzung der Allerhöchsten Genehmigung —
Jahrbuch des Protestantismus 1888 H. IV. 13
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den Namen Sr. k. und k. Apostolischen Majestät fuhren und den
armen evangelischen Gemeinden Oesterreichs zugute kommen soll.
Darum veröffentlicht die , Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in Oesterreich* vorliegende Denkschrift. Sie möchte
dadurch, namentlich den Fernerstehenden gegenüber, die Dankbarkeit
der Evangelischen geschichtlich begründen und deren Berechtigung
durch Thatsachen nachweisen.
Zu diesem Zwecke werden wir in schlichter, einfacher, rein
sachlicher Weise nacheinander chronologisch anfuhren : 1. die A. h.,
die evangelische Kirche berührenden, EntSchliessungen, Ver-
ordnungen und Gesetze, welche Se. Majestät erlassen oder
genehmigt, 2. die Reden und Ansprachen, welche der Kaiser
bei feierlichen Anlässen an die Vertreter der beiden evangelischen
Kirchen A. und H. B. oder einzelner Gemeinden gerichtet, und 3. die
Geschenke und Gaben, welche Allerhöchst Derselbe für evan-
gelische Zwecke gespendet hat
Diese Erinnerungen werden zur Genüge beweisen, wie sehr wir
als Evangelische berechtigt sind, den j^Freudentag des Vaterlandes
mitzufeiern, nicht allein als Bürger eines durch seinen Herrscher be-
glückten Reiches, sondern als dankbare Bekenner unseres Glaubens.*
I.
Als Se. Majestät am 2. December 1848, in sturmbewegter Zeit,
die Zügel der Regierung ergriff, wurde die Thronbesteigung allen
Völkern der Monarchie feierh'chst durch ein A. h. Patent verkündigt,
welches u. A. folgende Kundgebung enthielt:
,Das Bedürfniss und den hohen Werth freier und zcit-
gemässer Institutionen aus eigener Ueberzeugung erkennend,
betreten Wir mit Zuversicht die Bahn, welche Uns zu
einer heilbringenden Umgestaltung und Verjüngung
der Gesammt-Monarchie führen soll.
Auf den Grundlagen der wahren Freiheit, auf den
Grundlagen der Gleichberechtigung aller Völker des
Reiches und der Gleichheit aller Staatsbürger vor
dem Gesetze, sowie der Theilnahme der Volksver-
treter an der Gesetzgebung, wird das Vaterland neu
erstehen, in alter Grösse, aber mit verjüngter Kraft,
ein unerschütterlicher Bau in den Stürmen der Zeit.
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177
ein geräumiges Wohnhaus für die Stämme verschie-
dener Zunge, welche unter dem Scepter Unserer Väter
ein brüderliches Band seit Jahrhunderten umfangen
hält/
Diese hochherzige kaiserliche Kundgebung berechtigte die Evan-
gelischen Oesterreichs zu den kühnsten Hoffnungen. Die , freien
und zeitgemässen Institutionen* können ihnen von nun an nicht
mehr vorenthalten werden. -Auf den Grundlagen ,der wahren Freiheit,
der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze* wird die evange-
lische Kirche fortan sich erbauen und ungehindert sich entwickeln.
In der That. Das Jahr 1848 scheidet Alt-Oesterreich von Neu-
Oesterreich besonders in kirchlich-politischer Beziehung.
Schon der im Allgemeinen nicht beachtete und noch von keinem
protestantischen Geschichtsschreiber gewürdigte Erlass des Ministe-
riums des Innern vom 31. December 1848 (R.-G.-Bl. Nr. 60) recht-
fertigte ihre Zuversicht. Dieser Erlass verfugte nämlich, dass ^in
Zukunft* bei der Ausstellung von Reise-Urkunden die Angabe des
Religionsbekenntnisses unterbleiben solle. Solche Urkunden dürfen
fortan nur ,in die Augen fallende äussere Merkmale' enthalten, wäh-
rend das »Religionsbekenntniss' ausschliesslich vor ,das innere Forum
der Ueberzeugung eines Jeden gehört.* Die Protestanten können also
von nun an frei und unbehelligt durch alle österreichischen Länder
reisen. Sie haben nicht mehr unter der Engherzigkeit Einzelner
noch unter den Vorurtheilen gewisser Länder zu leiden. Das Reli-
gionsbekenntniss hat aufgehört, , äusseres* Merkmal eines echten
Oesterreichers zu sein. Der Protestantismus schliesst den Patriotismus
nicht aus. Das j^innere Forum der Ueberzeugung* wird anerkannt.
Der Gewissenszwang fängt an zu weichen.
Fängt an zu weichen.^ Nein. Er hat bereits das Feld geräumt.
Denn nach der A. h. EntSchliessung vom 26. December
1848 — welche allerdings erst am 30. Jänner 1849 mittelst Erlasses
des Ministeriums des Innern allen Landes-Chefs (mit Ausnahme der
Lombardei und Venedigs) bekannt gegeben wurde (R.-G.-Bl. Nr. 107)
— hat Se. Majestät, eingedenk der Grundlagen der wahren Freiheit,
zu Gunsten der Evangelischen, folgende provisorische Verfügung
getroffen :
r. Die beiden unter der Bezeichnung , akatholisch* begriffenen
protestantischen Confessionsverwandten in Oesterreich sind künftig
13*
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in amtlicher Beziehung mit dem Namen: »Evangelische der Augs-
burger oder Evangelische der helvetischen Confession* zu bezeichnen.
II. Der Uebertritt von einem christlichen Bekenntnisse zu einem
anderen steht Jedermann frei, der das achtzehnte Jahr zurückgelegt
hat, nur ist Folgendes zu beobachten:
Derjenige, der überzutreten wünscht, ist gehalten, diese seine
Absicht vor dem Seelsorger der Kirchengemeinde, zu welcher er
bisher gehörte, in Gegenwart zweier selbstgewählter Zeugen zu er-
öffnen und vier Wochen nach dieser Eröffnung abermals vor dem
Seelsorger derselben Kirchengemeinde in Gegenwart derselben oder
zweier anderer, ebenfalls selbstgewählter 2^ugen, die Erklärung abzu-
geben, dass er bei seiner Absicht beharre.
Ueber jede dieser Erklärungen ist der Seelsorger verpflichtet,
dem den Uebertritt Beabsichtigenden ein Zeugniss auszustellen.
Sollte dasselbe aus was immer für einer Ursache verweigert
werden, so sind die Zeugen berechtigt, es auszustellen.
Diese beiden Zeugnisse hat der Uebertretende dem Seelsorger
der Kirchengemeinde, zu welcher er übertritt, vorzuweisen, wodurch
der Act des Uebertrittes vollkommen abgeschlossen ist.
Alle anderen bisherigen Vorschriften bezüglich des Uebertrittes
werden ausser Wirksamkeit gesetzt.
III. Die Tauf-, Trauungs- und Sterbebücher werden von den
Seelsorgern evangelisch-augsburgischer oder evangelisch-helvetischer
Kirchengemeinden über die von ihnen vorgenommenen kirchUchen
Acte ebenso geführt und aus denselben von ihnen Auszüge unter
ihrer Fertigung mit derselben Rechtswirksamkeit erfolgt, wie dieses
bei den katholischen Seelsorgern der Fall ist.
IV. Stolgebühren und andere Giebigkeiten an Geld und Natu-
ralien für kirchliche Amtshandlungen von Seite evangelisch-augs-
burgischer oder evangelisch-helvetischer Confessionsverwandten an
die katholischen Geistlichen sind, insofern sie nicht fiir Amtshand-
lungen gefordert werden, welche der katholische Seelsorger wirklich
verrichtet, und insofern sie nicht dingliche, auf dem Realbesitze
haftende Abgaben sind, aufgehoben.
Dasselbe gilt von den an den Messner zu entrichtenden Leistungen.
V. Die an manchen Orten üblichen Abgaben evangelisch-augs-
burgischer und evangelisch-helvetischer Confessionsverwandten an
katholische SchuUehrer haben dort, wo dieselben ihre eigenen Schulen
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haben und ihre Kinder nicht in katholische Schulen schicken, auf-
zuhören.
VI. Bei Ehen zwischen nicht katholischen christlichen Religions-
genossen hat das Aufgebot nur in den gottesdienstlichen Versamm-
lungen der Brautleute, bei Ehen zwischen katholischen und nicht
katholischen Religionsgenossen in der Kirche eines Jeden derselben
zu geschehen, und wird diesfalls der § 71 des bürgerlichen Gesetz-
buches ausser Wirksamkeit gesetzt.
Damit wurde zum grössten Theile in hochherziger Weise den
Wünschen entsprochen, welche die j^Conferenz evangelischer Geist-
licher und Weltlicher* vom Augast 1848 zum Ausdrucke gebracht
hatte und ^^dem Geist der Zeit, wie dem dringenden Bedürfnisse,
Rechnung getragen*.
Zunächst sind die Evangelischen nicht mehr ^Akatholiken*. Die
verirrten Schafe der einen alleinseligmachenden Kirche gelten von
. mui an als selbstständige Bekenner des Evangeliums. Die richtige
Bezeichnung wird bereits zur thatsächlichen Anerkennung. ,Die Be-
nennung mit dem rechten Namen*, sagt treffend Carl Kuzmany*),
,ist die Anerkennung der gebührenden Achtung und somit Gewähr-
leistung der politischen Ehre. Selbst wenn diese nicht gerade aus
feindseliger Gesinnung verweigert wird, so ist's doch kränkend und
eine Unbill*.
Se. Majestät hat diese Kränkung, diese Unbill beseitigt.
Nicht minder werthvoU sind die übrigen Rechte und Freiheiten.
Der Uebertritt von einem christlichen Bekenntnisse zum andern ist
frei. Der zur evangelischen Kirche Uebertretende braucht sich nicht
niehr einem sechswöchentlichen Unterricht der katholischen Geist-
lichen zu unterziehen. Alle Hindernisse, welche der Zelotismus dem
Uebertretenden in den Weg zu legen wusste, sind beseitigt. Die
Matrikeliuhrung der evangelischen Seelsorger hat von nun an rechts-
kräftige Geltung. Das »Vidi* der katholischen Pfarrer ist überflüssig.
Die Stolgebühren an katholische Geistliche, die Abgaben an katho-
lische Schullehrer sind aufgehoben. Beim Aufgebote ist das Be-
kenntniss entscheidend.
>) Lehrbuch des allgemeinen und österreichischen evangelisch - protestantischen
Kirchenrechtes. Wien 1856. W. Braumüller. Band I, pag. 432.
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180
Das waren wichtige Zugeständnisse, herrliche Errungenschaften.
Mit dieser A. h. Entschliessung ist die Selbstständigkeit der
evangelischen Kirche jinerkannt. Bis dahin war sie gewissermassen
eine Filiale der katholischen Kirche, jetzt ist sie Muttergemeinde
geworden. Bis dahin war sie der katholischen Kirche untergeordnet,
jetzt ist sie ihr nebengeordnet, coordinirt. Bis dahin war sie tribut-
pflichtig, jetzt ist sie unabhängig.
Die ^Conferenz ^)* hatte freilich noch verlangt, dass Kinder aus
gemischten Ehen der Religion des Vaters folgen, wenn die Eltern,
denen hierüber das freie Uebereinkommensrecht eingeräumt wird,
nicht etwas Anderes bestimmten, und dass bei Mischehen nach freier
Wahl der Brautleute, die Eheschliessung und Einsegnung von dem
evangelischen Pfarrer so gut wie von dem ' katholischen vollzogen
werden könne — und diese Wünsche waren unberücksichtigt ge-
blieben; allein die Evangelischen hatten nichtsdestoweniger Grund
genug, Sr. Majestät fiir obige Zugeständnisse von Herzen zu danken.
Sie können zweifelsohne mit froher Zuversicht die weitere Entwick-
lung der Dinge abwarten. Es weht ein Geist der Freiheit, der
Fortschritt ist unverkennbar. Das Ziel wird erreicht werden.
Eine neue Bürgschaft hiefiir gewährte das kaiserliche Patent
vom 4. März 1849. Dieses Patent verordnete ,in Anerkennung
und zum Schutze der den Bewohnern Oesterreichs durch die von
Sr. Majestät angenommene constitutionelle Staatsform gewährleisteten
politischen Rechte* u. A., wie folgt:
§ 1. Die volle Glaubensfreiheit, das Recht der häuslichen Aus-
übung des Religionsbekenntnisses ist Jedermann gewährleistet. Der
Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Reli-
gionsbekenntnisse unabhängig, doch darf den staatsbürgerlichen
Pflichten durch das Religionsbekenntniss kein Abbruch geschehen.
§ 2. Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesell-
schaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung,
ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt im
Besitze und Genüsse der für ihre Cultus-, Unterrichts- und Wohl-
thätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist
aber wie jede Gesellschaft den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.
*) Dr. G. Trautenberger: Kurzgefasste Geschichte der evangelischen Kirche
in Oesterreich. Zweite Ausgabe. Wien 1886. Verlag des österr. Hauptvereines der
Gustav-Adolf-Stiftung, pag. 76.
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181
Die freiheitliche Entwicklung wird aufs Neue sichergestellt. Die
Evangelischen nähern sich dem Ziele.
Die Einzelnen unter den Evangelischen A. und H. B. sind nicht
mehr, beschränkt in dem Genüsse bürgerlicher Rechte: sie haben
jetzt die volle bürgerliche und politische Gleichberechtigung und mit
ihr, durch sie, ohne ,Dispensationes* das Niederlassungsrecht, die
Besitzfähigkeit beweglicher und unbeweglicher Güter, Gewerbe- und
Handelsfiihrung, Benützung aller allgemeinen öffentlichen Staatsanstal-
ten, Privat- und Staatsdienstfahigkeit und Gleichheit vor dem Gesetze.
Den evangelischen Gemeinden A. und H. B. ist das Recht
der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung gewährleistet. Die
Toleranzbethäuser, welche bis jetzt ^nach aussen abgesperrt, nach
oben verstümmelt* *) waren, dürfen fortan als Kirchen sich kenn-
zeichnen durch , Geläute, Glocken, Thürme und öffentliche Eingänge
von der Gasse, so eine Kirche vorstellen*.
Zugleich mit dem j^Oeffentlichkeitsrecht* sind sie in den Besitz
der selbstständigen Ordnung und Verwaltung gelangt — und können
nunmehr eine dem Geiste der evangelischen Kirche entsprechende
Verfassung vorbereiten.
Das waren unstreitig Zusagen von der grössten Tragweite. Sie
fanden auch überall die begeistertste Aufnahme, die dankbarste
Würdigung. Unbeschreiblicher Jubel ging, nach Dr. G. Trauten-
berger*), durch die evangelischen Gemeinden und fast allenthalben
wurden festliche Dankgottesdienste veranstaltet, wo beim Orgelton
die Worte des einheiniischen Dichters voller Begeisterung von den
Lippen der Versammelten klangen:
Geh' auf, du heller Freudenschein, Du sprachst, o Herr, es werde Licht!
Der Herr will seine Kirch* emeu'n. Da strahlt von Deinem Angesicht
Ihr Hoffen ist geschehen! Der Aufgang besserer Zeiten!
Was uns'rer Väter Sehnen war Vor Deiner Herrlichkeit und Macht
In schwerer Drangsal und Gefahr Muss schwinden aller Schatten Nacht,
Und konnten es nicht sehen : Wenn Du willst Weg bereiten !
Freiheit! Freiheit Neue Treue,
Von den Banden, die umwanden die Ge- Hilf uns üben. Dich zu lieben sonder
wissen, Wanken,
Sollen wir hinfort geniessen ! Heile alle Glaubenskranken!
*) Dr. C. A. Witz: Die Herrlichkeit unseres Gotteshauses. Festrede. Wien 1887.
W. Frick, k. k. Hofbuchhandlung.
•) Kurzgefasste Geschichte der evangelischen Kirche in Oesterreich. pag. 83.
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Die Evangelischen athmeten auf. Es ging ihnen wie den Ge-
fangenen Zions, welche Gott ^ wiedergebracht^ hatte: ihr Mund
war voll Lachens und ihre Zunge voll Jauchzens. (Ps. 126/2.) Jede
Verzagtheit verschwand: der Freude gleich war die Zuversicht, mit
welcher sie die weitere Erfüllung ihrer berechtigten Wünsche er-
warteten.
Zumal sie in ihren Hoffnungen bekräftigt wurden, als das hohe
Ministerium des Innern unter'm 27. Juni 1849 sämmtliche Superinten-
denten A. und H. B. mit Vertrauensmännern auf den 29. Juli 1849
in der wohlthuendsten Form nach Wien berief, um sich zur Durch-
führung des Patents vom 4. März mit den gesetzlichen Vorständen
der evangelischen Kirche in unmittelbaren Verkehr zu setzen und
deren Gutachten einzuholen.
Leider fand das Gutachten dieser , Versammlung der öster-
reichischen Superintendenten und ihrer Vertrauensmänner*, w^elches
am 18. August 1849 dem damaligen Minister für Cultus und Unter-
richt, Grafen Leo Thun, überreicht wurde, nicht die erhoffte rasche
Erledigung. Die österreichischen Protestanten sollten sich wieder ein-
mal in der Geduld üben.
Ihre Geduld aber wurde nicht zu Schanden. Bei allem Wechsel
der Zeiten erwies sich unwandelbar die Huld des Kaisers. Trotzdem
die Verfassungsurkunde vom 2. März 1849 aufgehoben wurde, blieben
die Rechte und Freiheiten der evangelischen Kirche unangetastet.
Das kaiserliche Patent vom 31. December 1851 erklärte , aus-
drücklich*, dass Se. Majestät »jede gesetzlich anerkannte Kirche
und Religionsgesellschaft in dem Rechte der gemeinsamen öffent-
lichen Religionsübung, dann in der selbstständigen Verwaltung ihrer
Angelegenheiten, ferner im Besitze und Genüsse der für ihre Cultus-,
Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stif-
tungen und Fonde erhalten und schützen wollen*.
Weiter erfolgten die A. h. EntSchliessungen: 1. vom 11. August
1859, durch welche den Evangelischen die Erlaubniss ertheilt wurde,
in den Gemeinden der deutsch-slavischen Kronländer Oesterreichs
Sammlungen für den Gustav- Adolf- Verein zu veranstalten; 2. vom
1. September 1859, durch welche der Minister für Cultus und Unter-
richt den Auftrag erhielt, die geeigneten Einleitungen zu treffen,
damit auch in dem Kirchenregimente A. und H. B. jene Verbesse-
rungen eingeführt werden, welche anerkannten Bedürfnissen ent-
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183
sprechen, und zugleich angeordnet wurde, dass den Vorsitz in den
Consistorien fortan nur ein Evangelischer führen solle; 3. vom
11. Mai 1860, nach welcher den Evangelischen beider Bekenntnisse
bleibende Unterstützungen zu ihren kirchlichen Zwecken und
Anstalten aus dem Staatsschatze bewilligt wurden.
Femer wurden die inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der
Monarchie durch das A. h. Diplom vom 20. October 1860 ge-
regelt unter der , ausdrücklichen Berücksichtigung, dass die Elemente
gemeinsamer organischer Einrichtungen und einträchtigen Zusammen-
wirkens durch die Gleichheit unserer Unterthanen vor dem Gesetze,
die Allen verbürgte freie Religionsübung etc. etc. sich erweitert
und gekräftigt haben.*
Endlich erschien das kaiserliche Patent vom 8. April
1861, womit die Angelegenheiten der evangelischen Kirche A. und
H. B. geregelt wurden. Durch dieses glorreiche Patent soll den
evangelischen Unterthanen ,fur immerwährende Zeiten* die princi-
pielle Gleichheit vor dem Gesetze auch hinsichtlich
der Beziehungen ihrer Kirche zum Staate in unzi^reifel-
hafter Weise gewährleistet und der Grundsatz der Gleichberech-
tigung aller anerkannten Confessionen nach sämmtlichen Rich-
tungen des bürgerlichen und politischen Lebens bei «den protestan-
tischen Unterthanen zur thatsächlichen vollen Geltung ge*
bracht werden.
Dieses denkwürdige Patent ist der Rechtsboden der evangelischen
Kirche Oesterreichs. Es ist unsere , Magna charta*. Es verdient
daher seinem ganzen Wortlaute nach hier abgedruckt und allen un-
seren Glaubensgenossen in Erinnerung gebracht zu werden.
Es lautet wie folgt:
Kaiserliches Patent vom 8. April 1861,
Nr. 41 des Reichs-Gesetz-Blattes,
womit die Angelegenheiten der evangelischen Kirche augsburgischen
und helvetischen Bekenntnisses, insbesondere die staatsrechtlichen
Beziehungen derselben in dem Erzherzogthume Oesterreich ob und
unter der Enns, dem Herzogthume Salzburg, dem Herzogthume
Steiermark, den Herzogthümem Kärnten und Krain, der gefiirsteten
Grafschaft Görz und Gradisca, der Markgrafschaft Istrien und der
Stadt Triest mit ihrem Gebiete, in der gefiirsteten Grafschaft Tirol
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184
und Vorarlberg, dem Kön^reiche Böhmen, der Markgrafschaft
Mähren, dem Herzogthume Ober- und Nieder-Schlesien, den König-
reichen Galizien und Lodomerien mit den Herzogthümem Auschwitz
und Zator, dem Grossherzogthume Krakau und dem Herzogthume
Bukowina geregelt werden.
Wir Franz Josef der Erste^ von Qottes Qnaden Kaiser von Oester-
reich, König von Hongam xmd Böhmen etc. etc.,
finden in der Absicht, um Unseren evangelischen Unterthanen des
augsburgischen und helvetischen Bekenntnisses in den nachbenannten
Ländern, als: dem Erzherzogthume Oesterreich ob und unter der
Enns, dem Herzogthume Salzburg, dem Herzogthume Steiermark,
den Herzogthümern Kärnten und Krain, der gefursteten Grafschaft
Görz und Gradisca, der Markgrafschaft Istrien und der Stadt Triest
mit ihrem Gebiete, in der gefursteten Grafschaft Tirol und Vorarlberg,
dem Königreiche Böhmen, der Markgrafschaft Mähren, dem Herzog-
thume Ober- und Niederschlesien, den Königreichen Galizien und
Lodomerien mit den Herzogthümern Auschwitz und Zator, dem
Grossherzogthume Krakau und dem Herzogthume Bukowina, die
ihnen bereits vordem, insbesondere durch Unsere Entschliessung vom
26. December. 1848, Nr. 107 R.-G.-Bl., sowie in Unserem Patente
vom 31. December 1851, Nr. 3 R.-G.-Bl. für 1852, zuerkannte und
in Unserem Diplome vom 20. October 1860, Nr. 225 R.-G.-Bl.
neuerdings zugesicherte principielle Gleichheit vor dem Gesetze auch
hinsichtlich der Beziehungen ihrer Kirche zum Staate
in unzweifelhafter Weise zu gewährleisten, und um den
Grundsatz der Gleichberechtigung aller anerkannten Confessionen
nach sämmtlichen Richtungen des bürgerlichen und
politischen Lebens bei Unseren protestantischen Unterthanen
in den vorher benannten Ländern zur thatsächlichen vollen
Geltung zu bringen, nach Anhörung Unseres Ministerrathes
zu verordnen, wie folgt:
§ 1. Die Evangelischen des augsburgischen und helvetischen
Bekenntnisses sind berechtigt, ihre kirchlichen Angelegenheiten selbst-
ständig zu ordnen, zu verwalten und zu leiten.
§ 2. Die volle Freiheit des evangelischen Glaubensbekenntnisses,
sowie das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung ist
ihnen für immerwährende Zeiten von Uns zugesichert.
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Es werden daher alle früher bestandenen Beschränkungen in
Absicht auf die Errichtung von Kirchen mit oder ohne Thurm und
Glocken, auf die Begehung aller religiösen Feierlichkeiten, welche
ihrer Glaubenslehre entsprechen, auf die Ausübung der Seelsorge,
insoweit diese Beschränkungen noch in Uebung sein sollten, hiermit
ausser Kraft und Wirksamkeit gesetzt und für null und nichtig
erklärt.
Evangelische, welche keine eigene (Mutter- oder Tochter-) Ge-
meinde bilden, gehören zu der ihnen am nächsten liegenden Gemeinde
ihres Bekenntnisses.
Ferner ist den Evangelischen der Bezug und Gebrauch evan-
gelisch-religiöser und theologischer Bücher, insbesondere der heiligen
Schrift oder der Bekenntnissschriften, unverwehrt.
§ 3. Die Vertretung und Verwaltung der evangelischen Kirche,
sowohl augsburgischen als helvetischen Bekenntnisses gliedert sich
nach den vier Abstufungen:
der Pfarrgemeinde (Ortsgemeinde);
des Seniorates (Bezirksgemeinde);
der Superintendenz (Landesgemeinde)
und der Gesammtgemeinde der evangelischen Christen des einen
oder des anderen Bekenntnisses.
§ 4. Die Organe des Kirchenregiments sind:
A) für die Pfarrgemeinde, deren räumlicher Umfang den Pfarr-
sprengel bildet:
1. das Presbyterium,
2. die grössere Gemeindevertretung;
BJ für die Bezirksgemeinde, deren räumlicher Umfang den Seniorats-
sprengel bildet:
1. der Senior,
2. die Senioratsvertretung (Bezirksversammlung);
C) für die Superintendenz, deren räumlichen . Umfang die einem
Superintendenten zugewiesenen Seniorats- und Pfarrsprengel
bilden :
1. der Superintendent,
2. die Vertretung der Superintendenz (Superinten*
dentialversammlung, Superintendentialconvent) ;
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D) für die Gesammtheit sämmtlicher Superintendenzen :
1. der k. k. evangelische Oberkirchenrath (die Consi-
storien des augsburgischen und des helvetischen Bekennt-
nisses),
2. die Generalsynode.
§ 5. Jede kirchliche Gemeinde (die der Pfarre, des Seniorats
und der Superintendenz, wie die Gesammtgemeinde) ordnet und ver-
waltet ihre besonderen Kirchen-, Unterrichts- und Wohlthätigkeits-
angelegenheiten und die dazu bestimmten Anstalten, Stiftungen und
Fonde durch ihre gesetzmässigen Vertreter, insofeme dadurch nicht
den allgemeinen Vorschriften oder den gesetzmässigen Anordnungen
der ihr vorgesetzten Behörden entgegen gehandelt wird.
§ 6. Die Evangelischen beider Bekenntnisse sind berechtigt, ihre
Seelsorger, Senioren und Superintendenten, dann ihreKirchencuratoren
jeder Kategorie unter Beobachtung der näher festzustellenden Moda-
litäten frei zu wählen.
§ 7. Der zum Superintendenten Erwählte bedarf vor der Ein-
führung in sein Amt Unserer landesftirstlichen Bestätigung.
§ 8. Die bisher bestandenen evangelischen Consistorien beider
Bekenntnisse in Wien, deren Vorsitz gemäss Unserer EntSchliessung
vom 1. September 1859 nur von einem Manne zu fuhren ist, welcher
einem dieser Bekenntnisse angehört, haben fortan die Bezeichnung
,k. k. evangelischer Oberkirchenrath* zu führen, und haben ihren
Amtssitz auch ftir die Zukunft in Wien.
Der Vorsitzende und die Räthe des k. k. evangelischen Ober-
Idrchenrathes werden von Uns ernannt.
§ 9. Die* von der Generalsynode beschlossenen Kirchengesetze
bedürfen zu ihrer Gesetzeskraft Unserer landesftirstlichen Bestätigung,
welche Unser Ministerium bei Uns einholen wird.
§ 10. Zum Vollzuge der in gesetzlicher Weise von evangelischen
Gemeinden und kirchlichen Behörden getroffenen Verfügungen und
nach ordnungsmässigem Vorgange gefällten Erkenntnisse, sowie zur
Einbringung der den Dienern und Beamten der Kirche und Schule
gebührenden Einkünfte und solcher Umlagen, welche zur Erhaltung
evangelischer Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten mit
Genehmigung der Landesstelle auferlegt werden, kann der Schutz
und der Beistand der weltlichen Behörden in Anspruch genommen
werden. Die weltlichen Behörden haben im Falle der Verweigerung
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dieses Beistandes ihre Gründe dem Requirenten ohne Verzug schrift-
lich zuzustellen, wogegen demselben das Recht der Beschwerde-
führung bei der höheren politischen Behörde im Wege der vorge-
setzten Kirchenbehörde — des Seniorats, der Superintendenz und
des Oberldrchenrathes — zusteht.
§ 11. Es steht den Evangelischen beider Bekenntnisse frei, auf
gesetzlich zulässige Weise an jedem Orte nach eigenem Ermessen
Schulen zu errichten, an dieselben mit Beachtung der gesetzlichen
Vorschriften Lehrer und Professoren zu berufen und den Umfang
und die Methode des Religionsunterrichtes selbst zu bestimmen.
Der Unterricht in weltlichen Gegenständen ist an den evan-
gelischen Schulen in gleichem Masse, wie es bezüglich der katho-
lischen Schulen der Fall ist, gemäss der allgemeinen Unterrichts-
gesetzgebung zu ertheilen, jedoch mit vollständiger Wahrung des
confessionellen Charakters.
Für den Schul- und Kirchendienst können mit Genehmigung
Unseres zuständigen Ministeriums Ausländer, insbesondere Ange-
hörige der deutschen Bundesstaaten, berufen werden.
§ 12. Die nähere Regelung des evangelischen Volksschulwesens
vom kirchlichen Standpunkte bleibt der kirchlichen Gesetz-
gebung vorbehalten.
§ 13. Die evangelischen Glaubensgenossen können nicht ver-
halten werden, zu Cultus- und Unterrichtszwecken oder Wohlthätig-
keitsanstalten einer anderen Kirche Beiträge zu leisten.
Stolgebühren und ähnliche Leistungen an Geld, Naturalien und
Arbeit von Seite der Evangelischen an katholische Geistliche, Messner
und Schullehrer oder für Zwecke des katholischen Cultus sind und
bleiben aufgehoben.
Ausnahmen von dieser Befreiung treten nur ein, wenn Evan-
gelischen die Pflichten des dinglichen Patronates obliegen, oder wenn
es sich um Giebigkeiten handelt, welche grundbücherlich sicher-
gestellt sind, oder kraft einer besonderen Gemeindeverbindlichkeit
auf dem Realbesitze haften, oder endlich wenn die Evangelischen
freiwül^ die Functionen eines nicht evangelischen Seelsorgers, oder
die Dienste eines nicht evangelischen Messners in Anspruch nehmen,
oder den Unterricht einer nicht evangelischen Lehranstalt geniessen,
für welche Leistungen eine durch Vorschrift oder Uebung bestimmte
Entlohnung zu entrichten ist.
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§ 14. Für die Evangelischen beider Bekenntnisse sind bei der
Regelung und Handhabung ihrer kirchlichen Angelegenheiten ohne
Ausnahme lediglich und ausschliesslich die Grundsätze ihrer eigenen
Kirche massgebend.
In Ehesachen haben vorläufig die Bestimmungen des allgemeinen
bürgerlichen Gesetzbuches über Ehehindernisse und Eheverbote in
Wirksamkeit zu bleiben.
Nach Feststellung des materiellen und formellen protestantischen
Eherechts und nach Kundmachung der Uebergangsbestimmungen,
welche Wir zu erlassen Uns vorbehalten, soll die Gerichts-
barkeit über evangelische Eheangelegenheiten ausschliessend von
evangelisch-kirchlichen Gerichtsbehörden ausgeübt werden.
§ 15. Geistliche unterstehen in Disciplinarangelegenheiten den
kirchlichen Gerichtsbehörden.
Ueber weltliche Rechtssachen der Geistlichen, wie Verträge,
Schulden, Erbschaften, entscheidet das weltliche Gericht.
Wenn Geistliche wegen Verbrechen, Vergehen oder Ueber-
tretungen von dem weltlichen Gerichte in Untersuchung gezogen
werden, so liegt es diesem ob, hievon die betreffende Superintendenz
ohne Verzug in Keiintniss zu setzen.
Ebenso ist von dem gefällten Urtheile und den Beweggründen
desselben der Superintendenz ungesäumt Mittheilung zu machen.
Bei Verhaftuftg und Festhaltung eines Geistlichen sind jene Rück-
sichten zu beobachten, welche die seinem Berufe gebührende Achtung
erheischt.
§ 16. Unser landesfiirstHches Oberaufsichts- und Verwahrungsrecht
über die evangelische Kirche wird — die Unserer eigenen Beschluss-
nahme vorbehaltenen Fälle ausgenommen — in höchster Instanz durch
Unser Ministerium, in welchem für die evangelischen Unterrichts-
und Cultusangelegenheiten eine eigene, aus evangelischen Glaubens-
genossen gebildete Abtheilung fortbestehen wird, nach den in diesem
Patente festgestellten Grundsätzen ausgeübt werden.
Die Leitung der evangelischen Schulen und die Ausübung der
obersten staatlichen Aufsicht über dieselben kann nur Männern an-
vertraut werden, die dem einen oder dem anderen evangelischen
Glaubensbekenntnisse zugethan sind.
§ 17. Die Verschiedenheit des christlichen Glaubensbekenntnisses
kann in jenen Ländern, für welche dieses Patent erfassen ist, keinen
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Unterschied in dem Genüsse der bürgerlichen und politischen Rechte
begründen.
Es haben daher alle Beschränkungen oder Dispensertheilungen,
welche in Absicht der Ausübung dieser Rechte durch die Evange-
lischen beider Bekenntnisse, sowie ihres Zutrittes zu öffentlichen
Aemtern in der Staatsverwaltung, bei den Gerichtsstellen, Gemeinde-
behörden u. s. w. bestanden haben oder vorgeschrieben waren, inso-
weit dieselben noch in Uebung sein sollten, hiemit ausser Kraft und
Wirksamkeit zu treten. — Die Nothwendigkeit einer Dispensation ent-
fallt auch bei Erlangung akademischer Grade und Würden, insoweit in
letzterer Beziehung nicht stiftungsmässige Bestimmungen im Wege
stehen. Als Staatsbürger, dann als Angehörige einer politischen
Gemeinde haben sie volle Berechtigung zum Mitgenusse des Gemeinde-
vermögens und der Vortheile aller derjenigen nicht stiftungsmässig
confessionellen Anstalten der Wohlthätigkeit, der bürgerlichen und
militärischen Erziehung, sowie des Volks- und wissenschaftlichen Unter-
richtes, welche der Staat oder das Kronland, welchem sie angehören,
oder die bürgerliche Gemeinde, deren Mitglieder sie sind, ganz oder
theilweise unterhält.
§ 18. Die evangelischen Kirchengemeinden (Pfarren, Seniorate
und Superintendenzen) sind berechtigt, Eigenthum auf jede gesetz-
liche Weise zu erwerben.
§ 19. Der Besitz und Genuss der für ihre Kirchen-, Unterrichts-
und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und
Fonde ist ihnen gewährleistet.
Stiftungen für evangelische Kirchen-, Schul- und Wohlthätigkeits-
anstalten dürfen nur ihrer Bestimmung gemäss verwendet werden.
Streitigkeiten über die Bestimmung und Verwendung von Kirchen-,
Schul- und Stiftungsvermögen werden von den kirchlichen Gerichts-
behörden entschieden.
§ 20. Die Evangelischen beider Bekenntnisse werden zur Be-
streitung ihrer kirchlichen Bedürfnisse, abgesehen von demjenigen,
was bisher schon aus Staatsmitteln für evangelische Unterrichts- und
Cultuszwecke geleistet worden ist, jährliche Beiträge aus dem
Staatsschatze erhalten, wie Wir dies bereits mit Unserer Entschlies-
sung vom 11. Mai 1860 ausgesprochen haben.
§ 21. An evangelischen Lehranstalten, welche aus Staatsmitteln
errichtet wurden, und gemäss Unserer Absicht künftig errichtet
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werden sollen, können nur Angehörige des einen oder des anderen
evangelischen Bekenntnisses angestellt werden.
§ 22. Evangelischen ist es gestattet, Lehranstalten des evan-
gelischen Auslandes unter Beobachtung der allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften frei und — ungehindert zu besuchen.
§ 23. Zur Förderung ihrer kirchlichen und Unterrichtszwecke
können die Evangelischen, mit Beachtung der gesetzlichen Bestim-
mungen, im Inlande Vereine bilden, und mit gleichartigen, evan-
gelischen Vereinen des Auslandes in Verbindung treten.
§ 24. Alle in diesem Patente nicht ausdrücklich hervorgehobenen,
die staatsrechtliche Stellung der Evangelischen des augsburgischen
und helvetischen Bekenntnisses in den Eingangs benannten Ländern
berührenden Angelegenheiten sind nach dem Grundsatze der, allen
gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften zuge-
sicherten, Selbstständigkeit in Ordnung und Verwaltung ihrer con-
fessionellen Angelegenheiten zu beurtheilen und zu behandeln, und
sind alle Verordnungen und Vorschriften, welche mit diesem Grund-
satze und mit den vorangelassenen Bestimmungen nicht im Einklänge
stehen, und deren Beschaffung nicht von der Art ist, dass die Mög-
lichkeit ihrer Beseitigung erst von der Festsetzung neuer sofort im
zuständigen Wege einzuleitender Bestimmungen abhängig ist, als
ohne weiteres entfallen und aufgehoben zu betrachten.
§ 25. Dagegen darf bei der Ausführung dieser Bestimmungen
weder Unseren Majestätsrechten, welche wir hiedurch für immer-
währende Zeiten ausdrücklich gewahrt wissen wollen, Eintrag ge-
schehen, noch den gesetzlich anerkannten Rechten einer anderen
Kirche oder Confession innerhalb ihrer eigenen Sphäre nahe ge^
treten werden.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien am achten
April im Eintausend Achthundert ein und sechzigsten, Unserer Re-
gierung im dreizehnten Jahre.
Franz Josef m. p.
(L. S.) Erzherzog Rainer m. p.
Schmerling m. p., Degenfeld m. p.
Auf Allerhöchste Anordnung:
Freih. v. Ransonnet m. p.
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19]i
Lange hatten die Protestanten gewartet, reichlich wurden sie
entschädigt. Die Höhe des Lohnes entsprach der Grösse ihrer
Geduld.
Denn aufgehoben sind nunmehr ,für immerwährende Zeiten*
alle früher bestandenen Einschränkungen in Absicht auf die Errich-
tung von Kirchen mit oder ohne Thurm und Glo<iken, auf die Begehung
aller religiösen Festlichkeiten, welche ihrer Glaubenslehre entsprechen,
auf die Ausübung der Seelsorge ; aufgehoben die Beitragsleistungen zu
Cultus- und Unterrichtszwecken oder Wohlthätigkeits-Anstalten einer
anderen Kirche, die Zahlungen von Stolgebühren und ähnlichen Lei-
stungen an Geld, Naturalien und Arbeit vonSeitp der Evangelischen an
katholische Geistliche, Messner und Schullehrer; aufgehoben alle Be-
schränkungen und Dispensertheilungen, welche in Absicht der Aus-
übung der bürgerlichen und politischen Rechte durch die Evangelischen
beider Bekenntnisse, sowie ihres Zutrittes zu öffentlichen Aemtern
in der Staatsverwaltung, bei den Gerichtsstellen, Gemeindebehörden
und der Erlangung akademischer Grade und Würden u. s. w. be-
standen haben oder vorgeschrieben waren. Zugesichert ist der
Schutz und Beistand der weltlichen Behörden zum Vollzuge der in
gesetzlicher Weise von den evangelischen Gemeinden und kirchlichen
Behörden getroffenen Verfugungen und nach ordnungsmässigem Vor-
gange gefällten Erkenntnisse, sowie zur Einbringung der den Dienern
und Beamten der Kirche und Schule gebührenden Einkünfte und
solcher Umlagen, welche zur Erhaltung evangelischer Cultus-, Unter-
richts- und Wohlthätigkeits-Anstalten mit Genehmigung der Landes-
stellen auferlegt werden. Als massgebend bei der Regelung und
Handhabung der kirchlichen Angelegenheiten ohne Ausnahme werden
lediglich und ausschliessend die Grundsätze der evangelischen Kirche
anerkannt. Die aus Staatsmitteln für evangelische Unterrichts- und
Cultuszwecke bereits geleisteten jährlichen Beiträge werden auf's Neue
zugesagt.
Frei ist — wie natürlich unter Wahrung aller Majestätsrechte
— die selbstständige Ordnung, Verwaltung und Leitung aller kirch-
lichen Angelegenheiten ; frei das evangelische Glaubensbekennt-
niss, das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, der
Bezug und Gebrauch evangelisch-religiöser Bücher, insbesondere der
heiligen Schrift oder der Bekenntniss-Schriften; frei die Ausübung
der bürgerlichen und politischen Rechte ; frei der gesetzliche Erwerb
Jahrbuch des Protestantiimui 1888. H. IV. |4
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192
des Eigenthums seitens der evangelischen Kirchengemeinden; frei
der Besitz und Genuss der für ihre Kirchen-, Unterrichts- und Wohl-
thätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde; frei
der Besuch der evangelischen Lehranstalten des Auslandes; frei,
unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen, die zur Förderung
der kirchlichen und Unterrichtszwecke nöthige Vereinsbildung im In*
lande und die Verbindung mit gleichartigen evangelischen Vereinen
des Auslandes. Sämmth'che die staatsrechtliche Stellung der Evan-
gelischen A. und H. B. berührenden Angelegenheiten sind nach dem
Grundsatze der allen gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesell-
schaften zugesicherten Selbstständigkeit in Ordnung und Verwaltung
ihrer confessionellen Angelegenheit zu beurtheilen und zu behandeln,
und alle Verordnungen und Vorschriften, welche mit diesem Grund-
satze nicht im Einklänge stehen und deren Beschaffenheit nicht von der
Art ist, dass die Möglichkeit ihrer Beseitigung erst von der Festsetzung
einer sofort im zuständigen Wege einzuleitenden Bestimmung abhängig
ist, sind als ohneweiters entfallen und aufgehoben zu betrachten^).
Somit sind der evangelischen Kirche die ^Grundlagen der
wahren Freiheit* gesichert.
Dieser Gnadenact wird gewiss für , immerwährende Zeiten*
einen herrlichen Markstein in der Geschichte des österreichischen
Protestantismus bilden.
,Der k. k. evangelischen Kirchenbehörde — schreibt daher der
k. k. evangelische Oberkirchenrath in seinem Erlass vom 24. April
1861 an sämmtliche evangelische Kirchengemeinden A. und H. B. —
hat es stets die grösste Freude bereitet, wenn dieselbe willkommenen
Anlass fand, sich an die evangelischen Kirchengemeinden unmittelbar
zu wenden. Niemals aber ist ihre Freude eine so gerechte, von
glaubensinnigem Danke gegen die göttliche Vorsehung, die in ihrer
Gnade so Grosses hat geschehen lassen, erfüllte gewesen, als in dem
gegenwärtigen Augenblicke, wo diese oberste Kirchenbehörde daran
geht, den ihrer Leitung anvertrauten Kirchengemeinden die frohe
Botschaft einer weltgeschichtlichen That der hohen kaiserlichen
Regierung zu bringen
,Wir stehen damit* — erklärt die Kirchenbehörde — ,an einem
grossartigen Zeitabschnitte, auf den unsere Väter vergeblich hin-
1) Dr. C. A. Witz: Zur fiinfundzwanzigjährigen Jubelfeier der Erlassung des
A. h. Protestanten-Patentes vom 8. April 1861. J. Heyn in Klagenfiirt, 1886.
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gesehen, und für den wir Alle betend und arbeitend ~ je nach
unserem besonderen Berufe — immer aber vertrauend und hoffend
eingestanden ; wir stehen -an einem bedeutungsvollen Wendepunkte,
von dem aus es sich vor aller Welt offenbaren wird, dass die evange-
lische Kirche Oesterreichs für diese ihre Stellung nach Aussen und
Innen reif und dass sie ihrer würdig ist.
, Hochbeglückt begrüssten unsere Vorfahren nach Zeiten schwerer
Verfolgung und harten Druckes die Toleranz, die ein edler
Menschenfreund auf dem Throne gegeben, und freuten sich in dem
Herrn, dass es ihnen vergönnt wurde, nach ihrer Väter Weise Gott
in Chiisto im Geist und in der Wahrheit zu verehren und auf dem
Einigen Grunde unseres allerheiligsten Glaubens in Gemeinschaft mit
ihren gleichgesinnten Brüdern und Schwestern immer fester und
geeigneter auferbaut zu werden. Sie freuten sich in dem Herrn der
gesetzlichen Anerkennung ihres Glaubensbekenntnisses auch unter der
Form der Duldung und unter grossen und vielfachen Beschränkungen.
,Uns, ihren Nachfolgern, ist ungleich Grösseres und Herrlicheres
zu Theil geworden durch Seine k. k. Apostolische Majestät, unsern
allergnädigsten Kaiser und Herrn, der sich am 8. April 1861 als
oberster Schatz- und Schirmherr der evangelischen Kirche Oester-
reichs seinen allezeit getreuen evangelischen Unterthanen unauslösch-
lich in die Herzen geschrieben hat*
Der k. k. evangelische Oberkirchenrath war somit wohl be-
rechtigt, den Ausdruck dieses Dankes, im Namen der evangelischen
Kirche, unter kräftiger Betonung der hohen Bedeutung des kaiser-
lichen Patentes, zu wiederholten Malen, an den Stufen des Thrones
niederzulegen.
Die Sr. Majestät, bei feierlichen Anlässen, überreichten Adressen
verdolmetschen die Gefühle aller protestantischen Glaubensgenossen.
,In der That — lesen wir in der Adresse vom 2. December 1873
— es war schon ein Grosses, der Schritt zur Duldung. Dennoch, dass
sie eben nur geduldet waren, es musste im Verlaufe der Zeit die Evan-
gelischen schmerzlich berühren, umsomehr, «je treuer sie an ihrem
Oesterreich hingen. Diesen Schmerz — betont der k. k. Oberkirchen-
rath — haben Eure Majestät von ihnen genommen. Unsere bis dahin
nur tolerirte Kirche ist eine gesetzlich anerkannte geworden und sie
verehrt in Eurer Majestät ihren erhabenen Schutz- und Schirmherrn.
Die volle Freiheit des evangelischen Bekenntnisses und die bürger-
14*
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liehe und politische Gleichberechtigung seiner Bekenner, sie sind
für alle Zeiten gewährleistet durch das Allerhöchste Patent vom
8. April 1861, die hochgehaltene Magna charta des Protestantismus
in diesem Lande. Nun erst konnte unsere evangelische Kirche nach
Massgabe ihrer Grundsätze in einer Verfassung sich ausgestalten, sie
konnte es — mit gerechtem Hochgefühle sprechen wir es aus — in
Folge jenes Patentes selbst früher und freier thun, als manche ihrer
auswärtigen Schwesterkirchen.*
»Die Jahrbücher der evangelischen Kirche beider Bekenntnisse*
— bemerkt die Adresse vom 23. April 1879 — , verzeichnen für
ewige Zeiten zur dankbaren Erinnerung für die kommenden Ge-
schlechter die grosseThat, wodurch Eure Majestät, ihr erhabener
Schutz- und Schirmherr, dieser Kirche den Rechtsboden für ihre
Stellung im Staate und ihr Verhältniss zu den anderen anerkannten
Confessionen geschaffen haben — einen Rechtsboden, auf dem sie
sich aufbaut zur Ehre Gottes, zum Segen ihrer Glaubensgenossen
und zum Wohle des Staates, dem sie gottesfurchtige und nützliche
Bürger zu erziehen gewissenhaft bestrebt ist.*
,Der belebende und beseelende Sonnenstrahl der vollen Freiheit
ihres Bekenntnisses und der bürgerlichen und politischen Gleichberech-
tigung ihrer Glaubensgenossen ist der evangelischen Kirche in Oester-
reich — bekräftigt die Adresse vom 14. October 1881 — erst mit
der glorreichen Regierung Eurer k. und k, apostolischen Majestät
aufgegangen.*
»Das kaiserliche Patent vom 8. April 1861 gewährleistet den
Evangelischen des Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses die
principielle Gleichheit vor dem Gesetze auch hinsichtlich der Bezie-
hungen ihrer Kirche zum Staate in unzweifelhafter Weise und bringt
den Grundsatz der Gleichberechtigung aller anerkannten Confes-
sionen nach sämmtlichen Richtungen des bürgerlichen und politischen
Lebens auch für die Glaubensgenossen der evangelischen Kirche
beider Bekenntnisse zur thatsächlichen vollen Geltung.*
, Unter den zahlreiGhen Beweisen kaiserlicher Huld, durch welche
sich die evangelischen Glaubensgenossen des Augsburger und des hel-
vetischen Bekenntnisses zu immerwährender tiefster Dankbarkeit
gegen Eure Majestät verpflichtet wissen — wiederholt die Adresse
vom 8. April 1886 — ragt leuchtend hervor die Allergnädigste
Erlassung des Allerhöchsten Patentes vom 8. April 1861 *
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•
, Das» Toleranzpatent Eurer Majestät in Gott ruhenden Ahnherrn
Kaiser Josefs II. war die Morgenröthe einer besseren Zeit ; mit dem
Patente Eurer Majestät vom 8. April 1861 ist über den evangelischen
Kirchen Oesterreichs das gesegnete Licht des Tages aufgegangen;
dieses Patent ist ein glänzender Edelstein in der Krone Eurer Ma-
jestät; es bleibt die hochgehaltene Magna charta der evange-
lischen Kirche in Oesterreich; mit ihm beginnt eine neue Periode
ihrer Geschichte. So lange evangelische Christen in unserem geliebten
Vaterlande gefaltete Hände zum Himmel erheben, so lange wird
ruhmvoll gepriesen werden Eurer Majestät erhabener Name.*
Wahrlich, die Evangelischen Oesterreichs werden^ niemals ver-
gessen, was .sie Sr. Majestät dem Kaiser Franz Josef I. zu verdanken
haben. Zumal mit jenem , epochalen Zeugnisse der Allerhöchsten
Muld und Gnade ^r« Majestät* die Fülle des kaiserlichen Wohl-
wollens noch lange nicht erschöpft war.
Gleich nach dem kaiserlichen Patente vom 8. April 1861 folgte
bereits ein neuer Beweis der väterlichen Fürsorge des Kaisers. Es
wurde nämlich den beiden evangelischen Kirchen A. und H. B. auf
Grund einer A. h. EntSchliessung vom 8. April 1861, durch Mini-
sterial- Verordnung vom 9. April 1861, eine provisorische Kirchen-
verfassung verliehen ^lediglich zu dem Zwecke, damit der evange-
lischen Kirche des augsburgischen und helvetischen Bekenntnisses
der Uebergang von der bisherigen Verfassung zu den beantragten
presbyterialen Einrichtungen, und, in weiterer Folge, die Wahl ihrer
Abgeordneten zur ersten Generalsynode organisch ermöglicht und
auf dieser Synode die Gelegenheit gegeben werde, mit freier Be-
nützung des in der Verordnung gebotenen Materiales, die zur defini-
tiven Feststellung, Vervollständigung und Einführung der Kirchen-
verfassung geeignet erachteten Gesetzentwürfe zu formuliren und
Sr. Majestät zur Allerhöchsten Beschlussfassung vorzulegen*.
Ferner erfolgte mit A. h. Entschliessung vom 6. Jänner 1866
die Genehmigung der von der evangelischen Generalsynode A. und
H. B. im Jahre 1864 auf presbyterianisch-synodaler Grundlage be-
schlossenen — in einigen Punkten zwar von der Regierung abge-
änderten — Kirchenverfassung. Dann bestätigte der Kaiser auf's
Neue in dem Staatsgrundgesetze vom 21. December 1867
— über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe
vertretenen Königreiche und Länder — die Gleichheit vor dem Gesetze,
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die ZugängHchkeit zu allen Aemtern, die Freiheit der Person, <las Recht,
sich zu versammeln und Vereine zu bilden, die volle Glaubens- und Ge-
wissensfreiheit ; für jede gesetzlich anerkannte Kirchen- und Religions-
gesellschaft das Recht der gemeinsamen öflFentlichen Religionsübung, die
selbstständige Ordnung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten;
die häusliche Religionsübung für die Anhänger eines gesetzlich nicht
anerkannten Religionsbekenntnisses, die Freiheit der Wissenschaft
und Lehre etc. etc. Endlich wurden die Gesetze vom Jahre 1868
genehmigt, durch welche, nach dem Berichte des k. k. evangelischen
Oberkirchenrathes A. und H. B. an die zweite Generalsynode A. und
H. B. vom J|ihre 1871, »die interconfessionelle Frage ihrer »Lösung
näher geführt wurde und der weitaus grösseren Zahl der An-
liegen der evangelischen Kirche beider Bekenntnisse im Bereich des
Oberkirchenrathes in einer der wichtigsten Lebensfrage dieser Kirche
Abhilfe zu Theil geworden*.
Durch diese Gesetze wurden 1. die Vorschriften des zweiten
Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches über das
Eherecht für die Katholiken wieder hergestellt, die Gerichtsbarkeit
in Ehesachen der Katholiken den weltlichen Gerichtsbehörden über-
wiesen und Bestimmungen über die bedingte Zulässigkeit der Ehe-
schliessung vor weltlichen Behörden (25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Nr. 47)
sowie 2. grundsätzliche Bestimmungen über das Verhältniss der
Schule zur Kirche erlassen (25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Nr. 48), 3. die
interconfessionellen Verhältnisse der.Staatsbürger in den darin ange-
gebenen Beziehungen (25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Nr. 49), 4. die Ver-
söhnungsversuche vor gerichtlichen Ehescheidungen (31! Mai 1868,
R.-G.-B1. Nr. 3 ex 1869) und endlich 5. die Eheschliessung zwischen
Angehörigen verschiedener christlicher Confessionen geregelt (31. De-
cember 1868, R.-G.-Bl. Nr. 4 ex 1869).
,Was zunächst die confession eilen Verhältnisse der Staatsbürger
anbelangt, so haben dieselben in den darin angegebenen Beziehungen
eine für die Minderheit der Evangelischen gikistige Regelung gefunden.
Das Gesetz verordnet nämlich:
/. In Beziehung auf das Religionsbekenntniss der Kinder,
Artikel 1.
Eheliche oder den ehelichen gleichgehaltene Kinder folgen,
soferne beide Eltern demselben Bekenntnisse angehören, der Religion
ihrer Eltern.
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Bei gemischten Ehen folgen die Söhne der Religion des Vaters,
die Töchter der Religion der Mutter. Doch können die Ehegatten
vor oder nach Abschluss der Ehe durch Vertrag festsetzen, dass
das umgekehrte Verhältniss stattfinden solle, oder dass alle Kinder
der Religion des Vaters oder alle der Mutter folgen sollen.
Uneheliche Kinder folgen der Religiojn der Mutter.
Im Falle keine der obigen Bestimmungen platzgreift, hat Der-
jenige, welchem das Recht der Erziehung bezüglich eines Kindes
zusteht, das Religionsbekenntniss für solches zu bestimmen.
Reverse an Vorsteher oder Diener einer Kirche oder Religions-
Genossenschaft, oder an andere Personen über das Religionsbekennt-
niss, in welchem Kinder erzogen und unterrichtet werden sollen,
sind wirkungslos.
Artikel 2.
Das nach dem vorhergehenden Artikel für ein Kind bestimmte
Religionsbekenntniss darf in der Regel so lange nicht verändert
werden, bis dasselbe aus eigener freier Wahl eine solche 'Verände-
rung vornimmt. Es können jedoch Eltern,* welche nach «Artikel 1
das Religionsbekenntniss der Kinder vertragsmässig zu bestimmen
berechtigt sind, dasselbe bezüglich jener Kinder ändern, welche noch
nicht das siebente Lebensjahr zurückgelegt haben.
Im Falle eines Religionswechsels eines oder beider Elterntheile,
beziehungsweise der unehelichen Mutter, sind jedoch die vorhandenen
Kinder, welche das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
in Betreff des Religionsbekenntnisses ohne Rücksicht auf einen vor
dem Religionswechsel abgeschlossenen Vertrag so zu behandeln, als
'Wären sie erst nach dem Religionswechsel der Eltern, beziehungs-
weise der unehelichen Mutter, geboren worden.
Wird ein Kind vor zurückgelegtem siebenten Jahre legitimirt,
so ist es in Betreff des Religionsbekenntnisses nach Artikel 1 zu
behandeln.
Artikel 3.
Die Eltern und Vormünder, sowie die Religionsdiener sind für
die genaue Befolgung der vorstehenden Vorschriften verantwortlich
Für den Fall der Verletzung derselben steht den nächsten Ver-
wandten ebenso wie den Oberen der Kirchen und Religions-Ge
nossenschaften das Recht zu, die Hilfe der Behörden anzurufen
welche die Sache zu untersuchen und das Gesetzliche zu verfugen haben
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198
//. In Beziehung auf den Uebertritt von einer Kirche oder Religions-
Genossenschaft zur anderen,
Artikel 4.
Nach vollendetem 14. Lebensjahre hat Jedermann ohne Unter-
schied des Geschlechtes die freie Wahl des Religionsbekenntnisses
nach seiner eigenen Ueberzeugung und ist in dieser freien Wahl
nöthigenfalls von der Behörde zu schützen.
Derselbe darC sich jedoch zur Zeit der Wahl nicht in einem
Geistes- oder Gemüthszustande befinden, welcher die eigene
freie Ueberzeugung ausschliesst.
Artikel 5.
Durch die Religionsveränderung gehen alle genossenschaftlichen
Rechte der verlassenen Kirche oder Religions-Genossenschaft an den
Ausgetretenen, ebenso wie die Ansprüche dieses an jene verloren.
Artikel 6.
Damit jedoch der Austritt aus einer Kirche oder Religions-
Genossenschaft seine gesetzliche Wirkung habe, muss der Aus-
tretende denselben der politischen Behörde melden, welche dem
Vorsteher oder Seelsorger der verlassenen Kirche oder Religions-
Genossenschaft die Anzeige übermittelt.
Den Eintritt in die neu gewählte Kirche oder Religions-Ge-
nossenschaft muss der Eintretende dem betreffenden Vorsteher
oder Seelsorger persönlich erklären.
Artikel 7.
Die Bestimmung des § 768 lit. a) allg. bürgerl. Gesetzbuches,
vermöge welcher der Abfall vom Christenthume als Grund der Ent-
erbung erklärt wird, dann die Verfügungen des § 122 lit. c) und d,
Strafgesetzes, womit Derjenige, welcher einen Christen zum Abfalle
vom Christenthume zu verleiten oder eine der christlichen Religion
widerstrebende Irrlehre auszustreuen sucht, eines Verbrechens schuldig
erklärt wird, sind aufgehoben.
Es ist jedoch jeder Religionspartei untersagt, die Genossen einer
anderen durch Zwang oder List zum Uebergang zu be-
stimmen. Die näheren Bestimmungen des gesetzlichen Schutzes
hingegen, soweit er nicht durch die Strafgesetze gegeben ist, bleiben
einem besonderen Gesetze vorbehalten.
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199
IlL In Beziehung auf Functionen des Gottesdienstes und der Seelsorge.
Artikel 8.
Die Vorsteher, Diener oder Angehörigen einer Kirche oder
Religions-Genossenschaft haben sich der von den berechtigten
Personen nicht angesuchten Vornahme von Functionen
des Gottesdienstes und der Seelsorge an den Angehörigen einer an-
deren Kirche oder Religions-Genossenschaft zu enthalten.
Eine Ausnahme kann nur für jene einzelnen Fälle eintreten, in
welchen durch die betreffenden Seelsorger oder Diener der anderen
Kirche oder Religions-Genossenschaft um die Vornahme eines dieser
zustehenden Actes das Ansuchen gestellt wird, oder die Satzungen
und Vorschriften dieser letzteren die Vornahme des Actes gestatten.
Ausser diesen Fällen ist der bezügliche Act als rechtlich un-
wirksam anzusehen, und es haben die Behörden auf Ansuchen der
beeinträchtigten Privatperson oder Religions-Genossenschaft die ge-
eignete Abhilfe zu gewähren.
IV. In Beziehung auf Beiträge imd Leistungen,
Artikel 9.
Angehörige einer Kirche oder Religions-Genossenschaft können
zu Beiträgen an Geld und Naturalien oder zu Leistungen an Arbeit
für Cultus- und Wohlthätigkeitszwecke einer anderen nur dann ver-
halten werden, wenn ihnen die Pflichten des dinglichen Patronates
obliegen, oder wenn die Verpflichtung zu solchen Leistungen auf
privatrechtlichen, durch Urkunden nachweisbaren Gründen beruht,
oder wenn sie grundbücherlich sichergestellt ist.
Kein Seelsorger kann von Angehörigen einer ihm fremden Con-
fession Taxen, Stolgebühren u. dgl. fordern, ausser für auf deren
Verlangen wirklich gerichtete Functionen, und zwar nur nach dem
gesetzlichen Ausmasse.
Artikel 10.
Die Bestimmungen des vorhergehenden Artikels 9 finden auch
auf Beiträge und Leistungen für Unterrichtszwecke volle Anwendung,
ausser wenn die Angehörigen einer Kirche oder Religions-Genossen-
schaft mit Angehörigen einer anderen vermöge der gesetzlichen Ein-
schulung Eine Schulgemeinde bilden, in welchem Falle die Ein-
geschulten ohne Unterschied der Confession die zur Errichtung und
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200
Erhaltung der gemeinschaftlichen Schule und zur Besoldung der an
derselben angestellten Lehrer erforderlichen Kosten, jedoch mit
Ausschluss der Kosten für den Religionsunterricht der einer anderen
Confession Angehörigen, zu tragefi haben.
Eine zwangsweise Einschulung in die Schule einer anderen Con-
fession findet nicht statt.
Artikel 11.
Alle in den Bestimmungen der vorstehenden Artikel 9 und 10
nicht begründeten Ansprüche der Geistlichen, Messner, Organisten
und Schullehrer, dann der Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeits-
Anstalten einer Kirche oder Religions-Genossenschaft auf Beitrage
und Leistungen von Seite der Angehörigen einer anderen sind als
erloschen zu betrachten.
V. In Beziehung auf Begräbnisse.
Artikel 12.
Keine Religionsgemeinde kann der Leiche eines ihr nicht Ange-
hörigen die anständige ßeerdigung auf ihrem Friedhofe verweigern:
1. wenn es sich um die Bestattung in einem Familiengrabe
handelt, oder wenn
2. da, wo der Todesfall eintrat oder die Leiche gefunden ward.
im Umkreis der Ortsgemeinde ein für Genossen der
Kirche oder Religions-Genossenschaft des Verstorbenen
bestimmter Friedhofsich nicht befindet.
VL In Ansehung der Feier- und Festtage.
Artikel 13.
Niemand kann genöthigt werden, sich an den Feier- und Fest-
tagen einer ihm fremden Kirche oder Religions-Gesellschaft der Arbeit
zu enthalten.
An Sonntagen ist jedoch während des Gottesdienstes jede nicht
dringend nothwendige öffentliche Arbeit einzustellen.
Femer muss an den Festtagen was immer für einer Kirche
oder Religions-Genossenschaft während des Hauptgottesdienstes in
der Nähe des Gotteshauses Alles unterlassen werden, was eine
Störung oder Beeinträchtigung der Feier zur Folge haben könnte.
Dasselbe ist bei den herkömmlichen feierlichen Processionen auf
den Plätzen und in den Strassen zu beobachten, durch welche sich
der Zug bewegt.
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201
Artikel 14.
Keine Religionsgemeinde kann genöthigt werden, sich des
Glockengeläutes an Tagen zu enthalten, an welchen dasselbe nach
den Satzungen einer anderen Kirche oder Religions-Gesellschaft zu
unterbleiben hgit.
Artikel 15.
In Schulen, welche von Angehörigen * verschiedener Kirchen
oder Rcligions-Gesellschaften besucht werden, soll, soweit es aus-
führbar ist dem Unterricht eine solche Eintheilung gegeben werden,
bei welcher auch der Minderheit die Erfüllung ihrer religiösen Pflichten
ermöglicht wird.'
VIL Schlussbestintmungen.
Artikel 16.
Alle diesen Vorschriften widerstreitenden Bestimmungen der bis-
herigen Gesetze und Verordnungen, auf welcher Grundlage sie be-
ruhen und in welcher Form sie erlassen sein mögen, ebenso wie
allfällige entgegenstehende Gepflogenheiten sind, auch insoferne sie
hier nicht ausdrücklich aufgehoben wurden, fernerhin nicht mehr zur
Anwendung zu bringen.
Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften über die reli-
giöse Erziehung der in öffentliche Pflege genommenen Kinder.
Artikel 17.
Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tage seiner Kund-
machung in Wirksamkeit.
Artikel 18.
Mit dem Vollzüge des gegenwärtigen Gesetzes sind der Minister
des Cultus und Unterrichtes, sowie die übrigen Minister, in deren
Wirkungskreis die Vorschriften desselben zur Anwendung kommen,
beauftragt, und haben sie die zu solchem Vollzuge erforderlichen
Verordnungen zu erlassen.
Es ist gewiss unnöthig, die günstigen Bestimmungen dieses Ge-
setzes besonders zu beleuchten. Dennoch glauben wir auf die Artikel
1, 2, 4, 7, 8 und 12 aufmerksam machen zu sollen.
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202
Bei gemischten Ehen steht es also den Eltern frei, das Religions-
bekenntniss der Kinder durch Vertrag festzusetzen : es ist nicht noth-
wendig, dass die Söhne der Religion des Vaters, die Töchter der
Religion der Mutter folgen. Auch sind die Reverse, durch welche
ein gemischtes Ehepaar, vor der Verehelichung, sich verpflichtet, die
Kinder z. B. in der katholischen Kirche erziehen und unterrichten
zu lassen, wirkungslos. ^ Wer als Evangelischer solche Reverse aus-
stellt, versündigt sich nicht blos an seiner Kirche, sondern auch an
dem Gesetze. Wo jedoch eine solche Schwachheit bereut wird, ist
die Möglichkeit geboten, das Religionsbekenntniss bezüglich jener
Kinder zu ändern, welche das siebente Lebensjahr noch nicht zurück-
gelegt haben. Nach vollendetem 14. Lebensjahre ist der Uebertritt
frei und nöthigenfalls die freie Wahl von der Behörde zu schützen,
sofern der Geistes- oder Gemüthszustand die eigene Ueberzeugung
nicht ausschliesst. Dieser Nachsatz ist von grosser Bedeutung. Er
verbietet die Propaganda namentlich bei Kranken und sichert die
Gewissensruhe der Armen, welche der Pflege Andersgläubiger be-
dürfen. Die Propaganda durch Zwang oder List wird ausdrücklich
verboten, und die Vorsteher, Diener oder Angehörigen einer Kirche
oder Religionsgenossenschaft haben sich der von den berechtigten
Personen nicht angesuchten Vornahme von Functionen des Gottes-
dienstes und der Seelsorge an den Angehörigen einer anderen Kirche
oder Religionsgenossenschaft zu enthalten. Endlich wird der Orts-
friedhof für gemeinsam, für interconfessionell erklärt, sobald es sich
um die Bestattung in einem Familiengrabe handelt oder im Umkreise
der Ortsgemeinde ein für Genossen der Kirche oder Religionsgenossen-
schaft des Verstorbenen bestimmter Friedhof sich nicht befindet.
Alle diese Bestimmungen machten gar manchen Plackereien für
immer ein Ende und sichern der gefährdeten Minorität das Recht
zu, die Hülfe der Behörde gegen etwaige Uebergrifte anzurufen.
Bezüglich des Verhältnisses der Schule zur Kirche wurden
folgende grundsätzliche Bestimmungen erlassen:
§ 1.
Die oberste Leitung und Aufsicht über das gesammte Unter-
richts- und Erziehungswesen steht dem Staate zu und wird durch
die hiezu gesetzlich berufenen Organe ausgeübt.
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203
§2.
Unbeschadet dieses Aufsichtsrechtes bleibt die Besorgung, Leitung
und unmittelbare Beaufsichtigung des Religionsunterrichtes und der
Relig^onsübungen für die verschiedenen Glaubensgenossen in den
Volks- und Mittelschulen der betreffenden Kirche oder Religions-
Gesellschaft überlassen.
Der Unterricht in den übrigen Lehrgegenständen in diesen
Schulen ist unabhängig von dem Einflüsse jeder Kirche oder Reli-
gions-Geselischaft .
§3.
Die vom Staate, von einem Lande oder von Gemeinden ganz
oder theilweise gegründeten oder erhaltenen Schulen und Erziehungs-
anstalten sind allen Staatsbürgern ohne Unterschied des Glaubens-
bekenntnisses zugänglich.
§4.
Es steht jeder Kirche oder Religions-Gesellschaft frei, aus ihren
Mitteln Schulen für den Unterricht der Jugend von bestimmten
Glaubensbekenntnissen zu errichten und zu erhalten.
Dieselben sind jedoch den Gesetzen für das Unterrichtswesen
unterworfen und können die Zuerkennung der Rechte einer öffent-
lichen Lehranstalt nur dann in Anspruch nehmen, wenn allen gesetz-
hchen Bedingungen für die Erwerbung dieser Rechte entsprochen wird.
§5.
Die Benützung von Schulen und Erziehungsanstalten für bestimmte
Glaubensgenossen ist Mitgliedern einer anderen Religions-Gesellschaft
durch das Gesetz nicht untersagt.
§6.
Die Lehrämter an den im § 3 bezeichneten Schulen und Er-
ziehungsanstalten sind für alle Staatsbürger gleichmässig zugänglich,
welche ihre Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen
haben.
Als Religionslehrer dürfen nur Diejenigen angestellt werden,
welche die betreffende confessionelle Oberbehörde als hiezu befähigt
erklärt hat.
Bei anderen Schulen und Erziehungsanstalten (§ 4) ist diesfalls
das Errichtungsstatut massgebend.
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20^
Die Wahl der Erzieher und Lehrer für den Privatunterricht ist
durch keine Rücksicht auf das Religionsbekenntniss beschränkt.
§ 7.
Die Lehrbücher für den Gebrauch in den Volks« und Mittel-
schulen, sowie in den Lehrerbildungs-Anstalten bedürfen nur der
Genehmigung der durch dieses Gesetz zur Leitung und Beaufsichti-
gung des Unterrichtswesens berufenen Organe.
Religionslehrbücher können jedoch erst dann diese Genehnügung
erhalten, wenn sie von der bezüglichen confessionellen Oberbehörde
für zulässig erklärt worden sind.
§8.
Das Einkommen der Normalschulfonde, des Studienfondes und
sonstiger Stiftungen für Unterrichtszwecke ist ohne Rücksicht auf das
Glaubensbekenntniss zu verwenden, insoweit es nicht nachweisbar
für gewisse Glaubensgenossen gewidmet ist.
§9-
Der Staat übt die oberste Leitung und Aufsicht über das ge-
sammte Unterrichts- und Erziehungsweseh durch das Unterrichts-
Ministerium aus.
§ 10.
Zur Leitung und Aufsicht über das Erziehungswesen, dann über
die Volksschulen und Lehrerbildungs-Anstalten werden in jedem
Königreiche und Lande
a) ein Landesschulrath als oberste Landesschulbehörde,
bj ein Bezirksschulrath für jeden Schulbezirk,
cj ein Ortsschulrath für jede Schulgemeinde bestellt.
Die Eintheilung des Landes in Schulbezirke erfolgt durch die
Landesgesetzgebung.
§11.
Der bisherige Wirkungskreis der geistlichen und weltfa'chen Schul-
bchörden, und zwar:
a) der Landesstelle, der kirchlichen Oberbehörden und Schul-Ober-
aufseher,
b) der politischen Bezirksbehörde und der Schuläistricts-Aufs^Kr,
cJ der Ortsseelsorger und Ortsschul- Aufseher hat, unbeschadet der
Bestimmung des § 2, an die im § 10 bezeichneten Organe
überzugehen.
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206
§ 12.
In den Landesschulrath sind unter dem Vorsitze des Statthalters
(Landeschefe) oder seines Stellvertreters Mitglieder der politischen
Landesstelle, Abgeordnete des Landes-Ausschusses, Geistliche aus
den im Lande bestehenden Confessionen und Fachmänner im Lehr-
wesen zu berufen.
Die Zusammensetzung der im § 10 lit. b) und c) bezeichneten
Bezirks- und Ortsschulräthe wird durch die Landesgesetzgebung fest-
gestellt.
§ 13.
Durch die Landesgesetzgebung sind die näheren Bestimmungen
in Betreff der Zusammensetzimg und Einrichtung des Landes-, Be-
zirks- und Ortsschulrathes, dann die gegenseitige Abgrenzung des
Wirkungskreises derselben, ferner die näheren Bestimmungen rück-
sichtlich des Ueberganges des Wirkungskreises der bisherigen geist-
lichen und weltlichen Schulbehörden an den Landes-, Bezirks- und
Ortsschulrath festzustellen.
Ebenso ist durch das Landesgesetz zu bestimmen, ob und wie-
feme ausnahmsweise auch Abgeordnete von bedeutenden Gemeinden
in den Landesschulrath einzutreten haben.
§ 14.
Die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8 und 9 treten mit dem Tage der
Kundmachung dieses Gesetzes in Wirksamkeit und werden alle mit
diesen Paragraphen im Widerspruche stehenden, bisher giltigen Ge-
setze und Anordnungen ausser Kraft gesetzt. Das mit Allerhöchster
EntSchliessung vom 25. Juni 1867 genehmigte Regulativ, betreffend
die Einsetzung eines Landesschulrathes fiir die Königreiche Galizien,
Lodomerien und das Grossherzogthum Krakau, bleibt unberührt.
Durch dieses Gesetz wurde die Unabhängigkeit der Schule von
der Kirche definirt. Seine Bestimmungen, wornach die oberste
Leitung und Aufsicht über das gesammte Unterrichts- und Erziehungs-
wesen dem Staate, die Besorgung, Leitung und unmittelbare Beauf-
sichtigung des Religionsunterrichtes und der Religionsübungen der
betreffenden Kirche zusteht; jede Kirche oder Religionsgesellschaft
aus ihren Mitteln confessionelie Schulen errichten und erhalten darf,
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206
deren Benützung jedoch den Mitgliedern einer anderen Confession
durch das Gesetz nicht untersagt wird ; die Lehrämter, mit Aus-
nahme jener für den Religionsunterricht, allen Staatsbürgern zugäng-
lich sind; die Lehrbücher behufs ihrer Einführung in den Schulen
nur der Genehmigung der zur Leitung und Beaufsichtigung berufenen
Organe bedürfen ; das Einkommen der Normalschulfonds, der Studien-
fonds und sonstiger Stiftungen für Unterrichtszwecke, ohne Rücksicht
auf das Glaubensbekenntniss, zu verwenden ist; zur Leituog und
Aufsicht über das Schulwesen der Local-, Bezirks- und Landesschul-
rath bestellt ist und in jedem, namentlich in dem letzten dieser
Organe der Staat, die Kirche, die Schule und die Familie ihre Ver-
tretung gefunden hat und die alten beengenden Schranken der poli-
tischen Schulverfassung beseitigt werden : — diese Bestimmungen —
so lesen wir in der die evangelische Schule betreffenden Denkschrift
der Generalsynode A. C. vom 18. Juli 1871 an das k. k. Ministerium
für Cultus und Unterricht ^) — wurden von den Evangelischen mit
der grössten Freude begrüsst, denn sie wurzeln ja alle in protestan-
tischen Anschauungen, sie haben fast durchweg eine richtige, ge-
sunde, pädagogische Grundlage, sie waren, obgleich ohne Rücksicht
auf die evangelische Kirchenverfassung gearbeitet, dennoch in die-
selbe leicht einzufügen, es schien unserem Schulwesen keine Schädi-
gung zu drohen, und wenn wir die Vorzüge desselben nun auch
den übrigen, nichtevangelischen Staatsbürgern zugute kommend uns
dachten und für die Zukunft die Aussicht auf einen edlen Wetteifer
zwischen den Katholiken und der zwar geringen, aber immerhin
beachtenswerthen Minorität der Evangelischen auf dem Gebiete der
Schule sich eröffnete, so erscheint es begreiflich, dass das Gesetz
vom 25. Mai 1868 mit aufrichtiger Sympathie von der evangelischen
Kirche begrüsst wurde.
Leider wurde diese Freudigkeit bald darauf nicht wenig getrübt.
Es kam nämlich das Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869.
Zwar haben die Protestanten dieses freiheitliche Gesetz in seiner
Totalität niemals als ein Unglück empfunden. ,Die Bestimmungen
desselben, Paragraph für Paragraph, Alinea für Alinea, waren ihnen
herzlich willkommen, soweit sie das innere Leben der Schule an-
1) Die zweite Generalsynode der evangelischen Kirche A. B. etc., heraasgegeben
von Dr. B. Czerwcnka. Wien 1872, pag. 227.
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207
gingen, und freudig haben sie dieselben cingewoben in ihre Sch'ul-
organismen ")*. Allein die Existenz der evangelischen Confessions-
schulen wurde dadurch aufs Aergste bedroht. Während — nach
obiger Denkschrift — 1868 es noch zweifelhaft sein konnte, ob das
Gesetz die Orts- oder die Schulgemeinde postulire, kennt das Reichs^
Schulgesetz vom 14. Mai 1869 die Schulgemeinde gar nicht mehr,
sondern stellt sich klar und rein auf die Ortsgemeinde, also auf einen
politischen Organismus. Jede Volksschule — bestimmt nämlich der
§ 2 — zu deren Gründung oder Erhaltung der Staat, das Land oder
die Ortsgemeinde die Kosten ganz oder theilweise beiträgt, ist eine
öffentliche Anstalt und als solche der Jugend ohne Unterschied des
Glaubensbekenntnisses zugänglich. Die in anderer Weise gegründeten
und erhaltenen Volksschulen sind Privatanstalten. Bei strenger Durch-
fuhrung des Gesetzes musste nunmehr das so blühende Schulwesen
der Evangelischen entweder fallen oder in die öffentliche, »intercon-
fessionelle*, Gemeindeschule aufgehen, oder unter Darbringung un-
übersehbarer, in den meisten Fällen unerschwinglicher Opfer unter
dem Titel von , Privatschulen* sein Dasein fristen. Wozu die meisten
Gemeinden durch die Noth gezwungen wurden, zeigt folgende Statistik:
Die evangelische Kirche A. C. zählt heute 172 evangelische Schulen
, » , H. C. » » 62 , ,
Zusammen 234 evangelische Schulen
gegen 239 im Jahre 1879
, 285 , , 1875
, 307 » , 1872
, 375 , , 1869
Die evangelische Kirche A. C. zählt 287 evangelische Lehrer
* » , H. C. » 88 , ,
Zusammen 355 evangelische Lehrer
gegen 371 im Jahre 1875
, 400 . , 1872
, 481 , , 1869«)
Kein Wunder, wenn die Freude, welche die evangelische Kirche
aus dem Schulgesetze vom 25. Mai 1868 schöpfte, sehr gedämpft
^) Georg Repp, Die Entwicklung des evangelischen Schulwesens in Oesterreich
seit 1869. Reichenberg. Im Selbstverlage 1888, pag. 11.
*) Georg Repp, Die Entwicklung etc., pag. 31 u. 32.
Jahrbuch des Protestandamtu 1888. H. IV. 15
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208
und die Nothlage ihrer evangelischen Schulen aus dem Principe her-
geleitet wurde, auf welchem die neue Schulgesetzgebung fusst.
Dennoch hätte vielleicht das Bewusstsein, einem Staate anzu-
gehören, der bezüglich der allgemeinen Verbesserung des Volksschul-
wesens in den letzten Jahren so bedeutsame Wege eingeschlagen, den
Evangelischen die Freudigkeit verliehen, im Interesse der Gesammtheit
auf besondere Wünsche Verzicht zu leisten. Allein die Schulgesetz-
novelle vom 2. Mai 1883 hat auch diese Freudigkeit zurückgedrängt.
Auf Grund des § 48 wird nämlich die Confession des Schulleiters
von der 'Confession der Majorität der Schulkinder abhängig ge-
macht. . . . Den meisten evangelischen Lehrern ist es demnach
unmöglich geworden, jemals eine Directorstelle zu erlangen. Muss
femer der Schulleiter der Confession der Majorität der Schulkinder
angehören, so darf mit Fug und Recht die Frage aufgeworfen werden:
wie verhält es sich nunmehr mit dem »interconfessionellen* Charakter
der Schule.^ Zumal der Schulleiter, weit mehr noch als der Lehrer,
die Seele der Schule ist.
Doch wir eilen voraus. Das Jahr 1868 ruft uns zurück. Es hat
noch eine andere Gabe für uns in Bereitschaft : die Ehegesetzgebung.
In Ehesachen wird bestimmt, dass auch für die Katholiken
die Vorschriften des von dem Eherechte handelnden zweiten Haupt-
stückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches in Kraft treten;
dass das Aufgebot der Ehe durch die weltliche Behörde veranlasst
und die feierliche Erklärung der Einwilligung zur Ehe vor dieser
Behörde (Noth-Civil-Ehe) abgegeben werden kann, wenn seitens des
berufenen Seelsorgers die Vornahme des Aufgebotes oder die Ent-
gegennahme der feierlichen Erklärung der Einwilligung zur Ehe aus
einem durch die Gesetzgebung des Staates nicht anerkannten Hinde-
rungsgrunde verweigert wird (Art. II.), ohne dass die Eheleute, welche
ihre Ehe vor der weltlichen Behörde abgeschlossen haben, das Recht
verlieren, nachträglich auch die kirchliche Einsegnung ihrer Ehe von
einem der Seelsorger jener Confession, welcher ein Theil der Eheleute
angehört, zu erwirken (Art. II, § 11), und weiter, dass die Gerichtsbar-
keit in Ehesachen der Katholiken wie der übrigen christlichen und nicht-
christliclien Confessionen ausschliesslich durch die weltlichen Gerichte
ausgeübt wird (Art. III. Gesetz vom 25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Xr. 47..
Ferner wird die Verpflichtung, den Entschluss zur Scheidung
dem ordentlichen Seelsorger zu eröffnen, aufgehoben. Es bleibt
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jedoch den Ehegatten unbenommen, diesen Entschluss ihrem ordent-
lichen Seelsorger zu eröffnen und von diesem ein schriftliches Zeug»
niss darüber zu erwirken, dass der von ihm vorgenommene Ver-
söhnungsversuch vergeblich war (Gesetz vom 31. December 1868,
R.-G.Bl. Nr. 3 ex 1869, § 1).
Endlich, betreffend die Eheschliessung zwischen Angehörigen
verschiedener christlicher Confessionen, bestimmt das Gesetz vom
31. December 1868 (R..G.-BI. Nr. 44, 1869).
Artikel I.
Bei Ehen zwischen Angehörigen verschiedener christlicher Con-
fessionen hat das Aufgebot in der gottesdienstlichen Versammlung
des Pfarrbezirkes der Religions-Genossenschaft eines jeden der beiden
Brautleute in der sonst gesetdichen Weise zu geschehen.
Artikel IL
Die feierliche Erklärung der Einwilligung zur Ehe ist bei der
Verehelichung zwischen Angehörigen verschiedener christlicher Con-
fessionen in Gegenwart zweier Zeugen vor dem ordentlichen Seelsorger
einer der beiden Brautleute oder vor dessen Stellvertreter abzugeben.
Dies kann auch in dem Falle geschehen, wenn das Aufgebot
wegen Weigerung eines Seelsorgers durch die politische Behörde
vorgenommen wurde.
Den Brautleuten steht es in allen Fällen frei, die kirchliche Ein-
segnung ihrer vor dem Seelsorger des einen der Brautleute ge-
schlossenen Ehe bei dem Seelsorger des anderen Theiles zu erwirken.
Artikel III.
Die §§71 und 77 des a. b. G.-B. und alle sonstigen, die ge-
mischten Ehen betreffenden Gesetze und Verordnungen sind, inso-
weit solche den Bestimmungen des gegenwärtigen (Jesetzes wider-
streiten, aufgehoben.
Damit ist in der That der weitaus grösseren Zahl der Anliegen
der evangelischen Kirche Abhilfe zu Theil geworden.
In Folge dessen waren auch alle Herzen voll des Dankes für
die erweiterten Rechte und Freiheiten, welche durch den Machtspruch
Sr. Majestät Gesetzeskraft erhalten hatten. Die meisten Gemeinden
veranstalteten Dankfeste, in den meisten Predigten wurden die
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wichtigen, bedeutungsvollen Ereignisse gebührend gepriesen und —
erzählten Augenzeugen in den »Neuen protestantischen Blättern,
Nr. 29 ex 1868* — wir haben Freudenthränen in den Augen
ergrauter Häupter gesehen, so tief war die freudige und hoffende
Erregung über die Errungenschaften einer erleuchteten Gegenwart,
über die Bürgschaften einer besseren Zukunft.
Uebrigens war die Freude wohl begründet, denn seitdem durch
das Staatsgrundgesetz den Angehörigen aller anerkannten Confessionen
in Oesterreich gleiche Berechtigung gewährleistet wurde — berichtet
das Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde H. B. in Wien
im Jahre 1868 *) — hat kein Ereigniss eine so hohe Bedeutung fiir
das kirchliche Leben unserer evangelischen Kirche gehabt, als das
Erscheinen der interconfessionellen Gesetze, welche ein ehrendes,
dankenswerthes Zeichen des redlichen* Strebens sind, die Freiheiten
und Gerechtsame der evangelischen Kirche in Oesterreich zu befestigen,
Gesittung und Intelligenz immer mehr zu erhöhen und zu verbreiten.
So wurden die meisten Fesseln nach und nach gelöst. Der
Geist der Zeit, das allgememe Verlangen nach grösseren Freiheiten
hat grosse Dienste dabei geleistet, aber das entscheidende Befreiungs-
wort blieb stets dem Wohlwollen Sr. Majestät vorbehalten.
Und diesem Wohlwollen haben wir es auch zu verdanken, dass
trotz allem Widerstände das k. Patent vom 8. April 1861 thatsäch-
lich volle Geltung und Anwendung auch für Tirol erlangte — somit
die kirchenverfassungsgemässe Gründung der beiden evangelischen
Gemeinden in Innsbruck und Meran erfolgen konnte; — dass die
Unterstützungen für arme evangelische Gemeinden und Schulen A.
und H. B., deren Pfarrer und Lehrer aus dem Staatspauschale
mit den A. h. EntSchliessungen vom 11. Mai 1860, 14. April 1861,
22. Juli 1867, 14. Juli 1877 und 30. October 1886 auf 41.600.
50.000, 75.000 und 80.000 erhöht wurden; dass die durch Kaiser
Franz in 's Leben gerufene theologische Bildungsstätte durch eine
A. h. EntSchliessung vom 30. October 1850 mit dem Promotions-
rechte ausgestattet und — zum Range einer Facultät erhoben
wurde; dass die evangelische Brüdergemeinde (Hermhuter) im
Jahre 1880 die staatliche Anerkennui^r erhielt (Vcrordn. des Minist,
für C. u. U. V. 30. März 1880) und das Gesetz, betreffend die Eröff-
^) Dr. C. A. Witz: Zur hundertjährigen Jubelfeier der evang. Kirchengemeinde
H. B. in Wien. Wien, k. k. Hofbuchhandlung W. Frick, 1884, pag. 16.
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nung eines Nachtragscredites für die Bestreitung der Kosten der im
Jahre 1883 versammelt gewesenen evangelischen Generalsynoden
A. und H. B. unterem 7. April 1884 genehmigt wurde.
Dieses Wohlwollen berechtigt uns ferner zu der Hoffnung, dass
mit der Zeit auch unsere billigen Wünsche betreffs der Ehegesetz-
gebung, der Schulen und der theologischen Facultät Berück-
sichtigung finden werden.
Für die Aenderung der §§ 63 und 111 des allg. bürgerl.
Gesetzbuches haben sich bis jetzt — leider ohne Erfolg — die
sämmtlichen Generalsynoden A. und H. B. verwendet. Der erste
der genannten Paragraphe verbietet Geistlichen, welche schon höhere
katholische Weihen empfangen, wie auch Ordenspersonen von beiden
Geschlechtern, welche feierliche Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt,
die Ehe selbst dann, wenn dieselben das evangelische Glaubens-
bekenntniss angenommen; und § 111 erklärt das eheliche Band
zwischen christlichen Personen, wenn zur Zeit der geschlossenen Ehe
auch nur ein Theil der katholischen Religion zugethan war, für
unauflöslich.
,Da nun — beschliesst einstimmig die dritte Generalsynode H. B.
v. J. 1877 *) — die Aufrechthaltung der Rechtsbeständigkeit der ge-
nannten Paragraphe zu den Artikeln 5 und 16 des Gesetzes über
die interconfessionellen Verhältnisse vom 21. Mai 1868 und zu dem
Staatsgrundgesetze vom 21. December 1867, R.-G.-Bl. Nr. 142, in
directem Widerspruche steht, die Gleichberechtigung der Confes-
sionen in diesem Punkte illusorisch macht und den Staatsbürgern
der österreichischen Reichshälfte Rechte vorenthält, welche die neuere
Gesetzgebung der Länder der ungarischen Krone den dortigen Staats-
bürgern ausdrücklich gewährleistet, bleibt es nach wie vor eine
dringende Aufgabe der Generalsynode, für die Abschaffung jener
die Gewissensrechte beschränkenden Bestimmungen einzutreten.*
Die evangelische Generalsynode A. B. vom Jahre 1883 fühlt
sich in mehreren hochwichtigen und ihre vitalsten Interessen be-
treffenden Fragen schwer bedrückt, gedemüthigt und geschädigt.
Diese Fragen umfassen die drei oben erwähnten Punkte.
Die Generalsynode betraute daher die Superintpndenten und
Superintendentialcuratoren A. B. mit der Mission, ^einige der
1) Die dritte Gcneralsynode der evang. Kirche H. B. etc. im Jahre 1877, dar-
gestellt von J. E. Szalatnay, Wien 1883, pag. 82.
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hervorragendsten Beschwerden über Verletzungen der von Sr. Ma-
jestät den evangelischen Glaubensgenossen gewährten Gleichberech-
tigung an die Stufen des Allerhöchsten Thrones zu bringen und
hierdurch dem Vertrauen in die väterliche Fürsorge unseres alier-
gnädigsten Kaisers für die Bedürfnisse aller Staatsbürger, ohne Rück-
sicht auf deren religiöses Bekenntniss, sowie in die Gerechtigkeits-
liebe Sr. Majestät, welche nicht wollen kann, dass die von Sr. Ma-
jestät AUerhöchstdero evangelischen Staatsbürgern huldvollst gewährte
Gleichberechtigung beeinträchtigt oder verkümmert werde, in tiefster
Ehrfurcht freimüthigen Ausdruck zu verleihen.*
Ihrer Mission entsprechend arbeiteten die Superintendenten
und Superintendentialcuratoren eine diesbezügliche Denkschrift aus,
welche vom 10. Mai 1883 datirt ist und am 9. Juni 1884 Sr. Ma-
jestät überreicht wurde.
Die erste Bitte, welche diese Denkschrift enthält, bezieht sich
auf die Ehegesetzgebung.
Sie begründet diese Bitte in folgender Weise *) :
, Ungeachtet das Allerhöchste Patent vom 8. April 1861 den
evangelischen Glaubensgenossen die Gleichberechtigung nach sämmt-
lichen Richtungen des bürgerlichen und politischen Lebens feier-
lich zusichert und in § 14 in Aussicht stellt, dass die Gerichts-
barkeit über evangelische Eheangelegenheiten ausschliessend von
evangelisch-kirchlichen Behörden ausgeübt werden solle; ungeachtet
der Artikel XIV des Staatsgrundgesetzes vom 21. December 1867.
R.-G.-Bl. Nr. 142, Jedermann die volle Glaubens- und Gewissens-
freiheit gewährleistet und den Genuss der bürgerlichen und politischen
Rechte von dem Religionsbekenntnisse für unabhängig erklärt; un-
geachtet endlich das Gesetz vom 25. Mai 1868, R.-G.-BI. Nr. 49.
bestimmt, dass nach vollendetem 14. Lebensjahre Jedermann, ohne
Unterschied des Geschlechtes, die freie Wahl des Religionsbekennt-
nisses nach seiner eigenen Ueberzeugung hat (Art. IV), durch die
Religionsveränderung alle genossenschaftlichen Rechte der verlassenen
Kirche oder Religionsgenossenschaft an den Ausgetretenen verloren
gehen (Art. V) und alle den in diesem Gesetze enthaltenen Vor-
schriften widerstreitenden Bestimmungen der bisherigen Gesetze und
Verordnungen, auf welcher Grundlage sie beruhen und in welcher
1) Die vierte Generalsynode der evangelischen Kirche A. B. etc. etc. vom Jahre
1883, dargestellt von Jthamar Koch. Wien 1888, pag. 144.
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Form sie erlassen sein mögen, fernerhin nicht mehr in Anwendung
zu bringen sind (Art. XVI): werden dennoch die §§ 63 und 111
des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches im auffallendsten Wider-
spruche zu allen den vorgenannten von Euer Majestät sanctionirten
staatsgrundgesetzHchen Bestimmungen bei der Beurtheilung von Ehe-
angelegenheiten evangelischer Personen noch immer in Anwendung
gebracht, so dass es bisweilen scheinen möchte, als ob die Durch-
fuhrung der der evangelischen Kirche von Euer Majestät Aller-
gnädigst gewährleisteten Gleichberechtigung in jenen Paragraphen
des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches auf ein nicht zu über-
windendes Hinderniss gestossen wäre.
,Wenn evangelischen Personen die ihnen nach den Grundsätzen
der evangelischen Kirche erlaubte Eheschliessung darum nicht ge-
stattet wird, weil dieselben vor dem Eintritte in die evangelische
Kirche einer Religionsgenossenschaft angehörten, nach deren Grund-
sätzen ihnen, sei es, weil sie dem geistlichen Stande angehörten oder
weil sie sich von ihren Ehegatten getrennt hatten, die Schliessung
einer giltigen Ehe versagt war, so steht diese fortgesetzte Anwen-
dung der Grundsätze der von ihnen, unter Beobachtung aller gesetz-
lichen Vorschriften, verlassenen Kirche auf die dermalen der evan-
gelischen Kirche angehörigen Personen doch wohl im auffallendsten
Widerspruche mit der citirten staatsgrundgesetzHchen Bestimmung,
dass durch die Religionsveränderung alle genossenschaftlichen Rechte
der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft an den Aus-
getretenen verloren gehen.
,Mit tiefer Betrübniss müssen wir auf die Verwirrung der Rechts-
begriffe und die Erschütterung des Rechtsgefühls hinweisen, welche
durch den Umstand platzgreifen muss, dass in der bezeichneten
Richtung nicht nur in der diesseitigen Reichshälfte einzelne mit den
Staatsgrundgesetzen in offenbarem Widerspruche stehende und durch
dieselben ausser Kraft gesetzte Normen noch immer gehandhabt,
sondern dass auch in jeder der beiden Reichshälften verschiedene
und mit einander ganz unvereinbare gesetzliche Bestimmungen in
Anwendung gebracht werden, so dass beispielsweise, wie dies von
Seite des hohen k. k. Obersten Gerichtshofes bereits in mehreren
Fällen und speciell auch in dessen weiter unten angeführten Ent-
scheidung ausdrücklich sententionirt ist, ein Staatsbürger evange-
Uscher Religion, welcher nach der Trennung seiner Ehe mit einer
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214
katholischen Staatsbürgerin in Ungarn eine neue dort gesetzlich
gütige Ehe eingegangen hat, in jeder der beiden Reichshälften, und
zwar in jeder derselben mit einer anderen Gattin rechtsgiltig ver-
ehelicht erscheint. Nicht minder wollen Eure Majestät AUergnädigst
gestatten, dass wir uns allerunterthänigst darüber äussern, wie
schmerzlich es von uns empfunden wird, wenn im Gegensatze zu
bestimmten, im Namen Euer Majestät proclamirten, rechtskräftigen
und rechtswirksam gewordenen Erkenntnissen in Eheangelegenheiten,
welche, wie das Urtheil des k. k. Oberlandesgerichtes Wien vom
26. Jänner 1875, Z. 19047, sich ausdrücklich darauf gründen, ^dass
alle Handlungen eines zu einer anderen Kirche Uebergetretenen
nach dessen Uebertritte nach der Lehre jener Kirche zu beurtheilen
sind, zu welcher er übertrat, und dass die Satzungen der von ihm
verlassenen Kirche in Bezug auf ihn in keiner Weise bindend sein
können*, sowie, dass ^^das Gegentheil hiervon, ja der mindeste Ab-
bruch von diesem Grundsatze eine Verkürzung der gewährleisteten
vollen Glaubens- und Gewissensfreiheit* wäre, ganz gleichartige Ent-
scheidungen von Oberlandesgerichten, wie beispielsweise des Ober-
landesgerichtes zu Prag ddo. 29. Juli 1878, Z. 19961, durch gleich-
fialls im Namen Euer Majestät proclarairte Entscheidungen des hohen
k. k. Obersten Gerichtshofes unter Nichtbeachtung jener Grundsätze
und im Widerstreite mit denselben aufgehoben werden. Wenn aber
gar eine solche auch von einem k. k. Oberlandesgerichte rechts-
kräftig als legal anerkannte Eheschliessung, welche nach der in der
Lehre Jesu Christi und in der heiligen Schrift begründeten Sitten-
lehre der evangelischen Kirche als zulässig erscheint, von Euer Ma-
jestät Oberstem Gerichtshofe, wie solches in dem Erlasse vom 6. No-
vember 1883, Z. 12854, geschieht, als ein Act bezeichnet wird,
welcher, als den staatsbürgerlichen Pflichten zuwiderlaufend, ,im
Interesse der öffentlichen Ordnung und Sitte* aligemein untersagt
ist, so liegt darin nicht nur eine Verletzung, sondern eine in der
völligen Verkennung ihrer Grundsätze gelegene Herabsetzung der
evangelischen Kirche, ihrer Lehren, ihrer Einrichtungen, ihrer Moral
und ihrer Bekenner, nicht zu reden davon, dass, was in Euer Ma-
jestät Königreich Ungarn der öffentlichen Ordnung und Sitte nicht
zuwiderläuft, doch wohl auch in der diesseitigen Reichshälfte nicht
als unsittlich und den staatsbürgerlichen Pflichten zuwiderlaufend
wird bezeichnet werden dürfen.
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^Die vierte evangelische Generalsynode war daher auch nur der
Dolmetsch der in ihrem Rechtsgefiihle gekränkten evangelischen
Gesammtkirche Oesterreichs, wenn dieselbe in ihrer Sitzung vom
30. October 1883 erklärte, dass es ihr als eine dringende und un-
abweisbare Nothwendigkeit und als ein Gebot ernster Staatspflicht
erscheine, dass diese auf dem Gebiete der eherechtlichen Fragen
bestehende Rechtsunsicherheit und Rechtsverwirrung im Wege der
Gesetzgebung endlich beseitigt werde.
^Die Vertrauensmänner der Generalsynode A. B. setzen ihre
Hoffnung auf die Lösung dieser in die Interessen der evangelischen
Kirche tief einschneidenden Frage auf die Gnade Sr. Majestät.*
Wir theilen mit ihnen diese Hoffnung und sehen der bevor-
stehenden Revision des Eherechtes mit Zuversicht entgegen.
Auch wird sich wohl ein Mittel finden, die Evangelischen,
welche ihre confessionellen Gemeindeschulen erhalten, von der Bei-
tragsleistung zur öffentlichen — allerdings der Jugend
ohne Unterschied des Glaubens zugänglichen*, aber thatsächlich
ohne Unterschied beinahe nur von dem Glauben der Mehrheit
beherrschten — Staatsschule zu befreien.
Beide Generalsynoden vom Jahre 1883 — die evangelische A. B.
sowohl als die evangelische H. B. — haben sich mit dieser für
unsere Kirche hochwichtigen Frage eingehend beschäftigt und beide
haben die Nothlage, in welche die evangelischen Schulen, nament-
lich seit dem Erlasse der neuen Schulgesetznovelle vom 2. Mai 1883,
gekommen sind, Sr. Majestät dem Kaiser in besonderen Denk-
schriften geschildert.
Die Denkschrift der Generalsynode H. B, vom 3. November
1883 äussert sich folgendermassen *) :
»Das Allerhöchste Patent vom 8. April 1861 beschenkte erst
recht eigentlich die Evangelischen mit der genügenden Anzahl ihrer
sehr nöthigen Schulanstalten, indem es ihnen die volle Freiheit für
Errichtung neuer Schulen und die völlige Entlastung von der Pflicht,
zur Erhaltung katholischer Schulen beizutragen, gewährte. Die evan-
gelischen Schulen blühten seit dem Jahre 1861 in ungeahnter Weise
enifK>r. In der böhmischen Superintendenz befanden sich vor dem
Erlasse der Schulgesetze vom 14. Mai 1869 schon 57 reformirte
*) Die vierte Generalsynode der evang. Kirche H. B. etc. vom Jahre 1883, dar-
gcsteUt von J. E. Szalatnay. Wien 1888, pag. 378.
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Schulen; von diesen sind bereits 15 theils aufgelassen, theils ihres
confessionellen Charakters verlustig gegangen. Aber selbst der Be-
stand der gegenwärtigen 42 confessionellen Schulen ist keineswegs
gesichert; sie ringen um ihre Existenz. In der mährischen Super-
intendenz ist der Einfluss der genannten Schulgesetze der denkbar
nachtheiligste gewesen. Von 34 confessionellen Schulen ist ein kleiner
Rest von 5 Schulen übrig geblieben; und alle übrigen sind allmälig
eingegangen. Seit dem Jahre 1870 beginnt diese traurige Aera des
Niederganges der confessionellen Schulen. Diese Aera ist um so
trauriger, je plötzlicher und unerwarteter sie eintrat und je weniger
die öffentliche Schule im Stande ist, die eigene evangelische zu
ersetzen.
,Es sei uns vergönnt, diese letzte Behauptung etwas eingehender
zu begründen. Die damals (vor 1869) katholischen Schulen haben
zwar durch das Gesetz vom 14. Mai 1869 den Namen ^allgemeine*
oder , öffentliche* Schulen bekommen, sie sind aber in Wirklichkeit,
besonders auf dem Lande, in Bezug auf Unterricht und Erziehung
mehr oder weniger katholisch geblieben. Es ist ja, trotz aller gegen-
theiligen Behauptungen, undenkbar, dass eine neutrale Schule, zumal
auf dem Lande, wirklich geschaffen werden könne. Undenkbar ist
es, dass im Unterrichte sich ein juste milieu, das allen Parteien
gerecht wird, herstellen lasse, und wenn es hie und da geschehen
sollte, dass es von Dauer sein könnte. Die Majorität der ländlichen
Bevölkerung blieb unempfindlich für die Beglückungspläne einer neuen
Schulgesetzgebung und war gar nicht ungehalten, als nach längerem
Zuwarten der alte Confessionalismus zufolge der neuen Gesetzes-
novelle (§ 48 vom 2. Mai 1883) in den Volksschulen wieder trium-
phirte. Er triumphirt aber jetzt nicht so offenkundig, er ward nicht
so völlig in sein altes Recht wieder eingesetzt, wie vor 1869. Gleich-
wohl aber kam der Confessionalismus nunmehr an der Hand der
Staatsgesetzgebung wieder zur vollsten Geltung, indem die Gesetzes-
novelle (§ 48) bestimmte: dass die Schulleiter der Confession der
Majorität der Schüler angehören müssen.
,Das schien nun im Grunde Alles ganz billig und ganz recht
Wir sind keine Störenfriede und vergönnen unseren katholischen
Mitbürgern ganz und gar, dass ihre Kinder unter einem Schulleiter
ihrer Confession zu stehen haben. Aber eifersüchtig auf ihre Mit-
bürger sind die Evangelischen gleichwolil und glauben ein Recht
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zu haben, es zu sein. Die immense Majorität aller Schulen Oester-
reichs ist, wenn auch nicht unvermittelt, so doch plötzlich und in
ungeahnter Ausdehnung factisch wiederum , katholisch* geworden.
Natürlich heisst es immer noch : unter der Controle des Staates ; es
heisst immer noch, der Grundsatz ,suum cuique* sei dadurch nicht
verletzt. Man will durchaus nicht zugeben, dass Wesentliches durch
diesen § 48 geändert sei. Und doch ist sehr viel unter der Hand
durch diesen Paragraphen geändert. Jener Lehrer, der, um Schulleiter
zu sein und um Religionsunterricht in der Volksschule geben zu
können, sein Zeugniss von der katholischen Geistlichkeit sich erholen
muss, kann nie und nimmermehr der Vertrauensmann der evange-
lischen Gemeinden sein. Sie können nur mit Zagen demselben ihre
Kinder anvertrauen. Und dabei wollen wir ja nicht übel reden von
unsern katholischen Mitbürgern; sie thun, was sie für recht und
billig halten. Nur so viel wollen wir sagen, dass wir kein Vertrauen
zu einer solchen Schulatmosphäre fassen können und uns doppelt
darnach sehnen, wieder eine Selbstständigkeit unseres Schulwesens
auf gesetzlichem Wege zu erlangen.
, Anerkannt muss es werden, dass seit der neuesten Wandlung
der Schulgesetzgebung die Evangelischen, welche nur einen sehr
kleinen Bruchtheil der Bevölkerung in der diesseitigen Reichshälfte
bilden, Gäste einer katholischen Majorität werden müssen, Gäste
und Fremdlinge in ihren Schulen, wenn man noch lange zusieht,
wie ihre confessionellen Schulen mit dem Tode ringen. Werden sie
aber solche Gäste und Fremdlinge, dann ist der uns heilige Buch-
stabe des Allerhöchsten Protestantenpatentes vom Jahre 1861, inso-
ferne derselbe unsere Schullage betrifft, auch ausgelöscht. Dieses
kaiserliche Patent, unsere Magna Charta, sagt aber im § 13: ,Die
Evangelischen können nicht verhalten werden, zu UnterrichtsÄwecken
einer anderen Kirche Beiträge zu leisten*.
,Fem aber sei es von uns, solchen Gedanken Raum zu geben.
Wir wissen und hegen das feste Vertrauen, dass man uns Evangelische
im vollen Genüsse dieses Patentes belassen und nicht gestatten wird,
dass durch die neuerdings wieder beliebte confessionelle Exclusivität in
der Anstellung der Schulleiter unter der Hand etwas zur Mehrung der
katholischen Kirche geschehen sollte, was offen in Abrede gestellt
wird. Wir können nicht wünschen, dass indirect durch das Mittel
der Schulen Proselyten gemacht werden für die Kirche der Majorität,
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währenddem man im Offenbaren und direct keine solche Prose-
lytenmacherei von Staatswegen befördert oder auch nur zulässig
erachtet.
, Daher hoffen wir auf baldige Abänderung der Gesetzgebung
oder auf eine gesetzliche Interpretirung der Schulparag^aphen. Wir
sind keine Juristen und machen keinerlei bestimmte Vorschläge ; wir
können nur des Rechtes der Schwachen, zu bitten, Vorstellungen
zu machen, uns bedienen. Aber eine allgemein gesetzliche Regelung
scheint uns eines der dringendsten Erfordernisse, wenn wir nicht im
zweiten Jahrhundert des staatsrechtlich anerkannten Bestandes der
evangelischen Kirchen innerhalb der diesseitigen Reichshälfte in
Hinsicht auf unsere Schulen alles das verlieren sollen, was wir
während des ersten Jahrhunderts gewonnen haben. Vielerlei Wege
lassen sich ja gewiss. zur Heilung unserer Schäden einschlagen. Aber
wir überlassen die Auffindung des besten Weges der Weisheit
unseres erhabenen Monarchen und seiner Regierung. In einem Staate
wie in Oesterreich, wo so Vieles fiir die Minorität gelhan wird,
wird auch die zerstreut und vereinzelt unter der Majorität katho-
lischer Mitbürger wohnende Minorität der Evangelischen Sclionung
finden, zumal, da solche Schonung weder den Staatssäckel» noch
auch den Säckel der einzelnen * Communen irgendwie empfindlich
benachtheiligen würde.*
Die Denkschrift der Generalsynode A. B. vom 10. Mai 1884
klagt nicht minder über die ^kaum mehr erträgliche Belastung der
evangelischen Glaubensgenossen zu Schulzweckcn*.
Ihrer Klage verleiht sie folgenden Ausdruck *) :
^Hoch erfreulich und geradezu bewunderungswürdig war der
mächtige Aufschwung, welchen das öffentliche Erziehungswesen in
Folge des Reichsschulgesetzes vom 14. Mai 1869 nahm, und niemals
haben wir, weil unser Patriotismus stets grösser war als unsere Selbst-
liebe, uns geweigert, den gewaltigen Fortschritt in methodischer,
didaktischer und organisatorischer Beziehung anzuerkennen, durch
welchen die österreichischen Volksschulen und Lehrerbildungsanstalten
den Anstalten gleicher Kategorien in den rücksichtlich ihres Schul-
wesens entwickeltsten Culturländern Europas ebenbürtig zur Seite
gestellt worden sind.
*) Die vierte Generalsynode der evang. Kirche A. B. etc. etc. v. J. 1883, dar-
gcsteUt von J. Koch. Wien 1888, pag. 148.
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^ Aber dieselbe Reichsschulgesetzgebung, welche wir im Interesse
des Gesammtvaterlandes lebhaft begrüssen mussten, hat unsere evan-
gelischen Gemeindeschulen, deren vorzügliche Leistungen von den
staatlichen Schulaufsichtsbehörden bezeugt werden, erniedrigt und
mit den Privaterziehungsanstalten einzelner Geschäftsuntemehmer auf
eine Stufe gestellt. Unsere Lehrer wurden zu Privatlehrern degradirt,
des Rechtes, in den Bezirks- und Landes-Lehrerconferenzen mitzu-
stimmen, entkleidet und von der Dienstaltersversorgung, sowie von
der Versorgung ihrer Witwen und Waisen aus öffentlichen Mitteln
ausgeschlossen. Den Mitgliedern unserer Schulgemeinden endlich,
welche um des Religionsunterrichtes für ihre Kinder willen, zu dessen
Ertheilung die genügende Anzahl von Seelsorgern nicht vorhanden
ist und welcher bei der grossen Zerstreuung der Wohnsitze unserer
evangelischen Glaubensgenossen, auch wenn die erforderlichen Seel-
sorger zur Verfügung wären, ohne einen grossen Aufwand von ma-
teriellen Mitteln, über welche die Gemeinden abermals nicht ver-
fugen, nicht ertheilt werden könnte, also um den Religionsunterricht
wenigstens durch die evangelischen Lehrer zu ermöglichen und die
heranwachsende Jugend nicht der Religionslosigkeit preiszugeben,
ihre evangelischen Schulen forterhalten müssen, wurde der ungerechte
Zwang auferlegt, ausser den grossen Opfern, welche sie für die ihnen
unentbehrlichen eigenen Schulen bringen, auch zur Erhaltung der-
jenigen öffentlichen Volksschulen, welche von ihren Kindern nicht be-
sucht werden, und zu den Schulbauten fiir dieselben, mit beizutragen.
y Liegt in dem letzteren Umstände schon an und für sich eine
Unbilligkeit, so wird in Rücksicht auf den § 48 des Reichsschul-
gesetzes nach der durch das Schulgesetz vom 2. Mai 1883 getroffenen
Abänderung und im Zusammenhalt mit der Thatsache, dass, bei der
überwiegend katholischen Bevölkerung des Reiches, der Charakter
der öffentlichen Volksschulen, einzelne Ausnahmen abgerechnet, ein
confessioneller, und zwar katholisch-confessioneller sein wird, den
evangelischen Glaubensgenossen durch die neugeschaffenen Verhält-
nisse die Pflicht aufgebürdet, zur Erhaltung von Unterrichtsanstalten
mit beizutragen» welche, wenn auch nicht direct, so doch indirect
jenen Anstalten beigezählt werden müssen, in Bezug auf welche das
Allerhöchste Patent vom 8. April 1861 erklärt: ,die evangelischen
Glaubensgenossen können nicht verhalten werden, zu Cultus- und
Unterriditszwecken . . . einer anderen Kirche Beiträge zu leisten* (§ 13).
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^Doch auch diese Lasten würden wir gern tragen, auch diese
Opfer im Bewusstsein, als österreichische Staatsbürger zu den gemein-
samen Lasten aller österreichischen Reichsangehörigen mit verpflichtet
zu sein, mit Freuden bringen, wenn wir es vermöchten. Aber wir
können es nicht! denn die evangelische Kirche ist arm, sie verfügt
über keine grossen Stiftungen, Güter und Fonde, sie zählt in ihrer
Mitte nur wenige wohlhabende Genossen, und die Erhaltung ihrer
Kirchen und die obzwar kärgliche Besoldung ihrer Geistlichen über-
steigt schon so sehr die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, dass
in vielen Gemeinden die Aufrechterhaltung des geordneten Gottes-
dienstes und der ständigen Seelsorge nur mit Hilfe des durch die
Gnade Euer Majestät der evangelischen Kirche verwilligten Staats-
unterstützungspauschales möglich ist.
,Die äussere Noth hat auch bereits nahezu die Hälfte der evan-
gelischen Schulgemeinden, nämlich 151 von 377, in die traurige
Nothwendigkeit versetzt, ihre evangelischen Schulen, die Pflegestätten
religiöser und patriotischer Gesinnung fär ihre Kinder, mit blutendem
Herzen aufzulassen, und die noch bestehenden 226 evangelischen
Volksschulen werden früher oder später demselben beklagenswerthen
Geschick anheimgegeben sein.
,Nur die unerschöpfliche Gnade Euer Majestät vermöchte unsere
Nothlage zu bannen und, sei es durch die Anerkennung der evan-
gelischen Schulgemeinden als selbstständige Schulbezirke und durch
die im Gesetzgebungswege zu verfugende Entlastung ihrer Mitglieder
von den Beiträgen zur Erhaltung der von ihnen nicht mitbenutzten
öffentlichen Volksschulen, sei es durch die Gewährung eines Rück-
ersatzes dieser Beiträge aus Reichsmitteln und durch die Schaffung
einer zur Unterstützung armer evangelischer Schulen bei der obersten
evangelischen Kirchenbehörde zu errichtenden Schulunterstützimgs-
casse, der evangelischen Kirche des Vaterlandes die von uns heiss
ersehnte und allerunterthänigst erbetene Hilfe darzubieten.
, Euer Majestät wollen kein religionsloses Volk, und die Geschichte
belehrt uns, dass die Grundfesten des Staates wanken, wo das Volk
aufhört, in der Religion seinen Trost zu suchen und in der Noth
der Zeit seine Zuflucht zu nehmen zu seinem Gott. Darum aus Liebe
zu unserem Glauben und aus Liebe zum Vaterlande und zur glor-
reichen Dynastie Allerhöchst Euer Majestät wagen wir es im Auf-
trage der vierten evangelischen Generakynode A. B. und im Namen
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der gesammten evangelischen Kirche Oesterreichs, Euer Majestät
um Allergnädigste Beseitigung unseres Schulnothstandes in tiefster
Ehrfurcht anzuflehen.*
Daraus ersehen wir, wie gross die Hindernisse sind, auf welche
die Errichtung und das Gedeihen der evangelischen Schulen stossen.
Die Generalsynoden konnten nicht anders, als Sr. Majestät diese An-
gelegenheit an's Herz zu legen. Wir geben uns aber mit ihnen der
Hoffnung hin, dass ein allergnädigstes Wort aus dem Munde des
Kaisers den Anstoss zu geben vermag, um die unseren Schulen
geschlagene Wunde auf die Dauer zu heilen oder doch die Verhält-
nisse so zu gestalten, dass sie (iir die evangelischen Schulen und
Schulgemeinden wenigstens erträglich werden, wie dies in Schlesien,
Dank dem Wohlwollen und der ausserordentlichen Munificenz des
dortigen Landtages, der Fall geworden ist.
Endlich dürfte auch das Petitum betreffs der k. k. evangelisch-
theologischen Facultät die sehnlichst erwünschte Erledigung
finden. Bereits im Jahre 1848 wurde die Einverleibung der theologischen
Lehranstalt in den Organismus der Universität in Aussicht gestellt. Der
Entwurf der Grundzüge des öffentlichen Unterrichtswesens in Oester-
reich — bekanntgegeben in der , Wiener Zeitung* am 21. Juli 1848
— stellte in § 63 fest, dass das protestantische theologische Studium
zu Wien die zweite Abtheilung der theologischen Facultät bilden soll ^).
Das war sicherlich ein schöner, wenn auch — für Oesterreich
wenigstens — etwas kühner Gedanke. Es wird Niemanden wundern,
dass derselbe keine Verwirklichung gefunden. Hingegen wird es
jeder Unbefangene billigen, dass wir wünschen, die evangelisch-
theologische Facultät möge doch einmal eine eigene Abtheilung der
gesammten Universität bilden.
,Man ist zwar — so hat sich Professor Dr. Bohl in der vierten
Generalsynode H. B. vom Jahre 1883 geäussert*) — in seinen
Wünschen zuletzt herabgegangen bis zur örtlichen Vereinigung der
Facultät mit der Universität, um nur etwas von allen einst gehegten
schönen Hoffnungen zu retten. Aber auch die Erfüllung dieses letzten
Restes unserer Hoffnungen ist durch eine neuerliche Entscheidung
*■) Dr. G. Frank, Die k. k. evang.-theolog. Facultät in Wien von ihrer Grün-
dung bis zur Gegenwart. Wien 1871. W. Braumüller, pag. 45.
*) Die vierte Generalsynode der evang. Kirche H. B. etc. etc. v. J. 1888, dar-
gestellt von J. E. Szalatnay. W^ien 1888, pag. 119.
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seitens des h. Ministeriums fiir Cultus und Unterricht abermals in
weite Ferne gerückt. Denn es heisst in der an den Oberkirchenrath
herabgelangten Eröffnung des h. Ministeriums vom 30. April 1883,
Z. 6507, dass in Betreff der Unterbringung der Facultät im neuen
Universitätsgebäude, solange dieselbe einen Bestandtheil der k. k.
Universität nicht bilde, eine definitive Verfügung nicht getroflTen
werden könne. Durch die Clausel aber, wonach die definitive Ver-
fügung von vorausgegangener Einverleibung der Facultät abhängig
gemacht wird, muss freilich die an und für sich so erfreuliche hohe
ministerielle Zusage, wonach die Localitäten gleichwohl der Facultät
in dem neuen Universitätsgebäude reservirt bleiben, als erheblich
abgeschwächt erscheinen.
^Die traurige Aussicht erhebt sich also vor den Augen der evan-
gelischen Kirche beider Bekenntnisse, dass die so wichtige Bildungs-
anstalt für die zukünftigen Diener am Worte so lange vor der k. k.
Universität wird warten müssen, bis der Berg jener Schwierigkeiten,
der sich seit der Eröffnung dieser Controverse aufgethürmt hat, weg-
geräumt sein wird. Und nicht ohne Berechtigung war die seufzende
Frage, die sich die Alten sowohl als die Jüngeren gestellt: Wer
wird leben, wenn das geschehen wird?
,Der Nutzen einer wenn auch nur äusserlichen Verbindung ist
ein handgreiflicher. Es ist ja auch einem hohen Ministerium nicht
verborgen geblieben, dass die evangelisch-theologische Wissenschaft,
um gedeihen zu können, ein Glied der Universitas litterarum zu
bilden habe. Das Ineinandergreifen der verschiedenen Gebiete der
Wissenschaft erfordert solches. Und schon der Umstand, dass die
Facultät Staatsanstalt ist und den Namen, sowie die Privilegien der
Facultät besitzt, gibt ihr die Anwartschaft, ein Glied der Universitas
litterarum endlich doch zu werden
, Einstweilen wäre schon viel gewonnen für den Studiengang und
die künftige Geistesentwicklung unserer studirenden Jünglinge, wenn
sie zufolge localer Vereinigung der Facultät mit der Universität den
übrigen Studenten näher stünden. Solche Nachbarschaft weckt edlen
Wetteifer und den Wunsch, hinter den Anderen nicht zurückzustehen.*
Diese Ausfuhrungen fanden ungetheilten Beifall und die vierte
Generalsynode H. B. beschloss einstimmig folgende Resolution:
,Ein hohes Ministerium für Cultus und Unterricht geruhe die
Frage der localen Vereinigung der Wiener evangelisch-theologischen
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Facultät mit der Universität nochmals in Erwägung zu ziehen und in
Anbetracht des grossen Interesses der evangelischen Kirche, welches
hier auf dem Spiele steht, eine bestimmte Angabe des Termines, bis
wann die Einbeziehung der Facultät in das Universitätsgebäude zu
erwarten sei, in Aussicht zu stellen.*
Die gleichen Anschauungen theilte auch die Generalsynode A. B.
Die räumliche Einbeziehung der k/k. evangelisch -theologischen
Facultät in das neue Universitätsgebäude gehört ebenfalls zu den
dringendsten Wünschen der evangelischen Kirche A. B.
Die früher bereits erwähnte Denkschrift vom 10. Mai 1884 be-
gründet diesen Wunsch in folgender Weise:
,Die von der dritten evangelischen Generalsynode im Jahre 1877
an die R^erung Euer Majestät gelangte Bitte, die k. k. evangelisch-
theologische Facultät, wenn dieselbe auch derzeit der Universität
Wien noch nicht organisch eing^liedert werden könnte, doch wenig-
stens räumlich im neuen Universitätsgebäude unterzubringen, erfuhr
durch den Ministerialerlass vom 17. Mai 1878, Z. 6517, die von der
ganzen evangelischen Kirche mit lebhafter Freude begrüsste gewäh-
rende Erledigung, dass wegen seinerzeitiger Zuweisung entsprechender
Localitäten für die k. k. evangelisch-theologische Facultät im neuen
Universitätsgebäude bereits Vorsorge getroffen sei.
,Die räumliche Vereinigung der Facultät mit der Universität
würde nicht nur zur Hebung des Ansehens der ersteren, welche jetzt
in einem Miethhause nothdürftig untergebracht ist, beitragen, für die
evangelische Kirche und die Gesammtbevölkerung des Vaterlandes
einen neuen, in die Augen springenden Beweis für das ernste Be-
streben der Regierung Euer Majestät erbringen, die den Evange-
lischen gewährte confessionelle Gleichberechtigung auch im praktischen
Leben durchzufuhren, sondern auch die Studirenden der evangelischen
Theologie in die Möglichkeit versetzen, mit ihrem theologischen Studium,
wie es das Interesse der evangelischen Kirche, welche einen Werth
darauf l^t, philosophisch gebildete Geistliche zu besitzen, erfordert,
auch das Hören philosophischer CoUegien zu verbinden.
,Um so peinlicher musste darum die der evangelischen Kirche
durch den Erlass des hohen k. k. Ministeriums für Cultus und Unter-
richt vom 30. April 1883, Z. 6507, bereitete Enttäuschung sein, als
durch diesen Ministerialerlass dem k. k. evangelischen Oberkirchen-
rathe eröffnet wurde, dass in Betreff der Unterbringung der evangelisch-
Jahrbuch des Protestantismiu 1888. H. IV. \Q
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theologischen Facultät im neuen Universitätsgebäude, so lange die-
selbe einen Bestandtheil der k. k. Universität nicht bildet, eine de-
finitive Verfügung nicht getroffen werden könne.
,Hat sich die hohe Regierung Euer Majestät vorher auf den
Standpunkt gestellt, dass zwar die Eingliederung der evangelisch-
theologischen Facultät in den Organismus der Wiener Universität
nicht thunlich erscheine, jedoch gegen die Unterbringung der Facultät
in den Räumen des Universitätsgebäudes kein Anstand obwalte, so
wird neuerlich die Erfiillung des letzteren, bereits in bindender Weise
gegebenen Versprechens für insolange verweigert, als nicht die vordem
für unmöglich erklärte Incorporirung der Facultät in die Universität
vollzogen worden wäre.
, Indem wir den Schmerz der vierten Generalsynode über diese
der evangelischen Kirche Oesterreichs zu Theil gewordene Demüthi-
gung vor Euer Majestät kundzugeben uns erlauben, wagen wir es,
Namens dieser Kirche Eure Majestät allenmterthänigst zu bitten. Eure
Majestät geruhen zu befehlen, dass der durch das Allerhöchste Patent
vom 8. April 1861, R.-G.-Bl. Nr. 41, zum Staatsgesetz erhobene
Wille Euer Majestät, Allerhöchstdero evangelischen Staatsbürgern die
principielle Gleichheit vor dem Gesetz ^auch hinsichtlich der Be-
ziehungen ihrer Kirche zum Staate in unzweifelhafter Weise zu ge-
währleisten*, auch rücksichtlich der k. k. evangelisch-theologischen
Facultät verwirklicht werde.*
Die Generalsynoden bescheiden sich bereits mit der localen Ver-
einigung ; wir hingegen hoffen, dass ihre Bitte mit der Einverleibung
wird beantwortet werden.
Jedenfalls legen wir alle diese Wünsche ehrerbietig und zuver-
sichtsvoll an den Stufen des Thrones nieder. Mögen sich auch Berge
von Schwierigkeiten dagegen aufthürmen, die Berge werden weichen.
Wir sind überzeugt, dass es der Weisheit des Kaisers wohl gelingen
wird, seinem hochherzigen Wohlwollen Genüge zu leisten. Die bereits
gewährten Freiheiten verbürgen uns die noch ausständigen Gerecht-
samen. Zumal Se. Majestät wiederholt zu äussern geruhte, dass ihm
das Wohl der evangelischen Kirche sehr am Herzen liege.
II.
Die verschiedenen Ansprachen, welche Se. Majestät bei feier-
lichen Veranlassungen an die Vertreter der evangelischen Kirchen
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225
und Gemeinden zu richten geruhte, legen von diesem Allerhöchsten
Wohlwollen ein beredtes und erfreuliches Zeugniss ab.
Als die erste vereinigte Synode A. und H. B. vom Jahre 1864
Sr. Majestät ihren warmen und ehrfurchtsvollen Dank darbrachte
für Verleihung des A. h. Patentes vom 8. April 1861, für die wohl-
wollende Gesinnung der Staatsregierung gegen die evangelische Kirche
überhaupt und insbesondere für die huldvolle Ermöglichung und Ein-
berufung der Synode, drückte Se. Majestät der Kaiser seine Freude
aus über das Tagen der ersten Generalsynode und erklärte, es sei
sein lebhafter Wunsch, dass seine Protestanten die ihnen verliehenen
Rechte und Freiheiten ungeschmälert geniessen *). .
Die zweite Generalsynode A. B. vom Jahre 1871 überbrachte
ebenfalls Sr. Majestät den Ausdruck des Gefühles tiefster Ehrfurcht,
des Dankes und der patriotischen Hingebung, und auch diesmal ge-
ruhte der Kaiser seine Freude darüber auszusprechen, dass die
Glieder der evangelischen Synode A. B. wieder in Berathung ihrer
wichtigen Angelegenheiten versammelt seien, beglückwünschte das
Bestreben der Generalsynode und versicherte die Deputation seiner
Huld für die evangelische Sache*).
In ähnlicher Weise versicherte Se. Majestät auch die Deputation
der Generalsynode H. B. , dass es ,Ihn ganz besonders freuen
werde, wenn Er etwas zum Wohle der evangelischen Kirche thun
könne* •).
Die dritte Generalsynode A. B. vom Jahre 1877 musste sich
damit begnügen — da Se. Majestät in Gödöllö residirte — den
Ministerpräsidenten zu ersuchen, die patriotische Gesinnung der Synode
Sr. Majestät dem Kaiser zu übermitteln. Aber auch diese Kund-
gebung loyaler und treuergebener Gesinnung wurde wohlgefällig von
Sr. Majestät zur Kenntniss genommen, — laut Mittheilung des hohen
Ministerpräsidiums *).
*) Die erste Generalsynode der evang. Kirche A, und H. B. in den deutsch-
slavischen Ländern Oesterreichs. Wien 1864, pag. XII u. XIX.
•) Die zweite Generalsynode der evang. Kirche A. B. etc., herausgegeben von
Dr. B. Czerwenka. Wien 1872, pag. 11.
•) Die zweite Generalsynode der evang. Kirche A. und H. B. etc., Synodalblatt.
C. Helf. Wien 1871, pag. 163.
*) Die dritte Generalsynode der evang. Kirche A. B. etc., dargestellt von
Dr. Theodor Haase. Wien 1880, pag. 124.
16»
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In der gleichen Weise wurde der Dank der Generalsynode H. B.
übermittelt und erwidert ^).
Glücklicher war die vierte Generalsynode A. B. vom Jahre 1883.
Die Deputation wurde von Sr. Majestät in besonderer Audienz em-
pfangen und vernahm als Erwiderung auf die Ansprache des Präsi-
denten folgende huld- und bedeutungsvolle Worte: ,Es freut Mich.
die Versicherung der Treue und Loyalität der Synode und durch
diese sämmtlicher Staatsbürger evangelischen Bekenntnisses entgegen-
zunehmen. Die evangelische Kirche mag, wie bisher, so auch ferner-
hin Meines väterlichen Schutzes gewiss sein* *).
Die Deputation der Generalsynode H. B. konnte erst nach
Schluss der Synodal-Sitzungen den Ausdruck unverbrüchlicher Treue
und aufrichtiger Anhänglichkeit an den Kaiser und das Kaiserhaus
an den Stufen des Thrones niederlegen und wurde ebenfalls äusserst
huldvoll von Sr. Majestät empfangen *).
Einen kräftigeren und nachhaltigeren Wiederhall fanden in den
Herzen aller Protestanten Oesterreichs die denkwürdigen Worte, mit
welchen Se. Majestät, zu wiederholten Malen, den k. k. evangelischen
Oberkirchenrath A. und H. B. erfreut hat.
Aus Anlass des 25jährigen Regierungsjubiläums wurde dem
Kaiser eine Huldigungsadresse des k. k. evangelischen Oberkirchen-
rathes A. und H. B. im Wege des k. k. Ministeriums für Cultus und
Unterricht übermittelt. Diese loyale Kundgebung geruhte Se. Majestät
mit , besonderer Befriedigung zur Kenntniss zu nehmen*. (Erlass des
k. k. Ministeriums vom 30. D.ecember 1873.)
Im Jahre 1878 konnte der k. k. Oberkirchenrath in einer Privat-
audienz Sr. Majestät die innigste und aufrichtigste Theilnahme an dem
schweren, ja unersetzlichen Verluste, der Se. Majestät durch den
Tod A. h. seines erlauchten Herrn Vaters, Sr. k. und k. Hoheit des
Herrn Erzherzogs Franz Carl, getroffen hat, kundgeben. Der
Kaiser geruhte , unter den zahlreichen Beweisen von Theilnahme.
die ihm in den letzten Tagen geworden, auch diese als wohl-
*) Die dritte Generalsynode der evang. Kirche H. B. etc., dargestellt von J, E,
Szalatnay. Wien 1883, pag. 12.
") Die vierte Generalsynode der evang. Kirche H. B. etc., dargestellt von J. Koch.
Wien 1888, pag. 12.
■) Die vierte General"5ynode der evang. Kirche H. B. etc., dargestellt von J. E.
Szalatnay. Wien 1888, pag. 15.
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thuend für sein Herz zu bezeichnen und dafür dankend die Ueber-
zeugung auszusprechen, dass et in bösen und guten Tagen auf seine
evangelischen Unterthanen zählen könne* *).
Anlässlich der silbernen Vermählungsfeier im Jahre 1879 durfte
der k. k. Oberkirchenrath mit den Obmännern der Synodal-Aus-
schüsse A. und H. B. in einer allerunterthänigsten Huldigungs- und
Beglückwünschungsadresse bleibenden Ausdruck verleihen ,den Ge-
fühlen der Freude, des Dankes und der unverbrüchlichen Treue, die
am Jubelfeste des 25. Jahrestages der Vermählung Ihrer Majestäten
die Brust aller Evangelischen bewegen und in heissen Gebeten für
das Wohlergehen Ihrer Majestäten zu Gott emporsteigen*.
Diese Adresse wurde von Sr. Majestät mit einer herzgewinnen-
den Huld und bedeutungsvollen Anerkennung für die evangelischen
Gemeinden und Corporationen erwidert.
Seine k. und k. apostolische Majestät sprach:
,Mit Wohlgefallen nehme Ich und die Kaiserin die Glückwünsche
auf, welche der Oberkirchenrath als Vertreter beider Confessionen
der evangelischen Kirche in Oesterreich zur Feier Unserer silbernen
Hochzeit mit dem Ausdrucke seiner treuen Ergebenheit Uns darbringt.
Die evangelischen Gemeinden und Corporationen, Ich erkenne
es gerne an, haben immer treu zu. Mir und zum Reiche gestanden
und ihre patriotische Gesinnung vielfach in sprechendster Weise an
den Tag gelegt.
Nehmen Sie, geehrte Herren, Meinen und der Kaiserin Dank
für Ihre herzlichen Wünsche zu Unserem Familienfeste*).*
In gleicher Weise wurde Sr. Majestät im Jahre 1881 anlässlich
der 100jährigen Jubelfeier des Toleranzpatentes eine Huldigungs-
adresse überreicht.
Damals erwiderte der Kaiser:
,Mit Wohlgefallen nehme Ich die Versicherungen des Dankes
und der unverbrüchlichen Treue auf, welche Sie, als Vertreter der
evangelischen Kirche und namens aller evangelischen Glaubens-
genossen A. und H. B., aus Anlass der Säcularfeier des Toleranz-
patentes, zum Ausdrucke gebracht haben.
1) Sammlung der allgemeinen kirchlichen Verordnungen des k. k. evang. Ober-
kirchenrathes. 1878. Jahrgang V, Heft I, Nr. 29, pag. 43.
*) Sammlung der allgem. kirchl. Verordnungen des k. k. evang. Oberkirchen-
rathes A. und H. B. 1879. Jahrg. VI, Heft I, Nr. 68, pag. 119.
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Ich bin überzeugt, dass die evangelische Kirche, deren Wohl
Mir sehr am Herzen liegt, ihre Anhänglichkeit an Mich und
Mein Haus, wie bisher, auch jederzeit bewahren wird.
Empfangen Sie, geehrte Herren, für Ihre loyale Kundgebung
Meinen herzlichen Dank und entbieten Sie Ihren Glaubensgenossen
Meinen kaiserlichen Gruss*).*
Gleiche Gefühle der Freude und des Dankes erweckten bei allen
Evangelischen auch die Worte, mit welchen Se. Majestät die Depu-
tation vom Jahre 1886 beglückte. In Erwiderung auf die anlässlich
der 25jährigen Jubelfeier des Protestanten-Patentes überreichte Adresse
sprach der erhabene Schutz- und Schirmherr unserer evangelischen
Kirche :
,Mit Wohlgefallen nehme Ich den Ausdruck unerschütterlicher
Treue und Anhänglichkeit von Ihnen, als den legalen Vertretern der
evangelischen Kirche Augsburgischer und Helvetischer Confession,
entgegen.
Es gereicht Mir zur besonderen Befriedigung, bei diesem Anlasse
der stets loyalen, massvollen Haltung anerkennend zu gedenken,
durch welche sich die Angehörigen beider evangelischen Bekenntnisse
der ihnen gesetzlich gewährleisteten Rechtsgleichheit und Freiheit voll-
kommen würdig erwiesen haben.
Versichern Sie daher Ihre Glaubensgenossen Meiner fortdauernden
Huld und Fürsorge*).*
Aelmliche Kundgebungen , fortdauernder Huld und Fürsorge*
verzeichnen mit Dankbarkeit, nebst der k. k. evangelisch-theologischen
Facultät, auch die einzelnen Gemeinden, deren Vertreter die Ehre
hatten, vor Sr. Majestät zu erscheinen.
Anlässlich der Verlobung Sr. k. und k. Hoheit des Kronprinzen
Erzherzogs Rudolf wurde am 8. April 1880 eine Deputation der
Facultät behufs Entgegennahme der ehrfurchtsvollen Glückwünsche
huldvollst empfangen. Der Kaiser erkundigte sich angelegentlich über
die Verhältnisse der Facultät und nahm die Auskünfte über den
theologischen Studiengang, die Zahl der Hörer etc. mit sichtlidiem
Wohlgefallen entgegen.
^) Sammlung der allgem. kirchl. Verordnungen etc. 1881. Jahrgang VIII, Heft I,
Nr. 13, pag. 26.
*) Sammlung der allgem. kirchl. Verordnungen etc. 1886. Jahrgang XIII, Heft l
Nr. 2, pag. 2.
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Bei seiner Anwesenheit in Pola im Jahre 1875 empfing der
Kaiser auch das evangelische Presbyterium auf das Huldvollste und
versicherte dasselbe, dass Er das Wohl der Gemeinde stets am
Herzen tragen werde. Dieselbe Aufnahme und Versicherung wurde
dem dortigen Presbyterium noch ein zweites Mal im Jahre 1882
zu Theil.
Die evangelische Gemeinde von Görz hatte sich in den Jahren 1875
und 1882 der gleichen Auszeichnung zu erfi-euen. Die kurze Ansprache
des evangelischen Pfarrers geruhte Se. Majestät 1882 mit der erneuer-
ten Versicherung unabänderlicher kaiserlicher Huld für die Gemeinde,
wie für die ganze evangelische Kirche Oesterreichs, zu erwidern.
Teplitz i. B. hebt dankbar hervor, dass bei mehrfacher Anwesen-
heit Sr. Majestät daselbst und zuletzt im August des Jahres 1878
Pfarrer und Presbyter sich der wohlwollendsten Entgegennahme ihrer
Begrüssung und Segenswünsche erfreuen durften.
Am 11. Juni 1880 empfing Se. Majestät in Brunn die Deputation
der evangelischen Gemeinde, pries die Schönheit der Kirche, welche
er 1866 besichtigt hatte, erkundigte sich eingehend über die Ver-
hältnisse der Gemeinde, insbesondere um deren Schule, dankte für
den Antheil, welchen die Gemeinde an dem so überaus herzlichen
Empfang, der ihm zu Theil geworden, genommen hatte, und stellte
den Evangelischen Oesterreichs das Zeugniss aus, dass sie stets
treu und loyal zum Kaiserhause und zum österreichischen Vater-
lande gestanden.
Ende August 1880 empfing Se. Majestät zu Olmütz im erz-
bischöflichen Palais die Vertreter der evangelischen Gemeinde und
erkundigte sich eingehend über die Dienstverhältnisse des Pfarrers, dessen
frühere Anstellungen wie über die Lage der gesammten Pfarrgemeinde.
Anlässlich der A. h. Reise durch Schlesien, im Jahre 1880, wurde
den Vertretern von mehreren evangelischen Gemeinden die Gelegen-
heit geboten, die Leutseligkeit und das väterliche Wohlwollen Sr. Ma-
jestät zu bestätigen.
In Alexanderfeld erkundigte sich Se. Majestät nach dem Zu-
stande der Kirchengemeinde.
In Bielitz versicherte der Kaiser die evangelische Deputatton,
ydass es Ihn freue, die Vertreter einer Gemeinde vor sich zu sehen,
welche stets eine patriotische Gesinnung und aufrichtige Loyalität
bewiesen habe*.
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In Troppau erwiderte der Monarch auf die Ansprache des
Pfarrers :
,Ich danke Ihnen und freue Mich, die Herren bei Mir zu sehen.
Sie können sich Meines kaiserlichen Schutzes und steter Fürsorge
versichert halten, ebenso wie Ich von Ihrem Patriotismus und Ihrer
treuen Hingebung überzeugt bin.*
Se. Majestät unterhielt sich sodann mit jedem Einzelnen und ent-
liess schliesslich die Deputation mit den Worten: ,Ich bin sehr gern
nach Troppau gekommen. Ich habe Mich über den herzlichen
Empfang sehr gefreut. Ich danke Ihnen nochmals, meine Herren.*
Die Vertreter der evangelischen Gemeinde von Salzburg ver-
sicherte Se. Majestät am 3. August 1881, dass er beim Vorüber-
fahren mit Wohlgefallen gesehen, dass die Gemeinde eine schöne
Kirche besässe, die schon ganz vollendet sei, und mit Freuden ver-
nommen habe, dass die Gemeinde nicht mehr unter Schuldenlasten
seufze.
Am 7. August des gleichen Jahres wurden zu Bregenz Pfarrer
und Presbyter zum Empfange am A. h. Hoflager beschieden. Der
Monarch erkundigte sich angelegentlich über die Lage der Prote-
stanten in Vorarlberg, ihrer Kirchen und Schulanstalten und nahm in
der huldvollsten Weise die Bescheide des Presbyteriums entgegen.
Anlässlich der Vollendung und Eröffnung der Arlbergbahn erwuchs
am 20. September 1884 der Landeshauptstadt Bregenz abermals die
Freude, den Träger der Krone in ihren Mauern empfangen zu dürfen.
Auch diesmal wurden Pfarrer und Presbyter zu Sr. Majestät beschieden
und in leutseliger Weise über die Fortentwicklung der evangelischen
Gemeinde befragt.
Bei dem Pfarrer von Marburg, welcher am 10. Juli 1883 im fiirst-
bischöflichen Palais von Sr. Majestät empfangen wurde, erkundigte
sich Se. Majestät gleichfalls über die Angelegenheiten der evange-
lischen Gemeinde.
In Laibach, wo Se. Majestät am 11. Juli 1883, anlässlich der
Gedenkfeier der 600jährigen Vereinigung Krains mit Oesterreich, ver-
weilte, erwiderte der Kaiser die huldigende Ansprache des Pfarrers
und Führers der evangelischen Gemeinde-Deputation mit folgenden
Worten :
,Ich empfange mit Wohlgefallen die Huldigung der evangelischen
Gemeinde Laibach.
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, Mögen die Wünsche, die Sie für Mich und Mein Haus zum
Himmel senden, beim Allmächtigen Erhöning finden und auch Sie
und Ihre Gemeinde seines reichsten Segens theilhaftig werden.
,Mein väterliches Wohlwollen wird der loyalen evangelischen
Gemeinde Laibach immer gewahrt bleiben.*
In Innsbruck wurden Pfarrer und Curator 1884 in allgemeiner,
1885 in besonderer Audienz empfangen. Beidemale in huldvoller Weise.
In Pilsen versicherte Se. Majestät am 30. August 1885 die Huldi-
gungsdeputation der evangelischen Gemeinde in warmen Worten,
dass Ihm das Wohl der evangelischen Kirche in Oesterreich, von
deren Loyalität Er vollkommen überzeugt sei, sehr am Herzen liege,
erkundigte sich eingehend über die Verhältnisse der Gemeinde und
zeichnete jedes Mitglied besonders mit freundlichen Worten aus.
Mit derselben Leutseligkeit wurden auch, bei dem A. h. Besuche
von Galizien, die Vertreter der evangelischen Gemeinde von Radautz,
am 28. Juli dieses Jahres, von Sr. Majestät empfangen.
Und nicht blos die Corporationen, auch die einzelnen Würden-
träger der evangelischen Kirche erfuhren die gleiche Freundlichkeit,
Bei den A. h. Reisen durch die verschiedenen Kronländer wurden
regelmässig auch die evangelischen Pfarrer, wie z. B. in Bregenz,
Innsbruck, Laibach, Pilsen, Troppau, zur Hoftafel herangezogen und
mitunter sogar über persönliche Verhältnisse in der liebenswürdigsten
Weise befragt.
Charakteristisch ist folgende Episode:
Am 28. Juni 1875 fand auf dem Bahnhofperron zu Eger eine
Begegnung statt zwischen Sr. Majestät dem Kaiser Franz Josef I. und
weiland Sr. Majestät dem Kaiser Alexander II. von Russland. Bei
dieser festlichen Gelegenheit waren auch der Pfarrer und der Curator
der evangelischen Gemeinde zum Empfange Sr. Majestät- officiell mit
geladen. Vor der Ankunft des russischen Hofzuges nahm Se. Majestät
die Vorstellung entgegen. Wegen Kürze der Zeit waren Ansprachen
nicht gestattet. Se. Majestät aber geruhte den Pfarrer nach dem
Stande der Gemeinde, ihrer Confession, ihrer Seelenzahl und ihrer
sonstigen Verhältnisse zu fragen und sagte unter Anderem wörtlich:
^Sie grenzen mit Asch. Ich weiss, da wohnen die evangelischen
Glaubensgenossen A. B. dicht beisammen. Sie haben eine neue
Kirche?* ,Ja, Majestät,* erwiderte der Pfarrer, ,auch ein neues Pfarr-
haus, ein neues Schulhaus, und vor wenigen Tagen haben wir in
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Franzensbad den Grundstein einer neuen Kirche gelegt*. Hierauf be*
merkte Se. Majestät: ,Das geht ja recht vorwärts, das freut mich.*
Als sodann der russische Hofzug eingefahren war, beschied der Kaiser
mit den beiden Vertretern der katholischen Kirche auch den evan-
gelischen Pfarrer in seine Nähe, welche Auszeichnung nur noch dem
Statthalter von Böhmen und dem Vice-Präsidenten der Statthalterei
zu Theil geworden war. Se. Majestät stellte dann die Herren dem
Kaiser von Russland vor mit den Worten: ,Mein Statthalter von
Böhmen, Mein Vice-Statthalter und die hochwürdige Geistlichkeit, die
zu Meiner ßegrüssung erschienen ist.*
Mit Freuden, mit Dankbarkeit verzeichnen wir die verschiedenen
Aussprüche und Beweise kaiserlicher Huld. Sie beleuchten wohl
aufs Beste das väterliche Wohlwollen, das lebhafte Interesse
Sr. Majestät für die evangelische Sache und kennzeichnen den
Monarchen als treuen Schutz- und Schirmherrn der protestantischen
Kirche.
Dafür will auch der Kaiser anerkannt werden. Das bezeugen
schliesslich sowohl die Besuche, womit Se. Majestät evangelische
Kirchen und Schulanstalten ausgezeichnet, als die zahlreichen Unter-
stützungen, welche armen Witwen und Waisen von evangelischen
Pfarrern und Lehrern, wohlthätigen Vereinen und nothleidenden Ge-
meinden allergnädigst bewilligt worden sind.
III.
Den ersten Besuch einer evangelischen Kirche seitens Sr. Ma-
jestät verzeichnet Brunn. Es w^r am 18. October 1866. Die evan-
gelische Christuskirche — eine monumentale Zierde der Landeshaupt-
stadt Mährens — war damals im Innern noch nicht vollendet. Den-
noch geruhte Se. Majestät dieselbe zu besuchen und sich lobend zu
äussern über den ganzen Bau, dessen edle Einfachheit, insbesondere
aber über den mit Fresco-Malerei geschmückten Altar, sowie über die
freundliche Wirkung der bunten Glasfenster. — Wir haben schon
früher erwähnt, wie lebhaft der Kaiser sich noch im Jahre 1880
dieses Besuches erinnerte.
Der im Brünner Senioratssprengel gelegenen Gemeinde Datschitz-
Gross-Lhota wurde eine andere Auszeichnung zu Theil. Das Pres-
byterium hatte im Jahre 1877 Se. Majestät gebeten, die neuerbaute
Kirche, als einen Votivbau errichtet, zum Andenken an die Befreiung
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Sr. Majestät aus Mörderhand (1853) anzunehmen, und Se. Majestät
geruhte mit A. h. EntSchliessung vom 24. August ,den Ausdruck
der Anhänglichkeit der evangelischen Kirchengemeinde A. C. zu
Gross-Lhota mit Wohlgefallen zur Kenntniss zu nehmen und die
angesuchte Bewilligung allergnädigst zu ertheilen*.
Hoch beglückt wurden 1880 die evangelischen Gemeinden von
Lemberg, Teschen und Bielitz.
In Lemberg erfolgte die Besichtigung der Kirche — bei Ge-
legenheit des Besuches der gegenüberliegenden städtischen Elisabeth-
schule — ganz unerwartet, also wohl in Folge eines ausdrücklichen
Befehles Sr. Majestät.
In Teschen wurde Se. Majestät vor dem Altare des schön ge-
schmückten und dicht besetzten Gotteshauses von einem der dortigen
Pfarrer begrüsst, worauf der Kaiser, sichtlich bewegt, in huldvollster
Weise antwortete.
In Bielitz besichtigte Se. Majestät die evangelische Lehrerbildungs-
anstalt, nahm die Vorstellung des gesammten Lehrkörpers an und
erwiderte mit gnädigen Worten die Ansprache eines Lehramtszög-
lings. Auch geruhte Se. Majestät über die gerade im Umbau begriffene
Kirche, welche er von der Anstalt aus gesehen, verschiedene Fragen
zu stellen. Nachdem der Kaiser seinen Namen in das Gedenkbuch
der Anstalt eingezeichnet hatte, verabschiedete er sich in huldvollster
Weise. Zur Erinnerung an diesen Besuch Hess die Gemeinde im
Treppenhause eine Gedenktafel anbringen mit folgender Inschrift in
goldenen Lettern: ,Zur Erinnerung an den Besuch Sr. Majestät
des Kaisers Franz Josef I. am 20. October 1880/ Die Feder, mit
welcher Se. Majestät seinen Namen eingezeichnet hatte, wird im
Seminar- Archiv aufbewahrt.
In Bregenz besuchte der Kaiser am 8. August 1882 um 67« Uhr
Früh die evangelische Kirche, gefolgt von den Hofwürdenträgern und
mehreren k. k. höheren Staatsbeamten. Am Hauptportale wurde
Se. Majestät vom Pfarrer und vom Presbyterium empfangen und in
das Innere der Kirche geleitet. Der Kaiser betonte bei diesem Be-
suche den wohlthuenden Eindruck, den das schöne Gotteshaus hervor-
ruft, erkundigte sich des Näheren über dessen Entstehung und ver-
liess nach einem viertelstündigen Aufenthalte, sichtlich befriedigt, die
geweihten Räume, während die Orgel die Volkshymne spielte.
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Endlich geruhte Se. Majestät der Trauerfeier, welche für weiland
Se. Majestät den deutschen Kaiser Wilhelm I., am 16. März 1888, in
der evangelischen Kirche A. C. von Gumpendorf in Wien stattfand,
persönlich beizuwohnen und seine A. h. Befriedigung über die würdige
Feier auszudrücken.
Solche Auszeichnungen haben ihre grosse Bedeutung für die
Geschichte der evangelischen Kirche in Oesterreich. Sie tragen un-
endlich viel dazu bei, das Ansehen unserer Kirche zu heben und die
Vorurtheile der Menge zu bekämpfen.
Als der Kaiser das evangelische Gotteshaus betrat, um der
oben erwähnten Trauerfeier beizuwohnen, bemerkte eine schlichte
Frau aus dem Volke in naiver Weise: ,Ich hätte nicht geglaubt,
dass der Kaiser die Protestanten so achte.* Wie Viele unserer katho-
lischen Mitbürger mögen ähnliche Gedanken hegen! Des Kaisers
Huld trägt dazu bei, allerlei Vorurtheile zu beseitigen.
Doch damit ist die Reihe der A. h. Gnadenacte noch nicht er-
schöpft.
Arme Witwen und Waisen von evangelischen Pfarrern und Lehrern,
wohlthätige Vereine und Anstalten, bedrängte, mittellose Kirchen-
und Schulgemeinden hören nicht auf, die , fortdauernde Huld und Für-
sorge* Sr. Majestät zu rühmen.
Es widerstrebt uns, die persönlichen Hilfsleistungen zu ver-
zeichnen. Wir furchten die schuldige Pietät nach oben wie nach
unten zu verletzen.
Was jedoch die Jahresberichte den Vereinsmitgliedem mittheilen,
dürfen wir einem weiteren Leserkreise nicht vorenthalten. Sie werden
mit Freuden vernehmen, dass dem Kaiser auch unsere Humanitäts-
anstalten am Herzen liegen.
Den im Dienste der evangelischen Kirche stehenden erziehlichen
Anstalten von Goisern hat Se. Majestät von 1865 bis 1887 die Ge-
sammtsumme von 1395 fl. geschenkt.
Das , Pensions- und Unterstützungsinstitut für Pfarrer und Lehrer
der evangelischen Gemeinde A. C. zu Eger und ihre Witw^en und
Waisen* empfing 1871 ein Geschenk von 50 fl.
Die überwiegend von Evangelischen bewohnte Schulgemeinde
Alexanderfeld empfing 1879 für den Schulkreuzerverein 200 fl. und
1887 für die zum Besten armer Schulkinder errichtete Suppen-
anstalt 40 fl.
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Ausserdem gewährte Se. Majestät 1882 dem unter evangelischer
Leitung stehenden interconfessionellen Wohlthätigkeits verein ^Caritas*
zu Görz 100 fl.; 1883 dem evangelischen Frauenvereine zu Laibach
100 fl. ; 1886 der evangelischen Gemeinde Teschen zum Bau eines
evangelischen Spitales 300 fl. ; dem evangelischen Waisenversorgungs-
vereine von Wien für den Filialbegründungsfond 300 fl. und 1887
für die laufenden Bedürfnisse 100 fl. ; 1888 der evangelischen Waisen-
anstalt von Ustron zur Schuldentilgung 300 fl. und dem ^evange-
lischen Vereine für die Diaconissensache* in Wien — dessen Werk
Se. Majestät als ,ein sehr schönes* bezeichnete — zum Diaconissen-
hausbaue 500 fl.
Nicht minder wohlthätig erwies sich der Kaiser gegenüber den
evangelischen Gemeinden, welche unter Elementarschäden zu leiden
hatten.
Es wurden unterstützt:
1865 die Filialgemeinde Schumlau, anlässlich einer Feuers-
brunst, mit 500 fl.
1885 die Filialgemeinde Rottenhan, anlässlich eines Hagel-
schlages, mit 50 3^
1885 die Filialgemeinde Makowa, anlässlich eines Hagel-
schlages, mit 50 3>
1885 die Colonialgemeinde Landestreu, anlässlich einer Feuers-
brunst, mit 300 ^
1885 die Evangelischen von Steinfels (Pfarre Bandrow), an-
lässlich eines Hagelschlages, mit 200 ,
Grösser und bedeutungsvoller ist die Zahl der Unterstützungen
für evangelische Kirchen- und Schulgemeinden. Der Kaiser begnügt
sich nicht damit, evangelische Kirchen und Schulen zu besuchen. Er
hilft miterhalten, mitbauen.
Den beiden evangelischen Gemeinden A. und H, B. in Wien *)
schenkte Se. Majestät im Jahre 1859 den Baugrund — IV. Techniker-
») Dr. C. A. Witz: Das evangelische Wien. A. Hartleben. Wien 1887, pag. 23.
Jalius Ergenzinger: Die evangelische Kirchengemeinde A. C. zu Wien in ihrer
geschichtlichen Entwicklung von 1781 — 1881. Herausgegeben von Friedrich P r e i d e 1.
Sallmayer'sche Buchhandlung. Wien 1887, pag. 76, c f. Von demselben Verfasser:
„Bis zur Bürgerschule. Geschichte der vereinigten evangelischen Schulen in Wien von
1794—1870.«
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Strasse 15 — auf welchem die gemeinschaftliche evangelische
Schule steht.
Der Gemeinde Attersee gewährte die Gnade des Kaisers die
Sicherstellung ihrer Lebensfähigkeit. Se. Majestät geruhte nämlich,
laut A. h. EntSchliessung vom 3. Mai 1863, mit Rücksicht auf die im
Rieder Vertrage vom Jahre 1816, Art. X, von Seite der österreichi-
schen Regierung übernommene Verbindlichkeit, einen jährlichen Pfarr-
dotationszuschuss von 438 fl. aus dem Staatsschatze zu bewilligen.
Dieser Betrag wurde später auf das Staatspauschale — nach dessen
Erhöhung von 50.000 auf 75.000 fl. im Jahre 1877 — überwälzt.
Aber jene Bewilligung wird heute noch in der Gemeinde Attersee
als ein Zeugniss der Gnade Sr. Majestät dankbar erwähnt.
Einige Gemeinden verdanken ihre Kirchen einzig und allein der
Gnade des Kaisers, so nancientlich die evangelische Militärgemeinde
von Wien, die evangelischen Gemeinden von Prag und Semonitz.
Im Herbste 1860 wurde der erste evangelische Militärgeistliche
dir Wien und das damalige Wiener Generalat ernannt. Die Garnisons-
gemeinde brauchte ein gottesdienstliches Local. Der Geistliche erhielt
den Auftrag, sich in der Stiftskaserne ein solches herrichten zu lassen. Die
Räumlichkeiten aber entsprachen nicht. Damals noch ein Fremdling
in Wien, bat der Garnisonsprediger Herrn Superintendenten Dr. G.
Franz um Rath. Dieser machte ihn aufmerksam auf die einstmalige
Schwarzspanierkirche, seit 1781 k. k. Militär-Bettenmagazin. Rasch
entschlossen setzte der Militärseelsorger sofort ein diesbezügliches
Promemoria auf und überreichte es persönlich, im Originale dem da-
maligen Kriegsminister Grafen von Degenfeld -Schonburg, in Ab-
schrift dem seligen Prinzen Wasa. Im grauen Hause am Hofe war
man unschlüssig und es wurden weitere Nachforschungen in anderen
Kasernen angeordnet. Da, im Spätherbste, hiess es plötzlich : Se. Ma-
jestät hat in Gnaden entschieden, das Militär-Bettenmagazin sei ander-
wärts unterzubringen und die Kirche sofort auf Kosten des Staates
zu adaptiren. Diese A. h. Entschliessung rief in den evangelischen
Kreisen grosse Dankbarkeit, in allen Schichten der Bevölkerung wohl-
thuendeUeberraschung hervor. Selbst der damals schon pensionirte, einst
vielvermögende Feldzeugmeister von Kempen beglückwünschte den
Militärgeistiichen persönlich in seiner Wohnung zu diesem Geschenke
Sr. Majestät. Als der später zum Beirath im Reichs-Kriegsministerium
mit dem Titel eines Superintendenten ernannte Seelsorger Dr. J. M.
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Seberiny, im Jänner 1861, Sr. Majestät den Dank für diese Kirche in
besonderer Audienz aussprechen wollte, trat der Monarch demselben
— ohne den Dank abzuwarten — mit den Worten entgegen: ,Nun,
Sie werden eine schöne Kirche bekommen.*
In Prag befand sich eine ärarische, ausser Gebrauch stehende
Kirche, die Salvatorkirche. Diese Kirche hatten 1611 die Evange-
lischen A. C. aus eigenen Mitteln erbaut. 1622 wurde sie ihnen weg-
genommen. Nachdem sie fast ein Jahrhundert lang leer gestanden
hatte, erhielt sie 1725 der Paulaner-Orden zum Geschenke. Nach der
Aufhebung dieses Ordens, 1785, diente die Kirche zu verschiedenen
Zwecken. Vom Jahre 1848 an blieb sie unbenutzt. Diese Kirche
wurde endlich von Sr. Majestät der evangelischen Gemeinde A. C.
in Prag wieder zurückgegeben. Als nämlich am 19. September 1861
Superintendent Benesch mit einer Deputation bei Sr. Majestät erschien,
um für die Verleihung des Protestanten-Patentes zu danken, über-
reichte er dem Kaiser zugleich ein Gesuch um Ueberlassung der er-
wähnten Kirche, j^ Haben Sie auch die Mittel dazu, die Kirche zu
renoviren ?* frug der Kaiser. Ja — antwortete der Superintendent — zu
diesem Zwecke sind wir freudig bereit, jedes Opfer zu bringen.* ,Dann
— erwiderte der Kaiser — lasse Ich die Sache gründlich untersuchen,
und was möglich ist, werde Ich'thun.* — Mit A. h. Entschliessung
vom 2. Juli 1863 wurde die Kirche gegen den geringen Kaufschilling
von 15.000 fl. überlassen.
Als die Gemeinde Semonitz, kurz nach ihrer Gründung, zum
Baue der Kirche und Pfarre schreiten wollte, zeigte sich, dass der
Bauplatz, der dafür bestimmt war, im Festungsrayon von Josefstadt
lag und somit der Bau nur unter Demolirungsrevers durchgeführt
werden dürfte. Keine Behörde, nicht einmal das Kriegsministerium,
konnte diese Bestimmung aufheben. Die Gemeinde aber wollte unter
solchen Bedingungen ihre kirchlichen Gebäude nicht errichten, und ein
anderer Bauplatz war nicht zu kaufen.
Nachdem alle Versuche, das Hinderniss zu beseitigen, gescheitert
waren, entschloss sich der Pfarrer Karl von Nagy, bei Sr. Majestät
persönlich um die Enthebung von dem Demolirungsrevers zu bitten.
Derselbe wurde mit noch zwei anderen Gemeindegliedern, am 25. Fe-
bruar 1869, zur erbetenen Audienz zugelassen. Se. Majestät geruhte
sich sehr eingehend über die Sachlage in längerem Gespräche zu
erkundigen, und als der Pfarrer am Schlüsse, durch die huldvolle
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Herablassung und das bekundete Interesse Sr. Majestät ermuthigt.
um eine baldige günstige Erledigung zu bitten sich erkühnte, da man
den Bau in der schönen Jahreszeit beginnen möchte, wurde ihm die
leutselige Antwort zu Theil: j^Also Sie eilen mit dem Bau? Nun, so
gehen Sie in Gottes Namen nach Hause und sagen Sie der Gemeinde,
dass Ich die Angelegenheit so rasch als möglich untersuchen lassen
und nach Thunlichkeit Ihrer Bitte willfahren werde/
Und, in der That, bereits am 4. April 1869 erfloss von Ofen
aus die A. h. Entschliessung betreffs der Enthebung vom Demo-
lirungsrevers.
Andere Gemeinden empfingen zur Förderung von Kirchenbauten
werthvolle Geschenke.
Brunn erhielt, im Jahre 1865, für die zu Gunsten des Ausbaues
der evangelischen Christuskirche veranstaltete Effecten-Lotterie eine
grosse vergoldete Porzellanvase mit figuralem Gemälde und zwei
kleinere ähnliche Vasen mit Blumengemälden — deren Werth mit
2000 fl. angegeben war.
Gosau wurde ermächtigt, das zum Bau seiner, im Jahre 1869 ein-
geweihten, Kirche erforderliche weiche Holz unentgeltlich aus den
ärarischen Forsten zu nehmen.
Der Gemeinde Bielitz schenkte Se. Majestät 1881 zur Kirchenbau-
Lotterie ein werthvolles Kaffeeservice aus Silber.
Geldbeiträge verzeichnen folgende Gemeinden:
Teplitz 1860 für den Kirchenbau 200 fl.
, 1881 zum Thurmbau 300 ,
Bolechow 1868 zum Kirchenbau 200 ,
Ingrowitz 1868 zum Schulhausbau 500 ,
, 1884 zur Anschaffung von Kirchenglocken . . 100 ,
Dalina-Broczkow 1868 zum Bet- und Schulhausbau . . . 200 ,
Eger 1869 zum Kirchenbau 500 ,
Jacobeny 1869 zum Kirchen- und Thurmbau 800 ,
Prino 1869 zum Kirchenbau 300 ,
Pilsen 1872 zum Pfarrdotationsfond 1000 ,
Rottalowitz 1872 zum Kirchenbau 300 ,
Althammer 1873 zum Kirchenbau 300 ,
Mödling 1874 zum Kirchenbau 300 ,
Pola 1874 zum Bet- und Pfarrhausbau 500 ,
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239
Bandrow 1875 zum Kirchenbau
y 1885 zum Schulhausbau
, 1886 zur Anschaffung einer Orgel
Franzensbad 1875 zum Kirchenbau
Gmunden 1875 zur Tilgung von Kirchen bauschulden . . .
(Ihre Majestät die Kaiserin Elisabeth hatte im Jahre 1874
zu dem gleichen Zwecke 200 fl. gespendet.)
Podiebrad 1875 zum Bethausbau
Alexanderfeld (eine überwiegend evangelische Schulgemeinde)
1876 zum Schulbau
Iglau 1876 zum Kirchenbau
Vöcklabruck 1876 zum Kirchenbau
Steinau 1876 zum Kirchenbau
Marburg 1877. zum Pfarr- und Schulhausbau
Ober-Zuckau 1877 zum Schulhausbau
Lemberg 1878 zur Anschaffung von Glocken
Ranischau 1878 zum Pfarrhausbau
Stanislau 1878 zum Kirchenbau
Hohenbruck 1879 zum Kirchenbau
Neustadtl 1879 zum Kirchenbau
Moosberg 1880 zum Kirchenbau
Chwaletitz 1881 zum Kirchenbau . . . . "
Pozoritta-Louisenthal 1881 zum Kirchenbau
Salzburg 1881 zur Tilgung der Kirchenbauschuld . . . .
Czemilow 1882 zum Kirchenbau
Cilli 1884 zum Pfarr- und Schulhausbau
Jablunka 1884 zum Kirchenbau
Klobouck 1884 zum Kirchenbau
Neukematen 1884 zum Thurmbau
Troppau 1884 zum Pfarrhaus- und Kirchenbau . . . .
Dankowitz 1885 zur Anschaffung einer Orgel . . . . .
Eisentratten 1885 zu Bauzwecken
Meran 1885 zum Kirchenbau
Weichsel 1885 zum Kirchenbau
Radautz 1886 zum Kirchenbau
Weissbriach 1886 zur Anschaffung von Glocken . . . .
Gassendorf 1887 zum Kirchenbau
Satulmare 1887 zum Kirchenbau , . .
Jahrbuch des Protestantismus x888. H. IV. 17
300 fl.
100 ,
100 ,
500 ,
500 .
300
200
300
100
100
200
300
100
100
200
300
300
150
400
100
300
200
100
250
300
100
400
50
100
300
300
100
200
100
100
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240
Kuttenberg 1888 zur Tilgung der Bauschuld 200 fl.
Rottenhan 1888 zum Bethausbau 100 ,
Alle diese Gnadenacte legen beredtes Zeugniss ab von der »fort-
dauernden Huld und Fürsorge* Sr. Majestät für ^e evangelische
Kirche Oesterreichs. Die gesetzliche Gleichberechtigung hat unser
Monarch fiir seine Person erweitert bis zur freudigen Gleichbegün-
stigung. Was der Kaiser bekräftigt, hat die Geschichte bestätigt:
Das Wohl der evangelischen Kirche liegt Ihm am Herzen.
,Das Bedürfniss und den hohen Werth freier und zeitgemässer
Institutionen aus eigener Ueberzeugung erkennend, betreten Wir mit
Zuversicht die Bahn, welche uns zu einer heilbringendeil Umgestaltung
und Verjüngung der Monarchie fuhren soll.*
Von solchen hochherzigen Absichten beseelt, hat Se. Majestät
vor 40 Jahren den Thron der Väter bestiegen, und heute dürfen die
Evangelischen Oesterreichs mit inniger Dankbarkeit rühmen, da^^s
die Bahn, welche der Kaiser betreten, die evangelische Kirche that-
sächlich ,zu einer heilbringenden Umgestaltung und Verjüngung*
geführt hat.
Ein in Goisern (Salzkammergut) zur Unterdrückung der Evan-
gelischen angesiedelter schlauer Jesuit schreibt 1713 in einem geheimen
Bericht an seine Oberen in Traunkirchen : j^Das Hauptargument
gegenüber den Ketzern müsse immer sein, dass vom Landesfiirsten
Keiner in seinem Lande geduldet wird, welcher nicht katholisch ist.
Wenn man sie nur dahin bringt, dass sie dieses festiglich glauben,
so ist der Handel unfehlbar gewonnen* *).
Wer möchte es heute noch wagen, solche ^^ Hauptargumente*
den , Ketzern* gegenüber in's Treffen zu fuhren?
Wenn aber die Evangelischen von damals, allen Bedrückungen
zum Trotz, für so patriotisch galten, dass man ihnen zutrauen konnte,
sie würden , dem Landesfiirsten zulieb , ihren Glauben abschwören
— wie viel mehr verpflichten uns derzeit die mannigfaltigen Beweise
A. h. Huld und Fürsorge zur aufrichtigsten Dankbarkeit, zur treuen,
unerschütterlichen Hingebung an Kaiser und Reich.
*) Dr. G. Trautenberge r: Kurzgefasste Geschichte der evangelischen Kirchr
in Oesterreich etc., pag. 56.
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241
Zumal wir in diesem Wohlwollen eine Bürgschaft erblicken
dafür, dass der Kaiser die evangelische Kirche würdigt und werth-
schätzt als ein Glied der Gemeinschaft der Heiligen, jener ,aus der
Welt berufenen und gesammelten Gemeinde der Gläubigen, welche
den wahren Gott in Christo dem Heiland durch das Wort und den
heiligen Geist wahrhaft erkennen, recht verehren und an allen
Gütern, welche in Christo umsonst dargeboten werden, im Glauben
theilnehmen* *).
Die Evangelischen Oesterreichs stimmen daher freudig und be-
geistert mit ein in den Ruf, welcher, anlässlich des A. h. vierzig-
jährigen Regierungsjubiläums, aus allen Gauen des weitverzweigten,
buntgemischten Reiches, wie ein Gebet gen Himmel emporsteigt:
Gott erhalte, Gott beschütze, Gott segne Se. Majestät
den Kaiser Franz Josef I.
>) Die zweite helvetische Confession, übersetzt von Dr. C. A. Witz. J. Heyn,
Klagenfurt 1881, Cap. XVII, pag. 87.
17»
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XV.
Bücherschau.
Allgemeine kirchliche Chronik, begründet von Carl Matthes,
fortgesetzt von D, Friedrich H.Brandes zu Göttingen. 34. Jahr-
gang 1887. Dresden. A. Dieckmann. 1888. V und 283 S. 4 Mk.
Ein guter, alter Bekannter stellt sich um ein Jahr älter vor. Das tüchtige, wich-
tige Buch will künftig seinen Werth noch erhöhen durch Hinzufiigung eines Berichtes
über die Entwicklung der theologischen Wissenschaften in dem betreffenden Jahre, an
Stelle des bisher gebotenen Bücherverzeichnisses, das schon diesmal fehlt.
An diesem Orte ist nur die Chronik von Oesterreich in den Blick zu fassen
(S. 182 — 189. 266 f.). Die Bemerkungen über die Schulverhältnisse (S. 184) sind etwas
leicht geschürzt ; die Schwierigkeit des Problems ist Überhaupt solcher Kürze feindlich.
Die Auslassung Über die evangelische Kirche in Mähren (S. 186) ist schon vom
gOesterreichischen Protestant" (13. Jahrg., Nr. 8, S. 123) beanstandet worden. Es sei nicht
gesagt, ob beide Kirchen A. und H. C. gemeint seien; unverständlich sei der Aas-
druck : „die Communicanten draussen" ; ein ausserordentlicher Irrthum, dass jeder der
50;ooo Communicanten in der Heimat 18 Mk. für die äussere Mission beisteuere, was
die Summe von 900.000 Mk. ergeben würde. Nach der ofHciellen Statistik für 1886
zählten die Evangelischen A. C. in Mähreu 22.064 Communicanten bei einer Seelen*
zahl von 22.871; diejenigen H. C. 66.565 Communicanten bei einer Seelenzahl von
40.764. Was die Beiträge dieser meist armen Gemeinden für die äussere Mission
angehe, so dürften sie schwerlich den tausendsten Theil jener Summe ausmachen.
Die Darstellung (S. 267) über die Vorgänge bei der Berufung des Unterzeich-
neten ist nicht unmissverständlich ; doch die genaue Erörterung weder interessant för
grössere Kreise, noch statthaft bei dem internen Charakter derselben. Nur soviel,
dass Dr. Buddensieg zugesagt hatte und erst, als die letzte Entscheidung sich ver>
zögerte, einem anderen inzwischen an ihn ergangenen Ruf in der Heimat den Vorzug gab.
Schliesslich noch einige Nörgeleien: statt ,,Massen" (S. 183) zu lesen „lufaassen";
statt »Dr. Z.*^ (S. 185) „Dr. theol. v. Z.« ; statt „Gautsch« (S. 190) ,v. G.« ; statt
„systematisiren (S. 267) „systemisiren« ; statt „Ott" (ebd.) „Otto«. /(?. Loescke^
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XVI.
Namenregister.
Abdias Johann 164.
Abitius Johann 152.
Adelbrecht Peter 128.
Aeneas Johann 168.
Agricola Georg 25. — Vic-
torin 161. 163.
Albin Jakob 173. — Johann
169. 172. 173.
Albus Zacharias 153.
Alfreus Josef 147.
Anderl 67.
Andrea Jakob 165. — Mat-
thäus 149.
Angelus, s. Teufel.
Antropas Jakob 148.
Antropios Felix 151.
Appel Johann 145.
Aquila Johann 149. — Mat-
thias 154.
Aquilinus (Worlicky) Paul 152.
— Veit 172.
Aram Wenzel 146.
Arndt Henning 94.
Arwitz Christoph 155.
Aurogallus 8.
Babirath 131.
Bakowsky Georg 171.
Ballafi Paul 106.
Balon Marina 140.
Balsam Tobias 147.
Barbatus Philipp 159.
Bartelmus Gottlob 115.
Bärtl 127.
Basti Georg 151. 154.
Baude (Buder) Michael u.
Rudolf 85.
Beeß Carl, Frhr. v. 51.
Bene Samuel 146.
Beraunsky Rud. 83.
Berger Eva 127.
Bernthaler 128.
Bialek Johann 139.
Bistfitzer Andr. 155.
Bittner Andr. 136.
Blahoslaw Johann 151.
Blank Wenzel 147.
Blasius 171.
Bludowsky Ernst v. 44. 47.
Blumy Georg 161.
Boczek Adam 109.
Bochdanowsky Johann 147.
Boden I. D. S. v. 50. 51.
Boksbart Matthias 167.
Boleslawsky Georg Prokop
161. — Johann Aeneas 170.
Bonomo 54.
Bonka Anna 112.
Boreas Adam 146.
Borott J. B. 96.
Borowsky Georg 147. 148.
Bosretzky Dom. 137.
Bram Elias 147.
Brendel Johann 91.
Brodsky Matthias 145.
Brudny 139,
Brugger Agnes 122. 124.
Bubaöek 150.
Bugenhagen 8.
Bujok Michael 139. — Thomas
105.
Burek Kaspar 149.
Burger 121. 123.
Burgstaller 121. 128.
Bunan 146.
Bursche Daniel 99.
Calamini Peter 159.
Calcnarius Val. 161.
Calinitts 147.
Calisch, Frhr. v. 142.
Camerarius Joach. 22.
Candrodt Martin 174.
Capito Johann 170. — Paul
161.
Cäxola Isaias 157.
Castilegio A. P. 55.
Cech Veit 148.
Celius Michael 56.
Öermak Georg 152.
Ccrroni Melch. 55. — Johann
Peter 145.
Öerwenka (Erythräus) Matthias
164.
Chmelowsky Mich. 150.
Chmiel Marina iii.
Choy Jakob 161.
Chudy 86.
Chyträus Markus 172. — Martin
163. — Matthias 161.
Colidius Jakob 163.
Conrad Barthol. 167.
Corvinus Ladisl. u. Matthias
163. 168. 171. — Peter 174.
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244
Cranach Lukas 15.
Crenovius (Krenowsky) Elias
164.
Crudger Albert 155. — Ka-
spar 9.
Crappius Paul 94.
Cundius, s. Kunad.
Czazidlo Adam iio.
Czebesto Carl, Frhr. v. 45.
48. — Rudolf 52.
Ciyi Anna 65. — Eva 139.
— Marina 112.
Dadan Martin 157.
Dalenzin Johann 147.
Dalnig Magdal. 128. — Mat-
thias 126.
Degen Konrad 85.
Dikastus Georg 165.
Ditzius Elisabeth 114.
Doblhof, Frhr. v. 78. 79.
Dobromjr Nikol. 153. 154.
Dolzner Christian u. Lorenz
u. Maria 123.
Dörffel Christoph 98.
Drabitius Nikol. 150.
Dresser Lorenz 89.
Dfewnius Gallus 165.
Dröschel Christian 93.
Dubenius Andreas 165.
Dubinus Paul 149. 153.
Dukat Laurenz 147.
Dürbart 146.
Dürer Albrecht 6.
Eber Paul 3. 8. 9. 25.
Eberding Andreas 174.
Eberhard Kaspar 89. — Mat-
thias 155.
Eck 7.
Eder Georg 121. 123. 126.
Egger Christian 73.
Eggerle 67.
Elam Wenzel 157.
Entzendorfer Franz 138. —
Georg 50,
Erastus Georg 151. 164. —
Wenzel 157. I
Ethinger (Ethner) Jos. 99.
Fabricius Johann 163. — Jonas
157. 165. — Kaspar 169. —
Wenzel 171.
Facilides Victorin 10 1.
Felecius, s. Jelec.
Felinus Adam 146.
Feichter Christina 124.
Ferber Ph. Jak. 152.
Feyerbrand Joh. 168.
Fickler Johann 168. — J. G.
lOI.
Fidinus Johann 155.
Figna Johann 138.
Filatzek Johann iii.
Fischer Georg 73. — S. Pis-
cator.
Flachs (Flakius) Christoph
100.
Flacius Andreas 166.
Flath Maria 128. — Michael
128. — Sebastian 126.
Flederwisch Johann 166.
Folwarczni Joh. 132.
Freudenreich Matthias 166.
Fritscher Christoph 145.
Fritz Kunigunde 124. — Maria
125.
Fyrk Anna 132.
Galler Johann 128.
Galli Wenzel 85.
Gallina Jakob 149.
Gallus 148. 161. 172.
Gangl Susanna 123.
Gastinger Lorenz 126.
Gaß Georg 107.
Gebhard Matthäus 166.
Gemnicky Sebastian 156.
Germin Johann 90.
Gerstenberg Christoph 146.
Geyer Sylvester 137.
Gigas Johann 3.
Gimpl Elisabeth 124.
Giulio 55.
Glaitzar Anna 105.
Glatz 121. — Balthasar 122.
Glati Gregor u. Jakob 123. —
Lorenz 122. 123. 124. —
Lukas 123. — Matthias u.
Sebastian 128. — Ulrich 124.
— Veit 128.
Gomol Eva 115.
Göschel Adrian 165.
Gottschalkowsky, Frhr. ▼. 45.
48. 49-
Graff Matth. 123.
Gräcelius Wolfg, 161.
Granig Jakob 127.
Graß Bartholomäus 54.
Grässel Daniel 156.
Gregory Tobias 173.
Gruber Michael 156.
Grumbach Argula v. 7.
Grund (n)er Christian 66. 71.
72. 81. — Jakob 127.
Grunwald Blasius 128. — Geoi^
94.
Hallamisch Georg 114.
Hastenberger Thom. 126.
Hedericus (Heidenreich) Jo-
hann 155.
Heister, Graf 78.
Held Abel 87.
Hembert Paul 145.
Hennigk David 88.
Heraus Johann 146.
Herbert Peter 151.
Herman Nikolaus 23.
Herold(t) Christoph 91.
Heß Eobanus 20.
Hetzko Jakob 106.
Heumann Adam n. Bartholo-
mäus 153.
Hlina Hermann 99.
Hodowinsky 150.
Hoffer Jakob 128. — Ursula
127.
Hölbling 127. 128.
Holexa Matthias 109.
Hoi'epnicky Johann u. Kasp.
Alb. 156.
Hofiska Martin 169.
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245
Homicky 150.
Hradec Thom. v. 154.
Hradecky Johann 162. 164.
166. 169. — Georg 159. —
Laurenz 152. — P. A. 152
— Veit Aq. 172.
Hranicky Joh. Eph. 169.
Huber Nie. 123.
Hubmaier 7.
Hübner Balthasar 174.
Husita Johann 165.
Jaggl 121.
Janik Georg 110.
Janicke R. F. R. 92.
Javomicius Paul 157.
Jaworsky Barthol. 149. 156.
— Lukas 169.
Jclcc (Felecius) Johann 151.
Jemnicky Veit 171.
Jentzsch Johann loi. 102.
Jesen Paul 151.
Jonas Justus S.
Jothan Johann 149.
Jurowec Johann 171.
Juvalta Rud. Ferd. 54.
Kalchgruber Hans 121. 123.
Kaihammer v. 78.
Kania Georg 114.
Kapsander Matthäus 154.
Karwinsky v. 47.
Kaunzer Simon 123.
Kel(l)ner Johann 90.
Kindermann 84.
Kintzel Andreas 106. 107.
Kirchmeyer Paul 149.
Kirchner Joh. u. Joh. Theod.
100.
Kischa Adam 109. — Johann
HO. — Andreas 132. —
Susanna 133.
Kisielowsky Adam Wenzel v,
49-
Klesch Daniel 84.
Klinger Joh. Gottfr. 97.
Klusak Jakob 146.
Kluß Paul 139.
Kobalter Maria 128. — Mat*
thias 127. — Ruep 122.
Köchl Georg 128
Köffeler Jakob 122.
Kogter Elias 149.
Kolberg Johann 94.
Kopecky Wenzel 151.
Korinsky Johann 162.
Komiassowey 138.
Köstinger Adam 73.
Kotmayr Adam 98.
Kotschy Gottfr. 51.
Kötterer 128.
Kottula Johann 133.
Kowaöowsky Wenzel 171.
Kozogedsky Jakob 154.
Krafft Adam 6.
Krameter Ulrich 128.
Krammer Klement u. Georg
"3.
Kranner Christian 126.
Krauswitz Joh. 148.
Kräuter Maria 124.
Krautundfleisch Mich. 172.
Kfenowsky Elias 164.
Kretschmer 113. 138.
Kronowsky Paul 164.
Krug Susanna 124.
Krumm Markus 165.
Krzemina Susanna 133.
Krjidlowsky Friedrich v. 51.
Kubitza Georg 136.
Kübel Jobann 90.
Kuöera Matth. 148.
Kugler N. 151.
Kulmer v. 78.
Kunad (Cundius) Johann 88.
Kunwaldsky Jakob 145. —
Matthias 158.
Kur^ok Anna 106.
Laboisnig 127.
Lagus Gregor 167.
Laitner Paul 130.
Lakner Rosina 128.
Lanecius Johann 124.
Lange Georg 95.
Langius Daniel 130.
Lantz Andreas iti.
Lassota Georg 109.
Laßner Christian 123.
Launsky Andreas 148.
Laurenz Johann 170.
Lederer Joh. Christian 130.
Leeb Maria 128.
Lehmann Laurenz 155.
Lemonica Phil. 145.
Leyser Polykarp 86.
Lichtblau Martin 158.
Liberda Matthes iii. 137.
Liebezeit Martin 172.
Lieschnig Simon 126.
Lipnicky Martin 173.
Löbackh Matthias 73.
Löchner Christina 127.
Lodron, Graf 78.
Longolitts Friedrich 10 1.
Lortius Barthol. 164. *
Lotze* Jakob 148. 161.
Lotter Wolfg. 150.
Luther 8. 26.
Maday Johann 137.
Major Johann 20.
Malisch Helene 112.
Mamitza Andreas 115.
Mankovicenus Johann 146.
Marbach Johann 3.
Marchard Matthäus 156. 168.
— Andreas 168.
Marcklowsky, Freiherr v. 47.
HO.
Marktl Leonhard 128.
Marosch Johann 109.
Marquard Martin 153.
Martinek Johann 109.
Mathesius Johann i ff . — Mat-
thias 170.
Maudry Bernhard 97.
Mautitts Johann 86.
Mayer Simon 123. — Elisabeth
124.
Melanthon 3.
Metzler Valentin 98.
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246
Meytsky Cornelius u. Johann
147.
Mictts Benedikt 168.
Mischko Matthias 157.
Mitterer 128.
Mixa Johann 139.
Moser Christian u. Gregor u.
Ursula 123.
Möstl I2t. 126.
Mülhacher Christian 127.
Mülich 9.
Müller Daniel 93. — Veit 123.
Muthmann 143.
Müchnik Andreas 115.
Mylius David 160
Nager 121.
Narciß Johann 151.
Neidhardt Matth. 67. 68. 121.
122. 126.
N&nöansky Johann 151.
Nierfetzky Paul 139.
Niedola Georg lii. 143.
Niemczyk Adam 133.
Niemietz Georg 135.
Nieschier Matthias 124.
Nikolaides Thomas 146.
Nischbauer Lukas 168.
Nitzko Simon -146.
Nolens Georg 145.
Nostitz Ludwig 47.
Nuß 121. — Peter 122. —
Vincenz 68. 122.
Nydbruk Kaspar 3.
Oberdorfer Anna 128.
Obermühlbacher Ambros 122.
— Johann 123.
Oberrisser Josef 123.
Odontius (Zahn) Paul 92.
Ohrigs V. 78.
Olirius Wenzel 149. 155.
Orel Matthias 168. 170.
Osiander Lukas 37.
Ostermann Paul 161.
Ostirius Wenzel 170.
Ovalides Simon 155.
Pac(a)eus, s. Fried.
Pacher Matth. 128. — Ursula
"3.
Pallio Jakob 145.
Pandulsky Jakob 155.
Papst Anna 128. — Johann
127.
Pardubsky Andreas Sophro-
nius 155.
Patzer Lukas 73.
Pauspärtel Augustin u. Paul
156.
Payr 121. — Anna 123. —
Anastasia 122.
Pelargus Johann 149. — Ka-
spar 168.
Pestaluzzi Ludwig 78.
Petugger 68.
Peucer Kaspar 3.
Philadelphus Martin 116 fif.
Philaret 154. 169.
Pibernig 128.
Pichler Christian 122. — Jakob
124. — Lukas 73.
Pierius Stephan 154.
Pikele Martin 66.
Pilarik Stephan 86.
Pilgram Kaspar 123. — Maria
125.
Pilz Hanns 147.
Pindur Anna 133. — Johann
133.
Pirkheimer Wilib. 6.
Piscator (Fischer) Matthias 154.
Pisecky Wenzel 146. 147. i6i.
Pistorius Joachim 160. 165.
Pit(z)schmann Georg 84.
Plateanus Peter 9.
Platzer Magdalena 123.
Plorantius Matthäus(Plorentius
Matthias) 154. 158. — Chri-
stoph 146.
Pluech Ursula 124.
Polenus Benedikt 146.
Polnicky Johann 147. 150.
162. Jakob Archesius
154.
Poiok 136.
Pofica Johann 147.
Posnik Christian 131.
Prättter 121. — Elisabeth 124.
— Jakob u. Ruep 123.
Pfeniöka Matth. 148.
Pressins Paul 149.
Primus Anna 112. — Bern-
hard III. 13a.
Priss Maria 124.
Puchreiter Christian 73.
Puöowsky Matthias 155.
Putz Ignaz 68.
Radek Paul 151.
Radotzky v. 47.
Rainer Urban 73. — Mana
128.
Ranner (Raner) 121. —Chri
stian u. Elisabeth 123. —
Urban 73.
Raphanides Joh. 163.
Raschke Christian 13 1. — Paul
114.
Rasowsky Paul 151.
Rauscher Joachim loi.
Rauter Johann 66. 68. 73
— Josef 123. — Katharina
«3-
Rehbach, Frhr. v. 78.
Reiche Benj. u. Josua 90.
Reichel Hieron. 171.
Reindler Johann 158.
Reus Christoph 154.
Richter Christoph u. Ephraim
95. — Johann 159.
Rivius David 89.
Rohrer Jakob 67.
Romm Maria 123.
Rudiny (Rudinsky) 147.
Rudzky Paul 137.
Rühr Franz 85.
Rusky Laurenz 150.
Sabinsky Martin 143.
Saingenois Georg, Frhr. v
50. 51.
Saliterer 121.
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247
Salter Paul 146.
Salzer Matthäus 155.
Santer Matthias t22.
Sartorius Georg 163. 164. —
Simon 162.
Sassadium 143.
Sätüer Jakob 93.
Schäffer Friedrich 166.
Scharff Georg 102.
Schauderma 137.
Schedler 93.
Scherer (Sarcerius) Erasmus
Scherschnik Leop. 39.
Schild Georg 173.
Schindler Andreas 160.
Schintler Adam 129. — Georg
126. 127.
Schlauer Johann 109.
Schlegel 55.
Schlick, Graf Hieronymus 14.
— Joachim 10. — Stephan
II. 15.
Schneeweiß Simon 155.
Schnitzer Barthol. 123.
Schönfeld(er) Joachim 84. 91.
Schönwald Simon 155. 156.
Schramm Nikolaus 97.
Schreiber Adam 123.
Schubert Hieron. 95.
Schulweiß 148.
Schulze (Scultetus) Matthäus
85. — Jonas 99.
Schumberger Paul 164.
Schury Johann 128. • — Su-
sanna 127.
Schuster Brigitta 123.
Schwicker Balthasar 166.
Sculteti Johann und Peter
153
Seehofer 7.
Seelkopf Ludwig 115.
Seger Johann 174.
Semball 136.
Sembersky Martin 145.
Sidlarius Jakob 151.
Siebenhaar 68. 73.
Sigmund Christoph 130.
Sikora Anna 107.
Sitinsky Johann 148. — Sa-
muel 149.
Skleni6ka Martin 154.
Skobensky, Frhr. v. 45. 51.
52. — Freiin v. 132.
§koda Martin 164.
§kop Jakob 158.
Skopeo Georg 155
Slama Martin 151.
Slowik Georg 114.
Smolon Georg 107.
Sobeck Rudolf, Frhr. v. 40.
Sofron Daniel 147.
Solinus Zacharias 157.
Sonnleitner Andreas u. Kaspar
122. — Philipp 127.
Spaltholz Elias 157. 167. 171.
Spens, s. Boden.
Speratus Paul 155. 169.
Stampfer Georg 123. — Mi-
chael 127.
Stanicky Veit 167.
Staniek Anna 107.
Staudacher Matthias 123.
Stebel Michael 140.
Steffek Anna 105.
Stegmann Tobias 148.
Steinmetz 143.
Steinacher 121.
Stephan Andreas 151. 164.
— Martin 97.
Steude 14. 16.
Stiber Jakob 100.
Stieger Niklas 73.
Stinsky Georg 146.
Stolzhagen Kaspar 156.
Stonavsky Matthes 109.
Stoss Veit 6.
Strahonicky Johann 146.
Stralitzer Max 145.
Strauchmann Jakob 156.
I Strainicky Daniel 147.
I Streicher Laurenz 165.
Streyc Daniel 161. — Georg
166. 167. 171. —Matthäus
168. — Paul 167.
Strobel Kolomann 174.
Stumpf Johann 174.
Sutorins Matthias 157.
Sykora Paul 106.
Sylvesti Samuel 157.
Taborsky Johann 146.
Teufel (Angelus) Joh. 153.
Thoman 127.
Thull Niklas 123.
Thusl II.
Tichy Andreas 1 13. — Michael
III.
Tiemal Marina 106. 107.
Ti(e)ntiala Johann 109. ili.
Tieplik Anna 114.
Tikalides Georg 129.
Tilli Michael 126.
Tismic Johann v. 150. 154.
169.
Tluck Gottlieb v. 48. 50.
Towarowsky 148.
Traninger Jakob 131.
Trautmann Sam. 142.
Tribauer Esaias 155.
Trüber Primus 54.
Trunkat Martin 148.
Tschrinter Christian 123. —
Georg 126.
Tubisius 9.
Turon Georg 109. III.
Twardzik Johann 115.
Tykalides Johann 156.
Urbanides Paul 174-
Vach 9.
Vicius Georg 150.
Vischer Paul 6.
Volmar 9.
Wagensperg, Graf 78.
Walach Eva 139.
Wartsky Georg 146. 147-
Wegscheider Matthias 123.
Weinberger Gregor 128.
Weixner 8.
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248
Wclid Georg 158.
Werl Jakob r6i.
Wesely Felix 174.
Widmann Peter 8.
Wiesn^er 128.
Wiggeser Veit 73.
Windhofer Adam 149.
Wislicenus Georg 96.
Wistuba Thomas iio.
Witkowsky Georg 170.
Wladniczni Johann 133.
Wohlgemuth Mich. 6.
Woititius Wenzel 147.
Wolinus Jakob 165.
Worlicky, s. Aquilinus.
Wowreczka Paul 106.
Wrablitius 147.
Wrautetius Wenzel 164.
Wrbowsky Nikolaus 149.
Wrubel Johann 106.
Wucherer Gabriel 130.
Zablowsky Zacharias 171.
Zabresky Zacharias 156.
Zachora Johann 164.
Zagitz Johann 107.
Zahn, s. Odontius.
Zahradka Johann 165.
Zahre Matthias 126. — Peter
123.
Zaminer Thomas 68. 73.
Zamrsky Martin Philadelphns
163.
Zaworka Tobias 147. 150. 162.
Zdiarsky Simon 148. 150.
Zedlitz Kaspar 100
Zednidek Johann 147.
Zeidel Jakob 145.
Zemetsky J. L. v. 104.
Zenker Georg 163.
Zienteck Jakob 109.
Zima Heinrich 138.
Zuz&wsky 150.
ZwingU S3'
Druck von Wilhelm Köhler, Wien, VI. Mollardgaue 4t.
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INHALT.
Seite
I. Johann Mathesius. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte des nordwest-
lichen Böhmens. Von Professor Dr. Lo^sche in Wien , . i
II. „Extract derer in Materia Religionis ergangenen sowohl Kaiser- und
Königlichen — als Königlich Ober-Amtlichen — dann Königlichen Amts-
— wie auch Königlichen Repraesentations- und Cammer - Rescripten ab
Anno 1692.'' Mitgetheilt von Professor Richard Pritsche 39
III. Bücherschau:
A. Venetianer: Die ^vang.-reform. Kirche Cristo Salvatore zu Triest.
Triest 1887. (G. Frank) 54
P. Schlegel's Chronik von Bensen. Bensen 1887. fG, Loische) ... 55
IV. Bibliographie 57
V. Dritte Generalversammlung der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in Oesterreich 59
VI. ^Lutheranisirung der Gemeinde Gnesau". Mitgetheilt von Pfarrer /;iV</riV//
Koch 65
VII. Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und aus Sachsen. Von
Pfarrer Scheuffler in Lawalde (Sachsen). IV. (Fortsetzung) 83
VIII. „Extract derer in Materia Religionis* ergangenen sowohl Kaiser- und
Königlichen — als Königlich Ober- Amtlichen — dann Königlichen Amts-
— wie auch Königlichen Repraesentations- und Cammer - Rescripten ab
• Anno 1692." Mitgetheilt von Professor Richard Pritsche. II. (Fortsetzung) 103
IX. Noch einmal Martin Philadelphus Zamrscenus. Mitgetheilt von Prof. Dr.
Anton Rezek I16
X. Bericht des Central- Vorstandes über das Vereinsjahr 1887 119
XI. „Lutheranisirung der Gemeinde Gnesau." Mitgetheilt von Pfarrer Friedrich
Koch. (Schluss)
XII. „Extract derer in Materia Religionis ergangenen sowohl Kaiser-
Königlichen — als Königlich Ober-Amtlichen — dann Köiil^; ui; •
— wie auch Königlichen Repraesentations- und dmÄicr • R'» .iiU'.
Anno 1692.* Mitgetheilt von Professor Pi'hn I V\ -1 «^
XIII. Die mährischen evangel. Kirchengemel •• r- >.. ,.r .:: w* _.
Reformationszeit. Mitgetheilt von Geor^ Iju: '\ . I45
XIV. Kaiser Franz Josef I. und die Evangelisc' • '..r,;.-. \\ n D. C. A. Witz 175
XV. Bücherschau: Allgemeine kirchliche Chrc.i ;k, Jahrg. 34 LoescheJ . . . 242
XVI. Namenregister 243
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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote-
stantismus in O esterreich", welches unter der Redaction des Präsidenten
(Dr. Karl RitUr von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. ^//A. IVüz und Dr. TTi^odor
//aase) und des Secretars der Gesellschaft (Lic. Dr. Gttstai' Trautenberger) in viertel-
jährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in
Mittheilung von Urkunden, in Besprecliungen und Notizen Alles, was sich auf die
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht.
Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit Freude begriisst und von
der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden.
Hier einige Worte aus Recensionen :
„Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb-
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf
man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheissungsvollen Anfang theilneh-
mend Glück wünschen und einen entsprechenden Forlgang unter Gottes Segen getrost
in Aussicht stellen."
„Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das
Jahrbuch seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und
ausser Oesterreich ferner durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen."
,Wie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeit und
Verschiedenheit des Inhalts den gehegten Erwartungen.**
Theologisches Litte ratiitblatt (Leipzig) iS8i. Nr. 20 u. jj. iSSj. Nr. JJ.
„. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nach rfcliteÄv über .,^.
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir '.
wünschen unsern österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang uni
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätij^
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historis<^
Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 fl. jährlich leisten, unterstütze nd e l^j^l
glieder solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als G r ün der einen einmati
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen." ~ v
Neue Evangelische Kirchenteitung (Berlin) 18S1. Nr. "jw,
"5
„. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten Doppel-
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum '^^•eil höchst
interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen den so glücklich
begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräft' en Fortgang.
Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins unter
den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen!"
(Prof. Dr. Lipsius) Theologische Liieraturteitung (Leipzig) 1S81. Nr. IJ.
Das Jahrbuch „für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem
Werth und Interesse, aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen" u. s. w.
Theologischer Utteratur- Bericht (Gütersloh) 1883. Nr. 8.
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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redncn
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Urtheil können wir. . . nur wi^^t^^r
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft ev:
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem voni;^
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Pi- :.
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, l\-.
sönliches und Allgemeines" u. s. w.
(Prof. Dr. Messner) Neu^ Evangelische Kirchenzeittmg (Berlin) j88s- AV. 40
„Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treti''i':l.t
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jede •
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoll ^m
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen'* u. s. w.
(Prof. Dr. Ilorawitz) Deutsche Zeitung (Wien) i88j. ATr. 410s
„. . . Wir verfehlen nicht, die Freunde reformations -historischer Forschung n ■
dieses wichtige historische Archiv hiermit aufmerksam zu machen."
(Prof. Dr. Zöckler) Evangelische Kirchen%eittmg (Greifsw.) t88s. Nr. 4S .
„. . . Es ist für uns Oesterreicher eine Ehrenpflicht, diese erste und einzige wi>>er.
schaftliche Gesellschaft unserer evangelischen Kirche aufs Kräftigste zu unterstütze-
und nach jeder Richtung hin zu fördern.'*
Evangelische Kirchen%eitung für Oesterreich (Bielitz) 1884. Nr. i.
„. . , Möge der Gehalt der einzelnen Arbeiten stets ein solcher bleiben" u. s. v
(Fr. Weili) Theologische Zeitschrift aus der Schweiz (Zürich) 1886. H. I. S. 61
„Mit Freude begrüssen wir diese weiteren Jahrgänge der verdienstvollen Zc/
^ ../ \ w.
* (Prof. S.-G.) Theologischer Utteraturbericht (Gütersloh) i88y, Nr. 4,
Zur Nachricht.
r^aicht der Graf und Herr von Giech auf Thumau bei Kulmbach ir-
i •«' in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichische»:
;K?ns Freiherrn zu Kägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Central vor
< o'istorischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von der
Ac 'irt's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künstlerische!-
. vfüedaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die Inschriftcr.
II Sey fromm für mir, || Gib Armen hier, || Ich bin dein Lohn."
V» ' * '»ondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf i. Mos. 12
. ^. deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band,
r mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm,
\ n dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild,
1' .1 sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron.'*
Dil jid hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertl^-.r
lassen, wt ' .V " v unserer Gesellschaft (Wien, 1. Dorotheergasse 16) a i H.
zu haben i
Druck von Wilhelm Köhler. Wien. 71. MolUrdffAM« 4L
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