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Full text of "Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Oesterreich"

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JAHRBUCH 


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GesellscM  fllr  die  Geschiclite  des  ProtestantisniDS 


in  Oosterreioh. 


Siebenter  Jahrgang. 


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Wien  und  Leipzig. 

Julius   Klinkhardt 
1886. 


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JAHRBUCH 


•''^Seilschaft  für  die  GescMcWe  des  Protestantisn 


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Siebenter  Jahrgang, 
l.  Heft. 


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JAHRBUCH 


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in  OcsüMivirh. 


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I. 

Or.  Martin  Luther 's  400jährige   Geburtstagsfeier 
in  Oesterreich 

am  10.  und  11.  November  1883. 

Von  Johann  DEDIC,  evang.  Pfarrer  in  Olmütz. 
I. 

Einleitnzig. 
Hatte  das  Jahr  1881  der  evangelischen  Kirche  beider  Bekenntnisse 
in    den    österreichischen    Erblanden    die    erste    Säcularfeier 
ihrer  Wiedererweckung  durch  des  unvergesslichen  Kaisers  Joseph  IL 
Toleranz-Patent  gebracht  und  die  Freude  bereitet,  dass  ihr  bei  diesem 
Anlasse  sowohl  vom  Throne  herab  die  Versicherung  der  Gewogen- 
heit und  Huld  des  kaiserlichen  Schirmherrn  zu  Theil  geworden,  als 
auch  von  den  Glaubensgenossen    des   Auslandes   reichliche  Beweise 
brüderlicher  Liebe  und  Theilnahme  entgegengebracht  worden  sind, 
so  ward  mit  dem  Jahre  1883  der  evangelischen  Gesammtkirche  aller 
Länder   und  Sprachen,    soweit  sie   als  Tochter  der  lutherischen 
Reformation  sich  betrachtet,  ein  neues  erhebendes  Fest  beschieden, 
das    im   Hinblick   auf  seinen   weiten    Schauplatz   ein   wahrhaft   öku- 
menisches,   hinsichtlich  seines  weihevollen   Verlaufs   ein   kirchliches 
Fanrülienfest  genannt  zu  werden  verdient,  —  der  400ste  Gedenktag 
der  Geburt  Dr.  Martin  Luther's,  des  thüringischen  Bergmanns- 
sohnes,  welcher  das  kostbare  Metall   des  reinen  Evangeliums  an's 
Licht  gefördert  aus  dem  Schachte  und  durch  sein  Riesenwerk,   die 
Reformation,  die  Bahn  frei  gemacht  hat  für  die  höchsten  Güter  der 
Menschheit.    Auch  die    wenig    zahlreiche,    über    ein    weites   Gebiet 
zerstreute,  im  Schmelztiegel  der  Verfolgungstrübsal  vielgeprüfte  und 
wohlbewährte  rechte  Tochter  der  deutschen  Reformation,  die  evan- 
gcHsch-lutherische  Kirche  Oesterreichs,  konnte  einen  solchen 
Jahrestag    nicht    vorübergehen    lassen,    ohne    mit    tiefempfundenem 
Danke  in  den  grossen  Kreis  der  Festfeiernden  einzutreten  und  den 
ro.  November  1883  in  allen  ihren  Kirchen- und  Schul-Gemeinden 

Jahrbuch  des  Protestantismus  x886.  H.  I.  \ 


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je  nach  Massgabe  der  vorhandenen  Mittel  und  Kräfte  zu  einem 
für  Alt  und  Jung  unvergesslichen  Jubelfeste  zu  gestalten.  An  der 
rechten  Feststimmung  sollte  es  da  nicht  fehlen.  Denn  das  Jahr  1883  ist 
auch  sonst  durch  die  Wiederkehr  wichtiger  geschichtlicher  Erinnerungs- 
tage innerhalb  und  ausserhalb  der  evangelischen  Kirche  hierzulande 
ein  wahres  Jubeljahr  geworden.  Nicht  weniger  als  vierzehn  evang. 
Gemeinden  (Wien  A.  C,  Weissbriach  -  Weissensee ,  Eisentratten, 
Fresach,  Zlan,  Trebesing,  Eferding,  Thening,  Neukematen,  Ramsau, 
Lipkowitz,  Opatowitz,  Teplitz)  haben  in  diesem  Jahre  die  erste 
Säcularfeier  ihres  kirchlichen  Bestandes  begangen.  Ausserdem  haben 
die  Wiener  evang.  Gemeinden  gemeinsam  mit  der  Reichshauptstadt 
im  September  das  Andenken  an  die  vor  200  Jahren  erfolgte  Be- 
freiung dieser  Stadt  von  der  Türkennoth  gefeiert.  Auch  soll  in  einer 
Chronik  des  Jubeljahres  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  in  demselben 
Jahre  unsere  höchsten  kirchlichen  Vertretungskörper,  die  evang. 
General-Synoden,  zum  vierten  Male  getagt  haben  und  unser  öster- 
reichischer Hauptverein  der  evang.  Gustav- Adolf-Stiftung  in  der 
freundlichen  Stadt  Asch,  deren  Lutherfeier  einen  Glanzpunkt  in 
der  Geschichte  des  österreichischen  Lutherfestes  bildet,  zu  seiner 
21.  Jahresversammlung  eine  überaus  herzliche  Aufnahme  gefunden  hat. 
Bevor  wir  daran  gehen,  von  den  Erwartungen,  Vorbereitungen 
und  dem  Verlaufe  der  Lutherfeier  nach  den  uns  zur  Verfügung 
gestellten  Detailberichten  ein  Bild  zu  entwerfen,  wollen  wir  gleich 
hier  bemerken,  dass  der  äusserliche  Charakter  der  in  unseren, 
zum  grössten  Theile  armen  Gemeinden  begangenen  Luther festfeier, 
im  Vergleiche  zu  den  grossartigen  Kundgebungen  der  Schwester- 
kirche des  deutschen  Reiches,  allerdings  nur  schlicht  und  bescheiden 
in  die  Erscheinung  treten  konnte,  dass  jedoch  dieser  Mangel  an 
äusserem  Gepränge  angesichts  der  allgemeinen  herzlichen  Begeisterung, 
womit  unsere  Gemeinden  die  Wiege  ihres  Luther  umstanden,  nicht 
im  Mindesten  störend  empfunden  wurde,  und  wir  darum  hoffen 
dürfen,  es  werde  auch  der  geistliche  Segen  jener  Tage  unter  uns 
der  Wirkung  nicht  nachstehen,  welche  das  Lutherfest  auf  dem 
classischen  Boden  der  Reformation  zurückgelassen  hat. 

I..  Vorbereitung  auf  die  Lutherfeier. 

Schon  Wochen,  ja  Monate  vor  dem  Anbruch  des   in   Aussicht 
stehenden  Gedenktages  war  in  den  einzelnen  Gemeinden  und  ihren 


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Functionären  eine  gewisse  Unruhe  bemerkbar,  wie  sie  die  Erwartung 
grosser  Ereignisse  mit  sich  zu  fuhren  pflegt.  Allgemein  herrschte 
das  Gefühl,  eine  so  seltene  und  für  die  evangelische  Kirche  so 
bedeutsame  geschichtliche  Erinnerung  dürfe  man  nicht  vorübergehen 
lassen,  ohne  dass  das  evangelische  Bewusstsein  in  angemessener 
und  auch  nach  Aussen  hin  unzweideutiger  Weise  zum  Ausdruck 
komme;  es  müsse  etwas  geschehen,  damit  auch  die  Andersgläubigen 
sehen,  dass  lutherischer  Geist  auch  hierzulande  fortlebe,  und  die 
Nachkommen  der  alten  heimischen  Martyrerkirche  so  treu  und  offen 
vor  aller  Welt  sich  zu  Luther's  Werke  bekennen,  wie  es  einst  unter 
schweren  Verhältnissen  ihre  Väter  gethan. 

Im  Hinblick  auf  diese  Stimmung  hat  unsere  oberste  Kirchen- 
behörde, der  k.  k.  evangelische  Oberkirchenrath,  ddo.  Wien, 
14.  September  1883,  Z.  1550,  an  alle  Gemeinden  seines  Amts- 
bereiches einen  Hirtenbrief  gerichtet,  in  welchem  er,  der  Bedeutung 
des  kommenden  400jährigen  Geburtstages  Dr.  Martin  Luthcr*$  ge- 
denkend, die  Ueberzeugung  ausspricht,  die  evangelische  Kirche 
Oesterreichs  werde  jenen  Tag  in  dem  Geiste  des  ,  alten  treuen 
vaterländischen  Pfarrherm  Johannes  Matthesius*  feiern,  j^der  seinen 
Bergleuten  in  Joachimsthal  Luther's,  seines  Lehrers  und  Freundes, 
Leben  in  seinen  Bergpredigten  treuherzig  imd  erbaulich  erzählt  und 
damit  das  Vorbild  einer  rechten  kirchlichen  Lutherfeier  gegeben 
hat*.  Zugleich  wurde  die  eigentliche  Festfeier  für  Kirche  und  Schul- 
jugend auf  den  11.  November  angeordnet.  —  Gleichzeitig  haben 
auch  die  einheimischen  Kirchenblätter  es  nicht  unterlassen,  ihren 
Leserkreis  auf  die  bevorstehende  Feier  vorzubereiten. 

Nun  entfaltete  sich  eine  rege  freudige  Geschäftigkeit  in  den 
weiten  Gauen  unseres  Vaterlandes.  Ueberall,  wo  nur  immer  ein 
evangelisches  Häuflein  ein  Heim  begründet,  wurde  geplant  und 
berathen,  gesorgt  und  gerüstet,  wie  die  seltene  Feier  am  würdigsten 
zu  gestalten  wäre.  Die  Presbyterien  und  Gemeindevertretungen  wett- 
eiferten mit  einander  in  Anträgen  und  Beschlüssen,  um  in  dem 
engen  Rahmen  der  vorhandenen  Mittel  dem  Ehrentage  auch  ein 
solennes  Aeussere  zu  geben.  Dass  das  Lutherfest  vor  Allem  durch 
eine  entsprechende  Gottesdienst feier  begangen  und  fiir  die  evan- 
gelische Schuljugend  zu  einem  unauslöschlichen  Erinnerungstage 
gestaltet  werden  müsse,  darüber  herrschte  von  vornherein  nur  Eine 
Meinung.  Nichtsdestoweniger  fühlte  die  dankbare  Pietät  sich  gedrungen, 


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das  Andenken  des  theueren  Gottesmannes  auch  durch  ein  nach  Aussen 
hin  festliches  Gepräge  auszuzeichnen  und  durch  ein  erweitertes  Fest- 
programm auch  den,  nicht  wenigen,  Gesinnungsgenossen  unter  den 
anderen  Confessionen  Gelegenheit  zu  bieten,  ihre  Verehrung  für 
Luther  zum  Ausdruck  zu  bringen  ^).  Leider  musste,  was  die  materielle 
Seite  der  Vorbereitungen  anlangt,  an  manchen  Orten  das  Können 
hinter  dem  Wollen  zurückbleiben.  Auch  fanden  es  in  manchen 
Gegenden  die  evangelischen  Gemeinden  mit  Rücksicht  auf  die 
katholische  Umgebung  gerathen,  alles  äussere  Gepränge  zu  ver- 
meiden, um  nicht  die  Feier  dem  naheliegenden  Verdachte  demon- 
strativer Provocation  auszusetzen.  So  z.  B.  in  Lipkowitz,  wo  seit 
dem  Toleranz-Patente  um  das  Augsburgische  Bekenntniss  heftige 
Kämpfe,  wie  nirgends  sonst  in  Böhmen,  gekämpft  worden  waren, 
und  heute  noch  das  Sprichwort  gilt:  „Zähe,  wie  der  lutherische 
Glaube  unter  dem  ßip*  (ein  Berg  in  Nordböhmen).  Die  dortigen 
Ev^gelischen  werden  vom  Volksmunde  bis  heute  nicht  anders  als 
, Augsburger*  bezeichnet.  ^)  ' 

Um  die  geistige  Empfänglichkeit  fiir  die  P^estfeier  zu  erhöhen 
und  das  Verständniss  für  die  weltgeschichtliche  Bedeutung  des 
grossen  Reformators  zu  fördern,  hatten  die  Pfarrer  und  Religions- 
lehrer schon  wochenlang  vorher  in  Predigten,  Unterrichtsstunden 
und  populären  Vorträgen  die  Evangelischen,  Alt  und  Jung,  sorg- 
fältig vorbereitet,  selbst  in  den  Kreisen  der  Andersgläubigen  hatten 
sie  gelegentlich  aufklärend  zu  wirken  gesucht.  So  hat  Pfr.  Ergen- 
zinger  in  Reichenberg  vom  i6.  September  bis  4.  October 
zusammenhängende  Predigten  unter  dem  gemeinsamen  Gesichts- 
punkte ,die  Wiedergeburt  der  christlichen  Kirche*  vor  sehr  zahlreich, 
selbst  von  Katholischen,  besuchten  Versammlungen  gehalten.  Um 
das  Volk  auch  in  den  weiteren  Kreisen  mit  dem  äusseren  Lebens- 
gange des  Reformators,  wie  mit  der  inneren  Nothwendigkeit,  aus 
welcher  die  Reformation  hervorging,  bekannt  zu  machen,  hielt  der- 

^)  So  namentlich  in  Wien  und  Asch.  Letztere  Gemeinde  fasste  in  Folge  der 
in  einer  Abendgesellschaft  am  28.  Januar  1883  vom  Bürger  Johannes  Krautheim 
gegebenen  Anregung  mit  Begeisterung  den  Plan.  Dr.  M.  Luther  ein  Denkmal  zu  setzen. 

*)  Zweimal  seit  ihrem  Bestände  sah  sich  die  dortige  ev.  Gemeinde  genöthigt, 
um  des  Friedens  willen  ihren  Gottesdienstort  zu  wechseln.  —  Ohne  alles  äussere 
Gepränge  musste  auch  die  böhmische  Gemeinde  Wilimow  ihre  Lutherfeier  begehen, 
da  sie  alter  Mittel  baar  ist  und  der  Pfarrer  zugleich  den  Organistendienst  zu  ver 
sehen  hat. 


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selbe  in  der  dortigen  Kirche  an  drei  Sonntagen  Nachmittags  Vor- 
träge: I.   ,Wie  Luther  ein  Reformator  wurde*,  1483 — 1517  (18.  Febr.) 

2.  5 Wie  die  Reformation  durch  Luther  begann*,  1517 — 152 1  (8.  Apr.) ; 

3.  ,Wie  Luther  die  Kirche  ausbaute*,  1521 — 1546  (4.  Nov.).  Diese 
Vorträge  erfreuten  sich  ebenfalls  der  lebhaftesten  Theilnahme,  auch 
von  Seite  der  Katholiken  und  Altkatholiken.  Der  Genannte  hielt 
auch  einen  Vortrag  im  ^Reichenberger  Lehrerverein*  am  20.  Oct. 
über  , Luther  als.  Pädagog*  und  veröffentlichte  entsprechende  Artikel 
zum  Festtage  sowohl  in  der  ^Reichenberger  Zeitung*  vom  9.  Nov.  1883, 
als  auch  in  der  dortigen  , Freien  Schulzeitung*,  X.  Jahrg.  N.  5. 

In  Weissbriach  ^)  ward  schon  am  5.  August,  in  Weissensee 
am  4.  Oct.  anlässlich  des  loojährigen  Gedenktages  der  Einweihung 
der  dortigen  Gotteshäuser  auf  die  Lutherfeier  hingewiesen.  Auch  in 
Ruzenmoos,  Weiern  und  Lipkowitz  hatten  die  Prediger  in 
mehreren  Kanzelvorträgen  des  Festtages  gedacht,  während  in  anderen 
Gemeinden  das  Reformationsfest  zu.  einer  Vorfeier  gestaltet  wurde 
Olmütz,  Gross-Wrbka  u.  a.).  In  Oernilow  wurde  bereits  seit  Trini- 
tatis  die  ,  Augustana*  in  den  Sonntagsgottesdiensten  erklärt  und  am 

4.  Oct.  mit  den  Zöglingen  des  Königgrätzer  , Lutherstiftes*  ein 
eigener  Vorbereitungsgottesdienst  gehalten,  während  inHumpoletz 
in  der  Woche  vor  der  Lutherfeier  täglicher  Gottesdienst  mit  Gesang 
der  Lutherlieder  und  entsprechenden  Textauslegungen  stattgefunden 
hat.  In  der  Kinderrettungsanstalt  zu  Weiern  hielt  der  dortige 
Pfarrer  vor  und  nach  der  Feier  sonntägliche  Vorträge  über  Luther. 
Ein  besonderes  Augenmerk  wurde  hierbei  auf  die  heranwachsende 
Jugend  gerichtet.  Schon  seit  Sommer  wurden  die  Kinder  der  meisten 
Gemeinden  anlässlich  des  Religionsunterrichtes  und  der  Christen- 
lehren mit  Luther's  Leben  und  Wirken  vertraut  gemacht,  wobei 
Redenbacher's  , Reformations-Geschichte*  und  Völter 's  Lutherbüchlein 
(letzteres  für  böhmische  Schulen  bearbeitet  von  Pfr.  Pospüil  in 
Humpoletz)  als  Leitfaden  dienten.  Auch  der  unvergleichliche  Schatz 
des  evang.  Kirchenliedes  sollte  in  dem  jugendlichen  Nachwuchs  die 
Liebe  zur  evang.  Kirche  entfachen,  und  wurden  namentlich  Luther^s 
Kernlieder  nach  Inhalt  und  Melodie  mit  den  Kindern  fleissig  ein- 
geübt, so  dass  letztere  in  nicht  wenigen  Kirchen  einen  erhebend 
mitwirkenden  Sängerchor  zur  Lutherfeier  beistellen  konnten. 


M  Weissbriach  hatte  das  erste  gemauerte  Bethaus  in  ganz  Kärnten. 


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Zu  diesen  Rüstungen  geistiger  Art  gesellten  sich,  je  näher 
der  sehnlich  erwartete  Festtag  rückte,  nunmehr  auch  mancherlei 
Vorbereitungen  materieller  Natur.  Einem  so  freundlichen  Feste  zu 
Ehren  galts,  auch  die  wettergebräunte  Aussenseite  der  kirchlichen 
Gebäude  mit  einem  heiteren  Gewände  zu  kleiden  und  etwaige  Ge- 
brechen zu  heilen.  So  wird  aus  der  armen  Bergwerksgemeinde 
Bleiberg  berichtet,  wie  die  Herzen  der  dortigen  wackeren  Berg- 
leute, u.  z.  ohne  Unterschied  der  Confession,  der  Feier  des  grosssen 
Bergmannssohnes  begeistert  entgegenschlugen,  wie  aber  mit  dieser 
Begeisterung  weder  das  ,der  Neubedachung  dringend  bedürftige 
Gotteshaus*,  noch  die  ,das  Sprechen  versagende  Orgel*  in  Einklang 
zu  bringen  gewesen,  so  dass  Manche  statt  der  gehobenen  Stimmung 
banger  Verzagtheit  sich  hingeben  wollten.  Doch  die  Losung:  Es 
gilt  die  Lutherfeier  1  spornte  zu  neuer  Kraftentfaltung,  und  siehe  da, 
beiden  Uebelständen  ist  noch  rechtzeitig  abgeholfen  worden.  Welche 
Begeisterung  der  Gedanke  an  die  herannahende  Feier  bis  in  die 
entlegensten  Alpenthäler  hinein  weckte,  zeigt  uns  eine  Schilderung 
aus  Arriach:  »Wie  beim  Alpenglühn  die  höchsten  Spitzen  der 
Berge  in  rosigem  Lichte  erglänzen,  so  erglühten  die  Höhen  der 
Arriacher  Gemeinde  im  neuen  Roth  des  Glaubens,  als  es  hiess, 
am  lo.  und  ii.  Nov.  d.  J.  werde  die  400jährige  Feier  des  Geburts- 
t£^es  Dr.  Martin  Luther's  festlich  begangen  werden.  Das  Presbyterium 
der  Gemeinde  beschloss  dies  in  würdigster  Weise  zu  veranstalten. 
Und  je  näher  das  Fest  rückte,  desto  mehr  ging  eine  tiefe  Bewegung 
durch  die  Gemüther,  desto  höher  wuchs  die  Begeisterung.*  Eine 
ähnliche  Kunde  dringt  aus  dem  oberen  Ennsthale,  wie  auch  dort, 
wo  im  16.  Jahrh.  evang.  Silberarbeiter  den  Marktflecken  Schladming 
zur  Blüthe  gebracht  und  ihren  evangelischen  Glauben  unversehrt 
erhalten  haben,  mit  einer  unbeschreiblichen  Freude  dem  Ehrentage 
des  aus  der  edlen  Knappengilde  hervorgegangenen  kühnen  Glaubens- 
helden entgegengesehen  wurde. 

Als  aber  vollends  die  Festwoche  angebrochen  war,  was  gab*s 
da  für  eine  emsige  Rührigkeit  allenthalben,  um  den  festlichen  Tag 
im  würdigen  Sckmucke  begrüssen  zu  können!  Welch'  ein  frohes 
Treiben  entfaltete  sich  nunmehr  in  Kirche  und  Schule,  in  Pfarrhaus 
und  Gemeinde,  welch'  ein  reger  Wettstreit  entspann  sich  zwischen 
Alt  und  Jung,  Jungfrauen  und  Jünglingen,  die  kirchlichen  Gebäude 
vom  Thurme  bis  an  die  Hörner  des  Altars  mit  Fahnen  und  Wappen, 


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Kränzen  und  Guirlanden,  Transparenten  und  Sinnsprüchen,  Luther- 
bildern oder  Lutherbüsten  zu  schmücken,  ja  selbst  die  Plätze  und 
Wege  mit  duftigen  Reisiggewinden  oder  frisch  grünenden  Wald- 
bäumchen  zu  besäumen.  Je  nach  Ortslage  und  Verhältnissen  der 
einzelnen  Gemeinden  reicher  oder  einfacher  in  der  äusseren  Aus- 
stattung, war  der  angelegte  Festschmuck  überall,  selbst  in  der 
letzten  Gebirgsgemeinde,  ein  spontaner  treuherziger  Ausdruck  der 
dankbaren  Freude,  einen  so  segensvollen  Gedenktag  durch  Gottes 
Güte  erlebt  zu  haben.  Trotz  der  Ungunst  der  spätherbstlichen, 
mitunter  sogar  winterlichen  Witterung  nahmen  diese  Vorarbeiten 
einen  ungestörten  Verlauf.  Der  Morgen  des  lo.  November  sah 
hernieder  auf  die  im  freundlichsten  Festgewande  prangenden  evan- 
gelischen Gemeinden.  Es  verdient  anerkennende  Erwähnung,  dass 
an  manchen  Orten  auch  die  katholischen  Mitbürger  ihre  Häuser 
geschmückt,  an  anderen  wieder  den  Evangelischen  thatkräftige 
Handreichung  geboten  haben.  So  hat  die  Bleiberger  Unions- 
Gewerkschaft  der  dortigen  mittellosen  evang.  Kirchengemeinde  ihre 
Fahnen,  Wappen  und  bergmännischen  Embleme  zum  Festschmucke 
in  zuvorkommender  Weise  zur  Verfügung  gestellt. 

n.  Vorfeier  des  Luthertages. 

Wie  beim  Einzüge  des  Frühlings  zuerst  einzelne  wenige  Tage 
sich  einzustellen  pflegen,  welche  uns  einen  erquickenden  Vorgeschmack 
der  Lenzesherrlichkeit  geniessen  lassen,  noch  lange  bevor  diese 
selbst  alle  ihre  Reize  vor  uns  ausgebreitet  hat,  so  gingen  auch  dem 
grossen  Luthertage  einzelne  Vorboten  voraus,  nämlich  vereinzelte 
Festlichkeiten,  die  hie  und  da  in  Kirche  und  Schule  zu  Ehren 
Luther's  mit  Rücksicht  auf  locale  Verhältnisse  schon  vor  dem 
10.  Nov.  veranstaltet  wurden.  Den  Festreigen  eröffnete  unsere  wackere 
Diaspora:  Gaishorn,  Filialgemeinde  von  Wald,  hatte  schon  am 
I.  Nov.,  eine  zweite  Filialgemeinde  von  Wald,  Grünbühl  (nächst 
Rothenmann),  am  4.  Nov.  ihr  Lutherfest  unter  sehr  zahlreicher 
Theilnahme  mit  Dankgottesdienst  und  Communion  gefeiert.  Am 
letztgenannten  Tage  wurde  auch  in  Neunkirchen,  Filial  von 
Wiener-Neustadt,  die  Lutherfeier  Vorm.  durch  eiiien  solennen  Gottes- 
dienst, Nachm.  durch  einen  Festvortrag  begangen,  in  welchem  der 
dortige  Presbyter  Otto  Schwabe  den  »culturellen  Zustand  Europas 
beim  Beginne  der  Reformation  und  Luther's  Bildungsgang  bis  1517* 


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8 

einem  zahlreichen  Auditorium  vor  Augen  führte.  Gleichzeitig  wurde 
auch  im  Schulhause  der  Mitterbacher  Diasporag^meinde  Lahn- 
sattel ein  Festgottesdienst  mit  Predigt,  Gesang,  den  ein  Kinder- 
chor wirksam  verstärkte,  und  hl.  Abendmahl  gefeiert,  während  der 
Nachmittag  der  Prüfung  und  angemessenen  Ansprache  an  die 
Schuljugend  geweiht  war.  Gleichfalls  die  Diaspora  im  nordöstlichen 
Böhmen  war  mit  ihrer  Lutherfeier  der  eigentlichen  Festwoche 
vorangeeilt.  In  Trautenau  durfte  in  dem  vom  Pfr.  Kupka  aus 
Hermannseifen  am  i.  Nov.  im  Turnsaale  der  dortigen  Oberrealschule 
abgehaltenen  Lutherfestgottesdienste,  welchem  der  Bürgermeister  der 
Stadt,  die  Spitzen  der  Bürgerschaft  und  auswärtige  Theilnehmer  aus 
dem  Aupäthale  anwohnten,  die  evangelische  Predigt  zum  erstenmale 
seit  200  Jahren  wieder  erschallen.  In  der  von  Opatowitz  aus  be- 
gründeten Predigtstation  Caslau  wurde  zum  Gedächtnisse  des 
400jährigen  Geburtstages  Luther's  schon  am  4.  Nov.  eine  gottes- 
dienstliche Feier  mit  Communion  veranstaltet.  Auch  die  Gottes- 
dienste in  der  Olmützer  Diaspora,  am  30.  Sept.  in  Prerau  und 
am  14.  Oct.  in  Mährisch-Schönberg,  galten  der  Gedächtniss- 
feier des  grossen  Reformators. 

Und  wie  in  der  Gemeinde  der  Erwachsenen,  so  stellte  sich 
auch  in  einigen  evangelischen  Schulen  die  Nothwendigkeit  heraus, 
die  Feier  mit  der  Schuljugend  zu  anticipiren.  In  Gosau,  wo 
auf  den  10.  Nov.  ein  Ferialtag  fiel,  an  dem  eine  Versammlung  der 
Kinder  nicht  thunlich  war,  wurden  dieselben  schon  am  Tage  vorher 
durch  einen  Vortrag  des  Pfarrers  über  , Luther's  Kindheit*  auf  das 
Fest  in  gebührender  Weise  vorbereitet.  Luther  ward  ihnen  als  ein 
Muster  dargestellt,  dem  sie  i.  in  Frömmigkeit,  2.  im  Gehorsam  gegen 
die  Eltern,  3.  in  des  Lebens  mannigfacher  Noth,  4.  in  Bescheidenheit 
und  Demuth  nachzufolgen  haben.  —  In  den  evangelischen  Schulen 
in  Scharten  und  Jebenstein  fand  gleichfalls  schon  am  9.  Nov. 
die  Schulfeier  statt.  ^Nach  dem  Gesänge  entsprechender  Lutherlieder 
wurden  die  Kinder  durch  Vorträge  ihrer  Lehrer  auf  die  Bedeutung 
Luther's  für  unsere  evang.  Kirche  und  Schule  hingewiesen.  Hierauf 
folgten  poetische  Declamationen  der  Schüler  über  Ereignisse  aus  Luther's 
Leben  und  der  Reformationsgeschichte,  abwechselnd  mit  Chorliedern, 
sowie  die  Vertheilung  von  Lutherbüchlein  an  die  weniger  bemittelten 
Schüler  und  Schülerinnen.  Gebet  und  Schlusschoral  beendeten  die 
einfache,  aber  der  Bedeutung  des  Festes  entsprechende  Feier.* 


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9 

Eine  erhebende  Vorfeier  wurde  in  Wien  veranstaltet,  indem 
am  7.  November  Abends  der  Professor  Dr.  Adalbert  Horawitz 
im  , Wissenschaftlichen  Club*  einen  Vortrag  über  Luther  hielt, 
worin  die  universalgeschichtliche  Bedeutung  desselben  mit  begei- 
sterten Worten  gefeiert  und  die  grossartige  Erscheinung  des  ein- 
stigen  Augustiner-Mönches   in   das  hellste   Licht   gestellt  wurde. 

Die  k.  k.  evangelisch-theologische  Facultät  beging  ihre 
Lutherfeier,  welcher  Sectionsrath  Dr.  Franz  als  Vertreter  des  k.  k. 
Ministeriums  für  Cultus  und  Unterricht,  der  Präsident  Freiherr 
Schmidt  v.  Altenheim  und  die  Räthe  des  Oberkirchenrathes 
Dr.  V.  Tardy  und  Dr.  v.  Trauschenfels,  der  Curator  der  evang. 
Gemeinde  A.  C.  Dr.  Bauerreiss  u.  A.  als  Gäste,  dann  das  Pro- 
fessoren-Collegium  und  die  Studirenden  vollzählig  beiwohnten,  am 
9.  November  1883.  Nach  dem  Gesang  des  Liedes  von  der  festen 
Burg  hielt  der  Dekan  Dr.  G.  Frank  die  Festrede  über  das  Thema: 
»Luther  im  Spiegel  seiner  Kirche*.  Der  Rede  Inhalt  charakterisiren 
ihre  Schlussworte:  , Luther  hat  nicht  ein  Fragment,  er  hat  den 
ganzen  Reichthum  des  Protestantismus,  seine  ganze  künftige  Ent- 
AHcklung  auf  seinem  grossen  Herzen  getragen,  sein  Name  deckt 
kein  Parteiprogramm.  Und  ich  meine:  gerade  dieses,  dass  keine 
kirchliche  Partei  ihn  allein  hat,  keine  ihn  ganz  für  sich  reclamiren 
kann,  dass  aber  die  verschiedenen  Richtungen  bei  ihm  Anknüpfungs- 
punkte finden,  macht  ihn  gross  und  vorbildlich  für  Alle.  Darum 
die  mit  VorHebe  an  den  zweiten  Luther,  den  dogmatischen  sich 
halten,  sollen  über  diesen  den  ersten,  den  heroischen,  nicht  ver- 
gessen, dessen  Glaubensmuth  und  Heldenkraft  unverwüstlichere  Wahr- 
heiten bleiben  werden,  als  die  dogmatischen  Formen,  mit  welchen 
er  seine  Frömmigkeit  umschirmt  hat.  Wer  an  seines  Kleides  Saum 
sich  hängt,  hat  seinen  Geist  noch  lange  nicht  erfasst.  Die  Andern 
aber,  die  seiner  Heldengrösse  mehr  als  seinem  Dogma  huldigen, 
seien  dessen  eingedenk,  dass  Luther's  Reformation  nicht  aus  bewusstem 
Freiheitsdrang,  aus  vorbedachter  liberalistischer  Tendenz  geboren 
wurde,  sondern  aus  Furcht  und  Zittern  um  der  Seelen  Seligkeit, 
und  dass  seine  spätere  Lebensperiode,  wenn  sie  auch  nicht  im 
Glorienschein  der  früheren  erglänzt,  doch  die  auferbauende,  die 
kirchenbegründende,  die  das  erstrittene  Gut  conservirende  war.  Unsere 
Jubelfreude  gelte  dem  ganzen,  dem  allseitig  begriffenen  Luther.  Als 
Heiligen   zwar  verehren   wir   ihn  nicht:    aber   uns   ist   er   und  wird 


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allezeit  sein,  was  er  selbst  sein  wollte,  ein  Evangelist  von  Gottes 
Gnaden,  ein  auserwähltes  Organ  der  Vorsehung,  das  persönlich 
gewordene  Princip  des  Protestantismus.* 

Nach  der  Rede  wurde  die  Verpflichtung  der  neueingetretenen 
Studirenden  vorgenommen,  welcher  der  Dekan  die  nachstehenden 
Worte  folgen  Hess:  ,Commilitonenl  Luther  ist  Professor  gewesen, 
die  Studenten  waren  seine  Freunde.  Die  lebensfrische  academische 
Jugend  hat  sofort  für  den  Reformator  Partei  genommen  gegen  den 
Ablasskrämer.  Sie  zogen  mit  ihm  hinaus  vor  das  Elsterthor  zu 
Wittenberg  und  waren  Zeugen  des  historischen  Actes,  da  er  die 
päpstliche  Bulle,  weil  sie  den  Heiligen  des  Herrn  betrübt,  mitsammt 
dem  kanonischen  Recht  in's  Feuer  warf.  Sie  haben  ihm,  mit  Helle- 
barden bewaffnet,  als  freiwillige  Ehrenwache  das  Geleite  gegeben 
zur  Disputation  auf  der  Pleissenburg.  Und  als  das  Jubelfest  der 
Reformation  zum  dritten  Male  wiederkehrte,  da  zogen  die  deutschen 
Burschen  hinauf  zur  Wartburg,  der  Stätte  durch  Luther  geweiht, 
zur  Feier  ihrer  romantischen  Ideale.  Treten  Sie  in  die  Fussstapfen 
der  Studenten  von  Wittenberg,  schaaren  Sie  geistig  sich  um  Luther,  des 
alten  Spruches  eingedenk :  quo  propior  Luthero,  eo  melior  Theologus. 
Und  wie  Mancher  des  Wartburgsfestes  nachmals  sich  erinnerte  wie 
eines  Maientages  seiner  Jugend,  so  bleibe  Ihnen  der  heutige  Festtag 
unserer  Facultät  eine  weihevolle  Erinnerung  fiir  jene  Zeit,  wo  Sie 
unter  Luther 's  Siegesfahne  Ihren  Dienst  thun  werden,  Ihren  Dienst 
an  der  ewigen  Wahrheit.* 

Wir  wenden  uns  zu  einer  zweiten  in  Wien  stattgefundenen  Luther- 
feier, zu  der  feierlichen  öffentlichen  Sitzung  der  evangelischen  Ge- 
meindevertretung A.  C,  welche  unter  dem  Vorsitze  des  Curators 
der  Gemeinde,  k.  k.  Notars  Dr.  Carl  Bauerreiss,  am  Vorabend 
des  lo.  Nov.  in  der  evangelischen  Kirche  A.  C.  (I.  Dorotheerg.  i8) 
abgehalten  wurde.  Ueber  diese  Sitzung,  der  auch  ein  zahlreiches 
Publicum  auf  den  Oratorien  beiwohnte,  hat  die  ^Neue  freie  Presse* 
vom  lo.  Nov.  einen  ausfuhrlichen  Bericht  gebracht,  aus  welchem 
der  ,Oesterr.  Protestant*  Nr.  22,  vom  25.  Nov.  einen  Auszug  gibt, 
aus  dem  wir  Folgendes  mittheilen:  Die  äussere  Pforte,  die  Säulen 
des  Altars,  die  Brüstung  der  Kanzel  und  das  Gitter  des  Presbyteriums 
waren  mit  frischem  Tannenreisig  geschmückt,  hinter  dem,  den  Raum 
vor  dem  Altare  abgrenzenden  Gitter  erhob  sich  inmitten  einer  Cy- 
pressengruppe  Luther's  Büste,  ein  Abbild  des  von  Rietschel  model- 


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Hrten  Kopfes  auf  dem  grossen  Reformationsdenkmale  in  Worms.  Die 
ganze  Kirche  war  festlich  beleuchtet.  Vor  den  Stufen  des  Altars, 
auf  welchem  sechs  Kerzen  brannten,  stand  der  grüne  Tisch  für  den 
Curator  und  für  die  Pfarrer  (Kanka,  Zimmermann,  Formey,  Marolly) ; 
di^  Presbyter  nahmen  in  den  Chorstühlen  zu  beiden  Seiten  des  Altars, 
die  Gemeindevertreter  in  den  Bänken  im  Schiffe  der  Kirche  Platz. 
Unter  den  Mitgliedern  des  Presbyteriums  waren  Univ.-Professor 
Dr.  Salzer  und  Reichsraths- Abgeordneter  Dr.  Bareuther,  unter 
den  Gemeinde- Vertretern  die  Professoren  der  k.  k.  evang. -theologi- 
schen Facultät  DD.  von  Vogel  und  von  Otto,  femer  die  Herren 
Ritter  von  Hornbostel,  Director  der  Creditanstalt,  Gustav 
Leonhardt,  General-Secretär  der  österr.-ungar.  Bank,  u.  s.  w.  an- 
wesend. 

Eingeleitet  wurde  die  Feier  durch  Luther's  mächtiges  Reforma- 
tionslied ,Ein'  feste  Burg  ist  unser  Gott*.  Dann  hielt  der  Curator 
Dr.  Bauerreiss  die  Festrede.  Er  wies  auf  den  Gegensatz  zwischen 
1483  und  1883  ^^^  u"d  gedachte  der  grossen  Wandlungen  und  Neu- 
gestaltungen, welche  die  Welt  und  die  Menschheit  im  Laufe  dieser 
vier  Jahrhunderte  erfahren  hat.  Aber  hoch  über  allen  diesen  Wand* 
lungen  stehe  jene,  welche  durch  den  Mann  bewirkt  wurden,  dessen 
Geburtsfest  in  diesen  Tagen  von  der  ganzen  gebildeten  Welt  gefeiert 
wird.  Der  Vortragende  gab  ein  treffendes  Charakterbild  Luther's, 
als  des  unerschütterlichen  Kämpfers  gegen  den  Glaubenszwang  und 
für  die  Gewissensfreiheit  und  warf  einen  Rückblick  auf  die  Haupt- 
momente des  Reformationswerkes.  Namentlich  hob  er  die  Festigkeit 
hervor,  womit  Luther  auf  dem  Reichstage  zu  Worms  vor  Kaiser 
und  Reich  jeden  Widerruf  seiner  Ueberzeugung  verweigerte,  und 
citirte  die  berühmt  gewordenen  Worte  des  Reformators  in  dem 
historisch  treuen  Texte:  j^Ich  kann  nicht  anders,  Gott  komme  mir 
zu  Hilfe,  Amen!  Da  bin  ich!*)* 

Der  Redner  erinnerte  weiter  an  das  Verdienst,  welches  sich 
Luther  durch  das  Riesenwerk  der  Uebersetzung  der  Bibel  in's 
Deutsche  um  die  Entwicklung  der  neu-hochdeutschen  Sprache  er- 
worben hat.  Er  betonte  ferner  Luther's  Bedeutung  als  Schulmann, 
indem  er  auf  die  Aufforderung  hinwies,  welche  Luther  an  die  christ- 
lichen Rathsleut*  aller  Städte  in  deutschen  Landen  gerichtet,  christ- 

»)  Siehe  „Martin  Luther"  :  Nation alreitung  in  Berlin,  Nr.  519  v.  4.  Nov.  1883, 
und  ^Berliner  Erang.  Sonntagsblatt",  Nr.  451,  1883. 


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liehe  Schulen  zu  errichten  und  zu  halten,  denn  das  sei  einer  Stadt 
reichstes,  bestes  Gedeihen,  Heil  und  Kraft,  dass  sie  viel  freier,  ge- 
lehrter, ehrbarer  und  wohlgezogener  Bürger  habe.  Auch  an  einen 
zweiten,  diesbezüglichen  Ausspruch  Luther's  wurde  erinnert,  worin 
derselbe  erklärt  hat,  dass  keine  Sünde  so  schwer  sei,  wie  die  Ver- 
nachlässigung der  Kindererziehung.  Im  Anschlüsse  daran  erwähnte 
der  Redner,  welche  hohe  Wichtigkeit  Luther  der  Muttersprache  für 
die  Lehre  des  Evangeliums  beigemessen  und  citirte  dabei  folgende 
bezeichnende  Worte  des  deutschen  Reformators:  ,Die  Sprachen 
sind  die  Scheiden,  darin  das  Messer  des  Geistes  steckt;  sie  sind 
der  Schrein,  darin  man  das  Kleinod  trägt,  und  das  Gefäss,  darin 
man  den  Trank  fasst.*  Dr.  Bauerreiss  schloss  seine  Rede  ungefähr 
mit  folgenden  Worten:  ,So  ist  durch  die  evangelische  Freiheit  und 
durch  die  Schule  auch  die  staatliche  Freiheit  angebahnt  worden,  die 
auch  in  unserem  Vaterlande  durch  die  Gleichberechtigung  aller  Con- 
fessionen  und  durch  die  Freiheit  des  Glaubens  gewährleistet  ist. 
Dieses  grosse  Erbe  ist  uns  trotz  aller  Widersacher  und  Gegner  er- 
halten geblieben,  und  die  Lutherfeier  ist  eine  Mahnung  zur  ferneren 
Behauptung  und  Vertheidigung  der  durch  die  Reformation  ge- 
wonnenen geistigen  Güter.*  Zum  Zeichen  des  Dankes  hiefiir  und 
um  das  Andenken  des  Reformators  pietätvoll  zu  ehren,  erhob  sich 
schliesslich,  auf  die  Aufforderung  des  Redners,  die  ganze  Versamm- 
lung von  den  Sitzen. 

Dr.  Bauerreiss  hatte  in  seinem  Vortrage,  fern  von  confessioneller 
Einseitigkeit  oder  kirchlicher  Beschränkung,  ein  volles  Bild  der  bis 
in  unsere  Tage  reichenden  culturhistorischen  Bedeutung  Luther's 
gegeben  und  dabei  auch  der  deutsch-nationalen  Bedeutung  der  Ge- 
dächtnissfeier entschieden  Rechnung  getragen.  Der  Vortrag  wurde 
zwar,  dem  Charakter  des  Ortes  entsprechend,  von  der  Versammlung 
mit  Schweigen  angehört  und  aufgenommen,  hatte  aber  sichtlich  tiefen 
Eindruck  gemacht. 

Dr.  Bauerreiss  verlas  hierauf  das  Programm  der  vom  Pres- 
byterium  veranstalteten  Feier,  indem  er  dazu  bemerkte,  dass  die- 
selbe wesentlich  auf  die  Räume  innerhalb  der  evangelischen 
Kirchen  und  Schulen  beschränkt  bleiben  solle.  Ferner  erstattete  er 
die  Mittheilung  über  die  von  anderen  Seiten  veranstalteten  Luther- 
festivitäten, und  dass  seitens  des  Presbyteriums  nebst  der  Vertheilung 
von  Liebesgaben  an  ärmere  und  alte  Mitglieder  der  Gemeinde  und 


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13 

von  Festschriften  an  die  evangelischen  Schulkinder  in  Wien  —  be- 
absichtigt sei,  als  Denkmal  der  Feier  einen  , Luther-Fonds*  zu 
schaffen,  aus  welchem  Kirchen  und  Schulen  für  die  in  den  Vororten 
und  in  der  Diaspora  von  Wien  lebenden  Protestanten  errichtet  werden 
sollen.  Der  evangelischen  Gemeinde  Asch  wurde  im  Namen  der 
Wiener  Schwestergemeinde  ein  Kranz  gesendet,  den  ihre  Vertreter 
bei  der  morgigen  Feier  an  dem  dortigen  Denkmale  niederlegen  sollen. 

Sonach  wurden  einstimmig  die  Kosten  für  die  Lutherfeier  wie 
auch  für  die  demnächst  folgende  Feier  zur  Erinnerung  an  den  ersten 
vor  hundert  Jahren  (2.  Dec.  1783)  in  Wien  gehaltenen  evangelischen 
Gottesdienst  bewilligt. 

Nach  Erledigung  dieser  Gemeindeangelegenheit  sprach  Ober- 
kirchenrath  Pfarrer  Kanka  das  Schlussgebet,  eine  freie,  aus  der 
Stimmung  des  Momentes  hervorgegangene  Gefühlskundgebung.  Er 
dankte  dafür,  dass  das  Licht  der  evangelischen  Lehre  bis  heute  er- 
halten geblieben  ist,  nachdem  Gott  durch  sein  auserwähltes  Rüstzeug 
Martin  Luther  uns  von  dem  Joche  der  geistigen  Knechtschaft  erlöst 
hat.  Mit  der  Bitte,  der  Herr  möge  heute,  wie  auch  immer,  der 
evangelischen  Kirche  eine  , feste  Burg*  wider  alle  List  und  Gewalt 
ihrer  Feinde  und  Widersacher  sein,  schloss  das  Gebet. 

Nunmehr  wurde  von  der  Versammlung  die  erste  Strophe  des 
Chorals  3^ Nun  danket  alle  Gott*   gesungen. 

Die  Mehrzahl  der  Mitglieder  der  Gemeinde- Vertretung  begab 
sich  hierauf  in  Begleitung  von  anderen  Glaubensgenossen  beider 
Bekenntnisse  in's  Musikvereinsgebäude  zu  einer  geselligen  Feier 
Luther's  im  sogenannten  Silbersaale,  welche  bis  gegen  Mitternacht 
währte.  Ks  folgte  eine  Reihe  ernster  Toaste,  welche  von  der  tiefen 
Bewegung  der  Gemüther  zeugten.  Dem  ersten  Toaste  auf  Seine 
Majestät  den  Kaiser,  welchen  der  Curator  ausbrachte,  folgte  ein 
Trinkspruch  des  Advocaten  und  Presbyters  Dr.  Capesius  auf  die 
Wiener  Schwestergemeinden  A.  C.  und  H.  C,  ein  Toast  des  Pres- 
byters Taubler  auf  die  Pfarrer,  welchen  Pfarrer  MaroUy  mit  einem 
Trinkspruche  auf  die  evangelischen  Gemeinde- Vertreter  weltlichen 
Standes  erwiderte.  Dann  toastirte  Dr.  Bauerreiss  auf  die  Lehrer, 
Schuldirector  Eckhardt  auf  den  Gustav-Adolf-Verein,  worauf  über 
Antrag  des  Curators  an  den  Central- Vorstand  des  Gustav-Adolf- 
Vereins  in  Leipzig  ein  Telegramm  gerichtet  wurde,  womit  die  Ver- 
sammlung ihren  herzlichen  Dank,  für  die  den  ärmeren  österreichischen 


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14_ 

Schwestergemeinden  erwiesenen  grossen  Wohlthaten  ausdrückte  und 
um  fernere  Hilfe  und  Unterstützung  des  Vereines  für  Schul-  und 
Kirchenzwecke  minder  bemittelter  evang.  Gemeinden  in  den  öster- 
reichischen Landen  bat.  Weiter  toastirten  Schuldirector  Pile6ka  auf 
den  , Luther-Fonds*,  Presbyter  Flögl  auf  den  Curator,  u.  s.  w. 

Nach  Schluss  dieser  geselligen  Zusammenkunft  und  als  Nach- 
klang des  schönen  Festes  wurde  in  einem  kleineren,  beisammen  ge- 
bliebenen Kreise  die  Errichtung  eines  Luther-Denkmals  in  Wien 
angeregt  und  von  drei  Mitgliedern  der  Gemeinde- Vertretung  zu 
diesem  Zwecke  sofort  der  Betrag  von  125  fl.  dem  Curator  über- 
geben. 

Es  sei  hier  auch  noch  des  vom  Akademischen  Leseverein 
in  Graz  (im  Hotel  , Stadt  Triest*)  am  8.  Nov.  veranstalteten  deutschen 
Geselligkeits-Abends  gedacht,  welcher  ~  nach  dem  Berichte  der 
, Tagespost*  —  wenn  auch  nicht  in  der  Form,  so  doch  in  der  Sache 
eine  Art  Lutherfeier  gewesen.  Nach  der  Ansprache  des  Vereins- 
präses Dr.  Star  ekel  und  dem  vom  akademischen  Gesangvereine 
gesungenen  Chore  , Liederfreiheit*  hielt  Professor  Dr.  K.  Reissen- 
b erger  einen  geistreichen  Vortrag  über  Luther^s  Bedeutung  für 
die  deutsche  Literatur.  Er  betonte,  dass  Luther  nicht  blos  seiner 
Kirche,    sondern   dem  ganzen  deutschen  Volke  angehöre  *). 

m.   Die  Lutherfeier  am  10.  und  11.  November. 

Hatten  schon  die  Vorbereitungen  der  Feier  eine  begeisterte 
Stimmung  geweckt,  so  wurden  die  eigentlichen  Festtage  mit 
einem  Jubel  begrüsst,  wie  ihn  die  evangelische  Kirche  Oesterreichs 
nie  zuvor  erlebt  hat.  Keine  Feder  vermöchte  erschöpfend  und  nach 
Gebühr  all  die  Manifestationen  zu  beschreiben,  in  welchen  die  Jubel- 
freude der  Evangelischen  in  Stadt  und  Land,  in  den  behaglichen 
Wohnstätten  der  fruchtreichen  Ebene  wie  in  den  wetterfesten  Hütten 
des  rauhen  Hocligebirges  nach  Ausdruck  rang.  Höhenfeuer  und 
Häuserbeleuchtung  kündeten  mit  weithin  sichtbaren  Schriftzeichen 
die  Ehre  des  Mannes,  welcher  die  helle  Fackel  evangelischer  Wahr- 
heit wieder  angezündet.  Dröhnende  Pöllerschüsse  waren  gleichsam 
der  donnernde  Wiederhall  jener  denkwürdigen  Hammerschläge,  wo- 
mit der  Reformator  seine  welthistorische  Mission   begonnen.     Feier- 


1)  Vgl.   „Oesterr.  Protestant*    1883.  Nr.  22. 


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15 

liches  Glockengeläute  rief  es  tausendstimmig  in  die  Lande  hinaus, 
dass  die  evangelische  Kirche  ihrem  glaubensmuthigen  Wecker  ein 
Dankfest  bereite,  dass  die  anbrechende  Feier  weder  eine  nationale 
noch  eine  politische  Demonstration  bedeute,  sondern  als  eine  aus- 
schliesslich evangelisch-kirchliche  Kundgebung  betrachtet  und  ge- 
würdigt werden  wolle. 

Wenn  wir  die  Festivitäten,  welche  zu  Ehren  des  400jährigen 
Geburtstages  Dr.  Martin  Luther's  veranstaltet  wurden,  überblicken, 
so  sehen  wir  sie  im  Ganzen  und  Grossen  vorzugsweise  in  den  drei 
Formen  auftreten:  i.  als  Schulfeier,  2.  als  Kirchenfeier,  3.  als 
gesellige  Feier.  Wir  werden  den  Verlauf  derselben  nach  diesen 
drei  Gesichtspunkten  unter  gleichzeitiger  Berücksichtigung  ihrer 
chronologischen  Reihenfolge  schildern,  wobei  des  einzig 
dastehenden  Festes  der  Enthüllung  des  ersten  österreichischen 
Lutherdenkmals  zu  Asch  an  geeigneter  Stelle  im  Besonderen  ge- 
dacht werden  soll. 

aj  Der  10,  November. 
Der  IG.  November  —  Luther*s  Geburtstag  —  gehörte  vor- 
zugsweise der  evangelischen  Schuljugend.  In  den  Vormittags- 
stunden wurden  in  den  meisten  Gemeinden  ^)  die  evangelischen 
Schulkinder  des  ganzen  Schulsprengels,  unter  Führung  ihrer  Lehrer 
und  in  Begleitung  vieler  Erwachsenen,  zumeist  Eltern  und  Gemeinde- 
Vertreter,  in  den  festlich  geschmückten  Schulräumlichkeiten,  oder, 
wo  keine  confessionelle  Schule  vorhanden,  in  der  Kirche  versammelt, 
wo  für  sie  eine  eigene,  den  jugendlichen  Gemüthern  entsprechende 
Lutherfeier  veranstaltet  wurde.  Das  Programm  derselben  war  je 
nach  den  zu  Gebote  stehenden  Kräften  und  Mitteln  sehr  verschieden- 
artig, doch  bildete  überall  nebst  Gesang  und  Gebet  eine  Luther's 
Leben  und  Bedeutung  für  Schule  und  Jugenderziehung  zeichnende 
und  Luther's  Vorbild  der  Kinderwelt  warm  an's  Herz   legende  An- 


*)  In  einigen  Gemeinokn  wurde  aus  localen  Gründen  die  Schiilerfeier  schon  vor 
dem  10.  November  (Scharten,  Gosau),  in  anderen  (Ruzenmoos,  Öemilow,  Kreuzberg) 
erst  nach  der  allgem.  Lutherfeier  veranstaltet,  während  dort,  wo  eine  besondere 
Schülerfeier  überhaupt  nicht  möglich  war,  wie  r.  B.  in  Wald,  wo  die  evang. 
Schäler  in  20  öffentlichen  Schulen,  oder  wie  in  St.  Ruprecht,  wo  dieselben  in  9 
auswärtigen  Schulen  zerstreut  sind  und  im  Kirchorte  nur  eilf  ev.  Kinder  die  Schule 
besuchten,  —  auf  die  heranwachsende  Jugend  beim  Festgottesdienste  Bedacht  ge- 
nommen wurde. 


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spräche  von  Seite  der  Lehrer  und  Pfarrer  den  Mittelpunkt  der 
Schulfeier.  Ueberali  zeigte  sich  das  ernste  Bestreben,  dem  jugend- 
lichen Nachwuchs  nicht  blos  die  Bedeutung  des  seltenen  Festes  un- 
vergesslich  zu  gestalten,  sondern  dadurch  zugleich  die  Liebe  zu  dem 
theuren  Erbe  der  Väter  und  die  Werthschätzung  der  evangelischen 
Lehre  in  den  Kinderherzen  zu  einer  dauernden,  fruchtbringenden 
Lebensrichtung  zu  machen.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  in  Ge- 
meinden, die  so  glücklich  sind,  eigene  evangelische  Schulen  und 
tüchtige  evangelische  Lehrkräfte  zu  besitzen,  auch  die  Schulfeier, 
weil  sie  seit  Langem  wohlvorbereitet  werden  konnte,  eine  durch 
herzerhebende  Kindergesäng6  und  passende  Declamationen,  aus 
Luther's  Kindheit  und  Leben  entnommen,  reiche  Ausgestaltung  und 
anziehende  Mannigfaltigkeit  erfuhr.  Doch  dürfen  wir  getrost  der  Zu- 
versicht leben,  dass  die  Kinderfeier  selbst  dort,  wo  sie  in  ganz 
schmuckloser  Weise  begangen  wurde,  nicht  ohne  tiefen  Eindruck 
und  segensvolle  Weihe  auf  die  jungen  Seelen  geblieben  ist. 

Ueber  den  Verlauf  solcher  Schulfeierlichkeiten  mögen  hier  einige 
Detailberichte  Platz  finden: 

Aus  R  am  sau  wird  geschrieben:  Am  lo.  November,  welchen 
der  rein  evangelische  Ortsschulrath  zu  einem  Ferialtage  bestimmt 
hat,  versammelte  sich  über  gemeinsamen  Beschluss  des  Presbyte- 
riums  und  des  Ortsschulrathes  die  reifere  Schuljugend  nebst  mehreren 
Eltern  und  dem  Oberlehrer  im  Lehrzimmer  der  I.  Classe,  woselbst 
die  , Lutherschulfeier*    sich   nach   folgendem  Programm   abwickelte: 

I.  Gesang:  ,Lobe  den  Herrn,  meine  Seele!*  Str.  i — 3;  2.  Ge- 
bet, gesprochen  vom  Ortspfarrer;  3.  Vortrag  des  Ortspfarrers : ,  Luther's 
Bedeutung  fiir  die  Entwicklung  des  Schulwesens*  ;  4.  Luther's  Lebens- 
geschichte I.  Theil,  erzählt  von  der  Schuljugend;  5.  Declamation: 
j^Der Witwe  Haus  zu  Eisenach*,  von  K.  Rud.  Hagenbach,  von  ein- 
zelnen Schülern;  6.  Gesang:  »Ein'  feste  Burg*;  7.  Luther*s  Lebens- 
geschichte II.  Theil  (Worms- Eisleben  1546),  wie  oben;  8.  Declamation: 
,Vor  Kaiser  und  Reich*,  von  F.  A.  Feddersen^  wie  oben;  9.  Gesang: 
, Erhalt'  uns  Herr  bei  Deinem  Wort*;  10.  Schlusswort  und  Gebet 
vom  Ortspfarrer;  11.  Gesang:   ,Ach  bleib'  mit  Deiner  Gnade*. 

Aus  Eferding  wird  berichtet:  Um  9  Uhr  Morgens  waren  in 
den  beiden  mit  Tannenreisig  und  dem  Bildniss  Luther's  geschmückten 
Schulzimmern  die  in  Festkleidern  erschienenen  Schüler  mit  den  beiden 
Lehrern,   dem  Pfarrer,    Presbyterium    und    vielen   Gemeindegliedern 


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versammelt.  Nach  Begrüssung  und  kurzer  Ansprache  seitens  des 
Schullehrers  wurde  der  erste  Vers  von  »Ein'  feste  Burg*  von  allen 
Anwesenden  gesungen.  Hierauf  verlas  der  erste  Schüler  der  2.  Classe 
den  ii8.  Psalm.  Darnach  stimmten  Alle  den  2.  und  3.  Vers  des 
Lutherliedes  an.  Nun  hielt  der  Schullehrer  die  Ansprache,  in  welcher 
er  Luther  i.  als  Reformator,  2.  als  Christen  und  Familienvater  und 
3.  als  deutschen  Mann  schilderte.  Zwischen  dem  ersten  und  zweiten 
Theile  des  Vortrags  wurden  von  Schülern  die  Gedichte  declamirt: 
,Wo  keine  Bibel  ist  im  Haus*,  das  Bibelwort  von  Robert  Schmeil: 
»Erschalle  laut  mein  Preisgesang*  u.  s.  w.,  Luther  der  Reformator: 
,Ein  kühner  Held  ist  auferstanden  in  Sachsen*  u.  s.  w.  Nach  Schluss 
der  Ansprache  trug  noch  ein  Schüler  Luther's  Tod  »Die  Sonne  sinkt 
zur  Erde  nieder*  vor,  worauf  noch  der  Lehrer  die  Worte  sprach: 
,Wer  so  stirbt,  der  stirbt  wohl.*  Zum  Schlüsse  hielt  der  Pfarrer 
eine  auf  das  Fest  bezügliche  Ansprache  und  ertheilte  den  Segen. 
Mit  dem  Verse  ,Das  Wort  sie  sollen  lassen  stahn*  endete  die  Feier. 
Bemerkt  wird  noch,  dass  die  Schüler  der  2.  Classe,  um  ihnen  die 
Wichtigkeit  und  Bedeutung  dieser  Festfeier  an's  Herz  zu  legen  und 
besser  zum  Verständniss  bringen  zu  können,  von  Mitte  August  bis 
zur  Feier  über  Luther's  Leben  und  Wirken  nach  der  im  Besitze 
fast  eines  jeden  Schülers  der  2.  Classe  sich  befindenden  ,  Reforma- 
tionsgeschichte von  W.  Redenbacher*  unterrichtet  wurden. 

Sehr  erbaulich  und  reich  an  Abwechslung  verlief  die  Schulfeier 
in  Wallern.  Sie  fand  am  Samstag  den  10.  Nov.  1883  in  dem 
ijrösseren,  festlich  geschmückten  Lehrzimmer  für  die  Schuljugend 
statt.  Zu  derselben  hatte  sich  ausser  der  Schuljugend  eine  grössere 
Zahl  erwachsener  Gemeindeglieder  eingefunden.  Die  Feier  begann 
mit  dem  Gesänge  der  ersten  2  Verse  des  Liedes:  ,Ein'  feste  Burg*. 
Hierauf  verlas  der  Ortspfarrer,  Superintendent  Koch,  den  100.  Ps., 
worauf  Vers  3  des  Anfangsliedes  gemeinschaftlich  gesungen  wurde. 
Sämmtliche  Schüler  beteten  nun  den  Eingang  und  die  erste  Bitte 
des  , Vaterunsers*,  wornach  ein  Schüler  die  Erklärung  Luther's  zur 
ersten  Bitte,  und  eine  Schülerin  das  Lied  ,  Erhalt'  uns,  Herr,  bei 
Deinem  Wort*  vortrug  und  der  Schülerchor  den  Vers  ^Herr,  Dein 
Wort,  die  edle  Gabe*  sang.  Hierauf  hielt  der  Schulleiter  Ernst 
XadI  er  eine  Ansprache,  in  welcher  er,  anknüpfend  an  die  Broschüre 
von  Ernst  Lausch :  , Die  Lutherfeier  in  der  Volksschule*,  das  Lebens- 
bild Luther's  zeichnete.    An  den  betreffenden  Stellen  wurden  Decla- 

Jahrbuch  d««  Protestantismus  x886.  H.  I.  2 


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mationen  passender  Lieder  durch  Schüler  und  Schülerinnen  einge- 
schaltet, ^von  welchen  ,Der  31.  October  (die  95  Thesen)*,  , Luther 
vor  Kaiser  und  Reich  in  Worms*,  »Die  Wartburg*,  ,Wo  keine 
Bibel  ist  im  Haus*,  ,Dr.  Luther  bei  dem  Tode  seines  Lenchen's*, 
,Dr.  Luther's  Ende  und  sein  letztes  Ja*  —  der  im  Verlage  der 
Beck'schen  Buchhandlung  zur  Lutherfeier  in  der  Schule  erschienenen 
Sammlung  von  Gedichten  und  ,Dr.  Luther's  Bild*  den  Stuttgarter 
Jugendblättern  vom  ii.  Nov.  1883  entnommen  waren.  Hierauf 
wurde  der  letzte  Vers  des  Liedes  ,Ein'  feste  Burg*  gesungen.  Alle 
Schüler  erhielten  als  Geschenk  seitens  der  Gemeinde  das  DisselhofTsche 
, Jubelbüchlein*  nebst  dem  , Gedenkblatte*.  Ueberdies  wurden  noch 
50  Exemplare  der  von  ungenannten  Frauen  in  Cannstatt  gespendeten 
Lutherbüchlein  von  Pfr.  Wetzel,  sowie  mehrere  vom  »Vereine  für 
innere  Mission*  geschenkte  Lutherschriften  von  Frommel,  Völter, 
Lauxmann,  Fries  und  Rogge  an  die  Schulkinder  vertheilt.  Nach 
der  Vertheilung  dieser  Festgaben  hielt  der  Ortspfarrer  eine  Ansprache 
an  die  Kinder,  in  welcher  er  zeigte,  wie  sich  bei  ihnen  der  Dank 
fiir  das  Grosse,  was  Gott  durch  Dr.  M.  Luther  gethan  hat,  zeigen 
solle.  Gebet,  Segen  und  Gesang  des  Liederverses  »Lass*  uns  Dein 
sein  und  bleiben*   schloss  die  Schulfeier. 

Der  Bericht  aus  Salzburg  lautet:  Die  Schulfeier  fand  am 
10.  Nov.  von  9 — Vi  ^2  Uhr  im  festlich  decorirten,  mit  einem  grossen 
Lutherbilde  geschmückten  Schulzimmer  unter  Betheiligung  der  diese 
Schule  besuchenden  Kinder,  deren  Eltern  und  zahlreichen  Freunde 
statt.  (Die  ungefähr  70  evang.  Kinder,  welche  öffentliche  Schulen 
besuchen,  waren  bereits  am  9.  Nov.  Nachmittags  von  4 — 5  Uhr  vom 
Pfr.  Aumüller  von  der  Bedeutung  der  bevorstehenden  Festtage 
unterrichtet  und  zur  Theilnahme  am  Festgottesdienste  geladen  worden.) 
Sie  begann  mit  dem  Liede  ^^Ein'  feste  Burg*  u.  s.  w.  Hierauf  wurde 
von  dem  ältesten  Schüler  Luther's  Lieblingspsalm  (118)  gebetet.  So- 
dann hielt  Lehrer  Stöber  eine  Ansprache  an  die  Versammlung^ 
über  , Luther's  Leben  und  Wirken*.  Nunmehr  folgten  Declamationen 
und  Gesänge  in  Abwechslung:  »Der  Witwe  Haus  in  Eisenach*, 
, Luther  im  Kloster*,  , Luther  und  Frundsberg*,  ,Wo  keine  Bibel 
ist  im  Haus*,  »Die  Bibel  ein  Baum*,  ,Die  edle  Musica*,  »Luthers 
Brief  an  Hänschen*,  »Luther  beim  Tode  seines  Töchterleins*, 
»Luther's  letztes  Ja'*;  Gesänge:  »Immer  muss  ich  wieder  lesen*, 
»Alles,   was  Odem  hat*    u.  s.  w.     Zum   Schlüsse   erfolgte   die  Ver- 


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theilung  der  von  den  Gönnern  der  Schule  dargereichten  Luther- 
büchlein (von  Rodemann  und  Fries)  und  Luther-Albums  (aus  Stange's 
Verlag).  AusAnlass  derselben  hielt  vorher  noch  Pfarrer  A um  ül  1er 
eine  kurze  Rede  über  ^Luther's  Verhältniss  zur  Schule*,  wobei  er 
auf  drei  Punkte  hinwies :  i.  Wie  Luther  ein  musterhafter  Schüler, 
2.  ein  tüchtiger  Lehrer  und  3.  ein  unseres  innigsten  Dankes  würdiger 
Schulbegründer  gewesen.  Mit  dem  Liede  »Nun  danket  Alle  Gott*, 
endete  die  Feier,  die  sichtlich  bei  Allen  einen  tiefen  Eindruck 
hinterliess. 

Ueber  die  ,  Wiener  Schulfeier*  schreibt  der  »Oesterr.  Protestant* 
Nr.  23  vom  10.  Dec. :  ^^Um  9  Uhr  Vorm.  begann  die  Schulfeier 
in  der  evangelischen  Bürgerschule  auf  der  Wieden.  Sowohl  das 
Schulgebäude,  von  dessen  Giebel  Fahnen  in  den  Reichs-  und  Landes- 
farben und  in  Schwarz-Roth-Gold  wehten,  als  auch  die  imposante 
Halle,  wo  sich  die  Feier  vollzog,  waren  geschmackvoll  decorirt.  An 
der  Stirnseite  des  Vestibules  erhob  sich  eine  mit  farbigen  Draperien 
versehene  Estrade,  über  welcher  mitten  aus  einem  Blumenhaine  die 
Büste  Luther's  hervorsah.  In  der  Mitte  der  Halle  nahmen  die  Ehren- 
gäste, darunter  Superintendent  Schack,  die  Curatoren  beider  evang. 
Gemeinden  (A.  C.  und  H.  C),  Dr.  Bauerreiss  und  Heimann,  die 
evang.  Schulvorstände  u.  s.  w.  Platz,  während  die  Galerien  von  der 
festlich  geputzten  Schuljugend  gefüllt  waren.  Der  Choral  ,Ein'  feste 
Burg  ist  unser  Gott*,  vorgetragen  von  Schulkindern,  eröffnete  unter 
Posaunenbegleitung  den  Festactus,  worauf  Director  Eckardt  die 
Festrede  hielt.  Der  Festredner  skizzirte  das  Jugendleben  Luther's 
und  ermahnte  die  Kinder,  den  grossen  Reformator  stets  als  Vorbild 
und  Muster  vor  Augen  zu  halten.  Der  Festrede  folgten  abermals  ein 
Chor:  ,Lass  Gott  uns  gnädig  sein*,  welcher  von  fünfzig  weissge- 
kleideten,  auf  der  Estrade  postirten  Mädchen  gesungen  wurde,  und 
mehrere  Declamationen.  Nachdem  noch  Director  Pileöka  einige 
Worte  an  die  Kinder  gerichtet,  wurde  die  Feier  mit  der  Absingung 
der  Volkshymne  geschlossen.  Eine  ähnliche  Feier  fand  um  dieselbe 
Zeit  in  der  evangelischen  Schule  in  der  Gumpendorfer  Strasse, 
welche  ebenfalls  aussen  und  innen  geschmückt  war,  statt.  Diese 
Feier,  wobei  der  Bürgerschullehrer  Jessen  die  Festrede  hielt,  nahm 
einen   ähnlichen   Verlauf,    wie  jene  im  Schulhause  auf  der  Wieden.* 

Unter  den  am  Vormittage  des  10.  Nov.  abgehaltenen  Schul- 
feierlichkeiten sei  hier  schliesslich  ein  Bericht  eingefügt,  welcher  die 


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_^0 

Schulfeier  in  Meran  schildert:  Die  Feier,  welche  im  Betsaale  der 
evangelischen  Gemeinde,  der  in  den  Wochentagen  als  Schullocal 
dient,  abgehalten  wurde  und  an  welcher  nebst  der  Schuljugend, 
deren  Eltern  und  Freunde,  das  Presbyterium  und  die  Lehrer  theil- 
genommen  haben  (der  beschränkte  Raum  Hess  eine  weitere  Betheili- 
gung nicht  zu),  wurde,  um  einer  Ueberfiillung  vorzubeugen,  schon 
um  9  Uhr  Morgens  —  eine  für  hiesige  Verhältnisse  frühe  Stunde  — 
begonnen.  Lucas  Cranach's  Lutherbild,  umgeben  von  einem  Kranze, 
in  welchem  Rosen  und  Lorbeeren  nicht  fehlten,  schmückte  den  Saal. 
Die  Feier  schloss  sich  im  Allgemeinen  der  Lutherfeier  an,  wie  sie 
der  Lehrer  Ernst  Lausch  in  Wittenberg  zusammengestellt  und  heraus- 
gegeben hat.  Zur  Eröffnung  derselben  wurden  die  beiden  ersten 
Verse  von  ,Ein'  feste  Burg*  gesungen,  dann  betete  eine  Schülerin 
Ps.  46,  8 — 22  und  sangen  die  Kinder  und  die  Versammlung  aus 
dem  begonnenen  Liede  Vers  3  und  4.  Einem  Gebete  des  Pfarrers 
folgte  der  100.  Ps.,  den  ein  älteres  Mädchen  sprach.  Nun  trat  Lehrer 
Kropp  vor  die  Versammelten  und  hielt  einen  für  die  Jugend  be- 
rechneten Vortrag  über  Luther's  Leben,  in  dem  er  besonders  die 
Schuljahre  Luther's  betonte  und  die  Zeit  bis  1521  ausfuhrlicher  be- 
handelte. An  diesen  Vortrag  schloss  sich  ein  Gesang  der  Kinder 
nach  der  Melodie  , Harre  meine  Seele*,  der  mit  den  Worten  be- 
ginnt: , Lasset  laut  erklingen  festlichen  Gesang*,  und  folgten  nun 
9  sehr  ausdrucksvoll  und  verständlich  vorgetragene  Declamationen : 
I.  , Luther  als  Reformator*  (Lausch  entnommen),  2.  »Der  Witwe 
Haus  zu  Eisenach*  von  C.  R.  Hagenbach,  3.  , Luther  und  Frunds- 
berg*  von  Demselben,  4.  »Vor  Kaiser  und  Reich*  von  F.  A.  Fed- 
derson,  5.  »Luther,  der  Familienvater  (Lausch  entn.),  6.  »Dr.  Luther 
beim  Tode  seines  Lenchens*  von  Julius  Sturm,  7.  »Luther's  Brief 
an  sein  Söhnlein  Hänschen*,  von  C.  R.  Hagenbach,  8.  »Luther 
und  die  Vögelein*  von  Jul.  Sturm,  9.  »Luther's  Tod*  (Lausch  entn.). 
Die  Kinder  sangen  die  2.  Strophe  des  angefangenen  Liedes  »Lasset 
laut  erklingen*  u.  s.  w.  und  die  ganze  Versammlung  die  erste 
Strophe  des  Liedes  »Nun  danket  Alle  Gott*.  Das  »Vater  unser*, 
von  einem  kleinen  Knaben  gebetet,  und  eine  Ansprache  des  Pfarrers 
schloss  diese  Schulfeier. 

Die  vorangefiihrten  Beispiele  genügen,  um  aus  ihnen  zu  ersehen, 
wie  sorgfältig  die  Schulfeierlichkeiten  vorbereitet  waren  und  wxlch' 
einen   tief  an's  Herz    dringenden   erhebenden  Verlauf  dieselben  ge- 


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nommen.  An  dieser  Stelle  gebührt  eine  rühmliche  Erwähnung  unserem 
evangelischen  Lehrerstande,  welcher  durch  seine  mitunter 
Monate  hindurch  währende  unermüdliche  Thätigkeit,  die  Schuljugend 
auf  den  Festtag  würdig  vorzubereiten,  wie  nicht  minder  durch  seine 
umsichtige  Leitung  der  Schulfeier  wesentlich  zu  dem  schönen  Ge- 
lingen beigetragen  und  sich  auch  bei  dieser  Gelegenheit  ein  bleibendes 
V'^erdienst  erworben  hat. 

Damit  die  Schuljugend  neben  den  bei  der  Feier  empfangenen 
Eindrücken  auch  ein  bleibendes,  sichtbares  Andenken  an 
den  , Luthertag*  behalte,  wurde  dieselbe  aller  Orten,  sei  es  im  un- 
mittelbaren Anschlüsse  an  die  Schulfeier,  sei  es  bei  Anlass  der  nach- 
folgenden Festgottesdienste,  theils  mit  Lutherbüchlein  von  B. 
R-Ogge,  E.  Frommel,  Jul.  Disselhofif,  Fries,  Lauxmann,  Lemon,  Völter, 
Wangemann,  Wetzel  u.  A.,  theils  mit  W.  Redenbacher's  Reforma- 
tionsgeschichte, wie  auch  mit  der  im  Calwer  Verlage  er- 
schienenen Jubelausgabe  der  Reformationsgeschichte,  theils  mit  illu- 
strirten  , Lutherbüchlein  für  Schule  und  Haus*  von  K.  Mayer,  theils 
mit  , Bilder  aus  Luther's  Leben*  nach  G.  König,  Luther-Albums, 
Gedenkblättern,  Luther-Bildern,  Luther-Medaillen,  kleineren  Fest- 
schriften (, Luther's  Brief  an  Hänschen)  und  Tractaten  beschenkt. 
In  Neukematen  standen  6  schön  gebundene  Neue  Testamente  zur 
Verfugung.  —  Für  die  Schulkinder  böhmischer  Zunge  hat  Pfr. 
PospiSil  in  Humpoletz  eine  Bearbeitung  v^on  Völter's  Lutherbüchlein 
erscheinen  lassen,  welche  in  unseren  slavischen  Gemeinden  zur  Ver- 
theilung  kam. 

Die  unentgeltliche  Vertheilung  einer  so  grossen  Menge  von 
Festgaben  ist  nur  dadurch  ermöglicht  worden,  dass  wohlhabendere 
Gemeinden  die  Tragung  der  Anschaffungskosten  freiwillig  auf  sich 
nahmen,  fiir  die  ärmeren  aber  sich  hochherzige  Wohlthäter  fanden 
welche  dem  Mangel  liebevoll  zu  Hilfe  kamen.  Im  Nachstehenden 
geben  wir  den  Ausweis  über  die  von  auswärtigen  freundlichen 
Gebern  eingegangenen  Spenden,  soweit  sie  uns   bekannt   geworden. 

Der  Leipziger  Hauptverein  der  ev.  Gustav- Adolf-Stiftung 
hat,  einer  Meldung  des  ,Ev.  Cirkevnfk**)  zufolge,  allen  evangelischen 
Gemeinden  A.  C.  in  Oesterreich  zum  lo.  Nov.  als  Erinnerung  an 
das  Luther-Jubiläum  je  i  Exemplar  von  Dr.  Burk's  Luther-Biographie 
und  je  I  Ex.    des  ,  Concor dienbuches*    nebst    kleineren    Lutherfest- 

*)  Redigirt  von  Pfr.  Pospi§il  in  Humpoletz  (Böhmen),  1883,  Nr.  11  S.  277. 


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Schriften  zum  Geschenke  gemacht.  Derselbe  Verein  hat  überdies 
den  Gemeinden  Klagenfurt  und  Gross- Wrbka  die  zur  Kinderbethei- 
lung erforderlichen  Luther-Büchlein  gespendet.  — Der  Chemnitzer 
Hauptverein  der  G.-Ad.-St.  schenkte  den  Gemeinden  Reichenberg 
und  Gablonz  Exemplare  von  , Luther *s  Leben*  von  Rogge  und  des 
gleichnamigen  Werkes  von  Frommel.  Der  Grossherzog  Friedrich 
Franz  III.  von  Mecklenburg-Schwerin  spendete  der  Gemeinde 
Ischl  fur's  Schulzimmer  eine  Luther-Statue,  für  die  Schulbibliothek 
I  Exemplar  von  Dr.  Burk's  Luther-Biographie,  und  für  die  Schul- 
jugend eine  Anzahl  von  J.  DisselhofTs  , Lutherbüchlein*,  Württem- 
bergs Frauen  haben  nach  Attersee  zahlreiche  Festschriften  ge- 
sandt, ^dass  jedes  Schulkind  mit  einem  Büchlein  über  Luthers 
Leben  betheilt  werden  konnte*.  Wallern  erhielt  von  ungenannten 
Frauen  in  Cannstadt  50  Exemplare  von  Wetzel's  Lutherbüchlein 
nebst  mehreren  sonstigen  Festschriften  vom  ,  Vereine  für  innere 
Mission*  (vgl.  S.  18),  während  dieselben  Frauen  auf  Anregung  der 
Frau  Helfer  Osiander  in  Cannstadt  für  die  Schulkinder  zu  Gmunden 
25  Expl.  derselben  Festschrift  gespendet  und  durch  die  Seniorswitwe 
Frau  Marie  Trautenberger  in  Stuttgart  übersendet  haben.  —  Den 
Kindern  zu  Meran  wurden  von  Kaisers werth  25  Exp.  des  , Ge- 
denkblattes* zum  Geschenke  gemacht,  während  die  Zöglinge  des 
, Luther-Stiftes*  zu  Königgrätz  von  Senior  Baltik  aus  Ungarn  mit 
je  I  Exp.  der  von  ihm  herausgegebenen  ,Augsb.  Confession*  be- 
schenkt wurden. 

Hatte  die  evangelische  Schule  den  400jährigen  Geburtstag  ihres 
grossen  reformatorischen  Neubegründers  in  ansprechender  Weise 
gefeiert,  so  sollte  die  Schuljugend  nun  auch  an  der  Erbauungs- 
stätte der  Erwachsenen  in  wirkungsvoller  Weise  daran  gemahnt 
werden,  dass  sie  dereinst  berufen  sein  werde,  die  Kirche  des  Herrn 
zu  bauen,  und  dass  auf  reformatorischem  Boden  Schule  und  Kirche 
nicht  neben  einander  gehen  oder  gar  gegen  einander  arbeiten,  sondern 
vielmehr  als  Töchter  Eines  Geistes,  als  Hüterinnen  des  gleichen 
Erbes  mit  einander  wirken  sollen  an  Jung  und  Alt  nach  der 
Einen  Devise:  , Halte,  was  Du  hast,  auf  dass  Niemand  Deine  Krone 
nehme!*  Um  der  Schuljugend  diese  Wahrheit  vor  Augen  zustellen, 
wurden  in  mehreren  Gemeinden  (Asch,  Aussig,  Gmunden,  Humpoletz. 
Linz,  Reichenberg,  Rossbach,  Teschen,  Thening,  Weikersdorf  und 
Wien)   im   Laufe   des    Tages    eigene    Kiii  dergottesdienste    ab- 


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23 

gehalten,  welche  auf  junge  und  alte  Herzen  einen  mächtigen  Ein- 
druck übten. 

In  Linz  betheiligten  sich  an  dem  Jugendgottesdienste  alle  evan- 
gelischen Kinder  der  Volks-,  Bürger-  und  Mittelschulen.  Nachdem 
der  Gesang  »Ein'  feste  Burg*  die  Gemüther  in  die  rechte  Stimmung 
versetzt  und  die  Verlesung  des  .apostolischen  Symbolums  an  die 
Grundwahrheiten  des  evangelischen  Glaubens  erinnert  hatte,  entwarf 
Pfr.  A.  Koch  in  einer  Ansprache  das  Bild  des  Reformators  nach 
den  drei  Gesichtspunkten:  Luther  in  der  Schule,  in  der  Kirche,  im 
Hause. 

In  Thening  versammelten  sich  die  Kinder  der  3  Schulge- 
meinden (Thening,  Appersberg  und  Traun),  nachdem  sie  Vormittags 
in  ihren  Ortsschulen  der  Schulfeier  beigewohnt,  um  2  Uhr  im  Schul- 
hause, und  zogen  von  da  unter  Vorantritt  des  Pfarrers  mit  ihren 
Lehrern  in  die  Kirche.  Die  Feier  wurde  mit  dem  Altargrusse  er- 
öffnet: ,Dem  Gott  aller  Gnade,  der  uns  berufen  hat  zu  seiner  ewigen 
Herrlichkeit  in  Christo  Jesu,  sei  Ehre  und  Preis  von  Ewigkeit  zu 
Ewigkeit  1  Amen.*  Hierauf  folgte  ein  Wechselgesang  zwischen  den 
Qiören  der  Knaben  und  Mädchen:  ,Herr  Gott,  Dich  loben  wir*. 
Nach  dem  Gebete  sang  die  Gemeinde  »Ein*  feste  Burg*  und  wurde 
Rom.  VIII  I — 6,  14 — 18,  31 — 39  verlesen.  Nach  der  Strophe  ^^Mit 
uns'rer  Macht  ist  nichts  gethan*  folgte  die  Festkatechese  über 
Luther's  Werk,  Leben  und  Glauben,  nach  welcher  die  Kinder  das 
Lied  , Vater  unser  in  Himmelreich*  sangen.  Mit  Gebet,  Segen  und 
der  Schlussstrophe  des  Lutherliedes  endete  die  schöne  Feier. 

In  Reichenberg  hat  über  Ansuchen  des  Pfarrers  sowohl  der 
k.  k.  Bezirksschulrath  als  auch  die  Direction  der  Mittelschule  den 
evangelischen  Schülern  den  10.  Nov.  als  Ferialtag  freigegeben  und 
versammelten  sich  diese  um  9  Uhr  Vormittags  zu  einem  Festgottes- 
dienste, der  so  gut  besucht  war,  dass  die  gegen  1000  Personen 
fassende  Kirche  gefüllt  genannt  werden  konnte.  Die  dem  kindlichen 
Geiste  angepasste  Festpredigt  des  Pf.  Ergenzinger  behandelte  ,  Luther 
als  unser  Vorbild*  —  in  Bezug  auf  kindlichen  Gehorsam,  Glaubens- 
treue, Arbeitsfreudigkeit  und  Wahrhaftigkeit.  Nach  beendigtem 
Gottesdienste  wurden  die  Schüler  mit  Rogge's  und  Frommel's  Luther- 
Büchlein  beschenkt. 

Aus  Rossbach  wird  berichtet:  Am  10.  November  wurde  um 
10  Uhr  Vormittags  in  der  bereits  festlich  decorirten  Kirche  für  die 


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drei  Schulgemeinden  Rossbach,  Friedersreuth  und  Gottmannsgrün 
Kindergottesdienst  mit  einer  Ansprache  an  die  Schuljugend  gehalten. 
Dieselbe  führte  unter  Zugrundelegung  von  Hebr.  13,  7  die  Jugend- 
geschichte Luther's  in  kurzen  Zügen  vor,  mit  dem  Hinweis,  wieso 
Luther  der  Lehrer  auch  für  die  Jugend  der  Gegenwart  geworden: 
nämlich  durch  die  Bibel,  den  Katechismus,  das  Lied  und  den  Ge- 
sang. Der  Gottesdienst  war  von  den  Kindern  trotz  ungünstiger  Witte- 
rung gut  besucht  und  waren  auch  viele  Erwachsene  zugegen. 

Unter  den  Wiener  kirchlichen  Feierlichkeiten  aus  Anlass  des 
Luthertages  nahm  der  am  10.  Nov.  Nachmittags  in  der  aussen  und 
innen  geschmückten  Gumpendorfer  Kirche  abgehaltene  Kinder- 
gottesdienst, dem  auch  der  Präsident  des  k.  k.  evangel.  Oberkirchen- 
rathes,  der  Curator  und  viele  Mitglieder  der  Gemeinden  A.  C.  und 
H.  C.  beiwohnten,  eine  hervorragende  Stelle  ein.  Die  fiir  die  jugend- 
lichen Zuhörer  leicht  fassliche  begeisterte  Festpredigt  des  Pfarrers 
Formey  gab  der  Feier  das  geistliche  Gepräge.  Der  Redner  schilderte 
alle  Phasen  des  sturmbewegten  Kampflebens  Luther's,  den  er  als 
grossen  Mann  gleich  dem  Lieblingsdichter  der  Deutschen.  Schiller, 
ja  als  einen  Mann,  den  man  einen  Propheten  und  Apostel  nennen 
dürfe,  charakterisirte.  Derselbe  wies  auf  die  Grossartigkeit  der  Feier 
in  Deutschland,  ja  in  ganz  Europa  hin,  und  erwähnte  besonders 
das  Wittenberger  Lutherfest  und  als  Hauptmoment  desselben  den 
Huldigungsact  des  deutschen  Kronprinzen,  der  mit  Thränen  in  den 
Augen  auf  das  Grab  Luther's  den  Lorbeerkranz  niederlegte,  den 
seine  Gemahlin  eigenhändig  gebunden  hatte  Vor  dem  Altare  war 
eine  Büste  Luther's,  umgeben  von  grünen  Pflanzen,  aufgestellt*). 

Obwohl  der  10.  Nov.  auf  einen  Werktag  fiel,  und  der  festliche 
Hauptgottesdienst  für  den  nachfolgenden  Sonntag  angesetzt  war,  so 
hinderte  dies  nicht,  die  festliche  Stimmung  in  mannigfacher  Weise 
zum  Ausdrucke  zu  bringen.  Wo  es  nur  irgend  thunlich  war,  hatte 
man  den  Luthertag  zu  einem  Feiertag  gestaltet.  In  der  betrieb- 
samen Gemeinde  Asch  wurden  schon  Mittags  sämmtliche  Fabriken 
geschlossen.  Um  iV«  Uhr  versammelte  sich  die  Schuljugend  mit 
dem  Lehrkörper,  der  Stadtvertretung,  dem  Ortsschulrathe,  Denkmal- 
comite,  Presbyterium  und  der  Kirchengemeinde- Vertretung  im  Bürger- 
schulgebäude und  begab  sich  im  Festzuge,  voraus  die  Mädchen, 
dann   die   Knaben,    zur   Kirche,    wo   Pfr.    Hildemann   eine    Luther's 


1)  Nach  dem  Wiener  Bericht  im   .,Oesterr.  Protestanten"   Nr.   23. 


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Bedeutung  erläuternde  Predigt  hielt.  Nach  dem  Gottesdienste,  an 
den  sich  Abendmalsfeier  anschloss,  erfolgte  der  Rückzug  zum  unteren 
Schulgebäude  und  wunderbar  erhebend  erklang  aus  den  jugendlichen 
Kehlen  der  herrliche  Choral:  ,Nun  danket  alle  Gott*.  —  Da  die 
Gemeinde  Neuberg  sich  am  ii.  Nov.  an  der  Enthüllungsfeier  des 
Lutherdenkmals  in  der  Schwestergemeinde  Asch  betheiligen  wollte, 
so  wurde  der  Lutherfestgottesdienst  daselbst  schon  am  lO.  Nov.  abge- 
halten. Um  9  Uhr  Vorm.  nämlich  versammelte  sich  das  Presby- 
terium  im  Schulhause,  wo  sich  auch  die  politische  Gemeindevertretung 
sowie  die  Schuljugend  aus  der  Ortsgemeinde  und  den  eingepfarrten 
Dörfern  Thonbrunn,  Krugsreuth  und  Grün  eingefunden  hatte.  Der 
Festzug,  von  der  freiwilligen  Feuerwehr  geordnet,  bewegte  sich 
unter  Glockengeläute  und  den  Klängen  des  Chorals  ,Ein*  feste 
Burg  ist*  u.  s.  w.,  der  von  einer  heimischen  Musikkapelle  intonirt 
wurde,  in  die  festlich  mit  Reisig  und  Kränzen  geschmückte  Kirche. 
Die  Räume  des  Gotteshauses  füllten  sich  trotz  ungünstiger  Witterung 
mit  einer  grossen  Menge  von  Festtheilnehmern.  Den  Gottesdienst 
leitete  das  Lied  ein:  »Wir  glauben  AU'  an  einen  Gott*.  Nachdem 
Superintendential-Vicar  Geipel  die  Altarliturgie  gehalten  und  den 
Bibelabschnitt  Kol.  i,  9 — 14  verlesen  hatte,  stimmte  die  Gemeinde 
unter  Begleitung  des  Musikchors  das  Triumphlied  »Ein'  feste 
Burg*  an,  worauf  die  Festpredigt  des  Superintendenten  Alberti 
folgte.  Das  ihr  zu  Grunde  gelegte  Schriftwort  war  Ps.  92,  2 — 3. 
Im  Anschlüsse  an  dieses  Wort  wurde  des  grossen  Reformators 
gedacht  in  der  Weise,  dass  i.  ein  Bild  aus  Luthers  Leben,  2.  ein 
Wort  aus  seinen  Liedern,  3.  ein  Trost  aus  seinen  Kämpfen  den 
Zuhörern  vor  die  Seele  geführt  wurde.  Der  Predigt  schloss  sich 
die  Communion  mit  liturgischem  Gesänge  an.  An  derselben  nahmen 
alle  Presbyter  und  Lehrer  Theil. 

Und  wie  der  Tag,  so  sollte  auch  der  Abend  des  10.  Nov. 
nicht  ohne  gottesdienstliche  Weihe  vorübergehen.  In  so  manchen 
Gemeinden  sammelten  sich  dichtgedrängte  Schaaren  Andächtiger 
in  den  hell  erleuchteten  Kirchen,  um  sich  an  Gottes  Wort  zu 
erbauen,  ihres  Luther  zu  gedenken  und  ihre  Lob-  und  Danklieder  zu 
singen.  So  fanden  in  Arriach,  Hermannseifen,  Graz  (Predigt 
über  130. Ps.),  Bohuslawitz  (über  Ps.  119,  107),  Kfi21ic  (i.  Tim.  4, 
i—g),  Wsetin  (Matth.  11,  7),  Zauchtel  (Off.  Joh.  3,  11)  und 
Humpoletz  sehr  besuchte  Abendgottesdienste  statt.  Bei  letzterem 


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Gottesdienste  entrollte  der  Festprediger  auf  Grund  des  Textes 
Spr.  4,  i8  ein  Bild  des  Helden  der  Reformation,  erörterte  den  Ein- 
fluss  Luther's  auf  die  böhmische  Heimat  und  seinen  Verkehr  mit 
den  , böhmischen  Brüdern*,  den  Besuch  des  böhmischen  Bruder- 
bischofs Augusta  in  Wittenberg  und  Luther's  Briefwechsel  mit  ihm, 
aus  welchem  sich  der  letzte  Brief  Luther's  vom  Jahre  1542  vorfinde. 

Auch  dort,  wo  keine  gottesdienstlichen  Versammlungen  gehalten 
werden  konnten,  war  man  bemüht,  dem  denkwürdigen  Tage  ein 
festtägliches  Gepräge  zu  verleihen.  Feierliches  Glockengeläute,  wie 
an  Sonn-  und  Festtagen,  verkündigte  die  Bedeutung  des  Tages, 
und  als  die  Schatten  der  Nacht  sich  hemiedersenkten,  flammten  in 
Nord  und  Süd,  auf  den  Hängen  der  Alpen,  den  Bergrücken  der 
Beskiden  und  den  Anhöhen  der  nordböhmischen  Berge  Tausende 
von  Freuden  feuern*),  mit  weithin  sichtbarer  Flammenschrift 
deutend,  dass  unten  im  Thale  noch  evangelischer  Glaube  die  Herzen 
erwärmt,  während  in  den  Chor  der  Abendglocken  das  Echo  dröh- 
nender PöUerschüsse")  sich  mischte  und  zu  den  weit  über  Berg 
und  Thal  zerstreuten  Glaubensgenossen  die  Mahnung  trug,  dem 
Herrn  der  Kirche  ein  Lob-  und  Dankopfer  anzuzünden,  dass  es  den 
österreichischen  Protestanten  endlich  im  19.  Jahrhunderte  möglich 
geworden,  mit  Deutschlands  Mutterkirche  gemeinsam  das  Andenken 
Luther's  öffentlich  zu  feiern. 

Die  Freudenfeuer  auf  Bergeshöhen  fanden  einen  glänzenden 
Widerschein  in  der  prächtigen  Illumination,  in  welcher  hie  und 
da  Kirchen  und  Thürme,  anderwärts  der  Kirchplatz,  in  überwiegend 
evangelischen  Gegenden  sogar  ganze  Ortschaften  strahlten  •),  während 
von  der  Höhe  des  Kirchthurmes  die  Feierklänge  des  Luther- 
chorals ertönten*).  Festliche  Umzüge  mit  Fackeln  oder  Lampions 
und  Lobgesänge  beschlossen   den  denkwürdigen  Tag. 


*)  Höhenfeuer:  Arriach,  Asch,  Feld,  Ramsau,  Schladming. 

')  Pöllerschtisse:  Arriach,  Asch,  Bleiberg,  Dornbach,  Feld,  Goisern,  Gröbming. 
Kfi21ic,  Mitterbach,  Opatowitz,  Schladming,  Teschen,  Trebesing,  Watschig,  Zauchtel, 
Zlan  und  in  vielen  ostschlesischen  Landgemeinden. 

*)  Illumination:  i.  der  Kirchen  und  Thürme  in  Arriach,  Bohuslawitz,  Gablonz, 
Hermannseifen,  Humpoletz,  Marburg,  Reichenberg,  Schladming,  Wsetin,  Zauchtel; 
2.  des  Kirchplatzes  in  Bielitz,  Reichenberg;  3.  der  ganzen  Ortschaft:  Asch,  Rossbach, 
Gnoinik  in  Ostschlesien. 

*)  Thurra Choral:  Asch,  Gablonz,  Reichenberg. 


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lieber  den  Eifer,  womit  die  äussere  Verherrlichung  des  Luther- 
tages in  Scene  gesetzt  wurde,  wird  unter  Anderem  aus  Arriach 
berichtet:  „Am  Abend  des  lO.  November  fand  eine  Höhenbeleuch- 
tung statt.  Schon  vorher  waren  von  allen  höher  wohnenden  evang. 
Bauern  grosse  Massen  Brennholz  auf  die  Berghänge  zusammen- 
getragen worden.  Jeder  wollte  hierbei  den  Anderen  überbieten, 
Keiner  aber  zurückbleiben.  Punkt  6  Uhr  Abends  fing  es  an  auf 
allen  umliegenden  Höhen  zu  schimmern,  zu  lodern  und  zu  flammen 
in  zauberhafter  Weise,  während  im  hellerleuchteten  Gotteshause  in 
Arriach  die  nächstwohnenden  evang.  Glaubensgenossen  versammelt 
Lutherchoräle  sangen.  Wer  da  weiss,  dass  der  Ort  von  hohen,  bis 
6700'  emporragenc^en  Bergen  umschlossen  ist,  und  dass  das  Gottes- 
haus von  allen  diesen  Höhen  gesehen  wird,  der  wird  sich  eine  Vor- 
stellung machen  können  von  dem  aus  dunkeln  Schatten  herauf- 
schimmernden Bilde,  das  sich  dem  Auge  darbot."  —  Einen  gross- 
artigen Anblick  gewährte  auch  die  Vorfeier  in  der  Gemeinde  Schlad- 
ming:  Am  10.  Nov.  4  Uhr  Nachm.  begann  das  Festeinläuten  mit 
allen  Glocken  durch  eine  volle  Stunde,  von  Pöllerschüssen  unter- 
brochen. Kaum  war  das  Dunkel  der  Nacht  angebrochen,  als  von 
unzähligen  Lämpchen  erleuchtet,  mit  mancherlei  auf  die  Bedeutung 
des  Tages  weisenden  Transparenten  verziert,  der  Kirchthurm  ein 
freundlich  mahnendes  Bild  dem  Beschauer  darbot,  umgeben  von 
finsterer  Nacht,  ein  leuchtender  Wegweiser  nach  aufwärts.  Bald 
stiegen  von  der  Gallerie  des  Thurmes  Raketen  zum  gestirnten  Himmel 
empor,  den  Anfang  eines  zwei  Stunden  währenden  Feuerwerks 
bildend.  Zwei  Stunden  aufwärts,  zwei  Stunden  abwärts  von  Schladming, 
zur  Rechten  und  zur  Linken  der  Enns,  zieht  sich  eine  Kette  von 
hell  lodernden  Dank-  und  Freudenfeuern.  Im  tiefsten  Thale  sowohl, 
als  auf  den  Höhen  der  Berge,  so  weit  der  frisch  gefallene  Schnee 
nur  Menschen  dringen  lässt,  sind  solche  oft  viele  Meilen  weit  leuch- 
tende Zeichen  dankbarer  Herzen  sichtbar.  —  Einen  nicht  minder 
imposanten  Anblick  bot  die  Abendfeier  in  Reichenberg,  über 
welche  wir  der  ,Reichenberger  Zeitung*  Nachstehendes  entnehmen: 
»Nach  Anbruch  des  Abends  nahm  die  Schuljugend  mit  Lampions 
vor  der  Kirche  Aufstellung.  Die  zur  Feier  eigens  bestellten  Lampions 
trugen  auf  der  einen  Seite  das  Brustbild  Luther 's,  auf  der  anderen 
den  ersten  Satz  seines  Kampfliedes:  ,Ein'  feste  Burg  ist  unser  Gott*. 
Die  Illumination  der  Fenster  des  Kirchenschiffes  und  des  Thurmes, 


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von  dessen  Spitze  im  grellen  Lichte  des  griechischen  Feuers  und 
elektrischen  Lichtes  die  deutsche  Tricolore  herabwehte,  war  zu  dieser 
Zeit  bereits  vollendet ;  auch  sämmtliche  Häuser  des  Lindenplatzes  *) 
wiesen  hellleuchtende  Fensterfronten  auf,  nur  das  Portal  der  Kirche 
lag  noch  im  Dunkel.  Da  züngelten  einzelne  Flämmchen  auf  und  sie 
griffen  weiter  und  weiter  und  bildeten  prächtige,  in  Sterne  geformte 
Strahlenbüschel,  über  denen  in  der  Mitte  des  Thurmes  das  transpa- 
rente Bild  •)  des  Reformators  auf  die  inzwischen  herbeigeeilte  Menschen- 
menge herabblickte.  In  einem  in  der  Eingangsvorhalle  improvisirten 
Lorbeerhaine  war  die  Büste  Luther's  aufgestellt,  und  wiederholt 
erschien  diese  Halle  sowie  das  ganze  Schiff  der  Kirche  in  das  rothe 
Licht  bengalischer  Flammen  getaucht.  Erhebend  klangen  die  Glocken 
und  trugen  in  das  Land  hinein  die  Kunde  von  der  würdigen  Feier 
des  grossen  Gedenktages.  Dann  ertönten  wie  aus  weiter  Feme  von 
der  Galerie  des  Thurmes  herab,  von  Posaunisten  der  Zittauer 
Militärkapelle  vorgetragen,  die  feierlichen  Klänge  der  Choräle,  an 
deren  herzinniger  Einfachheit  und  wahren  Frömmigkeit  unsere  Vor- 
fahren schon  yor  Jahrhunderten  ihre  Glaubenstreue  stählten,  und  aus 
frischen  jugendlichen  Kehlen  strömten  die  frommen  Gesänge  himmel- 
aufwärts.  Nach  mehr  als  einstündiger  Dauer  war  die  imposante  Vor- 
feier beendet.* 

Nicht  unerwähnt  soll  bleiben,  dass  zum  dauernden  Andenken 
an  den  denkwürdigen  Tag  in  einigen  Gemeinden  am  Kirchen-  oder 
Schulplatz  ^Luther-Bäume*')  gepflanzt  wurden. 

Doch  nicht  allein  in  Schule  und  Kirche,  auch  in  den  Kreisen 
freier  froher  Geselligkeit  wurde  den  Manen  des  grossen  Refor- 
mators eine  Huldigung  dargebracht.  Am  Abende  des  Geburtstages 
Dr.  Luther's  fanden  sich  mancher  Orten  evangelische  Gemeinde- 
glieder mit  andersgläubigen  Verehrern  Luther's  zusammen,  wobei 
in  Ansprachen    und   Gesängen    sein   Gedächtniss    gefeiert    oder    im 


*)  Auf  dem  Lindenplatze  befinden  sich  blos  zwei  Häuser,  welche  protestantischen 
Familien  gehören.  Aber  sämmtliche  Fenster,  auch  der  Katholischen  und  Juden  gehö- 
renden Häuser,  waren  reich  illuminirt,  selbst  mit  Luther's  und  Melanchthon's  Bildniss 
geschmückt. 

2)  Das  Bild  wurde  eigens  zu  diesem  Zwecke  über  Lebensgrösse  von  Herrn 
Tal  1er,  dem  Schwiegervater  des  Herrn  von  Criegern  in  Leipzig,  gemalt. 

')  So  wurden  in  Asch  zwei,  in  Freiwaldau  eine  „Luther-Eiche*,  in  Graz 
(am  II.  November)  und  Mitterb  ach  je  eine  ^Luther-Linde"  gepflanzt. 


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traulichen  Beisammensein  Altes  und  Neues  aus  Vergangenheit  und 
Zeitgeschichte  mitgetheilt  wurde.  Es  sei  uns  gestattet,  auch  hierüber 
authentische  Berichte  sprechen  zu  lassen.  Ueber  die  gesellige  Luther- 
feier in  Gablonz  am  lo.  Nov.  schreibt  die  ,Gablonzer  Zeitung" 
unter  Anderem:  Abends  8  Uhr  versammelten  sich  die  Mitglieder 
der  evang.  Gemeinde  im  geschmackvoll  decorirten,  mit  der  Büste 
Luther's  geschmückten  Saale  des  neuen  Schützenhauses.  Allein  nicht 
nur  die  Gemeindeangehörigen,  auch  zahlreiche  Vertreter  der  Katho- 
liken und  der  Judenschaft  nahmen  an  der  Zusammenkunft  Theil. 
Wir  bemerkten  unter  den  Versammelten  den  Herrn  k.  k.  Bezirks- 
hauptmann Baron  von  Wrazda  an  der  Spitze  der  erschienenen 
k,  k.  Beamten,  den  Herrn  Bürgermeister  Posselt  mit  dem  Stadtrath, 
den  Lehrkörper  der  Fachschule,  die  Vertreter  der  Grossindustrie, 
die  Vorstände  der  Vereine  u.  s.  w.  Um  9  Uhr  begrüsste  der  Curator 
der  evang.  Gemeinde,  Herr  Rob.  Henke,  die  Versammelten,  und 
gleich  darauf  erhob  sich  Pfr.  Ergenzinger  (aus  Reichenberg)  zur 
Festrede;  diese  schilderte  das  Leben  Luther's,  sein  Streben  und 
seine  Bedeutung  für  die  Geschichte,  für  Volk  und  Reich.  Der  Herr 
Redner  sagte  nach  den  einleitenden  Worten:  „Wir  sind  heute 
zusammengekommen,  um  das  Andenken  eines  Mannes  zu  feiern, 
dessen  Schöpfung  weit  hinausgedrungen  über  die  Grenzen  seines 
Vaterlandes.  Es  kann  nicht  meine  Aufgabe  sein,  ein  vollständiges 
Lebensbild  des  grossen  Mannes  zu  entwerfen,  nur  einzelne  Züge 
aus  demselben  will  ich  berühren.*  Er  schildert  den  Aufgang  Luther's, 
wie  dieser  sich  emporrang  und  losriss  von  den  bindenden  Ketten, 
und  durch  grosse  Arbeit  bis  zu  dem  Punkte  gelangte,  wo  er  der 
Schöpfer  einer  neuen  Zeit  wurde.  Femer  berührt  er  die  Zeit,  in 
welcher  Luther  sein  grosses  Werk  begann,  weist  dann  nach,  wie 
Luther  nicht  blos  der  Reformator  auf  kirchlichem  Gebiete  war. 
sondern  wie  er  auch  das  staatliche  und  sociale  Leben  umformte. 
Luther  war  auch  der  Vater  der  modernen  Schule;  er  schuf  die 
Grundlage  der  heutigen  Pädagogik  und  schon  vor  400  Jahren 
forderte  er  den  Schulzwang,  welcher  heute  als  eine  grosse  Errun- 
genschaft gepriesen  wird.  Weiter  feiert  der  Redner  Luther  als 
den  Mann,  welcher  die  deutsche  Sprache  reformirte,  und  kommt 
dann  auf  die  religiöse  Bewegung  in  Oesterreich  zu  sprechen,  wo 
die  Gegenreformation  die  Anhänger  der  neuen  Lehre  verfolgte, 
bis  endlich  Joseph  IL  sein  Toleranzpatent   erliess.     »Was  er",  so 


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ruft  Redner  am  Schlüsse  aus,  ^was  er,  der  grosse  Sohn  seiner 
grossen  Mutter,  in  Liebe  zu  seinem  Volke  begonnen,  hat  Franz 
Joseph  I.  vollendet,  indem  er  die  Protestanten  gleichstellte  mit 
den  Katholiken,  indem  er  decretirte.  dass  Alle  gleich  seien  vor  dem 
Gesetze.  Es  erscheint  mir  mehr  als  Pflicht,  Sie  aufzufordern  sw 
einem  Hoch  auf  diesen  Fürsten,  und  ich  bin  überzeugt,  dass  Sie  mit 
mir  einstimmen  in  den  Ruf :  ,Es  lebe  Kaiser  Franz  Joseph  L, 
getragen  von  dem  Segen  Gottes!*  Brausender,  minutenlanger 
Beifall  folgte  der  herrlichen  Rede  des  Pfarrers  Ergenzinger.  Es  folgte 
noch  eine  Reihe  wilder  Toaste,  und  bei  gemüthlicher  Unterhaltung 
blieben  die  Anwesenden  bis  nach  Mittemacht  beisammen.  Die 
Altkatholiken  des  Gablonzer  Bezirkes  sandten  ein  Begrüssungs- 
Telegramm,  worin  sie  aussprachen,  dass  auch  sie  an  der  Feier  als 
begeisterte  Verehrer  des  berühmten  Reformators  den  freudigsten 
Antheil  nehmen.  „Mögen  die  Freundschaftsbande,  die  uns  mit  den 
Protestanten  verbinden,  in  Anbetracht  der  gemeinsamen  Anfein- 
dungen, denen  wir  von  einer  reactionären,  den  Geist  und  die  Freiheit 
hemmenden,  aber  mächtigen  Partei  in  gleichem  Masse  ausgesetzt 
sind,  uns  immer  enger  und  immer  fester  verbinden!*  —  In  Troppau 
fand  ausser  der  kirchlichen  ebenfalls  eine  gesellige  Lutherfeier  statt. 
Nach  einem  Berichte  des  ,Oesterr.  Protestanten"  Nr,  22  versam- 
melten sich  am  Abende  des  10.  Nov.  die  Mitglieder  der  protestan- 
tischen Gemeinde  in  der  festlich  decorirten  Halle  des  Troppauer 
Turnvereins,  um  im  Vereine  mit  zahlreichen  Angehörigen  anderer 
Glaubensbekenntnisse  den  400jährigen  Gedenktag  der  Geburt  des 
Reformators  zu  begehen.  Herr  Oberlehrer  Schulig  aus  Jägerndorf 
hielt  die  Festrede,  in  welcher  er  insbesondere  die  ethische  Bedeutung 
des  Wirkens  Luther's  erörterte.  ,Ein'  feste  Burg*  wurde  hierauf 
intonirt  und  bildete  den  Uebergang  zu  der  Rede  des  Herrn  Dr.  Horny, 
welche  Luther's  Bedeutung  in  nationaler  Hinsicht  auseinandersetzte. 
—  Ueber  die  am  selbigen  Tage  um  8  Uhr  Abends  zu  Wiener- 
Neustadt  in  der  Dreher'schen  Bierhalle  stattgefundene  Vorfeier, 
an  welcher  sich  auch  gebildete  Katholiken,  Vertreter  der  Local- 
presse  u.  Andd.  betheiligt  haben,  meldet  das  dort  erscheinende 
^Deutsche  Volksblatt*  in  seiner  Nummer  vom  15.  Nov.  unter  An- 
derem: Die  Feier  begann  mit  einer  von  einem  gemischten  Chore 
vorgetragenen  Festhymne.  Darnach  bestieg  Pfarrer  Tillian  die 
Tribüne,    um    die   bahnbrechende,    vielseitige  Wirksamkeit   Luthers 


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darzulegen.  Dann  erörterte  Oberlehrer  Wachowski  eingehend  Luther's 
Verdienste  um  die  Heiligung  des  Familienlebens,  des  Grundpfeilers 
menschlicher  und  staatlicher  Ordnung,  und  feierte  ihn  als  sittlich 
vor  und  in  der  Ehe  tadellosen  Mann,  als  liebevollen  Gatten  und 
zärtlichen  Vater,  und  berührte  kurz  Luther's  Bedeutung  als  Päda- 
gogen. Es  folgten  unter  der  Leitung  des  Lehrers  Karl  Macher  vor- 
trefflich executirte  Chöre,  Festdeclamationen  der  Lehrer  Grabolle, 
Ebenberger  und  Adam  und  Vorträge  von  Clavierpiecen.  Das  Fest 
währte  bis  nach  Mittemacht.  —  Schliesslich  sei  hier  noch  einer 
Feier  gedacht,  die,  wenn  auch  nicht  im  kirchlichen  Rahmen  begangen, 
doch  mit  dem  grossen  Gedenktage  in  innigem  Zusammenhange 
stand  und  ein  Zeugniss  ablegte  für  die  ungetheilte  Begeisterung, 
welche  das  Andenken  Luther's  auch  in  den  Herzen  der  studirenden 
Jugend  mächtig  erweckt  hat.  Es  war  dies  die  am  lO.  Nov.  um 
8  Uhr  Abends  von  den  an  Wiener  Hochschulen  Studirenden 
zu  Ehren  Luther's  im  grossen  Musikvereinssaale  veranstaltete  Fest- 
feier, über  welche  der  ,Oesterr.  Protestant*,  Nr.  23,  einen  Bericht 
bringt,  dem  wir  Folgendes  entnehmen:  Diese  Feier  versammelte 
ein  überaus  zahlreiches,  den  besten  Kreisen  angehöriges  Publicum. 
Sie  wurde  mit  einem  von  Labor  vorgetragenen  Bach 'sehen  Orgel- 
präludium eröffnet,  worauf  Mitglieder  des  Akademischen  Gesang- 
vereins Beethoven*s  ,Ehre  Gottes*  vortrugen.  Der  herrliche  Chor 
mit  Orgelbegleitung  machte  einen  tiefen  Eindruck.  Hierauf  hielt 
Dr.  Dittes  die  Gedenkrede  auf  Luther.  Er  entwarf  ein  lichtvolles 
Bild  von  dem  Leben  und  Wirken  Luther's,  wobei  er  auf  seine 
nationale  Bedeutung  besonders  Gewicht  legte.  Stellenweise  schlug 
Dr.  Dittes  einen  scharf  polemischen  Ton  an,  so  als  er  von  Luther's 
selbstlosem  Patriotismus  und  seinem  mannhaften  Eintreten  für  das 
als  recht  und  wahr  Erkannte  sprach.  Aus  dem  nationalen  Wirken 
Luther's  leitete  der  Redner  die  Berechtigung  ab,  den  heutigen  Tag 
zu  feiern,  so  weit  die  deutsche  Zunge  klingt.  »Und  sie  klingt  auch 
in  Wien*,  fuhr  er  fort,  „welches  durch  Jahrhunderte  die  erste  deutsche 
Stadt  war  und  auch  jetzt  noch  die  zweite  ist,  wo  deutsches  Lied 
und  deutsches  Wort  erschallt.  Es  ergeht  nun  heute  an  diese  Stadt 
die  ernste  Gewissensfrage :  Bist  du  noch  deutsch  mit  Leib  und  Seele, 
bekennst  du  dich  noch  zu  deiner  Nation,  nicht  blos,  wo  man  auf 
j^efahrlose  Weise  Popularität  gewinnen  kann,  sondern  wo  es  gilt 
einzutreten    für   jene   Ideale,    welche    die    grössten    Geister   unserer 


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32 

Nation  aufgestellt  und  verfochten  haben?  Die  Frage  war,  soll  die 
Erinnerung  an  Luther  eingeengt  bleiben  in  den  Kirchen  Jener,  die 
seinen  Namen  tragen,  oder  darf  sein  hoher  Geist  noch  frank  und 
frei  einherschreiten  unter  allem  Volke,  das  deutschen  Namens  sich 
rühmt  ? "  Nach  einer  eingehenden  Besprechung  der  Verhältnisse,  aus 
denen  Luther  hervorgegangen,  und  der  Bedeutung,  die  er  für  seine 
und  alle  Zeiten  gewonnen,  forderte  der  Redner  die  Anwesenden 
auf,  im  Geiste  Luther*s  fortzuwirken,    und  schloss  mit  den  Worten  : 

Liegt  das  Gestern  klar  und  offen, 
Wirkst  Du  heute  kräftig  frei, 
Kannst  Du  auch  ein  Morgen  hoffen, 
Das  nicht  minder  glücklich  sei. 

Langanhaltender  Beifall  folgte  diesen  Ausführungen.  Den  Be- 
schluss  der  Feier  bildete  die  Absingung  des  Chorales  „Ein'  feste 
Burg  ist  unser  Gott**  mit  Orgelbegleitung,  durch  Mitglieder  des 
akademischen  Gesangvereines,  in  welchen  Chor  bald  die  Versamm- 
lung begeistert  einstimmte. 

(Fortsetzung  folgt.) 


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IL 

Nachricht  vom  Entstehen,   Fortgang  und  der  gegen- 
wärtigen Lage  hiesiger  Evangelischen  Gemeinde 
Helvetischer  Konfession. 

Von  Karl  Wilhelm  HILCHENBACH,    Superintendent  und  Prediger  der  Gemeinde  i). 
Mitgetheilt  von  Dr.  thcol.  C.  A.  WITZ. 

Wie  Se.  Kays.  Königl.  Majestät,  unterm  13^  October  1781,  das 
Toleranz-Edikt  für  sämtliche  deutsche  Erblande  erließen,  befanden 
sich  in  hiesiger  Residenz  und  den  benachbahrten  Ortschaften  von 
Reformirten  Konfessions  Verwandten,  denen  bis  dahin  vergönnet 
war  die  Holländische  Gesandschafts  Kapelle  allhier  zu  besuchen, 
56  Familien  —  oder  solche  Haushaltungen,  welche  entweder  von 
Seiten  des  Hofes  einen  öffentlichen  Karakter  bekleideten,  oder  sonst 
tin  eigenes  Etablissement  hatten  —  und  nahmentlich  aus  16  gleichen 
und  22  vermischten  Ehen  (deren  14  mit  Augsburgischen  Konfessions 
Verwandten  und  8  mit  Katholischen  Glaubensgenossen  getheilet 
waren),  1 1  Verwittweten  und  7  Unverheyratheten  —  oder,  die  übrigen 
Communikar\ten  mitgerechnet,  aus  einer  Anzahl  von  beyläufig  100  Per- 
sonen bestanden.  Man  freuete  sich  allgemein  der  erhaltenen  Vor- 
rechte und  Freyheiten  und  diese  Stimme  des  Dankes  vereinigte  sich 
zulezt  zu  einer  schriftlichen  Bezeugung  desselben,  welche  der  K.  K. 
Kämmerer  und  Reichshofrath,  Reichsgraf  und  Edler  Herr  zur  Lippe 
Sr.  Majestät  in  einer  besondern  Audienz  zu  überreichen  die  Gnade 
hatte,  welches  mit  Merkmahlen  der  höchsten  Zufriedenheit  ange- 
nommen wurde. 


*  Superintendent  Karl  Wilhelm  Hilchenbach  war  der  erste  Prediger  der  evange- 
liichen  Gemeinde  H.  C.  in  Wien.  Schon  deshalb  wird  obige  denf  Archive  der  Ge- 
meinde  H.  C.  entnommene  und  hier  zum  ersten  Mal  veröffentlichte  Nachricht,  namentlich 
für  die  Mitglieder  der  Wiener  Gemeinde,  von  Interesse  sein.  Ueber  die  evangelische 
Gemeinde  H.  C.  vgl.  ^G. Franz):  „Die  evang.  reformirte  Gemeinde  zu  Wien."  Wien  1852, 
und  Dr.  C.  A.  Witz:  „Zur  hundertjährigen  Jubelfeier  der  evang.  Kirchengemeinde  H.  C. 
.n  Wien^  Wien  1884. 

JahTi>uch  des  Protestantismus  x886.  H.  I.  3 


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34 

In  dieser  Rücksicht  verabredete  man  sich  hierauf  (1782)  zu  einer 
Subscription,  welche  den  ersten  Grund  einer  zu  errichtenden  ordent- 
Hchen  Gemeinde  und  ihres  erforderlichen  kirchlichen  Etablissements 
legen  sollte.  Auch  vereinigte  man  sich  dahin,  die  Besorgung  dieses 
wichtigen  Geschäftes  und  Alles  dessen  was  damit  verbunden  war, 
Hochgedachtem  Herrn  Grafen  zur  Lippe,  dem  K.  K.  wirklichen  Hofrathe 
Herrn  Reichsfreyherrn  Johann  von  Fries  und  dem  K.  K.  Niederlags 
Verwandten  Herrn  Peter  Ochs  zu  übergeben,  welche  von  nun  an,  als 
Vorsteher  der  Gemeinde,  im  Nahmen  derselben,  jedoch  mit  Rük- 
sprache  an  sämtliche  Subscribenten,  für   sie  redeten  und   handelten. 

Der  Erfolg  erwähnter  Subscription  war  von  der  Art,  daß  man, 
im  Vertrauen  auf  weitere  Hülfe  durch  Beyträge  auswärtiger  Wohl- 
thäter,  nähere  Entwürfe  machen  und  nach  und  nach  auf  ihre  Aus- 
führung rechnen  konnte. 

In  dieser  Rücksicht  wurden  Sr.  Majestät,  mit  Beziehung  hierauf, 
die  Bitten  überreicht:  einen  Prediger  berufen,  ein  Bethaus  bauen, 
und  hierzu  ausserhalb  Landes  sammlen  zu  dürfen  (15.  Febr.  1782)  — 
zu  welchem  Ende  der  Entwurf  eines  Cirkularbriefes  beygeleget  wurde ; 
und  diese  Bitten  wurden,  ohnerachtet  der  abgängigen,  im  Toleranz- 
Edikt  auf  100  bestimten,  Familien  Zahl,  unterm  2^^  März,  gnädigst 
gestattet. 

Man  fing  sogleich  nunmehr  an,  vermittelst  des  gedachten  und 
von  jedem  Absender  mit  Privatschreiben  und  näherer  Empfehlung 
begleiteten  Cirkularbriefes,  bey  auswärtigen  Glaubensgenossen,  und 
sonstigen  hohen  und  mildthätigen  Gönnern  und  Wohlthätern  Bey- 
träge zu  erbitten.  Und  dieses  entsprach  den  gehoften  Erwartungen 
insoweit,  daß,  bis  zu  Ende  September  desselbigen  Jahres,  zu  denen 
Subscriptionen  der  Gemeinde,  welche  zu  der  Zeit  f.  13260  betrugen 
bereits  die  Summe  von  f.  16519  :  30  xr.  eingekommen  war.  Wes- 
halb izt  der  wirkliche  Anfang,  durch  Umstimmung,  beschlossen,  auch 
zugleich  der  Unterzeichnete,  als  damaliger  Gesandschafts  Prediger 
derer  Herrn  Generalstaaten  der  Vereinigten  Niederlande,  zum  Prediger 
der  Gemeinde  einhellig  erwählet  wurde.  Und  Se.  Majestät  genehmigten 
nicht  allein  dieses,  unterm  17^  Febr.  1783,  sondern  auch,  zufolge 
eines  Regierunf  sdekretes,  vom  iilü?  Märtz,  die  angesuchte  Bewilligung, 
denjenigen  Theil  des  aufgehobenen  Königlichen  Klosters,  wo  izt  das 
Bethaus  stehet,  zu  diesem  Endzwek  kaufen  zu  dürfen. 

Nachdem  solches  am  23^41^  Märtz  geschehen,  und  die  bisherige 
Gesandschafts  Kapelle  mit  dem  Ende  dieses  Monates  aufhörte,  wurde, 


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35 

am  17?^  Aprill,  der  eigene  Gottesdienst  der  Gemeinde  in  dem 
erkauften  Gebäude  angefangen. 

Neben  der  Fortsetzung  der  schriftlichen  Kollekte,  welche  der 
Reichsgraf  zur  Lippe  mit  unermüdetem  Eyfer,  und  besonders  von 
dieser  Zeit  an,  hauptsächl.  besorgte,  wurde  es  für  nötig  gehalten, 
daß  Unterzeichneter  eine  Kollektenreise  nach  Holland  und  England 
vornehme  (1783),  und  zugleich  es  dahin  einzuleiten  suchte,  daß  Ihro 
Hochmögende  die  Herren  Generalstaaten  von  demjenigen  was  Sie 
bisher  auf  den  hiesigen  Gottesdienst  zu  verwenden  pflegten  und 
nunmehr  in  Erspahrung  kam,  einen  Theil  wenigstens,  der  Gemeinde 
zufließen  lassen  möchten,  wie  auch  die  bisherigen  Kirchenbücher 
der  Kapelle,  oder  doch  vidimirte  Extrakte  derselben  und  den  baaren 
Betrag  der  Armen  Kasse,  welchen  der  Unterzeichnete,  bey  seinem 
Austritt  von  der  Gesandschaft,  dem  damaligen  Herrn  Abgesandten, 
nebst  jenen  Büchern,  mit  f.  838  :  2  xr.  überlassen  mußte,  der  Ge- 
meinde zukommen  ließen. 

In  Rüksicht  dieser  Reise  wurde  der  Kandidat,  und  dermalige 
Professor  zu  Heidelberg,  Herr  Fauth,  zur  einstweiligen  Versehung 
des  Predigerdienstes,  hieherberufen  und  Unterzeichneter  reiste,  mit 
Beglaubigungen  der  Staats  Kanzley  und  sonstigen  guten  Empfeh- 
lungen und  Bekantschaften  versehen,  zu  Betreibung  dieser  Geschäfte, 
mit  dem  Anfange  des  Junius  ab. 

Der  Bau  wurde  um  diese  Zeit  angefangen,  und  nach  dem, 
höchsten  Orts  genehmigten  Plane  des  Hofarchitekten,  Herrn  Nigelli, 
unter  seiner  und  der  Maurer-  und  Zimmer  Meister,  Herren  Meusel 
und  Wohlsperger  Aufsicht  betrieben,  und  im  Spätjahre  1784  glücklich 
vollendet  — *  so  daß  die  Einweyhung  des  Bethauses  sogleich  nach 
der  erfolgten  Zurückkunft  des  Unterzeichneten,  am  ersten  Christtage 
desselben  Jahres  geschehen  konnte. 

Der  Erfolg  vorgedachter  Reise  des  Unterzeichneten  war  im 
Ganzen  zwar  vortheilhaft,  da  die  wenige  Zeit,  welche  derselbe  den 
Umständen  nach  aufs  eigentl.  Kollektiren  verwenden  konnte,  und 
die  Art,  wie  er  dasselbe  betreiben  mußte,  nichtsdestoweniger  genüg- 
same Beweise  mildthätiger  Theilnehmung  aufbrachte,  und  er  bey 
vseiner  Abreise  solche  Einleitungen  zurückließ,  welcHe,  in  künftigen 
glücklicheren  Zeiten,  weitere  Hülfe  noch  erwarten  ließen.  Jedoch 
waren  die  mancherley  Verzögerungen  höchst  unangenehm  und 
würden  für  die  Gemeinde  nachtheiliger  geworden  seyn,  wenn  er 
nicht  so  viele  freundschaftliche  Unterstützungen,  besonders  bey  dem 

3* 


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36 

Handeismanne  Hm.  von  Gall  zu  Amsterdam  und  bey  einigen  andern 
Freunden  in  dem  Haag  genossen,  und  selbst  manche  Aufopferungen 
gemacht  hätte.  Er  hatte  nehmlich  die  erwünschteste  Aufnahme  und 
Geneigtheit  zur  Beförderung  seiner  Aufträge,  bey  Personen  von  der 
Regierung  sowohl  (welche  er  theils  der  Verwendung  des  K.  K. 
Ministers  Freyh.  von  Reischach,  theils  denen  sonstigen  Empfehlungen 
seiner  Sache  und  vorzüglich  einem  solchen  Schreiben  der  Frau  Gräfin 
von  Degenfeld,  an  einen  Jhrer  Verwandten  zu  verdanken  hatte)  als 
auch  bey  der  Geistlichkeit  und  anderweitigen  Orten  gefunden  und 
gute  Hoffnung  dadurch  beydes,  die  eingereichte  vorgedachte  Bitt- 
schrift an  Jhro  Hochmögende  die  Herren  Generalstaaten,  und  die, 
auf  erhaltene  sichere  Weisung  an  die  Herren  Staaten  der  Provinz 
Holland  übergebene,  um  öffentliche  Kollekte  begünstiget  zu  sehen. 
Allein  der  Umstand,  daß  der  damalige  hiesige  Gesandte  der  Republik 
gegen  ersteres  Gesuch  Einwürfe  vorbrachte,  die  erst  gehoben  werden 
mußten,  hielt  den  Fortgang  desselben  auf  und  verzögerte  zugleich 
auch  den  Bescheid  auf  lezteres. 

Daher  Unterzeichneter  indessen,  um  nichts  unversucht  zu  lassen, 
in  einigen  andern  Provinzen  etwas  auszuführen  trachtete.  Jedoch 
fand  er  auch  da,  mit  einziger  Ausnahme  der  Geldrischen  Staaten, 
daß  die  Hauptsache  auf  die  vorhergegangene  Entscheidungen  im 
Haag  verschoben  wurde,  indem  er  nur  allein  auf  dem  Landtage  zu 
Zütphen  die  Bewilligung  eines  Geschenkes  von  loo  Dukaten  erhielt. 
Und  so  wurde  er  hierdurch  und  vermittelst  des  Ertrages  seiner 
stillen  Privatkollekte  in  denen  Hauptorten  von  Geldern,  Ober-Yssel 
und  Utrecht,  bis  zum  Schlüsse  des  1783!^^  Jahres,  nur  in  den  Stand 
gesetzet,  eine  Rimesse  von  f.  2000  zusammenzubringen. 

Hierauf  erhielt  er  zwar,  mit  dem  Anfange  des  folgenden  Jahres 
(1784),  die  günstige  Resolution  derer  Herrn  Staaten  von  Holland, 
welche  für  diesen,  wie  für  andere  ausserordentl.  Fälle  eine  öffent- 
liche Kollekte  genehmigten.  Allein  die  Zeitumstände  des  äusserst 
harten  Winters  und  der  darauf  folgenden  starken  Ueberströmungen 
veranlaßten  bald  nacheinander  besondere  Kollekten  für  die  Einwohner 
des  Landes,  welche  der  erforderlichen  Betreibung  der  seinigen  im 
Wege  standen,  -und,  sowohl  nach  dem  bestgemeynten  Rathe  seiner 
Freunde,  als  nach  zweymaliger  Weisung  derer  Herren  Burgermeister 
von  Amsterdam,  von  einer  Zeit  zur  andern  verschoben.  Worüber 
zulezt  die  an  den  Brabantischen  Gränzen  entstandenen  Dififerentien  in 
eine  solche  Lage  kamen,  daß  er  für  izt  dieses  Geschäfte  abbrechen 


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37 

und  sich  damit  begnügen  mußte,  in  Amsterdam  und  einigen  andern 
Orten  der  Provinz  Holland,  die  er  auf  seiner  Rükreise  besuchte, 
diese  Sache  für  die  Zukunft  zu  empfehlen  und  mithin  seine  Kollekte 
überhaupt  auf  dasjenige  einzuschränken,  was  er  auch  hier  von  seinen 
Freunden  und  durch  deren  Vermittlung  von  andern  Gutthätern  und 
verschiedenen  Kirchenkassen  empfing;  wodurch  er  noch  weitere 
f.  4715  :  51  xr.  zusammenbrachte. 

Und  da  sowohl  der  erlittene  Zeitverlußt,  als  die  ohnehin  be- 
stehende Unsicherheit  eines  glücklicheren  Erfolges  in  England  (über 
welchen  von  ihm  und  Andern  Nachrichten  und  Gutachten  eingezogen 
worden)  die  Reise  dahin  aufzugeben  nötigten,  so  benuzte  er  noch 
(1784)  einige  Zeit  auf  seiner  Reise  durch  das  Bergische  zu  weiterer 
Betreibung  der  bisherigen  schriftlichen  Kollekte,  und  brachte  dadurch 
zu  ihr  noch  einen  Nachtrag  von  f  310:32  xr.  zu  wege;  wie  ihm 
denn  auch  bis  Ende  1785  annoch  f  215  :  17  xr.  aus  Holland  zuge- 
sendet wurden;  welches  zusammen  die  in  der  Berechnung  aufge- 
führte Summe  von  f.  7241  :  40  xr.  ausmacht. 

Da  nun  der  meiste  Erfolg  der  Kollekte  eingekommen,  der 
Gottesdienst  angefangen  und  somit  ein  Abschnitt  in  Führung  der 
Kirchengeschäfte  entstanden  war,  so  äusserte  der  Herr  Reichsgraf 
zur  Lippe  —  welchem  die  Gemeinde  besonders  den  grössten  Theil 
des  so  glücklichen  Erfolges  der  schriftlichen  Kollekte  zu  verdanken 
hat  —  den  billigen,  auch  sonst  durch  seine  Lage  nötigen  Wunsch, 
mit  Anfang  des  1785S1?  Jahres,  der  näheren  Besorgung  dieser 
Geschäfte  entlediget  zu  seyn.  Der  Herr  Reichsgraf  von  Fries  hatte 
sich  auch  schon  seit  einiger  Zeit  hiervon  zurückgezogen,  und  dessen 
Neveu,  Herr  von  Franck,  statt  seiner,  den  Zusammentrettungen  über 
dieselbe  beygewohnt.  Es  wurden  darum  von  der  Gemeinde,  neben 
Herrn  von  Ochs  und  von  Franck,  zu  weiteren  Vorstehern  noch  die 
Handelsleute  Herr  Himly  und  Herr  Malvieux  erwählet. 

Und  da  im  .  vorhergegangenen  Jahre  bereits  von  einer  hoch- 
leiblichen  Landes-Regierung  die  Verordnung  herabgekommen  war, 
daß  von  sämtlichem  Bethaus  Vermögen  jährl.  hinfort  eine  Rechnung 
einzureichen  sey;  und  unterm  i8I^  Februar  ein  Formular  derselben 
mitgetheilet,  auch  mit  Anfang  des  Jahres  1786,  vermittelst  des 
inzwischen  errichteten  K.  K.  Konsistoriums  für  sämtl.  Gemeinden 
der  deutschen  Erblande,  diese  Verordnung,  auf  höhere  Weisung, 
neuerdings  in  Erinnerung  gebracht  worden,  so  wurde  nunmehr,  in 
Bezug  auf  gedachte  Vorschriften  und  nach  Anleitung  der  von  Hrn. 


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38 

von  Ochs  bis  zu  Ende  des  Jahres  1785  geführten  Hauptrechnun^^ 
(welche  durch  den  Herrn  Reichsgrafen  zur  Lippe  von  Blatt  zu  Blatt 
coUationiret  und  mitunterfertiget  worden)  eine  summarische,  jedoch 
in  allen  einzelnen  Posten  auf  die  erforderlichen  Belege  sich  bezie- 
hende Rechnung  von  sämtlichen  Einnahmen  und  Ausgaben  für  die 
Gemeinde,  von  ihrem  Entstehen  im  Jahre  1782  bis  zu  Ende  - 1785 
verfasset  und,  der  erhaltenen  Erinnerung  zufolge,  durch  das  Kon- 
sistorium an  eine  hochl.  Landesstelle  eingebracht. 

Sodann  wurde  von  nun  an  unter  denen  Herrn  Vorstehern  die 
Einrichtung  getroffen,  daß  die  Obligationen,  welche  den  Fonds  der 
Gemeinde  ausmachen,  nebst  der  jedesmaligen  Baarschaft,  in  einer 
dreyfach  verschlossenen  Kassa  verwahret,  die  Rechnung  darüber 
in  einem  Cassa-Journal-  und  Hauptbuch  geführet,  die  erforderliche 
Eintragungen  der  abgeschlossenen  bisherigen  Rechnung  des  Herrn 
von  Ochs  in  diese  neuen  Bücher  gemacht  und  dieselbe  künftighin, 
vom  Anfange  des  17865^  Jahres  an,  in  Rüksicht  des  vorgeschrie- 
benen Rechnungs-Formulares,  geführet,  auch  vierteljährig  und  so 
oft  es  sonst  erforderlich  wäre,  mit  Zuziehung  des  Unterzeichneten 
Zusammentrettungen  gehalten  und  alles  Wichtigere  schriftlich  ver- 
handelt werden  solle. 

Auf  diese  Art  sind  denn  bisher  die  Geschäfte  versehen  und 
dabey,  von  Zeit  zu  Zeit,  alle  zu  den  gewönlichen  Ausgaben  ent- 
behrliche, durch  ferner  eingegangene  Kollekten  Gelder  und  einige 
Legate  hauptsächl.  entstandene  Baarschaften,  in  denen  öffentlichen 
Fonds,  auf  den  Nahmen  der  Gemeinde,  zu  4  pC.  angeleget  worden. 
Wodurch  sich  das  eigentliche  Kapital  der  Gemeinde,  welches  bey'm 
ersten  Rechnungsschlusse,  am  Ende  1785  f.  20500  ausmachte,  bis 
dato  (1788)  auf  f.  22800  verstärket  hat.  Auch  befindet  sich  noch 
in  der  Kassa  neben  diesen  tragenden  Kapitalien,  eine  zur  Kollekte 
verehrte  Bayrische  Hof  Kammer  Obligation  von  f.  1000,  welche  mit 
gehöriger  Cession  an  die  Gemeinde  versehen  und  zu  München  vor- 
gemerket  worden  —  doch  erst  Ende  des  künftigen  Jahres  zahlbar 
und  bis  dahin  ohne  Intressen  ist. 

Eine  Vorlegung  dieses  ganzen  Status  an  die  Gemeinde  ist  bisher 
noch  nicht  geschehen  und  von  einer  Zeit  zur  andern  verschoben 
worden,  weil  zu  erwarten  gewesen,  daß  von  einer  hochl.  Landesstelle 
über  die  eingereichte  Berechnungen  dieser  Gelder,  nach  genommener 
Einsicht  der  dasigen  Buchhalterey,  wie  es  in  andern  Fällen  gewönlich 
ist,    eine  Erledigung   herabkomme.     Da  sich    indess    solches    länger 


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39 

zu  verzögern  schiene,  als  die  Umstände  jenes  aufzuhalten  zuließen, 
so  wurde,  bey  Uebergabe  der  lezteren  Jahres  Rechnung,  um  diese 
Erledigung  angesucht  und  da  hierauf,  unterm  14^55  May  dieses  Jahres, 
über  die  beyden  Rechnungen  von  1786  und  1787  diese  erwartete 
Approbation  von  Seiten  der  Landesstelle,  herablangte  —  mithin 
die  erste  Hauptrechnung  vom  Anfange  des  Entstehens  1782  bis  Ende 
1785  noch  zurück  war  —  so  wurde  hierüber  eine  nochmalige  Bitte 
eingereichet  und  auch  diese  hierauf,  unterm  30'^?  October  lezthin, 
auf  gleiche  Weise  erlediget.  Worauf,  zur  allgemeinen  Uebersicht  des 
jetzigen  Vermögensstandes  und  der  dermaligen  jährlichen  Erfor- 
dernisse, beygehender  Auszug  sämtlicher  Rechnungen  von  Unter- 
zeichnetem nach  den  Büchern  entworfen  und  nochmals  von  denen 
Herren  Vorstehern  übersehen  und  nebst  demselben  ausgefertiget 
worden  ist. 

Sodann  komt  noch  über  den  gegenwärtigen  Zustand  der 
Gemeinde  hauptsächlich  zu  bemerken: 

Vors  erste,  daß  sich  dieselbe,  bis  Ende  Septembers  dieses 
Jahres,  von  obgedachten  56  Haushaltungen,  ohnerachtet  des  Ab- 
ganges von  8  Familien,  durch  neue  Ehen  und  hinzugekommene 
PVemde,  auf  die  Zahl  von  152  Haushaltungen  vermehret  —  und  zwar 
in  53  gleichen  und  64  vermischten  Ehen  (deren  24  zwischen  beyden 
protestantischen  Konfessionen  und  40  mit  katholischen  Glaubens- 
genossen getheilet  sind),  in  14  verwittweten  und  21  unverheyratheten 
Personen  bestanden  hat.  Unter  welcher  Anzahl  jedoch  weder  die 
jeweiligen  Garde-Officiere  und  sonstiges  Militaire,  noch  diejenigen 
insgesamt  gerechnet  sind ,  welche ,  gleich  ihnen ,  keinen  festen 
Auffenthalt  allhier  haben  oder  nur  eine  Zeitlang  hier  verbleiben. 

Zweytens,  daß  sich  in  derselben  eine  Anzahl  Jugend  befindet 
und,  dem  gegenwärtigen  Stande  nach,  ferner  befinden  und  so  ver- 
mehren wird,  daß  der  Unterricht  derselben,  so  lange  er  von  Unter- 
zeichnetem alleine  besorget  werden  muß,  kaum  anders  als  mit  Ver- 
nachläßigung  seiner  übrigen,  von  Zeit  zu  Zeit  ohnedies  mit  der 
Gemeinde  zunehmenden  Geschäfte  und  mit  seiner  großen  Beschwehrde 
besorget  werden  kann  —  und  das  um  so  mehr,  da,  ausser  den  öffent- 
lichen Katechisationen,  auch  noch  Privat-Unterricht  erforderlich  wäre 
und  würklich  von  mehreren  gewünschet  wird,  ohne  daß  Unter- 
zeichneter in  seiner  dermaligen  Lage  diese  Wünsche  zu  befriedigen 
vermag. 


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40 

Drittens,  daß  unter  den  gegenwärtigen  Gliedern  der  Gemeinde, 
so   viel  Unterzeichnetem    bekannt   geworden,    bereits   8  französische 
Familien    und   überhaupt    zwischen  20    und    30  Personen   befindlich 
sind,  welche  die  deutsche  Sprache   gar  nicht,    und    einige  derselben 
nur  wenig  verstehen.  Daß  auch  in  dieser  Rücksicht  von  denen  Hrn. 
Vorstehern,    als   sie   nach   geendigten  Unruhen    in  den  Vereinigten 
Niederlanden,  mit  Einstimmung  des  dermaligen  Herrn  Abgesandten, 
bey  Jhro  Hochmögenden,    obgedachte   Bitten    des   Unterzeichneten, 
unterm  12^  Aprill  dieses  Jahres  neuerdings  vorgetragen  haben,  die 
Bitte   um  Bewilligung   eines  jährlichen  Beytrages    an  die  Gemeinde, 
mit    dem    Grunde    unterstützet    worden   ist :    Man    müsse    auf  einen 
Gehülfen    des  Unterzeichneten    auch    um    deswillen    dencken,    damit 
ein  solcher   hiehergezogen   werden   könne,    welcher  zu  Befriedigung 
der  französischen  Mitglieder    und   gewiß  auch  zur  Zufriedenheit   der 
Gesandtschaft,    nach  Erforderniss,    neben  dem  deutschen,  auch  fran- 
zösischen Gottesdienst    zu  halten  im  Stande  sey;    welches  aber  die 
Gemeinde,    ohne    die   erbetene  Unterstützung,    nicht  vermöge.    Und 
ist  dieses  Gesuch  von  dem  Herrn  Gesandten  mit  aller  Theilnehmung 
aufgenommen    und    empfohlen,    auch  seitdem    wieder  in  Erinnerung 
gebracht,    jedoch   bis  jetzo    noch    mit   keinem   Erfolge    begünstiget 
worden.  Weshalb  Unterzeichneter  gedachten  Gemeindsgliedern  unter- 
dessen   einen  Privat-Gottesdienst    in   ihrer  Sprache    zu    halten    ange- 
fangen hat  und  bis  so  lange,  oder  auch,  wenn  jenes  nicht  zustande 
kommen  sollte,  fernerhin  zu  thun  gerne  erbötig  ist. 

Viertens,  daß,  da  Herr  von  Franck  nunmehr  verstorben,  und 
Hr.  Malvieux  seit  dem  leztern  Frühjahr  auf  eine  längere  Zeit  von 
hier  abwesend  ist,  schon  hierdurch  eine  neue  Vorsteherwahl  nötig 
gemacht  werde ;  überdieß  aber  auch  noch  der  Umstand  hinzukommt, 
daß  Hr.  von  Ochs  seit  dem  Anfange  der  Gemeinde,  mithin  bey 
7  Jahre  und  Hr.  Himly  auch  schon  bey  4  Jahre  ihr  dienen;  und 
da  Jener  in  denen  ersteren  Jahren  mit  der  Kassaverwaltung  und 
sämtlichen  Rechnungen  viele  Mühe  gehabt  —  dieser,  besonders  in 
dem  lezteren  Jahre,  die  Rechnungsscripturen  allein  besorget  hat,  so 
wird  wohl  der  bezeigte  Wunsch  des  Ersteren,  diese  Stelle  niederlegen 
zii  können,  von  jedem  Mitgliede  als  höchst  billig  angesehen  und  mit 
Dankbahrkeit  erwiedert,  auch  auf  gleiche  Weise  das  Vertrauen 
erkennet  werden,  welches  Hr.  Himly  in  sämtliche  Mitglieder  setzet, 
daß  wenn  Er  auch  schon  noch  ein  Jahr  lang  seine  jetzigen  Dienste 
der  Gemeinde  zu  widmen  bereit  sey.  Er  doch,  nach  dessen  Verlauf, 


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41 

ebenfalls  auf  Abtrettung  rechnen  dürfe.  Weshalb  dann  mit  Anfang 
des  neuen  Jahres  die  Wahl  eingeleitet  werden  wird. 

Fünftens  komt  zu  bemerken  daß  alle  die  Gemeinde  betref- 
fende Gegenstände,  welche  nicht  lediglich  politisch  sind,  unter  der 
Aufsicht  und  Leitung  des  Konsistoriums  stehen  und  von  da  aus 
höheren  Ortes  vorgebracht,  oder  nach  bestehenden  Vorschriften 
entschieden  und  abgethan  werden. 

Bey  welcher  Bemerkung  auch  hier  zugleich  erinnert  werden 
kann,  daß  auf  Vorschrift  desselben  und  mit  höchster  Genehmigung, 
seit  vergangenem  Jahre,  fiir  sämtliche  evangelische  Gemeinden  der 
deutschen  Erblande,  der  erste  Sonntag  nach  dem  13^  October,  zu 
einem  Toleranz-Dankfeste,  und  der  8^  Dezember,  zu  einem  beson- 
dern Büß  und  Bettage  festgesetzet  worden  ist. 

Schließlich  legt  Unterzeichneter  noch  die  Hauptideen  der  Statuten 
vor,  nach  welchen  die  Besorgung  sämtlicher  Kirchengeschäfte  theils 
bisher  schon  gefiihret  worden,  theils  fernerhin  zu  fuhren  seyn  werden, 
in  so  ferne  dieses  mit  Genehmigung  der  übrigen  Gemeindsglieder 
geschiehet.  Welche  darinn  bestehen:  daß 

a)  vier  Vorsteher  und  der  Prediger  in  diese  Verwaltung  solcher- 
masen  eingetheilet  sind,  daß  Ersteren  die  Besorgung  der  Haupt- 
rechnung und  aller  nötigen  Dispositionen  welche  den  Fonds  der 
Gemeinde  angehen,  lezterem,  ausser  seinen  eigentlich  Amts- Verrich- 
tungen, die  Verpflegung  der  Armen  und  Kranken  und  vierteljährige 
Berechnung  der  Allmosen  Kassa,  wie  auch  die  vorkommenden  Aufsätze 
und  allenfalsige  Korrespondenz  zu  versehen  zukommen  —  von  allen 
zusammen  aber  die  Obsorge  für  das  Haus  und  alle  Ausfertigungen 
und  besonders  auch  die  jährliche  Rechnungs- Ablegungen  an  die  Län- 
desstelle und  hinfort  jederzeit  an  die  Gemeinde  besorget  werden ; 

6)  daß  diese  Vorsteher,  um  nicht  in  solchen  Verwendungen 
fiir  das  allgemeine  Beste  Einem  mehr  als  dem  andern  zuzutheilen, 
zwey  Jahre  nur  am  Dienste  bleiben  und  darum  hinfiihro  jährlich 
zweye  von  Jhnen  abgehen  und  durch  neugewählte  ersetzet  werden 
sollen;  oder  aber  vier  Jahre  —  wo  dann  alle  Jahre  nur  ein  Platz 
zu  verändern  käme;  und  da 

c)  zu  dieser  Geschäftsbesorgung  nicht  ein  jedes  Glied  der 
Gemeinde  auf  gleiche  Art  die  Hände  bieten,  wohl  aber  von  Zeit 
zu  Zeit  und  nach  jedesmaliger  Erforderniß,  mit  denen  Herrn  Vor- 
stehern, es  sey  mündlich  oder  schriftlich,  in  Berathung  tretten  kann, 
so  würden  diejenigen  Mitglieder  der  Gemeinde,  welche  bisher  schon 


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42 

sowohl  auf  solche  Weise  als  durch  Geldbeyträge  zu  ihrem  Besten 
mitgewirket  haben,  und  jene  neu  hinzugekommenen  Glieder,  welche 
auf  gleiche  Art  im  Stande  und  geneigt  hierzu  sind,  als  Repräsen- 
tanten der  ganzen  übrigen  Gemeinde  anzusehen  seyn ;  und  in  solchen 
Fällen,  wo  die  Vorsteher  etwas  nicht  vor  sich  abthun  können,  z.  B. 
bey  der  Wahl  eines  Predigers,  oder  sonst  einer  Hauptveränderung  — 
oder  wo  dieselbe  sonst  weitere  Rücksprache  zu  nehmen  wünschten, 
würden  dergleichen  Geschäfte  vorläufig  mit  Jhnen  behandelt  und 
von  diesem  engeren  Ausschusse  der  ganzen  Gemeinde,  mit  ihrem 
vorläufigen  Gutachten  begleitet,  zur  Kentniß  und  Beurtheilung  aller 
übrigen  angesessenen  Mitglieder  gebracht. 

d)  Die  eigentlichen  Vorsteher  würden  sodann  von  Jahr  zu  Jahr, 
sobald  die  vorjährige  Rechnung  geschlossen  und  abgeleget  ist,  aus 
der  Zahl  dieser  Repräsentanten  gewählet;  wobey  übrigens  darauf 
zu  sehen  seyn  würde,  daß  die  äussere  Lage  derselben  die  Über- 
nehmung dieser  besondere  Bemühungen  schiklich  macht ;  in  welcher 
Rüksicht  die  Nahmen  dieser  Gemeindsglieder  bey  jeder  neuen 
Vorsteher  Wahl  sämtlichen  Gliedern  der  Gemeinde  zu  Jhrer  Ent- 
scheidung durch  Stimmen  Mehrheit  vorzulegen  wären; 

e)  würde  diese  Wahl  dadurch  am  leichtesten  und  besten  bestimmt 
werden  können,  daß  jedes  Gemeindsglied  unter  den  verzeichneten 
Nahmen  denjenigen  unterstriche,  welchem  es  seine  Stimme  zutheilet, 
und  diesen  Zettel  versiegelt  zurücksendet  oder  in  dem  Bethause 
abgiebt;  worauf  an  dem  bestimmten  Tage,  in  einer  diesfälligen 
Zusammentrettung  derer  Herrn  Vorsteher,  die  Stimmenzählung  vor- 
genommen, gehörig  protokoUiret,  und  die  getroffene  Wahl  am  nächsten 
Sonntage,  wie  es  auch  anderwärts  üblich  ist,  der  versamleten  Ge- 
meinde angezeiget  würde. 

Übrigens  wären  der  näheren  Ausführung  dieser  Statuten,  in 
wie  ferne  diese  Hauptideen  derselben  genehmiget  werden,  in  einem 
Anhange  für  sämtliches  der  Gemeinde  dienendes  und  ihr  allein 
unterstehendes  Personale  solche  Instruktionen  beyzufügen,  welche 
deren  Dienst  auf  das  genaueste  bestimmten  und  dadurch  die  Be- 
urtheilung seiner  Erfüllung  leiteten,  um  Jedem  derselben  bey  seiner 
Annahme  mitgetheilet  und  in  lezterer  zum  entscheidenden  Grunde 
gelegt  zu  werden. 

Wien  den   I2i55  November  1788. 

Karl  Wilhelm  Hilcheiibach, 
Superintendent  und  Prediger  der  Gemeinde. 


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IIL 

Bericht   über   das    Martyrium   zweier   Lutheraner   im 
Sohler  Comitate  vom  24.  August  1Ö27. 

Mitgetheilt  von  JOS.  RYDEL,  Cand.  theol. 

Die  hier  zum  Abdruck  gelangende  Handschrift,  fünf  Seiten 
kl.  4«  enthaltend,  ist  einem  Buche,  welches  einst  Eigenthum  des 
evang.-lutherischen  Pfarrers  und  slowakischen  Dichters  Samo  Chaliipka 
(geb.  12.  Februar  1812,  f  12.  Mai  1883)  war  *),  entnommen,  wo  sie 
zusammengebunden  mit  mehreren  kleineren  Abhandlungen  *)  die  zwei 
letzten  Blätter  bildete,  so  zwar,  dass  die  5.  Seite  der  Handschrift 
schon  auf  der  inwendigen  Seite  des  Deckels  selbst  geschrieben  steht. 

Die  Sache,  von  der  die  Handschrift  berichtet,  ist  keineswegs 
unbekannt.  Schon  Peter  Petsch  weist  in  seinem  1612  bei  Joh.  Fischer 
in  Kaschau  gedruckten  , Malleus  Peniculi  Papistici*,  also  noch  zwölf 

')  Diese  Handschrift  ist  jetzt  Eigenthum  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des 
Protestantismus  in  Oesterreich,  ein  Geschenk  des  evang.  Pfarrers  Christ.  PospfSil  in 
Humpoletz  an  die  Gesellschaft. 

*)  Der  Reihe  nach  sind  es  folgende  Abhandlungen: 

a)  Relatio  historica  de  habito  nuper  Ratisbonae  CoUoquio  inter  Augustanae 
Confessionis  Theologos  et  Pontificios.     Autore  Aegidio  Hunnio.  Witebergae  1602. 

b)  Apologia  pro  Synodo  Solnensi,  eiusque  Constitutionibus :  opposita  turgidae 
contradictioni  et  inhibitioni  Illustrissimi  Domini  Francisci  Forgach  de  Ghimes,  Archi- 
episcopi  Strigoniensis  et  Ecclesiae  Cardinalis.     Cassoviae  1610. 

c)  Decreta  et  Sanctiones  Synodi  Provincialis  ab  Illustrissimo  atque  Reverendissimo 
in  Christo    Patre  Francisco  Forgacz   de   Ghimess  etc.    Posonii   1611.     (Eine  Abschrift.) 

d)  Peniculus  papponim  Apologiae  Solnensis  Conciliabuli  etc.  Johannes  Jemicius, 
Parochus  Senquicensis,  scribebat.  Posonii  16 10. 

e)  Malleus  Peniculi  Papistici  adversus  Apologiam  Solnensis  Synodi  editi,  id  est, 
Refotatio  errorum,  calumniarum  etc.  Scribebat  Petrus  Petschius,  minister  Ecclesiae 
Freywaldensis.  Cassoviae  16 12.  —  Im  ersten  Capitel  dieses  Malleus,  welches  über- 
schrieben ist:  „De  origine  et  statu  contröversiae",  wird  S.  9  des  Martyriums  vom 
24.  August  1527  mit  folgenden  Worten  Erwähnung  gethan:  „Exstat  etiam  litteris  a 
Lconhardo  Stoeckelio  proditum,  quo  pacto  et  Pastor  Ecclesiae  Libethensis  et  Scholae 
ejusdem  Rector,  ob  denegatum  Mariae  invocationis  honorem,  vivi  ustulati  et  incinerati 
faerint,  aller  Veterisolii,  alter  prope  Dobronnam."  Durch  die  Randbemerkung  „Vide 
infra  historiam  manuscriptam"   wird  auf  unsere  Handschrift  hingewiesen. 


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Jahre  vor  der  Abfassung  unserer  Handschrift,  auf  eine  durch  den 
berühmten  Rector  der  lutherischen  Schule  in  Bartfeld  Leonhard 
Stöckel  verfasste  schriftliche  Aufzeichnung  des  Martyriums  vom 
24.  August  1527  hin.  Aber  viel  mehr  als  Petsch  weiss  über  das 
Martyrium  vom  24.  August  1527  Ribini  zu  erzählen,  der  sich  sowohl 
auf  die  ,Micae  historico-chronologicae*  des  Joh.  Burius,  als  auch  auf 
das  mündliche  Zeugniss  eines  Freundes,  der  diese  Geschichte  in  der 
Matrikel  der  Stadt  Liebethen  gelesen  haben  soll,  beruft.  Bauhofer, 
Kuzmany,  und  unter  Berufung  auf  diese  Borbis  *),  sind  dann  schon 
im  Stande  anzugeben,  dass  der  eine  Märtyrer,  der  Prediger,  Gregori, 
der  andere,  der  Schulrector,  Philipp  Nicolai  geheissen  habe.  — 
Hieraus  erhellt  mit  Deutlichkeit,  einmal,  dass  die  Sache  genugsam 
bekannt,  und  sodann,  dass  sie  in  mehreren  Varianten  vorhanden  ist. 

Die  vorliegende  Handschrift  ist  eine  jener  Variationen.  Sie  hat 
bis  jetzt  noch  kein  Historiker  gekannt  und  benutzt.  Dieser  Umstand 
gab  den  Anlass  zu  ihrer  Veröffentlichung. 

Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  die  Handschrift  auf  schwachem 
Papier  geschrieben  und  daher  minder  gut  conservirt  ist,  sich  aber 
dessenungeachtet  vollständig  und  sicher  hat  ablesen  lassen. 


De  Ministro  Ecclesiae  Libetensis  et  Scholae  Rectore  loci  ejnsdem 
Martyribiis,  qiwrum  74terque  cremati  sunt,  et  hie  qjtidem  Veterisolii  ad 
siatuam  publicani,  ille  vero  inter  castelliim  et  oppidum  Dobronam  Ajino 

Christi  1527.  2^,  Aug. 
Valde  prodest  Martyrum  exempla  ac  eorum  memoriam  in  Ecclesia 
extare,  eaque  studio  et  opera  diligenti  saepius  animis  hominum  in- 
culcare,  ut  penitus  animis  hominum  inhaereant,  ne  fractae  imbecil- 
liorum  mentes  facile  patiantur  se  suppliciis  a  doctrina  Christiana 
deterreri  et  excuti.  Et  constantia  confessorum  ac  fortitudo  martyrum 
confirmat  alios,  non  solum  quia  miraculum  est,  quo  deus  ostendit 
se  robur  addere  contra  terrores  et  supplicia,  et  praesentiam  suam 
multipliciter  declarat :  sed  etiam  quia  celsitudo  animorum  in  his  qui 
supplicia  placide  sustinent  ostendit,  Evangelium  efficax  esse  in  his, 
et  semen  esse  dei,  quo  inchoatur  vita  aetema,  justitia  et  laetitia. 
Quare  de  Ecclesia  optime  meretur  qui  scriptis  suis  posteritati  martyria 
piorum  bona  fide  confirmat.  Et  mirum  est  profecto  nationes  alias 
Christianas  suorum  martyria  accuratiori  diligentia  consignare,  nostram 
vero  patriam  suorum  silentio  ingrato  praeterire,  qualia  fortassis  plura 

*)  Die  evang.- lutherische  Kirche  Ungarns  (NÖrdl.  1861),  S.  10. 

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45 

extant,  quam  credi  posset,  sed  nos  referemus  ea  tantum,  quae  hie 
apud  nos  Veterisolii  et  Dobronae  facta  sunt,  ea  fide,  qua  nobis 
relatum  est  ab  iis  qiii  meminere  et  oculati  festes  fuere. 

Turcarum  Imperator  progressus  in  Hungariam  cum  Ludevicum 
Regem  proelio  superasset,  et  is  in  fuga  miserabiliter  fuisset  extinctus, 
Ferdinandus  Regnum  sibi  deberi  contendebat,  sed  adversarium  habuit 
Johannem  Voyvodam  Transylvanum  Sepusiensem.  Dissidio  inter 
ordines  Regni  Hungariae  orto,  bello  res  gesta  est,  quod  Germanis 
aliisque  finitimis  etiam  exitiale  fuit.  Nam  Turcarum  Imperator  in 
suam  fidem  ac  tutelam  postea  recepit  Voivodam,  et  tradita  Buda 
Regem  constituit  beneficiarium  ac  clientem,  Jovio  teste  üb.  28,  quod 
factum  est  Anno  Christi  1526.  Anno  postea  sequente  Metallici  Novi- 
solienses  saepius  questi,  tardius  quam  par  esset,  sibi  satisfieri,  seque 
sua  fraudari  mercede,  consensu  unanimi,  Regis  infra  Villam  (Krälovna) 
armati  consedere.  Sed  Voyvoda  expeditis  Sobi  Michaele,  Magistro 
Stephano  et  Rackaij  Casparo  demandavit,  ut  sopito  tumultu  rem 
componant.  Inclarescere  tum  incipiebat  in  Hungaria,  praecipue  in 
Montanis  Civitatibus,  lux  Evangelii,  sed  obscurius,  Apud  Libetenses 
tarnen  faeiliori  progressu  opera  Nicolai  cujusdam  ministri  verbi 
divini,  qui  fuit  vir  doctus  et  masculo  animo,  adjuncto  sibi  velut  fideli 
Tiapaora-qj  Rectore  Scholae  ejusdem  loci,  viro  sincerioris  religionis 
studiosissimo.  Dolebat  Satanae  suas  sensim  pelli  tenebras,  neque 
prius  quievit,  quam  per  sua  flabella  incendisset  hosce  Regis  Com- 
missarios,  ut  in  istos  Sectarios  saevire  inceperint.  Missis  itaque 
apparitoribus  a  Libetensi  Ecclesia  Ministrum  exposcunt  sibi  dari,  in 
quem  ut  in  haereticum  sceleratissimum  ex  officio  et  fide  animad- 
vertant.  Renuunt  illi  primo,  et  Ministro,  ut  sese  in  locum  tutiorem 
recipiat,  tantisper  dum  impetus  iste  resideat,  consulunt.  Commissarii 
quos  diximus,  suos  administros  manu  armata  Libetenses  invadere 
praecipiunt.  Capti  sunt  itaque  ex  ordine  Senatorio  sex,  unaque  cum 
Rectore  Scholae,  qui  sibi  incautius  cavit,  Veterisolium  bini  et  bini 
catenis  vincti  adducuntur.  Examinati  in  religione  veritatem  fatentur 
ingenue  et  aperte.  Monent  primum  eos,  ut  Satanica  illa  haeresi 
abjurata  redeant  in  Ecclesiae  Catholicae  gremium.  Recusant  ilH 
veritatem  contra  conscientiam  negare,  hominis  esse  fanatici,  asserentes. 
Minis  tum  eos  absterrere  tentant,  sed  nullo  profectu.  Quos  cum  usque 
adeo  constantes  viderent,  haereticos,  et  qui  igne  sint  digni,  palam 
nullo  contradicente  proclamant.  Rapitur  ad  rogum,  qui  ad  statuam 
in  Civitate  publicam  congestus  fuit,  Scholae  moderator,  tanquam  qui 


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46 

et  confidentius  responsaret  adversariis,  et  ad  constantiam  suos  Cives 
captivos  hortaretur  animosius.  Cui  rogo  cum  impositus  in  carpento 
quodam  esset,  acclamabant,  ut  Mariäm  tanquam  suam  Patronam  et 
Advocatam  compellaret ;  fore  ut  hoc  pacto  liber  evadat.  Quod  ut 
faceret,  se  nullatenus  adduci  passus  est,  Jesum  Christum  intercessorem 
suum  unicum,  in  quo  solo  acquiescat  nee  alios  exoptet,  agnoscens. 
Constanti  tum  animo  perfert  supplicium  et  inter  preces  animam 
exhalat.  Spectatum  fuerant  producti  et  senatores  vincti,  quibus 
etiam  minitati  sunt,  eos  eundem  vitae  exitum  manere,  nisi  ministrum 
Ecclesiae  patefaciant  et  ex  latibulis  producant,  ipsique  poenitentia 
seria  repudiatis  erroribus  se  denuo  matri  Ecclesiae  incorporent. 
Veniunt  interea  legati  Montanarum  Civitatum  et  pro  captivis  inter- 
cedunt,  neve  ad  supplicium  cum  ipsis  properetur  obnixe  orant :  quod 
etiam  impetrant.  Non  potuit  autem  Minister  latere:  productus  ex 
fodinis  locis,  in  quos  concesserat,  in  manus  Inquisitorum  venit.  Hunc, 
postquam  diu  multumque  deliberassent,  Budam  ad  Regem  una  abdu- 
cendum  censent.  Progressi  uno  milliari  ad  Dobronam  Castellum 
usque,  nescio  quo  spiritu  illos  exagitante,  mutant  animum.  Varie 
tum  illum  dehortati  sunt  a  proposito,  utque  redeat  ob  sacra  obtestan- 
tur,  impunitatem  pollicentur,  beneficiis  allicere  Student,  gratiann  et 
Regis  favorem  prolixe  offerunt,  igne,  aut  si  quid  majus  est  ig'ne, 
poenis  denique  infernis  avocare  pertentant.  Sed  Dei  spiritu  eum 
confortante  invictus  intrepidusque  permanet.  Stat  sententia  quo  deus 
velit  sequi,  paratus  deteriorem  etiam  mortem  subire,  addit,  se  sibi 
perbene  esse  conscium,  se  verum  ad  coelestem  patriam  iter  tenere, 
nee  expedire,  ut  gradum  revocet,  se  non  morari  ipsorum  aut  Regis 
quoque  in  se  futuram  quam  promittant  benevolentiam,  se  praeferre 
Salvatoris  sui  Christi  gratiam  et  impensum  erga  quosvis,  qui  vera 
fide  ad  ipsum  confugiant,  amorem.  Non  insuper  se  terreri  flammis 
gehennae,  Christum  esse  suum  refrigerium,  qui  sit  ipsum  in  coelestenn 
Paradysum  translaturus,  simulac  hisce  flammis  dissolveretur.  Quo 
responso  accepto,  Inquisitores  cremari  jubent.  Sic  in  vera  fide  Filii 
dei  agnitione,  professione,  invocationeque  est  mortuus. 

Hanc  historiam  ego  de  verbo  ad  verbum  inserueram:  sed  non 
placuit  eam,  nescio  quo  consilio,  publici  juris  fieri,  ne  Pontificii  ex- 
tenderent    nigrum   Artyculum    de    comburendis    haereticis,    et    inde 

stabilirent  hodie  suam   tyrannidem. 

A.  S.    Ao.  1624. 
4.  Mali. 


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IV. 

Bericht  des  Central -Vorstandes  über  das  Vereins- 
jahr 1885. 

In  der  Versammlung  des  Centralvorstandes  am  16.  Februar  1886 
berichtete  der  Präsident,  dass  der  Stand  unserer  Gesellschaft  im 
Wesentlichen  derselbe  wie  im  vorigen  Jahre  sei;  es  bleibe  sehr 
erwünscht,  dass  sie  im  Interesse  ihres  hochwichtigen  Zweckes  unter 
den  Protestanten  Oesterreichs  eine  lebendigere  und  thatkräftigere 
Theilnahme  finde. 

Darauf  erstattete  der  Schatzmeister  Herr  Dr.  R.  von  Sääf  den 
Cassabericht  über  das  abgelaufene  Vereinsjahr  unter  gleichzeitiger 
Vorlage  der  Belege. 

I.  Einnahmen. 

A.  Saldo  vom  Jahre  1884 1360  fl.  27  kr. 

B.  Eingegangene  Mitgliederbeiträge: 

pro   1881:      I  Beitrag  ä  5  fl.  =  S  fl. 

pro   1882:      2  Beiträge  ä  5  fl.  =     IG  fl. 

I  Beitrag  ä  3    ,  =      3    >      I3    3 

pro   1883:    15  Beiträge  ä  5  fl.  =    75   fl. 

12         ,  ä  3    ,  =    36   >    in    , 

pro   1884:    36  Beiträge  ä  5  fl.  =  180  fl. 

22  ,  a  3    ,  =_ö6__»_246    , 

pro   1885:    84  Beiträge  ä  5  fl.  =  420  fl. 

n  .  ä  3    ,  =    33    , 

I  Beitrag  ä  6    ,  = 6    ^   459    ,        834    ,    —    , 

C.  Für  Verlauf  des    Jahrbuches*    im   Buchhandel 

in  den  Jahren  1884  und  1885        100   ^^   44    , 

D.  An  Interessen   von  den   Einlagen   bei   der  De- 

positenbank Buch  Nr.  21.047  u^d  26.696  .     .         33    »    47    > 


Gesammteinnahme  2328  fl.   18  kr. 
II.  Ausgaben. 

A.  Druckkosten   des   IV.    Heftes   des  Jahrg.    1884 

und  des  I.,  IL,  III.,  IV.  Heftes  1885      .     .     .  612  fl.   18  kr. 

B.  Honorare  an  die  Mitarbeiter  am  Jahrbuch*  234    ,    —    , 

C.  Regiespesen  für  Schreiber,   Eincassirer  der  Mit- 

gliederbeiträge, Portis,  Stempel  u.  s.  w.     .     .  60    ^^    60    , 

Gesammtausgabe  906  fl.  78  kr. 

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48 

Stellt  man  den  Einnahmen  per  2328  fl.  18  kr. 
gegenüber  die  Ausgaben         ,      906  »  78  , 
so  ergibt  sich  Ende  December  1885 

ein  Rest  von 1421  fl.  40  kr. 

Hievon  sind  bei  der  Allgemeinen  Depositenbank  laut 

Einlagebuch  Nr.  21.047 178  fl.  66  kr. 

,  ,    26.696 888    ,    12     , 

und  in  Händen  des  Rechnungslegers 354   j^    62    , 

Zusammen     142 1  fl.  40  kr. 

Dem  Schatzmeister  wurde  für  seine  Mühewaltung  der  gebührende 
Dank  ausgesprochen. 


V. 

Fünftes  Verzeichniss  der  Geschenke  für  die  Bibliothek 
und  das  Archiv  der  Gesellschaft. 

(Jahrbuch,  I.  Jahrg.   l88o,  S.  79—82,  174  f.;  II.  Jahrg.  1881,  S.  185  f.; 
VI.  Jahrg.   1885,  S.  98.) 

1.  Von  Pfarrer  Dr.  Elze  in  Venedig:  seine  Abhandlung  in  Herzog's  Real-Ency- 
klopädie,  II.  Aufl.,  Band  16,  über  „Trüber  und  die  Reformation  in  Krain*. 

2.  Von  Dr.  Rud.  Wölk  an  in  Prag:  seine  Schriften  .Nordböhmen  und  die  Re- 
formation. Barmen  1885**   und  „Leipa  zur  Zeit  der  Reformation.   Prag  1885,  I". 

3.  Von  k.  k.  Oberfinanzrath  und  Finanzdirector  Aug.  Dimitz  in  Laibach:  seine 
„Kurzgefasste  Geschichte  Krains  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Culturentwicklung. 
Laibach  1886". 

4.  Von  Professor  Dr.  Gotthardt  Lech  1er  in  Leipzig:  „Die  Vorgeschichte  der 
Reformation  Leipzigs".   1885.  (Ausschnitt.) 

5.  Von  Pfarrer  Sehe  uff  1er  in  Lawalde  (Sachsen):  M.  F.  Schmaltz,  „Erbauungs- 
stunden für  Jünglinge  und  Jungfrauen**.  8.  Aufl.  Leipzig  1843. 

6.  Von  Pfarrer  PospiSil  in  Humpoletz:  Altes  Manuscript,  drei  Quartblätter,  ent- 
haltend „De  Ministro  Ecclesiae  Libetensis  et  Scholae  Rectore  loci  eiusdem 
Martyribus,  quorum  uterque  cremati  sunt,  et  hie  quidem  Veterisolii  ad  statuam 
publicam,  ille  vero  inter  castellum  et  oppidum  Dobronam  Anno  Christi  1527. 
24.  Aug.^ 

7.  Von  Emil  D.  Fr  au  er  in  Triest:  Flacio.  Studio  biografico  storico  del  Dr.  Er- 
manno  Nacinovich.  Fiume  1886.  —  Biblioteca  della  rlforma  Italiana  raccolta 
di  scritti  Evangelici  del  secolo  XVI.  Volume  Primo.  Trattatelli  di  P.  P.  Vergerio. 
Roma  1883.  —  Volume  Secondo.  Seguito  de'  trattatelli  di  P.  P.  Vergerio  e  sua 
storia  di  Francesco  Spiera.  Roma  1883. 

Für  diese  Geschenke  dankt  Namens  des  Central  Vorstandes  auf 
das  Wärmste 

Alfred  Qrenser,  z.  z.  Archivar. 


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Jß)  fSS 


•r¥!  ijtenum^ikrifkt  (Uiiteiuah)  iSc 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger  Redactiun 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Unheil  können  wir  .  .  .  nur  wieder- 
holen. Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evai.- 
gelische  Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorig<rri 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Pror<- 
stantismus  wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per- 
sönliches   und  Allgemeines"   u.  s.  w. 

Neue  Evani^elische  Kirchenueitung  (Berlin)    i8Sj.  AV.  40 

„Es  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treflfliches 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvol!  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen*^    u.  s.  w. 

(Prof  Dr.  Horawitz)  Deutsche  Zeitung,  Wien  iS8j.   Nr.  410J. 

j,.  .  .  Wir  verfelilen  nicht,  die  Freunde  reformations-liisiorischer  Forschung  au: 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen.** 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  Evangelische  Kirchenzeitung  (Greifsw.)  18 Sj.  Nr.  48, 

„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wissen- 
schaftliche Gesellschaft  unserer  evangelis-chen  Kirche  aufs  Kräftigste  zu  unterstützen 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern." 

Evangelische  Kirchen%eitung  für   Oesterreich  (Bielitz)  1884,  Nr.  i. 


Znr  Nachricht. 

Se.  Erlaucht    der    Graf  und    Herr   von    Giech    auf   Thurnau    bei    Kulmbach    ir 

Bayern   hat    das    in    seinem  Besitz   befindliche    Porträt    des   berühmten    österreichischen 

Exulanten  Gallus  Freiherrn   zu  Rägknitz    (f    in  Nürnberg  1658)    dem    Central- 

vorstande  unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von 

der  Meisterhand  Sandrart  s  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künst 

lerischer   Umrahmung.    Vier  Medaillons  tragen    nebst  entsprechenden   Abbildungen  die 

Inschriften : 

Geh  nur  davon, 

Sey  fromm  für  mir, 

Gib  Armen  hier, 

Ich  bin  dein  Lohn. 

Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  I.  Mos.   12 : 
Geh  aus  deinem  Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm, 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild, 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron. 
Der  Central  vorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,    welche   im    Archiv   unserer    Gesellschaft   (Wien,    I.    Dorotheergasse   16)    a  i   li. 
zu  haben  ist. 


Druck  von  Wilhelm  Kühler.  Wien,  VI.  Mollardffiuisc  41. 


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RBUCH 


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WlW  und  LuifJÄlg. 


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Inhalt  Ton  Heft  II. 


if  rriritiuri     in    • 


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Zur  Beacntung. 


■n   Behuf*?  Exrn 


ir  «n   miceni  r 

1^-    r»     ' 


VI, 

Dr.  Martin  Luther's   400jährige   Geburtstagsfeier 
in  Oesterreich 

am  10.  und  II.  November  1883. 

Von  Johann  DEDIC,  evang.  Pfarrer  in  Olmütz. 

n.    (Fortsetzung.)!) 

b)  Lutherfeier  am  11.  November, 

Den  Mittel-  und  Höhepunkt  der  zu  Ehren  Dr.  Martin  Luther's 
veranstalteten  Festivitäten  bildete  die  —  des  grossen  Gottes-  und 
Kirchenmannes  unstreitig  würdigste  —  Feier  in  der  Kirche  am 
II.  November.  In  allen  evangelischen  Gemeinden  wurden  an  diesem 
Tage  tiefergreifende,  begeisterte  und  begeisternde  Festgottesdienste 
veranstaltet. 

Schon  bei  Tagesgrauen  verkündete  ein  längeres  Festgeläute  im 
Vereine  mit  gelösten  Pöllersalven,  welch  letztere  hie  und  da  die 
fehlenden  Kirchenglocken  ersetzen  mussten  (wie  in  Arriach,  Ramsau 
und  anderwärts),  den  Anbruch  eines  hohen  Festtages.  Gleich  in 
den  frühen  Morgenstunden  ward  dem  Herrn  das  erste  Lob-  und 
Dankopfer  gebracht  in  den  ergreifenden  Chorälen,  welche  von  den 
Thürnren  •)  herab  in  kräftiger  Instrumentalmusik  nach  allen  vier 
Himmelsgegenden  hinaus  in  die  Lande  erklangen.  Und  als  dann  neuer- 
liches Geläute  den  Beginn  der  gottesdienstlichen  Feier  angekündigt, 
da  sah  man  festlich  gekleidete  Gruppen,  Alt  und  Jung,  trotz  aller 
Unfreundlichkeit  des  Novemberhimmels,  welche!-  im  Tieflande  reich- 
liche Regenschauer,  auf  den  Höhen  aber  Wintersturm  und  Schnee- 
flocken herniedersandte,  auf  allen  Stegen  und  Wegen,  von  Nah  und 
Fern,  einem  Punkte  zueilen,  der,  durch  reichen  Tannen-  und  Fahnen- 
schmuck aus  seiner  Umgebung  weithin  sichtbar  hervortretend,  Kirche, 
Schule  und  Pfarrhaus  vereinigte. 


i)  Vergl.  H,  I.  S.   1—32. 

>)  Thurmchoräle  in  Gablonz,  Reichenberg,  Salzburg,  Weiem,  Zaachtel  u.  a. 
Jahrbuch  des  Protestantismus  1886.  H.  H.  4 


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50 

Um  bei  dem  grossen  Andränge  jegliche  Störung  zu  verhüten 
und  eine  würdige  äussere  Ordnung  leichter  aufrecht  erhalten  zu 
können,  sammelte  sich  die  Schuljugend  nebst  den  Gemeindevertretern, 
Honoratioren  und  Gästen  zunächst  im  Schulhause,  anderwärts  (z.  B. 
in  Arriach  und  Mitterbach)  im  Pfarrhause,  von  wo  aus  dann  unter 
Glockengeläute,  Pöllerschüssen,  Vorantragung  der  Schulfahne  (Her- 
mannseifen), mit  klingendem  Spiele  (Rossbach,  Neuberg)  oder  Choral- 
gesange  (Arriach)  der  Fe^zug  ^)  sich  nach  dem  Gotteshause  in 
Bewegung  setzte,  wobei  verschiedene  Vereine  des  Ortes  (in  Ross- 
bach sogar  19  Vereine)  Spalier  bildeten"). 

Auch  die  inneren  Räume  der  Kirche  trugen  ein  festliches 
Gewand.  War  wegen  der  vorgerückten  Jahreszeit  kein  Blumenschmuck 
in  den  Gärten  und  Fluren  zu  holen,  so  boten  doch  die  Fichten- 
wälder ihr  Grün  zu  Festons  und  Guirlanden,  und  wo  auch  diese 
mangelten,  da  wurde  zu  Epheugewinden  (Lipkowitz)  oder  Kunst- 
blumen (Gr.-Lhota)  Zuflucht  genommen.  Kanzel  und  Altar  hatten 
ihre  schönste  Festbekleidung  angelegt,  und  die  Bildnisse  oder  Büsten 
der  Reformatoren,  passende  Altartransparente  (Dornbach:  „Hier 
stehe  ich!")  und  Inschriften')  mit  historischen  Angaben,  wie  auch 
bezügliche  Schriftstellen  vervollständigten  die  festliche  Ausstattung 
des  Inneren.  —  In  der  lutherischen  (böhmischen)  Kirche  Prags 
lagen  vor  dem  Altar  Lutherschriften  in  20  Folianten,  sämmtlich 
Ausgaben  des  18.  Jahrhunderts,  ausgebreitet,  ein  sinniges  Zeugniss 
der  hohen  Werthschätzung  der  evangelischen  Literatur,  aus  welcher 
die  heimische  Kirche  unter  den  Stürmen  der  Gegenreformation  im 
Verborgenen  ihre  Nahrung  und  Lebenskraft  geschöpft  hatte. 

Doch  den  schönsten  Schmuck  des  Festtages  bildeten  ohne 
Zweifel  die  Schaaren  Andächtiger,  welche  die  Gottes- 
häuser füllten.  Es  war  erhebend,  die  ausserordentliche  Theil- 
nahme  von  Jugend  und  Erwachsenen   zu  sehen,  die  ungeachtet  des 


1)  Festzug  in  Arriach,  Asch,  Gnesau,  Goisern,  Hermannseifen,  Mitterbach, 
Neuberg,  Reichenberg,  Rossbach,  Watschig,  Weiern,  Zauchtel  u.  a. 

*)  In  Bleiberg,  Dombach  u.  a.  war  der  Weg  zur  Kirche  mit  Alleen  junger 
Waldbäumchen  besäumt. 

»)  Historische  Daten:  Eisentratten:  „10.  November  1483",  —  ZI  an  rechts 
▼om  Altare  aus  der  Reformationsgeschichte,  links  aus  der  österr.  Kirchengeschichte 
seit  13.  October  1781. 


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51 

abschreckenden  Wetters  und  der  oft  meilenweiten  Wege  *)  herbei- 
gekommen waren,  um  an  heiliger  Stätte  sich  mit  Gleichgesinnten 
des  edlen  Glaubenshelden  zu  freuen.  Nicht  minder  erfreulich  war 
die  Wahrnehmung,  dass  in  vielen  Gemeinden  auch  Andersgläub^e ') 
und  selbst  Behörden ')  sich  eingefunden.  Auch  dem  evangelischen 
Militär  ist  in  mehreren  Gamisonsorten  (Görz,  Olmütz,  Salzburg)  die 
Theilnahme  an  der  gottesdienstlichen  Festfeier  ermöglicht  worden. 
Waren  die  Gemüther  schon  durch  den  symbolischen  Fest- 
schmuck und  den  Anblick  der  ungewöhnlichen  Versammlung  gehoben, 
so  wurden  sie  durch  den  nun  folgenden  herrlichen  Festgottes- 
dienst vollends  zu  freudigster  Begeisterung  fortgerissen.  Derselbe 
begann  mit  der  in  den  meisten  lutherischen  Gemeinden  nur  an  den 
höchsten  Festtagen  üblichen  Antiphone,  oder  einem  Lobgesange, 
worauf  eine  solenne  Liturgie*)  mit  passenden  Gebeten  und  Bibel- 
lectionen  (wobei  vielfach  auf  von  Luther  selbst  besonders  beliebte 
Schrifstellen  *)  Rücksicht  genommen  wurde)  nebst  Ablegung  des 
apostolischen  Glaubensbekenntnisses  (Trebesing,  Zlan.  Gallneukirchen, 
Linz,  Thening  u.  a.)  folgte.  An  die  Bibellection  schloss  sich  in 
den  Gemeinden,  wo  eine  Auslegung  des  Altartextes  noch  gebräuch- 
lich ist  (Attersee  u.  a.),  eine  die  Bedeutung  der  Feier  beleuchtende 
Altarfestrede  an.  Anderwärts,  wie  z.  B.  in  St.  Ruprecht,  wurden 
nach  der  Altarliturgie  Züge  aus  Luther's  Leben  mitgetheilt.  Den 
Uebergang  zum  Haupttheile  des  Gottesdienstes,  zur  Predigt,  bildete 
in  fast  allen  Gemeinden  Luther's  Kampf-  und  Siegeshymnus:  ,Ein' 
feste  Burg  ist  unser  Gott,*  hie  und  da  auch  mit  Posaunenbegleitung 

1)  Z.  B.  die  Mitglieder  der  vacanten  Gemeinde  Ober-Dubenky  betheiligten  sich  an 
der  Gottesdienstfeier  in  dem  vier  Standen  entfernten  Gross-Lhota. 

')  So  in  Bleibergf  Dombach^  Eisentratten  (unter  1500  Theilnehmern  V«  Katholiken), 
Marburg,  Pettau,  Schladming,  Salzburg,  Gablonz,  Hermannseifen,  Pilsen,  Reichenberg, 
Zauchtel,  Wsetin,  Olmütz,  Freiwaldau,  Wr.-Neustadt,  Laibach,  Cilli  u.  a. 

•)  In  Asch,  Aussig  a.  d.  E.,  Bielitz,  Bleiberg,  Olmütz,  Reichenberg. 

*)  Grosse  Liturgie  in  Gnesau,  Linz,  Gmunden,  Scharten  (zum  ersten  Male),  mit 
Benützung  des  liturgischen  Theiles  des  Natorp-Rink*schen  Choralbuches.  —  In  Attersee 
wurde  hierbei  Herold's  Schrift :  „Liturgische  Vesper  zur  400jährigen  Gedächtnissfeier* 
benfitzt.  —  In  Graz:  altlutherische  Altarliturgie. 

Luther's  Lieblings  psalm  n8  in  Gosau,  Linz  u.  a.  —  i.  Thess.  4,  13 — 17: 
der  Ton  Bugenhagen  bei  Luther's  Beerdigung  gebrauchte  Leichentext  in  Attersee. 
—  Luther's  letzter  Predigttext,  Matth.  I|,  15 — 16  in  Gnesau.  Zum  liturgischen 
Theile  wurde  das  Lied  Nr.  82  aus  dem  Liederbuche  für  Sonntagsschulen  von  H.  Meyer 
und  L.  Tiesmeyer  gesungen. 

4* 


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52 

(Wien,  Brunn,  Olmütz,  Graz  —  hier  zugleich  mit  Glockengeläute  — , 
Krakau,  Lemberg),  wie  denn  dieser  gewaltige  Choral  an  den  Fest- 
tagen in  verschiedenen  Sprachen  in  den  weiten  Gauen  Oesterreichs 
angestimmt  wurde. 

Zur  grösseren  Verherrlichung  der  Gedenkfeier  haben  es  die 
meisten  Kirchengemeinden  an  Bemühungen  nicht  fehlen  lassen,  aus 
ihrer  Mitte  eigene  Gesangschöre,  hier  Kinder-  *),  dort  Männer-  '), 
anderwärts  wieder  sogar  gemischte  Chöre  ■)  zu  errichten,  eine  Auf- 
gabe, welche  namentlich  in  ländlichen  Gemeinden  nicht  leicht  durch- 
zuführen war  und  zu  deren  erfolgreicher  Lösung  wiederum  die 
evangelischen  Lehrer  in  unverdrossener  Mühewaltung  die  Haupt- 
sache beigetragen  haben.  Und  wo  zu  diesem  schönen  Zwecke  die 
eigenen  Gesangskräfte  nicht  ausreichten,  da  haben  auswärtige 
Gesangvereine  *)  oder  Musikkapellen  *)  bereitwilligst  die  Mitwirkung 
beim  Festgottesdienste  übernommen.  Auf  diese  Weise  hat  das 
Gottesdienst -Programm  vieler  Orte  durch  Einlagen  von  Gesangs- 
vorträgen, Wechselgesängen,  Festeantaten  eine  vortheilhafte  Be- 
reicherung erfahren. 

Als  Beleg  hiefiir  sei  das  Programm  angeführt,  nach  welchem 
die  Lutherfeier  in  der  evang.  Kirche  A.  C.  in  Tri  est  (gemein- 
schaftlich mit  der  Kirchengemeinde  H.  C.)  eingerichtet  gewesen: 
I.  Gemeindegesang:  Nr.  5  V.  i  (Württemb.  Gesangb.)  , Womit  soll 
ich  Dich  wohl  loben*  u.  s.  w.;  2.  Altardienst:  Gebet,  Sonntags- 
Collecte,  Epistel  i.  Thess.  4, 13 — 15  (Vicar  Jurany  H.  C.) ;  3.  Gemeinde- 
gesang: V.  2  des  obigen  Liedes;  4.  Altardienst:  Festgebet  (Pfr. 
Medicus  A.  C);  5.  Chorgesang:  »Lob  des  Herrn*,  von  J.  Clarke; 
6.  Predigt  und  Gebete;  7.  Chorgesang:  »Lobe  den  Herrn*,  von 
Joh.  Seb.  Bach;  8.  Altardienst  (Medicus);  9.  Gemeindegesang: 
»Ein*  feste  Burg*;  10.  Segenswunsch.  Die  Kirchengemeinde  Blei- 
berg  erhielt   zu   diesem  Jubelfeste   von   ihrem   ehemaligen  Pfarrer 


1)  Kinderchöre  in  BohusIawitK,  Gross-Lhota,  Opatowitz,  Zauchtel  a.  a. 

')  Männerchöre:  Asch,  Reichenberg,  Scharten,  Trebesing,  Zauchtel  u.  a. 

')  Gemischte  Chöre:  Attersee,  Gmunden,  Goisem,  HalUtatt,  Ischl,  Wr.Neu* 
Stadt,  Ramsau,  Vöcklabnick,  Wien  u.  a. 

*)  Aussig,  Bleiberg,  Brunn  (unter  Leitung  des  Dirigenten  Kitzler),  Dombach, 
Eisentratten,  Graz,  Hermannseifen,  Krakau,  Lemberg,  Olmütz  (Opernkräfte),  Pilsen, 
Rossbach,  Trebesing  u.  a. 

>)  Neuberg,  Olmütz  (k.  k.  Militärkapelle),  Zlan. 


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53 

Ed.  Schmidäg  sechs  passende  GelegenheitsHeder,  von  denen  zwei 
beim  Gottesdienste  zur  Verwendung  kamen  *). 

Selbstverständlich  bildete  den  Kernpunkt  der  Festgottesdienste 
die  Predigt  *)  des  durch  Dr.  Martin  Luther  wieder  zu  Tage 
geförderten  lauteren  Gotteswortes.  Aus  den  begeisterten  Herzen 
der  Festprediger  floss  inniger  Dank  gegen  Gott,  der  einen  schlichten 
thüringischen  Bergmannssohn  zu  seinem  Rüstzeuge  sich  auserwählt 
und  durch  dasselbe  der  ganzen  civilisirten  Welt,  namentlich  aber 
unserer  theuren  Kirche  einen  unerschöpflichen  Segen  bereitet  hat. 
Es  ist  unmöglich,  im  Rahmen  eines  knappen  Festberichtes  auf  alle 
die  treffenden  Gedanken,  ergreifenden  Schilderungen,  erbaulichen 
Ermahnungen  der  einzelnen  Predigten  einzugehen;  nur  so  viel  sei 
bemerkt,  dass  alle  Festredner  redlich  bemüht  waren,  ihrer  Aufgabe, 
Luther's  Leben  und  unvergängliche  Bedeutung  dem  heutigen  Ge- 
schlechte nachdrücklich  zum  Bewusstsein  zu  bringen,  vollauf  gerecht 
zu  werden.  Es  verdient  angesichts  der  leidigen  nationalen  Wirren 
ausdrücklich  hervorgehoben  zu  werden,  dass  die  Prediger  slavischer 
Zunge  überdies  die  Gelegenheit  benützten,  um  in  voller  Ueberein- 
Stimmung  mit  ihren  Gemeinden  vor  ihren  nichtevangelischen  Lands- 
leuten laut  und  offen  Zeugniss  abzulegen  für  den  deutschen  Re- 
formator, dessen  Culturarbeit  nicht  dem  deutschen  allein,  sondern 
namentlich  auch  dem  böhmischen  Volke  einen  Segen  gebracht,  an 
dem  heute  noch  selbst  Diejenigen  zehren,  welche  in  nationaler 
Verblendung  sich  gegen  alles  , Lutherische*  und  somit  j^Deutsche* 
ablehnend  verhalten. 

Das  der  Predigt  sich  anreihende  Kanzelgebet  brachte  vor 
Gottes  Thron  heisse  Fürbitten  der  evangelischen  Gemeinden  für 
den  erhabenen  Schirmherrn  unserer  Landeskirche,  Se.  Majestät  den 
Kaiser  Franz  Joseph  I.  und  sein  durchlauchtigstes  Herrscherhaus. 

In  zahlreichen  Gemeinden  ')  wurde  im  Anschlüsse  an  den 
Hauptgottesdienst  das  hl.  Abendmahl  gespendet,  wobei  man  dank- 


*)  Siehe  Anhang. 

*)  Die  Texte  und  die  Dispositionen  der  am  il.  November  1883  gehaltenen 
Festpredigten,  so  weit  wir  zu  deren  Kenntniss  gelangten,  bringen  wir  im  Anhange. 

>)  Bohnslawitz,  Cemilov,  Gallneukirchen  (Text  zur  Beichtrede  Matth.  11,  25 — 29), 
Jasscna,  Kfiilic,  LibStät,  Meran,  Mitterbach,  Mödling,  Prag  (böhmisch),  Salzburg 
(79  Communicanten),  Scharten  (Vor-  und  Nachmittags),  Thening  (108  Communicanten), 
Wald  und  Wallern. 


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64 

bewegt  Luther's  gedachte,  der  die  Darreichung  dieses  Sacramentes 
unter  »beiderlei  Gestalt*  der  Christenheit  zurückerobert  hat. 

Mit  Gesang  von  Lutherliedern,  Altar*Collecte  und  Segen  wiu-de 
der  Vormittagsgottesdienst  unter  Glockengeläute  und  PöUersalven 
geschlossen. 

Wir  erwähnen  noch,  dass  in  den  Gemeinden  der  oberöster- 
reichischen Diöcese  anlässlich  des  Festgottesdieitstes  ein  auf  die 
Gedächtnissfeier  bezugnehmender  Hirtenbrief  des  Superintendenten 
den  Hausvätern  eingehändigt  wurde;  wie  auch,  dass  in  nicht  wenigen 
Gemeinden  die  schon  bei  der  Schulfeier  angeführten  Festschriften, 
'Lutherbilder,  Lutheralbums  u.  s.  w.,  wo  dies  nicht  schon  früher 
•geschah,  nach  dem  Vormittagsgottesdienste  an  die  Schuljugend  *) 
vertheilt  wurden  und  auch  unter  den  Erwachsenen  ')  vielen  Absatz 
fanden. 

Ueberdies  hat  das  Festprogramm  in  einzelnen  Gremeinden  durch 
hinzutretende  kirchliche  Amtshandlungen  eine  unverhoffte  Bereicherung 
erfahren.  So  in  Reichenberg  durch  den  Umstand,  dass  dem  Pfarrer 
Ergenzinger  am  Geburtstage  Luther's  ein  Sohn  geboren  vmrde,  der 
-am  'II.  Nov.  nach  dem  Vormittagsgottesdienste  vom  Hofprediger 
Dr.  Bernhard  Rogge  aus  Potsdam  die  hl.  Taufe  erhielt,  wobei  das 
•Presbyterium  in  Stellvertretung  der  ganzen  Gemeinde,  welche  als 
solche  die  Pathenstelle  vertrat,  den  Taufetein  umstand.  Der  Täufling^ 
•erhielt  die  Namen  Martin  Bernhard  Oswald.  In  Cernilov  und 
Kti2lic  wurde  je  eine  katholische  Person  in  die  Gemeinde  auf- 
genommen. In  Mitterbach  fand  vor  dem  Gottesdienste  die  Ein- 
weihung der  Tags  zuvor  gepflanzten  Lutherlinde  mit  dem  Lobgesange 
.,Lobe  den  Herrn,  den  mächtignen  König*  u.  s.  w.  und  eine  Weihe- 
rede über  Col.  3,  17  am  Kirchplatze  statt;  nach  dem  Gottesdienste 
wurde  ein  Brautpaar  eingesegnet. 

In  dem  Rahmen  des  Fostgottesdienstes  wurde  namentlich  dort, 
wo  die  Veranstaltung  einer  Schulfeier  nicht  möglich  gewesen,  auf 
die  geistlichen  Bedürfnisse  der  anwesenden  Schuljugend  noch 
im  Besonderen  Bedacht  genommen.   In  Tressdorf,  Nasswald,  Feld, 

1)  In  Feld,  Görz,  Gr.Lhota,  Gn«sau,  HallsUtt,  Ischl,  Linz,  MödUng,  OlmüU. 
Steyr,  Vöcklabruck,  Weiern  u.  a.  erhielt  jedes  Schulkind  eine  Festschrift. 

*)  In  Goisern  (300  Expl.),  Gosau,  Görz,  Attenee,  Feld,  Triest  (200  Expl.), 
Vöcklabrack,  Weiern,  St,  Ruprecht  (auch  28  Expl.  „Evangelien-Predigten  aus  Luther  s 
Postille*«)  u.  s.  w. 


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55 

Gnesau,  Görz,  Mödling  wurde  den  Kindern  in  einer  passenden  An- 
sprache die  Bedeutung  des  Tages  nahegelegt.  Auch  in  den  anderen 
Gemeinden  hat  die  Schuljugend  sich  an  der  gottesdienstlichen  Feier 
der  Erwachsenen  sehr  eifrig  betheiligt. 

Das  bei  der  iLutherfeier  eingegangene  Festopfer  wurde  zu- 
meist kirchlichen  Stiftungszwecken  gewidmet,  oder  diente  zur  Deckung 
der  Auslagen  für  Festschriften' u.  s.  w.  (Cernilov,  Ramsau).  In  Triest 
ward  eine  Festcollecte  für  die  Armen  veranstaltet,  welche  107  fl. 
ergab.  In  Mödling  wurden  am  Festtage  Mittags  die  Armen  der 
Gemeinde  gespeist. 

Doch  einige  evangelische  Gemeinden  konnten  den  Jubeltag 
nicht  in  festlicher  Weise  begehen,  da  in  ihnen  damals  die  Pfarr- 
stelle  erledigt  war.  Nicht  alle  waren  so  glücklich,  einen  Festpredtger 
zu  finden,  wie  Gablonz,  wo  Cand.  theol.  Härtig  aus  Leipzig  den 
Vormittagsgottesdienst  leitete,  oder  Steyr,  wo  Pfr.  Koch  aus  Linz 
einen  Nachmittagsgottesdienst  abhielt;  manche  mussten  sich  mit 
einfachen  Lesegottesdiensten  begnügen,  wenn  sie,  der  grossen  Ent- 
fernung wegen,  nicht  in  der  Lage  waren,  sich  am  Festgottesdienste 
in  einer  Nachbargemeinde  zu  betheiligen.  So  wird  aus  Rybnik 
(Böhmen)  berichtet:  ,Mit  Thränen  in  den  Augen,  eine  Heerde  ohne 
Hirten,  feierten  wir  den  400jährigen  Geburtstag  Luther's  mit  einer 
schlichten  Andacht,  wobei  ,Ein'  feste  Bui^  ist  unser  Gott*  an- 
gestimmt, der  44.  Psalm  und  eine  Predig^  aus  Sartorius'  Postille 
über  Matth.  24,  15 — 28  vorgelesen  wurde.  Mit  dem  Gesänge  von 
,Herr  Gott,  Dich  loben  wir*  endete  die  überaus  einfache  Feier,* 
Auch  in  den  von  ihren  Muttergemeinden  weit  abgelegenen  Filialen 
konnten  nur  Lesegottesdienste  statthaben  ^).  So  wurde  in  Ischl  eine 
Predigt  von  Römheld  über  Gal.  5,  i  vom  evang.  Lehrer  gelesen. 

Wo  es  die  localen  Verhältnisse  gestatteten,  wurde  auch  eine 
kirchlich  e  Nachmittagsfeier  veranstaltet.  Darüber  ist  Folgendes 
zu  berichten:  In  Eferding.Scharten,  Steyr,  Thening,  Asch, Bohuslawitz 
und  im  Lutherstifle  zu  Königgrätz  fand  .ein  feierlicher  Festgottesr 
dienst  der  Gemeinde  mit  Gesang,  Altarliturgie  und  Predigt  statt; 
anderwärts,  wie  in  Jassena,  Olmütz,  Gross-Wrbka,  Hermannseifen 
(im  Schulhause),  KfiXlic,  Libitat  (im  Pfarrhause),  Hallstatt,  Ischl 
und  Attersee  ein   Gottesdienst  für  die  Schuljugend    mit   einer  An- 

^)  Ein  solcher  wurde  auch  in  Neuberg  abgehalten,  während  der  grösste  Theil 
der  Gemeinde  sammt  Pfarrer  und  Presbyterium  bei  der  Lutherfeier  in  Asch  zugegen  war. 


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56 

Sprache  an  dieselbe  und  Erzählungen  aus  Luther's  Leben,  passenden 
Chören  und  Declamationen.  In  Attersee  fand  nach  kurzer  Liturgie 
und  Gebet  und  einer  Ansprache  des  Pfarrers  über  i.  Sam.  III  eine 
Festkatechese  durch  den  Lehrer  statt;  die  von  den  Kindern  vor- 
getragenen Gedichte  waren  der  von  Dr.  Braun  herausgegebenen 
Sammlung:  ^Martin  Luther*,  die  Kinderchöre  der  vom  oberösterr. 
Superintendenten  den  Lehrern  zugesandten  Schrift:  , Lutherfeier* 
entnommen. 

In  einigen  Gemeinden  gestaltete  sich  der  Nachmittagsgottes- 
dienst zu  einer  erhebenden  liturgischen  Feier,  welche  auf  die  An- 
wesenden um  so  mächtiger  wirkte,  als  sie  in  künstlerisch  vollendeter 
Form  nur  äusserst  selten  geboten  werden  kann.  Nach  einem  sehr 
reichhaltigen  Programm  wurde  dieselbe  in  Gmunden  abgehalten, 
wo  freie  Vorträge  über  Luther 's  Leben  mit  Gesängen  der  Gemeinde 
und  des  Kirchenchors  abwechselten.  Der  liturgische  Gottesdienst, 
welcher  von  2 — 4  Uhr  dauerte,  nahm  hier  folgenden  Verlauf:  Nach 
dem  Gemeindegesange  »Ach,  Gott  vom  Himmel  sieh'  darein* 
(Str.  I,  3,  4)  warf  der  Ortspfarrer  einen  kurzen  ^^  Rückblick  auf  das 
Ende  des  Mittelalters,  die  Vorläufer  Luther's,  ferner  dessen  Geburt, 
Jugend  und  Klosterleben*.  Hierauf  sang  der  Kirchenchor:  »Der 
Winter  ist  vergangen*  u.  s.  w.,  worauf  der  Pfarrer  die  »Frucht 
des  Klosterlebens  in  Erfurt*  schilderte.  Nach  dem  Gemeindegesange 
»Aus  Gnaden  soll  ich  selig  werden*  u.  s.  w.  folgte  ein  Vortrag 
über  »Luther  als  Professor  und  Prediger  in  Wittenberg,  seine 
95  Thesen  und  seine  Romreise*.  Nun  stimmte  die  Gemeinde  an: 
»Wachet  auf,  ruft  uns  die  Stimme*  u.  s.  w.  Damach  wurde  die 
»erste  These*  verlesen,  und  auf  die  Busse  als  den  Anfang  aller 
Predigt  hingewiesen;  worauf  der  Kirchenchor  das  »Bussgebet*  zum 
Vortrage  brachte.  Den  alsdann  entwickelten  Gedanken  über  »die 
Wirkung  der  Thesen  und  das  Evangelium  von  der  Gnade  und 
Herrlichkeit  Gottes*  gab  auch  das  nun  von  der  Gemeinde  gesungene 
Lied  »Wie  herrlich  strahlt  der  Morgenstern*  feierlichen  Ausdruck. 
Nun  folgte  die  Schilderung  der  »Thätigkeit  Luther's  von  1517 — 1521* 
und  sein  Bekenntniss  vor  dem  »Reichstage  in  Worms*,  worauf  der 
Chor  mit  der  Strophe  aus  Luther's  Choral  »Mit  uns'rer  Macht  ist 
nichts  gethan*  antwortete.  Die  folgende  Strophe  desselben  Chorals, 
von  der  Gemeinde  gesungen,  bildete  den  Uebergang  zu  der  Dar- 
legung der  »Acht  über  Luther*,  dessen  getroste  Zuversicht  nun  in 


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57 

dem  Liede  »Und  doch  will  ich  verzagen  nicht*  lauten  Ausdruck 
fand.  Nach  einer  Besprechung  der  stillen  Tage  , auf  der  Wartburg* 
leitete  der  Gemeindegesang  von  ,Ja,  Herr  Jesu,  bei  Dir  bleib' 
ich*  u.  s.  w.  zum  weiteren  Vortrage  »Die  Bibelübersetzung*  über, 
wornach  die  Gemeinde  »Herr,  Dein  Wort  die  edle  Gabe*  u.  s.  w. 
anstimmte.  Dann  schilderte  der  Pfarrer  »Luther's  weiteres  Wirken, 
seine  seelsorgerliche  Thätigkeit  zur  Pestzeit  1527*,  und  die  Gemeinde 
sang:  »Es  ist  ja,  Herr,  Dein  Geschenk  und  Gabe*  u.  s.  w.  Nach- 
dem »Luther  als  Liederdichter*  gewürdigt  ward,  trug  der  Chor 
»Gott  ist  mein  Lied*  u.  s.  w.  vor.  Der  nächstfolgende  Vortrag 
hatte  zum  Gegenstande  die  Entstehung  des  »Katechismus*,  »Luther's 
Aufenthalt  in  Coburg,  dessen  Lebensabend  und  Tod*,  worauf  der 
Choral  »In  meines  Herzens  Grunde*  von  der  Gemeinde  gesungen 
wurde.  Die  drei  letzten  Ansprachen  enthielten  neben  »Lob  und 
Dank*  gegen  Gott  für  Alles,  was  er  durch  Luther  gethan,  die 
Bitte,  dass  »wir  bei  ihm*  und  »er  bei  uns*  bleiben  möge,  und 
wurden  vom  Chorgesange  »Sei  Lob  und  Ehr'  dem  Höchsten*  u.  s.  w. 
und  dem  Gemeindegesange  von  »Lass'  mich  Dein  sein  und  bleiben* 
u.  s»  w.  an  passenden  Stellen  unterbrochen.  Nach  dem  Schlusschore 
»Ach  bleib'  bei  uns,  Herr  Jesu  Christ*  ertheilte  der  Pfarrer  den 
Segen  und  wurde  der  Gottesdienst  mit  dem  Liede  »Ach  bleib'  mit 
Deiner  Gnade*  beendet.  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  der  vom 
hannoverschen  Lehrer  Theodor  Meyer  geleitete  Kirchenchor,  in 
welchem  bei  dieser  Feier  auch  Ihre  Königl.  Hoheit,  die  Prinzessin 
Mary  von  Hannover  mit  ihren  Hofdamen  mitwirkte,  Vorzügliches 
leistete.  Zur  Melodie  des  ersten  Chores  (von  A.  Schröder  ursprünglich 
fiir  das  Weihnachtslied  »Ihr  Christen  auserkoren*)  wurde  im  Hinblick 
auf  einige  Verszeilen   in  Luther's  erstem  Liede   der  Text  gegeben : 

gDer  Winter  ist  vergangen,  Lass'  uns  im  Lichte  wallen. 

Der  Sommer  vor  der  Thilr*,  Erhalte  uns  Dein  Wort, 

Die  holden  Bltimlein  prangen,  Dir  möge  froh  erschallen 

Die  Sonne  strahlt  herfür.  Das  Loblied  fort  und  fort. 

Die  bist  Du,  Christ,  alleine,  Lass'  uns  als  Blümlein  prangen 

Dein  Licht  durchbricht  die  Nacht,  Zu  Deiner  Zier  und  Ehr', 

Dass  ob  dem  hellen  Scheine  Und  treulich  fortan  hangen 

Der  Frommen  Herze  lacht.  An  Dir  und  Deiner  Lehr'.* 

(Fr.  Koch.) 

Die  Choräle,  welche  der  Kirchenchor   zu  singen  hatte,  wurden 
nach  Bach'scher  Bearbeitung  vorgetragen.  —    In  Wallern  wurde 


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-die  liturgische  Feier  nach  dem  in  R.  Herros^'s  Verlage  in  Witten- 
berg erschienenen  Muster  »Liturgischer  Gottesdienst  zur  Lutherfeier* 
abgehahen.  Da  dasselbe  wohl  nicht  allgemein  bekannt  sein  dürfte, 
wollen  wir  auch  hier  eine  knappe  Skizze  des  Gottesdienstverlaufes 
beifügen: 

Gemeindegesang:  ,  Komm,  heiliger  Geist,  Herre  Gott!*  u.s.w. 
Geistlicher:  »Der  Herr  sei  mit  euchl* 
Gem.:  »Und  mit  Deinem  Geiste.* 

Geistl. :  Betet  an  den  Herrn  im  heiligen  Schmuck,  Hallelujah.* 
Gem.:  »Es  furchte  ihn  alle  Welt.  Hallelujah." 
Geistl.:   »Der  Herr  hat  Grosses   an  uns  gethan.   Hallelujah.* 
Gem.:  »Der  Herr   hat  Grosses   an   ims  gethan,  des   sind  wir 
'fröhlich.  Hallelujah.* 

Geistl.:  »Lobe  den  Herrn  meine  Seele,  Hallelujah.* 

Gem.:    »Und  vergiss  nicht,  was  er  Dir  Gutes  gethan  hat,  Hallel.* 

Collectengebet, 
Gem.:  »Du  werthes  Licht,    gib   uns  Deinen  Schein*    u.  s.  w. 

Ansprache. 
(An   die   Ansprache    wurde    die  Verlesung    des    in    der   Fest- 
nummer der  »Allg.  ev.-luth.  Kirchenzeitung*  enthaltenen  Bekennt- 
nisses Dr.  M.  Luther's  vom  Jahre  1529  und  des  letzten  Gebetes 
Luther's  geknüpft.) 

Chorgesang, 

Gem.:   »Es  wolle  Gott  uns  gnädig  sein*  u.  s.  w. 
Erste   Vorlesung: 
Die  Noth  der  Kirche. 
Gem.:  »Ob  bei  uns  ist  der  Sünde  viel*  u.  s.  w. 

Zweite   Vorlesung: 

Das  Erbarmen  des  Herrn. 

Gem.:  »D'rum  spricht  Gott:  ich  muss  auf  sein*  u.  s.  w. 

Dritte    Vorlesung: 

Die  Sendung  Luther's  und  die  Predigt  des  Evangeliums. 

Gem.:  »Nun  freut  euch,  lieben  Christen  gemein*  u.  s.  w. 

Vierte   Vorlesung: 
Der  Kampf  der  Kirche. 
Gem.:  „Ein*  feste  Burg  ist  unser  Gott"  u.  s.  w. 


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'Fünfte   Vorlesung: 
Der  Sieg  der  Kirche. 
Gem.:  »Und  wenn  die  Welt  voll  Teufel  war'*  u.  s.  w. 

Freies  Gebet, 
Gem.:  „Das  Wort  sie  sollen  lassen  stah'n*'  u.  s.  w. 
Collectengebet. 
Segen. 
Gem.:  „Es  danke  Gott  und  lobe  Dich**  u.  s.  w. 

Auch  in  Ruzenmoos  fand  ein  liturgischer  Nachmittagsgottes- 
dienst statt,  welchem  die  ,  Andacht  zum  Lutherfeste*  von  Fr.  Zimmer, 
kgl.  Musikdirector  in  Osterberg,  und  Lic.  Dr.  E.  Sommer,  Pfarrer 
zu  Stendal,  zu  Grunde  gelegt  war.  Es  wechselten  Liturgie,  gemischter 
Chor,  Solis  und  Gemeindegesänge  ab.  Verlesen  wurde  Ps.  130,  i — ^3 ; 
51,  12—13;  Jes.  43»  25;  Jer.  58,  i— 12 ;  Joh.  2,  13—17;  Amos  8,  11; 
Mich.  4,  2;  Ps.  25,  8—9;  Jes.  48,  17 — 18;  Col.  3,  10;  Jak,  i,  21; 
Rom.  3,  14 — 26.  Der  Ortspfarrer  hielt  dann  eine  Ansprache  über 
flLuther's  Leben  als  Vorbild  für  unser  Gemeinde-  und  Geistesleben*. 
Mit  dem  Liede  »Ein*  feste  Burg*  wurde  die  Feier  geschlossen. 

Doch  auch  in  anderer  Weise  wurden  die  Nachmittags- 
stunden zur  Belehrung  und  Erbauung  des  evangelischen  Volkes 
verwerthet.  In  Ramsau  hielt  Pfr.  Diez  in  der  Kirche  einen  Vortrag 
über  Luther's  Leben  und  Wirken.  In  Goisern  wurde  Luther's 
Leben  aus  dem  württemberger  Gesangbuche  vorgelesen.  In  Gosau 
wurde  ein  Vortrag  über  Luther's  Katechismus  gehalten.  In  Neu- 
kematen  wurde  Luther  in  seinen  äusseren  Erscheinungen  als 
Mensch,  Familienvater  und  Freund  in  kurzen  Skizzen  behandelt,  um 
manchen  Irrthümem,  die  über  ihn  in  der  katholischen  Welt  ver- 
breitet sind,  entgegenzutreten.  InHumpoletz  wurden  die  berühmten 
95  Thesen  vorgelesen  und  erläutert.  In  Rossbach  wurde  Luther's 
Eheschliessung  und  deren  Bedeutung  für  das  christliche  Familien- 
leben in  einer  kurzen  Rede  beleuchtet.  Der  Pfarrer  von  Trnävka 
(Böhmen)  hat  den  Anlass  der  am  Nachmittage  stattfindenden  Ein- 
weihung der  öffentlichen  Schule  in  fteöany  wahrgenommen^  um 
Luther's  Verdienste  auf  dem  Gebiete  der  Schule  und  Volksbildung 
in's  rechte  Licht  zu  stellen.  Es  wäre  überflüssig,  noch  besonders 
hervorzuheben,  dass  auch  die  Nachmittagsfeier  in  allen  ihren  Formen 
sich  einer  ausserordentlichen  Theilnahme  zu  erfreuen  hatte. 


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Die  kirchliche  Lutherfeier  hat  inGallneukirchen  und  M e r a n 
mit  Abendgottesdiensten  ihren  Abschluss  erhalten.  In  der 
ersteren  Gemeinde  ward  nämlich  im  evangelischen  Krankenasyle 
im  Kreise  der  Schwestern  und  Kranken  und  der  übrigen  Haus- 
gemeinde noch  eine  Feier  veranstaltet,  in  welcher  der  Trost  des 
Evangeliums  fiir  Kranke  und  Sterbende  an  Luther's  Lehre,  Leben 
und  Sterben  gezeigt  wurde,  während  in  Meran  sich  im  hellerleuch- 
teten Betsaale  eine  dichtgedrängte  Versammlung  einfand,  um  einem 
liturgischen  Gottesdienste  anzuwohnen  und  sich  an  einer  über 
Ps.  84,  6 — 8  gehaltenen  Ansprache  zu  erbauen,  in  welcher  der  i.  im 
Leben  mit  Gott  ringende,  2.  im  Glauben  für  Gott  streitende,  3.  im 
Segen  durch  Gott  siegende  Luther  als  Vorbild  Denen,  die  mit  Gott 
streiten  und  durch  Gott  siegen  wollen,  vorgehalten  wurde. 

Wie  am  Vortage,  so  wurden  auch  am  11.  November  dem 
Manne  zu  Ehren,  der  selbst  ein  Freund  gemüthlicher  Geselligkeit 
gewesen,  ja  der  ohne  diese  seine  liebenswürdige,  rein  menschliche 
Gemüthsseite  in  seiner  ganzen  Grösse  und  Vielseitigkeit  kaum  gebüh- 
rend gewürdigt  werden  könnte,  Gedenk  feste  frei -geselliger 
Natur  veranstaltet.  Die  erhebenden,  tieferbaulichen  und  an  ernsten 
Momenten  so  reichen  Festtage  sollten  nicht  vorübergehen,  ohne  dass 
die  Verehrer  Luther's  sich  noch  einmal,  und  zwar  diesmal  zu  unge- 
zwungenem Gedankenaustausche,  verbunden  mit  lieblichem  Sänge 
und  der  von  Luther  selbst  hochgehaltenen  „edlen  Musica",  um  die 
Manen  des  in  seinem  trauten  Heim  so  kindlich  frohsinnigeri  Menschen 
und  Familienvaters  versammelten.  Dass  es  auch  da  an  begeisternden 
Ansprachen,  die  aus  evangelischem  Geiste  entsprungen,  an  lehr- 
reichen Vorträgen,  kernigen  Trinksprüchen,  für  Geist  und  Gemüth 
reichen  Genüssen  nicht  mangelte,  das  bezeugen  die  Berichte,  welche 
uns  über  den  Verlauf  der  geselligen  Feier  vorliegen. 

Bevor  wir  aber  diese  vorführen,  wollen  wir  einer  anspruchslosen, 
doch  freundlich  schönen  Abendfeier  gedenken,  die  wie  eine  liebliche 
Idylle  sich  hoch  droben  unter  dem  Dachstein  abgespielt  hat.  In  der 
ganz  evangelischen  Gebirgsgemeinde  Ramsau  wurden  am  Abend 
Kirche  und  Pfarrhaus  mit  passenden  Transparenten  und  Luther- 
Lampions  (aus  Bonn)  illuminirt.  Es  soll  die  erste  Illumination  gewesen 
sein,  die  Ramsau  je  gesehen  hat.  (Den  Abend  zuvor  wurden  an 
allen  höher  gelegenen  Punkten  des  Thaies  mehr  als  50  Freudenfeuer 
angezündet.)     Nochmals    umwogte     eine    ansehnliche    Schaar    fest- 


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61 

begeisterter  Gemeindeglieder  die  einen  Bau  bildenden  Gebäude 
und  lauschte  andächtig  dem  Sänge,  den  ein  eigens  fiir  dieses  Fest 
gebildeter  gemischter  Chor  Dem  zu  Danke  anstimmte,  der  uns 
unseren  Luther  geschenkt  und  dem  von  ihm  wieder  zur  Geltung 
gebrachten  lauteren  Gottesworte  vor  loo  Jahren  auf  der  Ramsau 
eine  Heimstätte  gründen  geholfen. 

Wir  lassen  nun  die  Berichte  über  die  gesellige  Lutherfeier 
des  II.  November  folgen  *).  Aus  Aussig  a.  d.E.  •)  wird  gemeldet : 
Abends  wurde  im  Saale  des  Schiesshauses  ein  Festmahl  abgehalten, 
an  dem  sich  130  Personen,  darunter  auch  ein  Kranz  von  Damen, 
betheiligten.  Von  den  vielen  Toasten,  die  dabei  gesprochen  wurden, 
sei  hier  nur  der  des  Curators  auf  Se.  Majestät  den  Kaiser  als  den 
treuen  Schutzherm  der  evangelischen  Kirche,  der  des  Ortspfarrers 
auf  die  Gemeinde  und  des  Reichsrathsabgeordneten  Wolfrum  auf 
die  Stadtvertretung  und  Bürgerschaft  von  Aussig  erwähnt.  Durch 
eine  bei  diesem  Festmahle  veranstaltete  Sammlung,  welche  über 
100  fl.  ergab,  wurde  der  Grundstein  zur  Erbauung  eines  evan- 
gelischen Pfarrhauses  in  Aussig  gelegt.  —  Ebenfalls  in  Bielitz 
und  Lemberg')  wurde  ein  sehr  zahlreich  besuchtes  Lutherfest- 
banket  abgehalten  und  bei  letzterem  die  zur  Ausschmückung  der 
Kirche  verwendeten  Kränze  und  Kranzschleifen,  nebst  einer  Christus- 
und  Luther  -  Statuette  zu  Gunsten  des  Lehrer -Pensionsfonds  ver- 
steigert. —  In  Freiwaldau*)  wurde  die  Lutherfeier  mit  einer 
geselligen  Zusammenkunft  beschlossen,  an  welcher  sich  ausser  den 
Mitgliedern  der  Gemeinde  auch  eine  nicht  unbedeutende  Anzahl 
Andersgläubiger  betheiligte.  Der  Zweck  war,  wie  Pfr.  Brudniok  in 
einer  Ansprache  betonte,  eine  Stunde  im  Sinne  unseres  Luther's  zu 
verbringen,  und,  so  wie  er  im  Kreise  der  Seinen  gern  gethan,  sich 
der  edlen  Musica,  die  er,  wie  er  selbst  sagt,  allezeit  lieb  gehabt, 
zu  erfreuen.  Das  reichhaltige  Programm  wurde  damit  eröffnet,  dass 
sämmtliche  Anwesende  stehend  den  ersten  Vers  des  Lutherliedes 
»Ein'  feste  Burg*  sangen.  Hieran  reihten  sich  Ciavier-  und  Gesangs- 
vorträge, die  von  einigen  Damen  der  Gemeinde  ausgeführt  wurden 
und  mit  Declamationen  über  Luther's  Leben  und  Wirken,  von  evang. 

*)  Uebcr  die  Festivitäten  in  Asch  werden  wir  an  anderer  Stelle  referiren. 
*)  „Oesterr.  Evangel.  Sonntagsblatt*  v.   16.  Dec.   1883,  Nr.  24. 
»)  Nach  dem  „Oesterr.  Protestanten"  vom  10.  Dec.   1883,  Nr.  23. 
<)  Ebend. 


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62 

Schülern  und  Schülerinnen  vorgetragen,    abwechselten.     Der  letzte, 
gemeinsam    gesungene   Vers    des   Lutherliedes    schloss    die   schöne 
Feier,    die  bei  aller  Einfachheit  auf  alle  Gemüther  höchst  erhebend 
gewirkt  hat.    —    In  ähnlicher  Weise   ist  die  in  Olmütz  (im  Hotel 
Lauer)   veranstaltete   gesellige  Feier,    bei   welcher  sich   nebst  vielen 
Einheimischen    auch    liebe  Festgenossen    aus    der    weiten   Diaspora 
eingefunden  hatten,    verlaufen.     Ernste  Vorträge   und  Mittheilungen 
wechselten  mit  gesanglichen  und  musicalischen  Productionen,  wobei 
die   besten  Kräfte    der  hiesigen  Bühne    und   der   k.   k.   Regiments- 
Capellmeister  Kaiser,    der   sich    schon   um   den  musicalischen  Theil 
des  Festgottesdienstes    verdient  gemacht,    in  hervorragender  Weise 
mitwirkten.     Die    zur   Vertheilung    gelangte    treffliche    Festpredig^t, 
welche   Pfr.    Klebek    aus   Brunn    bei    der    im  Juni   1883    in  Olmütz 
abgehaltenen  Jahresversammlung  des  mähr.  Zweigvereins  der  Gustav- 
Adolf-Stiftung    gehalten,    und    das    Lutherbüchlein    von    B.    Rogge 
erzielten  eine  nicht  unbedeutende  Einnahme,  die  in  Folge  Beschlusses 
des  Presbyteriums  dem  im  Entstehen  begriffenen  Pensionsfonds  für 
die  deutschen  Stadtprediger  Mährens  zugewendet  wurde.    —    Auch 
in  Innsbruck  erfreute  sich  die  gesellige  Lutherfeier  eines  starken 
Zuspruchs,    und    gab    ihr    freundlicher    Verlauf  Zeugniss    von    der 
begeisterten  Stimmung,    welche  das  Fest   des  Reformators  auf  dem 
erst    frisch    eroberten   Boden   Tirols    geweckt    hat.    —    Aus  Graz 
berichtet   der  „Oesterr.   Protestant*  1883,    Nr.  22:    Abends  versam- 
melten sich  die  Mitglieder  und  Freunde  der  evangelischen  Gemeinde 
in   den   grossen   Räumlichkeiten    der   Steinfelder  Säle.     Musikstücke 
wechselten  mit  Reden.  Zunächst  begrüsste  Curator  Förster  von  der 
mit    prächtigem    Grün    und   Luther's   Büste    geschmückten  Redner- 
tribüne aus  in  herzlicher  Weise  die  grosse  und  seltene  Versammlung. 
Dann  bestieg  Professor  Dr.  Reissenberger   die  Tribüne   und  behan- 
delte in  einstündiger  Rede  das  Thema:   „Luther  der  Stifter  unserer 
Kirche,  Luther  der  Held  unserer  Nation".    Die  zweite  Rede  wurde 
vom  Redacteur  Dr.  Rullmann  gehalten,  indem  er  in  scharfen  Zügen 
ein  Bild  von  Luther's  Charakter  entwarf.     Mit   der  Schlussrede  des 
Seniors  Dr.  Leidenfrost,  worin  er  andeutete,  wie  viel  sich  noch  über 
Luther  sagen  Hesse,  und  die  Frage  beantwortete :  „Was  nehmen  wir 
mit  von  diesem  Feste?"  schloss  die  erhebende  Feier.  —  In  Hermann- 
seifen  wurde,    schreibt    das    ,Trautenauer   Wochenblatt*    unter'm 
19.    Nov.    1883,    Nr.   47,    für    die   Schulkinder    und    die    confirmirte 


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63 

Jugend  am  Nachmittage  des  ii.  Nov.  eine  freie  Zusammenkunft  in 
der  Schule  veranstaltet,  welche  den  Zweck  hatte,  den  Nachwuchs 
der  Gemeinde  mit  dem  Begründer  der  deutschen  Kirche  bekannt 
zu  machen.  Die  Versammlung  begann  mit  Gebet  und  kurzer  Aus- 
legung eines  Bibelwortes  durch  den  Pfarrer.  Dann  wechselten  mit 
fröhlichem  Gesänge  kirchlicher  .und  Volkslieder  freie  Ansprachen, 
Erzählungen  aus  Luther's  Leben  und  Declamationen  in  gebundener 
Rede.  —  Ueber  die  in  Rossbach  anlässlich  der  Luthertage  statt- 
gehabte Geselligkeit  erfahren  wir  die  folgenden  Details :  Nach  einem 
Fackelzuge  und  nochmaliger  Häuserbeleuchtung  fand  um  8  Uhr 
gesellige  Zusammenkunft  statt  in  einem  Saale,  wo  der  Männergesang- 
und  Musik- Verein  abwechselnd  Vorträge  hielten.  Nach  einem  ein- 
leitenden Festgedichte  von  Oberlehrer  Wölfel  trug  Lehrer  Splichal 
einen  Abriss  von  Luther's  Lebensgange  vor ;  12  Knaben  und  12  Mäd- 
chen declamirten  Luthergedichte:  Luther  in  Möhra,  Eisenach, 
Worms  u.  s.  w.,  und  der  Pfarrer  erzählte  schliesslich  aus  eigener 
Wahrnehmung  von  den  Sehenswürdigkeiten  im  historischen  Witten- 
berg. Um  12  Uhr  endete  die  Unterhaltung.  Das  Reinerträgniss  wurde 
verwendet  zum  Ankaufe  biblischer  Geschichten  fiir  arme  Kinder. 
—  Noch  möge  hier  über  das  in  Reichenberg  am  11.  Nov.  ver- 
anstaltete Festbanket  nach  der  „Reichenberger  Zeitung"  vom  13.  Nov., 
Nr.  263,  berichtet  werden.  Dieses  Bank  et  „gestaltete  sich  zu  einem 
der  erhebendsten  Feste,  welche  jemals  in  unserer  Stadt  begangen 
wurden :  erhebend  nicht  allein  durch  die  Weihe  des  Tages,  sondern 
durch  das  erwiesene  einige  Zusammenstehen  der  Gebildeten  aller 
Confessionen  unserer  Stadt,  wie  nicht  minder  durch  die  Anwesenheit 
einer  hervorragenden  Persönlichkeit  auf  evangelisch-theologischem 
Gebiete,  des  kön.  preussischen  Hofpredigers  in  Potsdam,  Herrn 
Dr.  Bernhard  Rogge.  Der  Schiesshaussaal,  in  welchem  sich  diese 
Festlichkeit  abspielte,  wies  eine  der  Gedenkfeier  entsprechende,  sehr 
gelungene  Decoration  auf.  Der  Stiegenaufgang  an  der  Schmalseite 
des  Saales  zeigte  unter  schwarz-roth-goldenen  Draperien  in  einem 
Haine  von  exotischen  Gewächsen  die  Büste  des  gefeierten  Refor- 
mators ;  an  der  entgegengesetzten  Seite  des  Saales  waren  in  schwarz- 
gelben Draperien  die  Büsten  des  Kaiserpaares  zu  Seiten  der  Büste 
Kaiser  Joseph  IL  angebracht.  An  dem  die  Mitte  des  Saales  einneh- 
menden Ehrentische  waren  die  Spitzen  der  städtischen  und  landes- 
fürstlichen Behörden,  das  Stadtverordneten-CoUegium,  das  Presb5^erium 


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der  evangelischen  Gemeinde,  der  Cultusvorstand  der  israelitischen 
Gemeinde,  der  Obmann  der  Bezirksvertretung,  die  Vertreter  der  Presse 
und  hervorragender  Vereine  piacirt.  Den  Vorsitz  führte  der  Curator 
der  evang.  Gemeinde,  Herr  Oswald  Gnörich,  ihm  zur  Rechten 
nahm  der  Ehrengast,  Herr  Hofprediger  Dr.  Rogge,  den  Ehrenplatz  ein. 

Herr  Gnörich  .eröffnete  den  -Festabend  mit  einer  Ansprache, 
in  der  er  der  Festlichkeiten  gedachte,  welche  die  evang.  Gemeinde 
im  Laufe  der  Jahre  in  Friede  und  Einigkeit  mit  allen  Bewohnern 
dieser  Stadt  bereits  gefeiert  hat.  Er  begrüsste  die  Erschienenen  auf 
das  Herzlichste  und  wies  darauf  hin,  dass  die  heutige  Feier,  gleich 
jener  des  Toleranzfestes  im  J.  1881,  als  eine  deutsch-nationale  Feier 
zu  betrachten  sei,  denn  sie  gelte  nicht  allein  dem  Reformator, 
sondern  auch  dem  deutschen  Manne  M.  Luther.  Sein  Hoch  gilt 
dem  Kaiser  Franz  Joseph  L,  der  erst  vor  Kurzem  wieder  die 
Protestanten  seines  Schutzes  versichert  hat.  Die  Versammlung  er- 
hebt sich  und  die  Klänge  der  Volkshymne  durchbrausen  die  Räume. 

Herr  Pfarrer  Ergenzinger  Hielt  hierauf  die  Festrede.  Er 
gedachte  des  Wirkens  Luther's  als  Reformators  der  Kirche,  als 
Erweckers  des  deutschen  Volksgeistes  und  des  deutschen  National- 
bewusstseins,  als  Schöpfers  der  deutschen  Schriftsprache  durch  seine 
Bibelübersetzung.  Mit  Recht  betonte  Redner  am  Schlüsse  seiner 
erhebenden  Festrede,  dass  sich  heute  die  Gebildeten  aller  Nationen 
in  der  huldigenden  Würdigung  dieses  grossen  Mannes  vereinen. 

Die  , Waffen  des  Geistes*,  vorgetragen  von  den  Sängern  des 
Reichenberger  Männer-Gesangvereines  und  des  Gesangvereines  ,Lyra*, 
schloss  sich  als  würdige  Folge  der  Festrede  an. 

Herr  Franz  Lonsky  brachte  hierauf  der  Stadtgemeinde 
Reichenberg,  als  Förderin  der  evang.  Gemeinde,  ein  Hoch.  Der 
Bürgermeister,  Herr  Ludwig  Ritter  von  Ehrlich,  mit  grossem 
Beifalle  begrüsst,  erwiderte  sodann,  dass  die  Bevölkerung  Reichen- 
bergs stets  in  Eintracht  zusammengestanden,  wenn  eine  Glaubens- 
genossenschaft ein  Fest  feierte.  Dies  sei  auch  heute  der  Fall,  an 
dem  Tage,  an  welchem  die  protestantische  Kirche  das  400jährige 
Geburtsfest  eines  der  grössten  deutschen  Männer,  dieses  Mauer- 
brechers der  neuen  Zeit,  feiert.  Redner  gedenkt  der  Verdienste 
dieses  Mannes  um  die  Freiheit,  um  den  Fortschritt  der  Wissen- 
schaft, um  die  Förderung  der  Volksschule;  er  gedenkt  seiner  als 
des  Schöpfers  der   deutschen  Schriftsprache,    seines  Mannesmuthes, 


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seiner  Ueberzeugungstreue  und  Unerschrockenheit,  welche  Eigen- 
schaften jedem  deutschen  Manne  als  Beispiel  dienen  mögen.  Er 
wünscht,  dass  der  Geist  Kaiser  Joseph  IL,  welcher  auch  die  Anders- 
gläubigen zu  achten  und  zu  schätzen  lehrte,  alle  Classen  der  Bevöl- 
kerung durchdringen  möge,  damit  alle  Confessionen  in  Friede  und 
Eintracht  zusammenleben.  Sein  Toast  gilt  der  ungetrübten  Fortdauer 
der  auf  gegenseitiger  Achtung  und  wahrer  Loyalität  beruhenden 
freundschaftlichen  Beziehungen  der  Bürger  aller  Confessionen  der 
Stadt  Reichenberg.  Selbstverständlich  fand  dieser  Toast  allseitigen 
lebhaftesten  Beifall,  der  sich  erst  legte,  als  die  Klänge  des  j^ deutschen 
Liedes*  den  Saal  durchbrausten. 

Herr  Lehmann  brachte  dem  Herrn  Hofprediger  Dr.  Rogge 
ein  von  der  Versammlung  stürmisch  begrüsstes  Hoch,  als  dessen 
Erwiderung    der   gefeierte   Kanzelredner   folgende  Ansprache   hielt: 

^Hochverehrte,  hochansehnliche  Festversammlung!  Tiefbewegt 
bin  ich  durch  den  herzlichen  und  feierlichen  Empfang,  der  mir  schon 
beim  Eintritte  in  diese  Stadt  bereitet  worden  ist,  noch  tiefer  bewegt 
durch  den  herzlichen  und  freundlichen  Erfolg,  den  mein  armes  Wort 
bei  Ihnen  geemtet  hat.  Ich  habe  nur  den  einen  Wunsch,  dass  Gott 
der  Herr  seinen  Segen  lege  auf  dieses  Wort,  dass  es  schaffe  für  die 
Sache  unserer  evangelischen  Kirche  in  dieser  Stadt,  in  diesem  Lande, 
und  damit  zugleich  im  deutschen  Vaterlande,  denn  eines  ohne  das 
andere  zu  denken,  ist  mir  unmöglich.  Gestatten  Sie  mir,  an  ein 
Wort  meines  erhabenen  Kaisers  Wilhelm  zu  erinnern,  das  dieser  in 
entscheidender  Stunde  sprach:  , Welch'  eine  Wendung  durch  Gottes 
Fügung!*  An  dieses  Wort  bin  ich  in  diesen  Luthertagen  mehr  denn 
einmal  erinnert  worden.  Es  ist  nicht  ein  blosser  Zufall,  dass  die 
Nationalfeier  auf  dem  Niederwalde,  in  der  das  hehre  Standbild  der 
Germania  sich  in  Gegenwart  des  greisen  Kaisers  den  Blicken  der 
anwesenden  Tausende  des  deutschen  Volkes  enthüllte,  umrahmt  war 
von  den  Lutherfesten  in  Erfurt,  Wittenberg  und  Eisleben.  Das  eine 
wie  das  andere  steht  in  dem  innigsten  geschichtlichen  Zusammen- 
hang. „Welch'  eine  Wendung  durch  Gottes  Fügung*,  als  wir  am 
Grabe  Luther's  standen,  als  der  Erbe  des  Deutschen  Reiches  an  der- 
selben Stelle,  wo  einst  Karl  V.  stand,  einen  Kranz  im  Namen  des 
deutschen  Volkes  niederlegte!  Welch  eine  Fügung,  dass  zur  selben 
Zeit  der  Erbe  Ihres  Kaiserhauses,  Kronprinz  Rudolf,  der  Gast  des 
greisen  Zollernkaisers  war!  (Stürmische  Begeisterung.)  .... 

Jahrbuch  des  Protestantismus  1886.  H.  II.  5 


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Ich  preise  es  als  eine  Gnade  Gottes,  dass  seine  Hand  auch 
hier  in  Reichenberg  so  sichtlich  waltet,  für  eine  Wendung  durch 
Gottes  Fügung,  dass  auf  diesem  Boden,  der  getränkt  ist  mit  dem 
Blute  der  Märtyrer  unserer  Confession,  auf  dem  Boden,  auf  den  so 
viele  Thränen  geflossen,  von  dem  so  Vielet  hinausgejagt  wurden 
vom  heimatlichen  Herd  in  das  Elend  des  Exils,  dass  auf  demselben 
Boden  heute  deutsche  Männer  aller  Confessionen  zusammensitzen  in 
friedlicher  Eintracht,  das  Trennende  vergessen  und  sich  freuen  all 
des  Guten  und  Erhabenen,  was  Gott  uns  in  dem  Manne  geschenkt 
hat,  dessen  Andenken  wir  heute  feiern,  in  Dr.  Martin  Luther.  Das 
ist  fiirwahr  eine  erfreuliche  Wendung  durch  Gottes  Fügung.  (Stür- 
mischer Beifall.) 

Nun  lassen  Sie  mich  mit  dem  persönlichen  Danke  schliessen 
an  die  Männer,  die  den  Ruf  an  mich  ergehen  Hessen.  Es  hat  mich 
selten  in  meinem  Leben  etwas  so  tief  bewegt  und  so  herzlich  gefreut, 
als  dieser  Ruf.  Gebe  es  Gott,  dass  die  evang.  Gemeinde  dieser 
Stadt,  »der  reichen  Stadt  auf  dem  Berge*,  im  Sinne  des  Wortes 
des  Herrn :  „Es  möge  die  Stadt,  welche  auf  dem  Berge  liegt,  nicht 
verborgen  bleiben*,  eine  feste  Burg  des  evang.  Glaubens  werde; 
gebe  es  Gott,  dass  die  Bevölkerung  dieser  Stadt  voranleuchte  in 
deutscher  Treue,  deutscher  Gesinnung,  Cultur  und  Sitte.  Lassen  Sie 
mich  mit  dem  Wunsche  schliessen,  dass  diese  Stadt  auf  dem  Berge 
als  eine  Hüterin  sich  bewähren  möge  der  Errungenschaften  der  Re- 
formation. Die  evangelische  Gemeinde  von  Reichenberg,  ihr  Vorstand 
und  ihr  geistlicher  Hirt,  sie  leben  hoch!"  (Donnernder,  lang- 
andauernder  Beifall.) 

Das  Lied  ,Die  Heimat*,  Chor  mit  Soloquartett,  welches  jetzt 
von  den  Gesangvereinen  zum  Vortrag  gebracht  wurde,  vermochte 
trotz  der  exacten  Durchführung  nicht  den  Ideenaustausch  zu  hemmen, 
den  die  vorhergegangene  Rede  entfesselt  hatte.  Umsomehr  verdient 
es,  hervorgehoben  zu  werden,  dass  es  dem  nächstfolgenden  Redner, 
Herrn  Rorarius,  durch  seine  kräftig  pointirte  Rede  auf  die  Ver- 
einigung aller  Confessionen  in  deutsch-nationaler  Begeisterung  und 
freier  Forschung  gelang,  die  Aufmerksamkeit  zu  fesseln  und  grossen 
Beifall  zu  ernten. 

Nach  dem  Vortrage  des  ungemein  kräftigen  Abt'schen  Chores 
^Der  Sang  vom  deutschen  Rhein*  ergriff  Herr  Pfr.  Ergenzinger 
das  Wort,    um,    anknüpfend  an  die  grossen  Verdienste,    welche  die 


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Buchdruckerkunst  ud  die  Verbreitung  der  Lehren  Luther 's  und  der 
Bildung  des  Volkes  zu  beanspruchen  hat,  des  Kindes  jener  Kunst, 
der  freiheitlichen,  vorurtheilslosen  deutschen  Presse  überhaupt  und 
der  j  Reichenberger  Zeitung*  insbesondere  zu  gedenken,  welche  das 
Fest  so  wesentlich  gefördert  habe.  Diese  Zeitung  sei  ein  echt 
deutsches  Blatt,  die  vielen  weissen  Stellen  derselben,  welche  das 
lakonische  Wort  ,confiscirt*  tragen,  weisen  darauf  hin,  dass  dort 
ein  freies  deutsches  Wort  gestanden  habe.  Der  deutschen  Presse, 
der  „Reichenberger  Zeitung*  und  ihrem  Chefredacteur ,  Herrn 
Dr.  Oeribauer,  gilt  der  Trinkspruch  des  Redners.  Herr  Dr.  Oeri- 
bauer  beantwortete  diesen  Toast:  „Wie  der  Gruss  den  Gegengruss, 
so  erfordert  der  Toast  den  Gegentoast.  Die  liberale  und  deutsch- 
nationale Presse,  welche  ich  in  Reichenberg  zu  vertreten  die  Ehre 
habe,  hat  das  Geburtsfest  Luther 's  mit  wahrer  Begeisterung  mit- 
gemacht. Als  ich  heute  Morgens  den  herrlichen  Worten  des  hoch- 
verehrten Hofpredigers,  Herrn  Dr.  B.  Rogge,  lauschte,  als  ich  das 
Lied  „Ein*  feste  Burg  ist  unser  Gott"  mitsang,  da  rührte  mich  vor 
Allem  eine  Stelle  dieses  Liedes,  welche  lautet;  „Das  Wort  sie 
.sollen  lassen  stah'nl"  Der  Redner  bringt  in  weiterer  Ausführung 
im  Hinblick  auf  „diese  Bitte  zu  Gott**,  welche  Luther  den  Gläubigen 
in  den  Mund  gelegt,  und  mit  Beziehung  dieser  Bitte  auch  auf  die 
Freiheit  der  Presse  „ein  dreifaches  Hoch  den  protestantischen  Ge- 
meinden und  vor  Allem  der  protestantischen  Gemeinde  Reichen- 
bergs als  Vorbittem  der  Pressfreiheit  !** 

Nachdem  von  der  ganzen  Versammlung  „Das  treue  deutsche 
Herz"  gesungen  worden  war,  Hess  Herr  Usinger  die  Gönner  der 
evangelischen  Gemeinde,  vor  Allem  den  Gustav-Adolf-Verein,  der 
den  Bau  der  Kirche  und  Schule  ermöglichte,  hoch  leben.  Herr 
Heinrich  Prade  gedachte  der  ehrenvollen  Ausnahme,  dass  auch 
deutsche  Priester  sich  als  deutsche  Männer  fühlen  und  treu  zu  ihrem 
Volke  stehen.  Diesen  deutschen  Priestern  gilt  sein  Trinkspruch. 

Hofprediger  Rogge  erklärt,  den  letzten  Toast  nicht  auf  sich 
aliein  beziehen  zu  wollen,  es  sei  ihm  jedoch  ein  Bedürfniss,  der 
Versammlung,  in  der  er  ihm  unvergessliche  Stunden  verlebt,  einen 
herzlichen  Abschiedsgruss  zuzurufen  mit  der  Bitte,  auch  in  der  Ferne 
seiner  gedenken  zu  wollen  (lebhafte  Zustimmung),  wie  er  dagegen 
verspreche,  diesen  Tag  nie  in  seinem  Leben  verges.sen  zu  wollen. 
Zugleich  gedachte  er  noch  in  ausführlicher  Rede  des  wichtigen  Um- 

5* 


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Standes,  dass  Luther  eine  Gattin  heimgeführt,  wodurch  das  öde 
Augustinerkloster  zu  Wittenberg  zum  „ersten  deutschen  Pfarrhause* 
geworden,  in  dem  die  Hausfrau  „klug  und  sinnig"  gewaltet.  Redner 
toastirte  auf  die  Hüterinnen  der  deutschen  Sitte,  die  Priesterinnen 
deutschen  Wesens,  auf  die  deutschen  Frauen.  (Grosser  Beifall.) 

Mittemacht  war  fast  herangekommen,  als  der  Vorsitzende 
Herr  Oswald  Gnörich  den  officiellen  Theil  der  Festversammlung  für 
erledigt  erklärte. 

cj  Kirchliche   Lutherfeier  in  Reichenberg  und    Wien.     Enthüllung  des 
Luther- Detikmals  in  Asch, 

Nachdem  wir  im  Vorstehenden  den  Verlauf  der  österreichischen 
Lutherfeier  in  ihren  einzelnen  wesentlichen  Momenten  zu  schildern 
versucht  haben,  können  wir  unseren  Festbericht  nicht  schliessen, 
ohne  noch  einiger  Gemeinden  im  Besonderen  zu  gedenken,  die  bei 
ihrer  hervorragenden  Stellung  eine  in  einem  weiten  Rajimen  durch- 
geführte Lutherfeier  veranstalteten,  wir  meinen  die  Gemeinden  in 
Reichenberg,  Wien  und  Asch. 

Was  zunächst  Reich enb er g  anlangt,  so  entnehmen  wir  dem 
bereits  S.  63  citirten  Berichte  der  »Reichenberger  Zeitung*  Folgendes: 
Am  Sonntage  schon  früh  Morgens  verkündete  Glockenklang  vom 
Thurme  der  evang.  Kirche  das  Anbrechen  des  Festtages.  Mit  dem 
Frühzuge  traf  der  kön.  preuss.  Hofprediger  Dr.  Bernhard  Rogge 
aus  Potsdam  ein  und  wurde  am  Bahnhofe  vom  Presbyterium  und 
den  dazu  bestimmten  Comit^mitgliedern  empfangen.  Hierauf  ver- 
sammelte sich  im  Schulhause  der  evang.  Gemeinde  die  Schuljugend, 
das  Presbyterium,  die  Gemeinde-Repräsentanz  u.  s.  w.,  um  sich  im 
Zuge  zur  Kirche  zu  begeben,  welche  sich  mit  Festtheilnehmern  zu 
füllen  begann.  Unter  den  Anwesenden  befanden  sich  auch  viele 
Mitbürger  Reichenberg's  und  der  Umgebung  von  anderen  Con- 
fessionen.  Die  Kirche  selbst  war  in  einfacher,  aber  höchst  würdiger 
Weise  geschmückt.  Zu  beiden  Seiten  des  mit  Blattpflanzen  umstellten 
Altars  standen  die  Büsten  Luther's  und  Melanchthon's,  und  hinter 
dem  Altare  waren  an  *  der  Wand  die  Bilder  von  Christine  und 
Mathias  von  Rädern,  welche  als  Besitzer  der  Herrschaft  Friedland 
vor  Wallenstein  die  Verbreitung  der  Reformation  förderten,  aufge^ 
hängt.  Mit  Absingung  des  ,Herr  Gott  Dich  loben  wir*  nahm  der 
Gottesdienst  seinen  Anfang,  welchen  der  Männergesangverein  »Lyra* 


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durch  den  Vortrag  einer  Motette  verschönern  half.  Den  liturgischen 
Theil  am  Altare  besorgte  der  Ortspfarrer.  Nachdem  ,Ein'  feste 
Burg  ist  unser  Gott"  von  der  Gemeinde  gesungen  war,  bestieg  der 
genannte  Herr  Hofprediger  die  Kanzel.  Im  Anschluss  an  den  Text 
2.  Mos.  3,  I — lo  behandelte  er  als  Thema  ,Die  Befreiung  Israels 
durch  Moses  ein  Vorbild  der  Befreiung  unseres  Volkes  durch  Luther". 
Er  schilderte  die  Person,  das  Leben  und  Wirken  Luther's  in  kräftigen 
Zügen,  betonte  vornehmlich  den  inneren  Zusammenhang  zwischen 
der  Reformation  und  dem  Deutschthum ,  auf  welchem  erstere 
erwachsen.  Es  war  eine  tiefdurchdachte,  herrliche  Kanzelrede. 

In  Wien  fand  die  kirchliche  Hauptfeier  am  ii.  Nov.  in  beiden 
Kirchen  der  Gemeinde  A.  C.  (in  der  Stadt  und  der  Vorstadt 
Gumpendorf)  um  lo  Uhr  Vorm.  statt.  Hunderte,  die  keinen  Platz 
mehr  finden  konnten,  mussten  wieder  umkehren.  In  jeder  dieser 
Kirchen  stand  vor  dem  Altare  eine  grosse  Lutherbüste,  umgeben 
von  grünem  Pflanzenschmucke.  Unter  den  Anwesenden  in  der  Stadt- 
kirche befanden  sich  der  Botschafter  des  Deutschen  Reiches  Prinz 
Reuss  mit  Gemalin,  der  württembergische  Gesandte,  der  Präsident 
des  k.  k.  Oberkirchenrathes ,  der  k.  k,  Sectionsrath  Dr.  Franz  in 
Vertretung  des  k.  k.  Cultus-  und  Unterrichts-Ministers,  der  Curator 
der  Schwestergemeinde  Helv.  Conf.  Heimann  u.  s.  w.  In  der  gleich- 
falls dicht  gefüllten  Gumpendorfer  Kirche  wohnten  dem  Gottesdienste 
die  meisten  in  den  westlichen  Bezirken  wohnhaften  Mitglieder  des 
Presbyteriumsund  der  Gemeindevertretung  bei. 

In  der  Stadtkirche  hielt  Pfarrer  Dr.  Zimmermann,  in  der  Gumpen 
dorfer  Kirche  Pfarrer  Marolly  die  Festpredigt.  In  beiden  Kirchen 
wurden  die  Lieder  mit  Orgel-  und  Posaunenbegleitung  gesungen; 
in  der  Stadtkirche  fand  überdies  die  Aufführung  einer  Bach'schen 
Festmotette  statt. 

Auch  in  der  evangelischen  Garnisonskirche  (Schwarzspanierstr.) 
war  ein  Festgottesdienst,  dem  besonders  Militärpersonen  beiwohnten. 
Ein  Bataillon  des  31.  Infanterie-Regiments  (Siebenbürger  Sachsen) 
war  mit  der  Musikcapelle  ausgerückt.  Der  k.  k.  Militär-Superintendent 
Professor  Dr.  Seberiny  hielt  hier  die  Festpredigt.  Nach  Schluss 
derselben  intonirte  die  Militärcapelle  die  Volkshymne. 

Indem  wir  nun  zur  Beschreibung  der  Festlichkeiten  übergehen, 
welche  Asch  den  Gedächtnisse  Luther's  zu  Ehren  veranstaltete, 
bemerken  wir,  dass  unserer  möglichst  kurzen  Berichterstattung  der 


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Bericht  der  , Deutschen  Zeitung*  vom  i6.  Nov^.  1883  und  die  « Fest- 
schrift zur  Enthüllung  des  Luther-Denkmals*,  herausg.  von  der 
Redaction  der  ,  Gemeinde-Zeitung  für  Asch  und  Umgebung*  ,  zur 
Grundlage  diente. 

Je  näher  die  weihevollen  Tage  heranrückten,  desto  mehr  gelangte 
die  Erregung  der  Gemüther  zur  Geltung.  Am  Samstag  (10.  Nov.) 
früh  verbr'eitete  sich  die  Kunde  von  der  hochherzigen  That  des 
Herrn  Christian  Geipel,  der  nicht  nur  500  fl.  für  die  Armen 
in  Asch  und  Grün  gespendet,  sondern  auch  anlässlich  des  Luther- 
festes seinen  Arbeitern  30.000  fl.  zur  Gründung  eines  Pensionsfonds 
gestiftet.  An  demselben  Tage  Vormittags  setzte  das  Presbyterium 
auf  dem  Denkmalplatz  zwei  Luther-Eichen.  Mittags  wurde  das  Fest 
durch  Glockengeläute  eröffnet,  gleichzeitig  erfolgte  der  Schluss  aller 
Fabriken.  Als  Nachmittags  der  Zug  der  Schulkinder,  mit  Geist- 
lichkeit, Lehrkörper,  Stadt-  und  Kirchengemeinde-Vertretung,  Orts- 
schulrath  u.  s.  w.  von  der  oberen  Bürgerschule  sich  zur  evangelischen 
Kirche  bewegte,  prangte  die  Stadt  in  schönstem  Festschmucke,  es 
gab  nicht  Katholiken,  nicht  Protestanten,  es  gab  nur  Deutsche,  die 
gemeinsam  die  Ehrentage  des  Mannes  begingen,  der  nicht  blos  der 
Reformator  der  Kirche,  sondern  auch  der  deutschen  Sprache  und 
Sitte  ist.  Hierauf  folgte  der  bereits  (oben  S,  24)  beschriebene 
Gottesdienst.  Die  vom  Alpenverein  veranstaltete  Höhenbeleuchtung 
bot  einen  imposanten  Anblick  dar.  Von  allen  Höhen  flammten 
gewaltige  Feuerzeichen  weit  hinaus  nach  Böhmen,  Bayern  und 
Sachsen,  verkündend,  Oesterreichs  alte  Protestantenstadt  begehe 
das  Ehrenfest  des  deutschesten  unter  allen  deutschen  Männern. 
Auch  über  der  Stadt  selbst  wogte  ein  Lichtmeer.  Lichter  in  ver- 
schiedensten Formen  aufgestellt,  Transparente  mit  Bildern  der  Refor- 
matoren oder  mit  Sinnsprüchen,  Gasgirandolen  und  elektrisches 
Licht  —  Alles  wirkte  zusammen,  den  Glanz  des  Festes  zu  erhöhen. 
—  Grossartig,  wie  kaum  in  einer  Hauptstadt  geboten  werden  kann, 
gestaltete  sich  der  vom  Turnvereine  veranstaltete  Fackelzug,  der 
sich  um  8  Uhr  von  der  Gasanstalt  in  Bewegung  setzte  und  durch 
die  Kaiser-  und  Egerer-Strasse  bis  zum  Schiesshause  und  über  den 
Stein  und  die  Schlossgasse  nach  den  Marktplatze  zog;  an  ihm 
betheiligten  sich  die  32  Vereine  der  .Stadt  mit  mehr  als  iioo  Fackel- 
trägern, 3  Musikcapellen  und  den  Hornisten  der  verschiedenen  Feuer- 
wehren.   Auf  dem  Marktplatze,  wo  ein  Theil  der  Fackeln  zusammen- 


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71 

geworfen  wurde,  trug  beim  Flammenscheine  der  Männergesangverein 
Schneeberger's  , Jubellied*  vor,  und  dann  hielt  Tumrath  Emil 
Schindler  eine  Rede,  die  tiefen  Eindruck  machte  und  mit  den 
Worten  schloss :  ^^Die  Errichtung  dieses  Denkmales  soll  keine 
üeberhebung  gegenüber  unseren  Katholiken  sein,  sie  sind  Christen 
und  Deutsche  wie  wir;  nicht  zerklüftend  soll  diese  Feier  wirken, 
sondern  vereinend,  um  gemeinsam  zu  kämpfen  für  Gewissensfreiheit 
und  Deutschthum,  u.  s.  w.  Nachdem  noch  ein  Vers  des  Chorals 
von  der  , festen  Burg*  gesungen  worden,  zogen  die  Vereine  nach 
ihren  Locaien  und  allenthalben  entfaltete  sich  unter  den  Klängen 
deutscher  Lieder  das  heiterste  Leben.  Nicht  der  leiseste  Misston 
störte  diesen  Theil  und  den  weiteren  Verlauf  des  Festes. 

Kaum  wagte  man  am  Sonntage  Morgens  den  Augen  zu  trauen, 
als  man  bemerkte,  der  Winter  sei  über  Nacht  eingezogen  und  habe 
die  Landschaft  in  eine  Schneedecke  gehüllt;  dem  Feste  that  dies 
jedoch  keinen  Eintrag,  munter  zogen  die  Vereine  nach  dem  Schiess- 
hausparke, dem  Sammelpunkte  zum  Festzuge.  Als  der  Zug  gegen 
10  Uhr  bei  dem  verhüllten  Denkmale  anlangte,  war  dort  schon  sehr 
zahlreiches  Publicum  versammelt,  und  die  über  fünftausend  Seelen 
fassende  evangelische  Kirche  war,  abgesehen  vom  reservirten  Theile, 
bis  auf  den  letzten  Platz  gefüllt.  Die  Enthüllungsfeier  wurde  einge- 
leitet durch  eine  von  Cantor  J.  Muck  componirte,  vom  Männer- 
gesangvereine vorgetragene  Cantate.  Dann  hielt  Superintendant 
Alberti  eine  erhebend  wirkende  Festrede.  —  Er  sprach  unter 
Anderem : 

,...  Die  evangelische  Christenheit  steht  mitten  in  der  Festfreude, 
die  wie  ein  Strom  sich  über  Millionen  ergoss.  Auch  wir  wurden 
von  ihr  erfasst.  Auch  unsere  Freudenzeichen  flammten.  Auch  unsere 
Gemeinde  erhob  ihre  Stimme  und  setzte  sie  kraftvoll  ein  in  den 
Dankpsalm:  Der  Herr  hat  Grosses  an  uns  gethan,  des  sind  wir 
fröhlich  1  Wenn  wir  aber  noch  weiter  gingen,  als  tausend  andere 
Gemeinden,  wenn  wir  den  geistgesalbten  Glaubenshelden,  der  uns 
vor  vierhundert  Jahren  geboren  ward,  nicht  blos  ein  Gedächtniss 
im  festgestimmten  Herzen  stiften,  sondern  ein  Denkmal  setzen 
wollten,  das  uns  auch  seine  äussere  Erscheinung  vor  die  Augen 
führe,  so  fiihlten  wir  uns  dazu  aufgefordert  durch  die  Vergangenheit. 

Im  weiten  gesegneten  Oesterreicher  Lande,  das  weitaus  über  die 
Hälfte  der  Lutherlehre  zugethan  war,  blieb  unsere  Heimat  das 
t 


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72  _ 

einzige  Gebiet,  in  welchem  der  Protestantismus  trotz  der  Gefahren 
und  Stürme  des  siebzehnten  Jahrhunderts  stets  einen  sicheren  Hort 
und  eine  freilich  oft  umkämpfte  heilige  Stätte  behielt.  Die  Hand 
des  Herrn  war  sichtlich  über  den  Vätern.  Der  Schutz  eines  dereinst 
mächtigen  Grafengeschlechtes  und  der  zähe,  fromme  Bürgersinn 
unserer  Vorfahren,  die  ,im  Glauben  fest  und  wohlgerüst't  **  jedwedem 
Anprall  feindlicher  Gewalten  widerstanden,  wurde  das  Bollwerk, 
hinter  welchem  sie  Gott  in  ihrer  Weise  dienten.  Wir  wissen  wenig 
von  ihren  Drangsalen.  Die  Zeugen  ihrer  Treue  sind  todt;  verweht, 
verbrannt  die  Blätter,  auf  denen  die  Geschichte  ihrer  Kämpfe  und 
Siege  stand.  Aber  fehlen  auch  die  Urkunden,  so  predigen  uns 
heute  die  Todten,  über  deren  Staube  wir  stehen.  Die  Steine  reden 
zu  uns,  aus  denen  Thurm  und  Gotteshaus  zusammengefugt  sind. 
Und  ich  denke,  es  ist  eine  gute  Antwort,  die  wir  den  Vätern 
damit  geben,  dass  wir  vor  der  Pforte  der  ehrwürdigen  Kirche,  die 
sie  gebaut,  dem  grossen  Reformator,  um  den  auch  sie  sich  wacker 
schaarten,  ein  Standbild  aufrichten.  Kein  Heiligenbild  stellen  wir  auf, 
zu  dem  wir  uns  in  Herzensangst  und  Seelennoth  flüchten,  wohl  aber  ein 
Denkmal  frommer  Liebe  und  eifrigen,  einmüthigen  Zusammenwirkens. 
Es  möge  der  Nachwelt  erzählen,  dass  es  uns  unter  dem  Schirme  eines 
in  der  Geschichte  des  österreichischen  Protestantismus  mit  goldenen 
Lettern  verzeichneten  Kaisers  möglich  geworden  ist,  das  Gedächtniss 
Dr.  Martin  Luther's  so  glänzend,  einmüthig  und  weihevoll  zu 
begehen,  wie  es  unter  uns  wohl  nie  gefeiert  worden  ist.  Ein  eherner 
Wegweiser  zu  Gott  wird  es  bleiben,  —  wird  uns  mahnen  an  die 
„feste  Burg*  dort  oben,  wo  wir  einen  Halt  und  Stützpunkt  haben, 
wenn  der  Erde  Noth  und  Kampf  zu  schwer  wird  und  wir  bekennen 
müssen:  Mit  unserer  Macht  ist  nichts  gethan!  Das  Abbild  eines 
demüthigen  Priesters  werden  wir  schauen,  eines  treuen  Seelsorgers, 
eines  deutschen  Familienvaters,  eines  Meisters  im  Lehren  und 
Gründen  der  Volksschule,  eines  gewaltigen  Propheten  in  Wort  und 
That,  eines  bahnbrechenden  Gelehrten,  der  bei  tiefem  Wissen  einen 
Glauben  hatte,  welcher  Berge  von  Hindernissen  versetzte  und  die 
Welt  seiner  Zeit  mit  ihren  Irrthümern,  mit  ihrer  sittlichen  Ver- 
sunkenheit  kühn  überwand  und  wieder  zu  Christo  führte,  dabei 
aber  Alles,  was  er  that,  in  Gottes  Namen  that  und  ohne  all'  sein 
Verdienst  und  Würdigkeit  vollbracht  haben  wollte.  Nur  in  seinem 
Geiste  und  aus  demuthsvollen  Herzen  heraus  beten  wir  daher,  ehe 
wir  Luther's   Standbild    enthüllen:    Nicht   uns,    o  Herr,    nicht  ihm 


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73 

allein,  Deinem  Namen  geben  wir  Ehre.  Dir  danken  wir,  der  uns 
ihn  zum  Rüstzeug  und  Streiter  für  die  heiligsten  Güter  der  Christen- 
heit erkoren.  Dich  preisen  wir,  weil  Du  uns  durch  ihn  gegeben 
hast  das  Buch  der  Bücher  —  mit  deutschem  Laut  und  in  der  Mutter- 
sprache- feuriger  Kraft. 

Mit  diesem  Aufblicke  zu  Gott ,  Festgenossen ,  nennt  Euch 
die  evangelische  Gemeinde  Asch  in  einer  unvergesslichen  Stunde 
taiBendmal  willkommen.  Dank  den  k.  k.  Behörden^  die  heute  als 
Genossen  unserer  Freude  in  die  Mitte  der  feiernden  Gemeinde 
traten.  Unser  Herz  den  Männern,  welchen  der  Gedanke  zum  Denk- 
male entsprungen,  den  Mitgliedern  der  ganzen  Gemeinde,  die  das 
schöne  Werk  so  nachdrücklich  forderten.  Die  Bruderhand  allen  durch 
Clristum  mit  uns  verbundenen  Mitbürgern,  welche  in  der  Nachbar- 
kiiche  dieser  Stadt  Gott  lobsingen  und  dort  ihres  Herzens  Opfer  dar- 
bringen. Ja,  seid  Alle  gegrüsst,  Ihr  Gäste  aus  Nah  und  Fem,  fröhlich 
gegrüsst  auch  du  festlich  schöner  Morgen  I  In  deinem  Lichte  erglänze 
nun  ies  Künstlers  Gebilde,  von  dem  die  Hülle  fallen  magl*  (Bei  die- 
ser Stallt  der  Rede  fiel  unter  Pöllerschüssen  die  Hülle  vom  Denkmal.) 

Dtr  Redner  fährt  fort:  ^Also,  wie  Ihr  ihn  jetzt  sehet,  feiernde 
Genossen,  stand  Luther  einst  auf  dem  Reichstage  zu  Worms  vor 
den  mä:htigen  Herren  und  Würdenträgem  der  abendländischen 
Christenleit.  .  .  . 

O,  Mann  Du,  mannhafter  Herold  des  Evangeliums,  jetzt  nicht 
ehern,  soidem  lebend  vor  dieser  Gemeinde  stündest,  was  würdest 
Du  zu  uns  sprechen?  Du  würdest  vielleicht  sagen:  ^Ihr  Lieben, 
Feste  wolh  Ihr  feiern?  Das  danke  ich  Euch  nicht,  wenn  Ihr  mich 
rühmen  weit!*  Sicherlich  würdest  Du  uns  aber  ermahnen:  ^Freuet 
Euch  Eures  Kleinodes,  der  Bibel.  Lasst  noch  heller  und  herrlicher 
als  die  Facreln  der  vergangenen  Nacht  aufleuchten  die  Flammen 
reiner  Liebe  und  echt  christlichen  Gemeinsinnes.  Kämpft  den  guten 
Kampf  des  Qaubens.  Werdet  festen  Herzens.  Wahrt  das  Erbtheil  der 
Väter.  Behältst  was  Ihr  habt,  dass  Niemand  Euere  Krone  raube!*  .  .  . 

O,  dass  Dein  Geist  fortan  mächtig  walte  in  dieser  Gemeinde; 
o,  dass  Dein^ Lehre  freudig  gepredigt  werde  in  diesem  Gotteshause; 
0,  dass  Dein  Gedächtniss  nie  erlösche  in  den  Geschlechtern ,  die 
uns  nachfolget.  Gott  helf  uns  dazu,  Amenl* 

Hierauf  ilgte  die  Uebergabe  des  Denkmals  an  die  Kirchen- 
gemeinde-Vertetung  durch  den  Obmann  des  Comitös,  Herrn  Joh. 
Kraut  he  im,  anen  schlichten  Weber,  dessen  Initiative  die  Errichtung 


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74__ 

eines  Luther-Denkmals  in  Asch  zu  danken  ist,  dann  die  Uebemahme 
durch  den  Curator,  Stadtrath  Adolf  Schmidt.  Fünfunddreissig 
ausnahmslos  werthvolle  Kränze,  zum  Theil  von  Auswärts  eingesendet, 
wurden  nun  beim  Denkmale  niedergelegt. 

Der  Festgottesdienst  gestaltete  sich  durch  die  ausgezeichnete 
Rede  des  Oberpfarrers  Södel  über  Joh.  19,-  5:  , Sehet  welch'  ein 
Mensch!*   —  zu  einer  solennen  Feier. 

Nach  demselben  zog  man  zum  Marktplatze  zurück,  woselbst 
die  Volkshymne  gesungen  wurde.  Dann  sprach  Superintendent 
Alberti  Namens  des  Comites  dem  Herrn  k.  k.  Bezirkshauptmann 
Fischer  und  den  anderen  anwesenden  k.  k.  Beamten,  den  Corpo- 
rationen  und  Vereinen  sowie  der  Gesammtbevölkerung  innigsten 
Dank  fiir  die  Theilnahme  am  Feste  und  Verherrlichung  desselben 
aus,  womit  der  zweite  Theil  des  Festes  seinen  Abschluss  fand. 

Den  Nachmittags-Gottesdienst  hielt  Sup.-Vicar  Geipel. 

Das  Luther-Denkmal  ist  ein  kleines  Meisterwerk.  Der  Modelleur, 
Professor  Hans  Rössner  in  Nürnberg,  hat  die  markige  Gestalt 
des  Reformators,  dessen  von  Gottbegeisterung  überhauchtes  Antlitz 
genial  aufgefasst;  ebenso  vollendet  ist  der  Guss  des  Standbildes, 
der  aus  der  rühmlichst  bekannten  Erzgiesserei  des  Professor  Lenz 
in  Nürnberg  hervorging. 

Bei  dem  Festcommers  am  Abend  waren  alle  Räume  des  Schiess- 
hauses überfüllt.  Curator  Schmidt  führte  den  Vorsitz.  Pen  ersten 
mit  Begeisterung  aufgenommenen  Toast  auf  Se.  Majestät  den 
Kaiser  brachte  Superintendent  Alberti  aus.  Als  zweiter  und  letzter 
officieller  Redner  gab  Stadtrath  Gustav  Panzer  ein  'ebensvolles 
Bild  des  Wirkens  unseres  grossen  Reformators.  Nun  brachte  der 
Curator  die  vielen  eingegangenen  Telegramme  und  Zuschriften  zur 
Verlesung,  die  sämmtlich  mit  leibhaftestem  Interesse  entgegengenommen 
wurden.  Solche  waren  eingelaufen  von  den  Presbyteriei  der  evang. 
Gemeinden  in  Wien,  Reichenberg,  Olmütz,  Aussig,  Innsbruck  u.  s.  w., 
vom  Vorstand  des  Hauptvereines  des  G.-A.-V.  in  Wien,  vom  k.  k. 
Oberkirchenrath  Dr.  von  Trauschenfels,  Dr.  Eduard  Heost,  Dr.  Ernst 
Bareuther  u.  Andd.  Zu  einer  stürmischen  Ovation  für  den  an- 
wesenden Künstler  Professor  Rössner  führte  der  von  Superinten- 
denten Alberti  auf  denselben  ausgebrachte  Toast.  Daran  schloss 
sich  ein  dreifaches  Hoch  auf  den  zweiten  Künstler,  Herrn  Professor 
Lenz.  Aus  der  Zahl  der  vielen  Toaste  gedenken  wr  des  Toastes, 
welchen    Herr   Thomas   Schrepfer    auf  Herrn   Christian    Geipel, 


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75 

im  Hinblick  auf  dessen  (bereits   S.  70  erwähnte)   hochherzige  That, 
in  tief  empfundenen  Worten  ausbrachte. 

Den  würdigen  Abschluss  der  erhebenden  Feier  bildete  das  von 
der  ganzen  Versammlung  gesungene  , Deutsche  Lied*. 

d)  Liitherfeier  in  der  reforntirten  Schwesterkirche, 

Von  dem  Bewusstsein  getragen,  dass  die  Früchte  der  Refor- 
mation Luther's  allen  Evangelischen  in  gleicher  Weise  zu  gute 
kommen,  haben  nicht  blos  die  in  den  utraquistischen  Kirchen- 
gemeinden Graz,  Wiener-Neustadt,  Innsbruck,  Meran  u.  s.  w.  einge- 
pfarrten  Reformirten  das  Lutherfest  in  dankbarer  Stimmung  mitge- 
feiert, sondern  auch  die  selbstständigen  Gemeinden  Helv.  Conf, 
namentlich  jene  deutscher  Zunge,  eigene  Feierlichkeiten  veranstaltet, 
über  die  wir  nun  Bericht   erstatten  wollen. 

In  der  evang.  Gemeinde  A.  C.  und  H.  C.  zu  Bregenz  wurde 
Luther's  Gedenktag  in  würdiger,  festlicher  Weise  begangen.  Am 
10.  Nov.  fand  die  Schulfeier  statt.  Die  Jugend  hatte  das  Unter- 
richtslocal  mit  Kränzen  und  Epheugewinden  ausgeschmückt.  Ein 
schönes  Bild  Luther's,  umgeben  von  hervorragenden  Männern  der 
Reformationszeit,  welches  der  Curator  Dr.  Samuel  Jenny  der  Schule 
gewidmet  hat,  war  an  geeigneter  Stelle  angebracht.  Nach  voraus- 
gegangenem Gesänge  und  Gebete  besprach  Lehrer  Christian  Schnee- 
berger  mit  den  Kindern  die  Hauptzüge  aus  Luther's  Leben  und 
Wirken.  Es  folgten,  von  einzelnen  Schülern  vorgetragen,  einige  dem 
Feste  angemessene  Declamationen.  Schliesslich  wurde  jedem  Kinde 
das  , Jubelbüchlein*  von  Jul.  Disselhoff  und  eine  Gedenkmedaille, 
die  Luther's  Bildniss  trägt ,  übergeben.  —  Am  11.  Nov.  ver- 
sammelte sich  die  Gemeinde  in  der  mit  Kränzen  und  Guirlanden 
geschmückten  Kirche.  Nach  einem  Orgelpräludium  folgte  der  Gesang : 
»Ein*  feste  Burg  ist  unser  Gott*.  Die  Predigt  über  Matth.  5,  11.  12 
hat  ihre  erhebende  Wirkung  nicht  verfehlt;  sie  wurde  von  Pfarrer 
Marx  aus  St.  Margarethen  gehalten,  da  der  Ortspfarrer  K.  Krßal 
wegen  eingetretenen  Unwohlseins  sie  nicht  halten  konnte.  Aber 
Letzterer  behandelte  am  folgenden  Sonntage  (18.  Nov.)  in  seiner 
Predigt  über  Hebr.  13,  9  die  Frage:  ^Welche  Frucht  soll  das 
Lutherfest  uns  Allen  hinterlassen.^*  Er  sprach  von  der  Festigkeit 
des  Herzens.  <, Alles,  was  Luther  Grosses  geleistet*  —  sagte 
Redner  u.  A.  —  ,ist  erwachsen  aus  dem  Grunde  eines  in  Gott  fest- 
gewordenen Herzens.  Das  verlieh  seinem  ganzen  Wesen  jene  Kraft 


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und  jenen  Freimuth.  Diese  Festigkeit  des  Herzens  gab  seinem  Arme 
die  Kraft  zu  jenen  Hammerschlägen  an  der  Schlosskirche  zu  Witten- 
berg, dass  man  dieselben  wie  Donnerschläge  bis  nach  Rom  hören 
konnte.  Sie  verlieh  ihm  den  Freimuth  zur  Verantwortung  seines 
Glaubens  gegen  Jedermann.  Sie  hielt  Stand  jeder  spitzfindigen 
Disputation.  Sie  kannte  vor  Kaiser  und  Reich  nur  Eines :  die 
Wahrheit  des  Evangeliums,  und  ihren  letzten  Ausdruck  konnte  sie 
nur  in  dem  Einen  finden:  ,Es  ist  nicht  gerathen,  etwas  wider  das 
Gewissen  zu  thun.  Hier  stehe  ich,  ich  kann  nicht  anders,  Gott 
helfe  mir.  Amen!*  Aber  dieser  Festigkeit  des  Herzens  können  wir 
nicht  gedenken  ohne  beschämendes  Bewusstsein  dessen,  was  unserer 
Zeit  fehlt.  Aus  dem  Lutherfeste  wehte  ein  belebender  Hauch  hervor. 
Möge  sich  das  evangelische  Volk  allenthalben  recht  erinnert,  haben 
an  seine  evangelische  Pflicht!  Und  den  Segen  dieses  Festes  mögen 
fortan  die  Worte  verkündigen:  ,Es  ist  ein  köstliches  Ding,  dass  das 
Herz  fest  werde.*  So  feierte  die  aus  Lutherischen  und  Reformirten 
bestehende  Gemeinde  in  schöner  Einmüthigkeit  das  Lutherfest. 

In  der  reform.  Gemeinde  Laibach-Cilli  wurde  die  Luther- 
feier an  beiden  Orten  auf  festgottesdienstliche  Weise  begangen. 
Der  Pfarrer  besprach  auf  Grund  von  Gal.  4,  i — 3  das  Thema:  ,Die 
Geburt  Luther's  —  die  Befreiung  der  christlichen  Kirche  aus  der 
Knechtschaft*.  Der  evangelischen  Schuljugend  der  Gemeinde  wurde 
die  Bedeutung  der  Feier  gelegentlich  des  Religionsunterrichtes  durch 
den  Pfarrer  eingehend  erklärt. 

Ein  herzerquickendes  Bild  des  einmüthigen  Zusammengehens 
der  beiden  evangelischen  Bekenntnisse  bietet  der  Verlauf  der  Luther- 
feier in  Triest.  Dass  bei  der  am  10.  Nov.  veranstalteten  Schulfeier 
sich  die  Kinder  beider  Bekenntnisse  betheiligten,  ist  bei  dem  Umstände, 
als  beide  Kirchengemeinden  eine  gemeinschaftliche  Schule  unterhalten, 
allerdings  selbstverständlich;  wohl  aber  verdient  die  Thatsache  be- 
kannt zu  werden,  dass  beide  Kirchengemeinden  auch  eine  gemein- 
schaftliche Kirchenfeier  begangen  haben,  obwohl  jede  derselben  ein 
eigenes  Gotteshaus  besitzt  und  die  reformirte  Gemeinde  in  dem 
Candidaten  Jurany  einen  Vicar  hat.  Auf  Anregung  des  reform. 
Presbyteriums  hatte  das  Presbyterium  A.  C.  die  reform.  Schwester- 
gemeinde für  den  11.  Nov.  zu  einer  gemeinschaftlichen  Festfeier 
in  das  geräumige  Gotteshaus  A.  C.  eingeladen,  dessen  Thurm  im 
Festschmucke  von  Wimpeln  und  Flaggen  prangte,  weithin  über 
die   Häuser   und    den    Hafen    hinaus  verkündend:   die  ^Lutheraner* 


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haben  heute  ein  grosses  Fest.  Der  Gottesdienst  wurde  nach  der 
bereits  (S.  52)  mitgetheilten  Ordnung  abgehalten,  wobei  der  Vicar 
der  reform.  Gemeinde  mitfunctionirte.  Der  lutherische  Ortspfarrer 
hielt  die  Festpredigt  über  Luc.  13,  1 — 9,  davon  ausgehend,  dass  in 
und  mit  Luther  ein  Stück  der  göttlichen  Barmherzigkeit  kund  wurde, 
die  über  dem  unfruchtbaren  Baume  sprach:  ^Lass'  ihn  noch  dies 
Jahr,  dass  ich  um  ihn  grabe  und  bedünge  ihn,  ob  er  wolle  Frucht 
bringen*.  Das  Thema  ^Luther  ein  treuer  Gärtner  im  Weinberge 
Gottes*  wurde  in  den  Fragen  entwickelt:  Wie  ist  Luther  ein  solcher 
Gärtner  geworden.^  Wie  hat  er  um  den  unfruchtbaren  Baum  der 
Kirche  gearbeitet?  (Mit  Gottvertrauen  und  heiligem  Muthe.)  Was 
waren  seine  Werkzeuge  bei  der  Arbeit.^  (Die  heil.  Schrift  und  das 
Gebet.)  Was  können  wir  von  Luther  lernen.^  (Die  Bedürfnisse  der 
Gegenwart  wurden  hier  angegeben.)  Zum  Schlüsse  wurde  erinnert: 
,Wenn  er  nicht  Frucht  bringt,  so  haue  ihn  ab!*  Wobei  zugleich 
unter  Hinweis  auf  protestantischen  Hochmuth  und  pharisäisches 
Sichrühmen  gegenüber  den  Nichtevangelischen  geltend  gemacht 
wurden  die  Worte  des  Textes:  »So  ihr  euch  nicht  bessert,  werdet 
ihr  auch  also  umkommen.*  Es  war  in  der  Predigt  auch  des  Abend- 
mahlsstreites gedacht  worden  und  dabei  der  Freude  Ausdruck 
gegeben,  dass  beide  Gemeinden  gemeinsam  dem  grossen  Vor- 
kämpfer aller  Evangelischen  ihre  Huldigung  darbringen. 

Gleichzeitig  mit  der  lutherischen  Schwestergemeinde  hat  auch 
die  evang.  Kirchengemeinde  Helv.  Conf.  in  Wien  den  400jährigen 
Geburtstag  Luther's  in  ihrer  Kirche  (L  Dorotheergasse  16)  durch 
einen  Festgottesdienst  gefeiert.  Oberkirchenrath  Pfarrer  Dr.  Witz- 
Stöber  hielt  die  Festpredigt  über  Sprüche  8,  IG:  , Die  Lehre  achtet 
höher  denn  köstliches  Gold*.  Er  schilderte  in  eingehender  Weise 
nach  der  Schrift  »Von  der  Freiheit  eines  Christenmenschen*  die 
evang.  Glaubens-  und  Sittenlehre  Luther's  insbesondere  und  der 
Reformation  überhaupt.  Zugleich  hob  er  das  Gemeinsame  zwischen 
den  beiden  Kirchen  A.  und  H.  C.  hervor  und  forderte  auf  zur 
Eintracht  und  Einigkeit  unter  Wahrung  der  ^ Lehre*,  welche  uns 
die  Väter  als  , köstliches  Gold*   vererbt  haben. 

Gleichfalls  die  reformirten  Gemeinden  slavischer  Zunge  in 
Mähren  und  Böhmen  haben  gelegentlich  der  am  11.  November 
gehaltenen  Gottesdienste  auf  die  Lutherfeier  in  Ansprachen  und 
Predigten  Bezug  genommen.  (Fortsetzung  folgt.) 


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VII. 
Nachtrag  zu  ,,Tauberiana'', 

Jahrb.  1883.    S.   I— 19. 
Von  Dr.   KARL  RITTER   VON  OTTO. 

„Ain  Christenlich  lied  des  bewainlichen  tods. 

Caspar   Taubers  genant. 

Burger  sü    Wtenn. 

Ins  Brüder    Veitten  thon 

Gedicht  jm  152^.** 
4  Bll.  in  kl.  80,  o.  O.  u.  J. 

Die  Zeit  des  Druckes  ist  dasselbe  Jahr  1525,  wie  daraus  erhellt, 
dass  (Ph.  Wackernagel:  Das  deutsche  Kirchenlied  von  der  ältesten 
Zeit  u.  s.  w.  B.  3,  Leipz.  1870,  S.  438)  die  Abschrift  bei  Val.  Hell 
Blatt  169^  vom  Jahre  1525  ist*).  Das  Lied  wurde  zuerst  von  Ph. 
Max  Körner  ,Histor.  Volkslieder  a.  d.  XVI.  u.  XVII.  Jahrb.* 
(Stuttg.  1840)  S.  127—134,  dem  ich  mit  einigen  Abweichungen  folge, 
aus  dem  in  der  kgl.  Universitäts-Bibliothek  zu  München  aufbewahrten 
Abdruck  mitgetheilt,  worin  die  Verse  nicht  abgesetzt  sind  *).  Der 
auf  dem  Titelblatt  befindliche  Holzschnitt  zeigt  eine  satyrische 
Anspielung  auf  die  Mittheilung  des  heil.  Geistes. 


1)  Es  gibt  noch  mehrere  Abschriften;  vgl.  Jos.  Beck:  Die  Geschichts-Bücber 
der  Wiedertäufer  in  Oesterreich-Ungarn  (Wien  1883)  S.  14. 

")  Jedenfalls  hat  es  mehr  als  eine  Ausgabe  (mit  kleinen  Varianten)  vom  J.  1525 
gegeben,  wie  dies  auch  bei  der  Schrift  „Eyn  warhafftig  geschieht  wie  C,  Tawber^ 
u.  s.  w.  der  Fall  ist.     Vgl.  Jahrb.  1883.    S.  3.    Anm.  4. 


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1.  Nv  hört,  ich  wil  euch  singen 
ausz  traurigklych6  müt, 
darzu  thdr  mich  bezwinge 
das  new  vergossen  blÄt 
ains  frufiie  christß   Riters, 
des  name  Tauber  genant: 
jm  ist  vil  saursz  vn  biters, 
auch  vnrecht  worden  kant. 

2.  Er  WZ  ain  burger  gesessen 
zu  Wien  in  österreych, 
seyn  lob  wz  hoch  gemessen, 
an  hab  was  er  auch  reych, 
het  erlich  weyb  vn  kinde 
vn  was  er  haben  sölt, 

Noch  was  er  jm  nit  zu  linde, 
er  hyelt  sich  auch  zu  Got. 

3.  Wan  man  wolt  wyssen  haben, 
wie  sich  die  sach  ergieng. 

So  habe  jn  die  knaben, 
die  Rottenn  köpff  zd  Wyen 
mit  falscher  zieht  bezügen, 
wie  er  ain  ketzer  wer, 
derhalb  jm  fiirgeschriben 
ain  Reuocatz  so  schwer. 

4.  In  gefencknus  jn  gezwungen, 
jm  dnckel  mit  jm  gespilt, 
auch  dahin  getrungen 

bysz  er  sich  vnderschrib, 

Er  wolt  ReuocierS 

an  vnser  frawen  tag, 

da  seit  er  solch  volfyeren. 

Nun  mercket  auif  seyn  klag. 

5.  Er  stöd  demütigklychen 
still  schweiget  in  der  hoch 
vor  sdlem  volck  so  gleiche, 
bisz  jn  der  pfarer  schmecht, 
hiesz  die  reuocatz  verkinden. 
Erst  hÄb  er  an  mit  gir, 

die  hcnd  die  thet  er  winden : 
„O  Got,  ich  schrey  zu  dir. 

6.  Gib  mir  vnd  den  allen, 
die,  Herr,  erkefien  dich, 
dasz  vnser  kainer  nit  falle. 
Auch  dene  äbersich, 


die  noch  in  finster  sitze, 
thn  jn  die  Augen  auff, 
dempf  jn  jr  aygen  wyize, 
erweck  sye  von  dem  schlaff.* 

7.  Da  er  het  got  gebetten, 

zti  volck  er  sich  schier  want, 
klagt  wie  man  jn  wolt  nöten, 
er  solt  alhie  zu  hand 
dy  wort  gotz  widerrieffen : 
„Das  mag  ich  ye  nit  thon." 
Wes  äugen  hie  nit  trieffen, 
wen  wolts  nit  zu  hertzen  goni 

8.  Wie  wo!  offt  Chormaister 
viel  jm  in  seyn  wort, 

Noch  thet  er  erlych  kempffen, 
sich  an  kain  trewtig  kort, 
auch  alles  wolt  Er  bestöe 
und  gantz  nichts  widerwendt: 
„Zway  ich  nye  gehalten  hone, 
vö  Maria  vn  Sacrament. 

9.  Vnd  wie  sy  mich  anliegen 
vnd  mir  all  meine  wort 
auffs  ergest  nun  thöd  biegen, 
wie  ich  den  Edlen  hört, 
Maria  ayn  mütter  rainne 
hab  ofiFt  vii  dick  vernaint, 
das  Sacrament  verklainet, 
man  ist  auff  mich  verbaint.'' 

10   Nach  solchem  worte 
mtiszt  er  bald  dreten  ab. 
Gleych  da  er  sich  vmkortte, 
sprach  er   „Was  ich  gelert  hab. 
dabey  wil  ich  beleiben, 
vnd  wenden  nit  ain  wort, 
.    drob  lassen  meinen  leybe, 
des  seyt  mein  zeigen  dort.'* 

II.  Hin  thet  man  mit  jm  eylen 
in  gefencknus  also  drat, 
vnd  zwischen  disen  weylen 
Chormayster  gelesen  hat, 
die  Reuocatz  verschriben 
mit  gantz  verdeckten  mund, 
das  es  die  da  stund  belybe 
der  zehendt  kom  verstund. 


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12.  Noch  war  nit  gar  ersöttet 
der  widerchristiscli  hauff, 
er  wart  da  aber  genötet, 
sy  lagen  noch  darauff 
zum  wid'rÄflf  zA  treiben 
den  Riter  gots  fUrwar, 

doch  wolt  er  sich  nit  Scheiben 
als  klain  als  vffi  ain  har. 

13.  Zum  dritte  thet  man  stelle 
den  Tauber  für  das  Recht, 
da  thet  sich  zamen  gesellen 
vil  mancher  esel  schlecht, 
die  heten  docttors  namen, 
der  krönten  pifFel  vil, 

die  all  ziäsamen  kamen, 
jr  kain  ich  nennen  will. 

14.  Es  wasen  auch  entgegen 
ains  Radts  vil  erber  man, 
Alain  vö  wunders  wegen, 
wie  es  zu  letzst  wurd  gan. 
Da  man  nu  was  dar  komen, 
ain  Procurator  anfieng, 

in  latein  klagt  an  den  fruffien, 
daraufT  ain  vrttel  gyeng: 

15.  Wie  er  ain  ketzer  were, 
deshalb  vö  jn  erkilt, 

So  er  sich  nit  wolt  keren 

das  er  da  wurt  verbrant. 

O  Got,  des  schweren  rechtes, 

wa  man  nit  auff  al  klag 

hört  auch  ains  armen  knechtes 

antwurt  vnd  widersag. 

16.  Dz  vrtail  wz  gefallen, 
jr  ketzer  müst  er  seyn, 
der  hencker  in  des  halben 
jm  die  hend  schlosz  ein. 
Mit  jm  da  thet  er  eilen 
wol  in  des  richters  hausz, 
vil  redt  er  vnderweylen, 
zu  letzst  spricht  er  herauü* 

17.  Mit  hocher  styfii  so  freye: 
„Nun  gesegne  euch  alle  got! 
Ich  bit  euch  auch  darbeye, 
behaltent  Gotes  wort 


vnd  laszt  euch  nit  erschrecken 
allhye  mein  schmehen  tod, 
sund'  thöd  euch  darin  stercken: 
leyden  ghört  zu  dem  wort. 

18.  Was  wirt  nit  zugezogen 
den  die  erkennen  dich.^ 
Sy  hond  jn  angelogen, 

hab  jm  selb  thon  drey  stich, 
in  mainung  jn  zu  sehenden, 
doch  hat  er  sich  der  zieht 
thon  ofTenlich  entwenden, 
zö  schand  seys  jm  erdicht. 

19.  Darnach  nit  Über  lange 
fyengenn  sysz  wider  an, 

da  müst  der  arem  gefangne 
zürn  vierten  malen  dran. 
Vfii  den  leib  was  es  geschehen, 
mit  got  macht  er  seyn  bund, 
Er  solt  jm  seyn  seel  versehen 
gleych  zu  der  selben  stund. 

20.  Ain  wagenn  was  beraittet, 
darauff  da  sasz  der  theur, 

er  ward  von  schergen  blcytet 
zu  Schwert  vnd  zÄ  dem  feür. 
Auch  wiszt  das  bey  jm  sasse 
der  hencker  hynder  jm, 
ain  pfaf  der  was  jm  gehasse. 
Also  fürens  dahin 

21.  Bysz  an  das  ort  vfi  State, 
daran  er  sterben  solt. 
Von  wagen  er  frey  dratte, 
auch  da  nit  wenden  wolt: 
vms  wortt  da  wolt  er  sterbß, 
die  weit  die  acht  er  klein 
vnd  auch  des  leibs  verderben, 
hielt  sich  an  den  eckstain. 

22.  Er  bat  auch  also  sere 
in  liebe  yedermH, 

das  mS  nit  hessig  were, 
in  kainem  weg  wer  gran 
Den  so  in  die  höd  übergeben-: 
sy  möchten  jm  den  leib 
tödten,  die  sei  würt  leben, 
die  bey  Got  ewig  bleib. 


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23.  Ain  pfaf  der  was  entgeg^, 
der  sprach  zu  jm  gar  schnell, 
wie  er  scy  so  verwegen 

das  er  nit  beichtS  wöll? 

Im  antwurt  er  gar  schwinde, 

sejn  sach  er  schaffen  solt, 

ein  höhern  in  der  gscbriift  er  finde 

2Ü  dem  er  beichten  wolt. 

24.  Dz  Ichs  auffs  kürtzest  mache : 
WZ  er  thet  aber  hie? 

Nach  end  verlaffner  sache 
vyel  er  auff  baide  knye, 
Empfalch  got  seinen  gaiste 
mit  hochen  seufftzen  vil 
Er  müst  gleich  jetz  mit  laisten, 
es  was  sejm  letzstes  ziL 


25.  Der  hecker  thet  dar  schlagg 
vfi  schliig  jm  ab  das  haupt: 
Wer  wolt  nit  byllich  klagen? 
Man  hat  jm  ye  geraupt 

den  leib  vnd  auch  das  leben, 
an  eere  jn  gepfent, 
dem  Schwert  ward  er  geben, 
zu  letzst  ward  er  verbrefit. 

26.  Also  habt  jr  in  gesange 
in  ainer  summa  hie, 

wie  es  zu  Wyeii  sey  gange. 
Es  würt  mir  brauchen  mü, 
solt  ichs  von  wort  zu  worte 
alsz  bringe  in  gesang, 
Es  müst  wainen  wer  es  horte 
dz  lied  wurt  zu  lang. 


Psal.  55. 

In  gott  hab  ich  gehofft,  ich  wird  nit  fürchte 
was  mir  thün  wirt  der  mensch. 


Vers  2,  5  künde.    2,  8  Gott.    3,  $  zücht  (vgl.  18,  6).    3,  8  schür. 

5,  6  giir.  6,  2  du.  8,  i  fehlt  wohl  »der*  (doch  vgl.  ir,  4).  9,  8  ver- 
baint  =  erzürnt.  lo,  i  solchen  wort  12,  i  ersöttet  =  ,ersettigt* 
(Jahrb.  1883,  S.  18,  Z.  14).  13,  7  allzu  samen.  14,  4  gen.  14,  7  jhn 
(vgl.  Jahrb.  1883,  S.  16,  Z.  2  f.  v.  u. :  ,im  Latein  .  .  .  anklagt*). 
13,  4  verbrent.     15,    5    rechtens.     18,    2    den  (vgl.  22,    S,   ,den*  wie 

6,  I  =  , denen*  6,  4).  18,  6  zücht  (vgl.  Jahrb.  1883,  S.  18,  Z.  12  v.  u.). 
19,  2  fyengenns  .  .  .  wid'.  21,  i  vielleicht  ^statte*.  22,  5  Den 
(vgl.  18,  2).  22,  8  »die*  fehlt.  23,  6  solte.  23,  7  funde.  26,  5  worten. 


Jahrbuch  des  Protestantismus  1886.  H.  II. 


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VIII. 

Zwei  Actenstücke  zur  Geschichte  der  Reformation 

in   Odrau. 

Mitgetheilt  von  Dr.  THEODOR  HaaSE. 

In  dem  schlesischen  Städtchen  Odrau  lebt  dermalen  nur  eine 
geringe  Anzahl  evangelischer  Glaubensgenossen,  welche  zur  mäh- 
rischen Kirchengemeinde  Zauchtel  eingepfarrt  sind.  Aber  auch  in 
Odrau  hatte  einst  die  Reformation  allgemeine  Aufnahme  gefunden, 
und  freilich  nur  während  einer  kurzen  Spanne  Zeit  (1600 — 1628)  war 
die  dortige  Bürgerschaft  ausschliesslich  dem  evangelischen  Bekennt- 
nisse zugethan. 

Zwei  Schriftstücke,  welche  in  dem  Gemeindearchiv  von  Odrau 
aufbewahrt  sind  und  in  welche  ich  durch  die  Güte  des  derzeitigen 
Bürgermeisters  Herrn  Julius  Gerlich  Einblick  erhielt,  verdienen  es. 
als  kleine  Beiträge  zur  Geschichte  des  Evangeliums  in  Mähren  und 
Schlesien  in  unserem  Jahrbuch  abgedruckt  und  dadurch  in  weiteren 
Kreisen  bekannt  zu  werden. 

Das  eine  ist  eine  Original-Urkunde  auf  Pergament  mit  acht 
angehängten  Bullen  aus  dem  Jahre  1603,  durch  welche  die  Stelle 
eines  evangelischen  Diakons  in  Odrau  systemisirt  wird.  Dieselbe  hat 
folgenden  Text: 

,  Allen  und  Jeglichen,  weß  Würden,  Stands  und  Wesens  die 
sein  —  Sei  kund  und  offenbar,  daß  Wir  Zechmeister,  Aeltesten 
und  Meister  sämmtliche  Jung-  und  Alt-  in  diesen  Handwercken  der 
Schuster.  Schneider,  Kürschner,  Fleisch hacker,  Schmiede,  Leinweber, 
Becken  und  Tuchmacher  in  der  Stadt  Odra  mit  christlichem  gutem 
Willen  des  wohlgeborenen  Herrn,  Herrn  Johann  Bohusch  von  Zwola 
und  Goldenstein  etc.  Herrn  auf  Odra,  Deutsch-Jaßnig  und  Birawa. 
unseres   gnädigen   Erbherrn   und    mit   Bedenken    aller  Eltesten    das 


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beneficium  und  freiwillige  Gabe  unserer  lieben  Voreltern  zur  Kirchen 
und  Gotteshaus  zur  Unterhaltung  eines  Diaconi  und  Kaplans  be- 
nanntlich  drei  Hundert  Gulden,  den  Gulden  zu  sechsunddreißig 
Groschen  und  den  Groschen  zu  zwölf  Hellern  gezählet,  vollkommlich 
zu  Unseren  Händen,  solchergestalt  von  einem  Ehrsamen  Rath  auf 
Achttheil  jede  Zeche,  Achtunddreißigst  halben  Gulden  baar  auf- 
gezählt empfangen  haben,  für  welches  Wir  Uns  sämmtlich  ver- 
pflichten und  zusagen,  so  lang  solches  Geld  in  Unseren  Händen, 
von  einem  Neujahrstag  zum  andern,  alle  jährlichen  24  Gulden  ob- 
geraeldter  Zahl  zu  entrichten,  auf  daß  also  Gottes  allein  selig- 
machendes Wort  desto  fleißiger  nach  Inhalt  der  Augsburgischen 
Confession  rein  und  lauter  und  nicht  anders  gelehret  und  geprediget 
werde.  Und  solches  versprechen  wir  sämmtlichen  ohne  alle  Ausrede, 
List,  Schaden  und  Vortheil  ganz  treulichen  stet  und  unverbrüchlich 
zu  halten.  So  aber  alsdann  Wir  oder  die  Unsrigen  hierin  nachlässig 
erfunden,  soll  Ein  Rath  und  Gemein  Macht  haben,  mit  Einhelligem 
Willen  diese  Summe  vollkommlich  in  guter  Münze,  die  im  Lande 
gebe  und  gebräuchlich  von  Uns  abzufordern,  jedoch  daß  Uns  solches 
in  einer  gebührlichen  Zeit,  zum  wenigsten  ein  halbes  Jahr  vorm 
Neujahr  angekündiget  werde.  Diesem  Allem,  so  Wir  Uns  Unserem 
lieben  Gotte  zur  Ehre  seines  heiligen  Namens,  dem  Ehrwürdigen 
Ministerio  und  Dienern  Gottes  und  Gotteshauses,  ja  einer  ganzen 
christlichen  Gemein  treulichen  und  ohne  alle  Gefährde  zu  halten, 
haben  Wir  obgemeldte  Zechmeister  und  Meister  Unser  der  Zechen 
Insigillen  zur  besseren  Sicherheit  und  Glauben  anhangende  ein- 
drucken lassen.  Geschehen  zu  Odra  Freitags  nach  Gregorii  im 
sechzehnhundertsten  und  in  dem  dritten  Jahre  nach  der  freuden- 
reichen Geburt  Unseres  Erlösers  und  Heilandes  Jesu  Christi.* 

Das  zweite  auf  die  Reformation  in  Odrau  bezügliche  Schrift- 
stück, welches  sich  im  dortigen  städtischen  Archive  findet,  ist  ein 
»von  dem  Contributions-Einnehmer  Augustin  Brustmann  am  2.  August 
1805  aus  der  Odrauer  Kirchenmatrik  angefertigter  Auszug*.  Derselbe 
ist  wahrscheinlich  während  einer  Pfarrvacanz  gemacht,  und  die  Dürf- 
tigkeit der  von  Brustmann  verzeichneten  Daten  erklärt  sich  wohl 
aus  dem  Umstände,  dass  ihm  nicht  mehr  Zeit  gegönnt  war,  sich 
mit  den  fiir  die  kirchenhistorische  Forschung  in  der  Regel  unzu- 
gänglichen katholischen  Kirchenbüchern  zu  beschäftigen.  Aber  die 
wenigen  Daten,  die  er  uns  übermittelt,  sind  für  die  evangel.  Kirchen- 

6* 


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geschichte  Oesterreichs  immerhin  von  bemerkenswerthem  Interesse. 
Es  sind  die  folgenden: 

,Anno  1610  ist  Johann  Oswald  der  erste  Pastor  der  Odrauer 
Kirchen  gewesen. 

,Anno  1620,  den  30.  Dezember  sind  zu  dem  ruhmvollen  Be- 
gräbniss  der  hoch-  und  wohlgeborenen  Frauen,  Frauen  Helene  Prasma, 
aus  der  hochlauchtigsten  Familie  Baron  von  Rhidem  geboren,  be- 
rufen worden  und  erschienen:  Valentin  Arnold,  Pastor  zu  Neu- 
titschein; Johannes  Hoffmann,  Pastor  in  Weißkirchen,  zu  dieser  Zeit 
vice  Aufseher  in  Mähren;  Petrus  Reich,  Pastor  in  Wagstadt;  Andreas 
Richter,  Pastor  in  Liebenthal;  David  Richter,  Pastor  in  Jasnick; 
Petrus  Rulig,  Pastor  in  Zauchtel;  Andreas  Reissig,  Pastor  in  Leschna; 
Mathias  Antop,  Pastor  in  Mankendorf;  Georgius  Luka,  Pastor  in 
Petersdorf;  Georgius  Blumig,  Pastor,  und  Heinricus  Albui,  Diakon 
der  Odrauer  Kirche. 

,Anno  1628,  den  9.  Dezember  ist  dem  Elias  Herforth,  Bürger 
und  Hofschmidt  und  seiner  Ehegemahlin  Anna  ein  Sohn  geboren; 
weilen  aber  damals  keine  katholischen  Priester  vorhanden  waren, 
indem  gleich  die  Lutherischen  vertrieben  worden,  von  einer  verstän- 
digen Frauen  Anna  Marketändlerin  wegen  des  Kindes  großer 
Schwachheit  getauft  worden. 

,Anno  1629  ist  Johann  Friedrich  Hlasnick,  von  Ratibor  in 
Schlesien  gebürtig,  der  Erste  nach  der  Austreibung  derer  lutherischen 
Pastoren,  Pfarrer  der  Odrauer  Herrschaft  geworden.* 


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IX. 

Zur  Geschichte  der  evangelischen  Transmigration  aus 
Ober-  und  Innerösterreich  nach  Siebenbürgen^). 

Von  Dr.  KARL  REISSENBERGER  in  Graz. 

Der  Sturm  der  Gegenreformation,  der  von  Ferdinand  II.  ange- 
facht, die  junge  evangelische  Saat  in  den  Alpenländern  vernichten 
sollte,  hatte  in  Oberösterreich,  Steiermark  und  Kärnten  wohl  äusser- 
lich  die  Protestanten  weggefegt,  aber  den  evangelischen  Geist  nicht 
ausrotten  können.  Viele  hielten  in  diesen  Ländern,  namentlich  an 
Orten,  wo  die  Natur  vor  Verfolgung  mehr  schützte,  an  Luther  fest. 

Aber  in  dem  i8.  Jahrhunderte,  als  in  dem  benachbarten  Salz- 
burg die  protestantischen  Bewegungen,  die  dort  zu  dem  Ausweisungs- 
befehl Firmian's  führten,  herrschten,  ergriffen  die  Organe  des  Staates 
auch  in  den  erwähnten  österreichischen  Landen ')  strenge  Massregeln 


>)  Der  nachfolgende  Aufsatz  will  nichts  Anderes  als  einige  Skizzen  zur  Geschichte 
der  evangel.  Transmigratibn  nach  Siebenbürgen  bieten,  um  über  den  Gegenstand  und 
die  vorhandene  Literatur  zu  orientiren.  Eine  umfassende  und  gründliche  Geschichte 
der  evangelischen  Transmigration  aus  den  Alpenländern  nach  Siebenbürgen  soll  erst 
noch  geschrieben  werden.  An  reichem  Stoff  hiezu  fehlt  es  nicht.  Denselben  enthalten 
das  k.  k.  geh.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien,  die  Landeüarchive  in  Graz  und 
Klagenfart,  das  Seckauer  bischöfliche  Archiv  (und  wohl  auch  die  bischöflichen  Archive 
in  Linz  und  Klagenfurt),  die  Archive  einiger  katholischer  Pfarren  (das  Archiv  des 
Stiftes  Admont  hat  seine  wichtigen,  hieher  gehörigen  Archidiaconatsacten  leider  durch 
Brand  verloren),  das  gegenwärtig  in  Budapest  befindliche  Archiv  der  ehemaligen  sieben- 
bärgischen  Hofkanzlei,  das  Archiv  der  Stadt  Hermannstadt  und  der  sächsischen  Nation, 
sowie  andere  kleinere  Archive  Oesterreichs  und  Siebenbürgens. 

•)  Raup  ach,  Erläutertes  evang.  Oisterreich.  IV.  Hamburg  1740;  Wald  au, 
Geschichte  der  Protestanten  in  Oesterreich,  Steiermark,  Kämthen,  Krain.  H.  Anspach 
1784.  (In  beiden  Werken  ist  auch  die  ältere  Literatur  verzeichnet.)  Schauroth  und 
Herr  ich,  Sammlung  alter  Conclusorum  u.  Verhandlungen  des  Corporis  Evang., 
Regensb.  1751 — 86;  Zwiedineck-Südenhorst,  Geschichte  der  religiösen  Bewegung 


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86 

gegen  die  ,Sectierer*.  Doch  was  auch  alles  mit  ihnen  versucht, 
was  auch  drückendes  gegen  sie  in's  Werk  gesetzt  wurde,  sie  blieben 
ihrem  Glauben  treu.  So  schien,  da  die  Alpenländer  nun  einmal  rein 
katholisch  erhalten  werden  sollten,  kein  anderes  Mittel,  als  die  evan- 
gelisch Gesinnten  aus  diesen  Ländern  zu  verbannen.  Aber  ganz 
wollte  die  Regierung  auf  so  tüchtige  Unterthanen  nicht  verzichten, 
am  wenigsten  mochte  man  sie  dem  Auslande  zugute  kommen  lassen. 
An  Preussens  Beispiel  hatte  man  gelernt.  Dort  hatte  der  grosse 
Kurfürst  einst  die  hugenottischen  Flüchtlinge,  dann,  eben  in  der 
jüngsten  Vergangenheit,  König  Friedrich  Wilhelm  I.  die  Salzburger 
Emigranten  aufgenommen  —  zum  Segen  ihres  Staates. 

So  sollten  die  österreichischen  Protestanten  ihrem  Vaterlande 
nicht  verloren  gehen,  sondern  durch  ihre  Arbeit  demselben  auch 
fernerhin  nützen;  sie  sollten  deshalb  nicht  Emigranten,  sondern  Trans- 
migranten werden.  Das  Land,  das  die  kaiserliche  Regierung  für  diese 
Transmigranten  als  neue  Heimat  ausersehen  hatte,  war  Sieben- 
bürgen, wo  schon  seit  dem  Jahrhundert  der  Reformation  die  Prote- 
stanten den  Katholiken  völlig  gleichgestellt  waren.  Zudem  war  in 
den  furchtbaren  Kriegen,  die  seit  der  Schlacht  bei  Mohacs  (1526) 
über  jenes  Land  dahingegangen  waren,  die  deutsche  Bevölkerung 
daselbst  sehr  zusammengeschmolzen,  ganze  Ortschaften  waren  aus- 
gestorben, und  doch  bedurfte  man  der  Deutschen  dort  recht  sehr, 
denn  sie  waren  die  reichstreuesten  *).  So  gebot  denn  die  Staatsraison 
geradezu,  die  deutsche  Bevölkerung  Siebenbürgens  zu  stärken.  Dass 
durch  die  Transmigranten  zugleich  das  evangelische  Element  ver- 
mehrt wurde,  hatte  daneben  nichts  zu  bedeuten.  Nach  Siebenbürgen 
also  wurden  die  österreichischen  Protestanten  zumeist  überführt, 
nur  wenige  wurden  in  Ungarn  angesiedelt. 

Ueber  die  Zahl  und  die  Zeit  der  Transmigrantenzüge,  wie  über 
die  andern  Verhältnisse  derselben  herrscht  nicht  immer  wünschens- 


in  Innerösterreich  im  18.  Jahrh.  Wien  1875;  Derselbe,  Dorfleben  im  18.  Jahrh. 
Wien  1877;  Czerwenka,  Zur  Geschichte  der  Gegenreformation  in  Steiermark,  in 
diesem  Jahrb.  I.,  IL;  Kotschy,  Gedenket  der  vorigen  Tage.  1881;  Fr.  Teutsch, 
Die  letzten  deutschen  Einwanderungen  im  Siebenb,  Sachsenland,  in  d.  Wochenschrift 
pim  neuen  Reich«  1872,  Nr.  44,  S.  855  fl*. ;  Zapletal  (Weltpriester),  die  Bekämpfung 
und  Duldung  des  Protestantismus  im  oberen  Ennsthale.  Graz  1883.  (Vgl.  hierüber  die 
Recension  von  F.  M.  Mayer  in  diesem  Jahrb.  1885,  S.  96 ) 

*)  G.  D.  Teutsch,  Geschichte  der  Siebenb.  Sachsen.  Leipzig  1874    II. 


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87 

werthe  Klarheit.  So  ist  gleich  das  Jahr  strittig,  in  dem  die  erste 
Transmigration  aus  Kärnten  und  damit  die  erste  Transmigration 
überhaupt  stattfand. 

Zwiedineck-Südenhorst  *)  theilt,  indem  er  sich  hiebei  auf  das 
Quellenvverk  , Europäische  Staatskanzlei*  stützt,  mit,  dass  die  erste 
Auswanderung  in  das  Jahr  1733  falle,  indem  am  i.  October  dieses 
Jahres  Michael  Berger  und  dreiundzwanzig  Genossen  aus  Kärnten 
nach  Siebenbürgen  transportirt  wurden.  O.  v.  Meltzl  in  Hermann- 
stadt widerspricht ')  dem  mit  der  Motivirung,  im  Hermannstädter 
Archive  finde  sich  davon  keine  Spur.  Die  Sache  ist  schwer  zu  ent- 
scheiden. Doch  möchte  ich  Zwiedineck's  Angabe  keineswegs  ab- 
lehnen, da  ich  selbst  gefunden  habe,  dass  das  Hermann  Städter  Archiv 
bezüglich  der  Acten  zur  Transmigrationsgeschichte  Lücken  aufweist. 
Sicher  aber  ist  die  Ueberführung  von  Protestanten  aus  Oberösterreich 
nach  Siebenbürgen  im  Jahre  1734  •).  An  dieser  Transmigration  nahmen 
Antheil  47  Familien,  82  Ehepaare,  8  Witwen  und  Ledige,  80  Söhne, 
91  Töchter  und  2  Knechte,  im  Ganzen  263  Köpfe.  Am  9.  Juli  wurde 
die  Reise  in  Linz  angetreten;  dieselbe  ging  über  Klosterneuburg, 
wo  der  Hermannstädter  Stuhlrichter  Kinder  von  Friedenberg*)  die 
Leitung  übernahm,  dann  über  Wien  und  Ofen  nach  Siebenbürgen. 
Als  die  Transmigranten  am  20.  August  in  Grossau  anlangten,  waren 
die  für  sie  bestimmten  Häuser  in  dem  benachbarten  Neppendorf 
(^,'4  St.  von  Hermannstadt)  noch  nicht  fertig,  weshalb  sie  vorläufig 
über  Hermannstadt  nach  dem  iVa  St.  südlich  gelegenen  Heitau  ge- 
führt wurden  *).  Hier,  wo  sie  unter  dem  Gesänge  geistlicher  Lieder 
ihren  Einzug  hielten,  wurden  sie  von  den  Bewohnern,  auf  welche 
die  glaubensstarken  Leute  tiefen  Eindruck  machten,  herzlichst  aufge- 
nommen und  über  Anordnung  des  Hermannstädter  Magistrates   auf 


*)  Geschichte  der  rel.  Bewegung  etc.  S.  21. 

')  Das  alte  und  neue  Kronstadt  von  George  Michael  Gottlieb  v.  Herrmann.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  Siebenbürgens  im  18.  Jahrhundert,  bearbeitet  von  Oscar  von 
Meltzl.  I.  Mermannstadt  1883,  S.  216,  Anm. 

»)  Meltzl  a.  a.  O.;  Raupach  IV,  S.  483;  Waldau  II,  S.  362. 

*)  G.  D.  Teutsch  in  d.  Allg.  deutschen  Biographie  15,  S.  749  flf.  Vgl.  auch 
die  dort  verzeichnete  Literatur. 

^  Kurze  Geschichte  der  ersten  Einwanderung  oberösterr.  evang.  Glaubensbrüder 
nach  Siebenbürgen,  in  einem  Vortrage  an  seine  Gemeinde  dargestellt  (zur  Säcular- 
feier)  von  dem  d.  z.  evang.  Pfarrer  zu  Neppendorf  bei  Hermannstadt  in  Siebenbürgen 
(Josef  Ettinger).  Hermannstadt  1835. 


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88 

Kosten  des  Stuhles  8  Tage  lang  bewirthet,  so  dass  sie  sich  alsbald 
recht  wohl  befanden,  wie  uns  das  mehrere  Briefe,  die  sie  in  die  alte 
Heimat  sendeten,  darthun.  Dereine  dieser  Briefe  von  Paul  Kaiser, 
einem  8 1 jährigen  Greise,  an  seinen  Sohn  Johann  Kaiser  geschrieben, 
bei  Raupach  IV,  S.  486  f.  und  bei  Waldau  II,  S.  364  abgedruckt, 
dürfte  allgemeiner  bekannt  und  leichter  zu  erlangen  sein.  Einen 
anderen  schrieb  Mathias  Fischer  an  seine  Brüder  Hans  und  Josef 
Fischer  in  Goisern  unter  dem  9.  September  1734:  ,  Liebe  Brüder, 
ich  schreibe  Euch  aus  brüderlicher  Liebe  und  mache  Euch  zu 
wissen,  dass  ich  noch  bis  dato  frisch  und  gesund  bin  und  mein 
Stückel  Brod  hier  in  Siebenbürgen  reichlich  zu  gewinnen  habe  und 
wollte,  Gott  schickte  es,  dass  es  in  meinem  Vaterlande  auch  also 
stände,  als  wie  hier  in  Siebenbürgen.  Wir  seyn  zwar  jetzt  im  Dorf 
Heitau,  aber  es  ist  unseres  Bleibens  nicht  hier  in  diesem  Dorf, 
sondern  wir  seyn  durch  unsere  allergnädigsten  Herren  auf  Neppen- 
dorf beschieden;  dieweilen  es  aber  so  schlecht  gebaut  ist,  so  hat 
man  uns  einmahl  in  dieses  Dorf  eingesetzt,  bis  es  ein  wenig  zu  be- 
sitzen ist  und  mache  Euch  zu  wissen,  dass  dies  Dorf  Neppendorf 
Vi  Stunde  von  Hermannstadt  liegt  und  näher  gegen  unser  Vater- 
land, als  dieser  Ort,  wo  wir  jetzt  seyn.**) 

An  den  Kaiser*)  richteten  sie  insgesammt  ein  Dankschreiben, 
worin  sie  einen  Rückblick  auf  ihre  letzten  Schicksale  in  der  alten 
Heimat  werfen,  und  dann  also  schliessen:  ,  Ergehet  demnach  an 
Ew.  Kaiserl.  und  Königl.  Majestät  unser  unterthäniges  Bitten  und 
Anlangen,  Sie  wollen  uns  solches  nicht  vor  Ungut  aufnehmen,  dass 
wir  in  Siebenbürgen  zu  reisen  uns  nicht  alsogleich  verwilliget  haben  ; 
denn  wir  müssen  mit  Wahrheit  bekennen,  dass  wir  auf  dieser  Reise 
nach  Siebenbürgen  von  Ew.  Kaiserl.  Majestät  so  grosse  Wohlthaten 
empfangen,  dass  wir  vor  solche  Gnad  und  Mildigkeit  nicht  genug 
Dank  abstatten  mögen;  bitten  demnach  nochmahlen,  Ew.  Kaiserl. 
Majestät  wolle  Alles  unserm  Unverstand  zumessen  und  uns  Alles 
verzeihen  und  vergeben  und  in  diesem  Fürstenthum  Siebenbürgen 
noch  ferner  hinfiihro  unser  allergnädigster  Kaiser  und  Landsfurst 
seyn  und  uns  in  seinen  landesfiirstlichen  Schutz  und  Schirm  befohlen 
seyn   lassen;    solche  Wohlthaten  wollten  wir    mit  unserm  Gebet  zu 


*)  Kurze  Geschichte  S.  29  f. 

')  Ebenda  S.  44  u.  Acta  hist.  eccl.,  pag.  455  seqq. 


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89 

Gott,  dem  Allmächtigen,  für  Ew.  Rom.  Kaiserl.  Majestät  jeder  Zeit 
zu  bitten  beflissen  sein.* 

Wenige  Tage  nach  ihrem  Eintreffen  in  Heitau  wurde  in  der 
dortigen  ev.  Kirche,  wohl  von  dem  damaligen  Pfarrer  und  späteren 
Superintendenten  Jacob  Schunn*),  ein  Religionsgespräch  abge- 
halten. Welcher  Art  dasselbe  gewesen,  ersehen  wir  noch  aus  dem 
»Entwurf*)  der  Fragen,  welche  denen  Oesterreichischen  Emigranten 
Anno  1734  den  26.  August  in  der  Heltauer  Kirche  vorgetragen  und 
von  Ihnen  beantwortet  wurden.*  Es  heisst  darin  zunächst:  ,Die 
Vorbereitung  wurde  genommen  i.  Petri  3,  15.  Seyd  allezeit  bereit 
zur  Verantwortung  Jedermann,  der  Grund  fordert  der  Hoffnung,  die 
in  Euch  ist.  Nach  erwogenen  Hauptumständen  dieses  Spruches  wurden 
die  bewegende  Ursachen  vorgetragen,  warum  man  sich  genöthigt 
finde,  eine  Unterredung  mit  ihnen  anzustellen :  i.  wegen  ihrer  selbst, 
damit  sie  sich  öffentlich  erklären  möchten,  was  sie  glaubten,  2.  wegen 
ihrer  Abgünstigen,  die  von  ihnen  vorgeben,  dass  sie  in  der  That 
keiner  Religion  zugethan  und  weder  kalt  noch  warm  seyen,  3.  wegen 
des  Ministerii  allhier,  das  sich  ihrer  Aufrichtigkeit  im  Glauben  ver- 
sichert wissen  müsste.  Endlich  4.  wegen  der  ganzen  hiesigen  evan- 
gelischen Gemeine,  bei  welcher  sie  sich  als  Glaubens  Genossen 
wollten  geachtet  wissen.*  Nachdem  sie  feierlichst  gelobt,  ^bei  der 
•evangelisch  lutherischen  Religion  nach  Inhalt  der  ungeänderten 
Augsburgischen  Confession*  flehen  und  sterben*  zu  wollen,  wurden 
sie,  wie  es  in  dem  Entwürfe  am  Schlüsse  heisst,  , versichert,  dass 
Gott  ihr  Gebet  erhören  würde,  so  es  ernstlich  und  im  Glauben 
geschehe;  man  ermahnte  sie  zu  allen  christlichen  Tugenden,  nach 
Anleitung  der  schon  oben  angezogenen  Worte  S.  Petri,  in  seiner 
ersten  Epistel  Cap.  3,  8.  9.  10.  11.  12,  insonderheit  zur  Geduld 
und  Beständigkeit,  ebendaselbst  V.  13,  14,  15,  16,  17,  18;  hiezu 
wurden  auch  weiter  die  Worte  Petri  i  Ep.  Cap.  5  V.  6,  7,  8,  9 
beigefugt,  mit  dem  redlichen  Wunsch  und  Schluss  (V.  10),  dass  sie 
der  Gott  aller  Gnaden,  der  sie  berufen  hat  zu  seiner  ewigen  Herr- 
lichkeit in  Christo  Jesu,  vollbereiten,  stärken,  kräftigen  und  gründen 
wolle  (V.  11);  demselben  sei  Ehre  und  Macht  von  Ewigkeit  zu 
Ewigkeit.  Amen.* 


*)  Wittstock,  Aus  Heitau  Vergangenes  u.  Gegenwärtiges.  Hermannstadt  1883, 
Seite  28. 

»)  Kurze  Geschichte  S.  45  ff. 


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90 

Unter  dem  26.  September  1734    erwähnt    das   Hermannstädter 
Magistratsprotokoll  Kärtner  Transmigranten,    j^so  bereits   unterwegs 
sind  und  bald  eintreffen  mögten*  und  am  12.  December  1734  waren 
nach    derselben  Quelle  25  Mann    aus    Kärnten  in  Hammersdorf   bei 
Hermannstadt    eingetroffen.     Kärntnische  Auswanderer  nennen    die 
Hermannstädter  Protokolle    dann    nur   noch  am  9.  Juli  1736,    wobei 
es  heisst:    ,es   seyen  abermahl  biß  72  Köpff  Cärnthner  Emigranten 
in  Deva  angekommen.**)     Zwiedineck')    handelt   unter  genauer  Be- 
ziehung   auf  die  Rottenfelser   Acten    des   steiermärkischen   Landes- 
archives  auch  noch  von  einer  Transmigration,    die  im  Februar  1735 
aus  Kärnten  nach  Siebenbürgen  ins  Werk  gesetzt  wurde  und  ebenso 
erwähnt  er  Transmigranten,  die  im  April  1735  aus  demselben  Lande 
nach  Hermannstadt  und  dem  benachbarten  Hammersdorf  gekommen 
seien ').  Dagegen  weiss  ich  nicht,  was  von  jener  allgemeinen  Notiz  zu 
halten  ist,  die  bei  Waldau  II,  S.  366  steht.    Darnach  soll  im  Jahre 
1735  und  1736  , abermahl  ein  Transport  von  300  Personen  aus  Oester- 
reich  nach  Siebenbürgen*  abgegangen  sein.  Vielleicht  sind  aber  mit 
dieser  Angabe  die  vorher  schon  erwähnten  Transmigrationen  gemeint. 
Um  jene  Zeit  erhielt  auch  Kronstadt,  wie  wir  jetzt  aus  , Herrmann, 
Das  alte  und  neue  Kronstadt*,  L,  S.  216  f.,  wissen,  einen  —  doch 
wie  es  scheint  nur  spärlichen  —  Zuwachs.   ,Das  Mitleiden*,  das  sie, 
wie  Herrmann  sagt,   ,jedem  redlich  Gesinnten  abnöthigten,  auf  einer, 
ihre  besondern  Kenntnisse  in  Gärtnerei  und  Viehwirthschaft  auf  der 
andern  Seite  verschafften  ihnen  auch  hier  in  Kronstadt  eine  willige 
Aufnahme   und  Unterstützung.*     Und   weiter:    ,Ihr  exemplarischer 
Lebenswandel  erwarb  ihnen  allgemeine  Liebe  und  Achtung.* 

Unter  Karl  VI.  scheint  es  zu  einer  Transmigration  nicht  mehr 
gekommen  zu  sein.  Anders  war  es  dagegen  unter  seiner  Tochter 
Maria  Theresia,  besonders  seitdem  dieselbe  nach  dem  Abschlüsse 
des  Aachener  Friedens  wieder  ihre  ganze  Aufmerksamkeit  den  innern 
Verhältnissen  ihrer  Länder  zuwenden  konnte.  Die  Massregeln  gegen 
die  »Irrgläubigen*  wurden  wieder  der  Reihe  nach  in  Anwendung 
gebracht,  und,  als  sie  alle  nichts  fruchten  wollten,  griff  man  auch 
wieder  zur  Transmigration.  Schon  für  das  Jahr  1750  war  eine  solche 


1)  Meltzl  a.  a.  O.  S.  216  Anm. 
')  a.  a.  O.  S.  21  u.  Anm.  2 

3)  Man  vergleiche  hiezu  die  von  mir  unten  im  Anhange,  S.  102,  zum  Jahre  1735 
beigebrachten  Transmigranten. 


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^1 

angeordnet,  aber  sie  ward  nicht  ausgeführt*).  Ende  des  Jahres  17 51 
lässt  die  Regierung  nur  10  bis  12  Personen  transmigriren,  wie 
es  jedoch  scheint,  nach  Ungarn,  da  zugleich  angeordnet  wird,  dass 
der  Rest  des  den  Transmigranten  gehörigen  Geldes  an  den  Grafen 
Grassalkovich  nach  Ungarn  abzusenden  sei,  , damit  jeder  das 
seinige  bekomme**).  Ebenso  wurden  1752*)  30  bis  40  Personen 
nach  Ungarn  abgeführt*).  Doch  fällt  eine  grosse  Transmigration 
nach  Siebenbürgen  in  die  Jahre  1752 — 1754.  Ueber  diese  sind  wir 
durch  die  Beilagen  zu  dem  kaiserlichen  Rescript,  der  Antwort  auf 
die  Eingabe  des  Corpus  Evangelicorum  vom  6.  November  1754, 
genauer  orientirt.  ,Nach  den  dabei  angeschlossenen  Verzeichnissen 
lässt  sich  die  Zahl  der  Transmigranten  von  1752 — 1754  auf  etwa  1700  bis 
i8oo Personen  angeben*  ^).  Doch  stellt  sich  die  Zahl,  dieW.  Schmidt*) 
aus  Hermannstädter  Magistratsprotokollen  auch  gegenüber  Czörnig ') 
zusammenbringt,  etwas  anders.  Nach  Schmidt  wanderten  aus  Ober- 
steiermark*) im  Mai  1752  nach  Mühlbach  15  Personen,  aus  Oester- 
reich,  Steiermark  und  Kärnten  im  August  1752  nach  Grosspold  168, 
im  October  1752  nach  Kleinpold  60,  im  August  1753  nach  Peters- 
dorf 200,  im  September  1753  nach  Deutsch-Pian  75,  im  April  1754 
nach  Broos  200,  im  September  1754  nach  Romes  600,  zusammen 
1318  Personen.  Dazu  führt  Wittstock  in  seiner  oben  erwähnten 
Lutherfestschrift  »Aus  Heitau"  S.  29  den  Nachweis,  dass  auch 
Heitau  im  Jahre  1753  einen  Zuwachs  von  mindestens  125  Personen 
erhalten  habe,  von  denen  jedoch  in  der  gegenwärtig  2823  Seelen 
starken  evangelischen  Gemeinde  nur  3  Namen  noch  zu  finden  seien. 


*)  Zwiedineck  S.  37  nach  dem  steiermärkischen  Statthaltereiarchiv. 

»)  Ebenda. 

»)  Ebenda  S.  38. 

*)  Zwiedineck  a.  a.  O.  S.  45. 

*)  Ebenda  S.  45,  Anmerk.  Meltzl  theilt  a.  a  O.  S.  305  Anmerk.  unter  Bezug 
auf  das  Nationalarchiv  mit,  dass  unter  dem  26.  August  1752  ein  kgl.  Rescript  die 
ersten  Anordnungen  bezüglich  der  Uebernahme  von  Transmigranten  aus  Oesterreich 
getroffen  habe. 

*)  Die  Stiftung  des  kath.  theresianischen  Waisenhauses.  Hermannstadt  1869.  S.  4. 

')  Ethnographie  III,  S.  88. 

')  Aus  welchen  obersteierischen  Orten  die  Transmigranten  gekommen,  weiss  man 
nicht.  Zapletal  behauptet  a.  a.  O.  S.  41,  dass  im  obern  Ennsthale  eine  Transmigration 
nie  angeordnet  oder  durchgeführt  wurde.  Doch  lese  ich  bei  Kotschy  S.  27,  dass  in 
Purgg  für  den  7.  Juni  1752  eine  Transmigration  festgesetzt  wurde. 


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92 

Auch  andere  Orte  Siebenbürgens  haben  zu  jener  Zeit  wohl,  ohne 
dass  darüber  Genaueres  bekannt  wäre,  Transmigranten  aufgenom- 
men, so  z.  B.  Orte  in  der  Gegend  von  Mediasch*).  In  den  Jahren 
1756 — 1762  sind  den  Hermannstädter  Magistratsprotokollen  zufolge 
nach  Schmidt  noch  1441  Personen  angekommen.  Herrmann*)  fasst 
blos  den  Zeitraum  von  1752 — 1757  in's  Auge  und  berichtet,  dass  in 
demselben  1022  Familien,  2759  Köpfe,  in  14  Transporten,  nach 
Siebenbürgen  gezogen  seien.  ,Von  diesen  gingen  281  Familien  auf 
Grosspold,  wo  sie  die  für  sie  gebauten  Häuser  bezogen.*  Meltzl 
vermuthet,  dass  hier  die  281  Familien  in  281  Köpfe  zu  corrigiren 
seien,  Was  übrigens  Grosspold  weiterhin  anlangt,  so  hat  der  gegen- 
wärtige Pfarrer  D.  Krasser*)  aus  den  Tauf-,  Todten-  und  Trauungs 
büchern  von  Grosspold  herausgebracht,  dass  die  ersten  Trans- 
migranten erst  am  Ende  des  Jahres  1752  dort  angelangt  sein  können. 

Ueber  die  Anzahl  der  Transmigranten,  welche  unter  M.  Theresia 
nach  Siebenbürgen  kamen,  wird  man  nicht  leicht  in's  Klare  kommen. 
Bezüglich  Kärntens  liegt  mir  ein  in  Klagenfurt  angefertigtes  und 
heute  im  Hermannstädter  Archive  liegendes  Verzeichniss  der  von 
1752  bis  Ende  September  1772  aus  jenem  Lande  nach  Siebenbürgen 
ausgewanderten  Protestanten  in  der  Abschrift  vor,  das  ich  im  An- 
hange zu  dieser  Darstellung  abdrucken  lasse.  Es  enthält  740  Namen. 
Darnach  fand  die  stärkste  Transmigration  in  den  Jahren  1753 — 175S 
aus  Himmelberg  statt.   Doch  man  vergleiche  den  Anhang  selber. 

Zahlreiche  von  den  unter  Maria  Theresia  Transmigrirten  waren 
bis  ,auf  weitere  Verfügung*  in  Hermannstadt  aufgenommen  und 
verpflegt  worden.  Von  diesen  theilt  Schmidt  a.  a.  O.  die  Namen, 
das  mitgebrachte  Vermögen  und  die  Herkunft  der  Kärntner  und 
Oberösterreicher  nach  einem  Verzeichnisse  des  Transmigranten- 
Inspectors  v.  Hannenheim  aus  dem  Archive  des  katholischen  there- 
sianischen  Waisenhauses  in  Hermannstadt  mit.  Das  Verzeichniss  der 
Steirer  war  dort  leider  nicht  mehr  zu  finden.  Schmidt  bietet  103 
kärntnische  und  221  oberösterreichische  Namen.  In  Hermannstadt 
sollten  die  Transmigranten    in    eigens   fiir  sie  hergestellten  Häusern 


1)  Salzer,  Der  königl.  freie  Markt  Birthälm  in  Siebenbürgen.  Wien  1881.  S.  280. 
Michael  Conrad  von  Heidendorf.  Eine  Selbstbiographie.  Archiv  des  Ver.  f. 
siebenb.  Landesk.  XVI,  S.  471. 

•)  a.  a.  O.  S.  305  u.  Anmerk. 

')  Geschichte  des  sächsischen  Dorfes  Grosspold.  Hermannstadt  1870.  S.  67. 


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93 

vor  dem  Burgerthore  untergebracht  werden.  Allein  die  Wohnungen 
sagten  der  Beschäftigung  der  meisten,  die  Landwirthschaft  und  Vieh- 
zucht zu  treiben  gewöhnt  waren,  nicht  zu  und  so  wurden  sie 
auf  den  Meierhöfen  und  auf  den  Dörfern  angesiedelt.  Aus  den 
Transmigrantenhäusern  aber  erstand  das  kathol.  theresianische 
Waisenhaus  *). 

Als  später  in  Hermannstadt  anlässlich  der  Anwesenheit  Josefs  II. 
die  Vorstadt  ^ Josefstadt*  gegründet  ward,  da  wurden  hier  den  Trans- 
migranten  Wohnplätze  angewiesen.  Am  20.  October  1780  consti- 
tuirte  sich  die  Josefstädter  , Nachbarschaft*.  Ihre  ersten  Vorstände 
waren  nach  dem  dortigen  Nachbarschaftsprotokoll :  Johann  Ernst 
Stärker  und  Johann  Reissenberger '). 

Seitdem  Josef  als  Mitregent  an  die  Seite  seiner  Mutter  getreten 
war,  mochten  nur  wenige  Transmigrationen  stattgefunden  haben.  Die 
Praxis  wurde  den  ^Irrgläubigen*  gegenüber  offenbar  eine  mildere. 
Die  Transporte,  die  am  15.  März  und  am  i.  April  1774  von  Murau 
abgehen  sollten,  wurden  plötzlich  von  Wien  aus  abgesagt.  Erst  als 
Graf  Stubenberg  dagegen  Einsprache  erhoben  hatte,  wurden  sie  am 
15.  und  20.  April  vollzogen  und  eine  Anzahl  von  198  Personen  ab- 
geführt. So  Zwiedineck ').  Nach  Zapletal  *)  waren  diese  Transmigranten 
Bewohner  von  Stadl,  im  Murthal  oberhalb  Murau,  wo  sich  200  Per- 
sonen protokollarisch  für  den  Protestantismus  erklärt  hatten.  »Jene, 
die  von  Belehrung  nichts  wissen  wollten,  wurden  zur  Auswanderung 
genöthigt,  im  Ganzen  152  Personen.  Kinder  unter  15  Jahren  wurden 
zurückbehalten  und  theils  bei  Katholiken,  theils  im  Waisenhause  zu 
Graz  untergebracht,  iio  Personen  galten  als  vermöglich  :  sie  erhielten 
täglich  neun  Kreuzer,  die  Armen  sechs  Kreuzer.  Angesiedelt  wurden 
sie  bei  Hermannstadt,  zu  Grosspol d  und  Neppendorf.* 

Am  7.  November  1774  stellte  Josef  II.  die  Transmigration  über- 
haupt ab  *)  und  am  13.  October  1781   erliess  er  sein  Toleranzpatent. 


»)  Schmidt  a.  a.  O.  S.   12. 

*)  Ueber  den  ersteren  vermag  ich  nichts  anzugeben.  Der  zweite  war  mein  Vor- 
fahr, ein  Weber.  Geboren  war  er  1724.  im  Jahre  1752  wanderte  er  aus  Wimsbach  in 
Oberösterreich  nach  Hermannstadt,  wo  er  laut  Todtenbuch  der  dortigen  ev.  Gemeinde 
A.  B.  1798  starb, 

•)  Zwiedineck  a.  a.  O.  S.  50. 

*)  Zapletal  a.  a.  O.  S.  41,  Anm. 

«)  Zwiedineck  a.  a.  O.  S.  50.  Vgl.  auch  Czerwenka  in  diesem  Jahrbuch,  II, 
S.  ^s  (zum  6.  Juni   1775)  und  Zapletal  a.  a.  O.  S,  3S. 


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94 

Wohl  hat  einige  von  den  Transmigranten  Heimatsehnen  *)  erfasst, 
aber  nur  wenige  sind  in  die  alte  Heimat  zurückgekehrt.  Die  neuen 
Ankömmlinge  sind  in  Siebenbürgen  mit  den  sächsischen  Glaubens- 
und Stammesgenossen  mehr  und  mehr  in  Eins  verwachsen.  Doch 
treu  bewahren  sie  auch  die  Traditionen  der  alten  Zeit.  Und  noch 
heute  erzählen  in  den  Familien  der  Transmigranten  die  Eltern  den 
aufhorchenden  Kleinen  von  der  alten  schönen  Heimat,  wie  von  dem 
hohen  Glaubensmuth  der  Väter,  und  lehren  sie  der  Väter  werth  zu  sein. 

Anhang. 

Das  oben  angezogene  Actenstück')  findet  sich  im  Archiv  der 
Stadt  Hermannstadt  und  der  sächsischen  Nation  unter  dem  Titel : 
,  Haupt-Tabelle  Ueber  die  von  Anno  1752  bis  ultE^  Septembris  1772 
aus  dem  Herzogthum  Kärnten  in  das  Gross-Fürstenthum  Sieben- 
bürgen abgeschickte  Transmigranten ;  das  was  selbe  an  verhandelten 
Vermögen  zurückgelassen,  darauf  bereits  empfangen  und  künfftig 
noch  zu  fordern  haben,  ingleichen  in  wie  viel  Jahren  und  Terminen 
Abzahlung  beschehen  werde.*  Das  Schriftstück  trägt  das  Datum 
^Klagenfurt  den  30  Septembris  1772*  und  die  Unterschrift  ^Johann 
Gottlieb  Brucks  k.  k.  Rath  und  Cameral-Buchhalter*.  Den  ganzen 
Act  abzudrucken,  halte  ich  nicht  für  nöthig,  dagegen  scheint  es 
mir  der  Mühe  werth,  das  Namensverzeichniss  *)  der  Transmigranten, 
das  Jahr  ihrer  Auswanderung  und  ,die  Herrschafften,  unter  denen 
sie  in  Kärnten  ansässig  waren*,  hier  folgen  zu  lassen. 

Es  wanderten  aus: 

1752 

aus  Afritz  : 

Gramer  Veit — Fischer  Veit  —  Hochkoffler  Georg  —  NöffRuep. 
aus  Himmelberg: 

Adrischer  Benedict  —  Dorffer  Hanß,  vulgo  Eixel,  dessen  Weib 
Susanna,  Söhne  Valentin,  Leonhard,  Tochter  Marie  —  Ebner  Michael 


*)  Koch,  Heimatsehnen  eines  Transinigranten,  in  diesem  Jahrb.  IV,  S.  168  ff., 
und  V.  Otto:  Zwei  Memortale  der  aus  Oberösterreich,  Steiermark  und  Kärnten  nach 
Siebenbürgen  Transmigrirten  an  das  Corpus  Evangeliconim,  ebenda  IV,  S.  l8i  fF. 

*)  Es  wurde  mir  im  Sommer  des  Jahres  1884  in  Hermannstadt  durch  meinen 
verehrten  Freund  Archivar  Franz  Zimmermann  zugänglich  gemacht,  wofür  ich  ihm 
auch  hier  bestens  danke. 

*)  Im  Actenstück  ist  es  nicht  chronologisch,  sondern  alphabetisch. 


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95 

—  Ecker  Ambroß  —  Fischer  Georg  —  Geschloßer  Philipp  —  Kohl- 
grueber  Leonhard  —  Kirschbaumer  Clement  —  Laback  Matthias, 
dessen  Weib  Marie  —  Neidhart  Matthias,  dessen  Weib  Ursula  — 
Primaßnigg  Georg  —  Pürker  Georg  —  Prandner  Peter,  dessen  Weib 
Kunigund  —  Rauter  Johann,  dessen  Weib  Margreth  —  Sonnleitner 
Caspar  —  Stieger  Nicolaus  —  Wandlung  Thomas  —  Wirfler 
Hanß  —  Wiggißer  Veit  —  Zaniner  Thomas  —  Zechner  Adam ; 

aus  Paternion: 
Gaßer  Peter; 

aus  Spital: 

Pigele  Martin; 
aus  Treffen: 

Teng  Matthias,  dessen  Weib  Rosina,  Töchter  Rosina,  Christina, 
Barbara. 

1753 

aus  Afritz: 
Bauer  Hanß  —  Bauer  Johann  —  Bodnerin  Maria,  Sohn  Matthias, 
Tochter  Christina  —  Creutzer  Joseph  —  Grueber  Matthias  —  Haß- 
lacher Hanß,  dessen  Weib  Magdalena  —  Hinteregger  Hanß  — 
Katolnik  Michael,  dessen  Weib  Rosina  —  Koffeler  Ruep  —  Lindner 
Jacob  —  Oberhinteregger  Matthias  —  Wiltschnigg  Caspar  —  Zäsar, 
vulgo  Ofner  Paul,  dessen  Weib  Walburga,  Sohn  Christian; 

aus  Albegg: 

Bayer,  vulgo  Weger  Michael  —  Kapplin  Kunigund  —  Lamerer 
Georg  —  Payerin  oder  Huberin  Walpurga  —  Pucher  Nicolaus, 
dessen  Weib  Maria  —  Widitscherin  Anna; 

aus  Gmünd: 
Maunth  Georg,  dessen  Weib  Anna  —  Ortner  Adam  —  Stein- 
wender Simon  —  Straßer  Joseph; 

aus  Grünburg: 
Astnerin  Margareth  —  Kitzler   Hanß  —  Koller  Jacob,    dessen 
Weib  Eva,    Sohn  Jacob,    Töchter  Magdalena   und  Eva    —    Kucher 
Paul,    dessen  Weib   Maria,    Tochter  Magdalena    —    Matheile   Paul, 


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96 

vulgo  Klupper,  dessen  Weib  Ursula,  Tochter  Agnes  —  Muner  Georg, 
dessen  Weib  Maria,  Tochter  Eva  —  Pernull  Bartlmee  —  Pfeifhofer 
Hanß  —  Pacher  Andreas,  dessen  Weib  Susanna,  Sohn  Johann  — 
Pobersacherin  Gertraud  —  Rohr  Hanß ; 

aus  Himmelberg: 

Buchreiter  Christian  —  Dragelßperger  Gregor,  dessen  Weib 
Maria  —  Dragelßperger  Andreas  —  Dörfler  Leonhard  —  Eder 
Ruep  —  Ertel  Jacob  —  Festin  Maria  —  Fischer  Maria,  Töchter 
Elisabeth  und  Maria  (Frau  und  Töchter  des  1752  transmigrirten 
Georg  Fischer)  —  Glatz  Lorenz  —  Glatz  Lorenz  Mostel  oder 
Schreiber,  dessen  Weib  Elisabeth,  Sohn  Bartlmee,  Tochter  Maria  — 
Glatz  Balthasar  —  Glatz  Hanß,  dessen  Weib  Catharina  —  Glamienz 
Lorenz  —  Grueber  Matthias  —  Guppacher  Vincent  —  Holdernigg 
Lorenz,  dessen  Weib  Maria,  Tochter  Maria,  Sohn  Urban  —  Kantz 
Hanß  —  Koffeler  Jacob  —  Kalchgruber  Hanß,  dessen  Weib 
Ursula  —  Krainer  Hanß  —  Krueg  Matthias  —  Lanner  Simon, 
dessen  Weib  Magdalena,  Söhne  Philipp,  Paul,  Töchter  Maria,  Prisca 
und  Eva  —  Laßner  Simon,  vulgo  Zaninner  —  Laßnerin  Anna  oder 
Zaninnerin  —  Mayerinn  Elisabeth  —  Moßer  Jacob,  dessen  Weib 
Walburga,  Sohn  Christian,  Tochter  Margreth,  dann  Maria  und  Eva  — 
Nuß  Vincent,    dessen  Weib  Susanna,    Söhne  Gregor,  Thomas,  Paul 

—  Nuß  Peter,  Sohn  detto  —  Obermüllbacher  Andreas,  Johanna, 
dessen  Weib  —  Payrin  Anastasia  —  Peturger  Oßvvald  —  Peturger 
Thomas,  dessen  Weib  Gertraud,  Töchter  Eva,  Kunigund,  Sohn 
Matthias  —  Pichler  Christian,  dessen  Weib  Agnes,  Sohn  Jacob, 
Töchter  Catharina,  Margreth,  Gertraud,  Barbara  —  Piron  Paul  — 
Prucknerin  Agnes  —  Rader  Ruep  —  Rainer  Thomas  —  Rainer  Urban, 
dessen  Weib  Maria,  Sohn  Christian  —  Rauter  Josef —  Rauter  Andreas, 
dessen  Weib  Maria,  Sohn  Jacob,  Tochter  Catharina,  Stiefsohn  Georg 
Grabul  —  Rauter  Franz,  dessen  Tochter  Barbara  —  Sandner 
Matthias  —  Sonnleitner  Andreas  —  Schönfelder  Matthias  —  Scheerer 
Mathias    —  Steußnigg  Simon   —   Trumpold  Jacob  —  Trage  Jacob 

—  Tauhammer  Hanß  —  Tafernerinn  Magdalena  —  Traunschaigg 
Simon  —  Widitscher  Georg,  dessen  Weib  Magdalena  —  Wiggißer 
Paul,  dessen  Weib  Margreth  —  Wiggißerin  Regina  —  Zeiner 
Christian,  dessen  Weib  Sabina,  Sohn  Caspar,  Sohn  Peter,  Tochter 
Catharina; 


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97 

aus  Millstatt: 

Burgstaller  Ruep  —  Gröfling  Ambroß  —  Glabischnigg  Bartlmee 
Gatternigg  Lorenz  —  Rossbacher  Karl  —  Unterrossbacher  Hanß  — 
Unterrambel  Bernhard  —  Unterrambel  Peter  —  Unterrambel  Ruep ; 

aus  Paternion: 

Hochenbacher  Hanß  —  Wetzel  Matthias. 

1764 

aus  Afritz: 

Crainer  Martin,  dessen  Weib  Maria,  Söhne  Georg,  Andreas, 
Töchter  Maria,  Rosina,  Christina  —  Gaßer  Christian,  dessen  Weib 
Catharina  —  Gaßer  Jacob  —  Maurerin  Maria,  deren  Sohn  Simon  — 
Maurer  Jacob,  dessen  Töchte»  Susanna,  Maria,  Barbara,  Catharina, 
Sohn  Matthias  —  Nöfif  Christian,  Weib  Christine,  Tochter  Catharina 
--  Nöff  Michael  —  Oberauer  Peter  —  Pidermann  Jacob,  dessen 
Weib  Maria,  Töchter  Gertraud  und  Maria  —  Pößerinn  Christina, 
deren  Töchter  Susanna  und  Barbara  —  Werger  Jacob,  dessen  Weib 
Ursula,  Sohn  Urban,  Tochter  Catharina; 

aus  Gmünd: 
Greymannin  Eva,    deren  Töchter  Eva,    Maria,   Theresia,    Sohn 
Philipp ; 

aus  Goldenstein: 
Cerza  Jacob,  dessen  Weib  Barbara,  Sohn  Jacob,  Tochter  Catha- 
rina —   Dabringer   Andreas,    dessen   Weib    Anna,    Töchter    Anna, 
Maria   —   Hochenwartterin  Maria    —    Kaschutnigg  Georg  —  Lack- 
nerin  Susanna  —  Winckler  Thomas,  dessen  Weib  Eva; 

aus  Grünburg: 
Koller  Georg,  dessen  Weib  Magdalena,  Tochter.  Ursula  — 
Marasch  Christian,  dessen  Weib  Magdalena  —  Muner  Susanna  und 
Bruder  Georg  (Eltern  und  Schwester  Eva  schon  1753)  —  Stadtmann 
Christoph  —  Schönauer  Matthias,  dessen  Weib  Maria,  Stiefsohn 
Hanß  Koller,  Stieftochter  Maria  Kollerin,  leibliche  Tochter  Christina ; 

aus  Himmelberg: 

Dorffer  Peter,  dessen  Weib  Ursula,  dessen  Sohn *),  dessen 

Töchter  Maria,    Elisabeth   und   Ursula,    dessen  Söhne  Matthias   und 


*)  Fehlt  der  Name. 
Jahrbuch  des  ProtestantiAmtist  i8S6.   H.  II. 


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98 

Sebastian  —  Ecker  Christian  —  Eder  Georg,  dessen  Weib  Ursula, 
Töchter  Theresia,  Elisabeth  und  Maria,  dessen  Sohn  Peter  —  Fritz 
Andreas  —  Glatzin  Catharina,  deren  Sohn  Vincent  —  Glatz  Lucas, 
dessen  Weib  Maria  und  Tochter  Magdalena  —  Gurgger  Jacob  — 
Holtzer  Simon,  dessen  Weib  Susanna,  Töchter  Gertraud,  Maria, 
Söhne  Michael,  Franz,  Jacob  —  Haberle  Martin,  dessen  Weib 
Susanna,  Sohn  Johann  —  Keyderer  Sebastian  —  Kandelbachei* 
Ruep  —  Laßner  Christian,  dessen  Weib  Christina,  Sohn  Jacob  — 
Müller  Veit  —  Obermüllbacher  Andreas,  dessen  Weib  Susanna, 
Tochter  Maria,  Sohn  Andreas  —  Oberscheiber  Christian,  dessen 
Weib  Christina,  Töchter  Maria  und  Ursula  und  Söhne  Georg  und 
Andreas  —  Oberscheiberin  Maria,  deren  Tochter  Maria,  Sohn  Jacob 
—  Oberegger  Hanß  —  Obereggerin»  Rosina  —  Piebemigg  Veit, 
dessen  Weib  Christina  und  Mutter  Maria  —  Payrin  oder  Sonnleit- 
nerin —  Pacherin  Ursula  —  Pacherin  Barbara,  deren  Sohn  Peter  — 
Prendner  Jacob  —  Priebeßnigg  Franz  —  Rannerin  Maria,  deren 
Tochter  Maria  —  Rannerin  Elisabeth  —  Riegerin  Maria  —  Steußnigg 
Bartlmee  —  Schorin  Ursula,  deren  Tochter  Maria  —  Schreiber  Adam, 
dessen  Weib  Kunigund,  Söhne  Ruep  und  Gregor,  Töchter  Margreth 
und  Catharina  —  Trattnigg  Andreas  —  Widitscher  Philipp  — 
Wieserner  Paul,  dessen  Weib  Barbara  und  Sohn  Urban  —  Zaniner 
Veit  und  Anna  —  Zanin,  an  der  Christian,  dessen  Weib  Maria, 
Tochter  Maria,  Tochter  Maria  (sie!); 

aus  Spital: 

Feichtner  oder  Eder  Jacob. 

1755 

aus  Afritz: 

Gastingerin  Catharina  —  Wutterniggin  Catharina; 

aus  Albegg: 

Bayer,  vulgo  Weger  Michael; 

aus  Goldenstein: 

Klamig  Georg,  dessen  Weib  Maria,  Sohn  Georg,  Töchter 
Ursula  und  Maria  —  Leitgeb  Christoph  und  Leitgebin  Ursula  — 
Mayer  Hanß,  dessen  Weib  Christina,  Sohn  Johann,  Töchter  Catharina. 
Christina,  Eva  —  Paltauffin  Magdalena  —  Rettel  Hanß,  dessen  Weib 
Catharina,    Sohn  Jacob  —  Winckler  Jacob; 


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99 

aus  Himmelberg: 

Beyerin  Barbara  oder  Haßlerin  —  Burger  Georg,  dessen  Weib 
Rosina,  Sohn  Peter,  Tochter  Christina  —  Doltzer  Lorenz,  Doltzerin 
Maria  —  Doltzer  Simon,  dessen  Weib  Kunigund,  Tochter  Christina 
—  Doltzerin  Christina  —  Eder  Thomas  vulgo  Pogriel,  dessen  Sohn 
Jacob,  Weib  Catharina,  Söhne  Bartlmee  und  Thomas,  Töchter  Mar- 
greth  und  Catharina  —  Fritz  Barthelmee,  dessen  Weib  Kunigund, 
Sohn  Thomas  und  Tochter  Maria  —  Ganglin  Susanna  —  Gram- 
bacher Georg  —  Glatz  Ulrich,  dessen  Weib  Kunigund,  Söhne  Jacob 
und  Lorenz  —  Gitzler  Simon  —  Gurl  Georg,  dessen  Weib  Magda- 
lena —  Graf  Matthias  —  Gurgger  Simon  —  Gurggerin  Agatha, 
deren  Tochter  Ursula  —  Hueber  Nicolaus,  Hueberin  Susanna  — 
Kof lerin  Susanna,  deren  Töchter  Maria,  Gertraud,  Maria  (sie !),  Sohn 
Paul  —  Kramer  Clemens  —  Kaunper  Simon,  dessen  Weib  — 
Koglerin  Maria  —  Kramer  Georg  —  Matlisch  Paul  —  Mayer  Simon, 
dessen  Weib  Maria,  Schwester  Maria  —  Moserin  Ursula  —  Moserin 
Maria  —  Moser  Gregor,  dessen  Weib  Regina,  Tochter  Maria  — 
Moser  Christian  —  Müller  Joseph,  dessen  Weib  Magdalena,  Tochter 
Maria,  Sohn  Johann  —  Müllerin  Maria  —  Müllerin  Maria,  vulgo  Satt- 
lerin —  Neidhard  Matthias  —  Obereggerin  Gertraud  —  Oberrufer 
Joseph  —  Pingest  Georg  —  Fingest  Martin  —  Platzerin  Magdalena  — 
Prandner  Ruep  —  Peiniger  Matthias  —  Pilgram  Caspar  —  Prantner 
Peter,  dessen  Weib  Elisabeth,  Söhne  Georg  und  Veit,  Töchter 
Maria  und  Ursula  —  Purger  Urban  —  Purger  Georg  —  Purgerin 
Maria  —  Ramin  Maria  —  Ramin  Gertraud  —  Ranner  Christian  — 
Rauterin  Catharina  —  Rüger  Andreas,  dessen  Schwestern  Maria, 
Rosina,  Magdalena,  Barbara,  Bruder  Jacob  —  Rüger  Peter  (Vater 
der  Vorigen),  dessen  Sohn  Christian,  Tochter  Catharina  —  Staudacher 
Matthias  —  Sandnerin  Regina  —  Schusterin  Brigitta  —  Schlitzerin 
Maria  —  Schnitzer  Bartlmee  —  ThuU  Nicolaus  —  Tschrieter 
Christian  —  Wegscheider  Matthias  —  Zacher  Peter; 

aus  Ortenburg  (oder  Spital): 
Amblacher  Hans  und  Christoph,  Amlacherin  Ursula,  Mutter; 

aus  Paternion: 
Amenitschin  Catharina,  Söhne  Georg  und  Matthias  —  Amenit- 
schin  Ursula   und   Magdalena  —  Angermann   Martin,    Weib  Maria, 
Töchter  Maria  und  Barbara  —  Angermannin  Maria  und  Barbara  (sie!) 

7* 


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100 

—  Engelmayer  Hanß,  Christoph,  Christina,  Catharina  —  Engelmayer 
Georg,  dessen  Weib  Elisabeth  —  Grünanger  Adam,  dessen  Tochter 
Anna  —  Hofmannin  Maria  —  Lochmannin  Ehsabeth  —  Nageler 
Christian    —    Nagelin  Magdalena    —    Nageler  Georg,  Hanß,  Martin 

—  Sattler  Philipp  —  Schmidhofer  Jacob  —  Udlinger  Georg,  dessen 
Weib  Maria,  Sohn  Christian,  Hanß,  Peter,  Töchter  Magdalena  und 
Maria  —  Udlinger  Georg  junior  —  Weidacherin  Agnes; 

aus  Spital: 

Engelmeyer  Christoph,    dessen  Söhne  Hanß,    Matthias,    dessen 
Töchter  Maria,  Barbara,  Christina,  Catharina  (siehe  oben  Paternion  1755) 

—  Eggertin  Christina,  vulgo  Unterordnerin  —  Eggartner  Jacob  — 
Eggartnerin  Anna  und  Margaretha  *)  —  Glantzer  Veit  und  Paul  — 
Glantzerin  Margreth  —  Glantzer  Christian  —  Glantzer  Martin  zu 
Aich  —  Glantzerin  Anna  —  Glantzerin  Maria  Christian,  Glantzers 
Weib,  deren  Sohn  Christian,  deren  Tochter  Anna  —  Hofer  Matthias 

—  Hofer  Michael  —  Innerwincklerin  Christina  und  Elisabeth  — 
Kleinsaßer  Hanß,  dessen  Weib  Barbara,  Tochter  Christina  —  Klein- 
saßer  Christoph,  Matthias,  Joseph  —  Kasin  Susanna  —  Körner 
Christian  —  Müller  Joseph,  dessen  Weib  Elisabeth,  Sohn  Joseph, 
Tochter  Barbara  —  Müller  Peter  —  Nageler  Christian,  Weib  Ursula, 
Söhne  Georg,  Thomas,  Tochter  Anna  —  Pösterer  Johann  — 
Pentzerin  Rosina  —  Pentzer  Christian  —  Pichlerin  Rosina  —  Plattner 
Christian,  Plattner  Hanß,  Plattnerin  Elisabeth  —  Rannacherin  Maria 

—  Resch  Valentin  —  Straußin  Christina  —  Unterhauser  Bernhard, 
dessen  Weib  Christina,  Sohn  Christian  —  Waldner  Georg,  dessen 
Weib  Anna,  Söhne  Christian  und  Hanß,  Tochter  Maria,  Stieftochter 
Elisabeth,  Sohn  Christian  —  Wurtzin  Anna  —  Wurtzy  Andreas, 
dessen  Weib  Margreth,  Tochter  Magdalena; 

aus  Treffen: 

Mitterer  Mathias  —  Unterseitner  Andreas. 

1756 

aus  Himmelberg: 

Creiterinn  Maria  ---  Fichtnerin  Christina  —  Guggacherin  Agnes 

—  Glatz  Lorenz  aus  Mitteregg  —  Gimplin  Elisabeth  —  Huberin 
Christina  —  Holderniggin  Magdalena  —  Krugin  Susanna  —  Nischer 
Matthias  —  Pichler  Jacob  —  Pluchin  Ursula  —  Prißin  Maria ; 

*)  Daneben  geschrieben  Maria. 


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101 

aus  Paternion: 

Dräxlerin  Margreth  —  Engelmayer  Peter,  dessen  Weib  Catha- 
rina,  Tochter  Catharina  —  Naglerinn  Dorothea,  deren  Tochter 
Catharina,  Sohn  Christian,  Tochter  Maria  —  Naglerin  Susanna, 
deren  Tochter  Christina  —  Rohrerin  Magdalena  —  Schmidhofer 
Kunigund  (deren  Mann  1755),  Söhne  Peter  und  Jacob,  Tochter  Chri- 
stina —  Schmidhoferin  Susanna  —  Schock  Michael  —  Tintenhauserin 
Ursula  und  Barbara  —  Waßermann  Hanß,  dessen  Weib  Catharina, 
Töchter  Catharina  und  Susanna,  Sohn  Georg; 

aus  Spital: 

Eder  Martin,  dessen  Weib  Ursula,  Stieftöchter  Susanna  und 
Ursula  Santnerin,  Stiefsohn  Hanß  Santner,  Sohn  Leonhard,  Tochter 
Margareth  —  Eder  Jacob  und  dessen  Weib  Maria,  Söhne  Jacob, 
Ruep,  Hanß,  Töchter  Christina,  Maria,  Maria  --  Hofer  Hanß,  dessen 
Weib  Anna,  Töchter  Barbara,  Anna,  Söhne  Michael,  Christian, 
Paul,  Jacob,  Hanß  —  Sandnerin  Ursula,  deren  Sohn  Adam,  Töchter 
Josepha,  Rosina,  Ursula. 

1767 

aus  Afritz: 

Hochkoflerinn  Susanna  nebst  Tochter  Susanna; 
aus  Himmelberg: 

Müllbacher  Philipp  —  Vilguth  Michael; 
aus  Millstatt: 

Moser  Martin,  dessen  Weib  Maria,  Sohn  Jacob,  Tochter  Barbara 
—  Mitterebner  Martin  —   Pruggerin  Rosina   und  Sara   —   Rastner 
Paul  und  dessen  Weib  Maria; 
aus  Spital: 

Hochbacherinn  Anna  —  Hochegger  Hanß,  dessen  Sohn  Bal- 
thasar, Weib  Christina,  Söhne  Matthias,  Adam,  Tochter  Ursula  — 
Hochstartzer  Veit,  Hochstartzerinn  Maria  —  Hochstartzer  Jacob, 
dessen  Weib  Maria,  Söhne  Jacob,  Hannß,  Tochter  Theresia  — 
Hochstartzer  Matthias  —  Hochbacher  Hanß,  vulgo  Rannacher, 
dessen  Weib  Ursula,  Tochter  Ursula,  Söhne  Jacob  und  Hanß  — 
Hochbacher  Joseph,  dessen  Weib  Gertraud  —  Hochenburger  Hanß, 
dessen  Weib  Christina,  Söhne  Hanß  und  Jacob,  Töchter  Maria  und 
Catharina  —  Hueber  Johann  —  Niederstarzer  Ambros,  dessen  Weib 


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102 

Ursula,  Tochter  Ursula  —  OberkoflTlerin  Maria,  deren  Sohn  Hanß 
—  Purgstallerin  Maria  —  Schneeweiß  Simon,  dann  Joseph  und 
Christian  —  Schnee  weißin  Anna  —  Schneeweiß  Joseph  —  Schnee- 
weiß Thomas,  dessen  Weib  Margreth,  Tochter  Margreth  —  Schnee- 
weißin  Anna  (siel)  —  Schneeweißin  Maria,  des  Joseph  Schneeweiß 
Weib,  deren  Sohn  Hanß,  Tochter  Anna,  Sohn  Joseph  —  Sandnerinn 
Ursula,  verehelichte  Baumanninn  —  Walcher  Michael,  dessen  Weib 
Anna,  Töchter  Maria,  Margreth,  Ursula,  Sohn  Joseph. 

1758 

aus  Millstatt: 

Mitterebner  Eva  (das  Weib  des  1757  ausgewanderten  Martin), 
Sohn  Philipp  —  Mitterambl  Philipp,  dessen  Weib  Catharina,  Töchter 
Ursula  und  Maria,  Söhne  Georg,  Johann,  Philipp,  Joseph. 

1763 

aus  Himmelberg: 

Koff  1er  Johann. 

Obwohl  die  Tabelle  von  1752 — 1772  reicht,  so  findet  sich  darin 
doch  kein  Transmigrant  aus  der  Zeit  nach  1763;  dagegen  ist  das 
Jahr  173s  zweimal  vertreten.  Unter  diesem  Jahre  erscheinen  nämlich 
Schweigerin  Christina  und  Türkin  Anna,  beide  aus  St.  Paternion. 

Nur  die  Namen,  ohne  nähere  Bestimmungen,  sind  angegeben  von : 

Kobalter  Ruep  und  dessen  Sohn  Joseph. 


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yÄHRBUCH 


iesellschaft  für  die  GeBchicMe  des  ProtestaDtismas 


i»  Ot^sterreicb. 


Siebenter  Jahrgang, 
in.  Heft 

j'ili     -  September  iSSö. 


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Wien  und  Leipzig. 

Julius  Klinkhardt 

1886 


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Inhalt 

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Dr.  Martin  Luther's  400jährige   Geburtstagsfeier 
in  Oesterreich 

am  10.  und  11.  November  1883. 

Von  Johann  DEDIC,  evang.  Pfarrer  in  Olmütz. 
III.   (Fortsetzung.)*) 

IV.  Nachklänge  zur  Lutherfeier. 

Dass  eine  so  hochbedeutsame  und  seltene  Gedenkfeier  nicht 
mit  dem  Jubel  der  Festtage  verhallt,  sondern  in  einzelnen  Accorden 
noch  lange  nachklingt  und  manche  liebliche  Nachfeier  im 
Gefolge  hat,  ist  begreiflich,  und  so  haben  wir  unter  obigem  Titel 
noch  einzelne  mit  dem  Lutherfeste  im  Zusammenhange  stehende 
Kundgebungen  zu  verzeichnen,  welche  gleichsam  den  Abschluss 
der  so  frohbewegten  Jubel  tage  bildeten. 

Den  Vortritt  lassen  wir  diesmal  der  studirenden  Jugend  der 
Wiener  Hochschulen,  welche  am  Abend  des  12.  November 
im  Sophiensaale  einen  Luther-  Commers  veranstaltete,  über 
welchen  der  j^Oesterr.  Protestant*  1883,  Nr.  23  ausführlichen  Bericht 
erstattet,  aus  dem  wir  Folgendes  mittheilen. 

In  der  Mitte  des  Saales  war  an  der  einen  Längenwand  die 
Rednerbühne  errichtet  und  schwarz-roth-gold  drapirt,  hinter  derselben 
war,  durch  Laubwerk  verdeckt,  das  die  Gesänge  begleitende  Orchester 
postirt,  vor  derselben  eine  Büste  Luthcr's  aufgestellt.  Die  Tafeln  in 
unmittelbarster  Nähe  der  Rednerbühne  waren  von  Ehrengästen  besetzt, 
die  übrigen  von  Studenten.  Rings  um  die  Bankettafeln,  auf  den 
Stufen  und  auf  der  Ueberhöhung  des  Saales  stand  die  festlich 
schwarz  gekleidete  Menge.  Von  den  Gallerien  blickte  Kopf  an  Kopf 
ein  Kranz  von  Damen.    Wohl  über  3000  Personen  waren  versammelt. 

»)  Vergl.  H.  I.  S    1—32  und  H.  II.  S.  49—77. 
Jahrbuch  des  Protestantismus  1886.  H.  III.  g 


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Nachdem  der  Vorsitzende,  Julius  Antonius,  den  Commers 
eröffnet  hatte,  wurde  das  ,  Gaudeamus  igitur*  gesungen.  Dann 
begrüsste  er  die  erschienenen  Professoren,  Reichsraths-Abgeordneten, 
Schriftsteller,  Mitglieder  der  evang.  Gemeindevertretungen  Augsb. 
und  Helv.  Confession  u.  s.  w. 

Nach  dem  Liede  , Stimmt  an  mit  hellem  hohen  Klang*  hielt 
der  Präses  die  erste  Rede:  Von  keinem  aller  Deutschen  sei  solche 
Wirkung  ausgeströmt,  wie  von  Luther.  Es  sei  natürlich,  dass  die 
deutsche  akademische  Jugend  auch  ihrerseits  hiefiir  Zeugniss  ablegen 
wollte.  Es  habe  sich  nur  darum  gehandelt,  wie  sie  Luther  würdig 
feiern  sollte.  Luther  war  nicht  nur  der  ernst  ringende  Mann,  er  war 
auch  der  heitere  Geselle  zu  Erfurt,  der  echte  Student,  fröhlich  beim 
Gelage,  ernst  beim  Buche.  Darum  hätten  es  die  Studenten  unter- 
nommen zu  zeigen,  dass  die  Jugend  Ernst  und  Würde  mit  Heiter- 
keit und  Frohsiim  zu  verbinden  wisse. 

Hierauf  folgten  Reden  vom  Sprecher  der  Burschenschaft  ,Albia*, 
von  Professor  Seberiny  und  vom  Drd.  phil.  Brückner.  Dar- 
nach hielt  der  Reichsraths-Abgeordnete  und  Presbyter  A.  C.  Dr. 
Bareuther  eine  längere  Rede,  in  deren  Verlauf  er  sagte: 

....  Um  so  lieber  verweile  ich  bei  dem  Wittenberger  Pro- 
fessor, der  längst  gestorben,  daher  wohl  nicht  mehr  als  gefährlich 
erachtet  werden  wird.  Das  aber  kann  ich  nimmermehr  und  möchte 
es  auch  nicht  ungeschehen  machen,  dass  so  viele  deutsche  Zungen 
von  ihm  geredet  haben  und  nicht  aufhören  von  ihm  zu  reden. 
Selbst  seine  Gegner  hat  er  sprechen  gelehrt.  Es  ist  das  Wahrzeichen 
jeder  grossen,  genialen  That,  dass  sie  Freund  wie  Feind  beherrscht 
und  ihn  zwingt  zum  Denken.  Hinter  jedem  deutschen  Wörtlein,  das 
von  unseren  Lippen  fliesst,  war  ja  M.  Luther  emsig  und  fleissig 
gesessen,  und  wenn  aus  den  erhebenden  Reden,  die  wir  in  diesen 
Tagen  gehört,  es  manchmal  zuckte  und  rollte  wie  Blitz  und  Donner 
—  es  wird  nicht  fehlgegangen  sein  —  das  war  von  Luther.  Und 
wie  hatte  er  die  Sprache  in  seiner  Gewalt  1  So  wuchtig.  Hieb  auf 
Hieb,  so  frank  und  frei,  so  fein  und  grob,  so  mild  und  zornig,  und 
in  Allem  so  wahr  und  überzeugungstreu  wie  er  hat  noch  Keiner 
gesprochen.  Er  war  der  Sprach-  und  Schulmeister  unseres  Volkes. 
Mit  glühender  Liebe  hing  er  an  seinem  Vaterlande,  das  er  durch 
die  Macht  seines  Wortes  neu  begründet.  Und  was  für  ein  dauer- 
haftes  verlässliches  Volksmaterial    hat    er    gefunden,    um  Tüchtiges 


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daraus  zu  bilden!  j^Für  meine  Deutschen  bin  ich  geboren,  ihnen 
will  ich  dienen*,  rief  er  aus;  ^^ich  kann's  ja  nicht  lassen,  ich  muss 
sorgen  für  das  arm,  elend,  verlassen,  veracht,  verrathen  und  ver- 
kauft Deutschland,  dem  ich  ja  kein  Arges,  sondern  alles  Gute  ver- 
gönne, als  ich  schuldig  bin  meinem  lieben  Vaterland.*  Was  das 
Martyrium  eines  Hus  und  eines  Hieronymus  nicht  vermochte,  er 
und  das  deutsche  Volk  haben  es  durchgeführt.  Aus  dem  Witten- 
berger Nachtigallenliede  ist  ein  erschütternder  Freiheitssang  geworden, 
der  aufklärend  und  reinigend  durch  die  deutschen  Lande  und  weit 
über  Lande  und  Meere  hinausbraust,  ein  Freiheitssang,  der  die 
Herzen  von  Alt  und  Jung,  von  Hoch  und  Niedrig  entflammte  und 
forttönte  bis  in  unsere  Zeiten. 

....  Wie  ein  Held  vertrat  er  zu  Worms  seine  gerechte  Sache. 
Unbeugsam  und  unerschrocken  beharrte  er  auf  seiner  Ueberzeugung. 
Alles  Drohen  und  Bangemachen,  alles  Bannen  und  Aechten  half 
nichts  —  er  blieb  der  Sieger.  ,  Durch  bin  ich  —  ich  bin  durch  I" 
rief  er,  als  er  vom  Rathssaale  in  seine  Herberge  kam.  .  .  .  Freude- 
strahlend beglückwünschten  ihn  seine  Freunde.  Manch  neuen  Freund 
hatte  er  sich  an  diesem  Tage  erworben.  Einer  unter  ihnen,  dem  es 
so  recht  zu  Herzen  ging,  Herzog  Erich  von  Braunschweig  hiess  der 
Freund,  wollte  ihm  noch  eine  ganz  besondere  Ehre  und  Gunst  er- 
weisen. Ein  silbernes  Kännlein  guten  Einbecker  Bieres  schickte  er 
ihm.  Er  dachte  sich,  so  ein  Schluck  muss  heute  dem  Luther  munden. 
Es  ist  ein  gut  Beispiel,  das  uns  der  wackere  Erich  gegeben.  An- 
stossen  können  wir  freilich  nicht  mehr  mit  dem  seligen  Luther. 
Aber  unsere  Gläser  können  wir  erheben  auf  die  in  Luther  ver- 
körperten Tugenden  des  deutschen  Volkes.  Der  Tüchtigkeit  und 
Festigkeit  der  Zukunft  der  deutschen  Nation  gilt  mein  Trinkspruch. 
Hoch  lebe  das  deutsche  Volk  in  und  ausser  Oesterreich! 

Nach  dieser  Rede  folgte  die  Verlesung  der  eingelaufenen  brief- 
lichen und  telegraphischen  Grüsse  von  Nah  und  Fem.  Hierauf  wurde 
der  Salamander  in  honorem  doctissimi  Martini  Lutheri  gerieben. 

Nach  Absingung  des  Liedes  ,Wenn  Alle  untreu  werden*  schloss 
der  Vorsitzende  den  Commers  (V4I  Uhr). 

Noch  eine  Lutherfeier  in  Wien  veranstaltete  die  ,  Gesellschaft 
für  die  Geschichte  des  Protestantismus  in  Oesterreich*  am  14.  No- 
vember Abends  7  Uhr  im  grossen  Musikvereinssaale.  Ein  sehr  zahl- 
reiches Publicum  aus  den  besten  Kreisen  hatte  sich  dazu  eingefunden. 


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Nach  dem  Vortrage  einer  Orgel-Fuge  durch  den  Virtuosen  Jos.  Labor 
betrat  der  als  Kanzelredner  und  Verfasser  mehrerer  die  Geschichte 
der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  behandelnden  Schriften 
rühmlich  bekannte  Senior  und  Pfarrer  Lic.  Dr.  Gustav  Trauten- 
berger  aus  Brunn  die  Rednerbühne,  vor  welcher  inmitten  reichen 
Blumenschmuckes  die  Lutherbüste  stand.  Er  sprach  über  , Luther 
in  Oesterreich*.  Der  Vortrag  wurde  mit  ausserordentlichem  Beifalle 
aufgenommen.  Wir  geben  die  im  ,Oesterr.  Protestanten*  1883,  Nr.  22 
mitgetheilte  Skizze. 

,Als  der  Frühling  dieses  Jahres  vor  der  Thüre  stand  mit  seinem 
Blühen,  da  zitterten  durch  unser  Volk  der  Trauer  Klänge  um  des 
Dichtercomponisten  willen,  den  uns  ein  jäher  Tod  entführt;  und 
jetzt  der  Winter  vor  der  Thüre  steht  mit  seinem  Brausen,  tönen 
durch  unser  Volk  des  Jubels  Klänge  um  des  Dichtercomponisten 
willen,  der  uns  geschenkt  ward  vor  400  Jahren.  Führwahr,  wenn 
Luther  nur  das  eine  Lied  gedichtet  hätte,  geschaffen  nur  die  eine 
Weise  ,Ein'  feste  Burg  ist  unser  Gott*,  die  erklungen  ungezählte 
Male  in  Schlachten  stürm  und  Kerkereinsamkeit,  bei  gewaltsamer 
Wegführung  aus  der  Heimat  und  auf  blutiger  Richtstatt,  in  der 
Versammlung  der  festfeiernden  Gemeinde  und  in  der  Andachtsstille 
der  einzelnen  in  Gott  versenkten  Seele:  wenn  Luther  uns  nur  seine 
3^ feste  Burg*  geschenkt  hätte,  schon  um  des  einen  Liedes  willen 
müssten  wir  ihn  den  wirksamsten  Dichtercomponisten  beizählen. 

Aber  Luther  ist  mehr!  Er  ist  ein  Sänger  und  ein  Heldl* 

Redner  schilderte  nun  nach  einem  Blick  auf  den  Heldenjüng- 
ling Theodor  Körner,  der  von  Wien  aus  für  sein  Volk  in  den  Tod 
ging,  den  Helden  der  Helden,  Luther,  ^^der  in  den  Tagen  schwüler 
Versumpfung  in  Gottes  Kraft  dem  reinfegenden  Sturme  rief,  den 
Sturm  bestand,  den  Sturm  bezwang*,  ging  dann  auf  Herder*s  Schil- 
denmg  von  Luther 's  Heldcngrösse  (^Mächt'ger  Eichbaum,  deutschen 
Stammes,  Gotteskraft*  u.  s.  w.)  ein,  erwähnte,  dass  solche  Heldcn- 
grösse nur  nach  und  nach  in  fortgesetztem  Ringen  erwachse  und 
Luther,  als  er  151 1  durch  Tirol  nach  Rom  pilgerte,  erst  die  all- 
gemeinsten Umrisse  seiner  späteren  Herrlichkeit  zeige. 

,Was  er  erschaut,  erlebt  im  vermeintlich  heiligen  Rom,  geht 
dem  frommen  Deutschen  wie  ein  erkältender  Schauer  durch  die 
Seele.  Als  er  durch  Tirol  zurückzieht,  hebt  ein  leises  Grollen  an  in 
seiner  Seele,  dass  in  jenen  Domen,    die  einst   den  Stein  vergeistigt, 


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nunmehr  der  Geist  versteinert,  dass  die  Form  gesiegt  über  den 
Inhalt,  das  todte  Werk  über  den  lebendigen  Glauben,  der  gold- 
betresste  Diener  über  den  demüthigen,  sanftmüthigen  Herrn,  ein 
leises  Grollen  über  die  Ausbeutung  seines  ehrlich-ernsten  deutschen 
Volkes  durch  römische  Schlauheit.  Denkt  er  vielleicht  der  zürnenden 
Verse,  die  ein  edler  Sohn  des  Landes,  ein  Tiroler,  Walter  von  der 
Vogelweide,  dritthalb  Jahrhunderte  früher  schon  geschrieben  gegen 
die  Beraubung  Deutschlands  durch  den  Papst  und  dessen  Genossen?* 

Redner  schildert  hierauf,  wie  Johann  Tetzel  um  Ehebruchs 
willen  in  Innsbruck  ersäuft  werden  sollte,  aber  auf  hohe  Fürsprache 
straffrei  ausging,  und  fahrt  fort: 

,Wer  mag  es  sagen  ob  nicht  diese  Scenc  auf  der  Innbrücke 
beigetragen,  dass  die  Tiroler  sich  so  rasch  der  Reformation  zu- 
wandten? Gerade  diese  schlichten,  treuen  Seelen  mochten  den  Kern- 
punkt, um  den  es  sich  handelte,  herausfühlen,  dass  nämlich  die 
Grossthat  Luther's  nicht  sei  das  gelle  Auflachen  des  sich  befreienden 
Verstandes,  sondern  der  tiefe  Nothschrei  des  zertretenen,  empörten 
Gewissens.  Die  That  einer  gewissenhaften  Persönlichkeit,  die 
ihrer  Verantwortung  vor  Gott  mit  tiefem  Ernste  inne  geworden 
und  nun  unbestechlich,  erhaben  -  kindlich  und  darum  unbezwinglich- 
heldenhaft  den  Weg  geht,  den  sie  in  heissen  Seelenkämpfen  als  den 
rechten,  zum  Heile  fuhrenden  erkannt  hat.  Die  That  einer  erleuch- 
teten Persönlichkeit,  die  das  schier  unkenntlich  gewordene  Christen- 
thum  wieder  auf  seinen  ursprünglichen  Ausdruck  zurückführt  und 
das  schlecht  übermalte  Christusbild  wieder  in  seiner  ursprünglichen 
Reinheit  herstellt.  Die  That  einer  liebeglühenden  Persönlichkeit, 
die  das  selbsterfahrene  Heil  durch  Gottes  Wort  auch  den  Mitmen- 
schen bringen  muss  aus  innerstem  Drang,  dem  Adel  deutscher 
Nation,  dem  Bürger,  dem  Landmann,  Allen  ohne  Unterschied. 

Nur  wenige  erlauchte  Geister  kennt  die  Weltgeschichte,  die  so 
aus  dem  innersten,  tiefsten  Quellpunkt  menschlichen  Wesens  heraus 
in  das  Leben  gestaltend  eingriffen.  Diese  wenigen  stehen  da  als 
die  Thoreschliesser  der  Vergangenheit,  als  die  Pfortenöfiner  einer 
neuen  Zeit. 

Zu  diesen  wenigen  gehört  Luther.* 

Aus  dem  von  ihm  ausstrahlenden  Lichte  habe  Jeder  den  Strahl 
sich  zugeeignet,  der  seinem  Denken,  seiner  Lebensstellung  zunächst 
liegt.    Kaiser  Maxi,  erfasste  die  Staat  lieh- bedeutsame,  die  Univer- 


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sität  Wien  die  wissenschaftlich-  bedeutsame  Seite  der  That 
Luther 's,  Paulus  Speratus  die  nach  der  Familienseite  zu  gelegene, 
als  er  im  Stefansdom  zu  Wien  am  12.  Jänner  1522  seine  berühmte 
Predigt  zum  Ruhme  der  Familie  hielt.    Redner  fährt  fort: 

,Es  ist  bezeichnend,  dass  die  erste  evangelische  Predigt  in 
Wien  der  Verherrlichung  der  Familie  galt.  Die  Achtung  vor  dem 
Weibe  ist  dem  deutschen  Manne  eingeboren  von  altersher,  der 
häusliche  Sinn  ward  von  unserer  Nation  allzeit  gewahrt  als  heiliges 
Erbe.  Die  herrlichste  Krone  aber  hat  doch  erst  Luther  der  Familie 
errungen,  als  er  aus  dem  katholischen  Kloster  ein  evangelisches 
Pfarrhaus  machte,  indem  er  sein  ehelich  Gemal  in  dasselbe  ein- 
führte. So  hat  er  den  (recht  verstanden)  idealsten  Stand,  den  geist- 
lichen, der  Familie  zurückgegeben,  von  der  er  ausgegangen  und  der 
er  gehört  hatte  einst  in  den  apostolischen  Tagen.  Der  Dank  dieses 
Standes  liegt  offen  zu  Tage :  Das  evang.  Pfarrhaus  hat  der  Menschheit 
eine  stattliche  Reihe  ihrer  edelsten  Vorkämpfer  geliefert.  Man 
streiche,  wenn  man  es  kann,  das  evang.  Pfarrhaus  aus  der  Cultur- 
geschichte  der  Neuzeit  und  frage  sich  dann,  ob  man  viel  mehr  in 
in  den  Händen  behalte,  als  Trümmer. 

Als  eine  köstliche  Fügung  muss  es  übrigens  gepriesen  werden, 
dass  dem  kühnen  Anwalte  der  Familienehre  im  Dome  zu  St.  Stefan, 
Paulus  Speratus.  der  Dank  dafür  abgestattet  ward  aus  Frauenhand.* 

Redner  schildert,  wie  Speratus  durch  die  Fürsprache  der 
lutherisch  gesinnten  Königin  Maria  von  Ungarn  in  Olmütz  vom 
Feuertode  errettet  wurde;  sodann,  wie  der  Wiener  Bürger  Caspar 
Tauber  den  Märtyrertod  erlitt  und  von  Luther  den  vornehmsten 
Blutzeugen  der  evang.  Kirche  beigezählt  wurde;  wie  Luthers  Auge 
überhaupt  vielfach  auf  Oesterreich  gerichtet  war,  und  seine  That 
ganz  besonders  auf  das  österreichische  Schulwesen  erneuernd  wirkte. 
Dann  fährt  er  fort: 

„Daher  der  ungeahnte  Aufschwung  des  Schulwesens  während 
des  16.  Säculums  auch  in  Oesterreich.  Wer  die  blühenden  Anstalten 
näher  besieht,  welche  der  evang.  Adel  und  das  evang.  Bürgerthum 
unserer  Lande  im  16.  Säculum  errichtet  haben  in  Wien,  Linz,  Graz, 
Klagenfurt,  Laibach,  Iglau  und  an  zahlreichen  anderen,  oft  ganz 
kleinen  Orten,  der  muss  mit  Staunen  erfüllt  werden  über  die  Fülle 
geistiger  Kraft  und  sittlichen  Segens,  die  von  der  That  Luther's 
her  ausgegossen  ward  über  unser  Vaterland. 


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Kein  Volksstamm  in  Oesterreich  blieb  unberührt:  die  vordem 
Unbedeutendes  geleistet,  von  Luther  s  Geiste  angeweht,  leisteten  sie 
Bedeutendes.  Kein  Stand  blieb  unberührt:  Hoch  und  Niedrig,  wo 
die  freie  Ueberzeugung  nur  zum  Ausdrucke  kommen  durfte,  wendete 
sie  sich  meist  der  Reformation  zu. 

Und  dennoch !  ach,  dass  es  gesagt  sein  muss :  und  dennoch ! 
Trotz  all  der  Förderung  aller  edleren  Interessen  ist  die  Kirche  der 
Reformation  eine  Märtyrerkirche  geblieben  in  unseren  Landen!  An 
ihrer  Spitze  stand  ein  Adel,  nicht  zusammengeweht  aus  allen  Ecken 
der  Windrose,  vielmehr  von  alten  Tagen  her  sesshaft  in  der  Väter 
Hallen  mitten  in  Oesterreich,  ein  Adel,  den  nicht  Abenteuerlust 
und  Beutegier  nach  Oesterreich  geführt,  ein  Adel  vielmehr,  dem  ein 
treues  Herz  im  Busen  schlug  für  das  Gedeihen  des  theuren  öster- 
reichischen Vaterlands.  Und  neben  dem  Adel  stand  ein  evangelisches 
Bürgerthum,  nicht  geistig  zurückgeblieben,  nicht  angewiesen  auf 
die  Nachahmung  vorgeschrittenerer  Länder,  ein  Bürgerthum  vielmehr, 
dem  keines  in  deutschen  Landen  geistig  überlegen,  vielleicht  keines 
ebenbürtig  war  an  Thatkraft,  Geistesfrische  und  warmem  Pulsschlag 
für  die  inniggeliebte  Heimat.  Und  hinter  dem  Adel  und  dem  Bürger 
stand  der  evangelische  Bauer,  mit  der  deutschen  Bibel  in  der 
Hand,  die  Luther  in  grossartigem  Gottvertrauen  auch  ihm  in  die 
Hand  gelegt,  beseligt  durch  Gottes  Wort  und  Luthers  Lehr'.  Und 
dennoch  blieb  die  Kirche  Luther's  eine  Märtyrerkirche  in  Oesterreich  !* 

Nur  unter  Max  IL,  dem  Kaiser  Joseph  des  i6.  Jahrhunderts, 
hatte  die  evang.  Kirche  Ruhe.  Dann  kam  Rudolf  II. ;  unter  ihm 
ergriffen  die  Jesuiten  die  Zügel. 

,Und  nun  folgt  das  schwärzeste  Blatt  in  der  Geschichte  Oester- 
reichs.  Es  ist  das  Blatt,  das  der  Historiker  noch  immer  anstarrt 
wie  ein  unheimliches  Räthsel,  das  uns  erzählt  von  dem  schier 
unglaublichen  Versuch,  die  Oesterreicher  zu  lehren,  deutsch  reden, 
spanisch  denken,  römisch  fühlen,  barbarisch  handeln.  —  Der  Refor- 
mator mit  seiner  reichen  Spendehand  ward  hinausgestossen  und 
nahm  mit  sich  des  alten  Reiches  Herrlichkeit  und  liess  zurück 
geistig,  sittlich,  materiell  verarmte  Lande.  Und  liess  zurück  eine 
Verfolgungswuth,  so  grausam,  wie  ihresgleichen  nur  das  sinkende 
Rom,  nur  das  Spanien  Philipp's  IL  kannte. 

Das  waren  die  goldenen  Tage  der  Abenteurer  und  Convertiten. 
Der  Kopf  der  Gegenreformation  und  ihr  Schwert  waren  Convertiten. 


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Cardinal  Khlesel,  der  Kopf,  hatte  Luther 's  Lieder  an  seiner  Wiege 
singen  gehört,  und  Wallenstein,  das  Schwert,  war  durch  Schulen 
von  Luther*s  Gepräge  hindurchgegangen.  Als  er  sich  dieser  seiner 
Vergangenheit  endlich  wieder  zu  erinnern  begann,  war  es  der 
Anfang  von  seinem  Ende.  Sein  schliessHcher  Gedanke  einer  Aus- 
söhnung mit  den  Kindern  der  Reformation  konnte  kein  Ohr  finden, 
wo  man  deren  Vernichtung  wollte.  Und  man  glaubte  sie  vernichtet 
nach  jahrzehntelanger  Grausamkeit.* 

Redner  schildert  nun,  wie  die  Vernichtung  des  Lutherthums 
voreilig  gefeiert  wurde  durch  die  Figurengruppe  ,der  Luthersturz* 
im  Dome  zu  Gurk  in  Kärnten;  wie  dagegen  Prinz  Eugen  von 
Savoyen  mit  seinem  lutherischen  Freunde,  dem  Philosophen  Leibnitz, 
Briefe  wechselte  über  die  Versöhnung  der  Confessionen. 

,Dess  sollen  wir  gedenken,  so  oft  wir  draussen  vor  der  Burg 
das  Reiterstandbild  dieses  herrlichen  Mannes  grüssen,  —  und  dann 
hinüberblicken  zu  dem  Helden  von  Aspern,  dem  Erzherzog  Carl, 
dem  Generalissimus  deutscher  Nation  im  grossen  Jahre  1809,  der 
selbst  ein  evangelisch  Weib  sein  eigen  nannte,  eine  protestantische 
Fürstin  einführte  in  die  ehrwürdigen  Hallen  der  Wiener  Hofburg. 
Drunten  ruht  sie  bei  den  Capuzinern,  die  evangelische  Frau  neben 
den  Kaisern  und  Erzherzogen  unserer  glorreichen  Dynastie.  Dass 
aber  solcher  Umschwung  möglich  war,  das  danken  wir  dem  Manne 
im  schmucklosen  Sarge,  dem  Menschenfreund  auf  dem  Throne: 
gesegnet  sei  sein  Andenken  alle  Zeit!  Joseph 's  Reformen  waren 
Acte  der  Selbstbesinnung  Oesterreichs  auf  die  Wurzeln  seiner  Kraft, 
des  Wiederanknüpfens  an  des  Reiches  echte  Vergangenheit.  Mochten 
die  Eindringlinge  aus  Südwest,  die  Oesterreich  so  sehr  zurück- 
gebracht, immerhin  spötteln  über  ihn  als  Lothringer  und  sich 
vergleichende  Wortspiele  erlauben  zwischen  ,  Lothringer*  und 
, Lutheraner*,  was  thats?  Ein  Lothringer  hat  Wien  gerettet  vor 
200  Jahren  vor  der  Barbarei  des  Südostens,  der  Habsburg- Lothringer 
Joseph  hat  Oesterreich  gerettet  vor  lOO  Jahren  vor  —  der  Cultur 
der  Gesellschaft.  Nun  galt  Luther  nicht  mehr  als  Geächteter  in 
Oesterreich ;  er  kehrte  wieder  nach  langer  Verbannung  und  seine 
Spendehand  zeigte  sich  noch  eben  so  reich,  wie  ehedem.* 

Nun  schildert  Redner  den  Aufschwung  Oesterreichs,  an  welchem 
die  Kinder  der  Reformation  ihren  redlichen  Antheil  haben,  erwähnt 
auch  der  verschiedenen  Rückschläge,    aber   ebenso  des  kaiserlichen 


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Schutzes,  besonders  durch  Se.  Majestät  den  Kaiser  Franz  Joseph. 
Die  gebildeten  Mitbürger  anderer  Confession  seien  den  Evangelischen 
zudem  freundlich  gesinnt,  auch  in  Italien  und  Spanien  werde  man 
uns  jetzt  gerecht;  „und  während  die  zurückgebliebenen  Romanen 
von  der  Zersetzung  des  Protestantismus  fabeln,  wissen  sie  und 
wissen  wir:  dem  Protestantismus  gehört  die  Zukunft!* 

Mit  einigen  scharfen  Zügen  die  Gegenwart,  die  ihr  Bestes  von 
Luther  habe,  kennzeichnend,  schliesst  der  Redner: 

,So  bleibe  er,  so  werde  er  immer  mehr  unser,  der  Heros  der 
neuen  Zeit!  So  gestalte  er  sich  aus  in  uns  und  um  uns,  uns  zum 
Segen,  dem  Vaterland  zum  Heil :  Luther  in  Oesterreichl  * 

Auch  ausserhalb  Wiens  haben  die  Lutherfesttage  nachgeklungen 
in  manch  schöner  Nachfeier  in  Kirche  und  Schule.  Als  solche 
Nachklänge  dürfen  wir  wohl  jene  Gottesdienste  und  Schulfeierlich- 
keiten, Vorträge  und  Vertheilungen  von  Festschriften  betrachten, 
welche  aus  localen  und  anderen  Gründen  im  Rahmen  der  eigent- 
lichen Festzeit  nicht  unterzubringen  waren. 

Wir  gedenken  vornehmlich  der  Lutherfeier,  welche  in  den 
Gemeinden  Bohuslawitz,  Cernilov  und  Ruzenmoos  der 
dortigen  Schulverhältnisse  halber  mit  der  evang.  Schuljugend 
erst  am  12.  Nov.  statthaben  konnte.  Auch  konnte  die  Einhändigung 
der  Lutherbüchlein  in  einigen  Kirchengemeinden,  wo  dieselben 
während  der  Festtage  vollständig  vergriffen  wurden  (Goisern)  oder 
für  das  Fest  zu  spät  einlangten  (Meran,  Zlan,  Gross-Wrbka),  erst 
nachträglich  geschehen,  zumeist  zu  Weihnachten,  wodurch  die  Christ- 
bescheerung  zu  einem  doppelt  schönen  Feste  sich  gestaltete. 

Auch  der  Gemeinde  der  Erwachsenen  ward  nicht  vergessen. 
In  Thening  wurde  für  die  Hausandachten  der  Festwoche  die  Be- 
trachtung von  Rom.  i — 8  empfohlen,  während  im  Saale  der  Rettungs- 
anstalt zu  W  eiern  auch  nach  dem  Feste  sonntägliche  Vorträge 
über  Luther  und  sein  Werk  stattfanden.  In  der  Octave  der  Luther- 
feier, am  i8.  Nov.,  wurden  in  der  vacanten  Gemeinde  Unterhaus, 
in  Marburg's  Filiale  Pettau  (hier  im  Musik vereinssaale),  in  der 
Tochtergemeinde  von  Wald,  in  Brück  a.  d.  M.  sehr  gut  besuchte, 
nachträgliche  Festgottesdienste  abgehalten.  Auch  Smedow  (Filial- 
gemeinde von  Opatowitz)  hatte  am  i8.  Nov.  Vorm.  in  der  Capelle 
an  einem  feierlichen  Gottesdienste,  Nachm.  an  einem  Vortrage  über 
Luther    theilgenommcn.    In    der   Gemeinde   Wilimow    wurde    den 


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Andachtsbetrachtungen  der  Festwoche  8  Tage  später  noch  eine 
Schlussbetrachtung  hinzugefügt.  Ueber  die  Nachfeier  in  Bregenz 
haben  wir  schon  (auf  S.  75)  berichtet.  Der  verwaisten  südlichsten 
evang.  Gemeinde  Oesterreichs,  der  Hafengemeinde  Pola,  war  erst 
bei  dem  am  zweiten  Adventsonntage  durch  Pf.  Medicus  aus  Triest 
abgehaltenen  Gottesdienste  der  Eintritt  in  den  Kreis  der  Fest- 
feiernden vergönnt.  Den  Reigen  der  kirchlichen  Gedenkfeierlich- 
keiten zu  Ehren  Luther's  beschliesst  die  eifrige  steierische 
Diaspora  Hoh"en  Tauern  und  Juden  bürg  mit  einem  Gedächtniss- 
gottesdienste  und  einer  Abendmahlsfeier,  welche  der  nimmermüde 
Senior  Kotschy  aus  Wald  in  ersterer  Gemeinde  am  8.  Dec,  in 
letzterer  am  zweiten  Weihnachtstage  unter  zahlreicher  Betheiligung 
auch  Andersgläubiger  abgehalten  hat. 

Erwähnen  wollen  wir  noch,  dass  in  Wiener-Neustadt  der 
dortige  Realschulprofessor  Log  er  (Altkatholik)  am  18.  Januar  1884 
im  grossen  Saale  des  Lehrerseminars  einen  öffentlichen  Vortrag 
über  ^Luther's  Vermächtniss  an  unsere  Zeit*  gehalten  hat,  in 
welchem  er  Luther  als  den  grossen  Reformator  der  christlichen 
Kirche  verherrlichte. 

V.  Verhalten   der  Presse   und   der  Andersgläubigen  gegenüber   der 

Lutherfeier. 

Dass  die  evangelisch-kirchlichen  periodischen  Druck- 
schriften aller  Parteischattirungen,  die  deutschen  wie  nicht  minder 
die  böhmischen,  durch  Besprechung  der  Feierlichkeiten  und  ein 
gehende  Würdigung  des  Helden  derselben,  sowie  durch  kräftige 
treffende  Abweisung  der  gegen  Luther  und  sein  Werk  von  gegne- 
rischer Seite  seit  jeher  erhobenen  Anwürfe,  ihrer  Aufgabe  vollauf 
gerecht  geworden  sind,  braucht  nicht  erst  ausdrücklich  betont  zu 
werden.  Der  „Oesterr.  Protestant*,  das  , Evangelische  Sonntags- 
blatt*, das  , Evangelische  Vereinsblatt  für  Oberösterreich*,  ,Evan- 
jelick^  Cirkevnik*  und  die  übrigen  Blätter  slavischer  Zunge,  sie  alle 
brachten  seinerzeit  vorbereitende  Betrachtungen ,  Berichte ,  Be- 
sprechungen, Festgedichte  zum  Jubiläum,  und  im  ^Ev.  Cfrkevnik*, 
dem  vom  Pfr.  PospiSil  in  Humpoletz  redigirten  Organe  der  böhmisch- 
lutherischen Kirche,  begegnen  wir  auch  mehreren  beherzigenswerthen 
Artikeln,  worin  sowohl  die  ultramontane  Engherzigkeit  der  con- 
servativen    tschechischen  Kreise   entsprechend   beleuchtet,    als   auch 


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der  kirchliche  Indifferentismus  und  der  einseitige,  das  Wesen  aller 
wahren  Reformation  verkennende,  nationale  Huscultus  der  liberalen 
Jungtschechen  gebührend  gerügt  wird. 

Gleichfalls  der  vom  böhmisch -reformirten  ,Comeniusvereine* 
(zur  Verbreitung  evang.  Volksschriften)  herausgegebene  volksthüm- 
liche  Evangelische  Kalender  »Orloj*  für  das  Jahr  1884  hat  einen 
Lutherartikel  mit  3  Illustrationen  gebracht. 

Den  evangelisch-kirchlichen  Blättern  standen  die  politischen 
Journale  treulich  zur  Seite,  indem  sie  zum  400jährigen  Geburtstage 
des  Reformators  Betrachtungen  über  sein  Wirken  auf  den  ver- 
schiedenen Gebieten  menschlicher  Culturarbeit  in  Artikeln  und 
Feuilletons  brachten  und  den  Verlauf  der  ihm  zu  Ehren  veran- 
stalteten Festivitäten  schilderten.  Dass  hinter  den  grossen  führenden 
Tagesblättern  auch  ihre  weniger  verbreiteten  Genossen  nicht  zurück- 
bleiben wollten,  dafür  legen  die  schätzenswerthen  Festartikel  ein 
unzweideutiges  Zeugniss  ab,  welche  sie  seinerzeit  darboten  *).  Selbst 
die  in  Triest  erscheinenden  italienischen  Zeitschriften  haben  sich 
über  die  Lutherfeier  sympathisch  geäussert. 

Dieser  aufklärenden  Thätigkeit  der  öffentlichen  Presse  gebührt 
unstreitig  ein  grosser  Theil  des  Verdienstes  um  das  mit  wenig  Aus- 
nahmen äusserst  tolerante  Verhalten,  ja  liebenswürdige  Entgegen- 
kommen der  andersgläubigen  Bevölkerung  der  evangelischen  Luther- 
feier gegenüber. 

Wir  freuen  uns,  es  hier  zu  Ehren  unserer  nichtevangelischen 
Mitbürger  aussprechen  zu  können,  dass  der  intelligente  Theil  der- 
selben Luther's  weit-  und  culturgeschichtliche  Mission  und  seine,  um 
Gewissensfreiheit,  Schutbildung  und  geistigen  Fortschritt  überhaupt 
erworbenen,  Verdienste  wohl  begriffen  und  dies  Verständniss  auch 
durch  eine  würdige  Haltung  offen  bekundet  hat,  so  dass  der 
40qjährige  Geburtstag  Luther's  auch  ausserhalb  des  Bereiches  der 
evangelischen  Kirchengemeinden  durch  zahlreiche  Feste  und  Huldi- 
gungen ausgezeichnet  wurde.  Trat  auch  bei  diesen  Festlichkeiten 
die  Bedeutung  Luther's  als  Reformators  auf  kirchlich -religiösem 
Gebiete,  wie  nicht  anders  zu  erwarten,  in  den  Hintergrund,  so 
wurde  dafür  seine  universelle  Bedeutung  —   als   Schöpfer   der 

*)  Unter  den  nord mährischen  liberalen  Blättern  hat  in  erster  Linie  das  ,Stem- 
berger  Volksblatt**  mit  seinen  Festartikeln  vom  10.  November  „Durch  Licht  zur  Frei- 
heit' aufklärend  zu  wirken  gesucht. 


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deutschen  Schriftsprache,  als  Lehrer  des  deutschen  Volkes,  als  Sänger 
herzerhebender  kerniger  Lieder,  als  Kämpfer  für  Freiheit  des  Glaubens 
und  der  Forschung  und  vor  Allem  als  deutscher  Mann  von  echtem 
Schrot  und  Korn,  als  Muster  unerschrockenen  Mannesmuthes  und 
überzeugungstreuer  Charakterstärke  —    um   so  schärfer  betont. 

Dass  die  katholische  Bevölkerung  sich  vieler  Orten  auch  an 
der  kirchlichen  Lutherfeier  zahlreich  betheiligt,  haben  wir  bereits 
wiederholt  hervorgehoben,  wie  ebenfalls  deren  thätige  Mithilfe  bei 
der  Ausschmückung  des  Festes  dankbar  anerkannt.  Wenn  wir  trotz- 
dem hier  noch  einmal  darauf  zurückkommen,  so  geschieht  es,  um 
noch  einige  freundliche  Züge  katholischer  Sympathien  zum  bleiben- 
den Gedächtnisse  nachzutragen. 

So  wird  aus  Bleib  er  g  berichtet,  dass  die  Lutherfeier  bei  den 
dortigen  Bergknappen  eine  günstige  Aufnahme  gefunden  und  am 
Festgottesdienste  sich  die  Berg-  und  Forstämter,  die  politische 
Gemeindevertretung,  der  Ortsschulrath,  ja  alle  katholischen  Volks- 
schichten betheiligt  haben.  Wohl  musste  der  (kath.)  Orgelspieler  von 
der  zugesagten  Besorgung  des  Organisten dienstes  in  letzter  Stunde 
zurücktreten;  doch  wurde  diese,  für  die  evang.  Gemeinde  nicht 
geringe,  Verlegenheit  durch  die  bereitwillige  Aushilfe  des  Gewerk- 
schaftscassiers  (eines  ehemaligen  Lehrers)  glücklich  behoben.  —  In 
einer  anderen  Gemeinde  Kärntens,  in  Weiern,  hat  DisselhofiTs 
Lutherbüchlein  auch  bei  Katholischen  freundliche  Aufnahme  gefunden. 
—  Auch  in  dem  sonst  streng  katholischen  Oberösterreich  hat 
die  evang.  Feier  ohne  jegliche  Störung  gehalten  werden  können.  — 
Ueber  die  lebhaften  Sympathien,  welche  die  nichtevangelische  Be- 
völkerung in  Deutschböhmen  der  Lutherfeier  entgegenbrachte, 
liegt  eine  ganze  Reihe  von  Berichten  vor,  die  wir  zum  Theüe  schon 
im  Vorhergehenden  mitgetheilt  haben.  Als  Beleg  hiefür  möge  hier 
noch  einmal  die  , Reichenberger  Zeitung*  angeführt  werden,  welche 
in  ihrem  ,Die  Lutherfeier  in  Reichenberg*  überschriebenen  Fest- 
berichte sagt:  ,Wir  setzen  mit  vollem  Rechte  über  diese  Zeilen  den 
Titel:  , Die  Lutherfeier  in  Reichenberg*;  denn  an  der  Feier,  welche 
die  evangelische  Gemeinde  in  Reichenberg  zu  begehen  das  Glück 
hatte,  nahm  die  Bevölkerung  von  ganz  Reichenberg,  ohne  Unter- 
schied der  Confession,  Theil*.  —  Ein  schöner,  beachtenswerther 
Zug  wohlwollenden  Entgegenkommens  den  Evangelischen  gegen- 
über   wird    aus   Tri  est    gemeldet.     Zur    Zeit    der  Lutherfeier    war 


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nämlich  von  Seite  des  Stadtmagistrates  an  die  dortige  evangelische 
Gemeinde  die  Frage  gerichtet  worden,  wie  man  den  Platz  vor  der 
evang.  Kirche  benennen  solle.  An  massgebender  Stelle  hätte  man 
gegen  die  Bezeichnung  »Piazzetta  Lutero*  nichts  einzuwenden 
gehabt ;  aber  der  in  italienischer  Sprache  leicht  schmutzig  umzudeu- 
tende Name  ,Lutero*  bewog  das  Presbyterium  sich  für  ^Piazzetta 
della  chiesa  evangelica*  zu  entscheiden.  Der  Vorschlag  wurde  vom 
Magistrate  acceptirt  und  jener  Platz  trägt  heute  diesen  Namen. 

Doch  nicht  allein  als  dankbare  Gäste  und  freiwillige  Mit- 
wirkende finden  wir  unsere  katholischen  (und  auch  israelitischen) 
Mitbürger  in  den  Reihen  der  Festfeiemden,  sondern  einige  darunter 
haben  auch  noch  ein  Uebriges  gethan  und  ihre  evangelischen  Orts- 
gemeinden  zum  Lutherfeste  mit  sinnigen  Geschenken  über- 
rascht. Die  katholischen  Insassen  von  Mitterbach  spendeten  der 
evang.  Gemeinde  eine  schöne  kräftige  Linde,  welche  an  Luther's 
400jährigem  Geburtstage  auf  dem  Kirchplatze  eingesetzt  wurde, 
und  zum  Festgottesdienste  die  Kerzen  für  den  Kronleuchter.  Das 
evang.  Gotteshaus  in  Salzburg  *)  hatte  durch  Vermittlung  des 
dortigen  (kath.)  k.  k.  Forstingenieurs  Dworzak  ein  sehr  dankens- 
werthes  Geschenk  erhalten :  ein  (aus  dem  Atelier  des  Wiener  Bild- 
hauers Koch  stammendes)  über  dem  Hauptportale  einzufügendes 
Reliefbild,  den  Heiland  in  seinem  königlichen  Amte  darstellend,  — 
wie  derselbe  als  Prophet  an  der  Kanzel,  als  Hohepriester  im  Glas- 
fenster über  dem  Altare  abgebildet  erscheint.  Das  eine  Lücke  aus- 
füllende Geschenk  ist  der  Hochherzigkeit  des  Herrn  Hausmann 
(Schwiegervaters  des  obg.  Hm.  Dworzak)  in  Wien  zu  verdanken. 

VI.  Priiclite  der  Lutherfeier. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  wir  nicht  eine  erschöpfende  Dar- 
stellung all  des  Segens  beabsichtigen,  welchen  die  Lutherfesttage 
gebracht  haben.  Hier  wollen  wir  nur  noch  einmal  Rückschau  halten 
auf  das  Erlebte  und  bei  den  einzelnen  in  die  Augen  springenden 
Momenten  jener  Tage  ein  wenig  verweilen,  um  uns  ihre  Bedeutung 
für  uns  und  unsere  Kirche  besser  zum  Bewusstsein  zu  bringen. 

Es  lässt  sich  gar  nicht  beschreiben,  welch'  unendlichen  geist- 
lichen Segen  in  himmlischen  Gütern  die  Lutherfeier  in  den  Herzen 
von  Alt  und  Jung  zurückgelassen  hat. 

1)  Vergl.  s.  119. 


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Sie  hat  vor  Allem  das  Bewusstsein  der  heiligen  Dankes- 
pflicht wachgerufen  und  geschärft  in  all'  den  Seelen,  welche  das 
Glück  haben  im  Lichte  des  lauteren  Evangeliums  zu  wandeln,  und 
zumal  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  Gelegenheit  gegeben, 
dessen  recht  und  ganz  inne  zu  werden  was  der  Herr  an  ihr  gethan, 
da  er  sie  in  den  schweren  Zeiten  der  Drangsale  vor  gänzlichem 
Untergange  bewahrt  und  es  unserem  Geschlechte  beschieden  hat. 
unter  dem  Schutze  eines  milden  und  gerechten  Monarchen  unseres 
evangelischen  Glaubens  unbehelligt  leben  zu  dürfen. 

Die  gewaltige  Gestalt  des  Reformators,  welche  mit  ihren 
markigen  Zügen  frommer  Heilsbegier,  heisser  Wahrheitsliebe,  uner- 
schrockenen Zeugenmuthes,  kindlicher  Demuth,  herzinniger  Frömmig- 
keit, unerschütterlichen  Gottvertrauens,  unwandelbarer  Bekenntniss- 
treue, während  der  Festtage  Hunderttausenden  wieder  lebendig  vor 
die  Seele  getreten,  —  musste  sie  nicht  weckend  und  belebend 
wirken  auf  den  kirchlichen  Sinn  in  den  Gemeinden,  sie  bestärken 
in  der  Liebe  und  Treue  zum  evangelischen  Glauben  und  Leben, 
und  ihnen  neuerdings  einschärfen  die  Mahnung  des  Apostels:  , Halte, 
was  Du   hast*  ? 

Und  die  begeisternden  Ansprachen  und  Predigten  in  Schule 
und  Kirche,  die  herzbewegenden  Festgesänge,  der  mächtige  Ein- 
druck der  vollen  Gotteshäuser,  —  sollte  dies  Alles  sich  nicht  als 
wirksamer  Antrieb  erwiesen  haben  zur  Belebung  des  Interesses  an 
der  Geschichte  der  Reformation  und  unserer  Kirche,  sowie  zur 
Stärkung  des  namentlich  in  Diaspora-Gemeinden  nur  selten  voll 
und  ganz  empfundenen  Bewusstseins  der  Zusammengehörigkeit  mit 
der  weit  verzweigten  evangelischen  Mutterkirche? 

Und  dürfen  wir  nicht  hoffen,  dass  die  zahllosen  Festschriften, 
welche  bei  der  Lutherfeier  so  eifrige  Abnehmer  fanden,  ihre  heilsame 
Mission  erfüllen  werden,  die  Bekanntschaft  mit  Luther,  die  Ehrfurcht 
vor  Luther,  die  Tugenden  eines  Luther  in  Häusern  und  Hütten, 
in  Familien  und  Herzen  zu  vermitteln  und  zu  wecken,  zu  pflanzen 
und  zu  nähren  und  in  immer  weitere  Kreise  zu  tragen? 

Noch  gedenken  wir  einer  lieblichen  Frucht  der  Festtage:  der 
erhöhten    Opferwilligkeit    für   evangelisch-kirchliche   Zwecke. 

An  erster  Stelle  seien  jene  Stiftungen  angeführt,  die  bestimmt 
sind,  dem  Mangel  an  evangelischen  Predigern  und  Lehrern  zu 
steuern,  oder  der  Diaspora  die  Wohlthat  eines  regelmässigen  Religions- 


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Unterrichtes  und  Gottesdienstes  zu  verschaffen.  Wie  schon  früher 
(S.  13)  erwähnt  worden,  beschloss  das  Presbyterium  der  Wiener 
evangelischen  Kirchengemeinde  A.  C.  die  Gründung  eines  , Luther- 
Fonds*  zur  Errichtung  neuer  evangeh'scher  Religionsunterrichts- 
stationen für  jene  evatig.  Schulkinder,  welche  die  evang.  Schulen 
nicht  besuchen  können,  sowie  zur  Errichtung  von  Predigtstationen 
und  neuen  evang.  Schulen.  Der  Aufruf  zur  Beitragsleistung  für  diesen 
Fonds,  welcher  an  alle  Gemeindeglieder  erging,  hatte  bald  einen 
günstigen  Erfolg  und  lässt  ein  glückliches  Gedeihen  dieses  Werkes 
erwarten. 

In  der  oberösterreichischen  Diöcese  wurde  anlässlich  der 
Lutherfeier  gleichfalls  ein  , Luther-Fonds*  zur  Creirung  von 
Stipendien  für  evang.  Theologie-Studirende  aus  Oberösterreich  be- 
giündet,  zu  welchem  die  meisten  oberösterreichischen  Kirchen- 
gemeinden ihre  Festopfer  als  erste  Bausteine  gewidmet  hatten. 

Wie  wir  aus  dem  ^Oesterr.  Protestanten*  erfahren,  wurde  auch 
in  den  evangelischen  Kirchen  Schlesiens  am  Tage  der  Luther- 
feier ein  Festopfer  veranstaltet,  dessen  Ergebniss  zur  Stiftung  eines 
»Luther-Fonds*  bestimmt  ist.  Aus  seinen  Zinsen  soll  Studirenden 
der  Theologie,  die  ihre  Studien  an  einei  deutschen  Universität 
vollenden  und  sich  dem  Kirchendienste  in  Schlesien  widmen  wollen, 
ein  Stipendium  gewährt  werden. 

In  W eiern  bei  Feldkirchen  (Kärnten)  legte  die  Gemeinde  nach 
dem  Festgottesdienste  ein  Opfer  nieder,  das  als  kleiner  Anfang 
zu  einer  , Lutherstiftung*  dienen  soll.  Zu  ihrem  Besten  wird 
alljährlich  am  Confirmationstag  ein  Opfer  veranstaltet  werden,  bis 
sie  die  Höhe  von  500  fl.  ö.  W.  erreicht  haben  wird.  Alsdann  soll 
dieselbe  in  der  Weise  der  evang.  Kirche  dienen,  dass  abwechselnd 
einem  dürftigen  Studirenden  des  Predigt-  oder  des  Schulamtes  in 
der  evang.  Kirche  Oesterreichs  eine  Unterstützung  daraus  geboten 
werden  wird. 

Neben  diesen  Neugründungen  wurde  auch  der  schon  bestehenden 
kirchlichen  Fonds  und  Anstalten  nicht  vergessen.  So  hat  die  Kirchen- 
gemeinde Meran  ihr  Festopfer  dem  Gustav- Adolf- Vereine,  Hall- 
statt dem  Prediger- Witwen-  und  Waisen-Fonds,  Ol  mutz  das 
Festopfer  nebst  dem  bei  der  geselligen  Abendfeier  erzielten  Ertrage 
sammt  einer  Spende  der  Familie  Brass  (in  Hohenstadt)  von  100  fl.  ö.  W. 
dem   ^Mährischen   Stadtprediger-Fonds*    zugewendet.   (S.  62).    Auch 


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der  evang.  Lehrer-Pensionsfonds  in  Lemberg  hat  anlässlich  der 
dort  abgehaltenen  Adendfestlichkeit  einen  nicht  unbedeutenden 
Zuschuss  erhalten  (S.  6i). 

Dass  in  der  freudigen  Stimmung  der  Lutherfesttage  auch  an  die 
Armen  und  Hilfsbedürftigen  in  der  Gemeinde  liebevoll  gedacht  wurde, 
beweisen  die  schon  an  anderer  Stelle  (bei  Asch  S.  70,  MödlingS.  55, 
Rossbach  S.  63,    Triest  S.  55,    Wien  S.  12)  erwähnten  Liebesgaben. 

An  Luther's  Geburtstage  (10.  Nov.)  wurden  auch  die  bezüglich 
des  von  Senior  v.  Läny  in  Öernilov  zu  Königgrätz  errichteten 
Alumneums  mit  den  Vertretern  des  evang.-lutherischen  Gotteskastens 
in  Deutschland  gepflogenen  Unterhandlungen  zu  Ende  geführt,  und 
konnten  am  genannten  Tage  die  Statuten  dieser  Stiftung,  , Luther- 
stift* genannt,  zur  behördlichen  Genehmigung  eingereicht  werden.  Das 
Lutherstift,  welchem  mehrere  slavische  Kirchengemeinden  Böhmens 
das  Festopfer  zuwendeten,  hat  den  Zweck,  evangelischen  Schülern 
der  Königgrätzer  Mittel-  und  Volksschulen  ein,  Wohnung  und  Ver- 
pflegung gewährendes,  im  Geiste  der  evangelischen  Kirche  geleitetes 
Asyl  zu  bieten. 

In  Ustron  verkündete  der  um  das  Zustandekommen  eines 
evangelischen  Waisen-Fonds  für  die  dortige  Gemeinde  sehr  ver- 
diente Pfarrer  Georg  Janik  am  Luthertage  der  Gemeinde,  dass  er, 
nachdem  der  Fonds  auf  2CXX>  fl.  angewachsen,  nun  im  Stande  sei, 
sieben  Waisen  in  einem  dazu  gemietheten  Hause  Unterkunft  und 
die  nöthige  Verpflegung  zu  gewähren,  und  forderte  das  Presbyterium 
auf,  ihm  solche  zuzuführen. 

Andere  Gemeinden  wieder  waren  darauf  bedacht,  durch  Be- 
hebung der  eigenen  Nothstände  dem  Lutherfeste  ein  bleibendes 
Andenken  in  ihrer  Mitte  zu  sichern.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  in 
Wilimow  ein  , Luther-Fonds*,  in  Opatowitz  ein  , Jubel-Fonds* 
in's  Leben  gerufen  ,  während  G  m  u  n  d  e  n  seine  FestcoUecte  dem 
Pfarrdotations-Fonds  zuwendete.  —  In  Ramsau  wurde  beschlossen, 
zum  ewigen  Gedächtnisse  an  das  herrliche  Doppelfest  (Lutherfeier 
und  loojähr.  Gemeinde-Jubiläum)  eine  , Lutherglocke*  zu  stiften, 
welche  im  Vereine  mit  den  zwei  anderen,  minder  denkwürdigen  die 
, lutherische*  Ramsau  dereinst  zum  ,restaurirten*  Gotteshaus  rufen 
solle.  —  Auch  in  Humpoletz  haben  die  Festtage  zur  Stiftung 
einer  Lutherglocke  die  Anregung  gegeben,  während  in  Innsbruck 
mit   der   FestcoUecte    der  Grund   zu   einem   Orgelbau-Fonds    gelegt 


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und  in  Aussig  a.  d.  E.    bei   der   geselligen   Abendfeier   der   erste 
Beitrag  zu  einem  Pfarrhausbau  -  Fonds  gesammelt  wurde  (S.  6i). 

Auch  nach  anderen  Richtungen  hin  hat  die  Lutherfeier  manch' 
heilsame  Anregung  gegeben.  So  hat  sie  z.  B.  in  Hermann  seifen 
einen  Männer-  und  Jünglings-Verein  und  einen  Frauen-  und  Jung- 
frauen-Verein in 's  Leben  gerufen.  In  Innsbruck  ist  aus  der  Luther- 
abendfeier eine  Donnerstag-Tischgesellschaft  hervorgegangen,  welche 
schon  im  selben  Jahre  44  armen  Kindern  eine  freundliche  Weihnachts- 
bescheerung  bereiten  konnte.  Ebenso  dürfen  wir  die  löbliche  Ein- 
führung von  Traubibeln  in  der  Gemeinde  Thening  und  den  Plan, 
in  Wien  ein  Luther-Denkmal  zu  errichten  (S.  14),  den  Früchten  der 
Lutherfeier  beizählen. 

Schliesslich  sei  noch  jener  edlen  Spender  gedacht,  die  einzelne 
Gemeinden  zur  Lutherfeier  mit  werth vollen  Gaben  beschenkt  haben. 
Zu  den  schon  (auf  S.  21  f.)  angeführten  Spenden  an  Festschriften 
sind  noch  nachstehende  Geschenke  nachzutragen.  In  Meran  sandte 
eine  Dame  zur  Anschaffung  eines  bunten  F'ensters  für  die  neue 
Kirche  eine  Staatsschuldver.schreibung  von  lOO  fl.  von  ihrem  Kranken- 
bette zur  Feier  des  Tages.  In  Salzburg  *)  trug  bei  der  Festfeier 
der  Altar  zum  ersten  Male  einen  Schmuck  an  silbernen  Geräthen 
(Becher  und  Leuchter),  den  eine  heimgegangene  Protestantin,  Anna 
Diemer  aus  Rostock,  gespendet.  Dieselbe  Gönnerin  hat  unmittelbar 
vor  dem  Jubiläum  testamentarisch  die  Summe  von  900  Mark  zu 
dem  Zwecke  gestiftet,  dass  aus  den  Zinsen  dem  Salzburger  Pfarrer 
für  eine  , kräftig  gedachte  und  gehaltene  Reformationspredigt*  die 
Summe  von  30  Mk.  gereicht  werde,  ,zu  einem  kleinen  Erfreuniss*, 
während  der  Rest  zur  Drucklegung  in  dem  einen  oder  anderen 
Jahre  verwendet  werden  soll.  —  Spenden  an  Bildern  Luther's, 
Melanthon's,  Hus'  und  Comenius'  erhielten  die  evang.  Schulen  zu 
Oernilov  und  Rottalowitz  von  ungenannten  Spendern. 

Möge  die  Feier  des  400jährigen  Geburtstags  Dr.  Martin  Luther's 
segensreich  nachwirken  in  den  Herzen  all*  der  Tausende,  die  sich 
daran  betheiligten,  oder  sich  an  den  Berichten  über  dieselbe  innerlich 
erquickt  haben !  Möge  auch  der  vorstehende  Bericht  an  seinem  Theile 
dazu  beitragen,  dass  das  Andenken  an  die  weltgeschichtliche 
Gottesthat,  die  deutsche  Reformation,  unter  uns  stets  lebendig  bleibe! 
(Schluss  folgt.) 

*)  Vgl.  S.  115. 
Jahrbuch  des  ProtestantUoiiu  1886.  H.  lU.  9 


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XL 

Evangelischer  Gottesdienst  in  Wien  vor  der 
Toleranzzeit. 

Von  Dr.  KARL  RITTER  VON  OTTO. 

Die  evangelische  Kirche  hatte  seit  Mitte  des  17.  Jahrhunderts 
in  allen  k.  k.  österreichischen  Erblanden  aufgehört  vor  dem  Staats- 
gesetze zu  existiren.  Das  , unkatholische  Religions-Exercitium*  war 
auf  das  Strengste  verboten.  Nur  in  der  kaiserlichen  Haupt-  und  Re- 
sidenzstadt blieb  es  in  beschränkter  Weise  geduldet.  Daselbst  belief 
sich  die  Gesammtzahl  der  Evangelischen  zwanzig  Jahre  vor 
dem  Toleranzpatent,  —  im  J.  1761,  — bei  wenigstens  200.000 
Einwohnern  nicht  ganz  auf  2000.  ,Und  von  dieser  geringen  Zahl 
müssen  noch  einige  Hundert  abgerechnet  werden,  die  wohl  in  zehn  ja 
zwanzig  Jahren  zu  keiner  Kirche  und  keinem  Gottesdienst  gekommen, 
also  des  Namens   der  Evangelischen   vollkommen   unwürdig   sind.*  *) 

Die  Regierung  war  durch  Rücksichten  fiir  fremde  Staaten  be- 
stimmt, evangelische  Gesandtschaft s-Capellen  in  Wien 
zu  dulden. 

Es  gab  damals  —  schon  seit  den  letzten  Jahren  des  17. Jahr- 
hunderts —  zu  Wien  drei  evangelische  Capellen:  die  kön.  dänische 
und  die  , beinahe  ebenso  stark  besuchte*  kön.  schwedische  fiir 
die  Augsburger  Confessions -  Verwandten ,  die  holländische  fiir 
die    (»ihre    Anzahl    ist    aber    nur    ganz     klein,     noch    lange    nicht 

^)  „Vollständige  Nachrichten  von  dem  Zustande  der  Evangelischen  und  insonder- 
heit von  ihrem  Gottesdienste  bey  der  Königlich  Dänischen  Gesandtschafts-Capelle  in 
der  Kayserlichen  Haupt- und  Residenzstadt  Wien,  verfasset  von  Johann  Hieron ymus 
Chemnitz,  Königlich  Dänischem  Legations-Prediger.  1761."  (o.  O.)  35  SS.  in  40. 
Vgl.  S.  12  f.  —  Ich  habe  diese  sehr  seltene  Schrift,  von  der  „nur  einige  wenige 
Exemplare  abgedruckt  worden"  (Vorr.  S.  5),  durch  gütige  Vermittelung  Sr.  Exe.  des 
Grafen  von  Knuth,  Kön.  Dänischen  a.  o.  Gesandten  und  bevollm.  Ministers,  aus  der 
Kön.  Bibliothek  in  Kopenhagen  zur  Benutzung  erhalten.  —  Vgl.  Nova  Acta  hist.eccles. 
Bd.  7  (1767)  S.  611. 


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121 

hundert*)  Evangelischen  Helvetischer  Confession.  Die  Capellen  be- 
fanden sich  in  den  grossen  Wohnungen  der  Gesandten.  Diesen  ver- 
ursachte es  oftmals  nicht  wenig  Mühe,  entsprechende  Wohnungen 
zu  bekommen,  wie  sich  denn  auch  Fälle  ereignet  haben,  dass  die 
Miethe  sogleich  wieder  aufgekündigt  worden,  wenn  man  vernommen^ 
dass  nicht  nur  die  Gesandtschaft  da  wohnen  wolle,  sondern  auch  die 
» ketzerische*  Kirche  daselbst  werde  gehalten  werden. ') 

Am  besuchtesten  war  —  bald  seit  Mitte  des  i8.  Jahrhunderts  — 
die,  entsprechend  ausgestattete,  auch  mit  einer  Orgel  versehene, 
Capelle  der  kön.  dänischen  Gesandtschaft,  zu  welcher 
ungefähr  800  Personen  gehörten. ') 

Damals  (1761)  wohnte  der  kön.  dänische  Gesandte  (Graf  Bachoff) 
in  dem  geräumigen  ,  Gräflich  Gundolaischen  Hause  ohnweit  der  Pfarr- 
kirche bey  den  Schotten,  in  der  Nachbarschaft  des  Kayserl.  Zeug- 
hauses* (Renngasse).*) 

Zur  dänischen  Gesandtschafts-Capelle  hielten  sich,  .  usser  dem 
Gesandten  Dänemarks  und  seinem  Personale,  die  Mitglieder  der  Ge- 
sandtschaft Kursachsens  und  anderer  Staaten,  am  kaiserlichen  Hofe 
anwesende  Reichsstände,  alle  evang.-lutherischen  Reichshofräthe  ^), 
einige  Reichsagenten,  Hofräthe  fürstlicher  Häuser,  die  sich  in  Ge- 
schäften ihrer  Herren  in  Wien  befanden,  ferner  Parteien,  die  sich  da- 
selbst wegen  ihrer  Processe  aufhielten,  um  diese  bei'm  höchsten  Reichs- 
gericht eher  zur  Entscheidung  zu  befördern,  kaiserliche  Officiere'), 
kaiserliche  ,Niederläger*  (die  angesehensten  mit  Privilegien  versehenen 
Kauf-    und  Handelsleute)  %    Fabrikanten,    Künstler,     Professionisten, 


*)  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  9.  14     15. 

•)  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  7.  —  Dänische  Gesandtschafts-Capellen  bestanden 
damals  noch  in  Paris  und  Madrid;  in  letzterer  Stadt  zählte  die  Gemeinde  oft  blos 
8  bis  10  Mitglieder. 

*)  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  14.  —  Vgl.  A.  Ad.  Schmidl  Wien  u.  seine  nächsten 
Umgebungen  (5.  Aufl.)  S.  200  f. 

*)  J.  B.  Küchelbecker  Allerneueste  Nachricht  vom  Römisch- Kayserl.  Hofe. 
HannoT.  2.  Aufl.  (1732)  S.  305  flf. 

*)  Kttchelbecker  a.  a.  O.  S.  276:  ^Was  die  Religion  anlanget,  so  wird  all- 
hier  darauf  nicht  refleclieret,  ob  einer,  er  sey  nun  ein  Officier  oder  Gemeiner,  Catho- 
lisch  oder  Protestantisch,  wenn  er  nur  sonsten  ein  ehrlicher  Kerl  ist." 

»)  K.  Weiss  Gesch.  d.  Stadt  Wien,  2.  Aufl.  2.  Bd.  (1883)  S  436  ff.  —  Im 
J.  1736  befanden  sich  unter  den  80  Niederlägern  (später  vermehrte  sich  ihre  Zahl) 
blos  30  katholische.  Unter  den  12  Buchhändlern  („BuchfÜhrem*')  gab  es  damals  nur 
t  katholische. 

^  9» 


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122 

die  entweder  als  Hofbefreite  oder  unter  gesandtschafllichenn  Schutze 
ihre  Profession  trieben,  Buchhalter,  Handlungsgehülfen,  Kammerdiener, 
Dienstboten  aller  Art,   eine  Menge  von  Handwerksburschen.  •) 

,  Wegen  der  Handwerksbursche  und  anderer  Leute  von  geringer 
Extraction  hat  es  wohl  ehemals  manche  Streitigkeiten  und  Händel 
abgesetzt,  indem  solche  Personen  wegen  Besuchung  des  Evangelischen 
Grottesdienstes  aufgegriffen,  in  gefängliche  Haft  gezogen,  an  Gelde 
und  mit  Gefangnisse  —  als  wenn's  Verbrecher  wären  —  bestraft 
worden.  Man  weiss  aber  schon  seit  vielen  Jahren  von  allen  solchen 
gewaltthätigen  Hinderungen  nichts  mehr  zu  sagen,  und  können  nun 
die  hiesigen  Evangelischen  mit  keinem  Schein  der  Wahrscheinlichkeit 
einige  Gefahr  wegen  fleissiger  Besuchung  des  Gottesdienstes  vor- 
schützen, um  ihren  erkalteten  Eifer  und  fast  unglaubliche  Laulichkeit 
und  Trägheit  in  diesem  Stücke  zu  entschuldigen.*  •) 

Schon  früher  finden  wir  in  Wien  auch  Candidaten  der  evan- 
gelischen Theologie,  die  aus  Deutschland  als  Hofmeister  dorthin  ge- 
kommen. So  war  Johann  Christian  Edelmann  seit  Ostern  1728 
Informator  bei  dem  reichen  kais.  Niederläger  Muhl,  einem  strengen 
Pietisten,  und  predigte  damals  zuweilen  in  der  kön.  schwedischen 
Gesandtschafts-Capelle,  in  welcher  die  pietistische  Richtung  vertreten 
war").  Vorher,  seit  1725,  hatte  er  längere  Zeit  die  Hofmeisterstelle 
bei  dem  auch  in  Ungarn  reich  begüterten  Grafen  Kornfeil  zu  Würmla 
{b.  St.  Polten)  bekleidet,  der  mit  Famüie  sich  zu  derselben  Capelle 
hielt;  später,  im  J.  1729,  kam  er  zu  dessen  Schwager,  dem  Grafen 
Auersperg  auf  Purgstall  (b.  Scheibbs).  Von  hier  kehrte  Edelmann 
1730  in  sein  Vaterland  zurück,  wo  er  nachmals  als  Freigeist  her- 
vortrat, feindselig  gegen  Bibel  und  Kirche**). 

8)  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  10.  Vgl.  Nova  Acta  hist.-eccles.    Bd.  7  (1767)  S.   610. 

»)  Chemnitz  a.  a.  O.  S.   ii. 

*o)  Wie  der  schwedische  Legationsprediger,  so  gehörte  auch  Matthias  Bei, 
Prediger  in  Pressburg  1719  bis  1749,  —  ®'  blatte  unter  A.  H.  Francke,  Anton  und 
Breithaupt  studirt,  —  zu  der  Halleschen  Schule.  Pressburg  wurde  damals  „Klein 
Halle"  genannt.  Vgl.  J.  S.  Klein  Nachrichten  von  den  Lebensumständen  u.  Schriften 
Evang.  Prediger  in  Ungarn.  2.  Bd.  (1789)  S.  38  ff.  Eine  Tochter  BeFs,  Euphrosyne, 
war  an  den  Wiener  kais.  Niederläger  Joh.  Wolfg.  Schröckh  verheirathet,  und  von  ihnen 
stammt  der  Kirchenhistoriker  Johann    Matthias  Schröckh,  geb.  zu  Wien   1733. 

**)  Selbst-Biographie;  geschrieben  175a.  Herausgegeben  von  C.  R.  W.  Klose. 
Berlin  1849.  (Auszug  in  Niedner's  Zeitschrift  f.  d.  histor.  Theologie.  Leipz.  1846. 
S.  443  ff.)  Carl  Mönck eher g  H.  S.  Reimarus  und  J.  C.  Edelmann.  Hamb.  1867. 
Karl  Gttden  J.  C.  Edelmann.  Hannov.  1870. 


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123 

Im  J.  1736  hatte  der  Wiener  Cardinal-Erzbischof  Sigmund 
Graf  Kollonitsch  dem  Kaiser  Karl  VI.  zur  Ueberraschung  aller 
Kvangelischen  eine  Beschwerdeschrift  *■)  überreicht,  in  welcher  er  sich 
unter  Anderem  über  den  freien  Zutritt  zu  den  Bethäusern  der  prote- 
stantischen Gesandten  beklagte :  der  abgethan  und  auf  das  Schärfste 
verboten  werden  müsse.  ,  Vermesset  sich  allhier  Alles,  was  aus  dem 
protestantischen  Haufen  nur  gehen  und  kriechen  kann,  in  die  all- 
hiesige Bethäuser  der  protestantischen  Gesandten  ganz  ohngescheuet 
und  mit  aller  erscheinlichen  Freyheit  zu  gehen*  u.  s.  w.  *•)  Die  auf 
kaiserlichen  Befehl  unter  dem  Vorsitze  des  Obrist-Hofkanzlers  Ludwig 
Philipp  Grafen  Sinzendorff  am  13.  April  zusammengetretene  Con- 
ferenz"),  der  auch  jener  Kirchenfürst  beiwohnte,  erklärte  in  Betreff 
des  gedachten  Beschwerdepunktes:  ^^Der  freie  Zutritt  in  die  Predigten 
und  Oratorien  der  fremden  Gesandten  lässt  sich  schwer  verbieten, 
da  man  sonst  auf  Repressalien  gefasst  sein  müsste,  da  es  den 
Catholiken  gestattet  ist,  dem  Gottesdienste  der  kaiserlichen  Ge- 
sandten an  protestantischen  Höfen  beizuwohnen.*  Nachmals,  25  Jahre 
später,  bemerkte  der  kön.  dänische  Legationsprediger  Chemnitz"): 
»Wenn  man  nicht  immerdar  furchten  müsste,  dass  Dänemark  durch 
dergleichen  Gewaltthätigkeiten  gegen  ein  kleines  Häuflein  Evange- 
lischer Leute,  das  sich  unter  seinem  Schutze  zum  Gottesdienste  ver- 
sammlet, sich  bemüssigt  und  gedrungen  sehen  werde,  gleiche  Mass- 
regeln gegen  die  vielen  Catholiken  seines  Landes  zu  ergreifen  und 
hinwiederum  die  Freyheiten  des  Catholischen  Gottesdienstes  in  dem 
Kayserlichen  Gesandtschafts-Hotel  zu  Copenhagen  zu  beschränken, 
so  würde  der  vormalige  Gewissenszwang  und  das  abgekommene  Ge- 
fangennehmen der  zur  Evangelischen  Kirche  hinwallenden  Prote- 
stanten mehr  wie  jemals  wieder  aufgekommen  seyn.   Aber  Gottlob, 


")    Abgedr. :    Acta    hist.-eccles.     Bd.   2    (i737)    S.   177 — 206.     Im  Auszuge    bei 
Raupach  III,  489  f.  (Waldau  II,  366  f.) 

^')  Chemnitz  (S.  12)  fand  in  der  Bibliothek  der  dänischen  Capelle  eine  vom 
Legationsprediger  Möllenhof  herrührende  Notiz  aus  dem  Jahre  173 1,  laut  welcher  sich 
zu  Karl's  VI.  Zeit  „an  die  8000  Protestanten''  in  Wien  befanden,  „die  aber  unter  der 
grossen  Anzahl  der  katholischen  Einwohner  nicht  sonderlich  zu  bemerken  gewesen" 
Im  J.  17 17  feierten  sie  in  jener  Capelle  das  zweite  Reformations- Jubiläum.  Vgl. 
J.  Gl  atz  Nachrichten  über  die  Feyer  des  dritten  Jubelfestes  der  Reformation  in  den 
Oesterreichischen  Staaten  (Wien  1818)  S.  27. 

w)  Siehe  G.  Wolf  im  „Jahrb.«   1882.  S.  75  ff. 

*»)  A.  a.  O.  S.  II  f. 


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124 

es  ist  in  neuern  Zeiten  nie  wieder  zu  solchen  Extremitäten  gekommen, 
vielmehr  kann  man  sagen:  ,Sie  sind  gestorben  die  der  Religions- 
und Gewissensfreyheit  schaden  wollten*.  So  hat  nun  die  Gemeinde 
des  HErrn  Friede,  sie  kann  sich  in  Sicherheit  versammlen.* 

In  jenen  drei  Gesandtschafts-Capellen  bediente  man  sich  der 
deutschen  Sprache.  Es  fanden  daselbst  ausser  dem  üblichen  Sonn- 
tags- und  Festgottesdienste  sowie  der  Abendmahlsfeier  auch  Taufen 
und  Trauungen  statt. 

Hinsichtlich  der  kön.  dänischen  Capelle  wissen  wir**),  dass 
ausser  dem  Legationsprediger  bei  ihr  ein  Organist,  ein  Vorsänger, 
zwei  , Stuhlsetzer*  (die  einem  Jeden  seinen  Platz  anzuweisen  und 
auf  Ordnung  in  der  Capelle  zu  sehen  hatten)  und  ein  ,Calcant* 
(Bälgetreter)  angestellt  waren.  Der  Organist  erhielt  eine  Königliche 
Besoldung,  die  übrigen  Diener  der  Capelle  wurden  aus  deren  Kasse 
entlohnt,  genossen,  wenn  sie  Profession isten  waren,  mehrere  Frei- 
heiten, wie  andere  ihres  Gleichen,  und  standen  unter  gesandtschaft- 
lichem Schutze,  weshalb  sie  von  den  Abgaben,  welche  andere  Hand- 
werker und  Kaiserliche  Unterthanen  tragen  mussten,  ausgenommen 
waren;  überdies  wurde  flir  sie  die  Neujahrs-Collecte  (lOO — 120  Gulden) 
gesammelt. 

Was  nun  zunächst  den  G  o  1 1  e  s  d  i  e  n  s  t  selbst  betrifft,  welcher  in 
der  dänischen  Capelle  gehalten  wurde*'),  so  ist  zu  bemerken,  dass 
er  an  den  Sonn-  und  Festtagen  wie  auch  bei  den  Mittwochs-Bet- 
stunden Vormittags  um  10  Uhr  begann  und  etwa  bis  12  Uhr  dauerte. 
Der  nachmittägige  Gottesdienst,  welcher  (wie  auch  jene  Betstunden) 
nur  bei  dieser  Capelle  gehalten  wurde,  währte  von  3  bis  5  Uhr.  Er 
fand  nicht  allein  für  die  vielen  Dienstboten  statt,  welche  des  Vor- 
mittags nicht  gegenwärtig  sein  konnten,  sondern  auch  im  Interesse 
der  Handwerksbursche,  ,die  sonst  nur  unnützlich  in  den  Bier-  und' 
Weinhäusern  ihren  Sonntag  zubringen  würden*,  und  zum  Besten  der 
vielen  Kinder,  ,die  sonst  wie  wilde  Rancken  aufwachsen  würden*. 
Da  las  der  Prediger  zuerst  eine  Betrachtung  aus  einem  erbaulichen 
Buche;  darauf  folgte  die  Kinderlehre:  es  wurde  mit  den  Kindern  die 
vormittägige  Predigt  wiederholt  und  eine  Lection  ,aus  dem  Nürn- 
bergischen Kinderlehrbüchlein  des  sei.  Ambr.  Wirth*  katechetisch 
durchgegangen.  In  den  Wochenbetstunden  las  der  Prediger  ebenfalls 

")  Vgl.  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  17. 
")  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  18—21. 


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126 

zuerst  eine  erbauliche  Betrachtung  der  Gemeinde  vor;  dann  wurde 
wiedenim  die  Kinderlehre  über  eine  biblische  Geschichte  gehalten, 
mit  der  sich  die  Kinder  vorher  zu  Hause  nach  ,  Miller *s  Biblischer 
Geschichte*  iuf*s  Beste  bekannt  machen  mussten.  Zur  Kinderlehre 
durften  sie  nur  die  Bibel  mitbringen.  In  der  Fastenzeit  wurde  an 
jeder  Mittwoche  eine  Passionspredigt  gehalten.  Bei  dem  ganzen 
Gottesdienste  richtete  man  sich  nach  dem  dänischen  Ritual.  Daher 
wurde  bei'm  Anfange  und  Ende  des  Gottesdienstes  das  in  Dänemark 
gewöhnliche  Anfangs-  und  Schlussgebet  vom  Vorsänger  gebetet. 
Nach  der  Predigt  wurde  das  vorgeschriebene  Kirchengebet  verlesen 
und  zugleich  gebetet  für  den  König  von  Dänemark  und  Norwegen 
sowie  das  ganze  Königliche  Haus,  an  hohen  Festtagen  und  zu 
anderen  feierlichen  Zeiten  auch  für  »die  höchste  Kayserlich  König- 
liche Herrschaft  und  das  ganze  Kayserlich  Königliche  und  Erzher- 
zoglich Oesterreichische  Haus,  dass  Gott  fiir  allen  Schutz,  welchen 
diese  höchsten  Personen  dem  Evangelischen  Zion  erweisen,  hin- 
wiederum ihr  Schutz  und  grosser  Lohn  seyn  und  ewiglich  bleiben  wolle* . 

Das  heilige  Abendmahl**)  wurde  am  ersten  Sonntag  eines 
jeden  Monats  von  8 — lO  Uhr  gehalten.  Die  Communicanten  mussten 
sich  vorher  anmelden;  Beichtgeld  zahlten  sie  nicht.  »Die  wenigen 
Reichen,  welche  von  ihrem  Ueberfluss  den  Legationsprediger  unter- 
stützen wollen,  pflegen  ihm  aufs  Neujahr  ein  Präsent  für  die  Be- 
mühungen, so  er  das  ganze  Jahr  hindurch  mit  ihnen  und  den  Ihrigen 
gehabt,  zuzusenden.  Weiter  hat  derselbe  an  keine  Einnahme  und 
Accidentien  zu  gedenken.*  Statt  der  Privatbeichte  wurde  vor  dem 
Altar  eine  Vorbereitungsrede  an  die  Communicanten  gehalten  und 
ihnen  am  Schlüsse  derselben  die  Frage  vorgelegt: 

,Ich  frage  euch  im  Namen  Gottes  und  vor  dem  Angesichte 
unsers  allgegenwärtigen  und  Alles  wissenden  Heilandes,  ob  ihr  eure 
Sünden  bussfertig  erkennet,  wehmüthig  bereuet  und  hasset,  einzig 
und  allein  um  Jesu  und  seines  Verdienstes  willen  Gnade,  Barm- 
herzigkeit und  Vergebung  mit  wahrem  Glauben  suchet,  und  den 
redlichen  Vorsatz  habt  euer  Leben  zu  bessern,  und  was  ihr  noch 
lebet  im  Fleisch  zur  Ehre  Gottes  im  Glauben  des  Sohnes  Gottes 
zu  leben,  so  beantwortet  mir  solches  mit  einem  deutlichen  Ja.* 

Alsdann  wurde  die  allgemeine  Absolution  gesprochen  und  die 
Vorbereitung,  theils  mit  einem  herzlichen  Wunsche,  dass  Gott  ihnen 

")  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  22—26  (32). 


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120 

ihres  jetzigen  Versprechens  und  evangelischen  Glaubens  Beständig- 
keit zu  ihrer  Seelen  Seligkeit  schenken  wolle,  theils  mit  Ablesung 
der  in  Dänemark  gewöhnlichen  Vorbereitungs-Ermahnungen,  be- 
schlossen. ^ 

Das  Vater  Unser  wurde  nebst  den  Worten  der  Einsetzung  bei 
der  Consecration  gesungen,  und  bei  der  Austheilung  pflegten  zugleich 
neun  bis  zehn  Personen  um  den  Altar  herum  zu  knien  und  so 
kniend  das  Sacrament  zu  empfahen.  Wenn  die  Austheilung  beendigt 
war,  hob  der  Prediger  (nach  einem  in  der  Capelle  eingeführten 
Gebrauch)  den  Kelch  in  die  Höhe,  wendete  sich  gegen  die  Gemeinde 
und  sprach  folgende  Worte: 

,Nun  der  gekreuzigte  und  von  den  Todten  wiederum  aufer- 
standene Heiland  Christus  Jesus,  der  euch  anjetzt  mit  seinem  alier- 
heiligsten  Leibe  und  Blute  gespeiset  und  getränket,  und  euch  da- 
durch die  gewisse  Versicherung  der  gnädigen  Vergebung  aller 
eurer  Sünden  ertheilet,  der  stärke  euch  durch  diess  hochheilige 
Pfand  in  wahrem  Glauben  und  in  beständiger  Liebe  zum  ewigen 
Leben.* 

Privat-Communionen  in  der  Capelle  fanden  nur  statt,  wenn 
z.  B.  Officiere  schleunig  zur  Armee  oder  zu  ihren  Regimentern 
berufen  wurden,  und  ausser  der  Capelle,  wenn  Kranke  oder  Ster- 
bende das  heil.  Abendmahl  verlangten.  Letzterer  Fall  war  für  den 
Legationsprediger  immer  mit  den  grössten  Schwierigkeiten  ver- 
bunden, besonders  wenn  er  , geringe  Leute*  besuchen  sollte,  in 
Häusern,  in  denen  lauter  katholische  Parteien  wohnten,  in  Gegenden, 
,wo  etwa  ein  Saul  Pfarrer  war* :  da  musste  er  alle  Vorsicht  ge- 
brauchen. ,Ich  lasse*,  sagt  Chemnitz,  ,den  Wagen,  um  alles  Auf- 
sehen zu  verhüten,  in  einer  entfernten  Gasse  stehen  und  gehe  bald 
in  dieser  bald  in  einer  andern  gefärbten  Kleidung  zum  Patienten, 
bald  unter  dem  Namen  eines  Doctors  bald  unter  dem  Titul  eines 
Chirurgi;  ich  gebe  dem  Bedienten  eine  solche  Liverei,  die  ich  ihm 
von  der  Art  als  Prediger  nicht  geben  würde.*  Privat-Communionen 
und  Krankenbesuche  in  den  Hospitälern  und  besonders  auch  im 
Kloster  der  Barmherzigen  Brüder  waren  dem  evangelischen  Prediger 
durchaus  verboten. 

Die  T  a  u  f  e  n  neugeborener  Kinder  *•)  wurden  vom  Legations- 
prediger ohne  alles  Bedenken  ,  und  ohne  der  römischen  Geistlichkeit 

«)  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  27. 


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127 

das  mindeste  zu  melden  und  zu  bezahlen*,  vollzogen,  wenn  die 
Eltern  der  Kinder  zur  Gesandtschaft  oder  zum  Reichshofrathe  ge- 
hörten oder  unter  gesandtschaftlichem  und  reichshofräthlichem  Schutze 
standen.  Alle  anderen  Evangelischen,  ,und  wenn  es  die  höchsten 
Personen  wären*,  mussten  ihre  Kinder  zur  katholischen  Kirche 
schicken  und  daselbst  taufen  lassen. 

Eine  gleiche  Bewandtniss  hatte  es  mit  den  Trauungen***). 
Auch  die  geringsten  zu  der  Gesandtschaft  oder  dem  Reichshofrathe 
gehörigen  Personen  wurden  in  der  Ge§andtschafts-Capelle  copulirt. 
Hingegen  andere  Verlobte,  ,und  wenn  es  die  reichsten  und  vor- 
nehmsten wären*,  mussten  sich  in  der  katholischen  Kirche  trauen 
lassen,  wo  der  Akt  nicht  vor  dem  Hauptaltar,  sondern  in  einer  Neben- 
capelle  stattfand.  Das  dreimalige  Proclamiren  war  nicht  gebräuchlich. 

Die  Confirmation  wurde  zuerst  —  im  J.  1758  —  durch  den 
dänischen  Gesandtschaftsprediger  Chemnitz  eingeführt.**) 

In  Wien  pflegten  evangelische  Eltern  ihre  Kinder  ohne  vor- 
bereitenden Unterricht,  ohne  feierliche  Erneuerung  des  Taufbundes, 
ohne  Confirmation  und  Einsegnung  zum  heil.  Abendmahl  gehen  zu 
lassen.  Da  aber  in  Dänemark  die  Confirmation  gesetzlich  bestand  "), 
so  bat  Chemnitz,  der  sich  vor  seiner  Abreise  von  dort  (1758)  zur 
Haltung  der  dänischen  Kirchengesetze  eidlich  verpflichtet  hatte,  alle 
Eltern,  die  sich  zum  kön.  dänischen  Gesandtschafts-Gottesdienste 
hielten,  ihm  , nicht  zuzumuthen,  dass  er  ihre  Kinder  ohne  Zuberei- 
tung zum  heil.  Abendmahl  zulassen  solle*.  Die  Bitte  blieb  nicht 
ohne  Erfolg.  Den  Confirmanden  gab  er  ein  ganzes  Vierteljahr  hin- 
durch wöchentlich  3  bis  4  Stunden  Vorbereitungs-Unterricht.  Am 
30.  Juli  (X.  Sonnt,  nach  Trinit.)  1758  konnte  er  zehn  Kinder  con- 
firmiren. 

Die  Confirmationsrede  hielt  Chemnitz  über  Marc.  10,  14 — 16. 
Dann    prüfte    er   die   Kinder    über   die  Heils-    und  Gnadenordnung, 

*•)  Chemnitz  a.  a.  O.  S.  28. 

•*)  ^Einweyhungsreden,  welche  bey  der  feyerlichen  Einweyhung  eines  Altars, 
bey  der  Confirmation  einiger  Kinder  und  bey  ihrem  ersten  Abendmahlgehen  in  der 
Kön.  Dänischen  Gesandtschafts-Capelle  zu  Wien,  bey  sehr  zahlreicher  Versammlung  der 
Evangelischen,  am  VI.  X,  und  XII.  Sonntag  nach  dem  Fest  der  heil.  Dreyfaltigkeit 
1758  gehalten  worden  von  Johann  Hieronymus  Chemnitz,  Kön.  Dänischem 
Gesandtschafts-Prediger.*  Leipzig  1758.  6  Bog.  in  Fol.  —  Vgl.  Nova  Acta  hist.-eccles. 
Bd.  1  (1758)  S.   1051  ff. 

«)  Seit  1736:  Acta  bist,  eccles.  Bd.  2  S.   1086  ff. 


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128 

insbesondere  über  die  Unterscheidungsiehren.  Hierauf  geschah  die 
Einsegnung.  Paarweise  traten  die  Confirmanden  vor  den  Altar  und 
wurden  gefragt: 

1.  ,N.  N.  Wollet  ihr  von  Neuem  entsagen  dem  Teufel  und 
allem  seinen  Wesen  und  Werken?* 

2.  , Wollet  ihr  von  ganzem  Herzen  glauben  an  Gott  den  Vater, 
Sohn  und  heiligen  Geist?* 

3.  »Wollet  ihr  in  eurem  erkannten  und  bekannten  evangelischen 
und  apostolischen  Glauben  und  in  diesem  euren  Tauf  bunde  bis  an 's 
Ende  verharren?* 

»so  bekräftiget  mir  solches* 

Nachdem  das  Paar  mit  Ja,  unter  Bekräftigung  durch  Hand- 
schlag, geantwortet  hatte,  segnete  es  Chemnitz  mit  Auflegung  der 
Hand:  »Nun  du  drey einiger  Gott,  der  du  diese  lieben  Kinder  in 
der  heil.  Taufe  zu  deinen  Kindern  angenommen  und  zu  Erben  des 
ewigen  Lebens  gemacht  hast,  umfasse  sie  anjetzt  aufs  Neue  mit 
deiner  Gnade,  und  gieb  ihnen  des  Glaubens  Beständigkeit.  Der 
Segen  Gottes  des  Vaters,  Gottes  des  Sohnes  und  Gottes  des  heiligen 
Geistes  komme  auf  euch  und  bleibe  über  euch  in  Zeit  und  Ewig- 
keit 1     Amen.* 

Noch  wurde  einem  jeden  Kinde  ein  Spruch  zum  Andenken 
gegeben  (Ps.  119,  9.  Prov.  i,  10.  Eccles.  12,  i.  Joh.  i,  12.  Rom. 
8,  16  u.  a.)  und  nach  einer  nochmaligen  Vermahnung,  das  erneuerte 
heil.  Gelübde  unverbrüchlich  zu  halten,  diese  Handlung  mit  einem 
Gebet  beschlossen. 

Als  die  zehn  Erstlinge  am  10.  August  (XII.  Sonnt,  nach  Trinit.) 
zum  ersten  Mal  mit  anderen  Mitgliedern  der  Gemeinde  zum  heil. 
Abendmahl  gingen,  hielt  Chemnitz  eine  Vorbereitungsrede  über 
I  Joh.  2,  28:  »Und  nun,  Kindlein,  bleibet  bei  ihm,  auf  dass,  wenn 
er  geoflfenbaret  wird,  wir  Freudigkeit  haben,  und  nicht  zu  Schanden 
werden  vor  ihm  in  seiner  Zukunft.* 

Es  sei  hier  auch  der  Verdienste  dieses  Legationspredigers  ge- 
dacht, welche  er  sich  um  die  Schule  der  Evangelischen  in 
Wien  erworben.  Lange  fehlte  es  ihm  an  tüchtigen  Lehrern  und  an 
einem  rechten  Fonds  zu  ihrer  Besoldung.  Bereits  nach  seinem  Amts- 
antritt (1758)  hatte  er  einen  Gesandtschafts-Bediensteten,  der  dazu 
tauglich,  als  Lehrer  bestellt,  welcher  täglich  »ein  ganzes  Häuflein 
Kinder*  im  Lesen,    Schreiben,    Rechnen,    Singen  und  in  den  ersten 


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_  1 29 

Grundwahrheiten  des  Christenthums  unterrichten  musste:  wofür  der- 
selbe theils  von  der  Capelle,  theils  von  den  Eltern  mancher  Kinder 
bezahlt  wurde.  ")  Später  hatte  Chemnitz  in  Folge  seiner  desfallsigen 
Bemühungen  die  Freude,  eine  ordentlich  eingerichtete  Schule  anlegen 
zu  können.  •*) 

Die  Armen  der  Gemeinde  verursachten  eine  sehr  grosse 
Sorge.  »Hier  ist*,  sagt  Chemnitz"),  »ein  solcher  Sammelplatz  der- 
selben, aus  ganz  Teutschland  und  Ungarn,  dass  man's  kaum  glauben 
wird.*  Die  Ausgaben  fiir  dieselben  wurden  bestritten  aus  der  Ein- 
nahme des  Klingelbeutels  (diese  betrug  Sonntags  etwa  lO  Gulden), 
von  der  Hälfte  der  Interessen  eines  Kapitals  von  15000  Gulden, 
welches  die  Baronesse  von  Palm  zum  Besten  evangelischer  Armen 
in  Banco  angelegt  hatte  "),  aus  der  Hälfte  der  Interessen  von  einem 
Kapital  zu  1000  Gulden,  welches  der  Reichshofrath  Berger  legirt 
hatte"),  aus  ausserordentlichen  Gaben  einiger  begüterter  Mitglieder, 
aus  der  Oster-CoUecte  (ungefähr  200  Gulden),  die  allein  im  ganzen 
fahr  zum  Besten  der  Armen  veranstaltet  wurde. 

Der  Friedhof  der  Evangelischen  lag  in  der  Alservorstadt 
bei  dem  Kloster  der  sogen.  Schwarzspanier.  Er  ist  ehemals  ganz 
Eigenthum  der  Evangelischen  gewesen,  war  aber  zur  Zeit  der  Gegen- 
reformation ihnen  genommen  und  jenem  Kloster  geschenkt  worden, 
welches  die  eine  Hälfte  zum  katholischen  Begräbnissplatze  weihete 
und  die  andere  Hälfte,  gegen  eine  gewisse  Abgabe  bei  jeder  Leiche, 
den  Evangelischen  überliess.  Chemnitz  **)  berichtet,  dass  bei  der 
Bestattung  vornehmer  Evangelischer  eine  grosse  Anzahl  von  Wagen 
dem  Leichenwagen  nachfuhren.  Die  Legationsprediger  der  dänischen 
und  schwedischen  Gesandtschafts -Capelle  fuhren  dann  ^^frei  und 
öffentlich*  sogleich  hinter  den  nächsten  Leidtragenden.  Im  Thor 
trat  die  Wache  bei  solch'  solennem  Leichen-Conduct  in's  Gewehr. 
Sobald  sich  derselbe  dem  Friedhof  näherte,  wurden  die  Glocken 
auf  dem  Thurm  daselbst  geläutet.  Als  eine  eigenthümliche  Gewohn- 

••)  Chemnitz  „Vollständige  Nachrichten"   u.  s.  w.  S.  29. 

**)  Vgl  seine  „Erste  Nachricht  von  einer  neu  angelegten  Schule  bei  der  Kön. 
Dänischen  Gesandtschafts-Capelle  in  Wien".  Wien  1763.  40.  —  , Zweite  Nachricht* 
u.  s.  w.     Ebd.   1764.  8«.  —   „Dritte  Nachricht"   1768.  4«. 

•*)  Chemnitz  „Vollst.  Nachr."  u.  s.  w.   S.  30. 

••)  Die  andere  Hälfte  der  Interessen  bekam  die  schwedische  Capelle. 

*)  Die  zweite  Hälftö  erhielt  die  schwedische  Capelle. 

»)  A.  a.  O.  S.  34. 


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130 

heit,  deren  Ursprung  schon  Chemnitz  nicht  erfahren  konnte,  ist  zu 
bemerken,  dass  ein  jeder  Leichenbegleiter  ausser  einem  Flor  noch 
einen  schwarzen  langen  Bart  oder  ein  sogenanntes  Visir  von  grobem 
Boy  (schwarzem  Tuch)  bekam,  welches  er  auf  dem  Kirchhof  über 
dem  Kopf  festmachen  und  über  Mund  und  Kinn  herabhängen  lassen 
musste.  Wenn  der  Sarg  eingesenkt  war,  hielt  der  Leichenbitter  mit 
üblicher  Formel  eine  solenne  Danksagung  an  die  Versammelten  und 
ermahnte  sie  Gott  zu  bitten,  dass  er  ihnen  zu  seiner  Zeit  aus  Gnaden 
ein  seliges  Sterbestündlein  verleihen  wolle. 

Der  in  seinem  Amte  treue  und  eifrige  Legationsprediger 
Chemnitz  verliess  Wien  im  J.  1768"),  kam  als  Gamisonsprediger 
nach  Helsingör,  dann  nach  Kopenhagen,  wo  er  im  70.  Lebensjahre 
am  12.  October  1800  starb,  »^j 

Derselbe  hat  während  seiner  Wiener  Wirksamkeit  mehrere 
Casualpredigten  drucken  lassen.  Hervorgehoben  sei  hier  die  , Buss- 
predigt, am  ausserordentlichen  Buss-  und  Bettage  bei  der  Kön. 
Dänischen  Gesandtschafts-Gemeine  zu  Wien,  wegen  des  schreck- 
lichen Erdbebens,  so  am  28.  Juni  1763  ganz  Ungarn  erschüttert  . .  ., 
den  10.  Juli  e.  a.  am  X.  Sonntage  nach  Trinitatis  bey  sehr  volk- 
reicher Versammlung  gehalten.*  Nürnberg  1763.  4  Bog.  in  4*. 

Nachdem  durch  das  Toleranzpatent  vom  13.  October  1781  den 
Evangelischen  in  sämmtlichen  Erblanden  freie  Religionsübung  ge- 
stattet worden  und  sich  zu  Wien  eine  evangelische  Kirchengemeinde 
Augsburger  Bekenntnisses  legal  constituirt  hatte'*),  wurde  der  da- 
malige kön.  dänische  Gesandtschaftsprediger  J.  G.  Fock  (er  war 
1782  nach  Wien  gekommen)  als  erster  Prediger  der  Gemeinde  mit 
Stimmeneinhelligkeit  gewählt  (März  1783)  und  derselbe  durch  kaiser- 
liches Dekret  vom   19.  Juli  1783  bestätig^. 

Am  3.  August  (VII.  Sonnt,  nach  Trinit.)  1783  fand  der  erste 
öffentliche  evang.  Gottesdienst  in  der  vormaligen,  von  der  Gesandt- 
schaft  (Baron  Vieregg)   einstweilen    zur  Verfügung  gestellten,    kön. 

*>)  Abschiedsrede,  in  der  Kön.  Dänischen  Gesandtschafts-Capelle  gehalten  u.  s.  w. 
Regensb.  1768.  gr.  40. 

w)  Von  ihm,  dem  „berühmten**  Conchyliologen,  handelt  Baur  in  Ersch-Gruber's 
„AUg.  Encyklopädie",  Sect.  I.  Th.  16  (1827)  S.  271.  —  Ein  Ergebniss  seiner  conchyl. 
Studien  waren  die  „Beiträge  zur  Testaceotheologie".  Nürnb.  1760.  gr.  4«.  Vgl.  Grimm 
Institutio  theologiae  dogmaticae  (ed.  2)  p.  180. 

**)  Der  erste  „Dirigent  des  Vorsteher-Collegiums"  (bis  1784)  war  der  k.  Rcichs- 
hofrath  Graf  Grävenitz. 


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131 

dänischen  Capelle  statt  ••),  bei  welchem  der  Genannte  seine  Antritts- 
predigt  hielt.  *')  Die  erledigte  Legationspredigerstelle  blieb  unbesetzt ; 
<ier  Organist  (Lachmuth)  und  das  übrige  Personale  der  Capelle  trat 
in  den  Dienst  der  neuen  Gemeinde.  Durch  Fock,  welchen  der  Kaiser 
mit  Dekret  vom  6.  September  1783  zum  Superintendenten  der  evang. 
Kirchengemeinden  A.  C.  Nieder-  (und  Inner-)  Oesterreichs  ernannt 
hatte,  wurde  am  30.  November,  dem  ersten  Adventsonntage,  unter 
Assistenz  zweier  Geistlicher  das  j^Bethaus*  der  evang.  Gemeinde 
Augsb.  Conf.  (Stadt,  Dorotheengasse)  feierlich  eingeweiht  und  seiner 
Bestimmung  übergeben. 

Auch  die  zwei  anderen  Gesandtschafts-Capellen  wurden  auf- 
gelassen. Die  Glaubensgenossen  der  kön.  schwedischen  Capelle 
schlössen  sich  der  neuen  evang.  Kirchen  gemeinde  Augsb.  Conf.  an, 
so  dass  die  Gesammtzahl  der  Evangelischen  A.  C.  in  Wien  sich 
etwa  auf  3000  belief  •*)  Die  aus  den  , beiläufig  hundert*  ''*)  Mit- 
gliedern der  holländischen  Capelle  sich  bildende  evang.  Kirchen- 
gemeinde Helvetischer  Confession,  welche  nach  ihrer  förmlichen 
Constituirung  den  holländischen  Legationsprediger  K.  W.  Hilchen- 
bach  zum  Prediger  gewählt  hatte  (26.  October  1782)  '•),  versammelte 
sich  gottesdienstlich  zum  ersten  Mal  im  eigenen  Bethause, 
zugleich  zu   dessen  feierlicher  Einweihung,  am  Weihnachtsfeste  1784. 

•*)  Als  Gesangbuch  gebrauchte  die  Gemeinde  (bis  zur  Einweihung  ihres  Bet- 
hanses)  das  aus  der  dänischen  Capelle  übernommene:  „Kleines  Gesangbüchlein,  in 
welchem  Hundert  auserlesene  Evangelische  Lieder  zum  Gebrauche  der  Kön.  Dänischen 
GesandtschafU-Capelle  in  Wien  befindlich."  Nürnberg  [neue  Aufl.]  1764.  142  SS.  kl.  80. 
Angefügt  mit  neuer  Paginirung  (20  SS.):  „Geistreiche  Sterbens- Gedanken,  aus  H.  Schrift, 
Gebeten  und  Liedern  gesammlet.**  —  Jenes  Gesangbuch  hatten  der  Prediger  Möllenhof 
(s.  oben  Anm.  13)  und  der  kön.  dänische  Legati onsrath  Franckenau  aus  dem  Bremischen 
Gesangbuch,  welches  früher  in  der  dänischen  und  schwedischen  Capelle  gebräuchlich 
war,  und  anderen  Gesangbüchern  zusammengestellt. 

**}  Abgedr.  inWaldau's  „Repertorium  von  guten  Casual -Predigten  und  Reden'' 
(Nümb.)  Th.  10.  S.  164fr.  —  Fock  wurde  1796  Consistorialrath  und  Propst  zu  Kiel, 
t  23.  Aug.   1835. 

•*)  C.  Neuss  Chronik  der  Wiener  evang.  Gemeinde  A.  B.  (seit  1782).  Wien 
1864.  S.   I. 

»^  Siehe  »Jahrb.«  1886.  S.  33. 

**]  Ihre  ersten  Vorsteher  waren  der  k.  Reichshofrath  Karl  Christian  Graf  zur 
Lippe,  der  k.  k.  Hofrath  Johann  Freiherr  von  Fries,  der  k.  k.  priv.  Niederlags- 
verwandte  Peter  Ochs.  —  Hilchenbach,  hochverdient  um  die  kleine  Gemeinde,  starb 
nach  34jährigem  Wirken  am  13  April  1816.  Die  „dankbare  Gemeinde**  errichtete  ihm 
1822  eine  Ehrentafel  im  Bethause. 


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XII. 
Consistorial-Instruction  vom  Jahre  1784. 

Mitgetheilt  von  Dr.  G.  FRANK. 

Das  mit  Hofdecret  vom  20.  Februar  1782  anstatt  der  bisherigen 
Religionscommission  zu  Teschen  bestellte  , förmliche  und  eigentliche 
Consistorium*  trat  unter  dem  Präsidium  des  Kreishauptmanns  Grafen 
Johann  Larisch  am  22.  Juli  1784  in's  Leben.  Dieses  Consistorium 
verzeichnete  als  sein  erstes  Geschäftsstück  folgenden  Erlass:  , Seine 
kais.  königl.  Majestät  haben  mittels  eines  unterm  V^  dieses  hierorts 
eingelangten  höchsten  Hofdecrets  vom  22.  des  vorigen  Monats  für 
dasselbe  eine  eigene  Instruction  allergnädigst  vorzuschreiben  geruhet, 
welche  demselben  anschlüssig  zur  genauen  Nachachtung  zugefertiget 
wird.  Hiernächst  habe  Seine  Majestät  desselben  jeweiligen  Präses  in 
Ansehung  des  zu  unterhaltenden  Rathszimmers  sammt  Archiv  ein 
jährliches  Quartiergeld  von  150  fl.,  einem  jeden  der  zween  weltlichen 
Beisitzer  ein  jährliches  Adjutum  von  300  fl.,  dann  einem  jeden  der 
zween  geistlichen  Beisitzer  ein  jährliches  Adjutum  von  200  fl.,  nebst 
einer  jährlichen  Zulage  von  400  fl.  fiir  den  betreffenden  Superinten- 
denten, endlich  dem  Secretär  einen  Gehalt  von  jährlichen  400  fl., 
und  dem  Kanzlisten  von  200  fl.  dergestalten  allergnädigst  auszu- 
messen und  zu  bestimmen  befunden,  dass  sothane  Beträge  aus  denen 
bei  ihm,  Consistorium,  eingehenden  und  zu  verrechnenden  Taxen 
bezogen,  der  allenfällige  Abgang  aber  aus  dem  höchsten  Aerarium 
beigetragen  werde.  Ex  Consüio  Gubemii  Moraviae  et  Silesiae,  Brmtac, 
die  IL  AugMsti  ij8/f.  Ludwig  Graf  Cavriani.*  In  Beantwortung  dieses 
Erlasses  berichtet  das  Consistorium  unter  dem  29.  September  1784: 
^Das  von  Sr.  Römisch  k.  k.  Apostolischen  Majestät  allergnädigst 
vermehrte  Consistorium  A.  C.  in  Teschen  überreichet  nachstehenden 
schuldigst  und  geziemenden  Bericht  sowohl  in  Ansehung  dieses 
Consistoni  selbst,  als  auch  in  Ansehung  der  demselben  zugestelleten 


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133 

Instruction  dd.  Brunn,  den  2.  August  1784.  In  Ansehung  der  Ver- 
mehrung und  Bestätigung  dieses  Consistorii  wird  Folgendes  gehor- 
samst vorgetragen:  i.  dass  am  3.  September  laufenden  Jahres  der 
Ernst  V.  Bludowsky,  der  Pastor  Christian  Gottlieb  Fröhlich  als 
Räthe  und  Assessores,  und  der  Ernst  v.  Karwinsky  als  Secretarius 
vereidet,  introduciret  und  hierauf  die  erste  Consistorial-Session  in  pleno 
gehalten  worden  sei*).  2.  Dass  die  A.  h.  Gnade  des  Monarchen 
ein  eigenes  förmliches  Consistorium  des  Augspurgischen  Glaubens- 
bekenntnisses allergnädigst  geordnet  und  bestellet  zu  haben,  das 
ganze  Consistorium  überhaupt  für  sich  und  im  Namen  aller  treu- 
gehorsamsten Stände  und  Unterthanen  gedachten  Glaubensbekennt- 
nisses mit  der  allertiefsten  Ehrfurcht  erkenne  und  verehre,  die  dabei 
angestellten  sämmtlichen  Glieder  aber  insbesondere  vor  deren  Aller- 
huldreichste  Ernennung  und  Bestimmung  derer  Adjutorum  und  resp. 
Besoldungen  allerunterthänigsten  Dank  abstatten  und  sich  verpflichtei\, 
den  allermöglichst  und  erfordlichen  Diensteifer  pflichtschuldigst  zu 
beweisen,  nie  ausser  Acht  zu  setzen,  vielmehr  unermüdet  beflissen 
sein  zu  wollen.  3.  Dass  es  einem  hochlöblichen  k.  k.  Gubernio  hoch- 
geneigt gefallen  wolle,  vermittelst  derer  k.  k.  Kreisämter  sothane 
förmliche  Anstellung  dieses  k.  k.  Consistorii  A.  C.  in  Mähren  und 
Schlesien  kundmachen  zu  lassen,  um  gedachtes  Consistorium  in  allen 
deme  übertragenen  Geschäften  gehörig  zu  authorisiren  und  sowohl 
den  evangelischen  Gemeinden,  Pastores,  Schullehrer  und  Schulhalter 
an  die  gehörige  Behörde,  als  auch  die  betreffenden  Instantien  und 
Ortsobrigkeiten  zum  Nachverhalt  in  vorkommenden  Assistenz-Fällen 
an  und  zu  verweisen.*  An  die  empfangene  Instruction  knüpfte  das 
Consistorium,  ausser  Taxen,  Stempel  und  Siegel  betreffende  Anfragen, 
mehrere  Vorschläge,  nämlich:  dass  es  zur  Ersparung  der  Kosten 
einer  doppelten  Reise  oder  langen  Aufenthalts  zu  Teschen  erlaubt 
sein  möchte,  jeden  vocirten  Candidaten  sogleich  nach  dem  Examen, 
ante  Confirmationem  et  Installationem  ordiniren  zu  lassen;  dass  die 
Installation  als  ein  Consistorialactus  auch  in  Mähren  nicht  den  Kreis- 
ämtern, sondern  dem  Superintendenten  nomine  Consistorii,  ebenso 
die  Ertheilung  der  licentia  concionandi  lediglich  dem  Superintendenten 
nomine  Consistorii,  ohne  Gubernialbestätigung,  und  endlich  die  Preis- 


«)  Ausser  den  oben  Genannten  gehörten  noch  Freiherr  Maximilian  v.  Calisch 
als  weltlicher,  und  Superintendent  Traugott  Bartelmus  als  geistlicher  Rath  dem 
Teschener  Consistorium  an. 


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134 

abschätzung  der  Kirchensitze,  anstatt  dem  Consistorium,  den  Vor- 
stehern oder  Aeltesten  der  Gemeinden  überlassen  werden  möchte. 
Bevor  noch  diese  Anträge  an  das  mährisch-schlesische  Gubernium 
gelangten,  war  das  Hofdecret  erschienen  (20.  September  1784), 
welches  die  Verlegung  des  Teschener  Consistoriums  A.  C.  nach 
Wien  verfügte.  Am  27.  April  1785  erfolgte  die  Errichtung  eines 
reformirten  Consistoriums  neben  dem  Consistorium  A.  C.  in  Wien 
und,  da  Graf  Larisch  an  Teschen  gebunden  war,  die  Ernennung 
des  Regierungsrathes  Baron  Wöber  zum  Präsidenten  der  beiden 
Consistorien.  Die  für  das  Consistorium  A.  C.  erlassene  Instruction 
erhielt  auch  für  das  Consistorium  H.  C.  Giltigkeit,  laut  folgenden 
Erlasses  des  Regimen  infcrioris  Austriae  vom  30.  Mai  1785:  »Auf 
einen  von  dieser  Landesstelle  nach  Hof  erstatteten  Bericht  und  An- 
frage, was  für  eine  Instruction  und  Taxordnung  dem  Consistorium 
der  helvetischen  Confession  vorzulegen  sei,  ist  die  höchste  Ent- 
Schliessung  vom  19.  und  psto.  29.  dies  herabgelanget,  dass  die  In- 
struction des  Consistoriums  der  Augsburgischen  Confession  auch  für 
jenes  der  helvetischen  zu  dienen  habe  und  demselben  ebenfalls  vor- 
zuschreiben sei.*  Diese  Consistorial-Instruction,  auf  welche  die  in 
Heft  I  des  Jahrgangs  1885  S.  14—32  mitgetheilte  Superin tendential- 
Instruction  basirt  ist,  lassen  wir  nachstehend  in  ihrem  vollständigen 
Wortlaut  nach  der  Originalhandschrift  folgen. 

Instruction  für  das  Consistorium  Augustanae  Confessionis  in   Teschen. 

I.   Artic.     De    electione    et    confirmatione  Praesidis  et  Assessorum  Consistorii    ejusque 
Secretorii  nee  non  Antistitum  ac  Ministrorum  Ecclesiae  et  docentium  Scholae. 

§  I.  Praesidem  des  Consistorii  A.  C.  denominiret  und  bestellt 
der  Oberste  Landesfürst;  dagegen 

§  2.  Wird  das  Consistorium  die  von  denen  Ständen  A.  C.  im 
Fürstenthum  Teschen  nach  allerhöchster  Concession  und  zeitheriger 
Observanz  gewählte  und  präsentirte  Räthe  zu  dem  Consistorio  A.  C, 
auch  dessen  Kirchenvorsteher,  dann  von  diesen  Kirchenvorstehern 
vocirten  und  praesentirten  Minisiros  Ecclesiae  jedesmal  bei  einer  sich 
ereignenden  Vacanz  nach  vollzogener  Wahl  mittelst  dem  k.  k.  Landes- 
GubernJum  zur  allerhöchsten  Confirmation  gelangen  lassen. 

§  3.  Die  Schul-Docentes  bei  der  Evangelischen  Schule  von 
Teschen  haben  die  Kirchenvorsteher  unter  Beobachtung  deren  in 
Schulsachen    bestehenden    oder    künftig    ergehenden    höchsten  Vor- 


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Schriften  zu  vociren  und  dem  Consistorio  zu  praesentiren,  welches 
alsdann  sothane  Döcentes  zu  bestättigen  befugt  sein  soll. 

§  4.  Das  übrige  Personale  bei  der  Kirche  zu  Teschen,  als 
Kassehälter,  Kantor,  Organist,  Küster,  Kirchenschreiber,  Wächter 
und  dergleichen  sind  die  Kirchenvorsteher  nach  der  zeitherigen  Ge- 
wohnheit berechtiget,  ohne  eine  diesfalls  benöthigte  Praesentation  und 
Confirmation  anzusetzen. 

§  5.  Das  was  denen  Vorstehern  bei  der  Gnadenkirche  von 
Teschen  resp.  der  Wahl  deren  Ministrorum  Ecclesiae  und  übrigen 
Kirchenbedienten  sub  §  2  et  4  zustehet,  sollen  auch  die  Patroni 
bei  denen  Bethäusern  zu  vollziehen  berechtigt  sein,  und  werden  ge- 
dachte Patroni  derer  Bethäuser  auch  die  Wahl  und  weitere  An- 
stellung der  Schulhälter  zwar  zu  besorgen,  doch  aber  die  Bestättigung 
der  Schulhälter  jedesmal  von  dem  k.  k.  Landes-Gubemium  einzu- 
hohlen  haben. 

§  6.  Das  Consistorium  A.  C.  von  Teschen  hat  aus  blossen  Pro- 
testanten halb  geistlichen,  halb  weltlichen  Standes  unter  einem 
katholischen  Praeside,  und  zwar  dermalen  in  vier  Membris  halb 
geistlichen  und  halb  weltlichen  Standes  nebst  einem  Secretario  pro- 
testantischer Religion  zu  bestehen;   gedachter  Secretarius  aber  wird 

§  7.  jedesmal  von  dem  Consistorio  einverständlich  mit  dem 
Praesidio  vorzuschlagen  und  darüber  ein  Tema- Vorschlag,  wenn  so 
viel  taugliche  Subjecta  vorhanden,  dem  k.  k.  Landes-Gubernio  zur 
Bestättigung  vorzulegen  und  hierbei  der  vorzüglichste  Bedacht  auf 
Landeskinder  oder  wenigstens  auf  solche  Subjecten,  die  aus  denen 
k.  k.  Erblanden  eingebohren  sind,  zu  nehmen  sein. 

II.  Artic.  De  iostructione  et  installatione  Praesidis,  Assessorum  et  Secretarii  Consistorii. 

§  I.  Nach  eingegangener  A.  h.  Confirmation  eines  Assessoris 
oder  Secretarii  hat  sogleich  das  bestehende  Consistorium  das  aller- 
gnädigst  bestättigte  Subject  zur  erforderlichen  Vereidung  und  Intro- 
duction  gewöhnlich  vorzuladen. 

§  2.  In  der  deshalb  anzustellenden  Session  wird  die  A.  h.  k.  k. 
Resolution  und  Confirmation  dem  erwähnten  Subjecte  gehörig  publi- 
ciret,  wornach  jeder  Assessor  Consistorii  nachstehenden  Eid  zu  prä- 
stiren angehalten  und  nach  dessen  richtigem  Vollzuge  ///  Activitatan 
introduciret  werden  solle.  Ein  jeweiliger  allerhöchst  benannter  Praescs 
Consistorii  introduciret  sich  selbsten,  und  ist  die  Ablegung  eines  Eides 

Jahrbuch  des  Protestandsmus  x886.  H.  111.  ][0 


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136 

von  einem  bereits  beeidigten  Subjecto,  so  zu  der  Stelle  eines  Con- 
sisterial-Präsidenten  gelanget,  überflüssig;  daferne  jedoch  ein  noch 
unbedienstetes  Individuum  dazu  allerhöchst  benennet  werden  sollte, 
da  wird  dieses  den  Eid  bei  dem  k.  k.  Landes-Gubernio  nach  einer 
alsdann  seiner  Zeit  zur  A.  h.  Approbation  einzusendenden  Formula 
abzulegen  haben. 

Eides '  Formula 
für  einen  Beisitzer  des  Consistorii,  und  dieser  zuird  stehend  vorgelesen, 

,Ihr  werdet  einen  Eid  Gott  dem  Allmächtigen  schwören  und 
bei  Euerer  Ehre  und  Treue  geloben,  dem  Allerdurchlauchstigst, 
Grossmächtigst  und  Unüberwindlichsten  Römischen  Kaiser,  zu  Hungam 
und  Böheim  König,  Erzherzog  zu  Oesterreich,  Markgrafen  zu  Mähren, 
Herzogen  in  Schlesien,  als  Euerem  rechten  Erblandesfiirsten  und 
Herrn  Josepho  IL  und  nach  demselben  denen  aus  A.  h.  Dero- 
selben  Geblüt  und  Geschlecht  nachkommenden  Erben  getreu,  ge- 
horsam und  gewärtig  zu  sein,  und  nachdem  Ihr  zu  einem  Assessor 
bei  dem  im  Herzogthum  Schlesien  aufgestellten  Consistorio  A.  C. 
allergnädigst  ernennet  und  bestättiget  worden,  Ihr  in  dem  Euch 
aufgetragenen  Amte  alles  dasjenige,  was  die  A.  h.  k.  k.  Instruction 
besaget,  getreulich  erfüllen,  über  die  k.  k.  Jura  handhaben,  alle  er- 
gangene und  künftig  ergehende  Verordnungen  genau  befolgen,  und 
auf  dass  solche  nicht  nur  von  Euch  durchgängig  beobachtet,  sondern 
auch  bei  allen  vorkommenden  Consistorialfällen  Euer  Votum  nach 
der  vermöge  A.  h.  Bewilligung  bestehenden  protestantischen  Kirchen- 
und  Consistorialrechten  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  ohne 
Ansehen  der  Person  oder  Religion  oder  einiger  Parteilichkeit  gegeben 
und  ertheilet  werde,  eifrigst  trachten  wollet  und  sollet.*  Auf  die 
von  dem  Praeside  vorsagende  Formalien  wird  sodann  geschworen : 
,Wie  mir  anjetzo  vorgehalten  worden  und  ich  in  allen  wohl  und 
deutlich  verstanden,  demselben  soll  und  will  ich  treu  und  fleissig 
nachkommen,  so  wahr  mir  Gott  helfe.  Amen.* 

§  3.  Und  so  wie  ein  jeweiliger  Consistorial-Secretarius  mit  einem 
besondern  Eid  zu  belegen  kommt,  eben  so  hat  dessen  Eid,  welcher  bei 
dem  Consistorio  abzunehmen  ist,  in  nachstehendem  Inhalte  zu  bestehen. 

Eides- Fonmda 
für  einen  Secretarius  des  Consistorii,  und  dieser  wird  stehend  vorgelesen. 

,Ihr  werdet  einen  Eid  Gott  dem  Allmächtigen  schwören  und 
bei  Euerer   Ehre   und    Treue   geloben,    dem    Allerdurchlauchtigsten, 


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Grossmächtigsten  und  Unüberwindlichsten  Römischen  Kaiser,  zu 
Hungarn  und  Böheim  König,  Erzherzog  zu  Oesterreich,  Markgrafen 
in  Mähren,  Herzogen  in  Schlesien,  als  Euerem  rechten  Erblandesfursten 
und  Herrn,  Herrn  Josepho  II.  und  nach  demselben  denen  aus  A.  h. 
dero  Geblüt  und  Geschlecht  nachkommenden  Erben  getreu,  gehorsam 
und  gewärtig  zu  sein,  und  nachdem  Euch  bei  dem  k.  k.  Consi- 
storio  A.  C.  in  Teschen  die  Secretärs-Stelle  allermildest  verliehen 
worden,  Ihr  dieser  Bedienstung  mit  pflichtmässig  beständiger  Treue, 
Fleiss,  auch  Eifer  und  Verschwiegenheit  vorstehen,  dem  Euch  vor- 
gesetzten Herrn  Praesidi,  wie  auch  gesammten  Herrn  Consistorialbei- 
sitzern  mit  obliegendem  Gehorsam  beständig  begegnen,  die  Euch 
beschehende  Aufträge  und  Ausarbeitungen,  dann  sonstige  Expedi- 
tionen in  conformiiaie  des  Rathschlusses  nach  Euerem  besten  Ver- 
stand und  auf  das  fleiss  igst e  fassen  und  beschleunigen,  ohne  Vor- 
wissen und  Erlaubniss  des  Herrn  Praesidis  von  denen  gefassten 
Resolutis  Niemanden  eine  Eröffnung  machen,  weniger  einige  Ex- 
peditionen oder  Abschriften  davon  wem  ertheilen,  sondern  alles 
pflichtmässig  geheim  halten  und  Euch  dabei  jederzeit,  wie  es  einem 
in  Pflichten  stehenden  Secretario  eignet  und  gebühret,  bezeugen,  in 
denen  ausfertigenden  Expeditionen  und  sonstigen  Aufträgen  nicht 
das  mindeste  wider  die  allergenädigst  ertheilte  Consistorial-Instruction 
einfliessen  lassen,  auch  zu  keinerlei  Contra venienz,  weder  durch 
Gunst  noch  Ungunst,  Freund-  oder  Feindschaft,  noch  in  anderm 
Wege,  am  allerwenigsten  aber  durch  Schenkungen  und  Gaben  sub 
poena  cassationis  abwendig  machen  lassen  sollet  noch  wollet.*  Auf 
die  von  dem  Praeside  vorsagende  Formalien  wird  sodann  ge- 
schworen : 

,Wie  mir  anjetzo  vorgehalten  worden  und  ich  in  allen  wohl 
und  deutlich  verstanden,  demselben  soll  und  will  ich  treu  und  fleissig 
nachkommen,  so  wahr  mir  Gott  helfe.  Amen/ 

Einer  besondern  Instruction  für  den  Secretarium  bedarf  es  nicht, 
denn  es  muss  derselbe  so  wie  jedermann  in  gegenwärtiger  Haupt- 
Instruction  seine  Richtmass  finden  können.  Und  obwohlen  es  sich 
von  Selbsten  verstehet,  dass  von  dem  Consistorio,  vorsonderlich  von 
dem  Präsidio,  auf  die  ununterbrüchliche  Beibehaltung  aller  guten 
Ordnung,  sowie  in  Hinsicht  der  Dienstschuldigkeiten  des  Secretarii 
und  sonstigen  Personalis,  als  auch  deren  zur  Registraturs-  und  Expe- 
ditsbesorgung gebrauchenden  Individuen  genau  gesehen  und  gehalten 

10* 


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werden  muss:  so  hat  man  jedoch  befunden,  Ihme,  Consistorio,  in 
der  Anlage  über  die  Manipulations-  und  Expedirungsart  eigends 
einen  Unterricht  vorzulegen,  um  sich  hienach  benehmen,  und  solche 
eigen  machen  zu  können. 

III.  Artic.    De  Sessione,  Modo  communicandi  et  expediendi  Consistorialia. 

§  I.  In  SO  lange  es  die  Geschäfte  nicht  fordern,  und  anwachsen, 
ist  nöthig,  dass  wenigstens  alle  Monate  Eine  ordinaire  Session  in 
einer  eigenen  wohlgelegenen  und  Jedermanns  Zutritt  nicht  ausge- 
setzten Sessions-Stube,  welche  Praeses  Consistorii  zu  besorgen  haben 
wird,  und  worin  das  Archiv,  oder  wenn  es  nicht  zulässig,  in  einem 
andern  sichern  Orte  verwahret  werden  muss,  gehalten;  Umständen, 
und  dem  Befunde  des  Praesidii  nach,  auch  wöchentlich  eine  und 
mehrere  Sessionen  wiederholt  werden. 

§  2.  Bei  dem  zeitherigen  Gebrauch,  dass  Praeses  Consistorii,  so 
oft  sich  Casus  extraordinarii  ereignen,  eine  besondere  Session  v^er- 
anlasse  und  die  Assessores  durch  ein  besonderes  Intimations-Circu- 
lare,  worinnen  zugleich  der  Casus  oder  Punctum  Quaestionis  anzu- 
zeigen, zu  solcher  Session  wenigstens  8  Tage  vorher  einlade,  hat  es 
nur  in  so  lang  zu  verbleiben,  in  wie  lang  nicht  nothwendig  sein 
wird,  wöchentliche  und  öftere  Sessionen  abzuhalten,  und  hieraus  die 
Folge  sich  zu  ergeben,  dass  alle  Beysitzer  Consistorii  /;/  loco  Teschen 
zu  allen  Zeiten  dürften  anwesend  sein,  und  gar  daselbst  domiciliren 
müssen,  welchenfalls  die  abzuhaltende  Sitzungen  der  Praeses  allemal 
denen  Beisitzern  anzukündigen,  und  nur  darauf  anzukommen  haben 
wird,  damit  sodann  gewisse  Tage  in  der  Woche  zur  Session  be- 
stimmt werden. 

§  3.  Sollte  es  sich  aber  dennoch  ereignen,  dass  ein  Assessor 
wegen  entfernter  Abwesenheit  oder  gefahrlicher  Krankheit  nicht  er- 
scheinen könnte,  so  kann  und  soll  von  demselben,  wenn  er  im  Lande 
ist,  jedoch  nur  in  wichtigen  und  ganz  besondern  Anliegenheiten  sein 
schriftliches  Gutachten  und  Votum  gefodert,  wenn  er  aber  nicht  zu 
erreichen,  oder  gefährlicher  Krankheit  wegen  sein  Votum  zu  geben 
unfähig  wäre,  dem  Secretario  in  Vertrettung  eines  abwesenden  Asses- 
soris  die  Ausarbeitung  der  Sache  zugemittelt,  und  demselben  der 
Vortrag  nebst  dem  Voto  iuformativo,  keineswegs  aber  das  Votum 
decisivum  einberäumet,  überhaupt  aber  dieses  Aushülfsmittel  nur 
nach  Beurtheilung  und  Erkenntniss  des  Praesidii  und  übrigen  Con- 
sistorialbeisitzern  gebrauchet  werden. 


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§  4-  Wenn  ein  Assessor  Consistorii  eigener  Geschäfte  wegen  eine 
Reise  zu  machen  haben  sollte,  so  hat  sich  derselbe  deshalb  vorher 
bei  dem  Praeside  zu  melden,  auch  ist  ein  solches  dahin  zu  verstehen, 
wenn  ein  in  loco  Teschen  domicilirender  Beisitzer  und  somit  auch  der 
Secretarius  Consistorii  über  Nacht  a  loco  domicilii  sich  absentiren  wollte. 

§  5.  Den  Modum  comnmnicandi  betreffend,  da  wird  vorderist 
dem  Praesidio,  wie  schon  bevorstehend  bei  der  vorgeschriebenen 
Manipulir-  und  Expedirungsart  die  Erwähnung  beschiehet,  obliegen, 
die  Departements  und  Materien  unter  die  Beisitzer  einzutheilen,  und 
dessen  Beurtheilung  und  Befunde  überlassen,  welche  Gegenstände 
und  Angelegenheiten  diesem  oder  jenem  Beisitzer  zur  Bearbeitung 
und  zum  Vortrag  zuzukommen  haben,  dann  ob  selbe  communicato 
consilio,  oder  sessionaliter  zu  behandeln  seien. 

§  6.  In  Sessione  aber  wird  das  Pimctum  quaestionis  per  plurali- 
tatem  Votonmi,  wobei  sowohl  Praeses  als  die  übrigen  Assessores  jeder 
nur  ein  Votum  haben  solle,  entschieden. 

§  7.  Nebst  der  ohnedies  bevorstehend  einzuführenden  Manipula- 
tionsart mag  der  Secretarius  den  in  conceptu  ausgearbeiteten  Bericht 
dem  Praesidi  und  solcher  sodann  von  demselben  denen  Assessoribus 
der  Reihe  nach  zugesendet,  auch  jedem  Assessori  unbenommen 
bleiben,  seine  Monita  schriftlich,  nebst  beizufugender  Namensunter- 
schrift auf  einem  eigenen  Blatte  dabei  allenfalls  zu  machen,  oder 
die  Beistimmung  durch  seine  Unterschrift  zu  erkennen  geben,  und 
der  Secretarius  hiernach  den  Bescheid  oder  Bericht  entwerfen, 
das  Concept  dem  Praesidi  zur  Approbation  vorlegen,  sodann  mun- 
diren  und  sofort  aufs  Neue  dem  Praesidi  und  denen  Assessoribus 
zur  förmlichen  Unterschrift  überreichen,  und  die  Sache  an  sein  be- 
stimmtes Ort  sogleich  expediren. 

IV.  Artic.    De  jurisdictione  Consistorii. 

§  I.  Jeder  Protestant,  ja  selbst  die  Prediger,  Pastoren,  Senioren, 
Superintendenten  und  Konsistoralbeisitzer  sowohl,  als  Schullehrer  und 
Schulhalter,  und  sonstige  Bedienstete,  in  Hinsicht  seiner  Person  und 
seines  unbeweglichen  Vermögens  in  allen  Streits-  und  Rechtsange- 
legenheiten, überhaupt  quoad  omnes  effectns,  bleibt  demjenigen  Juris- 
diciionS'Fofo  unterliegen,  wohin  ihn  die  neu  eingeführte  Gerichts- 
ordnung vermög  seinem  Stand  anweiset,  weshalb  das  Consistorium 
unter  keinerlei  Vorwand  sich  in  eine  Gerichtsbarkeit  in  Streitsachen 
oder  in  richterlichen  adeligen  Amte    einzumengen    hat.     Nur    allein 


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§  2.  haben  jene  Angelegenheiten  der  Wirksamkeit  des  prote- 
stantischen Consistorii  vorbehalten  zu  verbleiben,  wo  es  bei  Predigern, 
Schulhaltem  und  dem  übrigen  bei  ihren  Kirchen  und  Bethäusern 
angestellten  Personali,  auf  derselben  sittlichen  Lebenswandel,  die 
Kirchenzucht  und  die  ihnen  in  Beziehung  auf  ihre  Religion  ob- 
liegenden Amtsgeschäfte  ankommt. 

§  3.  Wird  dies  Consistorium,  in  so  lange  kein  Oberconsistorium 
bestättiget  worden,  dem  k.  k.  mährisch  und  schlesischen  Landes- 
Gubernio  unterworfen  sein. 

§  4.  Kann  sich  das  Consistorium  eines  eigenen  Siegels  bedienen, 
doch  muss  solches  bevor  dem  k.  k.  Landes  -  Gubernio  zur  Gutheiss- 
und Bestätigung  vorgeleget  werden. 

§  5.  Wenn  eine  Gemeinde  von  der  Augspurgischen  Confession 
in  der  Ausübung  der  von  Sr.  k.  k.  Majestät  allergnädigst  verliehenen 
Rechts-  und  Religionsbegünstigungen  beeinträchtiget  oder  von  je- 
mand gekränket  werden  sollte,  so  kann  selbige  ihre  gegründeten 
Beschwerden  bei  dem  Consistorio  zu  Teschen  anbringen,  welches 
sothane  Beschwerden  an  die  gehörige  Behörde  ferner  befördern  wird. 

§  6.  Auf  gleiche  Art  werden  alle  dem  A.  h.  Toleranzsystem 
conforme  Gesuche  derer  protestantischen  Gemeinden,  derer  Kirchen- 
vorsteher und  Patronorum  nach  der  allergnädigsten  Vorschrift  ex 
officio  unterstützet. 

§  7.  Alle  und  jede  Instanzien  und  Grundobrigkeiten  werden  auf 
geziemende  Requisition  in  vorkommenden  Fällen  diesem  Consistorio 
alle  Assistenz  zu  leisten  haben. 

§  8.  Die  Kirchenzucht  und  Strafen  betreffend,  so  können  solche 
nicht  von  denen  Ministris  Ecclesiae,  sondern  lediglich  von  dem  Con- 
sistorio bestimmt,  und  nach  Verhältniss  des  Verbrechens  denen 
A.  h.  Verordnungen  und  Consistorialrechten  August afiae  Confcssioiiis 
gemäss  eingerichtet  werden. 

§  9.  Zu  dieser  Bestrafung  qualifiziren  sich  besonders  die  Turba- 
tores  Sacrorwn,  und  diejenigen,  welche  durch  öffentlichen  ärgerlichen 
Lebenswandel  Anstoss  geben,  und  bei  denen  keine  Ermahnung 
fruchten  will. 

§  IG.  Gleichermassen  diejenigen,  welche  sich  gegen  ihre  vorge- 
stellten Seelsorger  gröblich  vergehen,  und  denenselben  ihren  ob- 
liegenden Gehorsam  versagen.  Wobei  dem  Consistorio  obliegen  wird, 
in  derlei  wichtigeren  Vergehungen  vor  Vollziehung  des  anerkennenden 


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141 

Poenfalls  die  Anzeige  an  das  k.  k.  Landes -Gubernium  zu  machen, 
die  Sachen  mit  allen  Umständen  demselben  vorzulegen,  und  sich 
beinebst  gutachtlich  zu  äussern,  welcher  Poenfall  Platz  zu  greifen  hätte. 

V.  Artic.  De  Examine,  Ordinatione,  Installatione  et  Investitura. 

§  I.  Die  zum  Predigtamt  berufene  Kandidaten  werden  von 
Kirchenvorstehern  und  resp.  Patronis  dem  Consistorial-Präsidi  in 
Person  präsentiret,  und  händigen  selbigem  das  Gesuch  um  das 
Examen  und  weitere  Beförderung  an  die  hohe  Landesstelle  ein, 
welcher  hierauf  den  Tag  zum  Examine  mit  Einverständniss  derer 
Assessorum  bestimmt,  Candidatum  dazu  vorladet  und  denen  Asses- 
soribus,  Kirchenvorstehern  und  resp.  Patronis  derer  Bethäuser  solchen 
Prüfungstag  notificiret. 

§  2.  Nach  gehaltenem  Examine  conferirt  Praeses  mit  denen 
A'ssessoribus  in  Sessione  über  den,  an  eine  hohe  Landesstelle  in 
Betreff  der  zum  Pastoralamte  präsentirten  Kandidaten  abzustattenden 
Bericht,  welchen  alsdann  der  Secretarius  nach  der  Pluralität  der 
Votorum  ausarbeitet,  dem  Praesidi  und  sämmtlichen  Assessoribus 
zur  Unterschrift  mittheilet  und  an  die  hohe  Behörde  expediret. 

§  3.  Nach  eingelangter  A.  h.  Confirmation  derlei  Candidaten, 
welche  denen  Assessoribus  in  Original!  nach  der  Reihe  zu  com- 
municiren  ist,  bestimmt  Praeses  diem  Ordinationis  des  zum  Pastorat 
bestimmten  Subjecti  und  intimiret  solches  durch  eigene  Ausfertigung 
denen  Consistorial-Assessoribus,  denen  Impetranten,  denen  Kirchen- 
vorstehern und  resp.  Patronis  Ecclesiae. 

§  4.  Die  Ordination  wird  in  der  Gnadenkirche  A.  C.  von  Teschen 
corum  Consistorio  und  der  Kirchenvorsteher  in  facie  Ecclesiae  von 
dem  ältesten  Pastore  oder  in  Zukunft  von  dem  künftigen  Super- 
indenten mit  dem  ihm  assistirenden  Ministerio  genannter  Gnaden- 
kirche verrichtet. 

§  5.  Wäre  es  aber,  dass  ein  sich  zu  dem  Pastoralamte  widmen 
\vollender  Kandidat  bei  dem  Consistorio  unmittelbar  um  seine 
Prüfung  das  Anlangen  machete,  ohne  dass  von  dem  k.  k.  Landes- 
Gubernio  hierzu  ein  Gutachten  gefordert  würde,  so  bleibet  dem 
Consistorio  unbenommen,  einen  solchen  Kandidaten  dem  Herkommen 
nach,  gemäss  denen  Religionsgrundregeln  behörig  zu  prüfen,  und 
demselben  über  die  befundene  Fähigkeit  das  gewöhnliche  Attestat 
zu  ertheilen  und  auszufertigen,  damit  sich  ein  solch  Geprüfter  sodann 
da,  wo  es  vernöthen,  damit  ausweisen  könne. 


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142 

§  6.  Wird  ein  confirmirter  und  ordinirter  Pastor  bei  einem  Bet- 
hause angestellet,  so  delegiret  das  Consistorium  einen  geistlichen 
Consistorialrath  und  resp.  Superintendenten  qua  Cofnmissarium,  und 
gibt  ihm  die  Vollmacht,  selbigen  bei  seiner  neuen  Gemeinde  nomine 
Consistorii  einzuführen  und  2;u  installiren.  Geschiehet  aber  die  In- 
stallation bei  der  Gnadenkirche  selbst,  so  verrichten  selbige  nach 
der  bestehenden  Observanz  die  Kirchenvorsteher,  welche  ebenfalls 
den  hispectoreyn  scholae  und  die  zum  Lehramte  bei  der  Schule  A.  C. 
von  Teschen  berufene  Subjecta  in  ihr  Amt  einzuführen  haben,  und 
dieses  zwar  in  Hinsicht  der  Teschner  Gnadenkirche  und  des  Herzog- 
thums  Schlesien.  Nachdem  aber 

§  7.  In  dem  Markgrafthum  Mähren  die  A.  h.  Vorschrift  vom 
28.  September  1782  bestehet,  dass  die  von  dem  k.  k.  Landes- 
Gubernio  bestätigten  Pastoren  durch  das  betreffende  königliche 
Kreisamt  jedesmal  installirt  werden  sollen :  so  hat  es  auch  bei  gleich- 
gedachter Vorschrift,  in  wie  lang  nicht  ein  anderes  ausdrücklich 
geboten  wird,  sein  Bewenden. 

§  8.  Die  Schulhalter  bei  den  Bethäusem  und  andern  ohne  Bet- 
häuser versehenen  Oertern  werden  zwar  von  denen  Paironis  Ecclcsiae 
erwählet  und  angestellet,  müssen  aber  dennoch  diesem  Consistorio  zur 
Prüfung  in   Ansehung   des   Religionsunterrichts    präsentiret  werden. 

§  9.  Auch  wird  das  Consistorium  darauf  zu  invigiliren  haben, 
dass  keiner  zu  einem  Predigt-  Schul-  und  Lehramt  admittiret  werde, 
bei  welchem  nicht  Examen,  Ordinatio  und  Confirmatio  nach  Mass- 
gabe seines  zu  erhaltenden  Amtes  vorhero  vollzogen  worden.  Wie 
denn  auch  alle  aus  andern  k.  k.  Staaten  oder  andern  von  A.  h. 
Orts  bewilligten  Provinzen  zu  dem  Postoralamte  vocirte  und 
präsentirte  Candidaten  unnachbleiblich  bei  dem  hiesigem  Consistorio 
examiniret  und  ordiniret  werden  müssen,  ausser  wenn  wirklich 
ordinirte  Pastoren  von  andern  Nationen  hieher  zum  Pastorenamte 
berufen  werden  möchten. 

VI.   Artic.  De  Superintendente  ac  Censura  morum  ministrorum  Ecclesiae  et  docentium 

Scholae. 

§  I.  Das  Consistorium  wird  über  die  Sitten,  Lehre  und  Leben 
derer  Prediger,  Schullehrer  und  Schulhalter  ein  wachsames  Auge 
haben,  dass  jeder  seinem  Amte  gehörig  vorstehe  und  allem  Anstoss 
und  Aergerniss  vorgebeuget  werde. 


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§  2.  Da  dermalen  verschiedene  Bethäuser  aufzubauen  aus  A.  h. 
Milde  verstattet  worden,  so  hat  das  Consistorium  jedesmal  ex  Grcmio 
Assessorum  ecclesiasticoriim  ein  Mitglied,  welches  nach  denen  Principiis 
derer  A.  C.  Verwandten  den  Namen  eines  Superintendenten  haben, 
und  die  Aufsicht  über  die  im  Herzogthum  Schlesien  sowohl,  als 
auch  in  dem  Markgrafenthum  Mähren  und  Galizien  angestellten 
Pastoren,  Schullehrer  und  Kandidaten  führen  wird,  in  Vorschlag  zu 
bringen  und  die  A.  h.  Bestättigung  zu  erwarten. 

§  3.  Wenn  die  Anzahl  derer  Bethäuser  sich  dermassen  ver- 
mehren sollte,  dass  Superintendent  die  Inspection  über  die  ihm 
zustehenden  Kirchen  und  Bethäuser  nicht  mehr  allein  zu  besorgen 
im  Stande,  und  somit  nothwendig  wäre,  dass  eine  Subinspection 
zur  Hand  genommen  und  eingeführet  werden  müsste :  so  wird  dem 
Consistorio  obliegen,  die  Umstände  und  Ursachen,  die  die  Errichtung 
eines  solchen  Subinspectionsamtes  erfordern,  dem  k.  k.  Landes- 
Gubernio  gründlich  anzuzeigen  und  zugleich  dasjenige  Subjectum, 
welchem  ein  solches  Amt  und  gegen  welchen  allenfälligen  Beding- 
nissen anzuvertrauen  sei,  in  Vorschlag  zu  bringen  und  die  aller- 
höchste Bestättigung  dessen  abzuwarten. 

§  4.  Deren  beiderseitige  Pflicht  wird  sein,  zur  Errichtung  und 
Beibehaltung  einer  Gott  gefälligen  und  guten  Ordnung  und  gehörigen 
Verfassung  bei  Evangelischen  Kirchen  und  Schulen  vor  allen  Dingen 
vor  ihre  eigene  Person  dahin  zusehen,  dass  sie  selbst  in  Lehre  und 
Leben  untadelhaft  erfunden  werden,  und  denen  ihnen  untergeordneten 
Pastoribus  und  Gemeinden  mit  gutem  Exempel  vorgehen,  auch  bei 
vorkommenden  Fällen  mit  gehörigem  Rathe  an  die  Hand  zu  gehen 
fähig  sein  mögen. 

§  5.  Solle  Superintendent  in  der  ihme  angewiesenen  und  bestimmten 
Dioeces  gleich  wie  der  Inspector  in  seinem  angewiesenen  District  auf 
der  darin  befindlichen  Pastoren  und  Schulbedienten  Lehre,  Leben 
und  Amtsführung  genaue  Aufsicht  tragen,  ob  sie  in  ihrem  Amte 
und  Dienste«  öffentlich  und  insbesondere  den  gebührenden  Fleiss 
und  Treue  bezeigen.  Dafern  einiger  Mangel  und  Vergehung  an  den- 
selben von  ihm  wahrgenommen  oder  von  andern  angezeiget  wird, 
soll  er,  Superintendent,  sie  darüber  zu  sich  fordern,  in  Liebe  und 
Ernst  gewissenhaft  darüber  besprechen  und  ermahnen,  und,  wenn 
dieses  vergeblich  sein  sollte,  dem  Consistorio  zur  weiteren  Beilegung 
einberichten. 


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§  6.  Nicht  weniger  sollen  dieselben  aller  Orten  über  die  Schulen 
die  Obsicht  ihnen  besonders  angelegen  sein  lassen,  und  denen 
Exammibus  ptiblicis ,  die  in  denen  lateinischen  Schulen  jährlich 
zweimal  gehalten  werden,  selbst  persönlich  beiwohnen,  und  wo  sie 
darin  etwas  zu  erinnern  finden,  dasselbe  auf  gehörige  Weise  zu 
verbessern  suchen,  auch  dahin  sehen,  dass  wenn  die  Eltern  saum- 
selig oder  halsstarrig  sein  sollten,  ihre  Kinder  nicht  in  die  Schule 
zu  schicken,  sollen  sie  in  diesen  Fällen  zuerst  bei  dem  Patrono  oder 
Ortsherrschaft  wegen  der  nöthigen  Remedur  Anstalt  treffen,  und, 
dafern  solche  nicht  erfolgete,  bei  dem  Consistorio  die  Anzeige  davon 
machen,  und  überhaupt  darauf  wachen  und  halten,  damit  denen  in 
Schulsachen  bereits  erlassenen  und  künftig  ergehenden  höchsten 
Generalien  immerhin  die  unverbrüchliche  Folge  geleistet  werde. 

§  7.  Beim  erfolgten  Todesfalle  eines  Predigers  werden  die 
Kirchenvorsteher  bei  der  Gnadenkirche  in  Teschen  und  die  Patroni 
bei  denen  Bethäusern  dem  Consistorio  sogleich  Bericht  abstatten, 
und  der  angestellte  Superintendent  wird  die  Vorkehrung  treffen, 
dass  die  Circularpredigten  und  übrigen  Actus  ministerialcs  unter  die 
benachbarten  Prediger  seiner  Inspection  bis  zum  Ablauf  der  Wittwen 
gnadenzeit  (welche  zeitherigem  Gebrauch  und  Gewohnheit  gemäss 
in  dem  halbjährigen  Genuss  des  Salarii  fixi  und  anderer  Accidenzien 
bestehet),  falls  eine  anderweitige  Ersetzung  der  Vacanz  binnen  solcher 
Zeit  nicht  erfolgen  sollte,  ordentlich  vertheilet,  verrichtet  und  alles 
Erforderliche  besorgt  und  ein  solches  denen  Pfarrern  per  Cwicndam 
intimiret  und  dessen  genaue  Befolgung  an  das  Consistorium  angezeiget 
werde,  wobei  sie  auch  dafür  zu  sorgen  haben,  dass  des  verstorbenen 
Pfarrers  Wittwe  oder  Kindern  die  Einkünfte  der  Gnadenzeit  richtig 
und  ohne  eigenmächtige  Verkürzung  gereichet  werden  mögen. 

§  8.  Bei  dem  Superintendenten  haben  sich  auch  die  inländischen 
und  auswärtigen  Candidati  Theologiae  (wenn  selbige  im  Lande 
predigen  wollen)  anzumelden,  werden  von  ihme  nach  vorgängiger 
Vorzeigung  des  Tcstimonii  in  docirina  et  moribus  geprüft»  und  erhalten 
hierauf  licentiam  concioiiandi ;  doch  wird  selbiger  nach  Pflicht  und 
Gewissen  dafür  sorgen,  dass  kein  untüchtiger  Candidattis  Theologiae 
den  Predigtstuhl  betrete.  Wobei  es  sich  von  selbsten  versteht,  dass 
ein  solcher  Prediger  nebst  deme,  dass  er  hierzu  tauglich  befunden 
wird,  auch  zugleich  jedesmal  die  Erlaubniss  hierzu  von  dem  k.  k. 
Landes-Gubernio  erwirken  und  vorzüglich  daraufgesehen  werden  muss, 


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dass  nach  dem  bestehenden  höchsten  Gesetz  vom  13.  März  1782 
Predigern,  welche  aus  Sachsen  oder  dem  königlich  preussischen 
Gebiete  sind,  keinerdings  verstattet  werde,  massen  diese  von  allen 
Pastorstellen,  folglich  auch  von  Prediger-Aemtern  mittelst  gleich 
bezogener  höchsten  Vorschrift  gänzlich  ausgeschlossen  worden. 

§  9.  Eben  wiederholter  Superintendent  muss  zu  gewissen  Zeiten 
nomine  Consistorii  Visitatiojies  in  Kirchen,  Bethäusern  und  Schulen 
///  loco  halten,  die  Ordnung  der  Kirchenbücher,  Kirchengeräthe  etc. 
(nach  der  hierüber  sub  Art.  XL  enthaltenen  besondern  Instruction), 
nicht  minder,  ob  und  wie  weit  denen  in  Schul-  und  sonstigen 
Angelegenheiten  bestehenden  A.  h.  Generalien  nachgelebet  werde, 
respiciren,  und  überhaupt  sich  die  höchsten  Landesgesetze  gegen- 
wärtig halten,  Dinge  von  minderer  Erheblichkeit  mit  Einwilligung 
der  Partheien  in  Güte  beizulegen  suchen,  Sachen  aber  von  Wichtig- 
keit, so  wie  alles,  was  den  Statum  publicum  rcligionis  exercitii  betrifft, 
ad  rcfcrendum  nehmen,  und  so  wie  von  den  beigelegten  Sachen  an 
das  Consistorium  Bericht  erstatten  und  vorlegen,  jedoch  weder  aus 
Liebe  noch  aus  Hass  darinnen  etwas  wider  die  Wahrheit  einfliessen 
lassen,  sondern  nach  seiner  Pflicht  und  Gewissen  das,  was  er  befunden, 
treulich  anzeigen,  ausserdem  aber  auch,  wenn  demselben  von  dem 
k.  k.  Landes- Gubernio  ein  sonstiger  Auftrag  und  Erhebung  zuge- 
mittelt  werden  sollte,  sich  deme  pflichtschuldigst  unterziehen. 

§  10.  Dieser  Visitation  unterliegen  zwar  ebenfalls  alle  Schul- 
halter bei  den  Bethäusern,  jedoch  nur  quoad  mores  et  praestationcm 
officii,  da  sie  quoad  methodum  docendi  dem  hierländischen  k.  k. 
Normal-Directorio  laut  A.  h.  Vorschrift  unterworfen  bleiben. 

§11.  Ueber  dieses  hat  Superintendent  und  ein  jedweder  Inspector 
ein  richtiges  Protocoll  von  den  Namen  der  unter  ihm  stehenden 
Pfarrei-Kirchen-  und  Schul-Bedienten ,  von  denen  mit  ihnen  ange- 
stellten Examinibus,  Visitationen,  auch  an  sie  expedirten  Gurrenden 
zu  halten,  welches  bei  seinem  Absterben  seinem  Nachfolger  in  der 
Superintendentur  und  Inspection  von  den  Erben  unweigerlich  soll 
abgefolget  werden. 

§  12.  Wie  denn  bei  derlei  Absterben  eines  Superintendentens 
oder  Inspectoris  der  Bericht  davon  von  den  Kirchenvorstehern  oder 
Patronis  an  das  Consistorium  geschehen  soll. 

§  13.  Auf  die  von  denen  Kirchenvorstehem  und  resp.  Patronis, 
dann  von  dem  Superintendenten  oder  Inspectore  ex  officio  erstatteten 


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Berichte,  insoferne  es  Amts-  und  keine  Partheisachen  sind,  sollen 
ihnen  die  Verordnungen  von  dem  Consistorio  ohne  Entgelt  und  Ent- 
richtung einiger  Gebühren  zugefertigt  werden. 

VII.  Artic.  De  Sponsalibus  et  Matrimonialibus. 

§  I.  Alles  was  den  Bezug  auf  Ehesachen  in  diesem  Articul 
zum  Gegenstand  setzen  kann,  unterliegt  blos  denen  in  Sachen 
bestehenden  höchsten  Generalien,  auf  welche  dahero,  besonders  auf 
die  A.  h.  Patente  vom  30.  August  1782  und  vom  16.  Jänner  1783 
das  Consistorium  A.  C.  mit  dem  Beisatze  nachverhältlich  angewiesen 
wird,  dass  die  Protestanten  nur  in  jener  Art,  wie  es  Katholiken 
gegen  ihre  Bischöfe  gestattet  ist,  bei  entstehender  Gewissens-Be 
ängstigung  sich  an  ihre  Consistoria  verwenden,  folglich  selbe  ein- 
schreiten mögen,  wenn  sie,  Protestanten,  über  die  vorläufig  immer 
erforderliche  und  erhaltene  Landesfürstliche  Dispensation  oder  unge- 
hindert der  durch  das  Gesetz  eingeführten  allgemeinen  Freiheit  von 
Seiten  der  Religion  noch  eine  Beruhigung  zu  bedürfen  glauben. 

§  2.  In  der  Advent-Fastenzeit  oder  in  Privat häusern,  es  seye 
denn  mit  besonderer  Erlaubniss  dieses  Consistorii,  solle  keine  Copu- 
lation  vollzogen  werden. 

§  3.  Sollte  jemand  während  der  nach  dem  Gesetze  bestimmten 
Trauerzeit  die  Copulation  verlangen ,  so  hat  er  solche  vermittelst 
des  Consistorii  anzusuchen,  und  wird  die  diesfällige  Dispensation 
entweder  durch  das  k.  k.  Landes-Gubernium  vom  Landesfürsten 
selbst,  oder  nach  dessen  A.  h.  Genehmigung  von  dem  Consistorio 
ertheilt  werden. 

VIII.  Artic.  De  repudio  et  divortiis  ac  separatione  Conjugum  quoad  Torum  et  Mensam 
atque  de  Processu  Desertionis. 

§  I.  Eben  auch  bei  diesem  Articul,  wo  es  in  Bezug  auf  Eiie- 
geschäfte  ankommt,  wird  das  Consistorium  lediglich  auf  den  klaren 
Buchstaben  der  A.  h.  erlassenen  Ehegesetze  um  so  mehr  nachver- 
hältlich verwiesen,  als  es  von  der  unterm  20.  Februar  1782  ihme. 
Consistorio,  eingeräumten  ersten  Instanz  in  Ehesachen  anwiederum 
abzukommen  hat;  und  so  wie  zu  Erreichung  der  Gleichförmigkeit  und 
Vermeidung  aller  sich  ergeben  dürfenden  Bedenklichkeiten,  die 
Richter  durch  Behörde  angewiesen  werden,  dass  sie,  ehe  sie  von 
akatholischen  Partheien  eine  Klage  über  gänzliche  Ehescheidung 
annehmen,  und  hierüber  das  Verfahren  einleiten,  beide  Theile,  wie 
es  bei  Katholiken   über   anmeldende   Trennung  von  Tisch  und  Bett 


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mit  gutem  Grund  §  46  et  47  des  Ehepatents  vorgesehen  ist,  dahin 
weisen  sollen,  dass  sie  vorläufig  bei  ihrem  Consistorio  oder,  wo 
dergleichen  noch  nicht  bestehet,  bei  ihrem  Pastor  zu  gütlicher 
Vereinigung  melden,  und  das  schriftliche  Zeugniss  des  ein  oder 
andern,  dass  selbe  die  Scheidung  billig  halten,  oder  dass  sie  unge- 
hindert ihrer  Bemühung  die  Partheien  davon  abzubringen  nicht  ver- 
mocht haben,  vorlegen  sollen.  Ebenso  hat  das  Consistorium  sich 
hiernach  in  allem  genau  zu  benehmen. 

IX.  Artic.  De  rebus  et  negotiis  personas  Ecciesiae  et  Scholae  concementibus. 

§  I.  Das  Consistorium  wird  darauf  sehen,  dass  das  Personale 
bei  Kirchen  und  Schulen  jederzeit  mit  tüchtigen  Subjectis  besetzet 
werde,  und  darüber  halten,  dass  die  Einigkeit  unter  diesem  Personale 
selbst,  als  auch  zwischen  diesem  und  jenem  Subjecto  und  denen 
Kirchenvorstehern  oder  resp.  seinem  Patrono  erhalten  werde. 

§2.  Auch  darauf  Acht  haben,  dass  die  zu  Besetzung  deren 
vacanten  Predigt-  und  Schulämter  praesentirten  Subjecta  nach  Um- 
ständen der  Lage  eines  Ortes  und  der  betreffenden  Gemeinde  in 
Absicht  aller  erforderlichen  Eigenschaften,  hauptsächlich  aber  der 
Landessprache  die  hinreichende  Fähigkeit  besitzen  mögen;  wo  hin- 
gegen dem  Consistorio  zukommt,  die  untüchtig  befundenen  Subjecta 
abzuweisen  und  zu  rejiciren. 

§  3.  Sollte  sich  unter  diesem  Personale  Zwist  oder  Schwierig- 
keit ereignen,  oder  wegen  An-Abzug,  Dimission  etc.  mit  ihren 
Patronis  einiger  Missverstand  entstehen,  so  ist  solches  von  denen 
betreffenden  Partheien  dem  Consistorio  anzuzeigen,  und  dessen  Ent- 
scheidung hierüber  zu  gewärtigen.  Wobei  es  sich  aber  von  selbsten 
verstehet,  dass  dem  Consistorio  nur  in  jenen  Fällen  die  Entscheidung 
zukommen  kann,  wo  es  um  die  Kirchenzucht  und  den  sittlichen 
Lebenswandel  des  diesfälligen  Kirchen-  und  Schul-Personalis  zu  thun 
ist,  massen  wo  ausserdem  es  sich  um  Zwist  und  Streitigkeiten  unter 
ihnen  selbst  oder  mit  dem  Patron  oder  mit  wem  immer  handelte, 
kommen  derlei  Anliegenheiten  zu  der  betreffenden  weltlichen  Instanz 
zu  verweisen  und  von  dort  behörig  abzumitteln. 

X.  Artic.  De  Inspectione  Peculii  Ecciesiae,  Oratoriorum,  Eleemosinarum. 
§  I.  Die  Rechnungen   samt   denen  Extracten  von  der  Gnaden- 
kirche von  Teschen   und   aller   Bethäuser   werden  mit  Ausgang  des 
Jahres  abgeschlossen,  und  dem  Consistorio   drei  Monate  darauf  von 


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den  Kirchenvorstehern  und  resp.  Patronis  ad  revisionem  et  appro- 
bationem  in  Duplo  dem  Consistorio  übergeben.  Revisionen  hievon 
traget  Praeses  einem  weltlichen  Assessori  auf,  und  zwar  so,  dass 
ein  Revisor  immer  einerlei  Rechnung  von  der  nämlichen  Kirche 
oder  Bethause  übernimmt,  um  solche  mit  anteactis  combiniren  zu 
können;  dann  wird  das  eine  Exemplar  ad  acta  genommen,  das 
zweite  aber  nach  geschehener  Revision  cum  Monitis  des  Revisoris 
dem  Rechnungsleger  zur  Erläuterung  zugestellet,  und  nach  erledigten 
Bemänglungen,  diesem  Rechnungsleger  das  erforderliche  Absolutorium 
vom  Consistorium  ertheilet. 

§  2.  Die  Verwendung  derer  Kirchen-  und  Almosen  -  Gelder 
geschiehet  bei  neuen  und  nicht  gewöhnlichen  Artikeln,  als  Ver- 
mehrung der  Salarien,  beträchtlichem  Bau  etc.  zwar  bei  der  Gnaden- 
kirche von  Teschen  der  zeitherigen  Observanz  gemäss  durch  die 
bei  derselben  nomine  der  Stände  angestellten  Kirchenvorsteher; 
die  Bethäuser  hingegen  anlangend,  so  soll  ihnen  die  eigenmächtige 
Verwendung  dieser  ihrer  Bethäuser-  und  Almosengelder  nicht  frei- 
stehen, sondern  die  Patroni  sollen  bei  jeder  vorfallenden  Ausgabe, 
so  50  fl.  übersteiget,  die  Bestättigung  nach  Maassgabe  des  A.  h. 
ergangenen  Toleranz-Edicts  vermittelst  des  Consistorii  bei  der  politi- 
schen Landesstelle  einzuhohlen  verpflichtet  sein. 

§  3.  Müssen  derlei  Kirchenrechnungen  nebst  dem  Rechnungs- 
leger auch  jedesmal  von  dem  Patron  und  dem  Pastor  mitunter- 
fertiget, und  unter  solcher  Fertigung  dem  Consistorio  eingesendet, 
von  demselben  aber  aus  solchen  Rechnungen  jährlich  ein  verläss- 
licher Extract  dem  k.  k.  Landes-Gubernio  überreichet  werden. 
XL  Artic.  De  Visitatione  Ecclesiae  et  Oratoriorum. 

§  I.  Die  Kirchen- Visitation  soll  nicht  nur  in  dem  ganzen  Herzog- 
thum  Schlesien,  sondern  auch  in  Mähren  des  Jahres  wenigstens 
einmal  durch  den  Superintendenten  und  die  ihme  etwa  einst  beizu- 
ordnenden Inspectores  oder  Seniores  geschehen,  ausser  wenn  es 
die  Vorfallenheit  erfordern  sollte,  dass  das  Consistorium  selbige  an 
ein  oder  den  andern  Ort  wegen  erheblichen  Sachen  besonders  zu 
delegiren  für  nöthig  erachten  würde. 

§  2.  Diese  Visitationes  müssen  unvorgesehen  und  ohne  Bestim- 
mung einer  gewissen  Zeit  unternommen  werden,  und  wird  bier- 
nächst  dem  Befunde  des  Consistorii  überlassen,  wann  und  wie  oft 
zu  derlei  Visitationen  zu  schreiten,  um  den  Collatorem  oder  Patronum 


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und  die  Gemeinden,  so  sich  zur  Kirchen  halten,  fiirzuladen,  es  Um- 
stände und  Ursachen  erfodern. 

§  3.  Wo  zwei  Matres  oder  Filia  mit  matre  verbunden  nur  einen 
Pastorem  haben,  wird  die  Visitation  entweder  in  Ecciesia  Matre 
oder  an  dem  Ort,  wo  der  Pastor  seine  beständige  Wohnung  hat, 
gehalten. 

§  4.  Muss  die  Gemeinde,  welche  visitiret  wird,  den  Superinten- 
denten  oder   Inspectorem   der   Gelegenheit   wegen   schadlos  halten. 

§  5.  An  diesem  Tage  kann  der  Prediger  selbigen  Ortes  eine 
Predigt  über  den  ihm  von  dem  Superintendenten  aufgegebenen 
Text  halten,  und  nach  derselben  mit  der  Jugend  Catechisation  vor- 
nehmen, bei  welcher  auch  der  Superintendent  oder  Inspector  Fragen 
an  die  Jugend  thun  kann. 

§  6.  Nach  vollendetem  Gottesdienst  stehet  es  denen  Patronis 
und  resp.  Gemeinden  frei,  was  sie  gegen  ihre  Pastores,  ihre  Schul- 
Docenten  oder  Schulhalter  anbringen,  oder  Letztere  gegen  Erstere 
anzuzeigen  haben;  wo  sodann  das  Erhebliche  untersucht,  womöglich 
beigeleget,  oder  an  das  Consistorium  berichtet  werden  muss. 

§  7.  Sodann  hat  Superintendent  oder  Inspector  in  Gegenwart 
derer  Patronorum  oder  derer  Aeltesten  die  Bethäuser,  deren  ander- 
weitige Gebäude,  Kirchenbücher,  Tauf-,  Trau-  und  Todtenregister 
in  Augenschein  zu  nehmen,  und  mit  ihnen  zu  überlegen,  wie  das 
Schadhafte  verbessert  werden  könne,  und  solches  ad  Protocollum 
zu  bringen.  Desgleichen  soll  Superintendent  oder  Inspector  das 
Vermögen  der  Bethäuser  und  deren  Rechnungen  nachsehen,  und 
ebenfalls  dem  Protocoll  beifügen,  und  solches  dem  Consistorio 
abgeben. 

§  8.  Vorzüglich  aber  haben  Superintendent  und  Inspector  auch 
darauf  zu  sehen,  dass  der  Gottesdienst  und  die  übrigen  Kirchen- 
bräuche nach  Vorschrift  und  eingeführter  Ordnung  zu  gehöriger 
Zeit  und  Stunde  mit  erforderlicher  Andacht  und  zur  wahren  Er- 
bauung der  Gemeinde  und  anderer  Zuhörer  vollzogen  werde. 

§  9.  Sollte  Superintendent  oder  Inspector  bei  einer  Visitation 
wahrnehmen  oder  ihm  sicher  beigebracht  werden,  dass  ein-  oder 
anderer  Kassehalter  sich  Nachlässigkeit,  Unordnung  oder  wohl  gar 
Unterschleif  zu  Schulden  kommen  Hesse,  so  hat  er  solches  unge- 
säumt anzuzeigen,  worauf  das  Consistorium  die  nöthige  Vorkehrung 
deshalb  zu  treffen  nicht  unterlassen  wird. 


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§  lO.  Wo  nur  eine  Kirche  zu  visitiren  ist,  wird  dem  Super- 
intendenten oder  Inspectorf  aus  dem  Kirchen- Aerario  3  fl.,  wo  aber 
mehr  Kirchen  untereinander  combiniret  sind,  5  fl.  für  seine  Bemühung 
gegeben,  und  nach  dem 

§  1 1 .  in  Schlesien  sowohl  als  auch  in  Mähren  fast  durchgängig 
bei  denen  nun  errichteten  Bethäusern  die  akatholischen  Gemeinden 
Selbsten,  so  zu  sagen,  die  Patronen  und  diejenigen  sind,  die  das  Bet- 
haus auf  ihre  eigenen  Kosten  errichtet  und  den  Pastor  präsentiret 
haben,  auch  den  Unterhalt  nicht  nur  demselben,  sondern  auch  dem 
Schulmann  mittelst  eigenen  Gemeinde-CoUecten  reichen:  so  wird 
dem  visitirenden  Superintendenten  oder  Inspectori  obliegen,  bei 
jenen  Bethäusern,  wo  nur  die  Gemeinden  den  sogestaltigen  Patron 
ausmachen,  auch  jedesmal  einen  Beamten  oder  Deputirten  von  Seite 
der  betreffenden  Grundobrigkeit  zu  allen  derlei  in  gegenwärtigem 
Articul  bemerkten  Actus  Visitationis  beizuziehen  und  hierzu  vorzu- 
laden, auch  dass  es  geschehen,  das  gegenwärtig  gewesene  obrig- 
keitliche Individuum  in  seinem  Protocoll  namentlich  zu  bemerken, 
nicht  minder  anzuführen,  ob  und  was  grundobrigkeitlicher  Seits  in 
Sachen  vor-  und  angebracht  worden. 

XII.  Artic.    De  Suspensione    Clericonim    ac  Depositione    seu    Remotione    Ministrorum 
Ecclesiae  ab  ofBciis  eorumque  poenis. 

§  I.  Da  sowohl  Pastoren,  Schullehrer  als  auch  Schulbalter  dem 
Consistorio  subordiniret  sind,  so  wird  Dasselbe  berechtiget  sein,  ein 
solches  Subjectum  bei  vorfallenden  geringen  Vergehungen  zuvörderst 
zur  Rede  zu  stellen,  nachdrücklich  zu  verweisen,  bei  vorkommenden 
grösseren  Verschuldungen  aber  nach  Befund  der  Sache  denen  pro- 
testantischen Grundsätzen  gemäss  ab  officio  zu  suspendiren,  oder 
mit  anderen  vorgeschriebenen  Strafen  zu  belegen,  endlich  bei  noch 
grösseren  Verschuldungen  oder  Verbrechen  dessen  Factum  A.  h. 
Orts  anzuzeigen  und  auf  dessen  Remotion  oder  Degradation  anzu- 
tragen. Und  so  wie  sich  die  dem  Consistorio  zustehenden  Straffälle 
lediglich  auf  solche  Vergehungen  verstehen,  die  den  Bezug  auf 
den  sittlichen  Lebenswandel  und  die  Kirchenzucht  haben: 

§  2.  Eben  so  müssen  andere  etwa  entdeckende  Vergehungen 
der  weltlichen  Behörde  vorbehalten,  auch  im  erstem  Fall,  denen 
sich  mittelst  der  Consistorial  -  Erkenntniss  beschwert  glaubenden 
Partheien  der  weitere  Zug  per  modmn  recnrsns  an  das  k.  k.  Landes- 
Gubernium  unbenommen,  mithin  offen  bleiben. 


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XIII.  Artic.  De  ritibus  et  ceremoniis  ecclesiasticis. 

§  I.  In  allen  dem  Consistorio  A.  C.  zu  Teschen  untergeordneten 
Kirchen  und  Bethäusem  werden  alle  öfTentliche  Gottesdienstliche 
Handlungen  und  Andachtsübungen  nach  einerlei  Ritu  und  Ceremonie, 
folglich  nach  der  eingeführten  Liturg^ie  und  Kirchenagende  verrichtet, 
worauf  demnach  der  Superintendent  vorzüglich  sehen  und  darüber 
halten  soll. 

§  2.  Zu  welchem  Ende  das  Consistorium  Sorge  zu  tragen  hat, 
damit  ein  jeder  untergeordneter  Pastor  mit  dem  behörigen  Rituali 
versehen,  der  Ritus  Selbsten  aber  einerlei,  und  in  so  weit  beobachtet 
werde,  in  wie  lang  nicht  in  ein  oder  dem  andern  Stücke  was  anders 
vom  höchsten  Orte  geboten  und  eingeführet  werde. 

§  3.  Die  bei  den  Protestanten  gewöhnlichen  jährlichen  4  Quartal- 
Buss-  und  Bettage  sollen  sammt  denen  zu  diesfälligen  Predigten 
erwählten  biblischen  Texten  von  dem  Consistorio  in  der  ganzen 
Dioeces  auf  einerlei  Tag  festgesetzt,  und  denen  Pastoren  gehörig 
bekannt  gemacht  werden,  damit  deren  öffentliche  Abkündigung  zu 
rechter  Zeit  von  der  Kanzel  erfolgen  könne. 

XIV.  Artic.  De  Aedificatione  et  Reparatione  Ecciesiae  et  Oratoriorum. 

§  I.  Zur  Errichtung  eines  neuen,  nie  gewesenen  Bethauses  muss 
jedesmal  die  Bewilligung  bei  der  A.  h.  vereinigten  k.  k.  Hofstelle 
angesuchet  werden. 

§  2.  In  Ansehung  der  Bethäuser  ist  von  dem  Consistorio  mit 
dahin  zu  sehen,  dass  deren  Einrichtung  und  Erbauung  nach  der 
in  dem  ergangenen  A.  h.  Toleranz-Patent  enthaltenen  Vorschriften 
geschehe  und  nicht  überschritten  werde. 

XV.  Artic.  De  Subselüis  Templorum  eorumque  jure. 
§  I.  Die  Kirchenbänke  werden  ex  Peculio  Ecciesiae  et  Oratoriorum 
angeschaffet  und  unterhalten.  Und  obzwar  die  Zuhörer  ein  gewisses 
Bankgeld  bezahlen  mögen,  so  kann  doch  ein  solcher  Zins,  ohnerachtet 
selber  auf  Rechnung  des  Kirchenvermögens  einzuheben  kommet, 
nicht  blos  der  Schätz-  und  Bestimmung  des  Localpastors  überlassen 
werden;  wohl  aber  wird  es  des  Consistorü  Obliegenheit  sein,  in 
Hinsicht  eines  jeden  unterstehenden  Bethauses  oder  Oratorii  eine 
denen  Localumständen  und  Gemeinden  angemessene  Veranschlagung 
vorzunehmen,  und  darüber  einen  gutachtlichen  Vorschlag  dem 
k.  k.  Landes -Gubernio  zur  Bestätigung  vorzulegen. 

Jahtbucb  des  Protestaiilisnius  1886.  H.  III.  11 


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162 

§  2.  Sollte  unterdessen  ein  oder  anderer  aus  der  Gemeinde 
eine  Bank  oder  Sitz  in  der  Kirche  selbst  verfertigen  lassen,  so  soll 
ihm  zwar  zustehen,  sich  derselben  gegen  einen  billigen  Zins  lebens- 
lang zum  Gebrauch  zu  bedienen,  aber  keineswegs  befugt  sein, 
selbige  an  andere  zu  verkaufen  oder  wohl  gar  zu  transferiren,  noch 
im  Testament  zu  vermachen;  wobei  sich  ausserdem  von  selbsten 
verstehet,  dass  derjenige,  der  seine  eigene  Bank  haben  wollte,  sich 
bevor  nebstdem,  dass  er  hierzu  die  Einwilligung  von  denen  Kirchen- 
vorstehem  erhalte,  gegen  einen  billigen  Geldabtrag  und  Erklärung, 
ob  er  die  Bank  aus  seinen  Mitteln  herstellen  wolle,  oder  solche  aus 
dem  Kirchenvermögen  beizuschaßen  seie,  abfinden,  und  wie  gesagt, 
der  Zins  hievon  in  ein  oder  dem  andern  Falle  dem  Kirchenvermögen 
zugeeignet  werden,  die  Bank  selbsten  aber  in  beiden  Fällen  der 
Kirche  als  eigenthümlich  verbleiben  müsse. 

XVI.  Artic.  De  jure  Sepulturae. 

§  I.  Wie  die  Todten  begraben  werden  sollen,  bestehen  ohnedies 
die  höchsten  Generalien  vermittelst  dem  gedruckten  Patent  vom 
4.  October  1773.  Das  Consistorium  wird  daher  auf  die  genaueste 
Beobachtung  dieser  höchsten  Generalien  nicht  nur  verwiesen,  sondern 
auch  darauf  zu  sehen  haben,  damit  die  vorgeschriebene  Bestreuung 
des  Leichnams  mit  Kalk  richtig  befolget  werde. 

§  2.  Ohne  bevor  von  dem  k.  k.  Landes-Gubernio  eingeholter 
Erlaubniss  darf  und  soll  keine  neue  Begräbnissstätte  oder  Freidhof 
errichtet,  noch  solcher  erweitert  werden,  wie  eben  ein  solches  in 
dem  vorgedachten  Patent  vom  4.  October  1773,  §  13  ausdrücklich 
geboten  wird. 

§  3.  Die  Erkenntniss,  wie  und  auf  was  Art  ein  Selbstmörder 
begraben  werden  solle  und  könne,  hat  dem  Consistorio  nicht,  wohl 
aber  der  weltlichen  Behörde  obzuliegen,  deren  Sache  es  sein  wird, 
sich  nach  der  allerhöchsten  Ausmessung  vom  2.  Juni  1756  nach- 
verhaltlich  zu  benehmen. 

§  4.  Kann  die  Beerdigung  auf  dem  Freidhof  bei  denen  Leichen  statt- 
finden, welche  plötzlicher  oder  unglücklicherweise  das  Leben  verloren. 

§  5.  Was  die  Leichen-Ceremonien  betrifft,  sind  zwar  solche 
möglichst  zu  beschränken,  doch  da  bereits  die  Trauer-Generalien 
und  gedruckte  Patente  vom  21.  April  1747  und  vom  2.  Jänner  1768 
bestehen,  so  wird  das  Consistorium  sich  hiernach  von  selbsten  zu 
benehmen  wissen. 


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163 

XVII.  Artic    De  Synodis. 

Sollte  ein  Synodus  zu  veranlassen  für  nöthig  erachtet  werden, 
so  wird  das  Consistorium  dem  k.  k.  Landes-Gubernio  die  Anzeige 
der  Materien  einreichen,  welche  diesen  Synodum  erfodern.  Nach 
erfolgter  Einwilligung  berufet  das  Consistorium  alle  dazu  nöthigen 
Mimstros  Ecclesiae,  auch  Laicos,  welche  an  diesem  Geschäfte  An- 
theil  nehmen  sollen  durch  ein  Intimations-Circulare  zusammen,  und 
bestimmet  Zeit  und  Ort,  wo  selbiger  gehalten  werden  soll. 

XVIII.  Artic.     De  Taxis. 

Bei  dem  Umstand  und  der  bevorstehenden  Weisung,  da  das 
Consistorium  keine  Gerichtsbarkeit  hat,  kann  von  Justicial-  und  Juris- 
dictional-Taxen,  somit  von  einer  diesfälligen  Ordnung  keine  Rede 
sein.  Doch  wird  dem  Consistorio  nachstehende  politische  und  zu 
verrechnen  habende  Tax-Beziehung  über  nachbenannte  Gegenstände 
andurch  verwilliget  und  vorgeschrieben. 

Nota.  Hier  kommt  jene  Tax-Ordnung  anzusetzen,  welche 
Se.  Majestät  allergnädigst  zu  bestimmen  geruhen  werden  wollen. 

XIX.  Artic.    De  publicatione  Mandatorum  summi  Principis. 

§  I.  Die  von  der  höchsten  Behörde  zur  Kundmachung  einge- 
laufene Patente,  Verordnungen  oder  Circularien,  die  das  Religions- 
wesen oder  die  Ausübung  der  Religion  von  der  Augsburgischen  Con- 
fession  betreffen,  wird  das  Consistorium  denen  Kirchenvorstehern  und 
resp.  Patronis  als  auch  denen  Pastoren  intimiren  und  gehörig  publiciren. 

§  2.  Dieses  Consistorium  wird  insonderheit  diese  A.  h.  Befehle, 
Landesfiirstliche  Gerechtsame,  und  iura  episcopalia  hauptsächlich  in 
Jtirisdictionalibus  gehörig  beobachten,  und  aufs  genauerste  invigiliren, 
dass  selbige  nach  allerhöchster  Willensmeinung  vollzogen  und  nicht 
im  mindesten  vermindert  werden. 

§  3.  Sind  nicht  nur  alle  die  Katholiken  betreffende  Patente, 
sondern  auch  jene,  welche  die  Akatholiken  angehen,  genau  zu 
sammeln,  darüber  ein  ordentliches  ProtocoU  zu  verlegen  und  dieses 
Protocoll  auf  dem  Consistorial  Rathstische  zu  jedermanns  Einsicht 
stets  aufzubehalten.  Zu  welchem  Ende  des  Consistorii  Sorge  sein 
wird,  alle .  benöthigende  Generalien  und  bestehende  höchste  Vor- 
schriften von  Behörden  abzuverlangen,  und  von  denen  von  Zeit  zu 
Zeit  demselben  inskünftige  zukommenden  höchsten  Generalien  den 
sogestaltigen  Nachverhalt  zu  nehmen. 

11» 


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XIIL 
BUcherschau. 

Aagnst  Dimttz:  Kurzgefasste  Geschichte  Krains  mit  besonderer 
Rücksicht  auf  Culturentwickehing.  Laibach.  Druck  und  Verlag  von 
Kleinmayr  1886. 

Was  August  Dimitz  hier  bietet  ist  ein  kürzerer,  allgemein  verständlicher,  fiir 
weitere  Kreise  berechneter  Auszug  aus  seinem  grösseren,  vor  Ii  Jahren  erschienenen, 
wissenschaftlich  gehaltenen  Werk  über  denselben  Gegenstand.  Es  ist  ein  höchst 
interessantes  Stück  Weltgeschichte  im  Kleinen,  das  sich  hier  abspielt;  die  grossen 
Ereignisse  der  J.ihrhunderte  waifen  ihr  Licht  und  ihren  Schatten  fast  alle  auch  über 
diesen,  zwischen  den  grossen  Alpenpässen  und  dem  Küstenlande  des  Mittelmeeres 
gelegenen  Erden winkel.  Selbstverständlich  ist  der  eigentliche  Zweck  dieses  Schriftchens 
durchaus  nicht  der,  einen  Beitrag  für  die  Geschichte  des  Protestantismus  in 
Oesterreich  zu  geben,  wohl  aber  liegt  das  WerthvoUe  und  Interessante  dieses 
Schriftchens  für  uns  eben  in  dem,  was  es  auch  auf  diesem  Gebiete  leistet  Es  kann 
nun  einmal  Niemand  die  Geschichte  eines  österreichischen  Landes  schreiben,  ohne 
der  grossen  —  leider  hier  so  kläglich  erstickten  Bewegung  der  Geister  im  sechzehnten 
Jahrhundert  zu  gedenken.  Dafür  ist  August  Dimitz'  Schrift  ein  neuer  Beweis.  Der 
Verfasser  hält  mit  seinem  persönlichen  Standpunkte  meist  weise  und  rücksichtsvoll 
zurück;  aber  gerade  weil  er,  "ohne  ausgesprochene  Parteinahme  für  oder  wider  uns, 
ganz  mit  der  sachlichen  Ruhe  des  Geschichtsforschers  die  Thatsachen  fiir  sich  reden 
lässt,  gewinnen  seine  Mittheilungen  an  Gewicht  und  Kraft,  und  jeder  Leser  nimmt 
den  Eindruck  mit,  in  diesem  Büchlein  darf  von  keinem  Wort,  keiner  Behauptung  etwa 
auf  Rechnung  der  Begeisterung  oder  Abneigung  des  Schreibers  auch  nur  der  geringste 
Abzug  am  Vollgewicht  der  Wahrheit  gemacht  werden. 

Wir  beschränken  uns  —  entsprechend  der  Aufgabe  unseres  Jahrbuches  —  natürlich 
hier  nur  auf  Heraushebung  dessen,  was  dem  evangelischen  Gemüth  von  Bedeu- 
tung ist.  Von  den  nebelhaften  Tagen  des  Pfahlbauers,  des  Urochs  und  Wisent  führt 
uns  der  Verfasser  durch  die  vielgestaltigen  Schicksale  des  Landes,  das  häufig  den 
ersten  Anprall  anstürmender  feindlicher  Völkerwogen  auszuhalten  hatte,  durch  Kämpfe, 
Erdbeben,  wiederholtes  „grosses  St  erb*,  Bauernkriege,  TürkenSchlächtereien,  bis  wir 
in    Primus    Trüber,    einem    geborenen  Krainer,     den    ersten    mächtigen    Förderer 


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155 

der  cvangeMschen  Bewegung  in  Krain  kennen  lernen,  der  zum  Domherrn  an  der 
Laibacher  Kathedrale  ernannt,  daselbst  in  evangelischem  Geiste  wirkt,  dann  vertrieben 
wird,  aber  im  Auslande  die  evangelische  Bibelübersetzung  in's  Slovenische  mit  getreuen 
Gesinnungsgenossen  vollendet  und  1562  in  seine  Heimat,  wo  der  Protestantismus 
inzwischen  zur  herrschenden  Religion  geworden,  siegreich  und  segensreich 
zurückkehrt.  Der  krainische  Adel  hält  die  Reformation  und  ihre  Geisteserrungen- 
schaften hoch  und  der  Besuch  deutscher  Universitäten  gilt  als  nothwendiger  Bestand- 
theil  der  Erziehung  eines  jungen  Edelmannes.  Aber  der  schönen  jungen  Saat  droht 
auch  hier  frühe  das  Hagelwetter  des  Fanatismus.  Die  Reaction  gegen  den  immer 
mehr  um  sich  greifenden  Protestantismus  richtet  sich  zunächst  gegen  die  Landstände; 
der  zeitige  Tod  Maximilian's  IL  bedeutet  auch  Air  Krain  einen  furchtbaren  Schlag. 
Noch  zwingt  die  drohende  Tilrkengefahr  zu  allerhand  Zugeständnissen  —  als  da  ist 
die  ,Brucker  Pacification",  die  natürlich  vom  Papste  Gregor  XIH.  für  ungiltig  erklärt, 
und  sobald  der  Zeitpunkt  günstig  schien,  mit  bekannter  jesuitischer  Treue  und 
Wahrheitsliebe  gehalten  wird!  Es  beginnt  der  Zustand  „des  heimlichen  Krieges,  der 
versteckten  Feindseligkeiten",  Verbot  der  „sectischen"  Predigten,  Entfernung  der  Evan- 
gelischen aus  den  Hofamtern.  Es  reift  die  erste  verhängnissvolle  Frucht  der  Unduld- 
samkeit, viele  gewerb fleissige  Bürger  der  Städte  und  Märkte  wanderten  aus  und  Hessen 
sich  meist  in  den  süddeutschen  Reichsstädten  Augsburg,  Nürnberg,  Regensburg,  Ulm 
nieder.  Erzherzog  Karl  ertheilt  den  Befehl,  die  slovenische  Bibel  an  allen  Pässen  mit 
Beschlag  zu  belegen.  Dennoch  findet  sie  den  Weg  in's  Land  und  wird  sogar  von 
katholischen  Geistlichen  benutzt.  Unter  Erzherzog  Ernst  leisten  die  Evangelischen 
ihren  Treueid  in  evangelischer  Form  „auf  das  Evangelium^,  statt  ,bei  allen  Heiligen"  ; 
aber  das  Hauptstreben  der  neuen  Regentschaft  ist  dahin  gerichtet,  „das  schädliche 
Secten  Wesen  auszurotten  * . 

Doch  trotz  aller  Drangsalirungen  hatte  sich  der  Protestantismus  bei  Adel  und 
Bürgerschaft  Krains  behauptet,  bis  mit  dem  Erscheinen  der  Jesuiten  in  Laibach 
1597  die  bisher  zersplitterten  Massregeln  gegen  das  Evangelium  und  seine  Bekenner 
in  jenes  unheimlich  consequente  System  gebracht  wurden,  das  diesen  Orden  zum  Fluch 
der  Menschheit  gemacht  hat.  Der  Weg  war  wohl  tiberall  derselbe.  Man  begann  mit 
der  Absetzung  der  evangelischen  Beamten,  mit  Androhung  von  Leibes-,  Guts-  und 
BlutsStrafe,  schritt  fort  zur  Verjagung  der  Prediger  und  Wegnahme  der  Gotteshäuser, 
zur  Zerreissung  und  Verbrennung  ganzer  Wagenladungen  von  evangelischen  Büchern 
auf  den  Marktplätzen,  und  endete  mit  Niederreissen  der  Häuser  der  Evangelischen, 
mit  Gewalt  und  Raub.  Nachdem  sich  die  Blutströme  des  dreissigjährigen  Krieges  ver- 
laufen haben,  machen  die  Evangelischen  noch  einmal  den  schüchternen  Versuch,  auch 
in  den  kaiserlichen  Erblanden  Religionsfreiheit  zu  erlangen ;  der  Bescheid  des  Grafen 
Trantmannsdorf  aber  lautet :  „Freie  Religionsübung  könne  in  den  kaiserlichen  Erblanden 
nicht  gewährt  werden*,  d.  h.  auf  deutsch:   „Es  bleibe  Nacht." 

Nun  hat  die  „Kurzgefasste  Geschichte  Krains"  nichts  mehr  von  den  Protestanten 
zu  erzählen,  bis  das  Toleranz-Edict  Kaiser  Josefs  in  dem  Bischof  von  Laib  ach, 
dem  Grafen  Karl  von  Herberstein,  einen  edlen  Ausleger  und  Vertheidiger  findet. 
Dahin  war's  gekommen,  dass  ein  Bischof,  der  ein  kaiserliches  Duldungswort  in  seinem 
Hirtenbrief  den  Völkern  wohlwollend  erklärte,  dafür  boshafte  Anfechtungen  und  Ver- 
dächtigungen zu  tragen  hatte !  So  ändern  sich  Zeiten  —  und  Völker  in  ihnen  ! 


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166 

Wer  das  Schriftchen  unbefangen  liest,  er  sei  nach  Nation  und  Religion  wer 
und  wie  er  wolle,  wird  den  Eindruck  gewinnen:  Krain  stand  auf  dem  Höhepunkte 
seines  geistigen  Lebens,  als  es  dem  Evangelium  und  der  deutschen  Bildung 
freudig  Land  und  Herzen  aufgeschlossen. 

Das  sollte  zum  Nachdenken  reizen.  Vorsichtig  und  doch  deutlich  spricht  das 
auch  Dimitz  aus,  wenn  er  am  Schlüsse  schreibt :  „Die  Geschichte  ist  eine  grosse  Lehr- 
meisterin, die  wechselnden  Geschicke  Krains  in  den  Yergangenen  Jahrhunderten  sind 
ein  Spiegel  seiner  Zukunft ;  mögen  ihre  Mahnungen,  wie  sie  dem  Kundigen  ans  diesen 
Blättern  entgegentreten,  nicht  spurlos  verhallen  !** 

Diesem  Wunsche  schliessen  wir  uns  von  Herzen  an  und  danken  dem  Verfasser 
für  seine  schöne,  in  jeder  Beziehung  empfehlenswerthe,  übersichtlich  klare  Schrift,  in 
welcher  er  der  kurzen  Freuden  und  langen  Leiden  der  Evangelischen  in  Krain  so 
wohlwollend  und  theilnehmend  gedacht  hat.  Dr.  Theol.  v.  Zimmrrmatm. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger  Redaction 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir  .  .  .  nur  wieder- 
holen. Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evan- 
gelische Unternehmen  weiter  gefuhrt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  Österreichischen  Prote- 
stantismus wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per- 
sönliches und  Allgemeines"   u.  s.  w. 

Neue  Evangelische  Kirchenzeitwig  (Berlin)  iSSj.  Nr,  40. 
„Es  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfangen  bescheiden  sich  erhebend»  nicht  blos  ein  trefifliches 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoU  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgäugen**    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Horawitz)  Deutsche  Zeitung^  Wien  iB8j.  Nr,  4roj. 
^.  .  ,  Wir   verfehlen   nicht,   die   Freunde   reformations-historischer  Forschung  auf 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen.*' 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  Evangelische  Kirchenzeitung  (Greifsw.)  j88j,  Nr,  48. 
„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wissen- 
schaftliche Gesellschaft  unserer   evangelischen  Kirche   aufs  Kräftigste   zu  unterstützen 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern." 

Evangelische  Kirchenteiiung  für  Oesterreich  (Bielitz)  1884,  Nr.  r. 
,,.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben''   u.  s.  w. 
Fr.  Weili  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweiß  {Zixrich)  1886.  H.  I.  S.  61. 


Zar  Nachricht. 

Se.  Erlaucht  der  Graf  und  Herr  von  Giech  auf  Thumau  bei  Kulmbach  in 
Bayern  hat  das  in  seinem  Besitz  befindliche  Porträt  des  berühmten  österreichischen 
Exulanten  Gallus  Freiherrn  zu  Rägknitz  (f  in  Nürnberg  1658)  dem  Central  vor- 
stände unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von  der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherm  in  künstlerischer 
Umrahmung.  Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften  : 

Geh  nur  davon, 

Sey  fromm  für  mir, 

Gib  Armen  hier, 

Ich  bin  dein  Lohn. 

Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  l.  Mos.   12  ; 
Geh  aus  deinem  Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm, 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild. 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron. 
Der  Centralvorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,    welche   im   Archiv   unserer    Gesellschaft   (Wien,    L   Dorotheerg^^se   16)    ä  i  fl. 
zu  haben  ist. 


Druck  von  Wilhtlm  Köhler,  Wi^n,  VI.  Hollardga«<e  41. 


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JAHRBUCH 


der 


GesellscM  für  die  Gescbichte  des  Protestanüsmos 


iu  Oesterreich. 


Siebenter  Jahrgang. 

IV.  Heft. 

October  —  December  1886. 


Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klink  hardt. 
1886. 


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Dihalt  Ton  Heft  IV 


i<äL.   h 


Zyr  Beachtung. 

Wir  ecsiicliea  untere  Mitgüeder«   ttt   fhten  Kreiden   Air  die  V  c  rb  r 
G^  -  tu  »ein,  und  Aellcn  «i  dl«»em  Behufe  Exeni|ili(«  dei  i^niuu» 

io  _  .'     ..'il  tut  Veifj^aii;!, 

d"  rnr  pro  T 

EJac  gröifcs!«  AntJibl  von  ^)>«mut>xüi;rti  lunn  «ut  n«c1i  ret;h»<«»tig*r 
der  H'*— '  ^^'**''iH*er  mit  li^r  g^wutinUn  ßticlictmckrft^  {Wtf*t^  ^'i  ^' 
gegen  '  der  Druck koMen  (^etnucht  werden« 


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XIV. 

Die  Eheordnung  des  böhmischen  Landtages 
von  1609/10. 

Von  Senior  Dr.  ROBERT  LEIDENFROST  in  Graz. 

Unter  den  Landtagen  Böhmens  ist  keiner  für  die  Geschichte 
des  Protestantismus  in  diesem  Lande  wichtiger,  als  jener,  welcher 
am  25.  Mai  1609  eröffnet  und  am  23.  Februar  1610  geschlossen 
wurde.*)  Ward  doch  hier  der  Majestätsbrief  Rudolf  IL  veranlasst, 
hier  die  Union  zwischen  den  Evangelischen  und  der  Unität  durch- 
geführt, eine  Kirchenordnung  zu  Stande  gebracht,  eine  Instruction 
für  die  Defensoren  geschaffen  und  noch  manches  Andere  beschlossen, 
was  der  Förderung  des  neuen  Glaubens  diente.  Das  Bedeutendste 
von  diesen  Arbeiten  des  Landtages  ist  bereits  publicirt.  Doch  findet 
sich  auch  unter  dem  weniger  Bekannten  Einiges,  das  werth  wäre 
an  das  Licht  gezogen  zu  werden.  Hiezu  rechne  ich  die  Ehe  Ord- 
nung, welche  dieser  Landtag  schuf  und  die  ich  aus  einem  mir 
gehörigen,  sich  grösstentheils  auf  jenen  Landtag  beziehenden  Buche 
kenne,  das  den  —  freilich  etwas  langathmigen  —  Titel  führt: 
,Behemische  Konffession.  Das  ist  Bekhentnus  deß  Heiligen  Christ- 
lichen Glaubens  aller  drey  Stende  des  Königreichs  Behaimb  so  im 
Glauben  den  Leib  und  das  Blut  Unseres  Herrn  Jesu  Christi  sub 
Vtraq.  empfangen.  Dabey  Der  Kay:  Mayt:  Kaisers  Rudcrfffi  deß 
Andern  etc.  vber  diese  Konffession,  das  Consistorium,  vnnd  die 
Prägerische  Academiam  erteilter  Majestetbrief.  Die  aufgerichte  Ver- 
einigung zwischen  denen  sub  vna  vnd  sub  vtraq.  Deßgleichen  Die 
abgehandelten  Artickel  vnd  beschehene  Vergleichung  beim  Landtag 
zwischen  den  Stenden  sub  Vtraq.  allein  darinnen  begriffen  ist: 
Zwischen  wehme  und  auf  was  weise  die  Vereinigung,  von  welcher 
der  Kayserliche  Majestetbrieff  meidung  thut,  beschehen  sey  /  Wie 
Sie  sich  auch  allerseits  gegen   einander  verhalten  sollen.   Vnd  dann 


*)  Cxerwenka,  Geschichte  der  evang.  Kirche  in  Böhmen.  Bd.  IL  S.  576  fF. 
Jahrbuch  de«  Protestantitmus  x886.  H.  IV.  12 

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158 

letztlich  Die  Kirchen  vnd  deß  Consistorij  Ordnungen  neben  etz- 
lichen  Landtags-Artickeln  betreffendt  die  Religion,  das  Consistorium, 
die  Academiam,  vnnd  darüber  verordnete  Defensores.  Johann.  i6: 
Seidt  getrost  Ich  hab  die  Welt  vberwunden.  Zum  Römern  am 
lO  Kap:  So  du  mit  deinem  Munde  bekennest  Jesum,  das  Er  der 
Herr  sey,  vnd  glaubest  in  dem  Hertzen  das  Ihn  Gott  v©n  den  Todten 
auferwecket  hat  so  wirst  du  selig.  Dann  so  man  von  Hertzen  glaubt 
so  wirdt  man  gerecht:  vnd  so  man  mit  dem  Munde  bekennet  so 
wird  man  selig.  Alles  mit  sonderm  vleiß  von  newem  vbersehen  mit 
dem  rechten  Behemischen  Original  corrigirt  vnd  aus  aller  Drey  Stende 
des  Khünigreichs  Behaimb  vber  gemelt  Consistorium  vnd  die  Präge- 
rische Academiam  beim  Landtag  verordneter  Herrn  Defensom 
befelch.  Gedruckt  in  der  Alten  Stadt  Prag  in  der  Schumanischen 
Druckerey.  Anno  Domini  MDCX.* 

Aus  dem  im  Titel  angegebenen  Inhalte  des  Buches  lasse  ich 
nun  den  das  auf  Seite  113  beginnende  Stück  folgen: 

,  Stamm  der  verehelichung  Das  ist  Eine  gewisse  vergleichung 
vnnd  anordnung  aller  drey  den  Leib  und  das  Blut  deß  Herrn  Jesu 
Christi  sub  Vtraq.  empfangender  Herrn  Stende  deß  Königreichs 
Beheimb  von  der  Blutverwandtnus  vnd  gesipschafft  wie  weit  dieselbe 
bey  trettung  in  Ehestandt  observirt  werden  vnd  man  sich  deren 
enthalten  soll  oder  nit.  Geschehen  bey  dem  gemeinem  Landtag  in 
dem  Königreich  Beheimb  Anno  1609. 

UNser  Ewiger  Gott  vnnd  Herr  alls  der  allerkeuschste  vnd  reinste 
Geist  ist  ein  vberaus  grosser  liebhaber  der  reinigkeit  vnnd  erfordert 
dieselbe  mit  allem  fleiß  von  den  Menschen  vnnd  befihlet  das  sie  wie 
in  Wandlungen  Ihrer  aller  also  auch  in  Vermischung  eines  mit  dem 
andern  das  ist  trettung  in  Ehestandt  gehalten  werden  soll.  Zu  solchen 
Ende  hat  er  in  seinem  heiligen  Gesetz  gewisse  Regeln  vnd  sein 
Göttlichsrecht  Levit:  18  gegeben  außgesetzt  vnd  zu  dessen  haltung 
meniglich  one  exception  verbunden  :  vnnd  bestettigen  es  auch  Gotts- 
furchtige  Christliche  Obrigkheiten  die  da  ire  Recht  wie  von  andern 
Sachen  also  auch  was  von  Ehestandt  vnter  dem  Menschlichen  Ge- 
schlecht ausgesetzt  vnnd  verordnet  worden  mit  dem  wort  Gottes  ver- 
einigen zu  dem  Ende  damit  die  Menschen  auf  Erden  wissenschafft 
haben  wie  sie  ordentlich  vnd  gebürlich  ohne  Vermischung  der  Blut- 
verwandtnus oder  gesipschafft  in  ehestandt  tretten  vnnd  darinnen  in 
Gottesfurcht  Gott  wolgefellig  leben  mögen.   Diejenigen  aber  so  die 


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159 

Weltliche  Recht  gering  achten  oder  wie  leider  der  menschlichen 
natur  erschreckliche  vnd  störrige  meinung  ist  darauf  nichts  geben 
sondern  gantz  halsstarrig  iren  bösen  begierden  nach  viehisch  fort- 
schreitten  würden  zum  wenigsten  sich  durch  Gottesrecht  vnd  seine 
Gebott  solten  binden  lassen :  Deren  vbertretter  aber  dagegen  Ernst- 
lich gestraffet  werden.  Ist  derowegen  ein  jedweder  Mensch  Mänlichen 
vnd  weiblichen  geschlechts  schuldig  vnnd  pflichtig  bey  trettung  in 
den  heiligen  Ehestandt  das  ist  wenn  man  sich  verheurathen  will  dem 
weltlichen  Rechten  so  sich  mit  dem  Göttlichen  und  seinen  Heiligen 
Gesetz  vergleichet  vnterthenig  zu  sein  denselben  gemeß  sich  zu 
verhalten  vnd  darnach  zurichten  do  er  änderst  vor  den  leutten  nit  in 
schände  vnd  vor  Gott  in  Verachtung  fallen  will.  Inmassen  dann  zu 
Verhüttung  dieses  vbels  vnd  das  ein  jeder  mensch  wisse  wie  nahe 
sich  eines  mit  dem  andern  aus  den  Blutfreunden  oder  verwandten 
verehelichen  könne  oder  nit  alle  drey  Herrn  Stende  deß  Königreichs 
Beheimb  sub  Vtraq.  vermög  Irer  Kay:  Majt:  gnedigst  erteilten 
Majestetbrieffs.aus  gesambter  irer  vergleichung  ebener  gestalt  hir- 
über  gewiß  bericht  vnd  Regel  so  wol  aus  der  heiligen  Schrifft  alß 
dem  natürlichen  Gesetz  vnd  weltlichen  rechten  zusammen  getzogen 
beschreiben  im  truck  verfertigen  vnd  anjetzo  zu  menigliches  nach- 
richt  vnd  deme  nachzuleben  one  exception  in  diesen  Stam.m  der 
vorehelichung  vorbringen  haben  lassen  darzu  Gott  der  Herr  seinen 
Segen  gebe  Amen. 

Erstlichen  ist  dieser  Stamm  zweyerlei :  Arbor  Civilis,  der  Stamm 
nach  den  Stadt  oder  Weltlichen  rechten  oder  Stamm  der  staffeln 
in  der  Blutfreundschafil  ist  derowegen  verordnet  das  man  die  Anfäll 
vnnd  nähet  der  freundschafft  verstehen  möge  welcher  zu  irgenden 
guts  anfall  nähere  und  bessere  gerechtigkeit  oder  zur  vormundtschafft 
der  Waisen  vnnd  deren  Guet  Verwaltung  hett  unnd  haben  möchte. 

2  Arbor  canonica,  Das  ist  der  Geistliche  Stam  wegen  deß 
Ehestandts  verordnet  vnnd  derselb  wirdt  in  zwey  Teil  vnterschieden 
der  eine  Arbor  Consangvinitatis,  Stain  deren  im  geblüt  vereinigten 
freunde  oder  kürtzer  zu  reden  der  Blütsfreunde  darumb  das  Consang- 
vinitas,  quasi  sangvinis  vnitas,  die  blutsverwandtnus  gleich  wie  eine 
Vereinigung  vnd  bundt  eines  geblüts  und  aus  einem  glied  kommenden 
Personen  ist,  durch  die  leibliche  geburt  bekreftiget. 

3  Arbor  affinitatis,  das  ist  der  Stain  der  schwegerschafft  ist 
eine    nähung    vnd    gleichsamb    zutritt    oder    zusammen    Schliessung 

12* 


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160 

einer  Person  zu  freundts  Personen  die  ordentlich  vermög  der  Recht 
aus  ordentlichem  ehestadt  herkomen  vii  wir  Behem  nennen  die 
schwegerschafft  gar  recht  eine  Vermehrung  dann  durch  Vermittlung 
deß  heiligen  Ehestandts  deß  Breutigams  vnnd  der  Braut  Geschlecht 
gleich  wie  mehr  freunde  zugethan  werden  wann  sie  ordentlich  in 
die  Ehe  schreitten.  Vnd  die  heissen  Schwäger  welche  nit  nach  dem 
Geblüt  sondern  durch  Vermittlung  ordentlicher  Verehelichung  ein- 
ander zugethan  vnd  befreundet  sein :  Nemlichen  der  Mann  das  Weib 
der  Schweher  Vatter  der  Aiden  die  schwiger Mutter  deO  sohns  Weib 
Schwager   schwegerin  stiefifvatter  stieffmutter  Stiefsohn,  stieflftochter. 

IV  Bey  diesem  Stamm  ist  vonnötten  auf  volgende  zwo  sachen 
acht  zu  geben  nemblichen  auf  Linien  vnd  staffeln:  Das  wortlein 
Linea  aber  ist  ein  CoUigirung  der  Personen  aus  selben  glid  her- 
kommendt  vnd  absteigendt  die  staffeln  in  sich  begreiffendt  vnd  die 
zahl  vnterscheident. 

V  Solche  Linea  ist  dreyfach  alß  nemlichen  eine  Linea  descen- 
dentium  genandt  das  ist  Linea  der  absteigenden  freunde  wan  wir 
die  zahl  der  verwandtnus  anfangen  vom  Vatter  vnd  gehen  oder 
steigen  mit  derselben  zahl  aufm  Sohn  vom  söhn  auf  des  sohns  söhn 
von  des  sohns  söhn  auf  deß  sohns  sohns  söhn  vnnd  also  weiter  vndt 
ferner  hinabwarts. 

Die  Ander  Linea  Ascendentium,  das  ist  die  hinauff  steigende 
Linea  wann  wir  anfangen  vom  Sohn  vnd  schreitten  mit  derselben 
zahl  hinauffwarts  zum  Vatter  vom  Vatter  zum  Großvatter  vom  Groß- 
vatter  zu  deß  Großvatters  Vatter  vnd  dann  femer  hinauff. 

Die  dritte  Linea  CoUateralium  genandt  das  ist  die  Linea  der 
freundten  so  seitwärts  herkommen  wan  wir  Brüder  vnd  Schwester 
vnd  dan  volgende  nach  inen  rechnen. 

VI  Gradus  aber  wirdt  in  vnser  Behemischen  sprach  Staffel 
genant  vnd  ist  gleich  alß  tretten  oder  steigen  wir  von  einer  Staffel 
auf  die  ander  oder  von  einem  Ort  auff  das  ander  wirdt  sein  anfang 
von  der  stigen  oder  staffeln  genommen  das  wir  im  ab  oder  hinauff 
steigen  von  einer  auf  die  andere  schreitten. 

VII  Vnd  solche  staffeln  befinden  sich  auch  in  drey  teil  ab- 
getheilet.  i  Die  erste  sein  wie  Cajus  meldet  Superioris  ordinis  das  ist 
auf  welchen  man  aufwerts  steiget  alß  von  der  Staffel  darauff  Vatter 
vnd  Mutter  sein  kan  man  auf  die  andern  schreitten  zum  Großvatter 
vnd  großmutter  von  derselben   auff  die  dritten   zu  deß   großvatters 


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161 

Vatter  der  Großmutter  Mutter.  2  Inferioris  ordinis,  wann  man  hinab 
steiget  auf  die  Kinder.  3  Andere  ex  transverso  sive  ex  latere  das 
ist  auf  der  seitten  oder  seitenwarts  alß  da  seindt  Brüder  Schwestern 
vnd  von  ihnen  herkommende  kinder  vnnd  ist  also  die  Staffel  gleich 
wie  eine  zusammenfiigung  einer  jeden  person  blut  verwandtnus  oder 
freimdschafils  befreundung  vnnd  diese  staffeln  werden  in  den  rechten 
aus  vrsachen  deß  Heiligen  Ehestands  verordnet  zuwissen  in  welchem 
grad  man  zusammen  heuraten  könne  :  Inmassen  auß  nachgesetzter 
Figur  oder  Stammen  alles  besser  und  leichter  zu  vernemmen. 
(Folgt  die  bildliche  Darstellung  des  Stammbaumes.) 
Dieses  ist  aber  dabey  zu  wissen  vnnd  zu  mercken  von  nötten: 

I  In  linea  ascendentium  &  descendentium  prohibita  sunt  matri- 
monia  in  infinitum.  Das  ist :  In  der  hinauff :  vnd  herabwarts  steigenden 
Linien  ist  die  verehelichung  durchaus  verbotten. 

II  In  linea  collaterali,  in  aequali  matrimonia  sunt  prohibita  vsque 
ad  tertium  gradum  inclusive.  Das  ist:  In  Vngleicher  Linien  der 
seitwärts  freunde  wirdt  die  Ehe  inclusive  verbotten  biß  in  den 
dritten  grad. 

III  In  linea  collaterali  aequali  in  tertio  gradu  matrimonia  con- 
ceduntur  jure  Divino  &  humano  sive  Caesareo. 

Im  dritten  grad  gleicher  Linien  der  seitwärts  freunde   ist  nach 
der  Heiligen  Schrifft  vnd  den  weltlichen  rechten  die  Ehe  zugelassen. 
Regeln  wie  die  grad  oder  staffeln  observirt  werden  sollen. 
In  der  seitwärts  freunden  vngleicher  Linien  also: 

I  Quoto  gradu  remotior  distat  a  communi  stipite,  eodem  quoque 
gradu  inter  se  distant  stipite  dempto. 

In  wie  vielen  grad  von  dem  gemeinen  Stamm  eins  von  dem 
andern  ist  so  weit  ist  es  mit  abnemung  des  Stammes  von  einander 
vnterschieden. 

In  der  seitwärts  freunden  gerader  Linien  also: 

II  Quoto  gradu  vterque  distat  a  communi  stipite,  eodem 
quoque  gradu  inter  se  distant. 

In  wie  vielen  grad  beide  von  einander  sein  von  dem  Gemeinen 
Stammen  so  weit  seindt  sie  auch  im  selben  grad  von  einander  gesondert. 

Blutfreundschafft 

Personen  so  von  wegen  der  Blutfreundschafft  in  der  rechten  vnnd 
geraden  Linien  (hinauffwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten: 
Dann  solche  Personen  in  der  Zahl  der  Mütter  befunden  werden. 


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162 

IUI. 

Der   Großmutter  Muttermutter   vnd   folgend   hinauff  zurechnen 

sind  alle  verbotten. 

III. 
Der  Großmutter  Mutter. 

IL 

Die  Großmutter  weder  deß  Vatters  noch  der  Mutter  Mutter. 

I. 
Seine  Mutter. 

Der  Son  soll  nicht  nemmen  in  der  Linien  hinaufwarts  zu  rechnen. 

Regula. 

Es  wirt  kein  Ehe  zugelassen  zwischen  Kindern  vnd  Eltern  sie 
sind  nahe  oder  ferne  einander  verwandt:  ynnd  wenn  sie  auch 
tausent  Gelied  von  einander  weren. 


Personen   so  von  wegen   der  Blutfreundschafft   in    der    rechten 

vnd  geraden  Linien  (hinauffwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten. 

Den  solche  Personen  in  der  Zahl  der  Eltern  als  nemlich  der  Väter 

befunden  werden. 

IUI. 

Deß  Großvatters  Vatters  vatter  vnd  folgend  hinauff  zu  rechnen 

sind  alle  verbotten. 

III. 

Deß  Großvatters  Vatter. 

II. 
Den  Großvatter  er  sey  deß  Vatters  oder  der  Mutter  Vatter. 

I. 
Den  Vater. 

Die  Tochter  sol  nicht  nemmen  hinauffwarts  zu  rechnen. 

Regula. 

Diese  gesetzte  Personen  sind  alle  vnsere  liebe  Vättere  und 
Müttere  Derhalben  sol  sich  kein  Kind  mit  derselben  einem  ver- 
ehelichen oder  sie  berühren  wie  dann  GOTT  Gen:  2  verbotten. 
Darumb  wirdt  ein  Mann  sein  Vatter  vnd  Muter  verlassen  vnd  an 
seinem  Weibe  hangen  vnnd  sie  werden  sein  ein  Fleisch  etc. 


Personen  so  von  wegen  der  Blutfreundschaft  in  der  rechten  vnnd 
geraden  Linien  (herunterwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten. 
Dan   solche   Personen   in   der   Zahl   der  Töchter   befunden  werden. 

Der  Vatter  sol  nicht  nemmen 
I  Seine  Tochter,    auch   die   nicht  so   er   etwan   ausserhalb   der  Ehe 
gezeugt   hat.   H  Der  Tochter  Tochter  noch   seines  Sohns   Tochter. 


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163 

III  Der  Tochter  Tochter  Tochter  noch  seines  Sohns  Tochter  Tochter. 
IUI  Der  Tochter  Tochter  Tochter  Tochter  vnnd  also  weiter  hienab 
zu  rechnen.  Vnnd  volgends  hinab  zu  zehlen  sind  alle  verbotten. 

Regula. 
Alle  Ehestifftung  vnnd  Vermischung  zwischen  Eltern  vnd  Kindern 
ist  durch  Göttlich  vnnd  Natürlich  Recht  bey  Grossen  zeitlichen  vnd 
ewigen  straffen  vnd  paenen  verbotten. 


Personen  so  von  wegen  der  Blutfreundschaft  in  der  rechten 
vnd  geraden  Linien  (herunterwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  ver- 
botten :  Denn  solche  Personen  in  der  Zahl  der  Söhnen  befunden 
werden. 

Die  Mutter  sol  nicht  nemmen 
I  Den  Sohn  auch  nicht  den  so  sie  etwan  ausserhalb  der  Ehe  ge- 
zeuget möcht  haben.  II  Deß  Sohns  Sohn  noch  der  Tochter  Sohn. 
m  Deß  Sohns  Sohns  Sohn  noch  der  Tochter  Sohns  Sohn.  IUI  Deß 
Sohns  Sohns  Sohns  Sohn  noch  der  Tochter  Sohns  Sohns  Sohn. 
Vnnd  volgends  hinab  zu  zehlen  sind  alle  verbotten. 

Regula. 

Welche  vnter  diesen  erzelten  Personen  sich  miteinander  ver- 
ehelichen oder  berüren  die  haben  ein  blutschande  begangen  darüber 
Gott  vnd  alle  Creaturen  ein  grewel  haben.  Item  Diese  erzehlte 
Personen  sind  alle  vnsere  liebe  Söhne  vnnd  Töchtere.  Derhalben 
sol  man  sich  von  diesen  allen  enthalten. 


Personen  so  von  wegen  der  Blutsfreundschaflft  in  der  seithwarts 
Linien  (hinauffwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten.  Dann  solche 
Personen  an  statt  vnserer  Mütter  geachtet  werden.  IUI  Deß  Groß- 
vatters  Vatters  Schwester  noch  der  Großmutter  Mutter  Schwester. 
ni  Deß  Großvatters  noch  der  Großmutter  Schwester.  II  Deß  Vatters 
noch  der  Mutter  Schwester.  Der  Sohn  sol  nicht  nemmen  hinauffwarts. 

Regula. 

Die  hienauffwarts  erzehlte  Personen  werden  anstatt  vnserer 
Müttere  geacht.  Derhalben  wil  Got  vnnd  das  natürlich  recht  das 
man  sich  von  denselbigen  enthalte. 

Personen  so  von  wegen  der  Blutfreundschaft  in  der  seitwärts 
Linien  (hinauffwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten.  Dann  solche 
Personen   anstatt   vnserer  Vätter  geachtet  werden.    IUI  Deß  Groß- 


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164 

vatters  Vatter  Bruder  noch  der  Großmutter  Mutter  Bruder.  III  Defl 
Großvatters  noch  der  Großmutter  Bruder.  II  Deß  Vatters  noch  der 
Mutter  Bruder.  Die  Tochter  sol  nicht  nemmen  hinauffwarts. 

Regula. 

Diese  hinauflfwarts  erzehlte  Personen  sind  als  vor  vnsere  Vätter 
zu  achten.  Derhalben  ist  verbotten  sich  mit  denselbigen  in  Ehestand 
einzulassen. 

Personen  so  von  wegen  der  Blutfreundschaft  in  den  seitwärts 
Linien  (hinunterwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten.  Dann 
solche  Personen  an  statt  vnserer  Töchter  geachtet  werden. 

Der  Bruder  sol  nicht  nemmen  hinabwarts.  11  Deß  Bruders  noch 
der  Schwester  Tochter.  III  Deß  Bruders  Tochter  Tochter  noch  der 
Schwester  Tochter  Tochter  noch  des  Bruders  Sohns  Tochter  noch 
der  Schwester  Sohns  Tochter.  IUI  Deß  Bruders  noch  der  Schwester 
Tochter  Tochter  Tochter  noch  deß  Bruders  Sohns  Sohns  Tochter 
noch  der  Schwester  Sohns  Sohns  Tochter. 

Regula. 

Welches  Tochter  ich  nicht  darf  nemmen  desselbigen  Tochter 
Tochter  ist  mir  auch  verbotten  Ja  auch  desselbigen  Tochter  Tochter 
Tochter. 

Personen  so  von  wegen  der  Blutsfreundschafft  in  der  seithwarts 
Linien  (hinunterwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten.  Dann 
solche  Personen  als  vor  vnsere  Söhne  geachtet  werden.  Die  Schwester 
sol  nicht  nemmen  hinabwarts.  II  Deß  Bruders  Sohn  noch  der 
Schwester  Sohn.  III  Deß  Bruders  Sohns  Sohn  noch  der  Schwester 
Sohns  Sohn  noch  des  Bruders  Tochter  Sohn  noch  der  Schwester 
Tochter  Sohn.  IUI  Deß  Bruders  Sohns  Sohn  Sohn  noch  der  Schwester 
Sohns  Sohns  Sohn  noch  deß  Bruders  Tochter  Tochter  söhn  noch 
der  Schwester  Tochter  Tochter  söhn. 

Erinnerung. 

Das  vierdte  Gebott  Gottes  spricht :  Du  solt  Vatter  und  Mutter 
ehren.  Es  kan  aber  kein  grösser  vnd  erschrecklichere  vnehre  Vatter 
vnnd  Mutter  vnnd  allen  denen  so  an  statt  vnserer  Vätter  vnnd 
Mütter  geachtet  werden  von  dem  Kindern  widerfaren  Den  so  sie 
von  inen  durch  blutschande  geschendt  vnnd  vervnreinigt  werden. 
Welche  sünde  wie  hart  sie  Gott  straffe  ist  an  Rüben  Absolon  vnnd 
andern  mehr  zu  sehen. 


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166 

Personen  so  von  wegen  der  Blutfreundschaft  in  den  seithwarts 
Linien  sich  miteinander  zu  verehelichen  verbotten  Als  nemlich : 
Bruder  vnnd  Schwester  ire  Kinder  vnnd  Kindskind. 

I  Brüder  vnnd  Schwestern  sich  miteinander  zu  verehelichen 
oder  zu  berühren  ist  von  Göttlichem  natürlichem  vnd  allen  Rechten 
vnd  Gesetzen  verbotten  sie  sind  von  voller  oder  halber  geburt  das 
ist  von  einem  Vatter  vnnd  einer  Mutter  oder  allein  von  der  beyden 
einem  Ja  auch  die  nicht  so  etwan  ausserhalb  der  Ehe  von  Vatter 
oder  Mutter  erzeuget.  II  Brüder  vnnd  Schwester  Kinder.  III  Brüder 
vnd  Schwester  Kindskindt.  Jedoch  sol  solches  allhie  auff  volgende 
weise  verstanden  werden  Nemlich  also :  daß  die  Ehe  im  dritten  grad 
(vngleicher  Linien)  verbotten  sey  wie  in  volgender  Figur  angezeigt. 

Johannes  der  Vatter 
1  1 

Paulus  Petrus  Bruder 

3 

Heinrich  ^ 

8  Catharina  beyde  Brüder  Kinder. 

Herman 
Dieser  Herman  sol  Catharinam  seines  Großvatters  Brüdern  tochter 
nit  nemmen  dieweil  sie  im  dritten  glied  oder  Grad  vngleicher  Linien 
im  verwandt  ist  denn  im  dritten  Grad  vngleicher  Linien  zu  hevrathen 
verbotten:  Im  vierten  Glied  aber  wirt  die  Ehe  auß  beweglichen 
vrsachen  (weil  es  in  Göttlichem  natürlichem  vnnd  kays:  Rechten  nit 
verbotten)  nachgelassen  Als:  mir  würd  erlaubt  meines  Großvatters 
Bruders  Tochter  Tochter  zu  Ehelichen  aber  nit  seine  Tochter  welche 
mir  im  dritten  Gliede  vngleicher  Linien  verwandt  wie  solches  nach- 
gesetzte Figur  außweiset. 

Johannes  der  Vatter 

1  1 
Paulus                          Petrus  Brüder 

2  2 

Heinrich  Catharina  beider  Brüder  Kinder 

8  8 

Herman  Anna. 

Von    der    Seh  wegerschafft. 
Volget  nun   von   Personen    vnnd    Graden    so   von    wegen   der 
Schwägerschaflft  zu  Ehelichen  verbotten. 


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166 

Personen  so  von  wegen  der  Schwägerschafft  in  der  rechten 
Linien  (hinauffwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten.  Denn  solche 
Personen  vor  vnsere  Müttere  gehalten  werden. 

m. 
6  Großvatters  Vattem  Weib  das  ist  deß  Großvatters  Stieffmutter. 
5  Der  Großmutter  Vatters  weib  das  ist  der  Großmutter  StiefTmutter. 
4  Seines  Weibes  Großvatters  mutter. 

3  Seines  Stiffvatters  Großmutter. 

2  Seiner  Stiffmutter  Großmutter. 

1  Seine  Groß  Mutter. 

II. 

4  Deß  Großvatters  Weib  das  ist  seines  Vatters  oder  seiner  Mutter 
Stieffmutter. 

3  Seines  Weibs  Groß  Mutter  sie  sey  deß  Vatters  oder  der  Mutter 
Mutter. 

2  Seines  stieff  Vatters  Mutter. 

1  Seiner  stieffmutter  Mutter. 

I. 

5  Seiner  Braut  Mutter  das  ist  die  mit  welcher  tochter  er  sich  zuvor 
verlobet  vnd  doch  nicht  Hochzeit  mit  ir  gehalten  hat. 

4  Seines  Vatters  Braut   oder  Vertrawete   welche  seine  stieffmutter 
solte  geworden  sein. 

3  Seine  Schwieger  das  ist  seines  Weibs  Mutter. 

2  Seines  Weibes  stieff  Mutter  welche  ihr  Vatter  nach  im  gelassen. 
I   Seine  stieffmutter  es  sey  die  erste  andere  oder  die  dritte  welche 

sein  Vatter  zu  der  Ehe  gehabt. 
Der  Sohn  sol  nicht  nemmen  hinauffwarts  zu  rechnen. 


Personen  so  von  wegen  der  Schwegerschafft  in  der  rechten 
Linien  (hinauffwarts  zu  rechnen)  zu  Ehelichen  verbotten,  denn  solche 
Personen  vor  vnsere  Vatter  gehalten  werden. 

iii, 

6  Ires  Großvatters  Mutter  man  das  ist  ires  Großvatters  stieffvater. 

5  Irer  Großmutter  Muttermann  das  ist  irer  Grossmutter  stieffvatter. 

4  Ires  Manns  Großvatters  Vatter. 

3  Ires  Mannes  Großmutter  Vatter. 

2  Ires  stieffvatters  Grosvatter. 

I  Irer  stieffmutter  Großvatter. 


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167 

u. 

4  Irer  Großmutter  Mann    das   ist   ihres  Vatters    oder    irer  Mutter 
stieffvatter. 

3  Ires  Manns  Grosvatter  er  sey  des  Vatters  oder  der  Mutter  Vatter. 

2  Ires  stieffvatters  Vatter. 

1  Irer  stieffmutter  Vatter. 

I. 

5  Ires  Breutigams  Vatter   das  ist  der   mit  welches  Sohne   sy   sich 
zuuor  verlobet  vnd  doch  nicht  Hochzeit  mit  ime  gehalten. 

4  Irer  Mutter  Breutigam    oder   vertrawete   welcher   ihr   stieffvater 
solt  geworden  sein. 

3  Iren  schwäher  das  ist  ires  Manns  Vatter. 

2  Ires  Manns  stieffvatter  welche  seine  Mutter  nach  ihr  gelassen. 

I   Iren  Stieffvatter  er  sey  der  erste  andere  oder  dritte  welchen  ire 
Mutter  zur  Ehe  gehabt  hat. 
Die  Tochter  sol  nicht  nemmen  hinauffwarts. 


Personen    so   von   wegen   der   Schwegerschaft    in    der    rechten 

Linien    (hinunterwarts   zu   rechnen)    zu  Ehelichen   verbotten.     Denn 

solche  Personen   vor  vnsere  Töchter  gehalten   werden.    Der  Vatter 

oder  stieffvatter  sol  nicht  nemmen. 

I. 
,1  Die  stiefftochter. 

2  Des  stieffsohns  Weib. 

3  Die  Schnur  (das  ist)  seins  sohns  Weib. 

4  Des  sohns  verlobte  Braut. 

n. 

1  Der  stiefftochter  Tochter. 

2  Des  stieffsohns  Tochter. 

3  Des  sohns  sohns  Weib. 

4  Seiner  Tochter  sohns  Weib. 

III. 

1  Der  Stiefftochter  Tochter  Tochter. 

2  Des  stieffsohns  Tochter  Tochter. 

3  Des  sohns  sohns  sohns  Weib. 

4  Seiner  Tochter  sohns  sohns  Weib. 

Regula. 
Wenn  deO  Breutigams  vnnd  der  Braut  Groß  Vatter  vnd  Groß- 
mutter Schwester  oder  Brüder  Kinder  gewesen  so  ist  die  Ehe  beyde 
von   wegen   der  Blutfreundschafft    vnd    der  Schwegerschafft    halben 
verbotten  nach  gemeinen  vnd  yblichen  rechten. 


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168 

Personen   so  von  wegen   der  Schwegerschaffl    in    der   rechten 

Linien    (hinunterwarts   zu   rechnen)    zu  Ehelichen    verbotten.     Dann 

solche  Personen  vor  vnsere  söhne  gerechnet  werden. 

Die  Mutter  oder  stieffmutter  sol  nicht  nemmen. 

I. 

1  Den  Stieffsohn. 

2  Der  stiefftochter  Mann. 

3  Der  Tochter  Mann. 

4  Der  Tochter  verlobten  Breutigam. 

II. 

1  Des  stieffsohns  söhn. 

2  Der  stiefftochter  söhn. 

3  Des  sohns  Tochter  Mann. 

4  Der  Tochter  Tochter  Mann. 

in. 

1  Des 'stieffsohns  sohns  söhn. 

2  Der  stiefftochter  Tochter  söhn. 

3  Des  Sohns  sohns  Tochter  mann. 

4  Irer  Tochter  tochter  tochter  mann. 

Erinnerung. 
Diese  jetz  erzehlte  Personen  sind  alle  anstatt  vnserer  lieben 
Töchtere  vnnd  söhne  von  welchen  daO  Vatter  vnnd  Mutter  od^r 
auch  stieffvätter  vnnd  stieffmutter  ein  schew  haben  vnnd  sie  nit 
berüren  noch  sehenden  sonder  mit  zucht  ehren  sollen  leret  beyde 
Göttlich  vnd  beschrieben  Ja  auch  das  natürliche  Recht  vnd  alle 
menschliche  vernunfftDerhalben  wisse  sich  jederman  darnach  zu  halten. 


Personen   so  von  wegen  der  Schwegerschaft   (in  der  seitwärts 

Linien)  zu  Ehelichen  verbotten. 

III. 
3  Des  Großvatters  Brüdern  Weib. 

II. 
2  Seines  Vettern  Weib. 

1  Seines  Ohems  Weib. 

I. 

2  Sein  schwehers  Schwester. 

I  Seiner  schwieger  Schwester. 

Der  Bruder  sol  nicht  nemmen  hinauffwarts. 

Entgegen 
Der  Bruder  sol  nicht  hinunterwarts  nemmen. 


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169 

I. 

1  Seins  Brüdern  Weib. 

2  Seines  Weibes  Schwester. 

II. 

1  Seines  Brüdern  sohns  Weib. 

2  Seiner  Schwester  sohns  Weib. 

3  Seines  Weibes  Brüdern  Tochter. 

4  Seines  Weibs  Schwester  Tochter. 

m. 

1  Seins  Brüdern  sohns  sohns  Weib. 

2  Seines  Brüdern  Tochter  sohns  Weib. 

3  Seiner  Schwester  sohns  sohns  Weib. 

4  Seines  Weibs  Bruder  Tochter  Tochter. 

5  Seines  Weibs  Schwester  Tochter  Tochter. 


Personen  so  von  wegen  der  Schwegerschaflft   (in   der  seitwärts 

Linien)  zu  Eheh'chen  verbotten. 

III. 
3  Deß  Großvatters  Schwester  Mann. 

II. 
2  Irer  Basen  Mann  das  ist  ires  Vatters  Schwester  Mann. 

1  Irer  Mumen  Mann  das  ist  irer  Mutter  Schwester  Mann. 

I. 

2  Ihres  Mannes  Vatters  Bruder. 
I  Ires  Mannes  Mutter  Bruder. 

Die  Schwester  sol  nicht  nemmen  hinauffwarts. 

Entgegen 

Die  Schwester  sol  nicht  hinabwarts  nemmen. 

I, 

1  Irer  verstorbenen  Schwester  mann. 

2  Ires  verstorbenen  Manns  Bruder, 

u. 

1  Ires  Bruders  Tochter  Mann. 

2  Irer  Schwester  Tochter  Mann. 

3  Ires  Manns  Bruders  söhn. 

4  Ires  Manns  schwester  söhn. 

III. 

1  Ires  Brüdern  Sohns  Tochter  Mann. 

2  Ires  Brüdern  Tochter  Tochter  Mann. 

3  Irer  schwester  Tochter  Tochter  Mann. 

4  Ires  Manns  Brüdern  sohns  söhn. 

5  Ires  Manns  schwester  sohns  söhn. 


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170 

Dieweilen  sich  vndter  den  Leutten  zweyerley  freundtschafft  be- 
findet: Eine  wirdt  Blutfreundtschafft  vnd  die  ander  Schwägerschafft 
genandt.  Die  Blutfreundtschafft  oder  verwandtnus  ist  eine  angeborne 
geblütsnahung  wie  dieselbe  zwischen  den  Eltern  vnd  Kindern  Brüdern 
vnd  Schwestern  etc.  nahendt  oder  ferners  von  einander  gelegen 
sich  ereignet. 

Groß  Vattern  Groß  Muttern 

,.  ,        -    der  Groß  Vatter  der  Großmutter 

Nemhchen  f 

.  (  Vattern  Muttern 

der  Sohn  der  Tochter 

Söhnen  Töchtern. 

Die  Schwegerschaft  komt  vnd  bringet  die  freundschafft  oder 
verwandtnus  durch  verheuratung.  Alsda  ist;  der  Stieff  Vatter  die 
Stieff  Mutter  Stieff  Sohn  Schwager  Aydem  Schwiger  vnnd  dergleichen : 
So  braucht  man  zu  dieser  beiden  leichtern  vorstandt  gewisse  mittel : 
nemlich:  die  gradus  vnd  Linien. 

Gradus,  änderst  eigentlich  auf  Behemisch  Gliedt  genandt  so  eine 
gewisse  vndterscheidung  einer  Person  von  der  andern  aus  vrsachen 
das  einer  vom  andern  gezeuget  vnd  herkommen  alß  zum  Exempel, 
der  Vatter  vom  söhn  vnd  der  söhn  vom  Vatter  seindt  in  einem  grad 
von  einander:  Darumb  das  der  Vatter  den  söhn  gezeuget  vnd  der 
söhn  vom  Vatter  herkommen. 

Die  Linien  aber  ist  gemeldter  grad  oder  glieder  zusammen  fügung 
vnd  in  ein  Ordnung  bringung.  Vnnd  die  befindet  sich  zweyerlei :  die 
erste  die  Gerade,  die  ander  die  seitwärts  Linien. 

Die  gerade  deren  seindt  zwey  teil  i  Auffsteigendt  2  Absteigendt. 
Auffsteigendt  vom  deß  Großvatters  Großvatter  zu  deß  Großvatters 
Vatter  zu  Groß  Vatter  |  Vatter  zum  (Sohn).  *) 

Absteigendt  alß  da  seindt  der  Sohn  deß  sohns  Sohn  deß  sohns 
sohns  söhn  vnd  dan  volgendts  weiblichen  Geschlechts  die  Tochter, 
der  Tochter  Tochter,  der  Tochter  Tochter  Tochter. 

Die  andere  so  da  die  seitwärts  Linien  genendt  wirt  ist  gleichfals 
zweyerlei  die  eine  die  gerade  vnnd  die  ander  die  vngerade  oder  krumme. 
Die  Gerade  die  sich  zwischen  Personen  gleichen  grads  befindet  alß 
zwischen  Bruder  vnnd  Bruder  so  wol  Schwester  vnnd  sqhwester, 
eines  Brüdern  vnd  deß  andern  einer  Schwester  vnd  der  andern  Kindern, 

Die  andere  Vngleiche  oder  Krumme  ist  zwischen  Personen  so 
vngleiche  zahl  der  grad  von  stammen  haben  wie  gewesen  ist  zwischen 

1)  (Sohn)  fehlt  im  Text. 

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171 

Eliab  Davidts  Bruder  vnd  der  Thamar  Davidts  Tochter  im  andern 

glid  vnnd  zwischen  Jacob  dem  Vhrenickl  Tharae  vnd  zwischen  Melcha 

TharaeEnickl  im  dritten  grad  wie  solches  nachgesetzte  Figur  außweiset : 

Jsai  Thare 

David.  Eliab  Abram.  Haran 

Thamar  Jsac.  Melcha 

Jacob. 

Gewisse  Regeln  welche  Personen  in  dieser  beiden  freundtschafit 
oder  verwandtnus  nit  zusammen  heurathen  sollen. 

Zwischen  Personen  in  gerader  auffsteigender  oder  absteigender 
Linien  wirdt  es  durch  das  natürlich  vnd  göttliche  recht  in  alle  ewig- 
keit  eingestelt  vnd  verbotten.  Personen  beides  geschlechts  in  der 
auffsteigenden  Linien  seindt  diese  deß  Großvatters  vatter,  der  Groß- 
Vatter,  der  Vatter,  der  Großmutter  mutter,  die  Großmutter,  die 
Mutter  vnd  also  ferner. 

Entgegen  aber  beides  geschlechts  Personen  absteigender  Linien 
seindt  diese  der  Sohn,  des  Sohns  Sohn,  des  Sohns  Sohns  Sohn,  die 
Tochter,  der  Tochter  Tochter  d'tochter  tochter  tochter  vnd  also 
weitter  hinabwarts. 

Ist  demnach  allen  diesen  mit  einander  sich  zu  verheurathen  ver- 
botten ja  es  bringt  es  die  natur  selbst  mit  sich  das  sich  auch  Adam 
wann  er  der  zeit  leben  solte  nit  verheurathen  künte. 

Kunnen  vnd  sollen  derowegen  die  Personen  aus  der  Blutsfreund- 
schafTt  in  der  geraden  auffsteigenden  Linien  nit  zusammen  heurathen 
darumb  das  alle  solche  Personen  vnsere  Mütter  sein  vnd  dafür  ge- 
halten werden  vnnd  solcher  vrsachen  willen  kan  der  Sohn  nit  ehe- 
Uchen  die  Mutter  die  Großmutter  der  Großmutter  Mutter  ja  dieses 
kan  gantz  vnnd  gar  nit  sein.  Also  ebener  gestalt  kan  die  Tochter 
nit  nemen  den  Vatter  den  Großvatter  deß  Großvatters  vatter. 

Nit  weniger  wirdt  auch  das  heurathen  denen  Personen  in  der 
Geraden  absteigenden  Linien  in  allen  graden  verbotten.  Dann  die- 
selben entweder  Töchter  sein  oder  dafür  gehalten  werden  alß  kindts 
kindt,  kindts  kindts  kindt,  kindts  kindts  kindts  kindt  vnnd  also  ferner. 

Zwischen  Personen  absteigender  glieder  nach  der  geraden  Linien 
wirdt  die  Ehlichung  verbotten  sintemaln  dieselben  entweder  söhne  sein 
oder  dafiir  gehalten  werden  vnnd  des  seindt  des  sohnes  söhne  deß  sohns 
sohns  söhne,  deß  sohns  sohns  sohns  söhne  mag  derowegen  die  Mutter 
nit  nemmen  iren  sehn  noch  deß  sohns  söhn  noch  deß  sohns  sohns  söhn. 


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172 

Es  kan  demnach  auch  der  Vatter  nit  ehelichen  die  Tochter 
noch  der  Tochter  Tochter,  noch  der  Tochter  Tochter  Tochter.  Dann 
alle  verehelichung  vnd  Vermischung  der  Eltern  mit  den  Kindern  durch 
die  Gütliche  vnd  Natürliche  Recht  bey  grosser  vnd  erschrecklicher 
zeitlicher  vnnd  ewiger  pein  vnnd  straflF  verbotten  vnnd  abgeschafft. 


So  viel  aber  die  Personen  die  in  der  Blutfreundtschafft  auf  der 
seitwärts  linien  sein  anbelangt  wan  etliche  derselben  auf  gleicher 
Linien  seindt  so  ist  es  in  dem  ersten  andern  vnd  dritten  grad  ver- 
botten alß  nemlich  der  Bruder  soll  nit  nemmen  die  Schwester  darumb 
das  sie  im  Ersten  grad  der  seitwärts  Linien  gleich  sein.  Zweyer 
Brüder  vnnd  Schwestern  kinder  sollen  sich  mit  einander  nit  ver- 
heurathen  sintemal  Sie  im  andern  grad  der  seitwärts  Linien  gleich 
wann  sie  aber  in  der  seitwärts  linien  vngleich  auff  solchen  fall  ist 
der  erst  ander  vnnd  dritte  grad  verbotten  also  das  eines  Bruders 
tochter  sich  nit  verheurathen  kan  mit  deO  andern  Bruders  Sohns 
söhn  oder  der  söhn  mit  des  Bruders  Tochter  Tochter. 

Vnnd  dieses  so  weitt  von  der  blutfreundschafft. 

Von  der  verwandtnus  so  durch  verheurathung  folget  ist  nott- 
wendig  volgende  Wissenschaft  zu  haben. 

1  Wer  die  rechten  Schweger  vnd  was  ir  namen. 

2  Die  gewisse  ausmessung   wie  weit  die  Schwegerschafft   den  ver- 
wandten Personen  die  verehelichung  nit  zulest. 

Ad  primum.  Schwäger  seindt  deß  Weibs  freunde  ihrem  Manne 
allein  vnnd  nit  seinen  freunden  dagegen  deß  Manns  freunde  gleich- 
fals  allein  seinen  weib  vnd  nit  weitter  das  ist  des  Manns  freunde 
seindt   nit  nahe  verwandte  deß  Weibs  freunden. 

Namen  dieser  verwandtnus :  Schweher  stieff  Vatter  stieffsohn 
Aidem  Schwager  Schwiger  stieff  Mutter  stieff  Tochter  des  sohns 
Weib  Schwegerin. 

Ad  secundum.  Ob  sich  wol  in  der  schwägerschafft  eigentlich 
zu  reden  keine  grad  vnd  Linien  befinden  so  wirdt  doch  wegen 
deren  gleichhdt  vnd  desto  eigentlicherer  deutung  beides  gleichwol 
observirt  dahero  diese  Regel  entsprungen. 

In  welchem  grad  jemandt  mein  blutfreundt  ist,  im  selben  grad 
ist  mir  sein  Weib  mit  schwägerschafft  verwandt  et  6  contra. 

In  welchem  grad  eme  Weibs  Person  meine  blutfreundin  ist  in 
demselben  grad  ist  mir  ir  Mann  mit  schwägerschafft  zugethan. 


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173 

Eadem  est  ratio  prohibitionis  in  Affinitate  quae  in  consangvinitate. 
Jedoch  werden  gleichwol  diese  zwo  regein  ausgesetzt. 
Regeln  wegen  deß  Verbots. 

1  In  der  geraden  Linien  wirdt  die  vermehlung  eines  mit  dem 
andern  wie  auch  in  der  Blutfreundschaft  gentzlich  verbotten  dero- 
wegen  so  kan  der  vatter  zum  Weibe  nit  nemmen  seine  stiefftochter 
noch  die  stiefTmutter  zum  Manne  iren  stieffsohn  der  schweher  soll  nit 
nemmen  seine  schnür  das  ist  seines  sohnes  Weib  noch  die  Schwiger 
iren  Aydem  das  ist  irer  Tochter  Mann. 

2  In  der  gegen  oder  seitwärts  Linien  aber  wirdt  die  Ehe  im 
ersten  vnd  andern  grad  wann  die  Linea  gerade  ist  verbotten  vnd 
wann  die  verwandten  Personen  in  vngeraderLmien  so  beschichts  auch 
im  dritten  grad.  Gebüret  demnach  nit  zu  heurathen  dem  Weib  ires 
Mannes  Bruder  noch  deß  stieffsohns  oder  der  stieff  Tochter  Kinder. 

ArtickI  aus  dem  Gemeinen  aufm  Königlichen  Präger  Schloß 
Anno  1609  am  Montag  nach  dem  Sontag  Rogationum  gehaltenen 
vnnd  am  Faßnacht  Dienstag  Anno  1610  beschlossenen  Landtag. 

Fol.  XII. 
Von  der  Dispensation. 

Nach  dem  irer  Kay:  Mayt:  die  Stende  auff  ihr  demütig  begehren 
so  viel  die  Dispensationes  vber  die  verbottene  gradus  anbelangt  vor- 
gebracht dieweil  GOtt  verbotten  das  Blut  Blut  nit  berüren  soll,  Alß 
haben  sich  Ire  Kay.  Mayt:  als  König  in  Böheimb  mit  den  Stenden 
dieses  Königreichs  dißfals  verglichen.  Nemlich  wann  sich  jemandt 
aus  denen  sub  Vna  dessen  in  den  verbottenen  gradib:  von  der  hei- 
ligen Christlichen  Römischen  Kirchen  one  erlangte  Dispensation  von 
der  Bapst:  Heilig:  vndterstünde  vnnd  seine  nahe  befreundtin  neme 
das  derselbe  vor  das  völlige  grössere  Landtrecht  geladen  werden 
vnd  dessen  gewertig  sein  soll  was  ime  gemelt  Landtrecht  wegen 
solches  seines  vornemmens  zu  erkennen  wirt. 

Vnd  dann  gleichfals  so  viel  die  Stende  sub  Vtraq.  betrifft,  weiln 
sie  sich  mit  einander  verglichen  im  fall  sich  jemandt  dessen  unter- 
fienge  vnd  seine  nahe  freundin  im  verbottenen  gradu  von  ihren 
Consistorio  zur  Ehe  nemme  derselbe  deßwegen  vor  das  völlige 
gressere  Landtrecht  zu  laden  nit  weniger  ein  jeder  gewertig  sein 
soll  was  ime  Ire  Kay:  Mayt:  vnd  das  greßer  Landt  Recht  erkennen 
werden  deme  nachleben  vnd  darnach  sich  richten. 


Jfthrbucli  des  Protestantiimus  x886.  H.  IV.  10 

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XV. 
Die  Exccution  zu  Prag  im  Jahre  1621. 

Mitgetheilt  von  J.U.C.  TH.  MOLNAR.^) 

I. 
Grausam  waren  die  Mittel,  zu  denen  nach  der  Schlacht  am 
Weissen  Berge  gegriffen  wurde,  um  die  Häupter  des  böhmischen 
Aufstandes  zu  bestrafen  und  die  , Ketzerei*  in  Böhmen  gänzlich 
auszurotten.  Die  furchtbare  Execution  vom  21.  Juni  1621  am  Alt- 
städter Ringe  in  Prag,  bei  welcher  die  vornehmsten  Männer  der 
evangelischen  Kirche  ihre  Köpfe  unter  das  Schwert  des  Henkers 
legen  mussten,  gehört  zu  den  tragischesten  Scenen,  die  sich  in  der 
Weltgeschichte  abgespielt  haben.  Die  Schilderung  der  Execution 
finden  wir  aufgezeichnet  in  der  ,Historia  persecutionum  ecclesiae 
bohemicae*  (deutsch  bearbeitet  von  Bernh.  Czerwenka,  Gütersl. 
1869)  und  in  der  (böhm.  geschr.)  ,> Geschichte  Böhmens*  von  Paul 
Skala  von  Zhof  (herausg.  von  Karl  Tieftrunk,  Prag  1865 — 70, 
S  Bde).  Letzteres  Werk  enthält  im  Ganzen  vier  Berichte:  den  des 
Stadtrichters  und  die  Berichte  der  die  Verurtheilten  tröstenden  Prediger, 
nämlich  der  böhmischen  Johann  Rosacius  und  Viktorin  Urbenius  und 
des  deutschen  Mag.  David  Lippach.  Diese  Berichte,  geschrieben  unter 
dem  Eindrucke  des  tief  gefühlten  Schmerzes,  waren  bis  jetzt  die 
einzigen  Quellen,  aus  denen  man  Nachrichten  über  die  Execution 
geschöpft  hat.  Es  gelang  uns,  in  der  k.  k.  Universitäts-Bibliothek 
zu  Prag  ebenfalls  eine  Monographie  über  die  Execution- zu  entdecken- 
Dieselbe  ist  jedenfalls  nicht  lange  nach  der  Hinrichtung  erschienen 
und  trägt  den  Titel:  ,Prägerische  Execution,  das  ist:  Warhafftige 
Relation,   welcher   gestalt   auflf  der  Rom.  Kays.  Mayest.   gnädigsten 

*)  Der  Verfasser,  Sohn  des  Superintendenten  D.  Th.  Molndr  in  Prag,  ist  am 
27.  Sept.  d.  J.  gestorben.  Wir  betrauern  in  ihm  einen  treuen  Freund  und  fleissigen 
Mitarbeiter  unserer  Gesellschaft.     D.  Red. 


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175 

Befelch  vnnd  Verordnung  die  Böhemischen  gewesenen  Directores, 
von  Grafen,  Herren,  Ritter  vnd  Burgerstands  Personen,  Montags 
den  II  (21)  Junij,  dieses  1621  Jahrs,  in  der  Königlichen  Hauptstadt 
Prag  seynd  justificirt  vnd  hingerichtet  worden.*  Vor  uns  liegt  ein 
Exemplar  dieser  wichtigen  Monographie,  und  wir  unterlassen  nicht, 
dieselbe  wegen  ihrer  Wichtigkeit  unseren  Lesern  wörtlich  mitzutheilen. 
Sie  lautet  folgendermassen : 

Dieweil  jedermänniglichen  den  rechten  Grundt  der  jetzigen 
Prägerischen  Execution,  vnnd  den,  wider  die  gefangenen  Böhe- 
mischen genanten  Directores,  Stände,  vnnd  anderer  Personen  ange- 
stelten  Proceß,  zu  wissen  verlanget,  Als  achte  ich  nohtwendig  seyn, 
deroselben  rechten  VerlaufT  auffs  Papyr  zu  setzen,  vnd  durch  offenen 
Truck  männiglich  zu  communiciren,  vnnd  verhelt  sich  solcher  Exe- 
cutions  Proceß  im  Grund  der  VVarheit,  so  viel  mir  wissend,  wie 
vnterschiedlich  folget: 

Demnach  die  Römische  Kayserl.  auch  zu  Hungam  vnd  Böheim 
Königl.  Mayest.  Ihrer  Fürstl.  Gn.  Carln  Fürsten  von  Liechtenstein, 
neben  andern  fürnemen  Personen,  über  die  Gefangenen,  im  König- 
reich Böheim  zu  Commissarien  verordnet,  Als  haben  Ihre  Kays. 
Mayestät,  denselben  Allergnädigst  anbefohlen,  die  Execution  auff 
Montags  den  11  (21)  Junij  ergehen  zu  lassen,  welche  dann  von  ge- 
dachten Herren  Commissarien  folgender  gestalt  ist  zu  werck  gerichtet 
und  vollzogen  worden. 

Den  Donnerstag  zuvor,  nämlich  den  7  (17)  Junij,  sind  sieben 
Comet  Reuter  vnter  dem  commando  Ihr  Fürstl.  Gn.  zu  Sassen, 
nachher  Prag  gelangt,  deren  fünffe  in  der  Alten-  vnd  zwey  in  der 
Newen  Stadt  einquartirt  worden,  die  haben  von  selbigem  Tag  an 
in  der  Alten  Stadt  hin  vnd  wider  ihre  Schiidtwachen,  gehabt,  auff 
dem  Ring  beim  Altstädter  Rahthauß  aber,  hat  jede  Nacht  ein 
ganzes  Cornet  die  Wacht  gehalten. 

Folgenden  Freytag,  den  8  (18)  dito,  hat  man  die  erhöchte 
Bühn,  oder  Theatrum,  (auff  welcher  man  hernach  die  Execution 
mehrertheils  vollzogen)  im  Zimmerhof  in  der  Alten  Stadt  gefertigt, 
vnd  dieselbige  folgenden  Tag  auff  dem  Altstädter  Ring,  zu  aller- 
nächst am  Rahthauß  (daß  man  zu  einer  Thür  herauß  darauff  gehen 
können)  aufgerichtet,  dieselbige  ist  vier  Ein  hoch,  22  Schritt  breit, 
vnd  22  Schritt  lang,  und  ist  solche  allenthalben  verschlagen,  auch 
gerings  hervmb  ein  Schrancken  gemacht  worden. 

18* 


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176 

Sambstag  den  9  (19)  Junij  zu  frü,  hat  man  15  Gefangene  von 
der  New-  vnnd  10  derselben  von  der  Alten  Stadt,  durch  dero  Rahts 
Gutschen  vnd  Pferd,  mit  Beglaytung  einer  starcken  Guardi,  von 
Reutern  vnd  etlich  Rotten  Musquetircn,  nach  Hof,  ins  Schloß  hinauff 
gefuhrt,  allda  die  übrigen,  so  Herren-  vnd  Ritterstands,  auch  vnter 
der  Zahl  der  genandten  Directoren  gewesen,  im  GefangnuO  gelegen. 

Auff  solches  ist  man  zur  Vervrtheilung  geschritten,  welcher 
Proceß  in  der  Reichs  Hof  Rahtstuben,  oberhalb  der  Cantzley  vor- 
genommen worden.  Allda  hat  man  einen  Thron  von  Veylbraunen 
Sammet  zugerichtet,  auff  welchem  Ihr  Fürstl.  Gn.  von  Liechtenstein, 
vnd  die  andern  Herren  Commissarien,  neben  jhme  hervmb  gesessen. 

Hierauff  hat  man  einen  Gefangenen  nach  dem  andern  für  das 
Kays.  Gericht  vnd  die  Herren  Commissarien  gefordert  und  fürge- 
fuhrt,  da  dann  der  Kays.  Procurator  auffgetretten,  vnd  hat  denselben 
dargestelten  in  Teutscher  vnd  Böhemischer  Sprach  peinlich  angeklagt, 
vnd  die  Herren  Commissarien  vmb  ein  Endvrtheil  gebeten,  darauf  hat 
M.  Melander  Teutsch  geantwortet:  Es  were  das  Vrtheil  verfasst, 
vnd  sollte  anders  nichts  ergehen,  als  was  zu  förderst  Recht  vnnd 
Gerechtigkeit  mit  sich  brächte,  vnd  dann  zu  erhaltung  der  Rom. 
Kays.  May.  reputation  vnd  authoritet  dienete.  Nach  jhme  hat  D. 
Kapper  in  Böhemischer  Sprach  sich  mit  gleichmässiger  Oration  ver- 
nemen  lassen.  Hierauff  ist  der  Proceß  vnd  Vervrtheilung  vom  Kayserl. 
Richter  auf  der  Kleinen  Seiten  in  Teutscher,  von  einem  andern  aber, 
also  balden  nach  jhm,  in  Böhemischer  Sprach  verlesen:  Vnnd  sind 
die  hernach  gemelte  Drey vndviertzig  Personen  folgender  beschriebener 
massen  condemnirt  vnd  vervrtheilt  worden. 

Anfänglich  hat  man  etliche  in  Gefängnuß  und  zu  andern 
Leibsstraffen  condemnirt. 

1.  Herr  Wilhelm  Poppel  von  Lockowitz*),  gewesener  Landhof- 
meister, so  der  erste  gewesen,  soll  auß  Gnaden  (doch  auff  ratifi- 
cation  Ihr  Kays.  May.)  ewig  gefangenligen. 

2.  Paul  Ritzschan') 


3.  Hans  Wostrowetz 

4.  Felix  Wentzel  Pietibeßky») 

5.  D.  Matthias  Borbonius 


Sollen  gleicher  gcstalt  auff  ratifi- 

cation  Kay.  May.  ewig  gefangen 

lign. 


>)  Rccte  Wilhelm  Popel  von  Lobkowitz  der  Aeltere.  —  «j  Paul  von  ftiöan. 
a)  Felix  Wenzel  Pötipesky. 


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177 

6.  Lucas  Karabon  *)  ist  zum  Schwert,  aber  aus  Gnaden  gen  Raab 
in  ewiges  Gefängnuss  vervrtheilet. 

7.  Wolffgang  Haßlawer*)   nacher  Raab   in  die  Eysen   zu  fuhren. 

8.  Melchior  Deubrecht'),  deß  Lands  ewig  zu  verweisen,  auß 
Gnaden   auff  ein  Jahr  in   die  Eysen  nach  Raab   condemnirt, 

9.  Georg  Sabiota*),  gleicher  gestalt  ewig  zu  verweisen,  jedoch 
ist  auß  Gnaden  vnd  Kays,  ratification  die  execution  verschobii 
wordn. 

10.  Paul  Petzko*)  soll  ein  Jahr  gefangen  ligen. 

1 1 .  Caspar  Vßler «)  soll  auffm  Newstädter  Rahthaus  mit  dem  Strang 
zum  Fenster  hinauß  gehenckt  werden,  Aber  doch  auß  Gnaden, 
biß  auff  fernere  Verordnung,  im  Gefängnuß  bleiben. 

12.  Niclas  Diebis  0,  deß  Altstädter  Burgermeisters  gewesener  Diener, 
soll  die  Zunge  abgeschnitten,  vnd  an  Galgen  geschlagen,  her- 
nacher  aber  in  die  Eysen  nach  Raab  geschickt,  Auß  Gnaden 
aber  soll  er  mit  der  Zungen  an  Galgen  ein  Stund  angenagelt, 
vnd  alsdann  in  gemeltes  Raab  in  ewige  Gefängnuß  geführt 
werden. 

Vnter   diesen   sind   zween  Böhemische 

Procuratores,    sollen  mit  Ruten  außge- 

hawen,  vnd  deß  Landes  ewig  verwiesen 

werden. 

16.  Johann  Cammerit**),  auff  ein  Jahr  zu  bandesiren. 


13.  VVentzel  Orsatzky«) 

14.  Joseph  Kubin, 

15.  Hans  Sirele®), 


Nachfolgende    Personen    sind    zum    Tode    vervrtheilt 

worden. 
Erstlich  Herrenstands  Personen. 
I.  Herr  Graf  Joachim  Andreas  Schlick,  Böhemischer  Obrister 
Landrichter,  auch  geheimer  Raht,  gewesener  Director,  vnd 
Landvogt  in  Ober  Laußnitz,  ist  zwar  dahin  vervrtheilet,  daß 
jhm  erstlich  die  rechte  Hand  abgehawen,  er  alsdenn  lebendig 
geviertheilt,  vnnd  die  Viertheil  auff  vier  Strassen,  der  Kopff 
vnnd  die  Hand  aber  am  Bruckenthurn  zu  Prag  aufgehefftet 
werden  soll.   Aber  auß  Gnaden   soll  jhm  das  Haupt    vnd    die 

*)  Lukas  Karban  von  Wolschan.  —  •)  Wolfganj;  Hoslauer. 
*  »)  Melchior  Teyprecht.  —  *)  Georg  Zav^ta  von  Zavgtitz.  —  *)  Paul  Peöka. 
•)  Kaspar  Uhler.  —  »)  Nikolaus  Diwisch.  —  8)  Wenzel  BoäeckJ. 
•)  Johann  Swehla.  —   "j  Johann  Kamaryt. 


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178 

rechte  Hand  abgehawen,  und  beydes  an  bemeltem  Thurn  auff- 
gesteckt  werden. 

2.  Herr  Wentzel  von  Budowitz,  der  Elter  *),  Appellation  Praesident 
vnd  gewesener  Director,  ist  eben  solcher  gestalt  wie  Graf 
Schlick  vervrtheilt,  Jedoch  jhme  auO  Gnaden  solch  sein  Vrtheil, 
allermassen  als  wie  bemeltem  Grafen,  gemildert  worden. 

3.  Herrn  Christoph  von  Harrant,  Böhemischen  Cammer  Praesi- 
denten  vnnd  genandten  Directom,  auß  Gnaden  mit  dem  Schwert 
zu  richten. 

Auß  dem  Ritterstand. 

4.  Bohußlaw  von  Michalowitz,  der  Elter,  Burggraf  deß  König 
Grätzer  Crayses,  vnnd  gewesener  Director,  soll  mit  dem 
Schwert  gerichtet,  vnnd  jhme  die  rechte  Hand  abgehawen,  auch 
beydes  am  Bruckenthurn  auffgesteckt  vnd  angenagelt  werden. 

5 .  Caspar  Kaplirz  obrister  Landschreiber  vnnd  genandter  Director, 
soll  enthauptet,  alsdann  geviertheilt,  vnd  die  vier  Stück  aufF  die 
Strassen  gehencket,  Aber  auß  Gnaden,  vnd  in  ansehung  Achtzig 
Jährigen  Alters,  soll  jhme  solch  Vrtheil  gemildert,  er  mit  dem 
Schwert  gerichtet,  vnd  sein  Kopf  zu  den  andern  auff  den 
Bruckenthurn  gesteckt  werden. 

6.  Heinrich  Otto  von  Loß,  Vnter  Burggraf  zu  Karlstein,  auch 
Böhemischer  Vnter  Cammerer  vnnd  genandter  Director,  hat 
lebendig  geviertheilet,  vnnd  die  Stück  obgehörtermassen  auß- 
gehenckt  und  auffgesteckt  werden  sollen.  Aber  auß  Gnaden 
ist  es  limitirt,  vnnd  er  solcher  gestalt,  wie  nächstvorstehender 
Kaplirz  zum  Todt  vervrtheilet  worden. 

7.  Procopius  Dworsetzky*)  Vnter  Land  Cammerer,  Vnd 

8.  Friderich  von  Bilaw')  Teutscher  Lehenshauptmann,  beide  ge- 
wesene Directores,  sind  zwar,  wie  obstehender  Kaplirz  ver- 
vrtheilet. Aber  doch  auß  Gnaden,  jhnen  jhre  Vrtheil,  gleich 
wie  demselben  gemildert,  vnnd  zum  Schwert,  sampt  aufsteckung 
des  Kopffs  condemnirt  worden. 

9.  Wilhelm  Konetz   von   Klumbsky*)   genandter  Director,   Vnnd 
10.  Dionysius  Tscheratin  *)  Schloßhauptmann  zu  Prag,  sollen  beyde 

auß  Gnaden  enthauptet  werden. 


*)  Wenzel  Budowetz  von  Budowa.  —  •)  Prokop  Dwofetzky  von  Olbramowitz. 
»)  Friedrich  von  Bila.  —  *)  Wilhelm  Konetzchlumsk^. 
*)  Dionys  Cernfn  von  Chudenitz. 


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179 


1 1 .  Valentin  Kochan, 

12.  Tobias  Steffegck*), 

13.  Christoph  Cober'),  der  Elter, 

14.  Johann  Theodorus  Sixt, 


Auß   dem   Burgerstand. 

Darunter  die  drey  ersten  ge- 
nandte  Directores,  soUii  mit  dem 
Schwert  gerichtet,  vnnd  die  Köpff 
auf  den  Bruckenthurn  gesteckt 
werden. 


15.  Johann  Schultheiß')  Primas  zu  Kuttenberg,  Vnd 

16.  Maximilian  Hosteligk*)  Primas  zu  Satz,  sollen  beyde  enthauptet, 
vnd  deß  ersten  Kopff  gen  Kuttenberg,  deß  andern  aber  gen 
Satz,  auff  die  Justicia  gesteckt  werden. 

17.  D.  Johann  Jessenius,  Medicus,  vnnd  ein  fiirtrefflicher  weyt- 
berühmbter  Kayserlicher  Orator,  auch  Professor  deß  Collegii 
Carolini  inn  der  Alten  Stadt  Prag,  ist  zwar  dahin  condemnirt, 
daß  jhm  die  Zunge  heraußgerissen,  vnnd  er  alsdann  lebendig 
geviertheilet  werden  sollen.  Man  hat  jhn  aber  auß  Gnaden 
vervrtheilet,  daß  jhme  die  Zunge  soll  abgeschnitten,  darauff 
mit  dem  Schwert  gerichtet,  hernach  in  vier  Stück  zerhawen, 
vnd  dieselben  vor  dem  Galgenthor  auff  die  Strassen,  der  Kopff 
aber  am  Bruckenthurn  auffgesteckt  werden. 

18.  Wentzel  Maschirofftzky »), 

19.  Heinrich  Bock«), 

20.  Elias  Rossin,  der  Elter, 

21.  Elias  Kotzaw'), 

22.  Georg  Stzetzischky  *), 

23.  Michel  Widmann, 

24.  Simon  Wockatschtz  ®), 

25.  Johann  Kuttenaw")  der  Alten  Stadt  Burgerhauptmann,  Vnnd 

26.  Simon  Sussitzßky  ^*)  deß  Rahts,  vnnd  im  Stewer  Ampt,  auch 
vor  diesem  Commissarius  über  das  Jesuiter  CoUegium,  Sollen 
beyde  auff  dem  Alt  Städter  Rahthauß  an  einem  zum  Fenster 
herauß  gehenden  Balcken  auffgehenckt  werden. 

27.  Nathaniel  Wodnianßky "),  soll  man  auff  dem  Altstädter  Platz 
an  die  Justiciam  hencken. 


Sollen  alle  sieben  auß  gnaden 

mit  dem  Schwert  gerichtet 

werden. 


»)  Tobias  StefFek.  —  »)  Christoph  Kober.  —  »)  Johann  Schultes. 
«)  Maximilian  Hogfölek.  —  »)  Wenzel  Maschtörowsky.  —  •)  Heinrich  Kozel. 
T)  Andreas  Kocour.  —  »)  Georg  fteöicky.  —  »)  Simon  Wokäö. 
*<>)  Johann  Kutnaner.  —  *»)  Simon  Suschicky.  —  **)  Nathanael  Wodfiansk^. 


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180 

Bey  solcher  Vervrtheilung  ist  auch  allemal,  vnd  bey  jedem  Ge- 
fangenen insonderheit,  (bey  denen  so  im  leben  gelassen  so  wol,  als 
denjenigen,  so  hernachher  justificirt)  zugleich  abgelesen  worden,  daß 
sie  Leib,  Leben,  Ehr,  Haab  vnd  Gut  verfallen  haben,  sollen  auch 
(innmassen  allbereit  geschehen,  jedoch  etlich  jhren  Gemahlen  vnd 
Weibern  jhr  zugebrachtes  Hejratgut  gelassen)  confiscirt  und  eingezogen 
werden. 

Als  nun  solcher  Actus  fiirüber,  vnnd  verrichtet  gewesen,  hat 
sich  der  Kayserliche  Procurator,  von  Jhrer  Kayserlichen  Mayestät 
wegen,  in  Teutscher  vnd  Böhemischer  Sprach,  bedanckt,  vnd  sind 
darauff  die  Herren  Commissarien  wider  nach  Hauß  gefahren,  die 
vervrtheilten  Personen  aber  sind  wiedervmb  inn  Gefängnussen  ge- 
führt, vnd  jhnen  vergünstigt  worden,  daß  sie  jederman  hat  besuchen, 
mit  jhnen  reden  vnd  sie  gesegnen  können,  So  balden  sie  aber  von 
der  vervrtheilung  in  die  Custodia  gelangt,  sind  vnterschiedlich  viel 
Jesuiten  baarweis  zu  jhnen  kommen,  vnd  haben  sich  hoch  bemühet, 
ob  sie  dieselben  (welche  condemnirte  Personen  alle,  außgenommen 
Herr  Wentzel  von  Budowitz.  so  Calvinisch,  vnd  Dionysius  Tscherin  *) 
so  Römisch  Catholisch  waren,  der  Evangelischen  Lutherischen 
Religion  zugethan  gewesen)  auflF  jhre  meinung,  zur  Bäpstlichen 
Glaubensbekandtnuß  bringen  vnd  bewegen  möchten,  sie  haben  aber 
an  einem  so  viel  als  am  andern,  vnd  inn  summa,  an  jhnen  allen 
nichts  außgerichtet,  vnnd  in  dem  sie  mit  Doctor  Jessenio,  in  beyseyn 
deß  Teutschen  Predigers  der  Augspurgischen  Confession,  M.  David 
Lippachs,  länger  als  ein  Stund  disputirt,  hat  er  jhnen  endtlich  dieses 
zur  letzten  Antwort  vnd  Abfertigung  gegeben,  was  er  seinem  HErm 
Christo  inn  der  Heiligen  TaufT  habe  zugesagt,  darauff  wolle  er  leben 
vnnd  sterben,  auch  solches  mit  seinem  Blut  willig  bezeugen. 

Man  hat  auch  den  Gefangenen  sämptlichen,  so  woln  Teutsche 
als  Böhemische,  Evangelische  vnd  Hussitische  Priester  biß  an  jhr 
Ende  zugelassen,  deren  sie  sich  auch  fleissig  gebrauchet  haben. 

An  obbemeltem  Sambstag  in  der  Nacht,  hat  man  über  obbemelte 
43  darunter  27  zum  todt  verdampte  Personen,  noch  zween  Gefangene 
folgender  gestalt  vervrtheilt,  nemblich: 

I.  Leander  Rüppel,  Chur  Pfältzischer  Heydelbergischer  geheimer 
Rath,  auch  anderer  Fürsten  Consulent  vnd  Agent,  vnd 


^)  Dionysius  Öernfn  von  Chudenitz. 

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181 

2.  Georg  Hauenschildt,  Appellation  Raht  Advocat  vnd  Commis- 
sarius,  soll  jhnen  beeden  die  Köpff  vnnd  rechte  Hand  abgehawen, 
auch  selbige  an  dem  Bruckenthum  auffgesteckt  vnd  angehefftet, 
vnd  zugleich  alle  jhre  Gütter  confiscirt  werden.  Dieweiln  man 
aber  diese  zween  mit  den  andern  Gefangenen  nicht  ins  Schloß 
gefuhrt,  als  hat  man  jhnen  jhre  Condemnation    nicht  wie  den 
andern  vorgelesen,   sondern   noch   dieselbige  Nacht  jhnen  jhr 
Vrtheil   schrifftlich   ins   Gefangnuß   geschickt,    vnnd   also   den- 
selben die  allemechst  vorstehende  Execution  angekündigt, 
Sontags  den  lo  (20)  Junij  zu  frühe  sind   viel  der  Vervrtheilten 
höchst  betrübte  Weiber,    Kinder,   vnd  Befreundte   zu   Ihrer  Fürstl. 
Gn.  von  Liechtenstein  gelauffen,  vnd  haben  für  jre  condemnirte  Herren, 
Männer,  Vätter  vnd  verwandtü  gantz   höchstflehentlich  vmb  Gnad, 
oder  doch  Linderung  der  Straff,  vnd  limitation  der  vrtheil  gebettcn, 
aber  gar  schlechten  Bescheid  erlangt. 

Selbigen  Sontag  hat  obbemelter  Teutsche  Lutherische  Prediger 
M.  Lippach,  inn  seiner  Predigt,  von  der  Cantzel  das  Volck  fleissig 
ermahnet,  sie  wollen  die  Gefangene  vnd  Verurtheilte,  in  jhr  Christ- 
liches Gebet  mit  einschliessen,  daß  jhnen  der  Allmächtige  GOtt  ein 
seliges,  standhafftiges  Christliches  Ende  verleyhen  wolle,  welches 
dann  von  Männiglich  hertzlich  geschehen,  vnnd  sehr  viel  Volcks  in 
der  Kirchen,  darüber  gewaynet  vnnd  geflehet,  hat  auch  solches,  so 
woln  das  hernach  von  Weib,  Kindern,  vnnd  viel  andern  mitleidenden 
Personen,  fast  vnauffhörlich  geführte  weheklagen,  weinen  und  heulen, 
ohn  hertzliches  bejammern  vnd  erbarmen  nicht  angesehen  und  gehöret 
werden  können,  die  Verurtheilten  aber,  sind  gar  getrost  vnd  willig 
zum  sterben  biß  in  jhren  Todt  gewesen. 

Nachmittags  in  der  Vesperpredigt,  hat  Doctor  Jessenins,  Leander 
Rüppel,  vnd  Georg  Hauenschildt,  Männiglichen,  im  Fall  sie  jemand 
etwas  zuwider  gethan  hatten,  vmb  Christliche  Verzeihung  bitten 
lassen. 

Gegen  Abend  hat  man  die  aufgeschlagene  Bühn  über  vnnd 
über,  so  woln  auff  den  selten,  auch  gegen  dem  Rahthauß  etliche 
Elen  hoch,  mit  schwartzem  Tuch  überzogen,  vnd  als  es  auff  der 
BcSiemischen  Vhr  24  geschlagen,  hat  man  alle  verurthcilte  Personen 
vom  Schloß,  auff  acht  Gutschen,  herunter  in  die  Alte  Stadt  gebracht, 
vnd  sie  mit  zwey  Comet  Reutern  vnd  ein  Fähnlein  Fußvolck  be- 
glaytet,    deßgleichen   ist  auch  mit   den  Newstätter  Gefangenen   her- 


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182 

nach  geschehen,  vnd  haben  in  dieser  Nacht  alle  Compagnien  Reutter 
vnd  Fußvolck,  aufF  vnterschiedlichen  Plätzen  zu  Prag,  die  Wacht 
halten  müssen.  Die  Verurtheilten  aber,  haben  selbige  gantze  Nacht, 
biß  deß  Morgens  frühe  die  execution  ergangen,  mit  inbrünstigem 
hertzlichen  Gebet  vnd  singen  gantz  Christlich  vollendet  vnd  zuge- 
bracht. 

Montags  den  ii  (21)  Junij  zu  frühe,  als  es  der  Teutschen  Uhr 
nach  vor  fünffe  gewesen,  hat  man  zu  Prag  am  Himmel,  zwen  schöne 
Regenbogen,  so  Creutzweiß  über  einander  geschrenckt  gewesen,  ge- 
sehen, Was  solche  bedeuten,  ist  GOtt  bekandt,  allein  wird  darvon 
vnterschiedlich  discurrirt  vnd  judicirt,  vnd  haben  vmb  selbige  zeit, 
wie  auch  die  gantze  Nacht,  vnd  so  lang  die  hernach  gefolgte  Exe- 
cution gewäret,  zwey  Cornet  Reuter  vnd  drey  Fähnlein  Fußvolk  auff 
dem  Ring  beym  Rahthauß  gehalten,  vnnd  als  die  Glocken  fünffe 
geschlagen,  ist  auff  dem  Schloß,  auß  einem  grossen  Geschütz,  ein 
Losungsschuß  geschehen,  darauff  alsobalden  alle  Pforten,  wie  auch 
das  Bruckenthor  zugesperrt,  vnd  der  Schutzgatter  herabgelassen; 
auch  die  Execution  vor  die  Hand  genommen  worden. 

Auff  dem  Althan,  neben  der  auffgerichteten  Bühn  sind  die 
Kays.  Richter,  sampt  der  drey  Präger  Stadt  Rahtsverwandte  ge- 
sessen, die  3  Kays.  Richter  aber  haben  hernachher  einen  nach 
dem  andern  zur  Wahlstadt  auff  die  Bühn  begleidet,  daselbst  hin 
hat  ein  verkappter  Herrndiener  ein  Crucifix  gesteckt,  darbey  die 
Verurtheilten  auff  ein  schwartzes  Tuch  nidergeknyet,  vnnd  jhre 
aufferlegte  Lebensstraff  mit  .grosser  gedult  außgestanden  haben, 
vnter  wärender  Execution  aber,  hat  man  zu  allernechst  an  der 
Wahlstadt  bey  dem  Fußvolck  (welche  sampt  der  Reutterey  die 
Bühne  in  einer  Ordnung  umgeben  vnnd  eingeschlossen  hatten)  auff 
etlichen  Trommeln  dermassen  geschlagen,  daß  keiner  seines  eigenen 
Worts  hören;  noch  vernemen  können. 

Erstlich  ist  Herr  Graf  Schlick,  in  einem  schwartz  seidenen  Rock, 
vnd  inn  der  Hand  ein  Gebetbuch  haltent,  gar  getrost,  vnd  mit  hertz- 
lichem Gebet  (gantz  frey  vnd  vngebunden,  wie  auch  die  andern  alle, 
so  an  solchem  Ort  justificirt  worden)  auff  die  Bühn  gangen,  allda 
hat  jhn  sein  Diener  oberhalb  deß  Leibs  abgezogen  vnnd  entblöset, 
darauff  hat  der  Graf  auff  das  Tuch  nider  geknyet,  vnd  mit  grosser 
gedult  vnd  wahrer  anruffung  Gottes,  sein  Haupt  dargestreckt,  nach 
dessen  abschlagung   (so   gar  geschwind  geschehen)   hat   deß  Grafen 


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183 

Diener,  dessen  rechte  Hand  auff  ein  Stöcklein  gelegt,  welche  der 
Nachrichter  auch  abgehawen,  vnd  neben  dem  Haupt  in  seine*  Ver- 
wahrung genommen,  der  Leib  aber  ist  ins  Tuch,  darauflF  er  justificirt, 
gewickelt,  vnd  von  6  schwartzen  verkappten  Personen  (so  Herrndiener 
gewesen  seyn  sollen,  vnd  in  langen  schwartzen  Röcken,  schwartzen 
Hüten  bedeckt,  vnd  im  Angesicht  mit  Tuch  verkappt  gewesen,  daß 
man  sie  nicht  kennen  können)  vom  Theatro  hinweg  getragen,  also 
der  decoUirte  Leichnamb  vom  Hencker  nit  angerüret,  auch  auff 
diese  manier  mit  allen  viervndzwaintzigen,  so  man  mit  dem  Schwert 
gerichtet  (außer  Doct.  Jessenio),  gehalten:  vnnd  so  offt  einer  hinge- 
richtet :  dem  hernachfolgenden  all  wegen  ein  newes  Tuch  auffgebreitet 
worden. 

Nach  Herrn  Graf  Schlicken  ist  Herr  Budowitz  (der  Calvinistischen 
reformirten  Religion)  ohne  Priester  auf  die  Bühne  getretten,  derselbe 
hat  gleicher  gestalt  sein  Gebett  fleissig  verrichtet,  und  ist  darauff 
das  über  jhne  decernirte,  hieobenstehende  Vrtheil  an  jhme  exequirt, 
auch  folgends  die  noch  übrigen  zweyvndzwaintzig  Personen,  gleicher- 
massen  ein  jeder,  deren  über  jhne  gesprochene  vnd  allbereits  be- 
schriebene vrtheil  an  jhnen  vollzogen,  auch  so  offt  einer  decollirt 
vnd  hingerichtet  gewesen,  da  haben  die  sechs  verkappten  Männer 
den  Leichnamb  abwegs  getragen,  vnd  hingegen  zwen  andere  der- 
gleichen Männer  ein  newes  Tuch  aufgebreitet,  vnd  sind  die  ver- 
vrtheilten  alle  nach  einander  ganz  getrost,  Christlich,  seliglich  vnd 
mit  hertzlichem  Gebet,  vnter  jhnen  aber  Dionisius  Tscherin  *)  (welcher 
mit  einem  Probst  vnd  Jesuiten,  die  andern  aber  alle,  ausser  dem 
Budowitz,  mit  Evangelischen  Priestern  auff  der  Bühne  erschinen) 
auff  Römisch  CathoKsch  gestorben. 

Als  nun  Doctor  Jessenius  auff  die  Bühne  kommen,  hat  jhme 
der  Nachrichter  alsobalden  die  Hände  auff  den  Rücken  gebunden, 
hernacher  jhme,  als  er  niedergeknyet,  die  Zung  mit  einem  Zänglein 
herauß  gezogen,  dieselbe  abgeschnitten,  vnnd  darauff  jhne  enthauptet, 
welche  seine  aufferlegte  Lebensstraff  er  mit  gar  grosser  Geduld  vnnd 
Beständigkeit,  mit  vorhergehender  hertzlicher  Anruffung  Gottes  er- 
litten vnd  außgestanden. 

Hat  also  der  Pragerische  Nachrichter  24  Personen  enthauptet, 
vnd  solches  mit  vier  Schwertern  verrichtet,  mit  dem  ersten  hat  er 
eylff,  mit  dem  andern  funff,  vnd  mit  den  übrigen  zweyen  Schwertern 

*)  Recte  Dionysius  Cernfn  von  Chudenitz. 

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184 

acht  justificirt,  auch  nie  keinen  Fehlstraych  gethan,  sondern  allwegen 
den  Kopflf  geschwind  abgehawen. 

Auff  solches  hat  er  den  überigen  dreyen  Personen,  so  zu  dem 
Strang  vervrtheilt  gewesen,  auflf  dem  Platz  die  Hände  auff  den 
Rucken  gebunden,  vnnd  die  ersten  zweene  an  einen  Balcken  zum 
RahthauO  heraufi,  den  dritten  aber  an  die  Justicia  auffgehenckt, 
vnnd  also  mit  seiner  Hand,  jnner  vier  oder  fiinffthalben  Stunden 
an  einem  Tag  27  Personen  vom  Leben  zum  Todt  hingerichtet. 

Vnnd  ist  solche  Execution  von  männiglichen  mit  höchstem  er- 
barmen vnd  Christlichem  Mitleyden  angesehen  worden,  daß  auch 
viel  Leut  mit  weinen  vnd  heulen  sich  allenthalben  stark  hören  lassen. 
Welche  execution  dann,  vmb  so  viel  desto  elendlicher  anzuschawen 
gewesen,  weiln  die  Vervrtheilten,  ohn  ansehung  jres  theils  hohen 
Standes,  vnd  sehr  großen  Alters,  darunter  fast  der  mehrertheil 
schöne  grawe  Häupter  vnd  weise  Bart,  vnter  welchen  zehen,  ihr 
Alter  zusammen  gerechnet,  auff  sieben  hundert  Jahr  alt  gewesen, 
jhr  Leben  also  elendlich  haben  auffgeben  müssen:  Sie  sind  aber  alle 
miteinander  gantz  Christlich,  fröhlich,  willig,  standhafft  vnnd  gedultig, 
also  daß  sich  männiglich  darüber  höchlich  verwundert,  vnd  in  der 
Zahl  25  auff  die  Evangelisch  Lutherisch,  einer  Calvinischer,  vnnd 
einer  Papistischer  Religion,  seliglich  gestorben,  GOtt  gnade  jhren 
Seelen,  Amen. 

Elias  Rossin  der  Elter,  vnnd  Johann  Theodorus  Sixt,  haben 
zwar,  wie  obstehet,  auch  gericht  werden  sollen,  sind  aber  so  weit 
erbeten,  biß  Jhre  Kays.  Mayest.  nach  Prag  gelangen,  was  sie  als- 
dann mit  jhnen  ferrner  verordnen  möchten. 

Vnnd  hat  der  Nachrichter,  außer  D.  Jessenio,  vnnd  den  dreyen, 
so  er  mit  dem  Strang  justificirt,  sonsten  keinen  mit  der  Hand  an- 
gerürt,  sondern  sie  haben  sich  selbsten  mit  Hilff  jhrer  Diener  ent- 
blösset,  vnnd  willig  in  Todt  gegeben,  die  Köpff,  so  bald  einer  vor- 
handen gewesen,  wie  auch  die  abgehawenen  Hände,  hat  dessen 
Knecht  hinweg  in  Verwahrung  getragen,  vnnd  sind  derselbigen 
zwölff  auff  dem  Bruckenthurn,  auff  jeder  seyten  sechs  auffgenagelt, 
vnnd  etlichen  die  Hand  auff  den  Kopff  gelegt.  Deß  Leander  Ruppels 
Hand  aber  ist  am  Altstädter  Rahthauß  an  Pranger  genagelt.  Her- 
nacher  D.  Jessenii  todter  Cörper  vor  dem  Galgenthor  geviertheilt, 
vnd  die  Stück  daselbsten  auff  die  Strassen  gesteckt  worden. 

Die  übrigen  Cörper  hat  man  den  hindterlassenen  Wittfrawen 
(deren    allbereit    sechs    vor    grossem    Hertzenleyd    gestorben)   vnnd 


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185 

jhren  Kindern  hinauß  gegeben.  Vnd  obwoln  deß  Ruppels  Kopff  auch 
hat  auffgesteckt  werden  sollen,  auch  solcher  schon  beyseits  gethan 
gewesen,  hat  man  doch  denselben  neben  dem  Leib  abfolgen  lassen. 

Dem  Herrn  Budowitz  ist  die  Hand  nicht  abgehawen,  dem  Graf 
Schlicken  aber  die  abgehawene  Hand  im  auflfstecken  auff  den  Mund 
gelegt.  Sind  also  in  allem  zwölff  Kopff,  nemlich  Graf  Schlicken, 
Budowitz,  Michalowitz,  Kaplirz,  Dworsetzky,  Loß,  Bilaw,  Kochan, 
Steffetschtz,  Cober,  Jessenii  vnnd  Hawenschildts:  Sodann  offtgedachts 
Graf  Schlicken,  Michalowitz,  Ruppels  vnnd  Hawenschildts  Hände  auf- 
genagelt worden. 

Folgenden  Dienstags  ist  Niclas  Diebis,  seinem  Vrtheil  nach, 
mit  der  Zungen  eine  Stund  an  der  Justicia  angenagelt  gestanden, 
derselbe  hat  neben  andern  oben  bemelten,  nachmals  an  Ketten  ge- 
schmiedet, vnnd  gen  Raab  ins  Gefängnuß  geführet  werden  sollen,  so 
ist  er  aber  deß  andern  Tags,  wegen  außgestandener  großer  Qual 
vnd  Marter,  gestorben.  An  selbigem  Dienstag  sind  auch  die  hie 
oben  benandten  beyde  Procuratores  vnd  ein  Altstädter  Rahtsdiener, 
mit  Ruten  außgehawen,  vnd  deß  Lands  ewig  verwiesen  worden. 

Mitwochs  den  13  (23)  Junij  bey  der  Nacht,  ist  auff  der  seyten 
gegen  der  Brücken,  der  eine  auffgesteckte  Kopff  herab  gefallen,  daß 
kein  Mensch  weiß,  wie  er  mag  herabgekommen  seyn,  so  kan  man 
auch  nicht  mehr  wissen,  welcher  justificirten  Person  derselbe  ge- 
wesen, doch  ist  er  zu  früh  wider  hinauffgesteckt  worden. 

Donnerstags  den  14  (24)  dito,  hat  Herr  M.  Lippach  in  der 
Teutschen  Kirchen  eine  schöne,  herrliche  Dancksagung  gethan,  vnd 
vermeldet  daß  Gott  der  Gefangnen  vnd  Abgeleibten,  so  woln  anderer 
frommer  Christen  hertzliches  Gebet,  so  gnädig  erhöret,  vnd  den  Ver- 
vrtheilten  so  gewaltige  grosse  Gnade  bey  jhrer  letzten  Hinfahrt 
erzeigt,  auch  sie  in  Beständigkeit  jhres  Glaubens,  inn  gewisser  Hoff- 
nung, Christlicher  Lied,  hertzlichem  Gebet  zu  Gott,  vnd  grosser  Ge- 
dult,  biß  inn  jhren  Todt  erhalten,  vnd  folgendts  als  selig  abgeschiedene 
Christen,  der  Seelen  nach,  allbereit  ins  ewige  frewdenreiche  Leben, 
auffgenommen  habe,  Vnd  gleich  wie  der  Hirsch  nach  frischem  Wasser 
schreyet,  also  haben  sie  ein  verlangen  nach  dem  zeitlichen  Todt, 
vnnd  Abscheidung  auß  jhrem  Elend  gehabt,  vnd  über  aller  Menschen 
Gedancken,  auch  männiglichs  höchster  Verwunderung,  solch  jhr  seligs 
Sterbstündlein  gantz  williglich  ergriffen. 

Doctor  Lück,  Doctor  Georg  Friderich  vnnd  andere  Gefangene, 
sollen   nach  Verfassung  jhrer  Vrtheil,    inn    kurtzem    auch    gerichtet 


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werden.  Iimmassen  man  außgibt,  als  ob  die  nächste  Wochen  nach 
obiger  Execution  etliche  Personen  auff  der  Kleinen  Seiten  zu  Prag 
justificirt  werden  sollen:  So  werden  allgemach  noch  stäts  mehr  einge- 
zogen, vnd  wie  man  sagt,  sollen  schon  allbereit,  eine  gute  Anzahl 
Personen  im  schwartzen  Register  notirt  und  aufifgezeichnet  stehen. 
Die  Kays.  Mayest.  soll  in  drey  Wochen  selbsten  allhier  seyn,  als- 
dann werde  man  ferrner  procediren,  Was  zu  deroselben  Ankunfft  es 
für  Ordnung  geben  wird,  öffnet  die  Zeit.  Gott  helffe,  daß  nunmehr 
alles  Vnheil  fürüber  seyn,  vnd  die  liebe  Sonne  wider  ein  mal  scheinen 
möge,  Inn  dessen  Göttliche  Gnade  ich  den  günstigen  Leser  hiemit 
trewlich  befehlen  thue. 

Ende. 

Soweit  reicht  unsere  Schrift.  Es  sei  noch  erwähnt,  dass  dieselbe 
Schilderung  der  Execution,  die  wir  soeben  angeführt  haben,  in  einer 
anderen  gleichzeitig  erschienenen  Brochure  enthalten  ist,  die  sich 
unter  dem  Titel:  , Prägerische  Execution,  Das  ist,  Gründliche  Rela- 
tion, Was  massen  vnd  Gestalt  auff  Befelch  der  Rö.  Kays.  Mayest.  &c. 
Wider  die  Böhemischen  vermeinten  Directores,  vnd  andere  gefangene 
Personen,  Montags  den  ii.  (21.)  Junii,  dieses  1621.  Jahres,  in  der 
Königlichen  Hauptstadt  Prag,  die  Execution  angestelt  vnd  vollzogen 
worden.  Mit  angehengter  Dancksagung,  So  Herr  M.  David  Lippach 
Evangelischer  Deutscher  Prediger  in  der  alten  Stadt  Prag,  in  der 
newen  Kirchen  zum  Salvator,  am  Tage  S.  Johannis,  nach  verrichter 
Predigt,  gehalten.*  —  in  der  Bibliothek  des  böhmischen  Museums 
zu  Prag  befindet.  Diese  ^^Dancksagung*  lautet  folgendermassen : 

^Jnsonderheit  erjnnern  wir  vns  jetzt  billich,  was  GOTT  sagt  im 
50.  Psalm:  Ruffe  mich  an  in  der  Zeit  der  Noht,  so  wil  Ich  dich 
erretten,  so  solt  du  Mich  preysen.  Nun  haben  wir  jhn  am  ver- 
gangenen Sontag,  allhier  in  vnser  Kirchen  auch  öffentlich  angeruffen, 
daß  sein  Barmhertzige  Allmacht,  sich  der  gefangenen,  sonderlich 
derer,  die  zur  Execution  verurtheilt  gewesen,  gnedig  erbarmen,  jhnen 
jhre  Sünde  vmb  Christi  willen  verzeihen,  darneben  mit  seines  heiligen 
Geistes  Trost,  Krafft  vnd  Stercke  erfüllen,  jhnen  seinen  Väterlichen 
Willen  zu  erkennen  geben  wolle,  damit  sie  durch  seine  Gnade,  in 
allerley  Marter,  Gedultig,  Getrost,  Frewdig,  vnd  Beständig  sich  er- 
zeigen, in  Christo  mit  festem  Glauben  bleiben,  vnd  endlich  die 
frewdenreiche  Cron  der  Ehren  vnd  ewigen  Seligkeit  davon  bringen 
möchten:  Nun  aber  der  fromme  GOTT,  der  da  reich  ist  vonBarm- 


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hertzigkeit,  vnd  erhöret  gnedig  alle,  die  jhn  anruffen,  thut  auch  was 
die  Gottesfurchtigen  begehren,  Sie,  die  gefangene,  sambt  vns  so 
gnediglich  erhöret  hat,  daß  wir  Augenscheinlich,  die  erfiillung  seiner 
verheischung,  an  jhrem  Glauben  vnd  beständigkeit,  wahrer  Gedult 
vnd  Hoffnung,  Krafft,  Trost  vnd  Christlicher  Frewdigkeit  erkennen 
können,  so  dancken  wir  nu  billich,  so  lange  wir  leben,  sambt  vnd 
sonders  dem  grossen  GOTT,  vor  diese  seine  vnaußsprechliche  Wol- 
that,  daß  Er  Jhre  Hertzen  vor  aller  falschen  jrrigen  vnd  verführischen 
Lehr  so  gewaltiglichen  verwahret,  mit  seinem  heyligen  Geist,  dem 
Geist  der  Warheit,  dem  rechten  einigen  Tröster,  sie  vber  die  Maß, 
wie  die  Heiligen  Märterer,  erfüllet  hat,  daß  sie  nichts  gefurchtet, 
sondern  alß  der  dürstige  Hirsch  nach  dem  frischen  Wasser,  vnd  wie 
die  wütige  Löwen  zu  dem  Kampff,  allso  auch  sie  zu  der  ewigen 
frewden  Cronen  nach  einander  geeylet  haben,  weil  sie  auch  alle- 
sampt,  bevor  auß  aber  die  sich  zu  vnserm  Teutschen  Predigampt 
gehalten,  gebeten  haben,  von  E.  Liebden  einen  freundlichen  Christ- 
lichen abschied  zunehmen,  sie  zu  guter  letzte  jhrentwegen  zugesegnen, 
vnd  der  Göttlichen  Väterlichen  bewahrung  hier  in  diesem  Leben, 
vnd  streitenden  Kirchen,  zubefehlen,  Der  vngezweiffelten  Hoffnung, 
dass  sie  vnserer  hernachfahrt  dort  im  ewigen  frewden  Leben  vnfehl- 
barlich  vor  dem  throne  GOTTes  erwarten  wollen!  Also  habe  ich 
solches  ewer  Christ.  Liebden,  alß  jhren  Brüdern  vnd  Schwestern,  in 
dem  HErrn  Christo  billich  anmelden  sollen  vnd  wollen.  Der  Barm- 
hertzige  Vater  Abraham,  der  sie  jetzt  reichlich  tröstet  in  seinem 
Schoß,  mit  vnausschrechlicher  Frewde,  die  kein  Aug  gesehen,  kein 
Ohr  gehöret,  vnd  die  in  keines  Menschen  Hertze  kommen  ist,  ver- 
kläret sie  von  einer  Klarheit  zu  der  andern,  erfüllet  sie  mit  Frewden, 
vnd  lieblichen  Wesen,  zu  seiner  Rechten  jmmer  vnd  ewiglich,  wolle 
in  der  Aufferstehung  der  Gerechten,  auch  jhre  heilige  Leiber  sampt 
vns  vnd  allen  Außerwehlten  zum  ewigen  Leben  aufferwecken,  in- 
mittelst nachmals  jhrer  hinderlassene  betrübte,  mit  vns  allen  gnedig- 
lichen,  mit  Göttlichen  Trost  erfüllen,  seinen  Göttlichen  willen  zu 
erkennen,  vnd  gehorsamlichen,  in  Lieb  vnd  Leid  zu  folgen,  vmb 
seines  heiligen  Namens  ehre  willen,  Amen.* 

Wir  fügen  noch  hinzu,  dass  diese  Aussage  des  M.  Lippach  von 
der  Standhaftigkeit  und  Ausdauer,  mit  welcher  unsere  Märtyrer  dem 
Tode  entgegengingen,  in  sämmtlichen  gleichzeitigen  Berichten  be- 
stätigt wird. 


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XVI. 

Der  Zug  der  österreichischen  Geistlichen  nach  und 

aus  Sachsen. 

Von  Pfarrer  SCHEUFFLER  in  Lawalde  (Sachsen). 

II.    (Fortsetiung.)  i\ 

XVIL  Böhmen. 
Bei  einer  grossen  Anzahl  von  Geistlichen  ist  uns  nur  bekannt, 
dass  sie  ,aus  Böhmen*  stammen  oder  ,in  Böhmen*  amtirt 
haben.  Wir  theiien  ihre  Namen  mit  in  der  Hoffnung,  dass  es  einem 
oder  dem  anderen  der  geehrten  Leser  möglich  ist,  ihre  Herkunft 
oder  ihren  Wirkungskreis  genauer  anzugeben.  Wir  führen  sie  in 
alphabetischer  Reihenfolge  auf: 

43.  Johann  Busch,  bis  Ostern  1558  Pfarrer  in  Böhmen;  dann 
bis  1569  Pf.  in  Dorf  Wehlen  (Sachsen);  er  zog  1569  nach  Ditters- 
bach  bei  Stolpen,  wo  er  noch  im  selben  Jahre  starb.  (Kr.  531 
und  briefliche  Mittheilung  desselben,  wornach  die  Angabe  KG. 
IV,  136:  dass  Busch  18.  December  1568  zu  Wehlen  verstorben 
und  vor  dem  Altare  begraben,  zu  berichtigen  wäre.) 

44.  Georg  Eger  aus  Radeberg,  1616  Pf.  zu  Rengersdorf  a.  Queiss, 
jetzt  preussische  Oberlausitz  —  161 7  Pf.  in  Rennersdorf  bei  Herrn- 
hut —  ist  ganz  kurze  Zeit  Pfarrer  irgendwo  in  Böhmen  gewesen; 
schon  16 19  ist  er  zu  Bischdorf,  einer  erbländischen  Enclave  in  der 
Oberlausitz,  von  wo  er  1630  vertrieben  worden  sein  soll.  {Kr.  432: 
von  ihm  selbst  brieflich  berichtigt,  zugleich  Berichtigung  von  KG. 
Oberl.   196.) 

45.  Georg  E  n  g  1  e  r ,  Pfarrerssohn  aus  Burkhardtsdorf  bei 
Chemnitz,  1596  bis  1603  Grimmenser,  wurde  Pf.  in  Böhmen,  ver- 
trieben etwa  1628,  fand  in  genanntem  Jahre  Anstellung  als  Diakonus 


*)  Vgl.  Jahrb.  1885.  S.  127—140. 


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zu  St  Petri    in  Rochlitz,    f  1663    als    Pfarrer   zu  Doberschütz   bei 
Delitzsch,  >vo  er  seit  1638  wirkte.  (Kr.  436.  GA.  jy.  KG.  X,  222.) 

46.  Clemens  Fischer  aus  Niederbobritzsch  bei  Freiberg,  hat 
zweimal  in  Böhmen  fungirt:  zuerst  etwa  1550—60,  war  bis  1566  Pf. 
zu  Tannenberg  bei  Annaberg,  dann  bis  1568  zu  Dorfchemnitz  bei 
Frauenstein.  Nach  einer  abermaligen  Wirksamkeit  in  Böhmen  1569 
bis  1573  kehrte  er  nach  Dorfchemnitz  zurück,  wo  er  die  Concor- 
dienformel  unterschrieb  als  j^ Clemens  Piscator*  und  1594  verstarb. 
(Kr.  503.  KG.  II,  245.  XII,  168.) 

47.  Abraham  Hermann  (Kr.  80):  war  aus  Böhmen  als  Pfarrer 
vertrieben,  amtirte  1624 — 31  zu  Crostau  in  der  Oberlausitz,  wurde 
auf  eine  uns  nicht  bekannte  Stelle  versetzt. 

48.  Herpestus  oder  Herbst  wurde  nach  seiner  Vertreibung 
CoUaborator  (Schul gehilfe)  zu  Grossenhain;  1627  ward  ihm  zu  Geising 
in  Sachsen  ein  Sohn  Paulus  geboren,  der  in  Sachsen  Lehrer  und 
Pfarrer  wurde  (Kr.  482)  und  an  mehreren  Orten  fungirte.  In  Geising 
hatten  (KG.  IV,  24)  damals  nicht  wenige  böhmische  Geistliche  ihren 
Zufluchtsort  gesucht,  sie  werden  noch  £rwähnung  finden. 

49.  Nikolaus  Holfeld  aus  Schandau,  1591  Pförtner,  ist  Pf.  in 
Böhmen  gewesen. 

50.  Tobias  Kalbersperger  oder  Kelbersperger  —  auch, 
wohl  irrig,  Halbersperger  —  aus  Eisleben  soll,  ehe  er  in  den 
1570er  Jahren  Pf.  zu  Tannenberg  bei  Annaberg  wurde,  Rector  oder 
Schulmeister  zu  Oberwiesenthal  an  der  böhmischen  Grenze  und  Pf. 
in  Böhmen  gewesen  sein.  1578 — 1608  wirkte  er  als  Pf.  zu  Königs- 
walde bei  Annaberg.  (Kr.  243  [zu  berichtigen].  503.  KG.  XII,  127. 
148.   168.) 

Kammerhofer  ist  schon   erwähnt  1885,    S.  130  unter  II,  3. 

51.  M.  Johann  Kunad  (Kunat)  aus  Grimma,  dort  1573—79 
Fürstenschüler,  ist  bis  zu  seiner  Vertreibung  1599  Pf.  in  Böhmen 
gewesen.  Seitdem  wirkte  er  in  Marienberg  im  sächsischen  Erzgebirge 
bis  zu  seinem  i.  April  1638  erfolgten  Tode,  seit  1600  als  Diakonus, 
s.  1607  als  Pfarrer.  (Kr.  319.  GA.  40.  KG.  XII,  326  f.)  Er  hat  in 
Marienberg  viel  Unglück  erlebt,  Brand,  Plünderung  und  Seuchen, 
wie  solches  der  3qjährige  Krieg  mit  sich  brachte. 

52.  Albert  Lauterbeck,  geb.  1580  in  Annaberg,  1605  Rector 
in  Oberwiesenthal,  1609  Sextus  in  seiner  Vaterstadt,  war  dann  bis 
1621,  wo  er  vertrieben  wurde,  böhmischer  Pfarrer.    Erst  1628  fand 

Jahrbuch  des  Protestantismus  x886.  H.  IV.  ^  i 


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190 

er  wieder  als  Rector  in  ßuchholz  einen  Wirkungskreis.    Im  J.  1634 
wurde  er  daselbst  Pfarrer  und  starb  1666.  (Kr.  S.  56.  KG.  XII,    148.) 

53.  Andreas  N  au  Witze  r  aus  Mittweida,  1569 — 75  Grimmenser, 
Pf,  in  Böhmen.  (GA.  S.  33.) 

54.  Jakob  Nessel,  einer  der  böhmischen  Geistlichen,  weiche  als 
Exulanten  in  Geising  lebten,  hatte  das  Unglück,  dass  sein  Sohn  am 
7.  August  1629  von  kaiserlichen  Soldaten  zu  Lauenstein  erschossen 
wurde:  so  KG.  IV,  24.  Aber  die  angegebene  Jahrzahl  ist  ent- 
schieden unrichtig,  da  in  genanntem  Jahre  zwischen  Ferdinand  II.  und 
Johann  Georg  I.  noch  kein  Kriegszustand  bestand. 

55.  Johann  Pflösser  wurde  1624  exilirt,  war  1627— 1628  Pf. 
zu  Neuhausen  im  Erzgebirge.  (Kr.  350.  KG.  XII,   165.) 

56.  Andreas  Prätorius  oder  Schultheiss  aus  Maschau  in 
Böhmen  ward  1553  Prediger  zu  St.  Katharinen  und  Schlossprediger 
in  Zwickau,  1560  Pf.  in  Lössnitz  im  Schönburgischen,  1564  Prediger 
in  Greiz,  1568  dgl.  in  Schneeberg  —  nicht  dem  sächsischen  — 
1575  Geistlicher  in  Böhmen.  (Kr.  573.) 

57.  Georg  P reusler  aus  Marienberg,  1577  Pförtner  Fürsten- 
schüler, ist  ebenfalls  Geistlicher  in  Böhmen  geworden. 

58.  Michael  Röling  (Rohling)  aus  Glashütte,  1597  Afraner, 
Geistlicher  in  Böhmen,  1624  vertrieben,  wirkte  1627 — 1633  zu  Wilsch- 
dorf  bei  Stolpen,  wo  er  i.  October  verstarb.  (Kr.  543.  AA.  82. 
KG.  VII,  85.) 

59.  60.  Paul  und  Thomas  Schönherr  aus  Marienberg,  1557 
bez.  1579  Pförtner,  sind  Geistliche  in  Böhmen  geworden. 

61.  Johann  Thaddäus,  exilirter  evangelischer  Geistlicher  aus 
Böhmen,  war  1630 — 1652  zweiter  böhmischer  Prediger  in  Zittau. 
(Kr.  562.  KG.  XI,  195.)  Als  er  am  13.  Januar  starb,  begrub  man 
ihn  Abends  9  Uhr  im  Kreuzgange  des  Klosters,  in  dem  die  böhmische 
Kirche  später  errichtet  ward,  da  er  als  ^Calvinist*  eines  öffentlichen 
Begräbnisses  nicht  würdig  erschien.  Dietmann,  Priesterschaft  der 
Sechsstädte,  S.  404,  wo  man  ihn  erwarten  sollte,  findet  man  ihn  nicht. 

62.  Johann  Zeisig  (Zeyßig)  aus  Zwickau,  1540  Pf.  in  Rein- 
hardsdorf,  1545  dgl.  im  benachbarten  Schandau,  ging  1553  nach 
Böhmen,  wo  er  1555  verstarb.  So  berichtigt  Kr.  die  Angaben  seines 
Albums,  S.  429.  KG.  IV,  72.  iii. 

Neben  20  Geistlichen  stehe  noch  ein  Schulmann: 


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191 

63.  Malachias  Schmidt  aus  Chemnitz,  1555  Pförtner,  ward 
Organist  in  Böhmen  und  starb  durch  einen  Sturz  vom  Pferde. 

Nicht  minder  können  wir  von  einer  Anzahl  Exulanten  nur 
angeben,  dass  sie  , böhmische  Exulanten*  gewesen,  ohne  dass  uns 
ihre  Herkunft  genauer  bekannt  gewesen: 

64.  Georg  Bierling,  ein  , Exulant  aus  Böhmen*,  wurde  in  den 
1580er  Jahren  wendischer  Pfarrer  zu  Guttau  in  der  Oberlausitz,  in 
welchem  Amte  ihm  sein  Sohn  folgte.  Auch  mehrere  Enkel  von 
ihm  waren  wendische  Geistliche.  (Kr.  196.) 

65.  M.  Johann  Hartwitzius,  böhmischer  Exulant,  wurde  1638 
Pfarrer  zu  Dabrun,  Diözes  Wittenberg,  was  er  aber  nur  bis  1639 
blieb,  da  er  nicht  deutsch  konnte.  Seitdem  lebte  er  in  Wittenberg, 
starb  auch  dort. 

66.  Martin  Laurentius  aus  Böhmen  war  von  1564  an  kurze 
Zeit  Pfarrer  zu  Taubenheim  in  der  Oberlausitz.  (Kr.  504.) 

6y.  Balthasar  Marsch n  er  aus  Böhmen,  Diakonus  in  Schluckenau, 
1624  von  dort  vertrieben,  wird  163 1  Pf  in  Berga  bei  Weida,  1632 
in  Lössnitz,  1645  in  Hartenstein  (letztere  beide  Orte  sind  Schön- 
burgisch).  (Kr.  309.) 

68.  Johann  Mirus,  ein  Exulant  aus  Böhmen,  war  1634 — 1658 
Pf.  zu  Wittgensdorf  bei  Chemnitz.  (Kr.  545.  KG.  VIII,  158.) 

69.  Simon  Morgenstern,  , aus  Böhmen  vertrieben*,  war  vorher, 
seit  1607,  Cantor  und  Rector  in  Dippoldiswalde  gewese».  Nach 
seiner  Vertreibung  war  er  1626 — 1628  Pf.  in  Possendorf  bei  Dresden, 
wo  er  25.  März  1628  starb.  (Kr.  411.  KG.  IV,  191.) 

70.  David  Rivius  aus  Böhmen,  1630 — 40  Pf.  in  Taubenheim 
bei  Neusalza,  soll  1640  wieder  nach  Böhmen  gezogen  sein,  als 
Pfarrer  zu  Gräbern,  was  freilich  höchst  unwahrscheinlich  ist.  (Kr.  504. 
KG.  Oberl.  280.) 

71.  Niklas  Wolf  aus  j^Böhmen*  ist  1553 — 1555  Pf.  zu  Neu- 
kirchen bei  Chemnitz  gewesen.  (Kr.  352.  KG.  VIII,  12.)  Die  meisten 
der  unter  NN.  64 — 71  aufgeführten  Männer  dürften  auch  in  Böhmen 
als  Geistliche  gewirkt  haben,  namentlich  Nr.  6$,  68 — 71. 

Auch  diese  höchst  dürftigen  und  unvollkommenen  Notizen  geben 
von  dem  damaligen  regen  geistigen  Zusammenhange  zwischen  Böhmen 
und  Sachsen  erfreuliche  Kunde.  Ihre  Zusammenstellung,  die  wir  ver- 
sucht haben,  gibt  vielleicht  Kundigeren  Gelegenheit  zur  Ergänzung 
und  Bereicherung  der  Exulantengeschichte. 

14* 


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192 

XVIIL  Bö'sing  in  Ungarn,  Comitat  Pressburg. 
72.  Johann  Georg  G raffe,  geb.  1626  zu  Pirkhafeld  in  Nieder- 
österreich —  sein  Vater  war  Verwalter  der  Herrschaft  Pemstein  — , 
studirte  auf  den  Gymnasien  zu  Oedenburg  und  Maria  Magdalena  zu 
Breslau,  s.  1645  auf  der  Wittenberger  Universität.  Obwohl  er  1647 
mit  seinem  älteren  Bruder  Tobias  von  Ferdinand  IIL  in  den  Adel 
stand  erhoben  wurde,  blieb  er  dem  theologischen  Studium  treu. 
Am  26.  Februar  1655  zum  Rector  der  Schule  in  Bö  sing  berufen, 
wirkte  er  daselbst  bis  1658,  wo  er  am  22.  August  zum  Pfarrer  in 
Deutsch-Profen  in  Ungarn  feierlich  ordinirt  wurde.  Bereits  1660  wurde 
er  durch  eine  »rechte  Isabel*,  wahrscheinlich  die  Gutsherrin,  von 
dort  »in's  Elend  Verstössen*.  Er  war  hierauf  bis  1666  Pfarrer  zu 
Modern  —  während  welcher  Zeit  er  (1663)  6  Wochen  lang  in  harter 
türkischer  Gefangenschaft  zu  Neograd  und  Gran  unter  vielen  Miss- 
handlungen in  Ketten  und  Banden  zubringen  musste,  bis  ihn  seine 
Freunde  um  600  Thaler  loskauften.  Nun  ward  er  als  Pfarrer  nach 
Kremnitz  berufen,  wo  er  in  Segen  wirkte,  bis  die  Religionsverfolgung 
des  Jahres  1673  ihn  auch  von  dort  hinwegtrieb.  Am  6.  October 
wurde  ihm  die  Stadtkirche  gesperrt,  darnach  auch  das  Predigen  in 
der  Spitalkirche  verboten  und  im  Januar  1674  ihm  anbefohlen,  binnen 
3  Tagen  Stadt  und  Land  zu  räumen.  Am  29.  Januar  1674  verliess 
er  Kremnitz,  ward  unterwegs  noch  gefangen  und  ausgeplündert  und 
gelangte 'endlich  nach  dem  damals  noch  kursächsischen  Görlitz. 
Hier  lebte  er  2  Jahre  im  Exile  und  erfuhr  viel  Liebe  und  Güte. 
Am  Palmsonntage  1676  übernahm  er  das  Pfarramt  zu  Lissa  in 
Posen,  wo  er  am  6.  November  1680  nach  treuem  Wirken  in  seinem 
Gott  selig  entschlief    (Schröter's  Exulanten-Historie  1715,  S.  169  ff.) 

XIX,  Bohdanetsch  in  Böhmen  bei  Pardubitz. 
Hier  war  1618 — 21  letzter  Pfarrer  der  Jahrgang  1885,  S.  130 
unter  III,  4,  genannte  Martin  Feim  er.  Er  wurde,  weil  er  an  der 
Frohnleichnams-Procession  nicht  Antheil  nehmen  wollte,  von  dem 
nach  der  Schlacht  am  weissen  Berge  neueingesetzten  katholischen 
Decane  gemisshandelt,  gefangen  gesetzt,  ausgepfändet  und  vertrieben. 
Pfarrer  ist  er  hier  erst  1618  geworden,  wodurch  die  frühere  Angabe 
sich  berichtigt.  Von  Bohdanetsch  vertrieben,  fand  er,  ehe  er  in  Aicha 
wieder  angestellt  wurde,  Zuflucht  bei  seinem  früheren  Mitschüler, 
dem  Pfarrer  zuWeleschitz.  (Schröter's  Exulanten-Historie,  326  ff.) 


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XX,  Borislaw  in  Böhmen  (bei  ?). 

73.  Michael  Longolius,  geb.  1560,  1591 — 1624  Pf.  zu  Borislaw, 
ging  als  Exulant  nach  Geising  in  Sachsen,  wo  er  24.  Februar  1628 
starb.  Er  ward  sehr  feierlich  in  der  Kirche  neben  dem  1601  ver- 
storbenen Ortspfarrer  Koch  bestattet;  der  damalige  Pfarrer  Teich- 
mann hielt  ihm  die  Leichenpredigt  über  2.  Sam.  15,  25  :  alle  exilirten 
Geistlichen  in  Geising  und  dem  benachbarten  Altenberg,  Rath  und 
Bürgerschaft  von  Geising  gaben  ihm  das  Geleite.  Wir  finden  dar- 
nach in  Sachsen  eine  Pfarrersfamilie  Longolius.  (KG.  IV,  24.) 

XXI.  Brandeis  in  Böhmen:  an  der  Adler  oder  an  der  Elbe? 
Beide  Städte  sind   Sitze   der  Brüder  gewesen.    Aus  einem   — 
ich  kann  freilich  nicht  ermitteln,  aus  welchem  —  stammt 

74.  Peter  Steinbrecher,  1542  zu  Wittenberg  als  erster  evan- 
gelischer Pfarrer  nach  Kemnitz  bei  Bemstadt  in  der  Oberlausitz 
ordinirt,  wo  er  bis  1546  amtirte.  (Kr.  227.  KG.  Oberl.  205.  Müller, 
Ref.-Gesch.  651.) 

XXII,  Bregenz,  Hauptort  des  Vorarlbergs,  seit  29.  December  1861  evan- 
gelisch-reformirte  Gemeinde  mit  zahlreichen  lutherischen  Mitgliedern. 

75.  Hier  war  1872 — y6  Pfarrer  der  allen  Mitgliedern  unserer 
Gesellschaft  wohlbekannte  Martin  Ferdinand  Kühne  aus  Oberschützen 
in  Ungarn,  wo  er  10.  November  1846  geboren  als  Sohn  des  hoch- 
verdienten dortigen  Pfarrers  und  Seminarlehrers  Ferdinand  Karl 
Kühne,  der  seit  1856  als  Pfarrer  (und  1862 — 72  Senior)  in  Efiferding 
wirkte  und  5.  September  1877  verstorben  ist..  Kühne  war  1870 — 72 
Reiseprediger  für  Mähren  zu  Brunn  und  als  solcher  Seelsorger  der 
jetzigen  Pfarrgemeinden  Olmütz-Schönberg  und  Znaim-Iglau.  Nachdem 
er  bis  1876  in  Bregenz  fungirt,  ist  er  als  Pfarrer  in  der  sächsischen 
Landeskirche  angestellt:  zu  Rothenkirchen  bei  Auerbach  (s.  1876), 
Langenwolmsdorf  bei  Stolpen  (s.  1878)  und  jetzt  zu  Ebersdorf  bei 
Chemnitz  (s.  1885).  (Kr.  446.) 

XXIII.  Britmis  (Brins)  —  jetzt  Brims  —  in  Böhmen,  bei  Gabel. 

76.  Melchior  Gerlach,  1595  zu  Bautzen  als  Sohn  des  berühmten 
dasigen  Schulrectors  M.  Melchior  Gerlach  —  s.  1602  in  Zittau  — 
geboren,  auf  seines  Vaters  Gymnasien  vorgebildet,  Pfarrer  zu 
Strahwalde  bei  Hermhut  1618 — 21  —  am  8.  October  1618  vermählt 
mit  Anna  Regina,  Tochter  des  böhmischen  Exulanten  Johann  Kotzian, 


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Amtmanns  zu  Aicha  (s.  N.  III,  4.  1885,  S.  130)  und  Friedstein  in 
Böhmen  —  wurde  1621,  also  schon  in  bedenklicher  Zeit,  von  Konrad 
Burggrafen  zu  Dohna  als  Besitzer  der  Herrschaft  Walten  nach 
Brinnis  berufen.  Er  konnte  jedoch  hier  nur  drei  Jahre  wirken,  da 
er  bereits  1624  der  Gegenreformation  weichen  musste.  Er  zog  sich 
nach  Zittau  zurück  und  fand  wiederum  einen  geistlichen  Wirkungs- 
kreis: 1625  in  Burkersdorf  bei  Ostritz,  1629  in  Seifhennersdorf,  von 
wo  aus  er  den  benachbarten  böhmischen  Glaubensgenossen  geist- 
liche Handreichung  thun  konnte.  Namentlich  sorgte  er  treulich  für 
die  in  Rumburg  zurückgebliebenen  Glaubensgenossen,  für  welche  er 
Privat-Communionen,  Taufen  und  Trauungen  mit  Genehmigung  des 
Rathes  verrichten  durfte.  Nachdem  er  hier  auch  Plünderung  und 
anderes  Kriegselend  ertragen,  zog  er  1637  als  Archidiakonus  nach 
Luckau  in  der  Niederlausitz,  wo  er  bereits  am  30.  Augfust  dess.  J. 
an  der  Pest  verstarb.  (Kr.  496.  Schröter's  Exulanten-Historie,  149  AT. 
GR.  I,  231.  II,  515.) 

77.  Von  seinen  Söhnen  ist  Melchior  18.  April  1623  zu  Brinnis 
geboren,  aber  schon  nach  einem  Jahre  von  seinen  exilirten  Eltern  mit 
nach  Sachsen  genommen  worden.  Seinem  zu  Calbitz  noch  befind- 
lichen Leichensteine  zufolge  ist  er  sogar  noch  1623  mit  seinen  Eltern 
ausgewandert.  Die  Kriegsnöthe  und  namentlich  seines  Vaters  Tod 
bewirkten  es,  dass  er  ein  ziemlich  unstetes  Leben  führen  musste  und 
nur  unter  grossen  Schwierigkeiten  seine  Studien  vollenden  konnte. 
Von  gefahrvollen  Reisen  nach  Ungarn,  Siebenbürgen,  Polen  heim- 
gekehrt, auf  denen  er  800  Meilen  zurückgelegt,  um  recht  zu  studiren, 
fand  er  seine  feste  Heimat  zu  Calbitz  bei  Oschatz  in  Sachsen, 
wo  er  über  ein  halbes  Jahrhundert,  von  1649— 1702,  das  lautere  Wort 
Gottes  treu  und  ungehindert  verkündigen  durfte,  bis  er  im  80.  Lebens- 
jahre am  27.  Mai  vom  Herrn  abgerufen  wurde.  Er  hat  13  Kinder 
und  30  Enkel  gehabt.  Sein  Sohn  folgte  ihm,  gleich  ihm  49  Jahre 
lang  Pfarrer,  und  auch  ein  Enkel  war  Geistlicher.  (Kr.  65.  Ex.-Hist. 
161  ff.  KG.  m,  49.  51.) 

XXIV,  Brodetz  in  Böhmen,  bei  Benatek,  wie's  scheint. 

78.  Hier  war  noch  vor  der  Gegenreformation  Pfarrer  Viktorin 
Facilides  aus  Meseritz  in  Mähren.  Er  wurde  dann  Pfarrer  zu 
Jechnitz,  ebenfalls  in  Böhmen.  Auch  ihn  traf  1624  das  Loos  der 
Verbannung.    Wie  viele  Exulanten   ging   er  nach  Pirna,    wo  er   — 


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wie  Kr.  S.  400  angibt,  erst  1635  —  Hospital-  und  Pestprediger, 
sowie  vierter  Schulcollege  wurde  und  schon  1636  (Götze,  Diptycha 
Exulum)  oder  1637  (nach  Kr.)  verstarb.  Er  ist  der  Stammvater 
einer  lange  in  Sachsen  blühenden  Exulanten-,  namentlich  Pastoren- 
Familie,  Kr.  fuhrt  ihrer  10  an.  Bis  in 's  5.  Glied  geht  die  Reihe  der 
Geistlichen  aus  seiner  Nachkommenschaft. 

XXV.  Brozanek  (früher  Brosanka  in  Böhmen,  bei  Melnik). 

79.  Peter  Apelt.  1584  Pförtner  Fürstenschüler,  ist  hier  Pfarrer 
gewesen. 

XXVI.  Brunn  in  Mähren. 

Mit  dieser  seit  18.  Juli  1782  bestehenden  blühenden  ev.-luth. 
Gemeinde  war  von  1870  bis  1878  eine  Reiseprediger-Stelle  ver- 
bunden, welche  bei  Begründung  der  Pfarrämter  Olmütz-Schönberg  und 
Znaim-Iglau  als  nunmehr  überflüssig  eingezogen  wurde  (1878).  Von 
1870 — 1872  bekleidete  sie  als  der  erste  der  unter  N.  XXII,  75  ge- 
nannte Martin  Ferdinand  Kühne. 

XXVIL  Brüx  im  nördlichen  Böhmen,  seit  i.  November  1877  wieder 
ev.-luth.  Gemeinde  (z.  Z.  Filial  von  Görkau), 

80.  Der  letzte  dasige  evang.  Pfarrer  Vitus  (Veit)  Agricola 
ging  nach  seiner  1624  erfolgten  Vertreibung  nach  Sachsen,  wurde 
1635  Diakonus,  1648  Pfarrer  in  Markneukirchen  im  Vogtlande  und 
starb  1651.  (Kr.  322.  KG.  XI,   141.) 

81.  Rector  ist  allhier  von  161 6 — 16 19  gewesen:  Christoph 
Knorr  —  geboren  2.  Februar  1591  zu  Plauen  im  Vogtlande,  sein 
Vater  war  zuletzt  Festungsbaumeister  des  Herzogs  von  Liegnitz  — 
dann  Pfarrer  zu  Wielenz  und  nach  4  Wochen  Oberpfaarer  zu  Eidlitz 
in  Böhmen,  beide  bei  Komotau;  wie  viele  andere  böhmische  Geist- 
liche wurde  auch  er  1624  vertrieben.  Bei  der  grossen  Anzahl  von 
Exulanten  fand  er  nicht  sofort  eine  Anstellung;  er  ward  erst  1630, 
von  August  von  Schönberg  auf  Purschenstein  berufen,  Pfarrer  zu 
Neuhausen  bei  Saida  im  Erzgebirge,  nahe  der  böhmischen  Grenze, 
zog  noch  1663  nach  Saida  selbst  als  Pfarrer,  wo  er  aber  schon 
1666  verstarb  (30.  Mai).  Er  hatte  schon  als  Exulant  in  Saida  ge- 
lebt, bis  er  angestellt  wurde.   Er  ist  dreimal   verheirathet  gewesen, 


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hat  auch  sonst,  abgesehen  vom  Exilium,  viel  Widerwärtigkeiten  er- 
litten, weshalb  auf  seinem  Grabsteine  sich  die  Verse  finden: 

Ade,  du  falsche  Welt,  die  du  mich  hast  geplaget, 
Auch  Tag  und  Nacht  an  mir  nach  Würmer  Art  genaget 

Mich  decket  dieser  Stein, 

Bis  Gott  wird  Richter  sein ! 

(Kr.  350.  KG.  XII,  165.  212.) 

Aus  Brüx  stammten  femer: 

82.  Johann  Bischof  (Episcopus),  1554  Diakonus,  1556  Pfarrer 
zu  Ehrenfriedersdorf  im  Erzgebirge,  1564  Bergprediger  in  Anna- 
berg, als  solcher  1572  verstorben.  (Kr.  119.  Meier,  Die  Herrlichkeit 
des  Annabergischen  Tempels.  S.   149.  KG.  XII,  50.  187.) 

83.  Johann  Zeidler  oderZeler  —  auchCellarius  —  1552  bis 
1557  Hospitalprediger  in  Annaberg  und  Pfarrer  in  Geyersdorf  und 
Kleinrückerswalde,  bis  1560  Pfarrer  zu  Glashütte  im  Meissner  Kreise. 
(Kr.   14.  Meier,  Herrlichkeit  u.  s.  w.  S.  180.  KG.  XII,  188.  IV,  iio.) 

84.  Christoph  Reiner,  1625 — 1632  Diakonus  in  Frauenstein. 
(Kr.   142.) 

XXVIII .  Buchau  in  Böhmen,  bei  Karlsbad. 

85.  M.  Johann  Hofstetter,  geboren  zu  Jena  1572  als  Sohn 
eines  dortigen  Diakonus,  Pfarrer  zu  Zschelief  und  Wesersieck  in 
Böhmen,  16 16  Hofprediger  des  Grafen  von  Fels  auf  Buchau.  Von 
dort  musste  er  weichen,  fand  jedoch  noch  eine  Anstellung  in  Böhmen  : 
1623  als  Archidiakonus,  1624  als  Pastor  und  Superintendent  in 
Eger.  1628  zum  zweiten  Male  exilirt,  floh  er  nach  Oelsnitz  im  Vogt- 
lande. Nach  zweijährigem  amtlosen  Leben  wurde  er  1630  als  Super- 
intendent nach  Annaberg  berufen;  15  Jahre  lang,  bis  zum  12.  Januar 
1645,  hat  er  seine  schönen  Gaben  in  grosser  Treue  der  Verwaltung 
dieses  Amtes  gewidmet.  (Kr.  ii.  Meier,  Herrlichkeit  etc.  S.  139. 
KG.  XII,   186.) 

^6,  David  Sutorius  (Schuster),  geboren  18.  März  1560  zu 
Schlacken walde  in  Böhmen,  ward  Lehrer  zu  Buchau  und  blieb  dies 
bis  1596.  Hierauf  wurde  er  1596  Pfarrsubstitut,  1597  Pfarrer  zu 
Friedersdorf  bei  Zittau,  welche  Kirche  damals  zur  Super  in  tendenz 
Friedland  gehörte.  Im  J.  1598  wurde  er  Pestprediger,  sowie  Mittags- 
prediger zu  Petri-Pauli  in  Zittau,  in  welchem  Amte  er  bis  1624 
wirkte:  —  freilich  mit  einer  längeren  Unterbrechung  von  1601  bis 
161 3,    wo   er  Pfarrer    zu    Gabel   war.    Im  J.  1624  rückte    er    zum 


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Diakonus  auf;  1633  trat  er  in  den  Ruhestand  und  starb  1640, 
18.  October,  als  ein  Sojähriger  Greis.  Man  rühmt  seine  herrlichen 
Gaben  und  edle  Wohlthätigkeit,  die  sich  selbst  auf  katholische 
Geistliche  erstreckte.  (Kr.  151.  Dietmann,  Priesterschaft  der  Sechs- 
städte S.  394.) 

XXIX,  Bullendorf  in  Böhmen,  bei  Friedland. 
^7,  Kaspar  Teucher,  um  1540   erster  evangelischer  Pfarrer  zu 
Lichtenau  bei  Lauban,  in  dem  gegenwärtig  preussischen  Tbeile  der 
Oberlausitz  —  ward  um  1550  Pfarrer   zu  Bullendorf,   wo  er  starb. 
(Müller  Ref.-Gesch  681.)  --  Aus  Bullendorf  stammte 

88.  M.  Christoph  Seyfert,  als  Sohn  des  gleichnamigen  dortigen 
Gärtners  und  Gerichtsältesten  10.  December  1623  geboren.  Durch 
die  Kriegsnöthe,  vor  denen  seine  Eltern  oft  in  die  Wälder  flüchten 
mussten,  und  Religionsverfolgungen  wurde  seine  Jugend  gar  sehr 
getrübt.  Ihn  unterrichtete  der  aus  dem  nahen  Schönwalde  vertriebene 
Pfarrer  Gabriel  Biertiegel;  da  aber  zu  befürchten  stand,  dass  man 
ihn  gewaltsam  dem  Unterrichte  der  Jesuiten,  übergeben  werde, 
brachten  ihn  seine  Eltern  1636  aufs  Gymnasium  nach  Görlitz,  von 
wo  aus  er  nach  Leipzig  auf  die  Universität  ging  (1646).  Im  J.  1657 
wurde  er  Conrector,  1669  Diakonus,  1695  P.  primarius  zu  Gprlitz,  als 
welcher  er  20.  Juni  1702  verstarb,  im  79.  Jahre.  (Dietmann  S.  207  ff.) 

XXX,  CJiotieborz  in  Böhmen,  bei  Deutschbrod  an  der 
mährischen  Grenze. 

Hier  war  evangelischer  Pfarrer  von  161 4  an,  auf  Empfehlung 
des  späteren  Administrators  Georg  Dicastus,  der  bereits  unter  III, 
N.  4  (1885.  S.  130),  vgl.  N.  XIX,  genannte  Martin  Feim  er.  Der- 
selbe ist  aber,  wie  aus  Schröter's  Exulanten-Historie  S.  336  hervor- 
geht, länger  als  bis  1616  dort  gewesen;  er  wurde  1618,  nach  dem 
Ausbruche  des  dreissigjährigen  Krieges,  durch  plündernde  kaiserliche 
Völker  von  hier  vertrieben.  Nach  kurzer  unfreiwilliger  Müsse  von 
einem  Vierteljahre  in  Chrudim  wurde  er  nach  Bohdanetsch  be- 
rufen. Hierdurch  berichtigen  sich  die  früheren  Angaben. 

XXXL  Christoptisgrund  in  Böhmen,  bei  Reichenberg. 
Hier  war  1618,  aber  wohl  schon  vorher,  vorletzter  Pfarrer 

89.  Abraham  Schurich  (Schurich t),  aus  Ortrand  im  Meissner 
Kreise,  gegenwärtig  preussisch.  Er  zog  von  hier  nach  Mark  er  s- 
dort   in  Böhmen,   wurde  aber  von  dort   —  wahrscheinlich  1624  — 


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vertrieben.  Er  ging  dann  nach  Zittau,  wandte  sich  dann  nach  Reichenau, 
wo  sein  Bruder  Valentin  seit  1607  als  Pfarrer  amtirte,  um  ihm  bei 
seiner  Kränklichkeit  beizustehen,  versah  auch  nach  seinem  Tode, 
21.  März  1626,  das  erledigte  Amt.  Aber  eine  eigene  Anstellung  ward 
ihm  nicht  hier  zu  Theil,  wo  man  schon  seinen  Bruder  mit  dem 
grössten  Widerstreben  aufgenommen  hatte,  sondern  erst  in  dem 
nahen  Türchau,  wo  er  von  1634  bis  an  seinen  1667,  10.  Juli,  er- 
folgten Tod  wirkte,  freilich  unter  vielen  Kriegsdrangsalen.  (Kr.  517. 
KG.  Oberl.  37.) 

XXXIL  Chwalkowitz  in  Böhmen,  bei  JaromSf. 
Hier  ist  1819,  28.  März,  geboren 

90.  Josef  Prawoslaw  Kord i na,  längere  Zeit  römisch-katholischer 
Pfarrer  zu  Neu-Paka  bei  Königgrätz,  dann  (etwa  1849)  zur  evan- 
gelisch-lutherischen Kirche  übergetreten,  seit  1855  Archidiakonus 
zu  Hoyerswerda,  einem  Städtchen  in  der  preussischen  Oberlausitz, 
seit  1861  aber  Pfarrer  zu  Milkel  im  sächsischen  Antheile  derselben. 
Hier  hat  er  wie  um  seine  Gemeinde,  so  namentlich  um  die  seiner 
geistlichen  Pflege  zugewiesene  evang.  Diaspora  in  der  katholischen 
Parochie  Radibor,  die  grössten  Verdienste  sich  erworben:  seine 
rastlosen  Bemühungen  haben  es  endlich  dahin  gebracht,  dass  in  dem 
nach  Radibor  eingepfarrten  rein  evangelischen  Dorfe  Luppa  eine 
evangelische  Kirche  erbaut  und  am  27.  October  1879  feierlich  ein- 
geweiht wurde,  wodurch  diese  zeither  Verlassensten  unter  unsem 
Brüdern  endlich  nach  mehr  denn  zwei  Jahrhunderten  empfingen, 
was  ihre  Vorfahren  schon  zweimal  im  17.  Jahrhunderte  besessen, 
aber  immer  nach  kurzer  Zeit  wieder  verloren  hatten:  Predigt  und 
Sakrament  nach  evangelischer  Weise  (Kr.  330).  So  ist  ein  aus 
Oesterreich  stammender  Amtsbruder  unserer  sächsischen 
Diaspora  von  besonderem  Segen  gewesen. 

XXXIIL  Deuba  (identisch  mit  Dauba  bei  Melnik.?  in  Böhmen). 

91.  Christoph  Hermann  aus  Liebstadt  bei  Pirna  soll  hier  im 
16.  Jahrhundert  Pfarrer  gewesen  sein.  Ebenso 

92.  Paul  Mucke  (Micanus)  aus  Leipa,  welcher  nach  seiner 
Verbannung  (wohl  1624)  1636  Pfarrer  zu  Radmeritz  bei  Görlitz,  jetzt 
preussisch,  würde. 

93.  Sein  1653  succedirender  Sohn  war  in  Deuba  geboren  und 
mit  dem  Vater  ausgewandert.  (Ex.  92.) 


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XXXIV,  Dobennannsdorf  in  Niederösterreich,  bei  Zistersdorf. 

94.  Hier  ist  kurze  Zeit  (1567 — 1570)  ein  Sachse  Pfarrer  gewesen, 
der,  wohl  nicht  ohne  eigene  Schuld,  vfel  im  Leben  herumgeworfen, 
auch  dreimal  abgesetzt  worden  ist:  —  davon  zweimal  an  einem 
Orte!  —  dies  war  Martin  Wolf  aus  Rochlitz,  1540  Rector  in  seiner 
Vaterstadt,  1545  Pfarrer  und  Superintendent  in  Kolditz  im  Leipziger 
Kreise,  1553  vom  Kurfürsten  August  abgesetzt,  weil  er  in  der 
Schlosskirche  Dom.  XXI.  p.  Trin.  (21.  October)  1553  pro  concione 
unverantwortliche  Reden  wegen  des  gefangenen  (doch  seit  i.  Septem- 
ber 1552  bereits  entlassenen)  Kurfürsten  Johann  Friedrich  vor- 
gebracht. Der  frühere  Kurfürst  nahm  ihn  nun  in  seinen  Landen  auf, 
und  zwar  in  dem  Fürstenthume  Altenburg,  welches  er  in  Folge  der 
VVittenberger  Capitulation  vom  18.  Mai  1547  am  11.  Juni  dess.  J. 
an  Kurfürst  Moritz  abgetreten,  aber  nach  dessen  am  ii.  Juli  1553 
erfolgten  Tode  gegen  Begebung  aller  Ansprüche  am  24.  Februar 
1554  durch  den  Naumburger  Vertrag  zurückerhalten  hatte.  Wolf 
wurde  1554  Pfarrer  in  Gössnitz,  1559  in  Kahla,  1567  daselbst  von 
Herzog  Johann  Wilhelm  abgesetzt  —  vielleicht  als  j^Strigelianer* 
oder  Synergist.  Nun  ging  er  nach  Niederösterreich,  kehrte  aber 
schon  1570  wieder  nach  Sachsen  zurück,  und  zwar  erhielt  er  seine 
vorige  Pfarrstelle  zu  Kahla  wieder.  Hier  ward  er  jedoch  abermals, 
also  nunmehr  zum  dritten  Male,  entsetzt  —  vielleicht  diesmal  als 
,Flacianer*,  von  denen  Kurfürst  August  als  Vormund  der  Söhne 
des  2.  März  1573  verstorbenen  Herzogs  Johann  Wilhelm  von  Wei- 
mar III  vertrieb!  Endlich  ist  Wolf  als  Pfarrer  zu  Helfta  bei  Eis- 
leben im  Mansfeldischen,  wie  es  scheint,  nunmehr  unangefochten, 
verstorben.  In  jener  Zeit  fanden  viele  der  abgesetzten  Geistlichen 
nicht  immer  zum  Segen  des  Landes,  in  Oesterreich  eine  Zufluchtsstätte. 

XXXV,  Dobritschan  in  Böhmen  mit  Filial  Nctschenitz,  bei  Saaz. 

95.  Daniel  Rebentrost,  1577  20.  December  in  Platten  ge- 
boren, als  Pfarrerssohn,  hat  hier  allerdings  nur  ganz  kurze  Zeit 
gewirkt  (1599 — 1601);  längere  Zeit  dann  in  Liboschitz  oder  Li e b- 
schütz,  bis  er  1624,  wie  die  übrigen,  exilirt  wurde.  Er  lebte  drei 
Jahre  amtlos  in  Pressnitz  und  Annaberg.  Von  1627  an  hat  er  im 
nahen  Jöhstadt  bis  zu  seinem  14.  Mai  1657  in  seinem  80.  Lebens- 
jahre erfolgten  Tode  gewirkt.  Noch  hatte  er  am  6.  Mai  (Rogate) 
seine  letzte  Predigt  gehalten.  Er  hat  viel  Schweres  durch  Krieg  und 


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200 

Pest  erlitten,  so  Einmal  in  4  Wochen  7  Kinder  durch  die  Pest  ver- 
loren. Von  seinem  Vater  stammt  eine  zahlreiche  Pastorenfamilie  ab, 
die  bis  in  dieses  Jahrhundert  hineinreicht,  ähnlich  wie  die  schon 
genannte  Familie  (XXIV,  Nr.  78)  Facilides.  Ihm  selbst  folgte  sein 
in  Liboschitz  geborner  Sohn  M.  Samuel  Rebentrost  auch  in  Jöch- 
stadt  nach.   (Kr.  222.) 

XXXVL  Dotterwies  in  Böhmen,  bei  Elbogen. 

96.  David  Troll  aus  Oelsnitz,  1567  Pförtner,  ward  erst  Cantor 
in  dem  wohlbekannten  Fleissen,  dann  Pfarrer  zu  Dotterwies  — 
lateinisch  ,Plumbipolitanorum  pastor  in  Bohemia*. 

XXXVIL  Drazowitz  in  Böhmen,  bei  Schüttenhofen. 

97.  Georg  Hils  aus  Zschopau,  1592  Pförtner,  ward  Pfarrer  zu 
Dra2owitz. 

XXXVIIL  Efferdi7ig  in  Oberösterreich,  bei  Linz. 
Einst  unter  dem  Schutze  der  mächtigen  Starhemberge  ein  Sitz 
evangelischen  Lebens  im  Lande  ob  der  Enns,  ist  es  seit  1783  wiederum 
eine  wichtige  evangelische  Pfarrgemeinde.  (Hier  hat  der  XXII,  75 
genannte  Kühne  einen  Theil  seiner  Jugend  verlebt.)  Hier  wirkten 
einst  eine  Anzahl  aus  Sachsen  vertriebener  Flacianer,  unter  dem 
Schutze  des  ihnen  längere  Zeit  wohlgesinnten  Freiherrn  Rüdiger 
von  Starhemberg  (f  1582,  5.  Dec).  Darunter  waren  aus  Sachsen: 

98.  M.  Hieronymus  Haubold  aus  Frankenberg,  ein  eifriger 
Flacianer.  Er  war  der  erste  und  letzte  Rector  der  3.  Juli  1566  er- 
öffneten , Schönburgischen  Landesschule*  in  Geringswalde  bei 
Rochlitz.  In  Folge  einer  von  Kurfürst  August  durch  Kaspar  Peucer, 
Joachim  Kamerarius  u.  a.  am  12.  Juli  1568  vorgenommenen  Visitation 
wurde  die  Schule  als  ,urflatianisch*  mit  Waffengewalt  aufgelöst. 
Nur  durch  seine  Abwesenheit  entging  der  Rector  der  ihm  drohenden 
Gefangenschaft.  Er  war  eine  Zeit  lang  Rector  in  Weimar  und  Regens- 
burg, ward  dann,  auch  von  hier  1572  verwiesen,  Rector  der  von 
den  Ständen  unterhaltenen  , Landschaftsschule*  in  Klagenfurt 
Als  er  sich  hier  durch  polemische  Schriften  unmöglich  gemacht 
ging  er  1574  nach  Efferding,  wo  er  bis  zu  seinem  15.  Juni  1579 
erfolgten  Tode  wirkte.  (Vgl.  Raup  ach,  Presbyterol.  Austr.  [1741], 
S.  56  f.  Distel,  Der  Flacianismus  und  die  Schönburgische  Landes- 


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201 

schule  zu  Geringswalde.  Leipz.  1879.  S.  63.  65.  Kühne,  Die  Häuser 
Schaumberg  und  Starhemberg  u.  s,  w.  Hamb.  1880.  S.  27  ff.) 

99.  Paulus  Preuser,  auch  P reu sser,  aus  Hartesleben,  Schüler 
des  genannten  Gymnasiums,  folgte  seinem  früheren  Lehrer  nach 
Oesterreich  und  wurde  Diakonus  in  Efferding  1579.  Als  übereifriger 
^Flacianer*  wurde  er  October  1582  abgesetzt.  Er  hatte  es  sich 
nämlich,  dazu  angewiesen  von  dem  flacianischen  Stadtpfarrer  Adam 
Giller,  einem  Reussen,  ebenfalls  Zögling  des  Gymnasiums  zu  Gerings- 
walde, herausgenommen,  nach  der  Weise  der  damaligen  Ultra- 
Flacianer  den  schwangeren  Frauen  das  h.  Abendmahl  nur  unter 
der  Bedingung  zu  reichen,  dass  sie  ausdrücklich  bekannten,  sie  seien 
Sünde  und  trügen  im  Leibe  nichts  als  Sünde.  Als  dies  auch  der 
zweiten  Gemahlin  des  Freiherrn  Rüdiger,  Ottilie,  geborne  Schenkin 
zu  Limpurg,  widerfuhr,  da  riss  deren  Gemahl  die  Geduld  und  seine 
flacianischen  Sympathien  hielten  nicht  mehr  Stand.  (Vgl.  Raupach 
S.  144  und  Zwiefache  Zugabe  zu  dem  Evang.  Oesterreich  [1744], 
S.  25,  26,  70.  Distel  S.  65,  69.  Kühne  S.  29  ff.  —  Janssen, 
Geschichte  des  deutschen  Volkes  IV.  S.  472,  erweitert  es  in  fälschen- 
der Weise  dahin,  die  Gemahlin  Rüdiger's  habe  vor  allem  Volke  in 
der  Kirche  bekennen  sollen,  dass  sie  die  Sünde  sei  und  j^den  Teufel 
trage*.)  Im  J.  1582  wollte  Jakob  Meibom  aus  Langenleuba- Nieder- 
hain im  Altenburgischen,  früher  Haubold's  College  als  ,Cantor*  in 
Geringswalde,  der  bei  Auflösung  des  Gymnasiums  ein  Jahr  lang  in 
schwerer  Kerkerhaft  gesessen,  gern  Pfarrer  in  Efferding  werden,  es 
gelang  ihm  aber  nicht.  (Distel  S.  65.  Kühne  S.  35).  da  inzwischen 
Freiherr  Rüdiger  verstarb  und  sein  Bruder  Gundacker  alle  Flacianer 
—  so  auch  Preuser  —  des  Landes  verwies,  wobei  es  auch  verblieb, 
obwohl  sie  Herrschafi:  und  Gemeinde  in  den  Bann  thaten  und 
Gundacker  für  einen  , Tyrannen  und  Verfolger  christlicher  Prediger* 
erklärten,  der  ,ein  Schutzherr  unreiner,  gottloser,  papistischer  Heuchler, 
Miethlinge  und  Accidenspfaffen*  sei.  (Kühne  S.  37.) 

100.  An  die  Stelle  der  Flacianer  ward  M.  Nikolaus  Haselmeyer 
(Haselmayer)  aus  Kannstadt  in  Württemberg,  bisher  Diakonus  in 
Göppingen,  nach  Efferding  berufen  und  wirkte  dort  in  Segen  von 
1583  bis  1601,  wo  er  starb.  Sein  1590  in  Efferding  geborener  Sohn 
Johann  wurde  1614  Pfarrer  zu  Enns,  1624  vertrieben,  war  1624 — 27, 
wo  er  15.  September  abermals  vertrieben  wurde,  Pfarrer  zu  Pöhra 
oder    Pühra    in   Niederösterreich;    nach    seiner    abermaligen   Ver- 


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202 

treibung  von  dort  lebte  er  als  Privatmann  in  Regensburg.  Im  J.  1629 
wurde  er  vom  Grafen  von  Brandenstein  als  Pfarrer  (oder  zunächst 
wohl  als  Diakonus?)  nach  Unteroppurg  in  dem  damals  kursächsischen, 
jetzt  weimarischen  , Neustädter  Kreise*  berufen,  wo  er  viel  Kriegs- 
drangsale erlebte.  Die  letzten  vier  Lebensjahre  von  1642 — 1646  ver- 
waltete er  das  Pfarramt  zu  Kiirbitz  bei  Plauen  im  Vogtlande. 
Solches  gibt  KG.  XI,  159  auf  Grund  der  Angaben  eines  Enkels  auf 
seinem  Brustbilde,  wodurch  es  zweifelhaft  wird,  dass  er  zwischen 
dem  Oppurger  Diakonate  und  Pfarramte,  wie  Dietmann  III,  311  flf. 
will,  von  163 1  an  Hofprediger  des  schwedischen  , Statthalters*  in 
Erfurt,  General  Graf  von  Löwenstein,  gewesen  sei.  Uebrigens  war 
schwedischer  Statthalter  in  Erfurt,  seitdem  er  es  26.  September 
163 1  eingenommen,  mindestens  bis  auf  k.  J.  Herzog  Wilhelm  von 
Sachsen-Weimar.  (Kr.  251.) 


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XVII. 

Dr.  Martin  Luther's  400jährige   Geburtstagsfeier 
in  Oesterreich 

am  IG.  und  11.  November  1883. 

Von  JOHANN  DEDIC,  evang.  Pfarrer  in  Olmütz. 
IV.   (Schluss.)») 

Anhang. 
a)  Verzetchniss  der  bei  der  Lutherfeier  angewendeten  Predigt  -  Texte, 


Gemeinde 

Pfarrer 

Text 

Thema  und  Disposition 

1      Anriach 

J.  Winkler 

Ps.  118 

„Was  machte  Luther  cum  Refonnator  ?** 
I.  Sein  freies  Wort,  2.  Seine  Glaubenskraft, 
3.  Seine  kühnen  Thaten,  4.  Sein  wahrhaft 
christliches  Leben. 

Asch 

/  Hildemann 
t    M.  Soedel 

? 

—  ?     Siehe  S.  24. 

Joh.  19,  5 

„Das  Bild  Luther's  in  unserem  Herzen  — 

Sehet   welch'  ein  Mensch!*     i.  Ein   echter 

1 

Jünger,  2.  Ein  muthiger  Held,  3.  Ein  treuer 

Gottesmann. 

Attersee 

A.  Kotschy 

I.  Petr.  I,  25 

„Luther  als  ein  Zeuge  für  das  ewige 
Evangelium*',  i.  Wie  er  des  Herrn  Wort 
und  Evangelium  bekannt  hat,  2.  Wie  um 
seines  2^ugnisse8  willen  Ströme  des  leben- 
digen Wassers  von  ihm  ausgeflossen. 

:  Aussig  a.  E. 

Gummi 

Hebr.  13.  7 

„Seid  dankbar  und  seid  treu". 

Biala 

J.  Hönel 

? 

—  ? 

'       BieUte 

F.  Schur 

? 

—  ? 

Bleiberg 

P.  Cholewa 

Joh.  21,  21—23 

„Dieser  Jünger  stirbt  nicht<<,  denn  der 
grosse  Reformator  lebt:  i.  In  dem  dank- 
baren Gedächtniss  der  christlichen  Kirche, 
2.  In  der  durch  seine  Reformation  ange- 
bahnten Religions-  und  Gewissensfreiheit 
der  Völker,  3.  In  den  der  Reformation  zu 
verdankenden  hunanen  Einrichtungen  mo- 
demer Staaten,  4.  In  den  Fortschritten  der 
Wissenschaft  und  Kunst,  $.  In  der  Her- 
stellung wahrer  christlicher  Frömmigkeit  und 
Sittlichkeit  im  Hause  des  Priesters  und  des 
Laien. 

Bohttslawitz 

W.  Mohiär 

Ps.  80,  8—20 

„Unser  Festgebet  am  heutigen  Tage** : 
I.  Ein  dankbares  Hallelujah,  2.  Ein  schmerz- 
liches Hosannah,  3.  Ein  herzliches  Kyrie 
Eleison,  4.  „Amen". 

it 

71 

Ps.  119,  107 

Siehe  S.  25  (Abendgoltesdienst  am  10.  Nov.) 

»)  Vergl.  H.  I.  S    1—32,  H.  II.  S.  49—77.  H.  HI.  S.  103— 119. 


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204 


Gemeinde 


Thema  und  Disposition 


Bregenz 

Brunn 

Cemilow 

CiUi 

Dornbach 
Eferding 


Marx 
K.  Kr«al 

Dr  G.Trauten- 
bcrgcr 

G.  V.  Läny 

? 

C.  Wack 

? 


(Nachmittags 
Eisentratten      Glawischnig 


Feld 
Gabions 

Gallnen- 
kirchen 


Gmunden 
Gnesau 


Görz 
Goisem 


Gosau 


Graz 


Chr.  TÜIian 

Cand.  Härtig 

aus  Leipzig 

L.  Schwarz 


Fr.  Koch 
G.  Wehren- 
fennig 


E.  Schroll 

M.  Wehren- 
'     fennig 


Fr.  Nowdk 


Dr.  R.  Leiden 
frost 


Matth.5,il.i3 
Hebr.  13,  9 

Hebr.  13,  7 

Hebr.  13,  7—9 
Gal.  4,  1-3 

Hebr.  13,  7 

Hebr.  13,  7 

Ps.  46, 1— 12) 

Joh.  I,  6—8 

Hebr.   13,  7 

? 

Rom.  3,20— 28 


Röm.i,  14—17 

Hiob  29, 

14—16  (a) 


I.  Mos.  32,  28 

Hebr.  13,  7 
(Altarrede) 

Matth.  21, 

33—43 

(Predigt) 

Jerem.  I,  4—10 


Ps.  130 

Hebr.  13,  7 
(II.  Nov.) 


—  ? 

„Welche  Frucht  soll  das  Lutherfest  uns 
Allen  hinterlassen?"  (Siehe  S.  75.) 

„Der  grosse  Tag  fordert  von  uns  ein 
dankbares  Gedächtniss  und  verpflichtet  uns 
zu  einem  heiligen  Gelöbniss*'. 

„Unser  Jubiläumsdank«  :  i.  Wem?  2.  Wo- 
für? 3.  Wer?  und  4.  Wie  zu  danken? 

„Die  Geburt  Luthers  —  die  Befreiung 
der  christlichen  Kirche  aus  der  Knechtschaft.^ 

—  ? 

—  ? 
-—  ? 

„Luther  ein  echter  und  rechter  Missionär 
Gottes?" 


—  ? 

„Der  Grund  zur  Freude  und  zum  Danke' 
am  heutigen  Tage"  liegt  darin,  dass  i.Luther| 
die  grosse  Noth  des  Sünders  erkannt,  an 
sich  erfahren  und  mit  Gottes  Wort  der 
Christenheit  gezeigt,  2.  Er  die  falschen 
Wege  zur  Hilfe  an  Gottes  Worte  nach- 
gewiesen, 3.  Die  rechte  Hilfe,  die  Gerechtig- 
keit, die  aus  dem  Glauben  kommt,  an  sich 
erfahren  und  durch  Gottes  reines  Wort 
und  Sacrament  der  armen  Christenheit  wie-! 
der  erschlossen  hat. 

—  ? 

„Wer  war  Luther?"  —  Antwort:  l.  Ge- 
rechtigkeit war  sein  Kleid,  das  er  anzog 
wie  einen  Rock,  2.  Ein  gutes  heiliges  Recht, 
selber  bekehrt  von  der  Werkheiligkeit  zur 
Gerechtigkeit,  die  vor  Gott  gilt,  seine 
Stimme  zu  erheben,  3.  War  der  Blinden 
Auge  und  der  Lahmen  Fttsse,  4.  Ein  Vater 
der  Armen. 

„Luther  als  Kampfesheld" ,  der  i.  Mit  Gott, 
2.  Mit  Menschen  gekämpft  und  obgelegen  ist. 

„Drei  Ermahnungen  im  Hinblick  auf  Dr.! 
M.  Luther"  :  i.  Gedenket  an  ihn,  2  Schauet 
sein  Ende  an,  3.  Folget  seinemGIauben  nach! 

„Der  Stein,  den  die  Bauleute  verworfen, 
ist  zum  Eckstein  geworden  etc.  —  auch 
an  Luther  erfüllt.« 

„Wodurch    ward  Luther,     was   er    war? 

1.  Durch   sein   Suchen   nach   der  Wahrheit, 

2.  Durch    sein  Glauben    an    die   Wahrheit, 

3.  Durch   seinen  Kampf  fiir   die  Wahrheit. 
Wodurch  Luther  zum  Reformator  gewor- 
den ?*  (Abendgottesdienst  am  10.  Nov.,  S.  25 ) 

-Luther  unser  Lehrer.** 


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205 


Gemeinde 


GrobmiBg 


.     Hallstedt 

I 
Hennannseifen 

I    Humpoletz 


Jaseaä 


I 


!        Ischl 
Innsbruck 


Klagenfnrt 
Kowanets 

Krakau 
Kreosberg 


KMUc 
Lahnsattel 


Lipkewits 
Marburg 


PÜBurrer 


J.  Pnltar 


C.  L.  W.  von 
Sattler 


J.  Knpka 
Ch.  PospiSil 

P.  HajnoGzy 


Lesegottes- 
dienst 
J.  Seberiny 


C.  Rolf 

?  . 
G.  Gabryfi 
J.  Pellar 


Th.  Kutllk^ 
G.  Saneracker 


Laibach 

? 

Lemberg 

E.  Grafl 

Gr.  Lbota 

A.  Hand 

Uebstadtl 

P.  Marusiak 

Linx 

A.  Koeh 

? 

J.Goscbenhofer 


Text 


Hebr.  13,  7 


Hebr.  13,  7 

Job.  I,  I — 14 
Proverb.  4,  18 

Job.  14,  6 
Ps.  66,  8—30 

Gal.  5,  I 
Job.  I,  19—35 


Kol.  2,  6—8 

? 
Ephes.  5,  8 

I.  Tim.  4,  1—9 
Hebr.   13,  7 
Ps.  78,  2—8 

Job.  8,  31,  32 

Gäl.  4,  1—3 
? 

Offb.  3,  12 
Hebr.  13.  7—9 
I.  Kor.  15,  10 


Rom.  1, 16—17 
Hebr.  13,  7 


Thema  und  Disposition 


Jahrbuch  des  Protestantismus  s886.  H.  lY. 


„Wostt  erweckt  nns  dos  heutige  Jabelfest?' 
I.  Zum  Lobe  und  Preise  des  Herrn,  der 
Luther  der  Christenheit  geschenkt  hat,  2.  Ztir 
Prüfung,  ob  wir  ihm  ähnlich  sind,  3.  Zum 
treuen  Festhalten  und  Bewahren  der  uns 
von  Luther  errungenen  Segnungen,  4.  Zum 
frommen  Aufsehen  auf  das  selige  Ziel,  wel- 
ches die  Frommen  erreichen. 

„Luther,  ein  von  Gott  geschenkter  Lehrer:' 

1.  Der  uns  das  Wort  Gottes   gesagt    hat, 

2.  Der  uns  ein  Vorbild  im   wahren  christ- 
lichen Glauben  geworden  ist. 

«Das  Werk  Luther's"  —  ein  2^ugen  und 
Wirken  fUr  Christum. 

(Abendgottesdienst  am  lö.  Nov.)  —  ? 
S.  26. 

(Am  II.  November.)  i.  Luther's  Werk, 
2.  Luther's  Persönlichkeit. 

„Warum  lobsingt  heute  das  evang.  Zion 
und  —  wie  sollen  wir  am  400jfthrigen 
Geburtsfest  Dr.  M.  L.  die  Ehre  Gottes 
verkündigen?'' 

,So  bestehet  nun  in  der  Freiheit,  damit 
Christus  uns  befreit  hat*<. 

„Wer  bist  Du?  eine  Frage  des  19.  Jahr- 
hunderts an  Dr.  Martin  Luther?*'  v  Bist 
Du  der  Dr.  M.  Luther,  als  den  wir  Dich 
kennen  und  lieben,  oder  ein  zweiter  Muha- 
med?  2.  Bist  Du  ein  Mann  der  Neuzeit 
oder  des  finstern  Mittelalters?  3.  Bist  Du 
ein  echter  deutscher  Mann  . —  oder  ein 
vaterlandsloser  Pfaffe? 

—  ? 

—  ? 

„Die  Woblthat,  die  uns  Gott  durch  Dr. 
M.  Luther  erzeigt  hat:«  l.  Die  Woblthat 
selbst,  2.  Die  von  ihr  auferlegten  Pflichten. 

(Abendfeier  am  lo.  Nov )  —  ?  S.  25. 

„Luther  der  rechte  Führer". 

(Nachmittags-Gottesdtenst)  ^-  ? 

„Was  haben  wir  an  Luther  und  was  ver- 
bürgt uns  den  ferneren  Fortbestand  der  ver- 
besserten evangelischen  Kirche  ?* 

(Siehe  Cilli.) 
^? 

—  ? 

„Wie  sollen  wir  unserer  Führer  gedenken  ?' 
„Von  Gottes  Gnade  war  Luther,   was  er 
war:*'     I.   Der  streitbare  Held  des  Herrn, 
2.  Der  Gesegnete  des  Herrn,  3.  Der  Sieger 
des  Herrn. 

„Luther  unser  Führer  zum  Evangelium 
„Die  Bedeutung  des  Lutherfestes". 
15 


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206 


Gemeinde 


Meran 


Mitterbach 
Mödling 
Nuswald 


Neaberg 
Nenkematen 


Wr.-Nenstadt- 
Neunkircheii 


Olmütz- 
M.Schdnberg 


Opatowitz 

Pettatt 

Pilsen 

Prag  (böhm.) 

Ramsau 


Reichenberg 
Rossbach 


Rottalowitz 
St.  Ruprecht 


Pfazrer 


C.  Richter 


G.  Saueracker 

} 
H.  Hermann 


Fr.  Alberti 
Joh.  Oertel 


Tillian 


Joh.  Dödic 


Jos.  Kuöera 

J.Go8chenhofer 

Fei.  Molnär 

D.  Th.  Molniür 

Jol.  Dies 


J.  Ergenzinger 
Or.  B.  Rogge 
Jos.  Prummer 


Dan.  Sloboda 
J.  G.  Schmidt 


Text 


Hebr.  13,  7 


Ps.  84,  6-8 

Dan.  3, 20 — 22 

? 

Dan.  12,  3 


Ps.  92,  2—3 
Sach.  1, 14 — 16 


Phil.  3,  17 


Joel  2,  23.  26 


Marc.  14,  37 

Hebr.  13,  7 

Hebr.   13.  7 

Matth.  II,  28-30 

Ps.  127,  1—2 


3.  Mos.  3,1 — 10 
Hebr.  13,  7 
I.  Kor.  3,  5 


Jes.  46.  $—13 
Hebr.  13,  7 


Thema  und  Disposition 


9  Wie  feiern  wir  das  Gedlchtniss  des  Re- 
formators in  rechter  Weise  ?*  —  Wenn  wir 
I.  Das  Wort  hören,  anf  das  er  sich  ge- 
gründet hat,  2.  Den  Glanbensweg  wanddb, 
auf  welchem  er  vollendet  ward. 

(Abendgottesdienst.)  Luther  unser  Vor- 
bild n.  s.  w.     Siehe  S.  60. 

—  ? 

—  ? 

^Luther,  das  auserwiChlte  Rflstseug  des 
Herrn",  i.  Wie  er  solches  geworden?  2.  Was 
er  seiner  Zeit  gewesen?  3.  Was  er  auch 
unserer  Zeit  und  unserer  Kirche  werden 
soll  und  muss. 

Siehe  S.  25. 

„Die  Gnadenrerheissungen  des  Herrn  über 
Jerusalem":  i.  Ich  will  mich  wieder  zu 
Jerusalem  kehren,  2.  Mein  Haus  soll  darinnen 
gebaut  werden,  3.  Dazu  soll  die  Zimmer- 
schnur in  Jerusalem  gezogen  werden;  von 
wem?  —  von  Luther  etc. 

,  Luther  unser  Vorbild  **:  l.  Als 
sc]m>ckener  Wahrheitszenge,  2.  Als  Mann 
voll  Gottrertrauen,  3.  Als  warmer  Freund 
seines  Volkes. 

„Was  feiert  die  evang.  Kirche  am  Gedicht 
nissfeste  Dr.  Martin  Luthers?'  —  Antwort: 
I.  Ein  Dankfest  gegen  den  gnftdigen  Lenker 
der  Weltgeschichte,  2.  Ein  Siegesfest  der 
geistigen  Mündigkeit  über  kirchliche  Bevor 
mundung,  3.  Ein  Bundesfest  mit  Allen, 
welche  an  dem  Ausbaue  des  Gottesreiches 
auf  Erden  mitarbeiten  wollen. 

„Simon  schläfst  Du?"  —  eine  Christus- 
frage heute  an  jeden  Christen. 

Siehe  Marburg. 

, Gedenket  Eurer  Führer". 

„Ein  Gottlob  an  unserem  Jubiläum"  — 
dargebracht:  i.  Der  bewegenden  Gottes 
kraft  beim  Aufbau,  2.  Der  bewahrenden 
Gottesmacht  bei  Fortbestand  des  Refor- 
mationswerkes und  unseres  Gotteshauses, 

Siehe  S.  23. 

Siehe  S.  69. 

(Kindergottesdienst  am  10.  Nov.)  —  ?  S.  24. 
„Wie  feiern  wir  Luther?*  i.  Als  einen 
muthigen  Zeugen  der  Wahrheit,  2.  AU! 
einen  demüthigen  Knecht  Gottes,  3.  Als 
einen  treuen  Freund  seines  Volkes. 

—  ? 

„Wit  feiern  wir  das  Lutherfest  würdig  ?* 
I.  Wenn  wir  des  Wortes  Gottes  gedenken, 
das  er  uns  gesagt  hat,  2.  Wenn  wir  in  den 


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207 


Gemeinde 


Rnzenoioos 

Rybnik 
Sabbnig 

Schuten 


Schladming 

Steyr 
Teschen    i 
Thening 


Trebeting 


Tressdorf 

Triest 

Tmiwka 

Troppau 

Vöcklftbmck 

Wald 


Pfarrer 


E.  Ulrich 

Vacant 
H.  AumftUer 

J.  Rinke 


R.  Lichten- 

stettiner 

Vacant 

Pindor 

Dr.  Th.  Haase 

H.  Stotz 


C.  Büncker 


Joh.  Knkntsch 
H.  Medicus 
W.  Mare^ek 
H.  Httbner 

Schimik 
H.  Kotschy 


Text 


Oflfbg.  3,  II 


Matth.  24, 

15—28 

Oin>g.  21,  57 


Arnos  8,  II 


Ps.  119,  105 


? 

? 

Rom.  I,  16—17 


I.  Kor.  9,  19 


Hebr.  13,  7 
Eph.  4,23—24 


Ps.  104 
Luc.  13,  I — 9 

? 

? 

Apg.  9»  »—«5 
ijoh.  5,4—5 


Thema  und  Disposition 


Geist,  der  ihn  belebte,  eindringen  nnd  in 
demselben  beharren,  3.  Wenn  wir  seinem 
Glauben  nachfolgen. 

,Der  Zuruf  aus  dem  oberen  Heiligthum 
an  die  Jubiläums  -  Gemeinde** :  i.  Was  wir 
haben,  2.  Der  Zuruf  des  Herrn:  ^Halte, 
was  Du  hast!**  3.  Der  Zuruf  voll  Nach- 
druck :  „Dass  Niemand  deine  Krone  nehme  !^ 

Lesegottesdienst. 

ySiehe,  ich  mache  Alles  neu*,  i.  Die 
Reformation  ein  Werk  des  Herrn,  2.  Durch 
Luther  hat  der  Herr  ein  Neues  geschaffen, 
3.  Wie  und  wo  dieses  Neue  sich  ver- 
wirklichte. 

yDrei  Lutherworte  —  der  Festesdreiklang 
des  heutigen  Tages**:  i.  Ein  Ausspruch 
heiligen  Muthes:  ^Das  Wort  sie  sollen 
lassen  stahn!*  2,  Ein  Bekenntniss  festen 
Glaubens:  „Der  Herr  ist  bei  uns  auf  dem 
Plan*,  3.  Ein  Wort  herrlicher  Verheissung 
„Das  Reich  muss  uns  doch  bleiben!* 

Nachmittags- Predigt:  „Einflnss  der  Bibel 
auf  den  Lebensgang  Luther's  wie  den  Fort- 
gang der  Reformation*. 

—  ? 

Siehe  Linz. 

—  ? 

—  ? 

„Die  herrliche  Gnadenthat  unseres  Gottes, 
dass  er  durch  Luther  aufs  Neue  sein  Evan- 
gelium in  der  Menschheit  hat  offenbar  und 
lebendig  werden  lassen  als  Gottes  Kraft, 
selig  zu  machen  Alle,   die  daran  glauben**, 

Nachmittags-Predigt:  „Die  Freiheit  eines 
Christenmenschen* :  i.  Ein  Christenmensch 
ein  freier  Herr  aller  Dinge  durch  den 
Glauben,  2.  Aber  auch  ein  dienstbarer 
Knecht  aller  Dinge  durch  die  Liebe! 

„Wie  feiern  wir  das  Gedflchtniss  des 
400jährigen  Geburtstages  unseres  grossen 
Lehrers  Dr.M.  Luther  würdig?*  —  i.  Wenn 
wir  gedenken,  wie  er  Reformator  wurde, 
2.  Gedenken,  wie  wir  auch  in  seinem  Geiste 
reformiren  sollen. 

—  ? 
Siehe  S.  77. 

—  ? 

—  ? 

—  ? 

„Luther  der  gottgesegnete  und  reichbe- 
gnadete Bekenner  und  Streiter  lUr  die  ev, 
Wahrheit*. 

16* 


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208 


Gemeind« 


Ffarrer 


Text 


Thema  und  Disposition 


Wallern 

Watschig 

Weiern 

Weissbriach 

Wien 

Gr.  Wrbka 

Wsetin 

Zaachtel 

Zlan 


J.  E.  Koch 

C.  Rupilitts 

Ernst  Schwarz 

C.  Steltzer 


E.  Pellar 
S.  Jurenka 

J.  Ssepessy 

M.  Modi 


Hebr.  13,  7— 

Hebr.  13,  7— 
? 
Hebr.  13,  7 


Hebr.  13, 

Matth.   II, 

Jes,  42 

Hebr.  13, 


7 
Apg.5.34— 42 


,Die  Berechtigung,  die  Art  und  der  Segen 
der  Lutherfeier«. 

—  ? 

—  ? 

„Luther,    der  Mann    nach    dem   Herzen 
Gottes,'  in  Glauben,  Liebe  und  Demnth. 
Siehe  S.  24,  69,  77. 

—  ? 

(Abendgottesdienst  am  10.  Nov.)  S.  25. 

,Dr.  M.  Luther  der  beste  Lehrer  der 
Menschheit". 

,Die  Reformation  —  ein  Werk  ans  Gott", 
das  bezeugt :  i.  Des  Werkes  Anfang,  2.  Des. 
Werkes  Fortgang.  I 


b)  Festlieder  zur  ^.oojäkrigen  Jubelfeier  der  Geburt  Dr,  Martin  Luther^ s 
am  II,  November  188^  von  Ed,  Schmiddg,  ev.  Pfarrer,  Vgl.  S.  53. 


Auf,  auf,  ihr  Christen,  sammelt  euch 

Zum  hohen  Jubelfeste, 

Der  Herr  in  seinem  Gottesreich 

Ruft  euch  als  seine  Gäste, 

Der  Herr,  der  allen  Schaden  deckt, 

Der  unsem  Luther  hat  erweckt, 

Grüsst  heut'  zum  Jubelfeste. 

3.  O  kommet  vor  sein  Angesicht 
Und  lasst  uns  ihm  lobsingen, 
Bezahlen  ihm  die  Dankespfiicht 
Und  Dankesopfer  bringen ! 
Der  Grosses  hat  an  uns  gethan, 
Und   bleibt  bei  uns  wohl  auf  dem  Plan, 
Grüsst  heut'  zum  Jubelfeste. 


Der  Gottesheld  tritt  auf  den  Plan 
Voll  Kraft  in  deutschen  Landen, 
Er  schlägt  des  Aberglaubens  Wahn 
Mit  seinem  Schwert  zu  Schanden; 
Aus  Zions  Mauern  bricht  herftlr 
Ein  neuer  Glanz  in  Pracht  und  Zier, 
Grflsst  heut*  zum  Jubelfeste: 


II. 


Hinauf  zu  Gott  mein  Lobgesang^ 

Hinauf  zu  dir  mit  Preis  und  Dank 

Lass  meine  Stimme  dringen, 

Der  du  dem  treuen  Glaubensheld 

Gegeben  hast  das  Licht  der  Welt, 

Um  uns  das  Licht  zu  bringen. 

Thränen,  Sehnen 

Hast  gewendet,  Leid  geendet, 

Gott  der  Gnade, 

Und  geführt  uns  Lebenspfade. 


Du  hast  das  Licht  in  dunkler  Nacht, 
Das  unsem  Seelen  Heil  gebracht, 
Durch  Luther  neu  gegeben; 
Und  willst  in  deiner  Gotteskraft, 
Die  neues  Leben  in  uns  schafft, 
Zum  Himmel  uns  erheben. 
Wohl  uns,  Heil  unsf 
Lebenssonne,  unsre  Wonne, 
Ew'ge«  Leben 
Willst  in  Christo  du  uns  geben. 


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209 


3.  Ifit  Sangesgniss  und  Geistesschwert, 
Von  Menschenfitrcht  ganz  unversehrt, 
Kftmpft  für  die  höchsten  Güter 

Er,  der  nach  langer  Geistesnacht 

Das  Licht  des  Lebens  hat  gebracht, 

Für  Jesu  Christi  Glieder, 

Lebte,  strebte, 

Als  bereiter  Gottesstreiter 

Für  das  reine 

UnverflOschte  Wort  alleine. 

4.  »Ein'  feste  Burg  ist  unser  Gott", 
Drum  filrchtet  er  nicht  Angst  noch  Noth, 
Bleibt  frei  von  bangen  Sorgen; 

Und  ob  vom  Feind  auch  schwer  bedroht, 

In  ihm,  dem  treuen,  starken  Gott, 

Ist  er  doch  wohl  geborgen. 

Wahrheit,  Klarheit 

Uns  zum  Leben  will  er  geben, 

Als  der  Hüter 

Der  geschenkten  Gnadengüter. 


Du  warst  ihm  nahe  immerdar 

In  Zeit  der  Drangsal  und  Gefahr 

Mit  deinem  Gnadenlichte. 

Drum  freu'n  wir  uns  der  Jubelzeit 

Und  rühmen  deine  Freundlichkeit 

Vor  deinem  Angesichte. 

Lass  dich  fröhlich 

Dafür  loben,  bis  wir  oben 

Angenommen, 

Preisen  dich  mit  allen  Fronunen. 

Erhalte  uns,  was  du  aufs  .neu 

Durch  Luther's  starke  Glaubenstreu' 

Uns  siegreich  hast  erstritten; 

Sei  deiner  Kirche  feste  Burg 

Und  führe  sie  im  Kampf  hindurch 

Zu  deiner  Friedenshtttten. 

Lenke,  senke 

Ins  Gemüthe  deine  Gflte, 

Herr  des  Lebens, 

Dass  dein  Ruf  nicht  sei  vergebens! 


O  hilf,  dass  mit  Posaunenschall 
Dein  theures  Wort  werd'  überall 
Mit  Freuden  angehöret, 
Und  allezeit  im  jedem  Land 
Dein  heil'ger  Name  sei  bekannt 
Und  Christus  hochverehre. 
Sende,  spende 
Allenthalben  Geistessalben, 
Zu  erquicken 
Uns  mit  deinen  Gnadenblicken. 


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XVIII. 
Bücherschau. 

Zar  fttnftmdzwansigjttlirigen  Jobelfeimr  der  Erlatrang  des  A«  h. 
Protestanten-Patentes  vom  8.  April  186L  Festrede,  gehalten  am 
II.  April  1886  von  Ch.  Alphonse  Witz,  Doctor  der  Theologie. 
1886.  Verlag  von  Job.  Heyn  in  Klagenfort.  {44  S.  8.)  35  kr. 
Der  in  erweiterter  Gestalt  erschienenen  Festrede  des  Herrn 
Dr.  Witz  gebührt  eine  Anzeige  an  dieser  Stätte  wegen  ihres  ersten, 
historischen  Theiles  mit  der  Aufschrift:  ,Wir  blicken  zurück  auf  die 
Wohlthaten  der  Vergangenheit  und  danken.*  Der  Verfasser  hat  zu 
diesem  Rückblick  förmliche  Studien  gemacht  und  die  kirchlichen 
Stimmen  aus  der  Zeit  vor  und  nach  Erlassung  des  Protestanten- 
Patentes  gesammelt.  Das  Toleranzpatent,  zu  seiner  Zeit  eine  kaiser- 
liche Grossthat,  nachdem  es  seine  Aufgabe  erfüllt  hatte,  wurde  in 
verschiedenen  seiner  Bestimmungen  je  länger  je  mehr  als  eine  das 
Aufblühen  des  Protestantismus  in  Oesterreich  hindernde  Schranke 
empfunden.  »Die  Kirche  braucht,  wie  der  Einzelne,  zur  vollen  Ent- 
wicklung der  Kräfte  die  Freiheit/  Diese  Freiheit  brachte  dem  öster- 
reichischen Protestantismus  das  kaiserliche  Patent  vom  8.  April  1861 
und  wurde  darum  mit  jubelndem  Danke  begrüsst.  Wie  aber  seiner 
Zeit  die  Durchfuhrung  des  Josephinischen  Toleranzpatentes  auf  viel 
Hemmnisse  und  Widerstand  stiess,  so  blieb  die  im  Protestanten- 
Patent  gewährte  Gleichberechtigung  der  Evangelischen  »nach  sämmt- 
liehen  Richtungen  des  bürgerlichen  und  politischen  Lebens*  in  mehr 
als  einem  Punkte  vorerst  eine  solche  im  Principe.  ,Die  neue  Grund- 
lage des  Rechtes  und  der  Gerechtigkeit  war  geschaffen,  aber  noch 
fehlten  die  organischen  Gesetze,  welche  zur  thatsächlichen  Durch- 
fuhrung der  Allerhöchst  festgestellten  Prindpien  unbedingt  noth- 
wendig  waren.*  Diese  von  den  Evangelischen  ersehnten  Gesetze 
kamen,  durch  das  Votum  katholischer  Mitbürger  geschafTen,  an  A.  h. 
Stelle  sanctionirt.  Und  wenn  auch  jetzt,  nach  Erlassung  der  Staats- 


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211 

grund-  und  interconfessionellen  Gesetze,  manches  Anliegen  der  Evan- 
gelischen nicht  sofort  befriedigt  worden  ist  und  manches  überhaupt 
noch  der  Befriedigung  harrt:  ,> die  Vergangenheit  ist  uns  eine  Bürg- 
schaft für  die  Zukunft.  Inmitten  aller  Wechsel  blieb  des  Kaisers 
Fürsorge  für  die  evangelische  Kirche  unwandelbar.*  Daran  knüpft 
sich  naturgemäss  und  wie  von  selbst  die  Paränese  an  Oesterreichs 
Protestanten:  ,> Habt  Acht  auf  euren  Wandeil*  Denn  ,> eine  Minorität 
siegt  durch  ihre  Glaubenswahrheit  und  ihr  Wahrheitsleben,  und 
Würdigkeit  findet  Würdigung.* 

Wer  die  Geschichte  des  letzten  Vierteljahrhunderts  unserer  evan- 
gelischen Landeskirche  im  Geiste  an  sich  vorübergehen  lassen  und 
die  erhebende  Gedenk-  und  Dankfeier  dieses  Jahres  nacherleben  will 
in  stiller  Betrachtung,  der  findet,  was  er  sucht,  in  der  vorliegenden, 
historisch  und  oratörisch  reichausgestatteten  Festschrift.  F. 


XIX. 
Miscelle. 


Magister  Georgius  Dalmatinus,  evangelischer  Prädicant  in 
Ober-Krain,  welcher  die  deutsche  Bibel  Luther's  in  die  Windische 
Sprache  übersetzt  hat  (Wittenberg  1584,  Fol.).  ^^ wurde  1585  vom 
Herrn  Christoph  Freiherm  von  Auersperg  nach  St.  Rezian  zum 
Pfarrherm  berufen  und  eingesetzt.  Und  ob  ihn  schon  hernach  die 
Katholischen  von  der  Pfarre  vertrieben,  hat  doch  gedachter  Freiherr 
von  Auersperg  ihn  zu  Auersperg  heimlich  bey  sich  behalten,  in 
einer  gewölbten  Kammer  unter  dem  Pferdstall,  vor  dem  Schloss,  da 
ihn  kein  Mensch  gesucht  oder  vermuthet  hätte:  wovon  man  noch 
auf  den  heutigen  Tag  selbiges  geheime  Gewölbe  das  Prädicanten- 
Loch  heisst.*  —  Moser,  , Patriotisches  Archiv  für  Deutschland*, 
Bd.  4  (1786),  S.  194.  O. 


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XX. 

Namenregister. 


Agricola  Vitas  195. 
Alberti  25.  71.  74.  206. 
Albui  HeiDiich  84. 
Antonius  Julius  104. 
Antop  Matthias  84. 
Apelt  Peter  195. 
Arnold  Valentin  84. 
Auerspeig  Christoph  Frhr.  v. 

211.   —   auf  Burgstall  122. 
Aumüller  18.  207. 
Bachoff  Graf  121. 
Bareuther  104. 
Bartelmus  Traug.   133. 
Bauerreiss  Karl  10. 
Bei  Mt^tthias  122. 
Berger  129.  —  Michael  87. 
Bierling  Georg  191. 
Bila  Friedrich  r.  178. 
Bischof  Johann  196. 
Bludowsky  Ernst  v.  133. 
Blumig  Georg  84. 
Bohusch  von  Zwola  Joh.  82. 
Borbonius  Matth.  176. 
Boieckf  Wenzel  177. 
Brass  117. 
Budowets  Wenzel  V.  178.  180. 

183.  185. 
Büncker  C.  207. 
Busch  Johann  188. 
Calisch  Max.  Frhr.  v.  133. 
Öernfn  von  Chudenitz  Diony- 

sius  178.  180.  183. 
Chalupka  Samo  43. 
Chemnitz  Joh.  Hieron.  120  ff. 


Cholewa  P.  203. 

Dalmatinus  Georg  21 1. 

DSdic  Joh.  206, 

Degenfeld  Gräfin  36. 

Diemer  Anna  119. 

Dier  Jul.  206. 

Dimitz  Aug.  154. 

Dittes  31. 

Diwisch  Nikolaus  177.  185. 

Dwofetzky  Prokop  178. 

Dwor2ak  115. 

Eckardt  19. 

Edelmann  Joh.  Christ.  X22. 

Eger  Georg  iSS. 

Ehrlich  Ludwig  Ritter  v.  64. 

Engler  Georg  188. 

Ergenzinger    4.    23.   29.    64. 

66.  206. 
Facilides  Victorin  194. 
Fauth  35. 

Felmer  Martin  I92.   197. 
Fischer  Clemens  180. 
Fock  J,  G.  130.  131. 
Formey  24. 
Franck  v.  37. 
Frank  Gustav  9. 
Friedrich  Georg  185. 
Fries  Johann  Frhr.  v.  34.  131. 
Fröhlich  Chr.  Gottl.  133. 
Gabryä  G.  205. 
Gall  v.  36. 

Geipel  74.  —  Christian  70. 
Gerlach  Melchior  I93  f. 
Glawischnig  Joh.  204. 


Gnörich  Oswald  64. 
Goschenhofer  J.  205.  206. 
Grävenitz  Graf  130. 
Graff  E.  205. 
Graffe  Johann  Georg  192. 
Gregori  44. 
Gummi  203. 
Haase  Th.  207. 
Hajnoczy  P.  205. 
Hanö  A.  205. 
Harrant  Christ,  v.  178. 
Hurtig  55.  204. 
Hartwitz  Johann  191. 
Haselmeyer  Nikolaus  201. 
Haubold  Hleron.  200. 
Hauenschild  Georg  i8f. 
Hausmann  115. 
Herbst  (Herpestus)  189. 
Herforth  Elias  84. 
Hermann,  Abraham  189.    — 
Christoph  I98.  —  H.  206. 
Hildemann  24.  203. 
Hücheribach  K.  W.   33.  131. 
Hils  Georg  200. 
Himly  37. 

Hlasnick  Joh.  Fr.  84. 
Hoenel  203. 
Hoffmann  Joh.  84. 
Hofstetter  Johann  196. 
Holfeld  Nikolaus  189. 
Homy  30. 

HoSfälek  Maxim.  179. 
Hoslauer  Wolfg.  177. 
Hübner  H.  207. 


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213 


Janik  Georg  Ii8. 

Jenny  Samuel  75. 

Jessen  19. 

Jessenins  Job.  179.  180.  181. 
184. 

Joseph  IL  93. 

Jurany  76. 

Jnrenka  208. 

Kalbersperger  Tobias  189. 

Kamaiyt  Joh.  177. 

Kanka  13. 

Kaplirx  Kaspar  178. 

Kapper  176. 

Karban  Lukas  177. 

Karl  VL  123. 

Klebeck  63. 

Knorr  Christoph  X95. 

Knuth  Gra£  12Q, 

Kober  Giristoph  179. 

Koch  Jakob  17.  208.  —  Fried- 
rich 57.  204.  —  Augttst 
55.  205. 

Kochan  Valentin  179. 

Kocour  Andreas  179. 

Kollonitsch  Sigm.   Graf  123. 

Konetichlumsk^  Wilh.  178. 

Kordina  Jos.  Praw.  198. 

Komfeil  Graf  122. 

Kotschy  A.  203.  —  H.  207. 

Kozel  Heinrich  179. 

Krantheim  Johann  73. 

Kröal  K.  75.  204. 

Kubin  Joseph  177. 

Ku^ra  Jos.  206. 

Kühne  Martin  Ferdinand  I93. 
195.  200. 

Knkutsch  207. 

Kanad  Johann  189. 
Knpka  J.  205. 
Kutlik  Th.  205, 

Kntnaner  Johann  179. 

Labor  31. 

Liny  v.  118.  204. 

Larisch  Johann  Graf  132.  134. 

Laorentius  Martin  191. 

Lanterbeck  Albert  189. 

Jahrbuch  des  Pkotestantitmitt 


Leidenfrost  62.  204. 
Lichtenstettiner  R.  207. 
Liechtenstein   Karl   Fürst  v. 

175.  176.  181. 
Lippach  David  174.  180.  181. 

185.  186. 
Lippe  Graf  zur  33  ff.  131. 
Lobkowitz  Wilh.  Popel  v.  176. 
Löger  112. 

Longolius  Michael  I93. 
Lonsky  Franz  64. 
Loss  Heinr.  Otto  y.  178. 
Lück  185. 
Luka  Georg  84. 
Luther  iff.  49  ff.  I03ff.  106  ff. 

203  ff. 
Malvieux  37. 
Marei^k  107. 
Maria  Theresia  90. 
Marolly  69. 

Marschner  Balthasar  191. 
Marusiak  P.  205. 
Marx  75.  204. 
Mascht&rowsky  Wenzel  179. 
Medicus  H.  207. 
Melander  176. 

Michalowitz  Bohuslav  v.  178. 
Mirus  Johann  191. 
Modi  208. 
Möllenhof  123. 

Molnär  Fei.  206.  —  D.  F.  206. 
Morgenstern  Simon  191. 
Muck  J.  71. 

Mucke  (Micanus)  Paul  199. 
Nauwitzer  Andreas  190. 
Nessel  Jakob  190. 
Nicohii  Phil.  44. 
Nigelli  35. 
NowÄk  Fr.  204. 
Ochs  Peter  34.  38.  131. 
Oeribauer  67. 
Oertel  J.  206. 
Oswald  Johann  84. 
Palm  Baronesse  v.  129. 
Pedka  Paul  177. 
Pellar  J.  205.  —  £.  208. 
x886.  H.  IV. 


Pötipeskf  Felix  Wenzel  176. 
Pflösser  Johann  190. 
Pindor  207. 
Pospttil  21.  112.  205. 
Prade  67. 

Prätorius  (Schultheiss)  190. 
Prasma  Helene  84. 
Preuser  Paul  201. 
Preusler  Georg  190. . 
Prummer  206. 
Pult&r  J.  205. 
Rebentrost  Daniel  199. 
fteöick]^  Georg  179. 
Reich  Peter  84. 
Reiner  Christoph  196. 
Reischach  Frhr.  v.  36. 
Reissenberger  Johann  93.  — 

Karl  14.  62.. 
Reissig  Andreas  84. 
Reuss  Prinz  Heinrich  VII.  v. 

69. 

&&in  Paul  y.  176. 

Richter  Andreas    und   Dayid 

84.  —  C.  206. 
Rinke  J.  207. 
Rivius  Dayid  191.  198. 
Rö(h)ling  Michael  190. 
Rogge  Bernhard  63  ff.  206. 
Rolf  C.  205. 
Rorarius  66. 
Rössner  Hans  74. 
Rosacius  Joh.  174. 
Rossin  Elias  179.  184. 
Rulig  Peter  84. 
Rullmann  62. 
Rupilius  C.  208. 
Rüppel  Leander  180.  181.  184. 
Sattler  v.   205. 
Saueracker  G.  205.  206. 
Schlick  Joachim  Andreas  Graf 

177.  182.  185. 
Schmidt    Malachias    X91.    — 

J.  G.  206. 
Schönherr  Paul  und  Thomas 

I90. 
Schröckh   Joh.  Matth.  122. 
16 


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814 


SchrdU  E.  204. 
Schulig  30. 
Schultes  Johann  1-79. 
Schiütheiss  vgl.  Prätorius. 
Schuner  Jakob  89. 
Schur  F.  203. 
Schurich  Abraham  197. 
Schuster  vgl.  Sutorius. 
Schwabe  Oskar  7. 
Schwarz  L.  204.  -^  B.  207. 
Seberiny  sen.  69..  —  jun.  205. 
Seyfert  Christoph  197. 
Sinzendorf  Ludw.  PhU.  Graf 

«3. 
Sixt  Joh.  Theod.  179.  184. 
Smid%  Ed.  53.  208. 
Södel  74.  203. 
Splichal  63. 
Stärker  Joh.  Ernst  93. 
Steffek  Tobias  178. 


Steinbrecher  Peter  193. 
Steltzer  C.  i2o8. 
Stöckel  Leonhard  44. 
Stotx  H.  207. 
Stubenberg  Graf  93*. 
Suschiök^  Simon  179. 
Sutorius  (Schuster)  David  196. 
äwehla  Johann  177. 
Ssepessy  J.  208. 
Tauber  Kaspar  78.  v/ 
Teucher  Kaspar  197. 
Teybrecht  Melch.  177. 
Thaddäus  Johann  190. 
Tillian   30.  206.    —    Chriit. 

204. 
Trautenberger  G.  106.  204. 
Troll  David  200. 
Uhler  Kaspar  177. 
Ulrich  E.  207. 
Urbenius  Victorin  174. 


Usinger  67. 

Vieregg  Krhr,  v.  130. 

Wachowski  31. 

Wack  C.  204. 

Wehrenfennig    G.    204.     — 

M.  204. 
Widmann  Michael  179. 
Winkler  J.  203. 
Wit*  77.  210. 
Wodäansk^  Nathan.  179. 
WokäS  Simon  179. 
Wolf  Niclas  191.    —    Martin 

199. 
Wölfel  63. 

Wostrowets  Hans  176. 
ZavdniU  Georg  Zav6ta  V.   177. 
Zeidler  Johann  X96. 
Zeisig  Johann  190. 
Zimmermann  P.  v.  69. 


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INHALT. 


Seite 
I.  Bericht   über  Dr.  Martin  Luther's  400jährige  Geburtstagsfeier  in  Oester- 
reich  am  10.  und  ii.  November  1883.  Im  Auftrage  unserer  Gesellschaft 
bearbeitet  von  yohann  DhUc,  evang.  Pfarrer  in  Olmütz. 

Einleitung i 

I.  Vorbereitung  auf  die  Lutherfeier 2 

II.  Vorfeier  des  Luthertages 7 

III.  Die  Lntherfeier  am  10.  und  li.  November       14 

a)  Der  10.  November 15 

b)  Lntherfeier  am  ii.  November       49 

c)  Kirchliche  Lutherfeier  in  Reichenberg  und  Wien.  Enthüllung 

des  Luther-Denkmals  in  Asch       *     .     .     .       68 

d)  Lutherfeier  in  der  reformirten  Schwesterkirche 75 

IV.  Nachklänge  zur  Lutherfeier 103 

V.  Verhalten   der  Presse  und  der   Andersgläubigen   gegenüber  der 

Lutherfeier 113 

VI.  Früchte  der  Lutherfeier 115 

Anhang 203 

II.  Nachricht  vom  Entstehen,  Fortgang  und  der  gegenwärtigen  Lage  hiesiger 
Evangelischen  Gemeinde  Helv.  Confession.  Von  Karl  Wilhelm  Hilchen- 
bach,  Superintendent  und  Prediger  der  Gemeinde.  Mitgetheilt  von  OKR. 

Dr.  C.  A,   WiH 33 

ni.  Bericht  über  das  Martyrium   zweier  Lutheraner  im  Sohler  Comitate  vom 

24.  August  1527.     Mitgetheilt  von  Jos,  Rydel,  Cand.  theol 43 

IV.  Bericht  des  Central-Vorstandes  über  da?  Vereinsjahr  1885 47 

V.  Fünftes  Verzeichnis«  der  Geschenke  ftlr  die  Bibliothek  und   das  Archiv 

der  Gesellschaft 4^ 


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IV 

SeiCe 
VII.  Nachtrag  zu  ^Tauberiana«,  Jahrb.  1883.  S.  i— 19.    Von  Dr.  Karl  Ritter 

von  Otto 78 

VIII.  Zwei  Aktenstücke  zur  Geschichte  der  Reformation  in  Odrau.  Mitgetheilt 

von  Superintendent  Dr.   Theodor  HoLose 82 

IX.  Zur  Geschichte   der  evangelischen  Transmigration   aus   Ober-  und  Inner- 
österreich nach  Siebenbürgen.  Von  Prof.  Dr.  Karl  IVeissenberger  in  Graz       85 
XL  Evangelischer  Gottesdienst  in  Wien  vor  der  Toleranzzeit.  Von  Dr.  Karl 

Ritter  von  Otto 120 

XIL  Omsistorial  •  Instruction    vom    Jahre    1784.     Mitgetheilt    von    OKR.  Dr. 

G,  Frank 132 

XIII.  Bücherschau:    August  Dimitz  „Kurzgefasste  Geschichte  Krains*'  u.  s.  w. 
Laibach  1886.  (Dr.  v,  Zimmermann) 154 

XIV.  Die  Eheordnang   des  böhmischen  Landtages  von  1609/10.    Von  Senior 

Dr.  Robert  Leidenfrost  in  Graz 157 

XV.  Die  Execution  zu  Prag  im  Jahre  1621.  I.  Mitgetheilt  von  JÜC.  7TI*  Molndr  174 
XVI    Der    Zug    der    österreichischen    Geistlichen     nach     und     aus    Sachsen. 

II.  (Fortsetzung.)   Von  Pfarrer  Joh.  ScheuffUr  in  Lawalde  (Sachsen)  .     .  188 
XVIII.  Bücherschau:    Zur   fünfundzwanzigjährigen  Jubelfeier   der  Erlassnng  des 
A.  h.  Protestanten  •  Patentes  vom  8.  April  1861.     Festrede,  gehalten  am 

II.  April  1886  von  Dr.  C.  A,   Wit%.  Klagenfurt  1886.  (F^       ....  210 

XIX.  Miscelle.  /-ay     .     .     •     . 211 

XX.  Namenregister 212 


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n    Kirdic   in   O  est  erreich   eotdulL    Wir 

.lIcIc   ^u    di»cm    >cU^nen    Anf^fif^    uail 

<  n  im  ÜmiHrhüit  Rekho  Mi^i^liedf?   ttn<i   lbit{|f 

, . . Ji  r  XI  i )  |{  U  e  d  e  r  find   jeBe,    weldie   hlstodsdte 

*£  von  3  0«  jlbflich  itiilen.    anterirutivnde  Mfc- 

' J)    t^irlich,  cid<T  alt  Ortitidtr  et««9  tAnnudifen 

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mifac  cvttiig*  HtUdc^  Im  Ocftenetdt   igt  KrOtvitB 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger  Redaction 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir  .  .  .  nur  wieder- 
holen. Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evan- 
gelische Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Prote- 
stantismus wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per- 
sönliches  und  Allgemeines"   u.  s,  w. 

Neue  Evangelische  Kirchenzeitung  (Berlin)  l88j.  Nr,  ifo. 
„Es  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treffliches 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoll  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen'*    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Horawitz)  Deutsche  Zeitung,  Wien  t88j,  Nr,  410s. 
,.  .  .  Wir    verfehlen    nicht,   die   Freunde    reformalions-historischer  Forschung  auf 
dieses  wichtige  histori^he  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen." 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  Evangelische  Kirchenveitung  (Greifsw.)  i88s.  Nr.  4,8, 
„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wissen- 
schaftliche Gesellschaft    unserer    evangelischen  Kirche   aufs  Kräftigste   zu  unterstützen 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern." 

Evangelische  Kirchenzeitung  für  Oesterreich  (Bielitz)  1884,  Nr.  /. 
„.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben"    u.  s,  w. 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweig  (Zürich)  1886.  H.  I.  S.  61. 


Zur  l^achricht. 

Se.  Erlaucht  der  Graf  und  Herr  von  Giech  auf  Thumau  bei  Kulmbach  in 
Bayern  hat  das  in  seinem  Besitz  befindliche  Porträt  des  berühmten  österreichischen 
Exulanten  Gallus  Freiherrn  zu  Rägknitz  (f  in  Nürnberg  1658)  dem  Centralvor- 
stande  unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von  der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerischer 
Umrahmung.  Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften  : 

Geh  nur  davon, 

Sey  fromm  für  mir, 

Gib  Armen  hier, 

Ich  bin  dein  Lohn. 

Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  i.  Mos.    12 : 
Geh  aus  deinem  Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm, 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Ariiien  mild, 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron. 
Der  Centralvorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,    welche   im    Archiv   unserer    Gesellschaft   (Wien,    I.   Dorotheergasse    16)    a   t    fl, 
zu  haben  ist. 


Druck  von  Wilhelm  k'öhler,  Wien,  VI.  Uollanlga^ve  il. 


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JAHRBUCH 


der 


Gesellschaft  für  die  Gescbichte  des  Protestantismas 


in  Oesterreich. 


Achter  Jahrgang. 


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Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klinkhardt 

1887. 


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JAHRBUCH 


der 


';e 


Seilschaft  für  die  GescbicMe  des  Protestantismas 


in  Oesterreich. 


Achter  Jahrgang. 
I.  Heft. 

Januar  —  März  1887. 


— »aMB»- — 


Wien  und  Leipzig. 

Julius   Klinkhardt 
1887. 


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Inhalt  von  Heft  I. 

Sr.t- 

1.  Beiträge  zu  einer  Geschichte   der   Reformation    in   Böhmen.    I.  Das  Dekanat 
Aussig.    Von  Dr.  R.   Wolkan i 

2.  Burg    Hohenberg.     (Ein    Beitrag    zur.    niederösterreichischen    Reformations- 
geschichte,) Von  Prof.  Dr.   Eduard  ßöhl 45 


Zur  Beachtung. 

Wir  ersuchen  unsere  Mitglieder,  in  ihren  Kreisen  für  die  Verbreitung  d- 
Gesellschaft  thätig  zu  sein,  und  stellen  zu  diesem  Behufe  Exemplare  der  Statute 
in  gewünschter  Anzahl  zur  Verfügung. 

Laut  Beschlusses   des  Centralvorstandes    in  seiner  Sitzung   am    27.  Februar   18^^ 
erhalten  die  Mitarbeiter  am  „Jahrbuch",  vom  fünften  Jahrgang  (1884)  an,  nach  Ersehe  in  r 
des  betreffenden  Jahrgangs  als  Honorar  pro  Druckbogen  sechzehn  Gulden   ö.  W. 

Den    Mitarbeitern    werden    sechs    Gratis  -  Separatabzüge     ihrer    Arbeiten     na.; 
Erscheinen  des  betreffenden  Heftes  von  der  Köhler'schen  Buchdruckerei  franco  zugesendv* 
Eine  grössere  Anzahl  von  Separatabzügen   kann   nur   nach  rechtzeitiger  VerstÄndigu. 
der  Herren  Verfasser  mit   der  genannten   Buchdruckerei   (Wien,   VI.  Mollardgasse   a\ 
gegen  Erstattung  der  Druckkosten  gemacht  werden. 

Die  noch  rückständigen  Beiträge  bitten   wir  an    unsern  Cassier,    Herrn    H 
und  Gerichts- Ad vocat  Dr.   Carl  Ritter  von  Sääf  (Wien,  I.  Ballgasse  6),  ehebaldic  - 
einzusenden. 

Für  das  „Jahrbuch"  bestimmte  Arbeiten,  sowie  Zuschriften  an  die  Gesellsch 
sind  ,,An  das  Bureau  der  Gesellschaft,  Wien,  I.  Dorotheergasse  x6"  zu  richten. 

Der  Centralvorstand 

der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Protestant i-n 
in  Oesterreich, 


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I. 

Beiträge 
zu  einer  Geschichte  der  Reformation  in  Böhmen. 

Von  Dr.  R.  WOLKAN. 


Das  Dekanat  Aussig. 

Das  Aussiger  Dekanat,  dem  Archidiakonate  von  Bilin  unter- 
geordnet, umfasste  nachstehende  Pfarrorte:  Aussig  (Usti),  Türmitz 
(Trmice),  Schönfeld  (Sonwald,  Tuchomisl),  Amsdorf  (Amoltice, 
Amoldi  Villa),  Graupen  (Krupka),  Rosawitz  (RozbSlesy),  Eulau  (Jilowy), 
Schwaden  (Swadow),  Waltirsche  (Waltifow,  Waltheri  villa).  Schöbritz 
(WSeborzicz),  Gastitz  (Skorotice),  Sesitz  (Zezicz),  Modlan  (Modlany), 
Böhm.  Kahn  (Chwoyna),  Brozan  (Brozanky),  Hrtine  (Rtin),  Böhm. 
Bockau  (Buchau),  Tschochau  (Sochow,  Kehlowice),  Boreslau  (Bofes- 
law),  Raudnig  (Rudnyk),  Karbitz  (Ghabafowic,  Chabrowic),  Kulm 
(Chlumec),  Mosern  (Mojzif),  Schima  (2im,  Nicolai  villa),  Peterswald 
(Petrowice),  Spansdorf  (Spinner!  villa,  Lipowa),  Kolcz  (Koleö),  Schön- 
born (pulcher  fons),  Königswald  (Libuchec),  Deutsch  Kahn  (Komonin)  ; 
im  Ganzen  30  Ortschaften,  zu  denen  noch  die  6  in  Sachsen  ge- 
legenen Orte  Königstein.  Struppen,  Gottleube,  Reinhardsdorf,  Herms- 
dorf und  Markersdorf  kommen,  die  wir  aber,  als  über  den  Kreis 
unserer  Betrachtung  hinausgehend,  ausser  Acht  lassen  müssen. 

Die  Orte  gehörten  nicht  alle  unter  eine  Herrschaft ;  im  Gegen- 
theil.  Eine  verhältnissmässig  grosse  Anzahl  adeliger  Geschlechter 
theilten  sich  in  diesen  Besitz.  Bald  finden  wir  einen  Ort  unter  diesem, 
bald  unter  jenem  Besitzer;  häufiger  Wechsel  der  Besitzungen  kenn- 
zeichnet die  Unrast  damaliger  Zeit.  Die  wichtigsten  dieser  Herren- 
geschlechter müssen  wir  zuvor  wenigstens  in  Kurzem  kennen  lernen, 
weil  von  ihrer  Stellungnahme  zu  der  auftauchenden  Bewegung  die 
Fortschritte  der  Reformation  auf  ihren  Gütern  bedingt  sind;    neben 

Jahrbuch  den  Protestauititmus  1887.  H.  I.  1 


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ihrer  Bedeutung  tritt  die  der  kirchlichen  Behörde,  des  Dekans  von 
Aussig,  fast  vollständig  in  den  Hintergrund. 

Aussig,  die  wichtigste  Stadt  unseres  Dekanats,  ist  seit  Pfemysl 
Ottokar  II.   königliche  Stadt  *) ;    sie  geht   ihre  Wege   nach   eigenem 
Ermessen,    frei  von  adeliger  Willkür.    Mit  Georg  von  Podiebrad  ist 
sie  tschechisch    geworden;    das  Zeitalter  Luthers   gewinnt   ihr  deut- 
schen Charakter  wieder  zurück.  Türmitz  gehört  den  Brüdern  Christoph,     I 
Nicolaus    und    Wenzel   Türmitzky    von   Mücheln,     einem    deutschen 
Geschlechte,    das  seine  Besitzungen,    zu  denen  damals  (1542)   noch 
die  Dörfer  Hotowies  (Hostowic),    Kosten  (Cestow),    Stehen  (Stebna) 
und   Augiezl   (Oujezd)   zählten  •),    auch    deutsch    zu   erhalten   weiss. 
Verschwägert   sind   sie   mit   den   Herren    Kölbel    von   Geissing    auf 
Kulm,  gleichfalls  einem  deutschen  Geschlechte,  das  im  J.  1578  auch 
die  Güter  Schönwald  und  Peterswald,  Böhm.  Kahn  und  Klein-Kahn, 
Netluk  und  Predlitz  erkaufte  *).    Auch  das  Städtchen  Karbitz  gelangt 
160 1   in  den  Besitz    dieser  Familie.    Die  Herren  von  Bünau,  gleich- 
falls   dem  Geschlechte    der   Türmitzky    von   Mücheln    verschwägert 
und   uns   bereits  bekannt  *),    besitzen    in  unserem  Dekanate  Königs- 
wald, Eulau.  Sesitz  und  Leukersdorf.  Graupen,  die  altbekannte  Berg-- 
stadt,  kommt   1547  nebst  24  Dorfschaften  in  den  Besitz  des  König^s, 
in   dessen  Namen   die   protestantisch   gesinnten  Ritter    von  Wrsche- 
sowitz   eine  Art    von  Schutzherrschaft    ausüben,    bis   die   Stadt    im 
J.    1584    volle   Selbstständigkeit    sich   erringt    und    den   Titel    einer 
kaiserlichen  freien  Bergstadt  erhält  *). 

Das  sind  die  Besitzverhältnisse  des  Dekanats  zu  einer  Zeit,  <ial 
in  Deutschland  der  Gedanke  Luthers  erwacht.  Es  war  leicht  voraus- 
zusehen, dass  auch  hier,  auf  deutschem  Gebiete  und  unter  deutscHer 
Herrschaft,  über  kurz  oder  lang  der  Protestantismus  seinen  Einzug 
feiern  werde;  königliche  Macht  reichte  nicht  weit  und  das  Land  lagl 
nahe  der  Grenze.  Wir  haben  früher  gehört,  wie  rasch  die  Herrei^ 
von  Sahlhausen  und  die  von  Bünau  den  Gedanken  Luthers  ergrififen 
und  ihm  freie  Entfaltung  auf  ihren  Gütern  vergönnt  hatten.  Mehrer« 
ihrer  Besitzungen  reichen,  wie  erwähnt,  in's  Aussiger  Dekanat;    l<eir 


1)  Feistner:  Geschichte  der  kgl.  Stadt  Aussig  bis  z.  J.  1547,  p.  29. 

»)  Hallwich:  Die  Herrschaft  Türmitz  I,  14. 

•)  Mittheilungen  d.  deutsch-histor.  Vereins  i.  Böhmen  1862,  3.  Heft,  p.  23, 

*)  Jahrbuch  der  Gesellschaft  f.  d.  Gesch.  d.  Protestantismus   1883. 

•)  Hallwich:  Geschichte  der  Bergstadt  Graupen,  p.  112,  137. 


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3 

Wunder,  wenn  zuerst  auf  diesen  östlichen  Theil  des  Dekanats  das 
Augenmerk  der  geistlichen  Behörde  sich  richtete  und  Mahnungen 
erflossen,  treu  dem  katholischen  Glauben  zu  bleiben  und  alle  sectischen 
Priester  zu  entfernen.  Freilich  vergebens;  das  Beispiel  fand  Nach- 
ahmung; hie  und  da  hört  man  schon  in  den  vierziger  Jahren  des 
i6.  Jahrhunderts  von  weiteren  Erfolgen  Luthers  *).  Selbst  die  katho- 
lische Geistlichkeit  kann  sich  der  Bewegung  schon  nicht  mehr  fern- 
halten; mochten  die  Beweggründe  welche  auch  immer  sein,  die  sie 
zu  dem  Schritte  veranlassten  —  und  allerdings  war  es  gerade  bei 
ihnen    nicht   stets  der  Drang   der  Ueberzeugung   —    die  Thatsache 

■    steht  fest,  dass  bereits  1549  einige  Priester  dieses  Dekanats  j^aposta- 

'  sirten*  und  heirateten ').  Das  nächste  Jahr  schon  zeigt  uns  das 
weitere  Umsichgreifen  der  Lehre  Luthers  auch  unter  der  Land- 
bevölkerung. In  Eulau  sorgt  Heinrich  v.  Bünau  für  deren  Bekannt- 
werden; auch  Günther  v.  Bünau  hat  bereits  drei  seiner  Pfarreien 
mit  lutherischen  Priestern  besetzt  darunter  Königswald  mit  Caspar 
Steyer.  Anton  Kölbl  von  Geissing,  Herr  auf  Herbitz  und  Blanken- 
stein,  ist  der  nächste,  der  offen  sein  Glaubensbekenntniss  darthut 
;  und  auf  seinen  Besitzungen   dem  Protestantismus   zum  Durchbruche 

;    verhüft.  Er  geht  energisch  vor,  vielleicht  auch  hart.  Dem  Karbitzer 

>  Pfarrer  wird  das  Kirchspiel  St.  Lorenz  bei  Herbitz,  welches  seine 
Vorgänger    ,über    Menschengedenken*    besassen    und    ebenso    alle 

-  Zehnten  weggenommen  •).  Schon  hat  die  Bewegung  so  weit  um 
sich  gegriffen,  dass  auch  das  Metropolitancapitel  zu  Prag  sich  be- 
müssigt  sieht,    der  Sache  ein  näheres  Augenmerk  zu  schenken.    In 

V  einer  Bittschrift  an  den  Kaiser  Ferdinand  I.  vom  Jahre'  1562,  worin 
über  das  Fortschreiten  des  Protestantismus  im  Glazer,  Kaadner  und 
Brüxer  Dekanate  berichtet  wird,  gedenkt  dasselbe  auch  des  Aussiger 
und    bittet,    die   Katholiken    gegen    die   Lutheraner    zu    schützen  *), 

,^  Aussig  selbst,  das  verhältnissmässig  am  Spätesten  zum  Protestantis- 

j.'imus  öffentlich  sich  bekennt,  hat  doch  auch  der  neuen  Lehre  nicht 
f 

li' '  *)  Die  Kirche  zu  Stehen  zeigt  einen  Taufstein  mit  der  Jahreszahl  1546  und  dem 

ijjBchrifttext  Evang.  Matth.  XX VIII.   I9    in  deutscher  Sprache,  ein  Zeichen,    dass  schon 

In  diesem  Jahre   die  Kirche   von  einem  protestantischen  Geistlichen   verwaltet  wurde, 

■ras  nicht  ohne  Vor  wissen    der  Obrigkeit   hätte   geschehen    können,    und    diese  waren 

pe  Herren  Türmitzky.  Hall  wich:  Türmitz,   15. 

•)  Frind:  Kirchengeschichte  von  Böhmen,  IV,  398. 

»)  A.  a.  O.  p.  399. 

*)  Borovy:  Jednany  a  doptsy  II,  327. 

1* 


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ganz  $ich  verschliessen  können  und  zählt  in  seinen  Mauern  bereits 
Anhänger  Luthers  und  evangelische  Priester  in  so  bedeutender  An- 
zahl, dass  im  gleichen  Jahre  (1562)  die  Prager  Unterkämmerer  an 
die  Bürgerschaft  Aussigs  den  strengen  Befehl  ergehen  lassen  müssen. 
,  keinen  lutherischen  Priester  in  die  Stadt  einzulassen,  noch  daselbst 
zu  dulden*  ').  Diesem  Befehle  kam  man  zwar  nach,  ohne  jedoch 
dadurch  einen  dauernden  Erfolg  zu  erzielen,  wie  wir  bald  sehen 
werden.  Unterdrücken  Hess  sich  die  Bewegung  nicht  mehr ;  sie  hatte 
bereits  zu  feste  Wurzeln  in  den  Herzen  ihrer  Anhänger  gefasst. 
Wohl  mochten  es  mitunter  auch  egoistische  Absichten  sein,  welche 
hie  und  da  die  bisher  katholischen  Unterthanen  zum  Protestantismus 
überzutreten  bewogen;  der  Umstand,  dass  Adam  Kölbl  im  J.  1564 
die  Kirchengründe  in  Predlitz  confiscirte  und  unter  seine  Unterthanen 
vertheilte  •),  mochte  für  Manchen  massgebend  sein  zur  Aenderung 
seines  Glaubens.  Immerhin;  solche  Fälle  kamen  doch  nur  in  ver- 
schwindend kleiner  Anzahl  vor. 

Petrus  Netter,  Dechant  und  Pfarrer  zu  Aussig,  gab  sich  Mühe, 
durch  Zuschriften  aller  Art  nach  Prag  dem  Protestantismus  entgegen- 
zuwirken; vergebens.  Vor  Allem  war  ihm  Günther  von  Bünau  auf 
Tetschen  ein  Dorn  im  Auge.  Er  berichtete  nach  Prag  (1564, 
16.  October)'),  wie  derselbe  auf  der  Pfarre  in  Königswald  eigen- 
mächtig einen  Pfarrer  eingesetzt,  trotzdem  fnan  ihm  den  Benedictiaer- 
bruder  Adalbert  vorgeschlagen  habe.  Der  neue  Pfarrer  habe  sich 
zwar  erbötig  gemacht,  ,gar  keine  Obrigkeit  zu  fliehen,  sondern,  wo 
er  von  Jemandem  gefordert  würde,  dass  er  gern  sich  gesteilen 
wolle,  zu  Verhör  und  sich  selbst  zu  verantworten*,  und  auch  Günther 
habe  versprochen,  falls  jener  sich  werde  nicht  verantworten  können, 
j^so  soll  von  Stund  an  die  Pfarr  zu  Königswald  dem  Bruder  Adalbert 
zugesagt  sein*  ;  nichtsdestoweniger  misstraute  Netter  diesen  Angaben 
und  Hess  sein  Misstrauen  gegen  Günther  von  Bünau  und  dessen 
Pfarrer  auch  recht  deutlich  hervorleuchten,  welch  letzteren  er  direct  als 
einen  , lutherischen*  bezeichnet.  Auch  in  Leukersdorf  gedenke  Günther 
von  Bünau  einen  solchen  einzusetzen,  wie  er  höre,  ,weil  es  den 
andern  für  voll  ausgeht,  dass  sie  Lutherische  aufnehmen  und  ein- 
setzen*. Er  bittet  deshalb  den  Erzbischof,  er  möge  ,gnädiglich  die 

1)  A.  a.  O.  p.  351. 
«)  Frind:  IV,  399. 
*)  Erzbischöfl.  Arch.  Prag.  Recepta  ab  ao.  1560—4  orig. 


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Mittel  und  Wege  suchen,  damit  sich  nicht  so  mächtig  die  Luthe- 
rischen in  dieses  Dekanat  mit  Gewalt  eindrängen,  dass  schier  also 
das  halbe  Dekanat  mit  Lutherischen  Pfarrern  besetzt  wird  sein,  so 
es  durch  E.  f.  G.  nicht  in  Zeit  ein  gnädiges  Einsehen  wird  haben.* 
Des  Dechants  weitläufige  Beschwerde  war  allerdings  nicht 
g^rundlos.  Der  Protestantismus  nahm  allerorten  sichtlich  an  Anhängern 
zu ;  that  doch  die  katholische  Geistlichkeit  das  Ihre,  die  Bevölkerung 
in  der  Abneigung  gegen  sie  zu  bestärken.  Wenn  der  katholische 
Pfarrer  von  Karbitz  den  Juden  Elias  Schleifer  aus  Prag,  statt  ihm 
den  abgekauften  Beutel  zu  bezahlen,  misshandelte  und  wieder  ein 
anderer  Pfarrer  in  einem  Gasthause  die  anwesenden  Bauern  auf 
denselben  hetzte  %  so  war  dies  edler  Denkenden  kein  sonderlich 
Zeichen  geistlicher  Duldsamkeit  und  Nächstenliebe.  Auch  in  Graupen 
waren  die  Protestanten  zu  einer  ansehnlichen  Schaar  angewachsen, 
weshalb  sich  das  Consistorium  im  Juni  1564  an  den  Rath  der  Stadt 
wandte,  mit  dem  Bedeuten,  den  deutschen  Gesängen  Stillstand  zu 
gebieten,  ,so  lange  das  Werk,  darin  man  itzt  ist,  und  etliche  geist- 
liche christliche  Lieder  deutsch  gestellet  sein  werden,  vollbracht 
ist*  •).  Auch  hier  war  die  katholische  Geistlichkeit  nicht  vom  besten 
Geiste  beseelt.  Der  Quardian  des  Graupner  Klosters,  ein  alter, 
mürrischer  Herr,  der  fast  allein  in  dem  ziemlich  verfallenen  Gebäude 
hauste,  zankte  sich  beständig  mit  dem  Aussiger  Dechant  und  war 
bemüht,  ihm  die  gehässigsten  Beschimpfungen  entgegenzuschleudern ; 
vergebens  suchte  dem  der  Pfarrer  Gregor  Kriner  Einhalt  zu  thun; 
vergebens  auch  der  neu  hieherberufene  Caplan  Andreas  Egelthan. 
Die  Verhältnisse  wurden  so  unleidlich,  dass  beide  um  ihre  Ver- 
setzung baten;  Kriner,  der  übrigens  selbst  auch  nicht  das  beste 
Andenken  in  Grauj>en  zurückliess,  kam  nach  Ellbogen;  Egelthan 
bat  den  Erzbischof,  er  möge  sich  für  ihn  verwenden,  dass  Heinrich 
von  Bünau,  der  Sohn  Günthers,  ihn  als  Pfarrer  in  Leukersdorf  auf- 
nehme, da  diese  Gemeinde  >den  Lutherischen  Priester  nicht  mehr 
leiden  und  haben  wolle*  ').  Das  Consistorium  versprach  ihm  unterm 
9.  November  seinen  Wunsch  zu  erfüllen  und  gab  ihm  den  Auftrag, 
zu  Georgi  des  nächsten  Jahres  nach  Leukersdorf  zu  ziehen ;  man 
werde  Sorge   tragen,    dass   der   von  Bünau    ihn   aufnehmen    müsse. 


*)  Erebischöfl.  Arch.  Prag.  Recepta  ai.  1565  orig. 

»)  Hallwich:  Graupen,  p.  123. 

8)  ErzbischÖfl.  Arch.  Prag.  Recepta  ai.  1565. 


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6 

Heinrich  von  Bünau  scheint  keine  Neigung  für  den  ihm  aufgedrängten 
Caplan  bezeugt  zu  haben;  denn  schon  am  19.  December  1565  klagt 
Egelthan  abermals  über  dessen  eigenmächtiges  Benehmen,  sowie 
über  den  von  ihm  eingesetzten  lutherischen  Pfarrer,  der  den  Katho- 
lischen das  Begräbniss  auf  dem  Kirchhofe  verweigere  *).  Ob  Egelthan 
dann  doch  noch  seinen  Wunsch  erfüllt  sah,  wissen  wir  nicht;  aus 
Graupen  verschwindet  er. 

Wir  sehen  die  reformatorische  Idee  immer  weitere  Kreise  ziehen. 
In  Kulm   fuhrt   Otto  Kölbl    1566    einen  protestanischen   Geistlichen 
ein  und  ersetzt  dessen  Abgang  imj.  1569  durch  einen  neuen;  auch 
in  Aussig  weiss  man  sich  über  das  oben  erwähnte  Verbot  hinweg- 
zusetzen. Vom  Stadtrathe  war  der  Befehl  ergangen,  kein  lutherischer 
Geistlicher  dürfe  in  der  Stadt   sich  aufhalten.    Man  kam  demselben 
nach,    ging   aber   allsonntäglich   in    das  benachbarte  Schwaden,   wo 
die  Herren  von  Sahlhausen  einen  Geistlichen  hatten,  hörte  dort  die 
Predigt  und  Hess  sich  das  Abendmahl  reichen.    So  berichtet  Netter 
unterm  23.  März    1566   nach  Prag   an    den  Erzbischof  •)    und    fährt 
dann  fort :   j^Ist  demnach  an  E.  f.  G.  umb  Gotteswillen  meine  unter- 
thänigste  und  demutige  Bitt,  E.  f.  G.  geruhen  bei  ihrer  erzfur.  Durl. 
anstatt  ihrer  röm.  kai.  Mt.   unsers  allergnädigsten  Herrn   soUicitiren 
und   ansuchen,    damit   ihr   erzb.  Durchl.    dem  Rathe    gegen  Aussig 
ernstlichen   mandire    und   auferlege,    bei   gewisser  Pön    und   Strafe, 
darmit    sie    denjenigen    solch    Mandat    möchten    vorhalten,    gegen 
Schwaden    noch    anders  wohin   nicht   zu    laufen.    Welche   also  sich 
contumaciter    vorhielten,     sie   auch    endlich    zu   strafen    befugt   sein 
möchten*.  Aber  so  mächtig  war  bereits  der  Einfluss  der  protestan- 
tischen Einwohner  Aussigs  geworden,  dass  auf  ihr  Betreiben  Netter 
von  der  Gemeinde  verabschiedet  wurde.   Am  15.  Juli  d.  J.  klagt  er 
dies  dem  Erzbischof  und  sagt,    dass  er  nichts   anderes  gethan,    als 
der  Ausbreitung  des  Protestantismus  sich  widersetzt.  Zugleich  bittet 
er  Aussig  mit  einem  katholischen  Geistlichen    zu  versehen   und    für 
sich  selbst  um  die  Pfarre  in  Türmitz»).    Als  er  die  Stadt  verlassen 
hatte,  baten  einige  Bürger  Aussigs  um  Einräumung  der  Capelle  des 
Marienhospitals   zur  Communion   unter   beiden   Gestalten;    ungewiss 
ist,    ob  sie  ihren  Wunsch  erfüllt  sahen;    sicher  aber,  dass  an  Stelle 


«)  A.  a.  O. 
*)  A.  a.  O. 
y)  A.  a.  O. 


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Netters,    den  wir  später  in  Leipa  wirken  sehen,  Andreas  Klinser  '), 
bislang  Pfarrer   in  Leipa,    trat.     Derselbe   hatte   in  Leipa   dem  An- 
scheine nach  als  vollkommen  guter  Katholik  gegolten ;  hier  in  Aussig 
aber   wurde    er    kurze   Zeit    nach    Aufnahme    seiner   Thätigkeit    zu 
wiederholten  Malen  beim  Prager  Erzbischofe  verklagt,  dass  er  Neue- 
rungen einführe.  Der  Umstand,  dass  Bürgermeister  und  Geschworene 
der  Stadt  so  schnell  bei  der  Hand   waren,    ihm  das  beste  Zeugniss 
über   seine  katholische  Gesinnung   auszustellen,    lässt   wohl    die  An- 
nahme   als  gerechtfertigt   erscheinen,    dass   auch  KHnser   bereits  zu 
den  Anhängern  der  Reformation  gehörte.  Aussig  war  in  dieser  Zeit 
nahezu  ganz  protestantisch  und  froh,  des  früheren  Seelsorgers  ledig 
geworden   zu   sein;    hätte   der   neue   Pfarrer   Ansichten    zur   Schau 
getragen,    welche    der  Mehrheit    der    Einwohner    missliebig    waren, 
wäre  er  also  noch  streng  römisch  gewesen,  man  hätte  sich  schwer- 
lich so  beeilt,  seine  Vertheidigung  zu  übernehmen.    Klinser  schreibt 
zwar:    j^So  weiss  doch  Gott,    dem  ich  nicht   lügen   kann,    dass  ich 
nichts  neues  allhie  in  der  Kirchen  oder  anderswo  angefangen,  weder 
mit   der   Communion    oder    anderen   Ordnung,    sondern   über   allen 
Ceremonien   mit  Fleiss   gehalten,    nichts  lassen  abgehen,    als  keiner 
vor  mir  jemals   gethan   hat,    und   so   es  E.   f.  G:    anders   befinden 
werden,  will  ich  mich  in  E.  f.  G:  Straf  mit  Leib  und  Guet  begeben. 
Allein  dass  ich  täglich  diurnum  officium  nicht  peragirt  hab,   ist  mir 
auch  allein   propter   quotidianos   labores   beschwerlich   gewest,    bitt, 
E.  f.  G:  wollen  mein  Entschuldigung  gnädiglich  annehmen  und  solchen 
delatoribus  nicht  Glauben  geben*  •),  und  auch  die  Gemeinde  schreibt 
in  ihrem  Berichte:  ,Uns  hat  Herr  Andreas,  ietziger  unser  Seelsorger 
Eu.  f.  G:  Schreiben   vorgebracht  mit   grosser  Beschwernus,    wie   er 
angegeben  ist  wurden,    als  sollt  er  allhier   zu  Aussig   allerlei  Neue- 
rung anfahen  und    die  Katholischen    sub  una  mit  Gewalt   zur  Com- 
munion sub  utraque  dringen,   uns  gebeten,   ihn  in  solcher   unerheb- 
licher   und    ungrundlicher  Angebunge    zu   entschuldigen.    Sintemal 
wir    noch   die  ganze  Gemeine    bei  uns   von  keiner  Neuerung   nichts 
wissen,  auch  keine  Persone,  die  er  mit  Gewalt  sub  utraque  zu  com- 
municiren  hätte  sollen  dringen,  sundern  jetzund  am  heiligen  Eristage 
verschiener  öffentlich  sub  una  und  sub  utraque  hat  Communicanten 

*)  So  nach  den  Acten  des  erzbischöfl.  Archivs ;  Willomitzer  in  seiner  ,  Geschichte 
der  Frauenkirche^  und  „Peter-  und  Paulskirche**  (Leipa)  nennt  ihn  Klinger. 
■)  Erzbischöfl.  Arch.  Prag.  Recepta  ab  ao.  1567 — 9  orig. 


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8 

gehabt,  keine  Person  sich  irgend  einer  Bedrängnus  nicht  beschwert 
hat,  auch  keine  Neuerungen  nicht  angefangen,  Eu.  f.  G:  bitten  wir, 
wollte  solchem  ungrundlichen  Bericht  keine  Statt  noch  Glauben 
geben,  sundern  weil  es  vermöge  des  nächsten  abgehandelten  Triden- 
tischen  Concilio  einem  jeden  frei  nachgelassen,  sub  una  aber  sub 
utraque  zu  communiciren,  hoffen,  Eu:  f.  G:  wird  uns  und  unsere 
gemeine  Nachpern  solche  Freiheit  auch  nicht  verhindern,  sundem 
derselben  gemäss  nachleben*  ^);  aber  gerade  der  Schlusssatz  des 
Berichtes  ist  geeignet,  unsere  Ansicht  zu  stützen. 

Im  ganzen  Dekanate  von  Aussig  ruhte  nun  der  Protestantismus 
auf  festem  Boden ;  nur  kurze  Zeit  und  man  machte  aus  dem  Glaubens- 
bekenntniss  nirgends  mehr  ein  Hehl.  Und  wohin  der  neue  Glaube 
vielleicht  noch  nicht  gedrungen  war,  gelangte  er  durch  die  katho- 
lische Geistlichkeit  selbst.  Das  Jahr  1567  sah  nämlich  am  15.  Mai 
eine  Pastoralconferenz  in  Bilin  in  Anwesenheit  des  Erzbischofes  selbst, 
bei  der  die  katholischen  Pfarrer  von  Böhm.  Kahn,  Janig,  Weiss- 
kirchlitz  und  Kulm  zum  Arreste  »propter  excessus*  verurtheilt  wur- 
den»). Die  Folge  davon  war,  dass  die  genannten  Orte  ihrer  Seel- 
sorger beraubt  wurden,  und  da  das  Prager  Capitel  mangels  an 
geeigneten  Kräften  die  erledigten  Stellen  unbesetzt  lassen  musste. 
hatte  man  selbst  dem  Protestantismus  die  Wege  geebnet.  Die  Be- 
wohner der  Orte  sehnten  sich  nach  geistiger  Nahrung  und  waren 
gerne  bereit,  sie  aus  der  Hand  der  protestantischen  Geistlichen 
entgegenzunehmen.  Und  in  der  That.  Adam  Kölbel  hatte  im  J.  1565 
den  evangelischen,  aus  Gotha  gebürtigen  Pfarrer  Wilhelm  Hirschfeld 
zur  Erziehung  seiner  Kinder  nach  Predlitz  berufen;  derselbe  erhielt 
jetzt,  da  die  Kulmer  Pfarrpfründe  erledigt  war,  von  Otto  Kölbel  von 
Geissing  diesen  Posten  und  wurde  so  der  erste  protestantische  Pfarr- 
herr in  Kulm«).  Und  er  hat  sich  nicht  über  Mangel  an  Zuhörern 
zu  beklagen  gehabt.  Wenn  daher  der  Geschichtschreiber  von  Maria- 
schein, P.  Joannes  Miller  S.  J.  berichtet:  ^.In  dieser  Aussig-Teplitz- 
und  Graupnergegend  hat  die  Ketzerei  um  das  Jahr  1570  unterschied- 
liche Neste  gemacht  und  von  ihrem  Gift  so  viel  Junge  ausgeheckt ; 
wie  dann  das  Unkraut  gar  leicht  und  geschwind  überhand  nimmt, 
dass  in  wenig  Jahren  mehr  Un-  als  recht  Katholische  in  den  Städten, 


»)  A.  a.  o. 

«)  Hallwich:  Graupen,  p.  124. 

»)  Mittheilungen  etc.  1862.  3.  Heft,  p.  23. 


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Flecken  und  Dörfern  anzutreffen  waren*  *),  so  freuen  wir  uns  über 
seine  Bestätigung  der  Thatsachen,  die  Ausfälle  dem  Jesuiten  zu  gute 
haltend. 

Die  Nachrichten  über  die  beständige  Zunahme  von  Protestanten 
in  unserem  Gebiete  mehren  sich.  In  Aussig  trat  1568  der  Schul- 
meister Jacob  Kriesche  als  evangelischer  Prediger  auf*),  Gartitz 
erhält  durch  seinen  Patron  Peter  von  Mücheln  einen  protestantischen 
Geistlichen  *),  namens  Mathias  Fritsch,  Grosspriesen  desgleichen  *) ; 
in  Raudnig  predigt  Pastor  Paul  Rodinger*).  Auch  in  Graupen  geht 
die  Sache  der  römischen  Kirche  immer  mehr  den  Krebsgang.  Der 
frühere  missliebige  Pfarrer  Georg  Kriner  kehrt  aus  Elbogen  1569 
wieder  zurück  nach  Graupen,  muss  aber  bald,  als  , hämischer  Ver- 
läumder  und  Ehrabschneider*  gekennzeichnet,  die  Stadt  verlassen, 
wobei  es  sich  herausstellt,  dass  er  verheiratet  gewesen,  seine  Frau 
aber  für  todt  ausgab,  während  er  sie  inzwischen  in  seiner  Wohnung 
versteckt  hielt.  Sein  Nachfolger  Michael  Rost  wird  kurze  Zeit  nach 
seiner  Ankunft  von  seinem  Collator  Bernhard  von  Wrschesowitz  ^^  wegen 
Grobheit  und  unchristlichen  Benehmens*  verklagt  und  verlässt  gleich- 
falls den  kaum  angetretenen  Posten;  seinen  Platz  nimmt  der  von 
seinen  Oberen  bestens  empfohlene  Mathias  Stueler  ein,  über  den 
aber  bereits  nach  wenigen  Wochen,  am  2.  September  1570,  der 
Dechant  zu  Leitmeritz  an  den  Erzbischof  berichtet,  dass  er  ein 
Lutheraner  sei,  Weib  und  Kinder  habe  und  die  Communion  unter 
einer  Gestalt  seinen  Pfarrkindern  nicht  reichen  wolle  ®) ;  ein  gleicher 
Bericht  geht  am  n.  October  d.  J.  von  Balthasar,  dem  Abte  des 
Stiftes  Ossegg,  nach  Prag,  wie  sich  der  Pfarrer  von  Graupen  zur 
katholischen  Kirche  ^^  ungebührlich*  verhalte'),  und  hat  die  Einsetzung 
einer  Commission  zur  Folge,  welche  den  Pfarrer  über  die  Echtheit 
seines  Katholicismus  zu  prüfen  hat.  Dieselbe  hat  zwar  an  seinem 
Glauben  weiter  nichts  auszusetzen,  als  ein  , vermeintliches*  Eheweib 
mit    mehreren   Kindern,    die   er    sofort    entlassen   müsse,    wogegen 


^)  Historia  Mariascheinensis,  p.  23. 

*}  Maresch:  Jahrbuch  f.  Eltern,  Lehrer  u.  Erzieher,   1859,  p.  35. 

»)  Frind:  IV.  399. 

*)  Hallwich:  Tünnitz,  p.  20. 

»)  Frind:  IV,  398. 

•)  Orig.  erzbischöfl.  Arch.  Prag.  Recepta  ab  ao.   1570. 

»)  A.  a.  O. 


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Stueler  den  Aussiger  Dechant  mit  Kosenamen,  wie  ,Dieb*  und 
,  Klosterräuber*  beehrt  und  dann  sich  aus  dem  Staube  macht,  um 
trotz  wiederholter  Citirungen  sich  nicht  mehr  einzufinden  *).  Die 
Graupner  bleiben  inzwischen  ohne  Pfarrer. 

In  Kulm  predigt  mittlerweile  Hirschfeld  weiter  und  gewinnt  von 
Tag  zu  Tag  an  Ansehen,  so  dass  von  weit  und  breit  die  Land- 
bevölkerung zu  ihm  strömt,  seinen  Worten  zu  lauschen.  Dass  dies 
abermals  mannigfache  Klageschriften  zur  Folge  hat,  ist  natürlich. 
Der  Pfarrer  von  Karbitz,  zugleich  Dechant  des  Aussiger  Kreises, 
Balthasar  Herschelius "),  zeigt  dem  erzbischöflichen  Canzler  Dr.  Adal- 
bert  von  Gleichenberg  solches  Gebahren  an  und  beklagt  sich  über 
den  Herrn  von  Kulm,  Bernhard  von  Wrschesowitz,  wobei  er  zugleich 
zu  erzählen  weiss,  dass  auch  die  Herren  von  ^Melen*  (Mücheln)  auf 
der  Filiale  Schöbritz  einen  sectischen  Priester  halten ').  Auch  Abt 
Balthasar  von  Ossegg  klagt  über  den  genannten  Herrn.  Desgleichen 
weiss  auch  Georg  Ferber,  Pfarrer  in  Aussig,  über  ihn  zu  berichten, 
als  er  sich  nach  Prag  wendet  mit  der  Anzeige,  er  sei  gezwungen, 
Aussig  zu  verlassen.  Sein  Bericht  lautet*): 

Post   debita  obsequia,    Reverende,    nobilis,    iuxta  ac  clarissime 
domine  doctor  *),    quae  hie  de  meo  discessu  iterum  scribo   Reveren- 
dissimo    R.  V.  D.   ipse   facile  intelliget.     Cum   vero   ad   impossibile 
nemo  sit  obligandus,    non  dubito  a  Celsitudine  sua  dimissionem  me 
impetraturum.  Sunt  rationes,  si  exacte  perpendantur  non  tarn  iustae 
quam  necessariae,  cur  discessum  petam.  Ad  summam  vero  non  uno 
sed  altero  etiam  argumento,  nisi  prolixus  essem  apertissime  demon- 
strarem,  totum  senatum  pedibus  manibusque  iniisse  consilium  adeoque 
in  hoc  totum  studiose  sese  composuisse,  ut  quovis  modo  excogitatis 
Omnibus  artibus  me  hinc  abigat  ac  propellat.     Unde  excogitavit  ne 
agricultura  ex  debito  exerceretur,    hinc  inde  mihi  summam  inoptam 
proventuum  excrescituram    ob  quam  velim  nolim  discedendum   mihi 
foret.  —  Sed  nisi  haec  unica  causa  obstaret,  qua  de  penuria  proven- 
tuum conqueror,  vincerem  lubens  persecutiones  facileque  sine  disturbio 


i)  Hallwich:  Graupen,  p.   127. 

*)  Hallwich   a.  a.  O.    und  Mittheilungen  etc.    1862,    Heft  3,    p.  24    nennen  ihn 
Jenschel. 

«)  Erzbischöfl.  Arch.  Prag. 

*)  A.  a,  O. 

^)  Victor  Th.  Albinus,  officialis  Pragensis. 


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11 

eluderem  artes  totius  senatus.    Cogitavi  utrum   possit  constitui  mihi 

certa   pecunia   loco   usus   fructuum   ex   agris ,    sed  ante   compositas 

Utes,  quae  cum  Colbelio  nobili  exortae  sunt,  id  commode  fieri  sane 

nequit.     Ubi  vero  res  iure   foret  composita  facillimam  scirem  viam, 

qua  de  reditibus  unusquisque  parochus  in  posterum  facile  contentus 

esset.    —    Nam  cogeretur  senatus   ipse  colere  agros,    parocho  vero 

solvere  annuatim  Stipendium   certa   promptaque   pecunia,  idque  non 

iuxta  beneplacitum  senatus,  sed  iuxta  aestimationem  Reverendissimi 

ac  D.  locumtenentium,    postulatis   etiam    ab  iis,    qui   olim    pastores 

praefuere  huic  paraeciae,    qui  annuatim  possint  ex  agris  coliigi  usus 

fructus  testimoniis.    Supersunt  autem  duo  antecessores  mei  in  vivis, 

viri   fide    digni,    nempe  D.    archidiaconus   Thinae    Horrsoviensis    et 

D.   Petrus    praepositus  Lippensis;    ad   horum    testimonium  aestima- 

tionemque  constituendum   esset  salarium   successori  meo.     Sed  ante 

compositas  lites  vix  fieri  potest,  ut  hoc  modo  res  ipsa  componenda 

Sit.    Resigno  itaque   hanc   paraeciam    ad  festum  D.  Georgii  eamque 

non  lubens,    ut  ingenue  fateor,    dimitto,    necessitate  tamen   urgente 

velim   nolim    dimittere    cogor   omnique   gratiarum   actione    pro  usis 

beneficiis  coUatae  eiusdem  paraeciae  erga  Reverendissimum  promissa 

humiliter    peto   Reverendissimi    dementia   et    favore  in    concedendo 

alio  beneficio  me  prosequutum  iri.  Deinceps  peto,  ne  indignetur  mihi . 

Reverendissimus  ob  meum  discessum  aut  ideo  malam  gratiam  apud 

suam  Celsitudinem  ineam.  Contra  impossibile  enim  nuUum  remedium 

est ;  nee  uUo  modo  repugnaturus  essem  nee  (teste  conscientia)  perse- 

cutiones  horrescerem,  ubi  impossibilitas  in  proventibus  non  excusaret ; 

imo  si  potest  conveniens  huic  malo  adhiberi  remedium,  adhuc  manebo, 

quantumvis  infirmum  sit  mihi  corpusculum.  Sin  minus  offero  Celsitudini 

Suae  meas  vires,    officium  et  diligentiam,  non  tam  ex  debito,  quam 

lubens  et  merito  rogans  submisse  etiam  atque  etiam,  ut  mihi  dignum 

providere  et  conferre  dignetur  beneficium,  R.  V.  D.  vero  rescribere 

velit    certam   et   perspicuam  sententiam,    iuxta  quam  res  meas  infra 

hoc   tempus   breve    D.    Georgii   sciam    componere,    neve    destitutus 

conditione  hincque  illincque  circumvagans  ludibrio  sim  populo. 

Gruppensis  ille  intrusus  mercenarius  sua  mora,  qua  nuilum  dis- 
cessum parat,  non  parum  praebet  scandali  Ustensibus  meis,  quod  si 
diutius  morabitur,  quid  non  sibi  in  dies  magis  licere  putabunt 
Ustenses.  Gerte  male  facit  D.  Bernhardus  Wrzesovicius  collator  catho- 
licus;    tripudiat    et   orat   populus   in  hoc  districtu    ac  pollicetur  sibi 


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12 

suaeque  factioni  in  dies  meliorem  fortunam,  nostram  vero  paulatim 
destnictionem  et  interitum.  Deus  avertat  omne  malum  et  custodiat 
nos  in  pace,  Amen. 

Datae  Ustae  ad  Albim  die  Mercurii  pridie  festum  praesentationis 
Intern:  Vkg:  Mariae  ao.  70. 

R.  D.  V.  deditus  saceüanus 

Georgius    Ferber 
pastor  Ustensis. 

Im  gleichen  Jahre  wandten  sich  die  Bürger  von  Aussig  nach 
Prag  mit  nachstehendem  Schreiben  *) : 

Gottes  Gnade  und  Friede  mit  Wunschsetzung  glückseliger  Re- 
gierung, und  Wohlfahrt,  und  alles  Guten  zuvoran,  ehrbare,  gross- 
gunstige,  weise,  gebietende,  liebe  Herren.  Nachdeme  sich  E.  E.  \v. 
wohl  zu  erinnern  wissen,  wie  wir  E.  E.  w.  mannigfaltig  supplicirende 
und  bittweis  ersucht,  wegen  eines  Pfarrherrs  aber  Predigers  der 
Augsburgischen  Confession  gemäss,  und  sonderlich  den  25.  Juni  des 
1570  Jahrs  den  Herrn  Cammerer  s.  G.  angelanget  und  supplicirt 
und  E.  E.  w.  auch  mundlich  an  s.  G.  bittende  begehret,  eines 
solchen  obgenannten  Pfarrherrs,  der  uns  mochte  die  reine  Lehre 
sampt  den  hochwürdigen  Sacramenten  nach  der  Einsetzung  unsers 
Herrn  Jesu  Christi  lehren  und  reichen,  welch  christlich  und  in  Gott 
gut  Fürnehmen  s,  G:  erkannt  und  E.  E.  w.  und  einer  ganzen  Gemein 
zugesagt,  solche  ihm  überantworte  Supplication  Rom:  kais:  Maiest: 
unsern  allergnädigsten  Herrn,  auf  der  Post  zu  übersenden,  und  die 
Antwort  von  seiner  Maiest:  wieder  E,  E.  w.  zu  schicken.  Nachdeme 
wir  da  sint  der  Zeit  vergangen  zweimal  bittweis  supplicirt,  und  die 
Antwort  gefodert  von  E.  E.  w.  und  da  E.  E.  w.  beantwort  worden, 
uns  solches  vorlesen  lassen,  daraus  wir  verstanden,  wann  Rom:  Kais: 
Maiest:  unser  allergnädigster  Herr  wieder  zu  Lande  wird  kommen, 
sollten  wir  wiederumb  anhalten  und  da  einer  Antwort  gewärtig  sein, 
dieweil  dann  Gott  der  Allmächtige  Kais:  Maiest:  wieder  zu  Lande 
geholfen,  können  wir  in  solcher  grossen  geschwinden  schweren  Zeit 
nicht  unterlassen,  E.  E.  w.  zu  ermahnen,  und  ist  unser  demuthige 
unterthänige  Bitt  umb  Gottes  Willen,  E.  E.  w.  wollen  doch  Eures 
von  Gott  befohlenen  Ampts,  sonderlichen  was  zur  Ehre  Gottes  und 
Ausbreitung    seines    göttlichen    Worts    belangende,    sich    hierinnen 


*)  Orig.  Stadtarchiv  Aussig. 


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13 

erinnern,  und  den  Herrn  Cammerer  s.  G.  aber  Rom;  Kais:  Malest: 
uasern  allergnädigsten  Herrn  demuthiglich  ersuchen,  und  solch  ob- 
gcmelt  unser  Christliche  Bitte  umb  einen  Pfarrherr  der  Augschbur- 
gischen  CcMifcssion  gemäss  zu  vergünstigen,  und  sind  trostlicher 
Zuversicht^  zu  Gott  und  zu  Rom:  Kais:  Malest:  unsern  allergnädigsten 
Herrn,  dass  seine  Maiest:  uns  nicht  wird  solch  unser  christlich  Be- 
gehren (dieweil  wir  uns  in  aller  Billigkeit  was  uns  von  unser  lieben 
Obrigkeit  müglichen  zu  ertragen  aufgeleget  wird,  mit  Leib  und  Gut 
unterthäniglich  halten,  was  aber  zu  Gottes  Lob  und  unser  aller  Selig- 
keit belangende)  abschlagen  sondern  vielmehr  behulf  lieh  und  forderlich 
sein.  Solches  wollen  wir  umb  E.  E.  w.  sampt  Rom:  Kais.  Maiest: 
unsern  allergnädigsten  Herrn,  mit  unsern  emsigen  Gebet,  in  aller 
Unterthänigkeit  verschulden. 
E.  E.  w.  will: 
und  gehors:  Unterth: 

Die  ältisten  Viermeister 
sampt  der  ganzen  Ge- 
mein aühier  zu  Aussig. 

Frind  zählt  in  seiner  Kirchengeschichte  (IV,  400)  für  das  Jahr 
1570  noch  folgende  katholische  Pfarreien  im  Aussiger  Dekanate  auf: 
Aussig,  Graupen,  Peterswald,  Ebersdorf,  Schönwald,  Bocken,  Böhm. 
Khan,  Proboscht,  Türmitz,  Stehen,  Zirkowitz.  Dass  diese  zumeist 
nur  dem  Namen  nach  katholisch  waren,  haben  wir  gesehen.  Bald 
sollten  sie  auch  öfifentlich  zur  , Augsburgischen  Confession*  sich 
bekennen.  Noch  drei  Jahre  und  wir  sehen  in  allen  Orten  unseres 
Dekanats  den  Protestantismus  als  allein  massgebenden  Glauben. 

Graupen  erhält  zwar  noch  1572*)  einen  neuen  Pfarrer  in  Tobias 
Stang  aus  dem  Ossegger  Kloster,  der  am  16.  September  d.  J.  dem 
Prager  Erzbischof  über  die  Visitation  der  dem  Günther  v..Bünau 
gehörenden  Pfarren  durch  den  Superintendenten  von  Pirna,  Dr.  Johann 
StösseU  sowie  über  die  Convocation  der  evangelischen  Geistlichen 
zu  Tetschen  berichtet  und  über  Günther  von  Bünau  sich  beschwert, 
dass  er  ihm  durch  die  Vertröstung,  als  sollte  er  Pfarrer  zu  Neschwitz 
werden,  viele  Unkosten  verursacht  habe »).  Noch  kann  im  Jahre  1574 
(5.  März)  Kaspar  Kreutziger,  Pfarrer  in  Aussig,  den  Erzbischof  bitten, 


*)  Nicht  1574,  wie  Hallwich  a.  a.  O.  p.  131  berichtet. 
•)  Erzbischöfl.  Arch.  Prag.  Recepta  ab  ao.   1567—9  orig. 


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14 

ihm  einen  Caplan  beizustellen,  weil  er  allein,  besonders  zur  Zeit  der 
Osterfeiertage ,  da  eine  so  grosse  Anzahl  von  Landleuten  aus  den 
Dörfern,  wo  k^ine  katholischen  Geistlichen  sind,  nach  Aussig  kommt, 
nicht  ausreichen  würde  *) ;  aber  es  ist  das  letzte  Aufflackern  eines 
ersterbenden  Lichtes.  Am  27.  Juni  1574  weist  Stang  in  einem  neuen 
Berichte  auf  die  Verbreitung  des  Protestantismus  in  der  Gegend 
von  Graupen  hin,  wozu  die  Pfarrer  von  Brüx  und  Aussig,  sowie 
auch  die  Hauptleute  auf  der  Herrschaft  Teplitz  die  grösste  Veran- 
lassung geben"),  und  Kreutziger  hat  wenig  Gutes  gethan,  als  er 
um  einen  Caplan  ersuchte.  Derselbe  vernichtet  den  letzten  Rest  von 
Ansehen,  dessen  sich  die  römische  Kirche  in  Aussig  noch  erfreute. 
Kreutziger  berichtet  am  17.  Juli  über  denselben  an  den  Erzbischof 
wie  folgt: 

,Ich  kann  Euer  frstl:  Hochwürdigkeit  zum  unterthänigsten  an- 
zeigende nicht  verhalten,  wie  muetvvilUg,  leichtfertig  und  rebeUisch 
Herr  Wenzel  Patek,  mein  zugegeben  Caplan  von  dem  Tage  an, 
seit  er  mir  zu  einem  Gehulfen  zukommen,  sich  gegen  mir  verhalten 
thut,  also  dass  ich  nach  vieler  Geduld,  die  ich,  seine  Jugend  und 
Unverstand  betrachtende,  getragen,  ihn  von  mir  lassen  und  treiben 
muss;  dann  was  er  für  ein  Spiel  und  Gezänk  angerichtet  zue  der 
Zeit,  da  ich  für  E.  f  G.  gegen  Bilin  vocirt,  erschienen,  will  ich 
allein  mit  kurzen  Worten  vermelden.* 

„Wie  er  mich  gnädiger  Fürst  und  Herr  auf  vorgemeldte  Reis 
hat  machen  und  auf  Bilin  ziehen  wollen,  hab  ich  gedachten  Caplan 
zu  mir  erfordert,  ihme  auferlegt  und  befohlen,  dass  er  sich  in  der 
Kirchen  fleissig  und  im  Hause  friedlich  gegen  jedermann  verhalten 
sollen,  der  Wein-  und  Bierhäuser  sich  äussern,  damit  nicht  Aergemus 
unter  so  bösen  vergiften  Volk  geben  werden  möchte,  welches  alles 
er  mir  zugesagt,  aber  so  lange  bis  ich  aus  dem  Hause  kommen, 
verhalten;  dann  sobald  ich  vorreiset,  hat  er  nachläsig  und  sehr 
unfleissig  die  Vesper  verrichtet  und  mehr  dann  ihme  zueständig  die- 
selbe verkürzt.  —  Nachmals  Sonntag  und  Montag  ein  solch  Lärm 
mit  Fluchen  und  Schelten  im  Haus  auch  am  Tisch  sitzend,  in  Gegen- 
wart des  Schulmeisters  und  Cantori  angerichtet,  alles  mein  Haus- 
gesinde trotzen,  puchen  und  schlagen  wollen,  also  dass  sie  verursacht, 
den  Herrn  Burgermeister  anlaufen  und  umb  Schutz  anhalten  müssen.* 


^)  A.  a    O.  Recepta  ai   1574  orig. 
«)  A.  a.  O. 


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15 

^Über  dies  alle  die  Tage,  so  ich  aussen  gewesen,  seine  priester- 
liche Kleider  von  sich  geworfen,  einen  kurzen  Mantel  auf  sich  ge- 
nommen und  zwen  muetwillig  Buben  oder  Bärnhäuter  an  sich  gefasst, 
Tag  und  Nacht  ausserhalb  der  Pfarr  in  den  Weinhäusern  dem 
Schlemmen  nachgangen  und  ob  ich  wohl  am  Dienstag  wiederumb 
heimen  kommen,  nichts  destoweniger  ist  er  mir  zue  Trotz  auf  der 
Gassen  ausserhalb  der  Pfarr  mit  den  zween  obgedachten  Buben 
noch  bis  auf  den  Freitag  rumber  gezogen  und  also  seines  Muet- 
willens,  Schlemmens  und  Säufens  gewartet.  — * 

»Auf  den  Freitag  aber  ist  er  zum  Überfluss  aufs  Rathhaus 
gelaufen,  allda  mich  mit  vielen  unergrundten  und  unwahren  Worten 
schriftlich  und  mündlich  anklagen  dürfen,  also  dass  der  Rath  die 
Wahrheit  zu  erforschen  verursachet  worden,  zu  mir  zu  gehen,  mir 
auch  seine  angelegte  Supplication  verlesen  und  überreicht.  —  Dem- 
nach ich  aber  sein  Muet willen,  den  er  die  ganze  acht  Tage  in  meinem 
Ab-  und  Beiwesen  in  und  ausserhalb  der  Pfarr  gebraucht,  erzählt, 
sein  unpriesterliches.  ärgerliches  Leben  und  muetwilliges  frevent- 
liches Fürnehmen  angezeigt,  haben  die  Rathspersonen  beineben  mir 
soliches  mit  ernsten  Worten  an  ihme  gestrafet,  das  so  viel  bei  ihm 
gelten,  dass  ich  ihn  ins  Gefängnus  zu  legen  verursacht  worden, 
soliches  auch  in  Gegenwart  und  Beisein  eines  Raths  gethan.  Ist 
aber  in  solcher  Straf  länger  und  muthwilliger,  schilt  und  flucht,  dass 
ich  nicht  wissen  kann,  wie  ich  mich  gegen  ihme  verhalten  soll.  Auf 
den  andern  Tag  aber,  da  ich  ihn  der  Gefängnus  erledigen  hab  wollen, 
und  ihme  sein  Abschied  geben,  hab  ich  den  Herrn  Burgermeister 
zu  mir  erfordert,  nach  ihm  geschickt  und  zuvor  selbst  gangen,  hat 
er  weder  mir  noch  dem  Herrn  Burgermeister  kein  gut  Wort  geben 
auch  nit  aus  dem  Gefängnis  gehen  wollen.  —  Und  dieweil  er  über 
alles  obgemeldts  bei  12  oder  14  flJ  Schuld  gemacht,  vermeint  er,  ja 
lasset  sich  öffentlich  hören,  er  wolle  der  Mährer  Land,  da  auch 
Euer  f.  G:  nicht  (wie  er  sagt)  zu  schaffen  habe,  einnehmen  etc.* 

,Dies  und  andere  dergleichen  Stück  mehr,  die  er  getrieben,  auch 
ohne  alle  Ursach  aus  lauter  Bosheit  und  halsstarrigem  Muetwillen 
fürgenommen  und  gebraucht,  nicht  diesmal  allein,  sondern  auch 
zuvor,  ehe  ich  ihme  zum  Alter  treten  und  primiciren  lassen,  also 
dass  ich  ihne  von  Stund  an  zur  selben  Zeit  hab  gelassen  wollen, 
wenn  er  sich  nicht  selbst  guetwillig  angebeten  und  in  Gegenwart 
etlicher  Priester   nxit   eigener  Hand   verschrieben   hätt,    wie  die  ein- 


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gelegte  Zettel  ausweisen  und  klärlich  anzeigen  —  verursachen  mich, 
ihn  zu  gelassen  und  wegzutreiben;  dieweil  mir  aber  soliches  ohne 
Fürbewusst  Euer  f.  G.  nicht  gebühren  hätt  können,  habe  ich  dies 
Schreiben  an  Euer  f.  G:  abfertigen  und  den  ganzen  Process  dieses 
Handels  kurzlich  erklären  wollen,  darumb  ob  er  selbst  kommen  und 
mich  mit  Unwahrheit,  das  er  dann  meisterlich  kann  und  sich  keiner 
Lügen  oder  falschen  Auflag  schämen  thut,  für  E.  f,  G:  angeben 
möcht,  ihm  diesfalls  kein  Glauben  zu  geben;  dann  da  es  die  Noth 
furhanden,  auch  ein  ehrbarer  Rath  allhier  seines  halsstarrigen  muth- 
willigen  Fürnehmens  schriftlichen  Bericht  zu  thun  sich  erboten  und 
wie  er  sie  mit  Zusag  dahin  beredet  und  nicht  destoweniger  an  sein 
eigenes  Schreiben  und  priesterliche  Ehr,  die  er  verletzt,  vergessen 
und  von  hinnen  durch  solch  erdichte  böse  Stuck  zu  kommen  ver- 
meint; —  Euer  f  G:  wolle  mich  genädigst  verständigen,  wie  ich 
mich  diesfalls  gegen  ihm  verhalten  soll,  dann  nachdem  er  aus  dem 
Gefängnus  nicht  hat  auf  unsere  Erforderung  gehen  wollen,  kein  gut 
Wort  darzue  geben  wollen,  will  ich  ihn  also  darinnen  bis  auf  E.  f.  G: 
ferneren  Bescheid  verbleiben  lassen.* 

, Befehl  hiemit  E.  f.  G;  sampt  derselben  ganzen  Hof  in  Gottes 
genädigen  und  allmächtigen  Schutz/ 

, Datum  Aussig  an  der  Eiben  am  Tage  Alexii  dieses  1574  Jahrs. 
E.  f.  G: 

dienstwilliger  Caplan 

Caspar    Creutziger 
Pfarrherr  daselbst.* 

j^Ist  auch  dies  mein  demüthige  Bitt,  mich  wegen  der  Pfarr 
Carbitz,  wie  es  ein  Gelegenheit  habe  und  ob  den  fiirgeschlagen 
Priester  die  Jungfrauen  auf  Teplitz  anzunehmen  gedacht,  genädigist 
zu  verständigen.* 

Dieser  etwas  langathmige  Bericht  ging  zwar  nach  Prag  und 
wurde  dort  gelesen;  es  kam  auch  der  Befehl,  den  Caplan  sofort 
seines  Dienstes  zu  entheben,  aber  es  half  nicht  viel.  Patek  wusste 
die  Verhältnisse  aufs  Beste  auszunützen.  Hinter  des  Pfarrers  Rücken, 
musste  Kreutziger  bald  wieder  melden,  hatte  er  durch  ,etlich  ver- 
soffene Bürger,  zue  denen  er  sich  gesellet,  H.  Johannem,  Pfarrern 
zue  Tirmitz  heimlicherweise  unterpflanzt,  durch  Schriften,  Wort  \md 
Verheissung,    den  Herrn   und   Collatorem    dahin    beweget,    dass    er 


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17 

gedachten  Herrn  Johann  so  viel  Ursach  geben,  dass  er  sich  der 
Pfarr  entledigen  und  herein  in  die  Stadt  zue  Hause  einziehen  müssen. 
Demnach  er  aber  die  Pfarr  durch  solche  unbilliche  Mittel  erlangt, 
trachtet  er  Tag  und  Nacht  darauf,  damit  er  die  in  die  Possession 
bekommen  und  allda  seines  Muetwillens  desto  freier  gebrauchen 
möcht,  hat  er  wiederumb  gegen  mir,  wie  auch  zuvor  geschehen,  so 
viel  halsstarriges  Ungehorsams  gebraucht,  bis  er  solches  Dienste  durch 
mich  enturlaubet  worden  mit  dem  Befehlich,  er  soll  sich  für  E.  f.  G: 
wie  billich  gesteilen,  allda  wohin  man  ihn  ordenen  und  setzen  wurde, 
Antwort  zu  gewarten,  welchs  er  keinesweges  gethan,  noch  thuen 
wollen,  sondern  gehet  in  der  Stadt  herumb.  hänget  sich  an  die  ver- 
soffene Burgerschaft,  verklagt  mich  durch  seine  ungewaschene  Zung 
bei  Burgern,  Pauern  und  Edelleuten  etc.  und  dieweil  er  nichts  arges 
mit  der  Wahrheit  furbringen  kann,  höret  er  etlicher  leichtfertiger 
Leut  ungegründeten  Bericht  von  Handeln,  die  sich  für  12  Jahren 
zuegetragen  haben,  trägt  es  für  die  Wahrheit  aus,  richtet  und  stiftet 
also  viel  Unglücks  und  Böses,  dass  ich  nicht  wissen  mag,  wofür 
mich  Euer  f  G:  hieher  gesetzt  und  sich  Niemands  für  meinem  tra- 
genden Ampt  scheuen  oder  einigen  Gehorsam  erzeigen  will.  Ich  zwar 
für  meine  Person,  sonder  Ruhm  zu  melden,  hab  bei  dieser  Stadt 
und  sonderlich  bei  einem  E.  Rath  gebührliche  Autorität  erhalten 
mögen,  da  nur  oft  gedachter  Caplan  längst  von  mir  hinweg  genommen 
worden  wäre.  Da  es  aber  Euer  f.  G:  ihn  zue  behalten  für  gut  ange- 
sehen, hab  ich  darwider  weder  streiten  mögen  noch  sollen.  Und 
demnach  er  in  seinem  halsstarrigen  Furnehmen  noch  verharren  thut, 
und  ich  mich  mit  ihme  keinesweges  vergleichen  kann,  viel  weniger 
vergleichen  werde  mögen,  sobald  er  in  sein  freies  Leben  gedeihen 
und  die  curam  pastoris,  der  er  doch  keinesweges  furzustehen  tüchtig, 
dieweil  er  bei  mir  dies  Jahr  kein  Gutes  thun,  einige  horas  hat  beten 
wollen  etc.  erlangen  möcht,  weiss  ich  neben  ihm  keinesweges  zue 
dulden,  wohnen  und  sonderlich  darumb,  dass  er  also  diebisch  mit 
des  recht  verordneten  Pfarrers  (der  eines  guten  Lebens,  furtrefflicher 
Lehr,  auch  mit  einem  jeden  bis  anhero,  auch  mit  seinem  Collatore, 
der  ihm  den  heut  diesen  Tag  geneigt,  friedlichen  gelebet)  Schaden, 
Spott  und  Nachtheil  eingestiegen  ist,  und  noch  trotzen  darf,  weder 
Euer  f.  G:  noch  ich,  wann  er  einen  guten  Schutzherren  bekommen 
mocht,  etwas  mit  ihme  zu  schaffen  haben.  Daraus  dann  zu  vor- 
nehmen,   dass   er   mit  Heuchlei   den  Pfarren   nicht  kleinen  Schaden 

Tahrbuch  des  Protestantismus  1887.  H.  I.  2 


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18 

zuefugen  wird,  die  Einkommen  den  Edelmann  nachlassende,  welcher 
sich  dann  aller  Pfarrguter  mächtigen  thut  und  die  zue  sich  ziehen 
und  nehmen  will;  wie  er  dann  gewesenen  Pfarrherrn  über  die 
20  Strich  schuldig  verblieben.  Oder  auf  seiner  Herrn  Collatoren 
Gunst  sich  verlassende  apostasiren  wird,  demnach  er  ziemlich  darzue 
g^eneigt/ 

3>Bitt  derhalben  aufs  höchst,  Euer  f.  G:  wollen  oft  gemeldten 
Zanker  meines  und  mir  vertrauten  Dekanats  entledigen,  an  ein  Ort 
und  Stelle,  da  er  mores  und  ritus  ecclesiasticos  mehr  und  fleissiger 
dann  allhier  (dann  darzue  ich  weder  mit  Vermahnung  noch  Be- 
drauung  bringen  mögen)  lernen  möcht,  verordnen,  auch  seines  un- 
gebührlichen ungehorsamens  Verhaltens  dermassen  und  also  strafen, 
damit  er  nachmals  in  Handel  und  Sachen,  die  ihn  nichtes  angehen, 
nicht  mische,  mir  noch  anderen  mehr  bei  Städten,  da  sonderlich  in 
dieser  bösen  Welt  genugsam  Verfolgung  regieren  thut,  Unglimpf 
zuerichte,  dann  wo  er  zue  frue  ausfliehen,  was  er  guts  anstiften 
möcht,  wird  die  Zeit  geben.  Da  in  der  Wahrheit  seines  gleichen 
mir  der  Tage  meines  Lebens  nicht  furkommen.  Da  aber  Euer  f.  G: 
ihn  allhier  mir  zum  höchsten  Verfolger  und  Verläumder  sitzen  lassen 
will,  will  ich  mit  diesem  Schreiben  meinen  Abschied  von  inhabender 
Pfarr  genommen  haben,  meine  Verbesserung,  wo  ich  mag  und  kann, 
suchen  damit  ich  mich  auf  die  Letzt  bleiben  möcht.  Darauf  mich 
Eu.  f.  G:  mit  Antwort  genädigst  versehen  wolle,  demüthigst  bitten 
thue.* 

Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  da  uns  nur  der  eine,  gewiss 
parteiische  Bericht  über  Patek  erhalten  ist,  inwiefern  derselbe  aut 
Wahrheit  beruht  und  wie  viel  auf  Rechnung  des  Eiferers  zu  setzen 
ist.  Ist  er  wahr,  dann  konnte  Patek  allerdings  nur  dazu  beitragen, 
das  Ansehen  der  katholischen  Kirche  und  Geistlichkeit  zu  unter- 
graben; ist  er  nicht  wahr,  dann  gewann  der  Protestantismus  durch 
ihn,  der,  wie  wir  hören,  ja  selbst  geneigt  war,  zu  , apostasiren*. 
einen  tüchtigen  Priester  mehr,  der  allen  gegnerischen  Verläumdungen 
zum  Trotz  seiner  Ueberzeugung  folgte  und  ihr  treu  blieb  *). 


*)  Auf  diesen  Patek  dürfte  sich  wohl  auch  der  Bericht  Frind's  (IV,  398)  beziehen, 
wo  er  sagt:  ^,1575  versuchte  der  Aussiger  Pfarrer  zu  apostasiren,  büsste  es  aber  sofort 
mit  dem  Verlust  seiner  Pfründe",  nur  dass  dann  der  Ausdruck  ;,Pfarrer"  entschieden 
unrichtig  ist,  jedenfalls  sich  nicht  auf  Kreutziger  bezieht,  der  noch  in  den  nächsten 
Jahren  in  Aussig  erscheint. 


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19 

Die  Bürger  von  Aussig,  die  jetzt  in  der  Mehrheit  dem  prote- 
stantischen Glanben  huldigten,  begannen  nun  energischer  vorzugehen 
und  forderten  direct  ihren  katholischen  Pfarrer  auf,  ihnen  die  Com- 
munion  sub  utraque  zu  ertheilen.  Kreutziger  berichtet  darüber  am 
24.  Februar  1575  *): 

,Ich  soll  Euer  f.  G:  demuthigest  anzeigende  nicht  vorhalten,  wie 
für  etlich  wenig  Wochen  allerlei  Unordnung  halben,  die  sich  allhier 
in  und  ausserhalb  der  Kirchen  zugetragen,  aufs  Rathhaus  geschrieben, 
darein  insonderheit  der  Communicanten  sub  utraque  und  ihres  Aus- 
laufens, so  auf  künftig  österliche  Zeit  wiederumb  furgenommen 
werden  möcht,  aufe  beschwerlichst  gedacht  mit  ernstlicher  Vermah- 
nung und  iieissigem  Anhalten,  solches  abzustellen  und  beim  gemeinen 
Mann  nach  Vermögen  zu  steuern,  damit  einsmals  eine  rechtmässige 
conformitas  und  katholische  Einigkeit  wiederumb  auf  und  angericht 
werden  möcht-;  welchen  Artikel  beineben  den  andern,  demnach  sie 
wie  billich  genugsam  bewegert  und  daraus  ermessen,  dass  solche 
Zwieträchtigkeit  wenig  Verdiensts  bei  Gott,  viel  weniger  Nutzes  bei 
einer  Gemein  mit  sich  bringen  wird,  sind  etliche  der  Aeltesten  und 
Furnehmsten  zu  mir  auf  die  Pfarr  kommen,  darauf  anstatt  eines  ganzen 
Raths  Antwort  gegeben  mit  angehängter  Bitt,  wofern  es  möglichen 
und  ich  neben  ihnen  zu  solcher  Conformität,  einträchtiger  katholischer 
Vergleichung  zu  helfen  bedacht,  sollt  ich  im  Anfang  den  katholischen 
bis  anhero  gehaltenen  Brauch,  die  Communion  sub  una  betreffend, 
fahren  lassen,  sacramentum  altaris  denen  sub  utraque  auf  einem  beson- 
deren Altar  seibist  porrigiren,  den  andern  aber  durch  den  Capellanen 
administriren  und  reichen  lassen,  mit  Erklärung,  wofern  solches 
geschehe,  wollen  sie  erstlich,  selbst  anderen  zum  Exempel  und  Beispiel 
die  Sacramenta  von  mir  empfangen  und  durch  solche  Mittel  beineben 
ernster  Vermahnung  das  gemeine  Volk  dahin  bewegen,  dass  sie 
daheim  verbleiben  und  des  Auslaufens  sich  massigen  müssen.* 

,  Wiewohl  nun  Eu.  f  G:  und  Herr  mir  solchs  ihr  Furtragen  ziem- 
lich gefallen,  als  dem  des  heiligen  Tridentinischen  ConcilH  endlicher 
Beschluss,  der  klärlichen  stellt,  dass  bei  der  Communion  kein  Unter- 
schied weder  unter  den  Altariendienem  noch  Administration  gehalten 
werden  soll,  zum  Theil  bekannt,  hab  ich  gleichwohl  in  Betrachtung 
des  Spruchs  Paul :  Omnibus  omnia  factus  sum  etc.  i .  Cor.  9.  mich 
solchs  furzunehmen  erboten,  wofern  aber  Eu.  f  G:  ihren  genädigen 

*)  Erzbischöfl.  Arch.  Prag.  Recepta  ab  ao  1575  orig. 


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20 

consensum  darzu  geben,  auch  solchs  für  nutzlich  und  billich  urtheilen 
und  iudiciren  würden.  Bin  derwegen  mit  gegenwärtigem  Schreiben 
Eu,  f.  G:  auf  solche  ihre  Anmuthung  zu  beschweren  verursacht 
worden  mit  demuthigster  Bitt,  mich,  was  hierinnen  zu  thun  sei,  gnä- 
digst zu  verständigen.*  t 

Dass  der  Aufenthalt  in  Aussig  fiir  Kreutziger  nicht  sonders  mehr 
angenehm  war,  mögen  wir  ihm  glauben;  erklärlich  seine  Bitte  vom 
13.  November  1575  *),  man  möge  ihm  die  Pfarre  zu  Habern  bei  Briix 
verleihen. 

Das  nächste  Jahr  sah  die  Wünsche  der  Bürger  erfüllt;  Aussig 
ist  protestantisch,  hat  seinen  Prediger  und  seine  eigene  evangelische 
Kirche.  Noch  weilt  Kreutziger  daselbst;  aber  seine  Stellung  ist  un- 
haltbar. Er  schreibt  u.  A,  am  25.  Juni  1576 •):  ,Zudeme.  welches 
mich  zum  höchsten  bewegt,  haben  etliche  aus  der  Gemeine  mit 
heimlicher  Vorwilligung  furnehmen  Rathspersonen  ihre  conventicula 
gehabt,  dann  gänzlichen  einen  lutherischen  Praedicanten  anzunehmen 
und  ihme  die  Spitalkirchen  einzuräumen  beschlossen ;  dergleichen 
sie  sich  dann,  wie  der  Herr  Unterkammerer  allhier  gewesen,  zum 
höchsten  bemuht,  ihm  ein  Supplication  anstatt  der  ganzen  Gemein 
(ungeacht,  dass  fast  das  halbe  Theil  nicht  darin  verwilliget)  über- 
antwortet und  fleissig  gebeten,  er  wollt'  so  viel  Fleiss  als  ein  christ- 
licher evangelischer  Herr  und  Regent,  dem  Gott  und  die  reine 
Wahrheit  lieb  ist,  furwenden,  damit  wir  armen  Leute  (dann  also 
lauten  ihre  Wort)  wie  andere  unser  benachbarte  (weisen  auf  Tetschen, 
Graupen,  Carwitz)  auch  mit  einem  evangelischen  Prediger  vorsorgt 
werden  möchten,  und  dieweil  er  ihnen  etwas  vorheischen,  sind  sie 
den  18.  Mai  zu  Präge  gewesen,  allda  wiederumb  aufs  neue  ange- 
gehalten und  supplicirt;  was  sie  ausgerichtet,  ist  mir  unbewusst; 
das  sol  ich  Euer  f.  G:  nicht  bergen,  dass  auf  solches  ihr  Furnehmen 
Herr  Valentinus  Scherfer,  mein  Antecessor  auf  etlicher  Rathsherrn 
Erforderung  aus  Mähren  kommen  mit  Vertröstung,  dass  ihme,  als 
der  sein  Weib,  Kind  und  Güter  allhier  hat,  solcher  Dienst  einge- 
räumet  werden  soll.  Was  für  gross  Unglumpf  diese  Person  mit  seiner 
JHfeuchelei  mir  bei  dem  Rath,  welcher  jetzo  fast  durchaus  lutherisch 
(denn  die  Katholischen  an  gehaltener  Vörneuerung  des  Raths  Ver- 
stössen worden  und  ihrethalben  viel  andere  schweigen  haben  müssen) 

»)  A.  a.  O. 

«)  A.  a.  O. 


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21 

angerichtet,  ist  nicht  zu  sagen;  Tag  und  Nacht  liegt  er  in  ihren 
Gelachen,  wie  er  denn  verschienen  Pfingstfeiertagen  mit  ihnen  zum 
Vogel  geschossen,  König  worden,  das  Königreich  oder  der  Schützen 
Clenodia  an  Hals  gehängt  mit  Drummeln  und  Pfeifen  sich  umb  den 
Ring  fuhren  lassen;  derzu  fasst  er  die  lutherischen  Landpfarrer  an 
sich,  die  alle  zugleich  nicht  allein  mich,  sondern  auch  Eu.  f.  G:  die 
Klerisei  und  Kirche  zum  höchsten  schmähen,  lästern  und  verdammen, 
also  und  dermassen,  was  ich  einen  Sonntag  bau,  die  den  folgenden 
Tag  leicht  durch  Beistand  des  gemeinen  Pöfels  einbrechen.* 

»Es  ist  an  dem  (sonders  Ruhm  zu  reden),  dass  ich  dieses  Jahr, 
weil  gemeldter  Herr  Valten  nicht  allhier  gewesen,  bei  der  Stadt  viel 
Personen  gewonnen,  also  dass  ich  in  die  i  ICD  Personen  zur  Com- 
munion  gehabt,  600  sub  una,  500  sub  utraque  und  war  noch  zu 
helfen,  da  etwan  ein  ernstes  Einsehen  geschah,  und  dem  Apostaten 
Herrn  Valent  (sampt  dem  andern  verdorbenen  Kromer,  Merten 
Kerbe  genannt,  der  alles  verschlemmt  und  sich  jetzo  zu  Wittenbergk 
hat  ordiniren  lassen,  liegt  auch  allhier  zu  Aussig)  die  Bewohnung 
der  Stadt  verboten  werden  kunnt,  damit  sie  da,  wo  ihre  Religion 
im  Gange,  ihr  Ambt  vollzögen,  und  nicht  solche  Meuterei  bei  der 
Stadt  anrichten  und  stiften  helfen.* 

,Und  da  Eu.  f.  G:  an  dem  Rath  allhier  ein  ernsts  Schreiben 
thät  mit  Bedräuung,  solches  an  ihr  Kais:  Mt:,  weil  die  jetzo  zugegen, 
zu  gelangen  lassen,  bin  Zweifel  ohn,  das  nicht  eine  geringe  Bewegung 
unter  ihnen  machen,  sondern  dieweil  der  Stadt  Primas  noch  zum 
Theil  unserer  Religion  geneigt,  aber  gegen  den  grossen  Haufen, 
demnach  er  sich  auf  Niemands  zu  steuern,  zu  wenig  ist  und  also  ein 
Nicodemus  sein  muss.* 

,  Aus  erzählten  angezogenen  wichtigen  Ursachen  hochwürdigster, 
in  Gott  g.  F.  und  Herr,  auch  aus  allen  anderen  circumstantiis.  dem 
das  meiste  Theil  noch  in  der  Feder,  habt  Eu.  f.  G:  gnädigst  als  ein 
Hochverständiger  zu  ermessen,  was  und  wie  viel  ich  bei  dieser  Stadt 
die  dritthalb  Jahr,  so  ich  allhie  ausstehen  müssen,  welches  mir  die 
Länge  zuviel  sein  will  und  ertragen  nicht  werde  mögen,  derwegen 
ich  dann  verursacht  dies  Schreiben  an  Eu.  f.  G:  zu  thun  mit 
demuthigster  Bitt,  mich  dieser  Condition  zu  entledigen  und  mit 
einer  andern  zu  versehen  und  weil  Pece  unter  dem  Herrn  Christof 
Popel  von  Lobkowitz  auf  Bilen  ledig,  mich  daselbst  hin  zu  vor- 
schreiben,   auch   die  Vorschreibung    durch  Zeigern,    meinen  jungen 


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22 

Caplan,  gnädigst  auszuschicken  Befelcb  thun,  welches  ich  dann  per- 
sönlich überantworten  will;  bin  der  tröstlichen  Zuversicht,  Euer  f.  G: 
werden  hierin  als  ein  Hochverständiger  rechte  Mittel  und  Wege 
treffen,  dass  entweder  ich  der  Bürden  entledigt,  oder  der  andere, 
der  mir  die  ganze  Beschwerlich  machen  thut,  vertreiben  wird.* 

^Eben  wie  ich  dies  geschrieben,  bin  ich  mit  gewisser  Wahrheit 
unterrichtet,  wie  zwo  Rathspersonen,  die  ihm  zuvor  zum  Weibe 
geholfen,  beim  Herrn  Nikiassen  von  Milen  zu  Tirmitz  gewesen,  aüdo 
gedachten  Herrn  Valentino  umb  die  Pfarr  sollicitirt,  auch  so  viel 
erhalten,  dass,  wenn  er  die  sacramenta  sub  una  nicht  reichen  und 
deutsch  Mess  halten  will,  soll  sie  ihm  eingeräumet  werden ;  und  also 
wiederumb  eine  katholische  Pfarr  vom  Dekanat  entwandt  und  da  er 
der  Stadt  so  gar  nahe,  ist  gewiss,  dass  kein  guter  Tag  mir  oder 
einem  andern  allhier  zu  hoffen.* 

ylst  derhalben  noch  zum  andernmal  mein  sehr  fleissige  und 
demuthige  Bitt,  Euer  f.  G:  sofern  nur  möglich,  wollen  diesem  Stürmer, 
an  dem  doch  nicht  so  viel  gelegen,  etwas  dermassen  bezähmen, 
damit  die  Stadt  und  der  gemeine  Mann  wiederumb  befriedet  werde, 
dessen  ich  mich  zu  Euer  f.  G:  als  meinem  gnädigsten  Herrn  und 
Patrono  gänzlichen  versehe,  thun  werdet,  den  ich  auf  diesmals  gött- 
licher Allmächtigkeit  von  Herzen  befohlen  haben  will.* 

yDatum  zu  Aussig  am  25.  Junii  dieses  ^6  Jahrs. 
E.  f.  G: 

willigster  Caplan 

Caspar    Creutziger 
Pfarrherr  daselbst.* 

Nun  drängt  Kreutziger  beinahe  jeden  Monat  auf  seine  Ver- 
setzung und  weiss  jede  seiner  Bitten  durch  neue  Klagen  über  die 
Behandlung,  die  ihm  zu  Theil  wird,  zu  unterstützen.  Ein  gut  Theil 
davon  mag  übertrieben  sein;  trotzdem  geben  wir  gern  zu,  dass 
seine  hartnäckige  Gegnerschaft  wider  den  einmal  unwiderstehlich  um 
sich  greifenden  Glauben  ihm  manchen  Feind  und  manch  trüben  Augen- 
blick bereitet  hat.  Auch  am  17.  October  d.  J.  sagt  er*): 

yEs  ist  doch  nu  forthin  meines  Bleibens  nicht  allhier,  und  do 
solchs  ihrer  f.  G:  bewusst  wurde,  ich  wahrhaftig  allhier  zu  vorharren 
nicht  gedrungen,  dargegen  für  meine  Person  wahrlichen  mich  so  gar 

0  A.  a.  O. 


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28 

hart  nicht  wegsehnen  und  nach  andern  Pfarrlehen  trachten  wollt,  do 
ich,  dass  meine  Gegenwort  der  Stadt  zuträglich,  erkennen  möcht. 
Ich  hab  nun  den  Namen  und  das  Geschrei  bei  den  Abtrünnigen, 
dass  ich  ärger  denn  ein  Papist.  —  Daher  gehen  sie  die  Nacht,  auch 
wohl  am  lichten  Tag,  schreien  auf  mich  mit  sehr  schmählichen 
Worten,  darzu  die  leichtfertige  Handwerksbursch  durch  viele  des 
Raths  Personen  Vorhetze  und  abscheulicherweis  solches  treiben. 
Kommpts  zur  Klag,  hab  ich  zur  Antwort,  ich  solle  es  beweisen, 
da  denn  vielen  auferlegt,  ob  sie  schon  etwas  gehört,  und  wissen 
still  zu  schweigen«  Begegnete  sie  jemand  aus  meinem  Gesind,  das 
nach  Wein,  Bier  oder  andere  Hausnothdurft  ausgesandt  wird,  wirft 
man  nach  ihnen  mit  Steinen,  oder  stösst  sie,  dass  sie  die  Getränk 
kaum  halb  anheim  bringen;  zeige  ich's  dem  Rathe  an,  gilt  ihr  nein 
mehr,  dann  mein  ja/ 

yKaum  thun  sie  mir  einige  Reverenz,  sintemal  Herr  Valten 
heimkommen  und  sich  der  Fall,  den  ich  ihr  f.  G:  geschrieben, 
zwischen  mir  und  dem  Rath  des  Spitals  halben  zugetragen;  die 
Feiertag  und  Festa  werden  durchaus  nicht  gehalten,  ja  die  heiligen 
Sonntag,  das  mich  zum  höchsten  bewegt,  die  Fasttag  sind  ihnen 
ein  Gräuel,  speisen  Fleisch  ohn  Unterscheid  der  Tage,  ja  dürfen 
mich  wol  darzu  laden  und  auftragen;  allerlei  lutherische  deutsche 
Lieder,  auch  böhmische,  unser  Religion  nachtheilig,  singt  man  in 
der  Furmess,  und  da  ich  ihn  das  deutsch  Gesangbuch  Leisentricii 
geben,  etwas  daraus  zu  singen,  ist  verloren  worden  und  will  Niemand 
darvon  wissen,  damit  ja  ihr  Pickhardtsche  Lieder  ein  Fortgang  ge- 
winnen; die  lutherischen  Pfaffen  gebraucht  man  öffentlich  zur  Com- 
munion  bei  Kranken  und  Gesunden.* 

,Alls,  was  wegen  der  Kirch,  Schule  gehandelt  wM,  muss  auf 
dem  Rathhaus  geschehen;  wird  mir  etwan  durch  den  Stadtknecht 
angezeigt,  welches  ihr  Furfahren  niemals  gethan,  sondern  zwo  oder 
drei  Herrn  sind  auf  die  Pfarr  kommen,  allda  was  die  erzählte  Stuck 
betreffen,  einmuthiglich  geschlossen;  der  Kirchen  steht  man  übel 
für,  es  mangelt  an  Lichten  oder  Kerzen,  Öl.  Kann  deswegen  E.  A. 
als  ein  Hochverständiger  schliessen  und  ermessen,  obs  möglich,  dass 
ich  unter  diesen  belialischen  Volk  bleiben  kunnt  oder  sollt,  ein  Säu- 
hirt hat  Ruh,  ich  aber  kann  die  oft  und  dicke  nicht  haben* 

Nachdem  Kreutziger  seine  gedrückte  Stimmung  dem  erzbischöf- 
lichen  Kanzler  J.  U.  Dr.  Hieronymus  Altperk    geschildert,    schliesst 


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24 

er  mit  den  bekräftigenden  Worten:  »Uberschicke  Euch  ailhie 
24  Vogel,  wollet  die  zu  Dank  annehmen,  und  meiner  bei  ihr  f.  G: 
ingedenk  sein,  anzeigende,  dass  Ich  durchaus  nicht  vormein  zu 
bleiben,  und  sollt  ich  auch  etliche  Wochen,  gleich  ein  Viertel  des 
Jahrs  hin  und  wieder  vagiren.*  Aber  diese  Gabe  scheint  ihm 
schliesslich  doch  zu  gering,  um  ihn  eines  Erfolges  zu  versichern; 
daher  schnell  noch  das  Postscriptum :  »Will  wahrhaftig,  da  ich 
gedachte  Pfarr  erlange,  euer  A.  ein  paar  Thaler,  ja  ein  paar 
Ducaten  verehren.* 

An  demselben  Tage  wendet  er  sich  auch  brieflich  an  den  Erz- 
bischof selbst,  um  ihm  sein  Leid  zu  klagen;  aber  sein  grösster  Kummer 
ist  der:  »Dann  über  das,  was  mir  die  dritthalb  Jahr  von  den  Ein- 
wohnern bei  Tag  und  Nacht  öffentlich  und  heimlich  widerfahren, 
haben  sie  für  14  Tagen,  zu  mir  ein  altes  Weib  aus  dem  Spittel 
schicken  dürfen,  und  mir  vorbieten  lassen,  ich  sollt  in  gedachten 
Spittel  weder  Mess  noch  Vesper  halten ;  die  Gelegenheit  des  gemelten 
Spitals  ist  diese:  Do  allda  die  fundationes  derer,  so  etwas  daher 
testirt  und  beschieden,  vormag,  dass  alle  Freitag  allda  ein  Ampt 
der  hl.  Mess  sollt  gehalten  werden,  davon  ein  gewisses  Geld  dem 
Altaristen  auch  bei  meinen  Gedenken,  do  ich  Cantor  allhier  gewesen, 
gegeben  worden,  darzu  ist  man  im  Jahr  zu  dreienmalen,  als  zu 
Ostern,  Pfingsten  und  zur  Dedication  mit  gewöhnlicher  Procession 
herausgangen,  alldo  summam  sambt  der  Predigt  vorrichtet,  welches 
ich  darin  die  zwei  Jahr  nach  christlichen  Brauch  auch  gehalten; 
allein  auf  dies  Jahr,  da  ich  hinaus  gehen  wollen,  ist  mirs  verboten 
worden,  wiewohl  ich  sie  zuvor  scliriftlichen  vermahnt,  sie  sollten 
solchen  alten,  löblichen  Gottesdienst  nicht  fallen,  sondern  vne  ihre 
Furfahren  gethan,  halten  und  begehen,  darauf  ich  dem  Bescheid 
durchs  alte  Spitalweib,  wie  oben  angezeigt,  erlangt ;  die  Ursach  aber, 
darumb  sie  solches,  wie  vor  alters  her  nicht  zu  halten,  bedacht,  ist, 
dass  kein  Geld  vorhanden,  und  wissen  die  Mahlzeit,  die  man  auf 
die  Dedication  den  Schuel  und  Kirchenofficialibus  gibt,  nicht  zuvor- 
richten, sogar  (in  Ansehen,  dass  sie  es  nicht  über  ein  Schock  ge- 
standen) vornehmen  (?)  sie.  Aber  die  Wahrheit  zu  reden,  wie  ich 
zum  Theil  erfahre,  hats  die  Meinung,  dieweil  Herr  Valten  Schcrfer 
anklagt  worden,  als  sollt  er  die  Predigt  darin  verriebt  haben,  dass 
im  Spittal  weder  ich  oder  jemand  anders  die  Ämpter  nicht  mehr 
verrichten  soll.* 


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25 

So  scheint  Kreutziger  wirklich  ungemein  für  sein  treues  Aus- 
harren bei  seiner  Religion  und  seiner  Ueberzeugung  gelitten  zu  haben ; 
wurde  er  doch  im  März  des  nächsten  Jahres  von  dem  Stadtrath  in 
Arrest  gesetzt.  Aber  genauer  besehen,  stellt  sich  die  Sache  denn 
doch  etwas  anders  dar;  seine  eigene  Vertheidigungsschrift  vom 
28.  März  d.  J.  spricht  gegen  ihn.  Nachdem  er  in  derselben  zuvor  des 
längeren  seine  Verdienste  um  Aussig  j^ohne  Ruhmesseuche*  ge- 
schildert und  andererseits  wieder  von  den  Angriffen  berichtet,  die 
er  zu  erdulden  gehabt,  sagt  er  *):  »Drei  Artikel  seinds,  mit  welchen 
ich  anklagt  worden  bin,  und  zwar  nicht  ich,  sondern  mein  Gesind, 
welches,  do  es  Jemand  zuwider,  sollten  sie  mich  biUich  darumb 
besucht  haben,  versehe  mich,  do  ich  der  Wirth  im  Haus,  dass  ein 
itzlicher  für  ihme  gut  Ruhe  haben  sollt.*  Schlau  unterlässt  er  es, 
die  einzelnen  Anklagepunkte  mitzutheilen ;  aber  aus  dem  Wenigen, 
was  er  sagt,  geht  seine  Schuld  zur  Genüge  hervor.  Er  schreibt: 
»Die  angezogene  Artikel  ist  nicht  vonnöten  weitläuftig  zu  verant- 
worten; das  erste  darüber  Euer  f.  G:  ein  Ungefallen  tragen,  ist, 
dass  ich  meine  Dienerin  für  mein  Weib  angezogen ;  was  mich  darzu 
verursacht,  und  wie  ich  darzu  kommen,  hab  ichs  zum  Theil  münd- 
lich angezeigt,  auch  ausführlichen  dem  Herrn  Praeposito  allhier 
schrifUich  übergeben,  worauf  ich  mich  dann  referire.  Die  andern 
zwen,  als  dass  sie  reintrete  als  ein  Gräfin  widerlegt  dies  geringe 
Einkommen,  darauf  ich  mich  sambt  meinem  Gesind,  darzu  Caplan, 
Cantor,  Schulmeister  erhalten  muss.*  Kreutziger  schien  es  sogar 
unbillig  zu  finden,  dass  man  ihn  wegen  solcher  Kleinigkeit  über- 
haupt erst  zur  Rede  stelle.  Er  verschwindet  von  nun  an  aus  Aussig. 

Mittlerweile  hatten  sich  aber  auch  die  Verhältnisse  der  ganzen 
Umgebung  geändert;    sie   war  vollständig   protestantisch   geworden. 

Da  haben  wir  vor  allem  Karbitz.  Hier  war  bis  zum  Jahre  1573 
der  uns  bereits  bekannte  Balthasar  Herschelius  katholischer  Pfarrer 
gewesen,  dann  aber  nach  Brüx  übersetzt  worden.  Man  wandte  sich 
nach  Prag  um  einen  neuen  Seelsorger;  allein  man  erhielt  nur  Ver- 
tröstungen, aber  keinen  Geistlichen.  Der  Priestermangel  war  zu  gross 
und  es  fanden  sich  damals  nur  wenige,  die  sich  dem  geistlichen 
Stande  widmeten.  Eine  Zeitlang  suchte  man  sich  damit  zu  behelfen, 
dass  man  die  Pfarrer  der  benachbarten  Orte  ersuchte,  dann  und 
wann   nach  Karbitz   zu   kommen,    um   hier  Gottesdienst   zu   halten. 

1)  A,  a.  O. 


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26 

Aber  deren  religiöser  Eifer  dauerte  nicht  zu  lange  an ;  man  wajidte 
sich  nochmals  an  den  Erzbischof.   Manchmal  kam  fortan  ein  Kloster- 
geistlicher nach  Karbitz;    dann  wurde  er  seltener  und  blieb  endlich 
ganz  aus.    In  dieser  Zeit  nun  war  Hirschfeld  als  Pastor  in  dem  be- 
nachbarten Kulm  thätig,  wo  seine  Predigten  grossen  Anklang  fanden, 
die  Zahl  seiner  Zuhörer  sich  beständig   vermehrte.     Man   ging  nun 
hieher  und  fand  die  neue  Lehre  gut,  besser  denn  die  alte.  So  kam 
es,  dass  auch  in  Karbitz  immer  mehr  Bekenner  derselben  sich  vor- 
fanden  und   der  Besucher   von  Hirschfeld's  Predigten   immer  mehr 
wurden.     Kreutziger   schrieb   mehreremale    in   dieser  Angelegenheit 
nach   Prag   an   den   Erzbischof,    so   u.   A.   1575:    »Ferner   hat   sich 
E.  f  Gd:  zu   erinnern,   wie   ich  ettlichmal  mündlich   und   schriftlich 
wegen  der  Pfarr  Karbitz  angehalten,  damit  ein  katholischer  Priester 
dahin,  ehe  ein  sectischer  einkäme,  verordnet  möcht  werden,  und  ist 
wol  hoch  vonnöten,  dieweil  ettliche  im  Städtl  Tag  und  Nacht  nach 
hochistem  Vermögen  trachten,  wie  sie  einen  Lutherischen  einbringen 
möchten,    sind  auch  mit   dem   von  Zyzicz  (Seesitz)  nahend  hier  bei 
der  Stadt  gelegen,  allbereit  im  Handel  vermeinende,  ihn  durch  den 
neuen  Herrn  nach  Teplitz   einzubringen   und    da   solches   geschehen 
sollt   folget   daraus   des   ganzen  Kreises   vom   katholischen  Glauben 
Abfall.  Sie  foviren  auch  die  lutherischen  Predicanten  in  ihren  Häusern, 
die  Sacramenta  und  sonderlich  der  Taufe  und  Ehgeben  nehmen  sie 
von  ihnen;  überdies  untersteht  sich  ihr  Schulmeister,  ein  unerfahrener 
Lai,  des  Predigamts;  was  daraus  zu  gewarten  kann  E.  f.  G:  als  ein 
Hochverständiger  leicht  ermessen.*  Es  half  nichts;  es  kam  der  Tag, 
wo  Karbitz  protestantisch  wurde  und  die  Kirche  einem  ,  lutherischen, 
sehr  grossen  Lästerer*   eingeräumt  wurde.  Das  war  Mathias  Fritsch, 
der  bisher  als  Pastor  in  Gartitz  gewirkt  hatte  und  von  der  Bürger- 
schaft von  Karbitz  um  Annahme  der  Seelsorge  bei  ihnen  angegangen 
wurde.  Von  nun  an  wird  die  Reihe  der  protestantischen  Geistlichen 
in    Karbitz    bis   zum  Jahre   1624    nicht     mehr    unterbrochen.     Wir 
wollen  dieselbe  gleich  hier  mittheilen  *).   Mathias  Fritsch  stirbt  am 
16.  Februar  1581 ;  ihm  folgt  Samuel  Jauch,  bisher  Pastor  in  Ebersdorf; 
nach  dessen   am  14.  September  1593   erfolgtem  Tode   folgt  Simon 
Prochlitz  1593 — 95,  bislang  Schulmeister  in  Karbitz,  aus  Freiberg  in 
Sachsen  gebürtig ;  sein  Nachfolger,  zugleich  der  letzte  protestantische 


1)  Mittheiiungen  etc.  1862,  3.  Heft,  p.  25. 


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27 

Seelsorger  der  Stadt,  ist  Heinrich  Roth  bis  1624,  aus  Altenburg  in 
Sachsen. 

Auch  Graupen  erhielt  im  Jahre  1576  den  ersten  evangelischen 
Pfarrer,  Namens  Michael  Winkler,  dem  im  nächsten  Jahre  Christoph 
Walter  aus  Kamnitz  folgte  und  der  am  24.  April  seine  Antritts» 
predigt  hielt,  worauf  er  sich  bald  darauf  mit  der  Tochter  des 
Marschner  Richters  Georg  Sträbl  vermählte  *), 

Auch  die  übrigen  Orte  waren  protestantisch,  so  Peterswalde  und 
Ebersdorf,  von  denen  Pfarrer  Kreutziger  im  Jahre  1575  berichtet: 
,Mit  den  Pfarrern  zue  Ebersdorf,  H.  Georgio  Piscatoris  gehet  es 
auch  zue,  das  besser  thät,  denn  auf  s:  G:  Citation,  ungeacht,  dass 
er  durch  seine  CoUatrices  die  von  Wrzesowitz  auf  Teplitz  citiret 
worden,  ist  gleichwohl  nit  erschienen,  sitzt  auf  seiner  Pfarr,  lästert, 
schmähet  und  verkleinert  unsere  Religion  aufe  höchst  und  dieweil 
er  mir  nächst  in  die  Hände  kommen,  hab  ich  ihn  eingezogen  und 
nicht  heraus  lassen  wollen,  er  verschreibe  sich  dann,  welches,  obs 
gleich  geschehen,  bleibt  er  doch  aussperren  (sie).  Also  ist  der  zue 
Probosstow  eingezogen,  hat  mich  wie  billich  niemals  ersucht,  welche 
itzgemelte  zwen  Priester  noch  bis  anhero  keine  sacros  liquores  ge- 
fordert haben,  dann  sie  durchaus  alle  Ceremonien  verwerfen.  Da 
solches  alles  seinen  freien  Gang  haben  und  ihnen  gestattet  werden 
soll,  will  ich  auf  die  letzt  auch  stillschweigen;  werde  also  vieler  Leut 
Hass  und  Neid  überhoben  sein  können.*  Aber  in  fast  all  den  ge- 
nannten Orten  finden  wir  auch  nodi  die  Namen  von  katholischen 
Geistlichen;  welcher  Art  dieselben  waren,  zeigen  die  Berichte  der 
jeweiligen  Dekane;  am  interessantesten  ist  unzweifelhaft  der  des 
Barthol.  Herschel  vom  30.  Juli  1579,  weil  er  einerseits  den  Werth 
der  katholischen  Geistlichkeit  trefflich  kennzeichnet ,  andererseits 
auch  die  protestantischen  Edelleute  der  Umgegend  erwähnt,  aller- 
dings in  einer  parteiisch-einseitigen  Beleuchtung.  Herschel  schreibt 
an  den  erzbischöflichen  Vicar  Dr.  Albin  von  Helfenburg ") : 

jjAuf  Euer  A.  jungst  gethanen  Befehlich  des  Herrn  Simons 
halben  wegen  der  Pfarr  zu  Kolmen,  dass  ich  ihn  neben  dem  Schreiber 
meines  g.  F:  und  Herrn  praesentirn  soll,  und  darob  sein,  dass  ihm 
die   Pfarr  Kolmen   möcht   vorliehen  werden,   kann   ich   Eu.  A:   zur 


■    *)  Hallwich:   Graupen,  p.   13 1. 
*)  Erzbischöfl.  Arch.  Prag,  Recepta  ab  ao.   1576. 


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28 

Antwort  nicht  vorhalten,  dass  ich  den  27.  Juli  solchen  Befehlich 
treulich  nachkommen  und  dem  Otto  Kölbel  den  Herrn  Simon  prae- 
sentirt;  dem  ist  auch  der  Brief  uberantwort,  welchen  er  überlesen; 
darauf  er  zur  Antwort  gegeben :  erstlich  beruft  er  sich  auf  den  Land- 
tag, zum  andern  gibt  er  für,  dass  er  nicht  bedacht  sei  einen  katho- 
lischen Priester  anzunehmen,  der  seines  Glaubens  nit  wäre,  zum 
dritten  fiel  es  ihm  schwerlich  für,  dieweil  es  andern  sein  Nachtbam 
als  nämlichen  Adam  Kölbeln  auf  Hurbitz,  auch  denen  von  Buna 
und  auch  seinem  vorgewesen  Pfarrherr  so  jetzund  zu  Weisskirchlitz 
unter  Herrn  Bernhard  von  Wrschesowitz  ist,  denen  allen  auch  zuge- 
lassen wird,  ihrens  Gefallens  sectische  Priester  zu  halten,  ja  zu  thun 
und  zu  lassen,  Freiheit  war;  dieweil  das  Lehen  sein  war,  sollt  es 
auch  ihm  nachgelassen  werden.  Nachdem  ich  aber  ihm  weiter  zuge- 
redet, war  das  seine  Schlussred,  er  wollt  in  14  Tagen  (welches  nicht 
geschieht)  ihr  f.  G:  Antwort  geben.* 

jEben  ist  dem  Herrn  Johann  Kirsten,  gewesen  Pfarrherrn  zu 
Cometaw  bei  den  zwen  Gebrudern  Carln  und  Peter  von  Mulen 
(Mücheln)  auch  widerfahren  und  zur  Antwort  worden,  welche  auch 
allbereit  einen  lutherischen  Pfaffen  in  die  Pfarr  zu  Gartitz  eingesetzt, 
den  die  Leute  nicht  haben  wollen.  Wiewohl  ich  mit  ihnen  geredet, 
so  viel,  dass  sie  mir  zugesagt  haben,  die  zwene  genannte  Brüder, 
dass  sie  ihn  in  die  Pfarrkirch  nit  lassen  wollen.  Nicht  derwenigen 
haben  sie  zu  Schöbertz  (das  auch  ihr  ist)  die  Filialkirch  eingeräumt ; 
da  dann  Johann  von  Lungwitz  auf  Schöbertz  seinen  Unterthanen  bei 
Straf  von  2  Seh.  in  die  Kirch  zu  gehen  geboten  hat;  welche  arme 
katholische  Leut  täglich  mich  umb  Hulf  anlaufen,  bitten,  man  sollt 
wehren,  dass  sie  nicht  von  ihrem  Glauben  also  erbärmtlich  gezwungen 
wurden.  Wo  nun  ihr  f.  G:  nicht  durch  die  Herrn  Statthalter  mit 
einem  Ernst  dazu  thut,  ist  es  res  desperata,  dass  man  bei  den  Edel- 
leuten  mit  Glimpf  was  ausricht,  denn  sie  auf  ihr  f.  G:  Schreiben  gar 
nicht  geben;  sonderlich  dieweil  man  nicht  den  lutherischen  Pfaffen 
zu  Hurbitz  bei  Adam  Kölbeln  von  Geyssing  durch  die  Herren  Statt- 
halter mit  Gewalt  pellirt,  auch  den  zu  Gartcz,  den  sie  noch  vor 
einen  Hausgenoss  halten;  und  darneben  auch  Günthern  von  Buhna 
auf  Tetzschen,  der  über  Hoffnung  und  Willen  der  armen  Leute, 
auch  wider  Befehl  der  Herren  Statthalter  zu  Neschwitz  vor  etlich 
Wochen  einen  sectischen  Pfarrer  eingesatzt  hat,  darauf  sich  die  anderen 
Edelleut  gewaltig  vorlassen.* 


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,Ist  dem  nach  mein  demutiges  Ansuchen  und  Bitten,  Eu:  A: 
wollten  doch  bei  meinem  würdigsten  Fürsten  und  Herrn  Mittel  und 
Wege  treffen,  dass  der  Kirchen  mocht  geholfen  werden  und  die 
obgenannten  Lutheraner  von  den  Pfarren  geschaffen  wurden,  dass 
die  armen  Leute  einsmals  möchten  wieder  katholische  Priester  be- 
kommen. Wie  ich  denn  tröstlicher  Hoffnung  bin,  für  welches  Eu:  A: 
grosse  Belohnung  von  Gott  zu  gewarten  hat.* 

,Thu  hiermit  Euer  A:  Gott  dem  Allmächtigen  befehlen.  Datum 
eiland  zu  Carbitz  den  30.  Julii  des  79.  Jahrs. 
E:  A: 

williger  Caplan 

Bartholomeus  Herschelius  m.  p. 

Decanus  des  Aussiger  Kreises  und  Pfarrherr  zu  Carbitz. 

Postscripta: 
Achtbar  ehrwürdiger  Herrl  Nachdem  Herr  Simon  Hoffmann 
mir  angezeigt  hat,  dass  ich  E:  A:  Relation  thun  soll,  wie  sich  die 
Priester  in  der  Convocation  (so  ich  auf  Befehlich  ihrer  f.  G:  gehalten 
hab)  gehorsam  erzeigt  haben;  kann  derhalben  E:  A:  zur  Antwort 
nicht  vorhalten,  dass  die  gehorsamlich  erschienen  sein,  deren  Hand- 
schrift ich  mit  übersende;  auch  das,  so  ich  ihnen  zur  treuen  War- 
nung sampt  den  vorgelegten  Artikeln  angezeigt,  mit  Dank  ange- 
nommen ;  der  Pfarrherr  aber  zu  Aussigk,  Georgius  Ferber,  derselbige 
ist  auf  mein  freundlich  Citiren  freventlich  aussen  blieben  und  auch 
die  andern,  als  Herr  Andream  Egelthan  Pfarrherr  zu  Böhmischen 
Cahn,  auch  zum  Ungehorsam  beredet,  desgleichen  den  von  Tirmitz, 
welchen  er  auch  mit  diesen  Worten  angeredet  hat:  er  sollt  nit  auf 
Grauppen  gehen,  das  Decanat  war  zu  Aussigk  bein  ihm,  so  war 
derhalben  kein  Priester  schuldig  mir  zu  appariren;  wie  er  denn  auch 
dem  Herrn  Andres  geschrieben  hat,  welches  Schreibens  eine  Copey 
ich  E:  A:  übersende,  dorin  er  mich  vor  einen  Un vorständigen  schilt, 
so  ich  doch  nit  derweniger  unterlassen  habe,  den  Herrn  Andream 
in  Gehorsam  einzuziehen.  Damit  aber  E:  A:  das  da  ehe  der  Wahr- 
heit bericht  hat,  wie  sich  genannter.  Pfarrherr  also  ganz  ungehorsam 
gegen  mir  hält,  übersende  ich  E.  A.  eine  Copey  aus  seinen  zweien 
Schreiben,  die  er  mir  schmählich  zugeschrieben  hat,  und  zuvor  meine 
Citation  in  Gegenwart  ander  Priester  und  Burger  schmählich  ange- 
nommen hat,  mit  vieler  Nachrede,  wie  er  mir  auch  schreibet.  Uber- 


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sende  derbalben  E.  A.  die  besiegelte  Citation,  das  ich  umbgesandt 
habe,  und  bitt  E.  A.  wollen  sehen,  wie  übel  er  mich  unter  den 
Priestern  und  Burgern  unschuldig  beredet.* 

,  Dergleichen  thut  er  auch  mit  den  Ehehandlen,  wie  denn  itzund 
eine  Ehesache  zu  vorhören  ist,  dass  die  Parten  zu  mir  kommen  und 
bitten,  ich  sollt  als  ihr  Dechent  sie  vorhören  und  so  möglich  örtem; 
so  schreibt  er  mir  zu,  er  bedarf  mein  lauter  nichts  dazu,  treibt  und 
wüthet  gegen  den  Parten,  die  solchs  bei  mir  klagehaft  gemacht 
haben.  Derhalben  ich  vorursacht  bin  worden,  den  Parten  zu  ge- 
bieten, dass  sie  mit  dem  Handel  stille  stehn,  bis  ich  wieder  von 
E.  A:  Antwort  bekommen  möchte.  Bitt  derhalben  demuthiglich, 
E.  A:  wollen  dies  Ampt  von  mir  nehmen,  und  gedachtem  Pfarrherr 
befehlen,  damit  er  in  seiner  Hoffahrt  zu  Ruhe  sitzen  möchte.* 

,Zum  dritten:  Kann  ich  klagende  über  ihn  nit  vorhalten,  dass 
er  seinen  Cantori,  der  durch  mein  Promotion  ist  am  Sonntag  Judica 
Subdiaconus  ordinirt  worden,  Ursach  gibt,  dieweil  er  ihm  nit  hat 
wollen  gestatten,  dass  er  soll  ad  presbiteratum  promovirt  werden, 
und  ihm  auch  die  Cantori  auf  Galli  aufgesaget,  dass  er  nu  Ursach 
hat,  so  er  in  ein  lutherische  Stadt  kompt,  etwan  ein  Weib  nimpt 
und  auch  lutherisch  wird.  Solcher  Ursachen  wären  viel  anzuzeigen, 
das  er  mit  seinem  seltsamen  Kompt  (sie)  viel  Ding  in  der  Kirch 
mehr  vorhindert,  dann  bessert* 

,Bitt  derwegen  E:  A:  umb  ein  gnädig  Einsehen,  damit  dieses 
zu  Gehorsam  gebracht  wurde,  so  es  aber  E:  A:  nicht  gelegen  wäre, 
zu  Aussig  zu  visitiren,  bitte  ich  E.  A:  wollte  dem  Herrn  Kirlitz 
Probst  zu  Leutmeritz  mit  dem  ich  aübereit  darvon  geredet,  schreiben, 
dass  er  an  E.  A.  statt  daselbst  mit  mir  sein  möchte,  dann  ers  willig 
thun  wollt,  so  er  ein  klein  Schreiben  bekam.* 

»Der  Pfarrer  zu  Schön walde,  Herr  Marcus  Eyser,  welcher  auch 
aussen  blieben  ist,  zeigt  die  Ursach  an,  dass  er  nicht  hat  kunnen 
kommen,  denn  denselbigen  Tag  seine  Kochin  eine  Kindbetterin 
worden,  welche  Ärgernis  und  Sunde  ich  erstlich  mit  Worten  gestraft, 
alsbald  auch  ihn  in  die  Straf  des  Gehorsams  eingezogen.  Vorsehe 
mich,  so  der  Pfarr  zu  Aussigk,  der  die  andern  rebellisch  macht, 
zum  Gehorsam  bracht  wird,  ich  will  diesen  und  andern  zur  Besse- 
rung bringen,  dass  sie  mehr  Fleiss  bei  ihren  katholischen  Kirchen 
furwenden.    Bitt  derwegen  umb  ein  tröstlich  Antwort.* 

y  Datum  ut  supra  in  litteris: 


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Gelöbnis  der  katholischen  Pfarrer: 

Ego  Christophorus  Eyser,  pastor  in  Ebersdorf,  juro  et  promitto 
obedientiam  atque  omnem  reverentiam  reverendissixno  domino  An- 
tonio, archiepiscopo  Pragensi,  omnibusque  successoribus  ejus,  et  me 
omnia  proposita  docere,  praedidare,  agnoscere,  credere,  tenere  velle 
ac  debere;  hoc  mea  propria  manu  protestor. 

Eadem:   Petrus  Hübnerus,  pastor  Grupensis. 

Martinus  Praetorius,  parochus  Peterswaldensis.  Joannes  Trebeni- 
cenus,  parochus  Tirmicensis.  * 

Wir  haben  hierzu  nur  noch  zu  bemerken,  dass  der  katholische 
Pfarrer  von  Aussig  sich  vermählte,  und  in  Folge  dessen  von  Kaiser 
Rudolf  II.  an  die  Stadt  der  Befehl  erging  (28.  August  1582),  den- 
selben gefangen  zu  nehmen  und  nach  Prag  vor  den  Erzbischof  zu 
stellen  ^). 

Die  nächsten  Jahrzehnte  bringen  der  ganzen  Gegend  Ruhe  und 
Gedeihen.  Es  ist  eine  glückliche  Zeit,  in  der  nicht  nur  der  Prote- 
stantismus innerlich  sich  kräftigt  und  stärkt,  wie  er  andererseits  an 
Zahl  von  Anhängern  dauernd  zunimmt;  auch  das  Gemeinwesen 
sehen  wir  überall  froher  Entwicklung  entgegenreifen.  Aeusserst  selten 
nur  hören  wir  noch  von  einem  Versuche,  ändernd  in  die  Verhält- 
nisse einzugreifen;  man  ist  im  Vorhinein  von  der  Fruchtlosigkeit 
desselben  überzeugt;  denn  selbst  ein  kaiserlicher  Befehl,  wie  der 
Rudolfs  II.  vom  5.  November  1585  an  den  Rath  von  Graupen,  den 
bisherigen  Pastor  sofort  zu  entlassen  und  keinen  anderen  aufzunehmen, 
als  den,  der  ihnen  vom  Prager  Erzbischofe  zugewiesen  würde,  hat 
nicht  den  geringsten  Erfolg  mehr.  Ruhig  kann  sich  das  sociale  Leben 
aus  der  Verworrenheit  und  Zerrüttung  vergangener  Zeiten  empor- 
arbeiten zu  neuer  Blüthe.  Das  erwachende  neue  Leben  sieht  man 
bald  an  der  Fürsorge  um  die  Kirche  und  Schule  und  deren  Leiter, 
den  Pfarrer  und  Lehrer.  Uns  ist  die  ^Instruction*  des  Pastors  zu 
Graupen  Jacobus  Drobitius,  vom  9.  Juli  1585  erhalten"),  durch  die 
er  vom  Rathe  der  Stadt  aufgenommen  wurde.  Derselbe  wird  mit 
einem  Gehalte  von  j6  Schock  jährlich  angestellt,  wozu  noch  unter- 
schiedliche Sportein  kommen,  als  da  unter  anderen  sind:  ,  Alle  Opfer- 
tage von  jedem  Wirth  und  Wirthin  2  \\  von  den  Dörfern,  so 
hiehero   vor   alters   und  noch   gepfarrt  sind  und    in    dies  Kirchspiel 

*J  A.  a.  o. 

•)  Hall  wich:   Graupen  II,  67. 


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32 

gehören,  gebührt  dem  Herrn  Pfarrherr  von  einem  Nachbarn,  der  Viehe 
hat,  auf  die  Dauschen,  ist  der  Montag  nach  Trinitatis,  ein  Veix- 
käse,  von  denen  aber  so  nicht  Viehe  halten,  i  w.  Gr.  item  von 
einer  Leichen  in  die  Kirche  zu  legen,  gebührt  dem  Herrn  Pfarr- 
herm  von  den  Kirchengcldern  i  ffl,  von  der  Leichpredig^  und  das 
Spolium,  auch  wofer  es  nicht  mit  abgelöset,  welches  zu  lösen  ein 
jeder  Macht  hat,  auch  i  ID ;  zu  diesem  hat  er  alle  anderen  Acciden- 
talia  ecclesiae,  als  vom  Taufen,  Copuliren,  Sepultur  etc.* 

j^Sepultur  belangende: 

,Von  einer  Leiche,  so  ufm  Gottesacker  ins  Kloster  beleitet,  hat 
er  sampt  dem  Schulmeister  3  Gr.  Von  einer  Leichen  zum  gemeinen 
Begräbnus  hat  er  sampt  dem  Schulmeister  6  Gr.  item  zur  Beholzung, 
schickt  man  dem  Herrn  Pfarrherrn  in  seine  Behausung  6  Schrägen 
Kurzholz,  6  Schock  Gebinder  Reisig.  Vom  alten  Hofe  gibt  m.an  ihm 
alle  Jahr  i  Veixkäse.  Marschen  gibt  18  Gr.  35  >^.  Probstaw,  das 
Dörflein  sind  9  Wirthe,  die  geben  45  Gr.,  das  Dorf  Sobodru,  sind 
12  Wirthe.  thut  i   (B.* 

,  Folget  hernach  was  ein  Pfarrherr  vor  soliche  seine  Besoldung 
zu  vorrichten  und  was  er  sich  in  seinem  Ampt  zu  vorhalten  schuldig.* 

^Nachdeme  und  als  durch  Abwerfung  der  Opfermess  und  vieler 
unnötigen  Kirchenceremonien  einem  Pfarrherm  nicht  wenig  Mühe  und 
Beschwernussen  benommen,  so  soll  unser  itziger  geliebter  Herr  Pastor 
so  wohl  sein  nehister  Vorfahr  solches  mit  dem  heiligen  Predigampt 
einbringen,  also  dass  er  durchs  Jahr  über  sonderlich  Sommerzeiten, 
wenn  der  Tag  lang  ist,  alle  Sonntage  zwo  Predigten  thun  soll,  so 
es  in  bisweilen  unterbleiben  möchte,  so  soll  er  anstatt  der  Mittags- 
oder Vesperpredigt  den  Catechismum  mit  der  Jugend  fleissig  üben 
und  treiben,  desgleichen  an  der  Mittwoch  eine  Predigt.  Der  Knaben 
halben  soll  täglich  durchs  Jahr  zur  Vesper  ufs  wenigiste  drei  Psalmen, 
Hymnis  und  Magnificat  in  der  Wochen  gesungen  werden.  Am  Sonn- 
abend aber  soll  der  Schulmeister  seine  Knaben  fein  gewöhnen  und 
unterweisen,  dass  derselben  zween  einer  das  deutsche  Evange- 
lium, der  ander  das  lateinische,  so  folgendes  Sonntages  oder  Festes 
geordenet,  nach  dem  Responsorio,  vor  dem  kleinen  Pulpet  singe 
und  lese  und  allewege  der  Herr  Pastor  am  Sonnabend.  Sonntag  und 
sonst  einfallenden  Festen  dabei  sein  soll.* 

,In  der  Fasten  alle  Tage  nach  dem  Salve  und  sonsten  im  Jahr 
an  einem  Freitag  oder  wenn  es  dem  Herrn  Pastori  am  gelegensten 


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33 

den  Catechismum  zu  treiben.    Das  Ampt  zu  St.  Procop  am  Oster- 
montage  am  Pfingstmontag  und  an  Fastnacht  Dienstag,   davon  hat 
.  er  allemal  seine  Praesenz  als  4  Gr.* 

,Das  Rorate  im  Advent  durchaus  zu  halten,  davon  S.  W.  zu 
gewarten,  was  sich  von  alters  davon  gebührt,  als  ein  Viertel  Rind- 
fleisch, Auch  soll  er  Winter  und  Sommer  mit  dem  Läuten  zur 
Predigt,  Vesper  und  Salve  rechte  und  gewisse  Stunden  halten  lassen, 
darnach  sich  nicht  allein  die  Kirchendiener,  sondern  Jedermännig- 
lich  zu  richten  habe.* 

9  Er  soll  auch  auf  seine  Dienst  fleissig  warten,  nicht  über  Feld 
gehen,  er  bestelle  dann,  dass  Jemand  an  seine  Statt,  so  zu  taufen 
oder  anders  vorfiele,  vorhand«tt  seie,  auf  dass  kein  Negligenz 
geschehe.* 

,Die  Schul  alle  Wochen  zum  wenigsten  einmal  oder  zwier  visi- 
tiren  und  wenn  der  Schulmeister  oder  sein  CoUega  mit  der  Lehr 
der  Knaben  oder  sonsten  in  der  Kirchen  sich  nicht  recht  halten, 
soll  er  dieselben,  dergleichen  dem  Organisten  und  Glöckner  Einrede 
zu  thun  und  sie  zu  strafen  Macht  haben.* 

Auch  hier  in  Graupen  machte  sich  wie  überall  erwachende 
Baulust  bemerkbar.  Die  Kirche  St.  Anna,  welche  noch  immer  nicht 
vollendet  war,  wurde  nun  ganz  ausgebaut,  und  zu  gleicher  Zeit  um 
dieselbe  ein  Gottesacker  angelegt,  da  die  bisherige  Begräbnissstätte 
zu  sehr  entlegen  war.  Auch  das  Innere  der  Stadtkirche  wurde  voll- 
ständig renovirt.  Die  folgenden  Jahre  brachten  den  Bau  eines  neuen 
Hochaltars  von  Franz  Dittrich,  Bildschnitzer  in  Freiberg,  die  Auf- 
stellung eines  neuen  Predigtstuhles,  sowie  die  wettere  Ausschmückung 
von  St  Anna.  In  welcher  Weise  der  Wohlstand  der  Bürger  hier 
sich  hob,   werden  wir  weiter  unten  im  Zusammenhange  betrachten. 

Im  Jahre  1586  kommt  uns  die  letzte  Kunde  von  einem  Wider- 
stände gegen  die  weitere  Verbreitung  des  Protestantismus  auf  unserem 
Gebiete.  Andreas  Klinser,  Vicepfarrer  von  Aussig,  meldet  am  9.  April, 
dass  er  die  Pfarrei  Seestadtl,  Besitzung  des  Herrn  Dionys  von 
Michalowitz,  deren  Pfarrkinder  vom  katholischen  Glauben  abgefallen 
seiea,  übernehmen  und  sofort  sich  dorthin  begeben  wolle  ^).  Von 
dieser  Zeit  an  dringt  fast  keine  Nachricht  von  grösserer  Bedeutung 
au  die  Oeffentlichkeit;  Alles  geht  seinen  ruhigen,  friedlichen  Gang 


<}  Erzbischöfl.  Arch.  Prag.  Kecepta  ao.  1586  orig. 
Jahrbuch  des  Protestandsmus  1887.  H.  I. 


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34 

So  kommt  der  Anfang  des  17.  Jahrhundertes.  Im  Jahre  1604 
hält  der  Bischof  Zbinco  Berka  die  bekannte  Diöcesansynode  ab,  um 
den  letzten  Rest  der  katholischen  Geistlichkeit  zum  Ausharren  bei 
der  gemeinsamen  Sache  zu  ermahnen;  er  hat  damit  wenig  Erfolg. 
Zwar  hält  zwei  Jahre  darauf  der  Dechant  von  Aussig,  Johannes 
Hagelius,  eine  Visitation  in  seinem  Dekanate  ab ;  er  hat  wenig  über 
die  ihm  untergebenen  Geistlichen  zu  klagen,  da  er  fast  keine  mehr 
besitzt.  In  Aussig  selbst  gehören  mit  spärlichen  Ausnahmen  auch 
die  vornehmsten  Familien,  deren  Traditionen  sie  am  zähesten  bei 
dem  katholischen  Glauben  hatten  ausharren  lassen,  bereits  dem 
Protestantismus  an. 

Das  Jahr  1609  bringt  den  Majestätsbrief,  für  die  ganze  Gegend 
eine  sichere  Bürgschaft  freier  Religionsübung;  nur  nicht  für  Aussig, 
das  mit  diesem  Jahre  seine  Leidensgeschichte  anheben  sieht.  Was 
überall  als  Glück  gepriesen  worden,  hier  ward  es  zum  Unheil;  eine 
Reihe  von  Jahren  herrscht  Bürgerkrieg  in  den  Mauern  von  Aussig; 
immer  mehr  erhitzen  sich  die  Gemüther,  prallen  immer  feindseliger 
an  einander,  bis  dass  die  Erregung  in  gewaltsamer  Weise  sich  Bahn 
bricht,  und  das  Drama,  das  vor  unseren  Augen  sich  abspielt,  mit 
einer  Blutthat  endet.  Böse,  kummervolle  Tage,  an  die  selbst  spätere 
Generationen  nur  mit  Grauen  zurückdenken. 

Wohl  hat  das  Machtwort  des  Kaisers  auch  den  Protestanten 
Aussigs  freie  Uebung  ihres  Glaubens  zugestanden  und  sie  freuen  sich 
der  Wohlthat,  die  ihnen  geworden,  weil  sie  hofifen  können,  fiir  alle 
Zukunft  frei  aufathmen  zu  dürfen.  Aber  schon  ist  ihnen  in  ihrer 
eigenen  Mitte  ein  Feind  erstanden,  der,  dem  katholischen  Glauben 
angehörend,  die  Minderheit  der  katholischen  Bewohner  Aussigs  an 
sich  zieht  und  mit  aller  Energie  und  stolzer  Thatkraft  alles  anzu- 
wenden versucht,  der  Gegenpartei  die  Zügel  zu  entreissen.  Darf  man 
sich  wundern,  wenn  er  nach  einer  Reihe  von  Jahren,  die  fiir  ihn  fast 
ebensoviele  Triumphe  bedeuten,  denn  doch  von  der  Uebermacht  zu 
Boden  gedrückt  und  vernichtet  wird.^  Wir  ehren  die  Energie  und 
den  Muth  des  Mannes,  der  fiir  seine  Ueberzeugung  alles,  selbst 
sein  Leben  eingesetzt  hat,  aber  wir  sympathisiren  nicht  mit  ihm. 

Der  Mann,  von  dem  wir  sprechen,  ist  Johann  Ernst  Schosser 
von  Embsleben,  Primator  der  kgl.  Stadt  Aussig.  Er  entstammte, 
wie  sein  Zeitgenosse  Tichtenbaum  uns  in  seiner  poetischen  Geschichte 
Aussigs  zu  berichten  weiss,  einem  berühmten  Geschlechte  zu  Frank- 


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fürt  a.  d.  Oder.  Sein  Vater  war  Katholik,  die  Mutter  evangelisch. 
Erzogen  ward  er  in  Prag  als  ganz  armer  Knabe  —  die  Familie  war 
verarmt  — ,  der  sein  Brot  mit  Singen  verdienen  und  sein  Nachtlager 
in  leeren  Biertonnen,  wie  sie  vor  Brauhäusern  lagen,  nehmen  musste. 
Slawata  nahm  sich  seiner  an,  Hess  ihn  in  Prag  bilden,  dann  auswärts 
Studiren  und  machte  einen  tüchtigen  Juristen  aus  ihm.  Als  ausge- 
zeichneten Mann  nahm  ihn  dann  Erzherzog  Leopold  an  seinen  Hof 
und  machte  ihn  zum  Hofrath.  Zurückgekehrt  nach  Böhmen,  ver- 
heiratete er  sich  und  wurde  auf  Slawata's  Empfehlung  Primator  von 
Aussig  *).  Als  die  Aufgabe  seines  Lebens  betrachtete  er,  die  Stadt, 
der  er  vorstand,  dem  katholischen  Glauben  wieder  zuzuführen,  und 
wir  müssen  gestehen,  dass  er  dieser  Aufgabe  mit  seltener  Thatkraft 
und  mit  ausserordentlichem  Geschick  sich  unterzog.  Wie  die  evan- 
gelischen Gläubigen  ihr  Hauptaugenmerk  auf  die  Stätten  richteten, 
in  denen  sie  ihren  Gottesdienst  feierten,  so  suchte  auch  er  durch 
Ausschmückung  der  katholischen  Kirchen  die  Liebe  zum  alten  Glauben 
wieder  zu  wecken,  durch  bessere  Dotirung  der  Seelsorger  seine 
Erfolge  zu  dauernden  zu  gestalten.  Das  Erste,  was  er  unternahm, 
war  die  Erneuerung  der  alten  Brüderschaft  ,zu  Ehren  des  allcr- 
zartesten  Frohnleichnams  Christi,  unserer  lieben  Frau  und  des  hl. 
Märtirers  Wenzeslai*,  die  bereits  am  i6.  Februar  1609  die  bischöf- 
liche Approbation  erhielt"),  in  vorhusitischer  Zeit  die  Kirche  zu 
St.  Adalbert  inne  gehabt  hatte  und  dieselbe  nunmehr  wieder  erlangte. 
Ein  Zweites  war  die  Erwirkung  eines  senatus  consultum,  welches  die 
Beziehungen  zwischen  Protestanten  und  Katholiken  in  der  Stadt 
regeln  sollte.  Dasselbe  bestimmt,  dass  ^erstlich,  obwohl  dies  exer- 
citium  religionis  allein  der  römischen  katholischen  Kirche  von  und 
über  Menschengedenken  hiero  zugethan  und  verwendet,  hiebei  es 
denn  auch  verbleiben,  alle  diejenigen,  die  derselben  zugethan,  ge- 
bührlich geschützt,  die  Geistlichkeit  bei  Imperturbation ,  völligen 
Jurisdiction,  auch  bei  der  Administration  geistlicher  proventuum  und 
redituum  künftiger  Zeit  soll  erhalten  und  geschützt  werden,  dass 
denmach  diesen  allen  unbeschadet  erstlich  das  Bürgerrecht  einem 
Jeden  verstattet,  vors  andere  aller  Zwang  ausgeschlossen  und  Niemand 
weder  zu  einer  noch  der  andern  Religion  gezwungen  sein  soll.  Vors 
dritte,    dass  sowohl  diejenigen,  so  sich  der  Communion  sub  utraque 

1    Balbin:   MisceU.  hist.-boh.  IV,  201  ff. 

«)  Conc.  Prag.  Erzbischöfl.  Arch.  Emanata  1609,  13,  p.  349. 

3* 


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allhier  bei   den    katholischen  Priestern   als   ander  fremder  Orte  ge- 
brauchen, neben  den  Katholischen  sub  una  gleiches  Schutzes,  Friedens 
und  Rechtens  geniessen,   auch   zu  allen  Ehrenämptem   ohne  Unter- 
schied sollen  gebraucht  werden ;  vors  vierte,  dass  denen  sub  utraque, 
so  sich  gleich  der  Communion  andern  Orts  erholen,  nichts  weniger 
das  Geläut,  Schuel  und  Begräbnus  wie  denn  auch  die  Copulation  und 
Taufe   ihrer  Kinder   verstattet   und   zu   künftigen  Zeiten   unverspart 
sein  soll;    darum  denn   um  Erhaltung   so  viel  besseren  und  bestän- 
digeren Friedens  kein  Theil  das  andere  weder  bedrängen,  viel  weniger 
öffentlich  oder  heimlich  schänden  und  schmähen  soll,  wie  denn  mit 
diesem  senatus  consultum  öffentlich   cavirt  und  verordnet  sein  soll. 
Ob  sich  einer  unterstehen  würde,  diesen  Religionsfrieden  zu  violiren, 
dass  derselbe  ohne   alle  Gnade  tamquam  turbator  publicae  pacis  et 
concordiae  nach  Erkanntnus  E.  E.  Raths  mit  einer  Geldstrafe  oder 
durch  Verweisung  der  Stadt,  so  das  Verbrechen  so  hoch  sein  würde, 
beklagt   werden   soll.*     Unterzeichnet   sind   die  Senatoren:    »Georg 
Herlichius,  Joannes  Ernest  Schosser,   Hinlaus  Thaur,   Adamus  Win- 
disch,   Mathes   Ulbrecht,    Paul   Greulich,    Valentinus   Schilling,    Til- 
mannus  Schirs,  Joannes  Moller,  David  Butterschneider.  Jacobus  Holfeld, 
Martin  Khun*).* 

So  friedlich  dies  senatus  consultum  auch  klingt,  es  zeigt  doch 
schon  aufs  Deutlichste,  in  welcher  Weise  Schosser  den  Kampf  auf 
zunehmen  gedachte.  Kurz  und  bündig,  ohne  Rücksicht  auf  bestehende 
Verhältnisse,  unterstellt  er  die  Bekenner  der  evangelischen  Lehre 
der  römischen  und  reiht  sie  in  zweiter  Stelle  ein,  trotzdem  er  wohl 
wusste,  dass  fast  alle  Senatoren  dieser  Lehre  angehörten.  Wie  sich 
letztere  überhaupt  zu  dem  Ansinnen  des  Primators  verstehen  und 
auf  die  Unterzeichung  eines  für  sie  so  verderblichen  consultum  ein- 
gehen konnten,  ist  unverständlich.  Schosser  aber,  vertrauend  auf 
seinen  kaiserlichen  Herrn,  der  ihn  zu  seiner  Würde  berufen,  dachte 
einem  jeden  Widerstände  ruhig  entgegenbKcken  und  jeden  Kampf 
mit  der  Hoffnung  auf  einen  endlichen  Sieg  aufnehmen  zu  können. 
Vor  Allem  suchte  er  den  Dechant  Hagelius,  der  seit  1606  bereits 
in  Aussig  wirkte  und  den  er  als  unermüdlichen  Eiferer  ftir  den 
katholischen  Glauben  hatte  kennen  gelernt,  in  Aussig  zu  halten,  und 
sorgrte  deshalb  dafür,  dass  sein  Einkommen  gesichert  sei.  Von  den 
Protestanten  hatte  er  den  hohen  Werth  des  Kirchengesanges  kennen 


)  Statthalterei-Arch.  Prag  A  I.   17. 


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37 

gelernt;  deshalb  trachtete  er  auch  bei  den  Katholiken  in  gleicher 
Weise  die  Liebe  zur  Kirche  zu  erwecken;  er  sorgte  für  eine  feier- 
liche Vocal-  und  Instrumentalmusik  im  Gotteshause,  verschaffte  ferner 
der  Stadtkirche  neue  Altäre,  Ornate  und  unterschiedliches  Silberzeug, 
letzteres  im  Werthe  von  500  fl.  *) 

Dass  man  in  Aussig  solche  Massregeln  nicht  geduldig  hinnahm 
und  sich  von  protestantischer  Seite  zur  Wehr  setzte,  ist  natürlich. 
Selbst  die  Senatoren»  die  das  consultum  unterschrieben  hatten,  in 
der  Meinung,  dadurch  den  Frieden  in  der  Stadt  zu  erhalten  und  zu 
kräftigen,  nahmen  bald,  da  sie  sich  in  ihren  Hoffnungen  getäuscht 
sahen,  eine  ablehnende  Stellung  ein.  Doch  Schosser  liess  sich  selbst 
biedurch  in  seinen  Bestrebungen  nicht  irre  machen.  Nach  wie  vor 
suchte  er  seine  Partei  durch  Heranziehung  katholischer  Ansiedler 
zu  verstärken,  während  er  andererseits  gegen  Protestanten,  die  nicht 
Bürger  waren,  auf  das  Schärfste  verfuhr  und  sie  einfach  aus  der 
Stadt  verwies.  Bald  hörte  man  neue  Klagen  gegen  ihn,  die  endlich 
zu  einem  Processe  führten.  Es  wurde  ihm  vorgeworfen,  dass  er  der 
Gemeinde  in  jeder  Weise  schade,  die  Stadt  um  ihre  Besitzungen 
bringe  und  in  Schulden  stürze,  dass  er  ein  epikureisch  -  ehebreche- 
risches Leben  führe.  In  Prag,  wo  er  begünstigt  wurde,  ward  er  frei- 
gesprochen. Eine  Zeitlang  scheint  Schosser  in  seinem  Unternehmen 
schwankend  geworden  zu  sein;  er  fasste  den  Entschluss,  Aussig  zu 
verlassen  und  nach  Prag  zu  übersiedeln,  zu  welchem  Zwecke  er 
bereits  sein  unbeweglich  Eigenthum  an  den  Rath  der  Stadt  verkaufte. 
Hätte  er  diesen  Entschluss  wirklich  durchgeführt,  wie  viele  bittere 
Stunden  wären  der  Stadt  erspart  geblieben! 

So  aber  sollte  es  anders  kommen  ;  die  Tragweite  seines  Schrittes 
hatte  Schosser  nicht  geahnt.  Der  Hass,  der  ursprünglich  nur  gegen 
die  eine  Person  des  Primators  sich  richtete,  wurde  allgemeiner.  Schon 
sind  die  Katholiken,  an  ihrer  Spitze  der  Dechant,  genöthigt,  an  den 
König  die  nachstehende  Beschwerde  zu  richten  ■) : 

, Durchleuchtigster,  grossmächtigster  Khünig,  gnädigster  Herr! 
Was  bis  anhero  bei  der  Stadt  Aussig  vor  merkliche  Zerrüttungen 
entstanden,  was  auch  vor  unerhörte  und  gewaltsame  Thätigkeiten 
wider  den  Primas  allhier  gebraucht  worden .  dessen  allen  ist  ihr 
khunig:  Mait:  ausführlich  Bericht  gethan,    hierauf  auch  ferner  durch 

*)  Maresch:  Jahrbuch,  p.  2^, 

•)  Statthalterci-Arch.  Prag.  A  I.   17  orig. 


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dieselbe  die  Billigkeit  verordnet  worden,  ob  uns  zwar  wir  samptlichen 
so  der  Religion  sub  una  in  kleiner  Anzahl  zuegethan,  des  Gegen- 
theils    Entschuldigung,    dass    sie    wider   gedachten    unseren  Primas, 
nicht  ex  affectu  aut  odio  religionis,  sondern  politischer  Beschwerung- 
halben obberührtermassen  procedirten  in  seinem  esse  müssen  wahr- 
haft lassen.  Derowegen  uns  seiner  auch  öffentlichen  so  viel  weniger 
annehmen  dürfen,    so   kompt  und  bricht  doch   nunmehr  leider  Gott 
erbarm    es   ans   helle   Taglicht,    was   unter   dieses   des   Primas  Ver- 
folgung gesucht  und  tractiret  wird,  dass  eure  kunigl.  Mait:  verbunden, 
dass  über  alle  ergangene  Inhibition  de  alternis  non  offenjiendo  auch 
über  alle  durch  die  zwo  in  Prag   arrestirte   Personen  angenommene 
Assecuration  den  20.  huius  die    ganze  Gemein  wiederumb   auf  dem 
Rathhaus  ein  Zusammenkunft  gehalten,  Hansen  Dietrichen  von  Bila, 
einen  in  der  Stadt  vorhandenen  von  Adel  und  Mitbürger  pro  ante- 
signano   aufgeworfen,    folgends   hierauf  von    den   Kirchenvätern   die 
Kirchen register  und  andere  der  Kirchen  und  unsere  hierüber  habende 
Jurisdiction   angehörige   Sachen   abgefordert,    und   auf   unsere    Ver- 
wegerung  solche  mit  Gewalt  zu  nehmen  uns  bedrauet,  schliesslichen 
wider  die  Katholischen  vor  einen  Mann  zu  stehen  und  dieselben  gar 
aus  der  Stadt  zu  verjagen  sich  verlauten  lassen,   und   hierüber   sich 
sampt    und    sonderlich    mit    eigener    Hand   Unterschrift    verbunden. 
Wann  aber  gdster:  Khünig  und  Herr  die  vorhero  Attentaten  so  nicht 
lange  an  dem  Primas,  sondern  andern  mehr  Katholischen  einenmale 
die  Häuser  gestürmt,  uns  nicht  allein  billiche  Forcht  und  Schrecken 
einjagen,  sondern  besorglichen,  dass  diesem  Augenblicke  ihr  khunig: 
Mat:    aus    khunigl:   Macht   begegnen    werde,    dass    ermeldte  unserer 
unirter  Gegentheil  wie  an  Kirchen  und  Gotteshäusern,  also  auch  an 
unsern  Personen,  Weib  und  Kindern,  auch  Haus  und  Hof  böslichen 
effectuiren  und  ins  Werk  richten  werden.  Wann  aber  gdster:  Khünig 
und  Herr  diese  Thätlichkeiten  wie  dem  allgemeinen  Land-  und  Stadt- 
frieden also  dem  der  loblichen  Herren  Landstände   sub  utraque   er- 
theilten  kaiser-  und  khün:  Majestätsbrief  so  wohl  als  löblichen  Land- 
ordnung ex  diametro  zu  entgegen :  also  gelangt  hiermit  an  dieselbe 
unser  ümb  Gotteswillen  allerunterthänigstes  und  demüthigstes  Suppli- 
ciren  und  Bitten  Euere  khun:  Mat:  geruhe  diesem  Unglück  bei  Zeiten 
zue  begegnen,  uns  in  dero  khüniglichen  Schutz  verbergen  und  diese 
gnädigste  Verordnung  thun,    damit  über  die   eifrige  Burgschaft  und 
Recess  de  non  offendendo  in  specie   ein  jährliche  Caution  allen  sub 


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Una  in  genere  möcht  bestellt  und  dass  alle  Gefahr  Leib  und  Lebens 
geubrigt  bleibe.  Hiermit  befördern  E.  khun:  Mat:  die  Gerechtigkeit 
und  solches  umb  dieselbe  mit  unserem  Gebet  zu  verdienen,  wollen 
alle  Zeit  treu  befunden  werden. 

Signatum  Aussig  an  der  Elbe,  den  21.  Juli  ao.   161 1. 
Euer  khun:  Mait: 

unterthänigste  gehorsamiste 
Dcchant  und  alle  katholische  Burger  der  Stadt  Aussig/ 

Der  König  richtete  ein  strenges  Mahnschreiben  an  die  Raths- 
ältesten  der  Stadt,  und  diese  beeilten  sich,  am  Tage  St.  Margaretha 
161 1  dem  Könige  zu  geloben,  dass  j^ermeldter  unser  Primas  auch 
sammt  allen  den  Seinigen  aller  Leibes-  und  Lebensgefahr  vor  uns 
und  aller  anderen  Anstiftung  wie  die  durch  Menschenlist  zu  erdenken 
in  und  ausserhalb  der  Stadt  gesichert  sein  möge  und  bleibe,  ihm 
auch  wider  diejenigen,  so  ihm  und  die  seinigen  wider  den  allge- 
meinen kgl.  Land-  und  Stadtfrieden  verletzt,  rechte  Hilfe  ertheilen 
und  verstatten  sollen*  *). 

Das  alles  bestärkte  Schosser  nur  noch  mehr  in  seinem  Vor- 
haben. Er  unternahm  jetzt  auch  den  Wiederaufbau  des  1426  von 
den  Husiten  niedergebrannten  Dominicanerklosters.  Nicht  an  der 
alten  Stätte,  in  der  Vorstadt,  wurde  es  aufgebaut,  sondern  an  der 
Seite  der  Adalbertskirche,  welche  die  oberwähnte  , Brüderschaft*,  die 
im  Besitze  derselben  sich  befand,  sofort  den  künftigen  Ordensbrüdern 
auf  Antrieb  Schosser's  übergab ;  ein  Capital  von  500  Seh.  sollte  zur 
Wiedereinlösung  der  alten  Klostergründe  dienen.  Noch  war  der  Bau 
nicht  beendet,  als  der  Primator  die  Ordensbrüder  bereits  in  die  Stadt 
berief;  am  25.  April  161 7  wurden  sie  feierlich  in  das  neue  Kloster 
eingeführt. 

Musste  schon  diese  Massregel  die  Gemüther  der  Protestanten 
aufreizen,  so  wurde  ihre  Aufregung  durch  Eigenmächtigkeiten,  die 
sich  der  Primator  fortdauernd  gegen  die  evangelischen  Bürger  er- 
laubte, nur  noch  mehr  entflammt.  Ein  jeder  Katholik,  der  sich  um 
das  Bürgerrecht  bewarb,  erhielt  dasselbe  ohne  weitere  Umschweife; 
nur  den  Protestanten  wurden  Schwierigkeiten  in  den  Weg  gelegt. 
Mit  Bitten  und  Drohungen  suchte  Schosser  sie  zur  katholischen 
Lehre    zu    bewegen;    gelang   es,    war    ihr   Anliegen   erfüllt;    wenn 

»)  A.  a.  O. 


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nicht,  waren  sie  einer  Abweisung  sicher.  Aber  noch  schwieg  man; 
noch  ertrug  man  eine  Zeit  solche  gesetzwidrige  Uebergriffe;  erst 
nach  Scbosser's  Tode  wurden  dieselben  näher  bekannt.  Wir  aber 
müssen  die  betreffende  Urkunde,  welche  die  Massregeln  des  Prima- 
tors kennzeichnet,  schon  hier  mittheilen;  es  erklärt  sich  daraus  die 
hochgradige  Erbitterung  der  Bevölkerung,  die  endlich  zu  einer  furcht- 
baren Katastrophe  fuhren  musste.  Das  erwähnte  Schriftstück  lautet  ■) : 

,Der  Gemein  und  Burgerschaft  in  der  Stadt  Aussig  an  der  Elb, 
sub  utraque.  Beschwer,  wegen  Bedrängnus  in  der  Religion.* 

,  Anfangs  hat  sich  unter  andern  Hans  Fritsch,  ein  Fleischhacker, 
über  den  langen  Aufschub,  in  dem  er  beim  erschlagenen  Primas 
umb  das  Burgerrecht  angehalten,  hart  beschwert  und  vermeldet,  dass 
er,  damit  solches  desto  eher  einen  Fortgang  gewinnen  möchte,  bei 
ernanntem  Primas,  zum  öfteren  mit  Verehrungen  erschienen,  und 
letzlichen  auch  dem  Rath  Selbsten  6  Seh.  erlegen  müssen.  Solches 
Burgerrecht,  aber  nur  etliche  Wochen  gebrauchet,  weil  ihm  von 
besagtem  Primas  dasselbe  wiederumb  aufgesaget,  das  Schlachten 
verbeten  und  seine  Nahrung  gesperret  worden.  Vorgebende,  wie 
ihm  solches,  wo  er  nicht  katholisch  würde,  keineswegs,  vergönnt, 
und  darbei  gelassen  werden  könnte.* 

,  Ingleichen  vermeldet  Balthasar  MüUer,  ein  Barbierer,  dass  ihm 
offtermals  das  Burgerrecht  verwegert  und  abgeschlagen  worden,  und 
obzwar  ofterwähnter  Primas  die  Unwissenheit  der  böhemischen 
Sprach  zum  Schein  vorgewendet,  hat  er  doch  vor  allen  Dingen  auf 
den  Abfall  gedrungen,  und  neben  Erlegung  6  Seh.  ihm  auf  3  Jahr 
dasselbe  bewilliget,  auch  da  er  unterdessen  der  Religion  halber  sich 
bedenken  würde,  solches  völlig  zu  ertheilen  versprochen.* 

,  Besagtergestalt  ist  es  Micheln  Butterschneidern  ergangen,  von 
welchen  erschlagener  Primas,  als  er  umb  sein  Burgerrecht  angehalten, 
200  Seh.  erfordert  und  haben  wollen.  Jedoch  mit  dem  Besag,  wo- 
fern er  übertreten  würde,  soll  er  nur  bei  2  Seh.  gelassen  werden, 
und  als  er  ihn  hierzu  nicht  bringen  können,  ihm  von  der  Stadt  sich 
zu  wenden  geboten  und  auferlegt,  alle  künftige  Erbschaften  abge- 
schlagen, darauf  ihm  seine  Nahrung  gesperret,  und  seiner  Hantierung 
nicht  gebrauchen,  noch  geniessen  können.* 

,Thobien  Reichein  aber  hat  er,  ohne  des  damals  regierenden 
Burgermeisters  Willen  und  Wissen,    in  der  Herrn  Frohnfeste  legen, 

*-*)  Grosse  Apologie  p.  275. 


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und  ganzer  6  Tag  und  Nacht,  ohne  wenige  angedeute  Ursach,  dar- 
innen sitzen  lassen.  Nachdem  er  aber  zum  öftem  der  Ursachen 
halber  fragen  lassen,  ihm  endlichen  geantwortet,  weil  er  sich  seiner 
Güter  angemasset,  und  das  Burgerrecht  noch  nit  erlanget,  dessen 
sich  kein  Waise,  wie  mündig  er  auch  wäre,  sich  unterstehen  dürfte, 
solle  er  seiner  Güter,  Äcker  und  anders  müssig  gehen,  davon  ab- 
stehen, und  anders  Bescheids  erwarten.  Auf  ein  ander  Zeit  aber  da 
ec  katholisch  werden  und  von  seinem  Glauben  weichen  wollt,  ihn 
der  Gefangnus  zu  entledigen,  das  Burgerrecht  un verhindert  zu  über- 
kommen, und  der  Güter  zu  gebrauchen,  andeuten  und  vermelden 
lassen.* 

,Nach  diesem  obbesagten  hat  Peter  Paul  Schmid,  Seifensieder, 
über  folgende  Beschwerung  zu  klagen  wissen,  welcher,  da  er  eine 
Witfrau  seines  Handwerks  zu  erfreien  gesonnen,  und  solches,  wie 
gebräuchlich,  bei  dem  Primas  ersucht,  benebens  auch,  weil  er  ein 
Burgers  Kind,  umb  das  Burgerrecht  angehalten,  er  ihm  nicht  allein, 
wenn  bemeldter  Schmid  der  römischen  Religion  beipflichten  wollte, 
beides  verheissen,  sondern  auch  noch  300  Seh.  zu  besserm  Verlag 
seines  Handwerks,  vorzustrecken  verwilliget.  Weil  er  aber  verstanden, 
dass  benannter  Schmid  hierein  nicht  consentiret,  ist  ihm  allessampt 
wiederumb  auff:  und  sich  ferner  darumb  nit  zu  bemühen,  untersagt 
worden.  Folgends  aber  seiner  Vertrauten  hart  zugesetzt,  und  hat 
ebenergestalt  sie  von  ihrer  Religion  bringen  wollen,  auch  auf  Ver- 
wegerung  dessen,  ihr  nicht  allein  alle  Nahrung  gesperret,  alle  Fahr- 
nusse  inventiret,  und  aller  Possession  verlustig  zu  machen  heftig 
bedrohet.  Darüber  sich  besagter  Schmid,  eine  geraume  Zeit,  weil  er 
in  seinem  Vorsatz  nicht  befördert  werden  können,  von  Aussig  be- 
geben müssen.  Als  er  aber,  nach  ermeldtes  Primassen  Tod,  wieder- 
umb umb  das  Burgerrecht  angehalten,  sei  ihm  von  dem  jetzt 
regierenden  Primas  heftiger  als  vom  erstbesagten,  der  Religion  halben 
zugesetzet  worden,  bis  er  endlichen  auf  ehrlicher  Leut  Intercession, 
da  jetziger  motus  in  diesem  Königreich  entstanden,  darzu  gelanget.* 

>  Ferner  hat  sich  Johann  Langenberg,  wegen  seines  Stiefsohns, 
Augustin  Ellingk,  über  den  oftangedeuten  Primas,  schwerlich  be- 
klagt, weil  er  wider  seinen  Willen  den  Knaben  oftmals  abfordern, 
und  unter  die  Jesuiter  geben  wollen,  mit  Vermeld,  dafern  der  Stief- 
vater solches  nicht  zugebe,  und  seinem  Begehren  verwilligte,  er  alle 
aufgerichte,    und  ins  Gerichtsbuch  assignirte  Vertrag,    zwischen  ihm 


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42 

und  seinem  Stiefsohn  der  Mobilien  und  Immobilien  halber,  zu  cassiren, 
und  ganz  und  gar  aus  dem  Stadtbuch  zu  reissen,  gesonnen.* 

;>  Beschwert  sich  nicht  allein  Georg  Kehl,  ein  Schneider,  wie  noch 
bei  vorigen  Primassens  Lebzeiten,  ihm  die  Copulation  und  Burger- 
recht verwegert,  und  nicht  ehe,  bis  er  katholisch  zu  werden  ver- 
sprochen, zugesaget  worden.* 

Das  Weitere  aus  der  Beschwerdeschrift  gehört  nicht  hieher. 

Die  Einführung  der  Dominicaner  in  Aussig  besiegelte  das  Schicksal 
des  Primators.  Eine  förmliche  Revolution  gelangte  nunmehr  zum  Aus- 
bruch, die  mit  dem  Tode  des  verhassten  Mannes  endete.  Im  Hause 
eines  Bäckers,  Hans  Otto,  fand  eine  Verschwörung  von  24  prote- 
stantischen Bürgern  statt,  der  sich  auch  einige  Weiber  anschlössen, 
und  die  den  Entschluss  fasste,  der  Person  des  Primators  sich  zu 
bemächtigen  und  ihm  seine  Macht  zu  entreisscn.  An  eine  Ermordung 
dachte  wohl  keiner  der  Verschworenen.  Am  17.  November  161 7 
sollte  die  That  zur  Ausführung  gebracht  werden. 

Der  Tag  brach  an;  die  Thore  der  Stadt  wurden  gesperrt,  die 
Sturmglocke  geläutet.  Schosser  wusste,  wem  dies  alles  galt.  Er 
suchte  zuerst  Zuflucht  im  Dominicanerkloster,  verliess  dasselbe  aber 
bald  wieder  und  verbarg  sich  auf  dem  Dache  seines  Hauses.  Drei 
Tage  lang  konnte  er  sich  hier  versteckt  halten;  ein  Dominicaner 
reichte  ihm  die  letzte  Oelung.  Am  Morgen  des  20.  November  ent- 
deckte ihn  ein  altes  Weib  vom  Thurme  der  Kirche  aus.  Man  stürmte 
seine  verschlossene  Wohnung  mit  Leitern,  warf  ihn  die  Treppe  hinab, 
zerrte  ihn  auf  den  Ringplatz  und  hier  fiel  Schosser,  ein  Opfer  unge- 
zügelter Rachgier,  getroffen  von  270  Dolchstichen. 

Die  grausige  That  war  geschehen.  Entsetzen  und  Schreck  er- 
füllte die  Stadt;  nun  erst  übersah  man  die  ganze  Tragweite  der 
unglückseligen  That.  Die  besonnenen  Elemente  gelangten  wieder  zur 
Geltung;  man  machte  sich  auf  das  Schlimmste  gefasst.  Schon  am 
II.  December  161 7  wurden  von  Prag  aus  Commissäre  ernannt, 
welche  die  Untersuchung  über  den  Mord  zu  leiten  hatten ;  es  waren : 
Ladislaus  Zeidler  von  Schönfeld  auf  Enzowan,  Hauptmann  des  Leit- 
meritzer  Kreises,  Friedrich  von  Bila,  Christof  Wratislaw  v.  Mitrowitz, 
Adam  Riesenbersky  von  Jacowitz  und  Christoph  Broda,  femer 
Daniel  von  Seifersdorf,  Georg  Michna  von  Watzinow  und  J.  U.  Dr. 
Peter   Fuchs  *).     Die  Rädelsführer  waren  bald   in  Haft   genommen ; 

»)  Statthalterei-Arch.  Prag  A  I,   17. 


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43 

unter  ihnen  werden  genannt:  der  Bäcker  Hans  Otto,  Hans  Hübner 
und  Georg  Pasta;  sie  alle  fanden  ihre  gerechte  Strafe. 

Einen  Augenblick  hatte  es  den  Anschein,  als  sollte  Alles  zum 
Guten  sich  wenden.  Zelensky  von  Kobitz  und  Mathias  Pezolt  theilten 
sich  in  die  Geschäftsführung  der  Stadt;  die  Katholiken  wurden  aus 
dem  Magistrate  gestrichen,  neue  protestantische  Räthe,  ein  neuer 
Primator  wurden  gewählt.  Der  Pastor  Habermann  und  der  Schullehrer 
Peter  Dammer  richteten  Kirche  und  Schule  von  neuem  ein;  auch 
die  Pfarrkirche  Mariae  Himmelfahrt  wurde  ihr  eigen;  der  Dechant 
Michaelius  zog  sich  in  das  Dominicanerldoster  zurück.  Aber  die 
Ruhe  war  nur  scheinbar;  man  ahnte,  welcher  Sturm  drohe  und 
suchte  ihm  wo  möglich  vorzubeugen.  Zeuge  dessen  das  nachstehende 
Rundschreiben,  das  an  alle  , Vormeister  und  Meister  sub  utraque* 
der  einzelnen  Handwerke  erging  *) : 

, Ehrenfeste,  ehrbare  und  weise,  besonders  günstige  Herrn  und 
Freunde,  durch  dies  wird  euch  sämtlichen  zu  wissen  gethan,  wie 
dass  uns  denen  sub  utraque  von  den  Herrn  Directoren  dieses  König- 
reichs Behemb  Ihr:  G:  vermöge  von  ihr  röm:  kai:  Mait:  Rudolfi  IL 
hochmildesten  Gedächtnus  gegebenen  Majestätbriefes,  ein  freies 
exercitium  religionis  vergönnet  und  zugelassen,  und  (weil  wir  einer 
Kirchen  Mangel  empfinden)  angehalten,  dass  uns  das  neue  Haus, 
darunter  die  Fleischbänke,  welches  von  den  Gemeingeldem  des  ver- 
kauften Padleschin  und  Chwalow  erbaut,  hierzu  vergünstiget  und 
eingeräumet  werden  möchte,  bis  so  lang  uns  Gott  der  allmächtige 
(dieweil  es  zur  Fortpflanzung  seines  allein  seligmachenden  Worts 
und  Ausspendung  der  hochheiligen  sacramenta  des  wahren  Leibes 
und  Blutes  Jesu  Christi  gereichet)  durch  Gottes  Hülfe  und  Beisteuer 
gutherziger  Christenleut  zu  einer  andern  verhelfen  würde.  Welches 
dann  von  dem  Herrn  von  Czocha  S.  Gn:  im  Namen  der  wohlver- 
ordneten Herrn  Directoren  Ihr  Gn:  denen  sub  Una  abgefertigten 
Personen  anbefohlen,  einem  ehrenfesten  Rath  dies  anzudeuten,  dass 
sie  solches  von  der  Gemeine  erbautes  Haus  zu  unserm  exercitio, 
und  darauf  predigen  zu  lassen  uns  einräumen  und  übergeben  sollen, 
im  Fall  solches  nicht  beschehe,  sollen  wir  dies  wieder  berichten, 
wurde  hierauf  was  anders  erfolgen  etc.  Weil  man  aber  nicht  gänz- 
lich wissen  kann,  wer  dieser  Religion  sub  utraque,  so  Gottlob  uns 
gänzlichen   freigelassen,    anhängig   und    derselben   zugethan,    als   ist 

1)  Orig.  Stadtarch.  Aussig. 


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u 

umb  Nachrichtung  willen  dieser  Brief  ausgefertiget,  (nicht  dahin 
gemeinet,  dass  einer  oder  der  ander,  wie  dann  leider  den  Unserigen 
begegnet,  hierzu  gedrungen  oder  genöthiget  sein  solle),  dass  sich 
ein  jeder  Handwerksmeister  frei  und  gutwillig,  ohne  Heuchelei,  unter- 
zeichnen wolle,  hernach  sich  ein  Jedweder  zu  achten.* 

yOb  es  zwar  dies  Ansehen,  wie  dann  etzliche  vorgeben,  dass 
einen  Jedweden  hierzu  zu  steuern  und  sonderlichen,  weil  man  sonsten 
mit  den  Kriegessteuem  und  andern  Auflagen  hart  bedränget,  grosse 
Darlagen  gegeben  werden  sollten,  als  solle  sich  Niemand  dessen 
abwenden  lassen;  wir  wollen,  wie  obgemeldt,  zufoderst  Gott  den 
Allmächtigen,  dann  die  Churfiirsten  und  Herrn  umb  Hulf  und  Bei- 
steuer anrufen,  derer  Hilf  wir  uns  gänzlichen  getrösten,  belangende 
eines  neuen  Kirchengebäudes  ist  zwar  kein  Eilens,  jedoch  wird  etwas 
weniges  zu  den  Kirchenornat  als  Messgewand,  Alben,  Altar  und  hierzu 
gehörende  Bucher,  Kellich,  Paten  und  andere  Notdurft  zuschaffen 
angeleget  werden,  hierzu  sich  ein  Jedweder  seinem  Vermögen  nach 
freiwillig  erzeigen  wird.  Wir  sambtlichen  wollen  guter  und  fröhlicher 
Hoffnung  leben,  ein  ehrenfester  Rath,  als  unsere  liebe  Obrigkeit, 
werden  sich  unsers  Begehren  nicht  wegem,  sondern  was  ihnen  be- 
fohlen williglich  ins  Werk  setzen.  In  Gottes  genädigen  Schutz  uns 
alle  entfehlende.     Act.  Aussig  allhier  den  4.  Augusti  ao.   1618.* 

,Es  wird  auch  ein  Jedweder  hierbei  zum  freundlichsten  gebeten 
und  gewamet,  dass  sie  sich  gegen  denen  sub  una  friedlich  verhalten 
und  mit  nichten  in  ein  einiges  Gezänk  einlassen  oder  hierzu  Ursach 
geben  wollen,  hiermit  der  Religionsfriede  erhalten  werden  möchte, 
und  da  solches  von  einem  verbrochen,  wurde  derselbe  von  einem 
ehrenfesten  Rath  in  billige  Strafe  gezogen  werden.* 

(Schluss  folgt.) 


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II. 

Burg  Hohenberg. 
(Ein  Beitrag  zur  niederösterreichisohen  Befonaationsgesohlchte.) 

Von    Dr.  EDUARD  BOHL. 

Was  zieht  mich  so  mächtig  zu  dir  hinan,  du  steiler  Berg  mit 
den  alten  Ruinen?  Sind  hier  auch  etwa  einst  Lieder  gesungen  zu 
Ehren  dem  Herrn  der  Heerschaaren  ?  Erklang  auch  hier :  Ein'  feste 
Burg  ist  unser  Gott?  Lässt  das  mein  Herz  sdineller  bei  deinem 
Anblick  schlagen  und  die  Brust  sich  heben,  dass  ich  fast  täglich 
meinen  Weg  dorthin  nehmen  muss?  Du  hast  es  gerathen,  lieber 
Leser;  es  ist  die  Burg  Hohenberg  in  Niederösterreich,  drei  Meilen 
vom  Kloster  Lilienfeld  gelegen,  die  es  mir  angethan  hati 

Burg  Hohenberg  hat  eine  reiche  Geschichte,  aber  sie  ist  ver- 
klungen, weil  sie  keinen  Sänger  gefunden.  Die  Stifter  des  Geschlechtes 
verlieren  sich  in's  Dunkle.  Sie  sollen  abstammen  von  Ottokar  I., 
Markgrafen  von  Steyer  (de  Styre),  daher  sie  das  markgräfliche 
Wappen,  den  Panther,  führten.  Der  Stifter  der  Hohenbei^er  soll 
Otto  gehdssen  haben  und  in  einer  Klosteracte  von  St.  Lambert  i  loo 
zum  ersten  Mal  vorkommen.  Der  Qironist  des  Klosters  Lilienfeld, 
Hanthaler'),  nennt  Stephanus  als  Ersten,  der  12 19  zuerst  in 
Lilienfdder  Klosteracten  vorkommt.  Derselbe  Gelehrte  rechnet  die 
Hohenberger  zu  den  regulis  Austriae,  zu  jenen  Geschlechtem,  die 
nicht  Graf  noch  Baron,  sondern  einfach  Herren  von  Hohenberg  sind 
—  und  eben  damit  uralter  Herkunft,  die  nicht  durch  Archive  belegt 
werden  kann.  Der  letzte  Hohenberger,  Erasmus,  starb  1516,  und 
von  dessen  Tochtermann  ging  die  Burg  1 540  durch  Kauf  an  Christoph 
Jörger,  Baron  von  Tollet,  über. 

*)  Im  Recensus  diplom.  genealogicus  archivi  Campiliensis ,  Wien  1819—20, 
Seite  26. 


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46 

Mit  dem  Namen  Jörg  er  treten  wir  nun  sofort  in  die  Refor- 
mationsgeschichte Niederösterreichs  hinüber.  Dieser  Name  hat  einen 
berühmten  Klang;  die  Jörger*)  haben  Gut  und  Blut  für  den  evan- 
gelischen Glauben  eingesetzt  und  sind  unterlegen.  Unter  Helm- 
hard  VII.  aus  dem  Hause  Jörger  wurde  besonders  die  Araburg,  die 
seit  1590  dem  Geschlecht  gehörte,  zu  einer  Art  Mittelpunkt  der 
Reformationsideen  erhoben  und  von  hier  aus  das  Land  reformirt. 
Die  Araburg  wurde  bald  der  Sammel-  und  Zufluchtsort  fiir  alle 
Protestanten ')  dieser  Gegend.  Aehnlich  mag  es  in  Hohenberg,  dieser 
andren  Besitzung  derselben  Jörger,  gewesen  sein.  Während  aber  die 
meisten  ihrer  Vorgänger  vom  Stamme  der  Hohenberger  im  Kloster 
Lilienfeld  begraben  liegen,  mussten  sie  den  Wanderstab  ergreifen, 
wurden  sie  ihrer  Güter  beraubt  und  geächtet.  Ein  Theil  von  ihnen 
fand  endlich  gastliche  Aufnahme  in  den  Mauern  des  hochherzigen 
Nürnberg.  Ein  anderer  Theil  der  Familie  freihch  wurde,  nachdem 
er  zum  alten  Glauben  wieder  übergetreten,  in  den  Grafenstand 
erhoben.  Es  kann  uns  nur  von  höchstem  Interesse  sein,  bei  der 
Spärlichkeit  der  Quellen,  die  über  die  Reformationsgeschichte  Nieder- 
österreichs fliessen,  das  Wenige,  was  sich,  von  der  Burg  Hohenberg 
aus  gesehen,  darüber  sagen  lässt,  aufs  Sorgfaltigste  zu  sammeln. 
Allgemein  ist  ja  überhaupt  die  Klage,  dass  die  Geschichte  Nieder- 
ö^terreichs  noch  nicht  geschrieben,  dass  sie  noch  erst  aus  dem  Grabe 
der  Archive  erlöst  werden  müsse,  und  dass  äussere  und  innere 
Gründe  zusammengewirkt,  um  sogar  das  Interesse  fiir  diese  Ge- 
schichte herabzustimmen.  Was  aber  von  der  allgemeinen  Geschichte 
gilt,  das  gilt  in  noch  weit  höherem  Grade  von  der  Reformations- 
geschichte dieses  Kronlandes.  In  einem  interessanten  Artikel:  ^^Die 
Türken  im  Wiener  Walde*  bemerkt  ein  Feuilletonist  der  , Wiener 
Presse*  v.  J.  1883  über  den  Charakter  der  Niederösterreicher  Fol- 
gendes:   »Weit  herum   auf  dem  Erdenrunde   könnte   man   eine  Be- 


*)  Zwei  Freiherren  von  JÖrger  waren  neben  vielen  Andern  vom  österreichischen 
Adel  1542  in  Wittenberg  immatriculirt.  Im  18.  Jahrhundert  ist  das  Geschlecht  aus- 
gestorben. 

*)  Vgl.  Prof.  Schober  in  den  Blättern  des  Vereines  für  Landeskunde  von 
Niederösterreich  von  Dr.  A.  Mayer,  XV,  Seite  453.  Interessant  ist,  dass  um  diesen 
Helmhard  die  Volkssage  ihre  Gespinnste  gewoben.  So  erzählt  man  noch  heute,  die 
Araburg  sei  von  ihm  1620  vertheidigt,  von  den  Kaiserlichen  eingenommen  und  zer- 
stört worden.  An  eine  Zerstörung  ist  nicht  zu  denken. 


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47 

völkerung  suchen,  die,  auf  historisch-interessanter  Stätte  angesiedelt, 
von  der  Geschichte  ihrer  Vorfahren,  von  den  Leiden  und  Nöthen 
derselben  so  blutwenig  zu  erzählen  weiss,  wie  die  Wiener- Wald- 
Bauern  und  die  Hauer  im  Hügellande  des  TuUnerfeldes.*  Geschichts- 
taub und  erinnerungsblind,  ohne  Localsage,  ohne  Ueberlieferung  aus 
der  Vergangenheit  ihres  Ortes  und  ihres  Hauses  nennt  er  sie.  »Dass 
vor  200  Jahren  auch  sein  Dorf  von  den  türkischen  Sengern  nieder- 
gebrannt worden,  dass  die  Muhmen  und  Vettern  seines  Urahns  in 
die  Gefangenschaft  geführt,  sein  Urahn  selbst  mit  anderen  rüstigen 
Nachbarn  im  Waldverhau  sich  zur  Wehr  gesetzt  und  die  geflüchtete 
Heerde  erfolgreich  vertheidigt  habe,  dass  die  immer  wiederkehrenden 
Jahreszahlen  1685,  1686  und  1687  an  den  verrauchten  Tragbalken 
der  Stubendecken  im  eigenen  und  in  den  Nachbardörfern  den  Wieder- 
aufbau der  vom  Türken  ausgebrannten  Häuser  anzeigen,  —  von  all 
dem  weiss  er  so  wenig,  wie  von  der  Zeit,  als  60,  70  Jahre  vor  der 
Türkennoth  seine  lutherischen  Vorfahren  wieder  katholisch  gemacht 
worden.* 

Diese  interessanten  Bemerkungen,  welche  wir  gern  unseren 
Lesern  mittheilen,  können  wir  durch  unsere  Wahrnehmungen  bestä- 
tigen, die  wir  den  Lesern  nicht  vorenthalten  möchten.  Folgen  wir 
dabei  dem  historischen  Gange  der  Reformation,  wie  er  von  Hohen- 
berg  aus  betrachtet  sich  wahrnehmen  lässt. 

Vierzig  Jahre  nach  der  Besitzergreifung  der  Burg  und  des  Amtes 
Hohenberg  durch  die  Jörger  finden  wir  in  vergilbten  Blättern  eines 
Protokolls  der  Herrschaft  Hohenberg,  welches  Verkäufe  registrirt, 
die  erste  Notiz  von  der  Einführung  des  Evangeliums  in  Hohenberg. 
Die  schlecht  geschriebenen  Protokolle  (eines  fuhrt  den  Titel:  »Bey 
dem  Marckt-Gericht  Hohenberg,  Angefangen  1620  Jar*)  geben  uns 
vor  Allem  eine  sehr  hohe  Vorstellung  von  dem  Geist  der  Ordnung 
und  Zucht,  der  1620  bereits  in  diesen  Gegenden  festen  Fuss  gefasst 
hat-  Und  zwar  waren  die  Besitzungen  dieses  Zweiges  der  Jörger 
zahlreich;  er  besass  ausser  Hohenberg  noch  St.  Egyd,  woselbst 
noch  eine  Kelchpatene  mit  dem  Wappen  der  Jörger  ist,  ferner 
Kreusbach,  sowie  die  Burgen  Bergau  und  die  Araburg  nebst  deren 
Dependenzen  in  der  Gegend  von  Hainfeld.  Hernais  bei  Wien  gehörte 
einem  andren  Jörger.  Die  Jörger  hatten  schon  von  der  Mitte  des 
Jahrhunderts  bis  1580  überall  auf  ihren  Herrschaften  evangelische 
Gemeinden  gegründet  und  Prediger   aus  Deutschland  berufen.     Die 


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ihnen  unterstellten  Prediger  waren  meist  Flacianer  *)  und  nur  mühsam 
zu  bewegen,  sich  an  dem  Streit  nicht  weiter  zu  betheiligen.  Auf 
den  Starhemberg'schen  Herrschaften  hielten  sich  sogar  nur  Fia- 
cianer  auf*). 

Bleiben  wir  aber  bei  Hohenberg  stehen.  Nie  hat  Hohenberg 
und  alle  jene  Gegenden  unseres  Kronlandes,  wo  einst  das  Evan- 
gelium gepredigt  ward,  solche  Blüthe  wieder  erlangt.  Nie  wieder 
hat  eine  ähnliche  Ordnung  und  Zucht  hier  geherrscht.  Man  Icann 
dies  schon  ganz  äusserlich  aus  dem  Umstände  ersehen,  dass  das 
genannte  Buch  der  Protokolle  (angefangen  1620)  in  den  ersten 
Jahren  nach  1620  noch  säuberlich  gehalten  erscheint.  Auch  zeigen 
diese  Protokolle  zu  Anfang  bei  aller  Langathmigkeit  Gesetzes- 
kenntniss,  ein  frisches  Urtheil,  und  sind  in  erträglichem  Deutsch,  das 
sich  an  der  Bibel  Luther's  gebildet,  abgefasst.  Hernach  aber,  da  der 
Geist  der  Reformation  verschwindet,  stellt  sich  immer  grössere  Un- 
ordmmg  ein  und  zuletzt  werden  die  gerichtlichen  Entscheidungen 
hin  und  her  eingeschrieben,  wo  immer  nur  ein  leerer  Raum  sich 
darbot.  Die  Schrift  wird  immer  unordentlicher  und  mit  blasser  Tinte 
geschrieben.  Die  Contrareformation  räumte  auch  mit  der  Ordnung 
in  solchen  Dingen  auf  —  mit  dem  Geist  entfloh  auch  die  Form  — 
und  die  Protokolle  hören  endlich  ganz  auf. 

Wir  erfahren  also  aus  dem  zuerst  genannten  Protokoll  über 
Verkäufe,  die  in  Hohenberg  stattgefunden,  aus  dem  Jahre  1588  Fol- 
gendes: »Am  10.  August  88  ist  vor  dem  Marktrichter  zu  Hohen- 
bei^  und  im  Beisein  der  Herren  Rathsgeschworenen  beschlossen 
worden,  also  und  dergestalt:  Erstlich  gibt  Stephan  Bart  seine  Be- 
hausung mit  Rain  und  Stain  und  allem  jus  und  gerechtigkeit  dem 
Ehrwürdigen  und  wohlgelehrten  Herrn  Johann  Schwertforb,  dieser 
Zeit  Pfarrherr  und  Seelsorger  daselbst,  um  eine  Summe  Gelt,  40  fl., 
der  fl.  per  15  Batzen  oder  60  Kraitzer.* 

Hier  haben  wir  wohl  das  ungefähre  Datum  der  Emfiihrung 
eines  ständigen  evangelischen  Pfarrers  im  Markte  Hohenberg.  Um 
das  Jahr  1580  nämlich  finden  wir  bei  Raup  ach,  Mittheilungen, 
Fortsetzung  II,  noch  keine  Erwähnung  von  Hohenberg.  Aber  dass 
dieser  erstgenannte  Pfarrherr  evangelisch  war  um  1588,  ist  auf  einer 


>)  Vgl.  Raup  ach,  II,  S.  267  f.  Ueber  die  Visitation  des  Jahres  1580  in  diesen 
Gegenden  vgl.  S.  273. 

»)  Vgl.  Raupach  S.  274. 


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4» 

Jörger'schen  Besitzuog  selbstverständlich.  Der  Name  Schwertforb 
fehlt  in  der  freilich  unvollständigen  Liste  Raupach's  (im  IV.  Bande) 
überhaupt.  Es  sei  aber  von  vornherein  hingewiesen  auf  die  respect- 
voUen  Titel,  die  dem  »Pfarrherrn*  vorgesetzt  werden»  während  in 
späteren  Protokollen  (zur  Zeit  der  begiooenden  Qmtrareformation) 
mit  dem  Sinken  der  Achtung  vor  dem  geistlichen  Stande  selbst  die 
Titulaturen  abhanden  gekommen  sind.  —  Im  Jahre  isS8  war  schon 
längere  Zeit  das  Evangelium  frei  vierkündigt  worden.  Nachdem  die 
Protestanten  unter  Maxiimlian  II.  1568  und  1571  bedeutendere 
Freiheiten  nach  anfanglicher  Unterdrückimg  errungen  hatten,  war 
man  an  die  Ordnung  des  Kirchenwesens  nach  deutschem  Muster 
geschritten.  Man  hatte  schon  1580  Hörn,  das  Besitzthum  der  prote* 
stantiscfaen  Pucheim  ^)  (einer  der  hervorragendsten  protestantischen 
Adelsfamilien),  als  den  künftigen  Sitz  des  österreichischen  Super- 
intendenten in 's  Auge  gefasst.  In  diesem  Jahre  (1580)  war  eine 
Kir^dienvisitation  unter  Backmetster  aus  Rostock  abgehalten  worden. 
In  demselben  Jahre  wurden  schon  1 56  protestantische  Edelleute  und 
321  protestantische  Ortschaften  in  Niederösterreich  gezählt;  —  es 
waren  nur  30  Familien  vom  Herrenstaqde  und  32  vom  Ritterstande 
noch  beim  römisch-katholischen  Glauben  verblieben.  Und  der  prote- 
stantische Adel  erschien,  wie  Adam  Wolf*)  sagt,  als  der  mäch- 
tigste Factor  im  öffentlichen  Leben,  in  der  Cultur  und  Politik.  Sie 
hatten  auf  ihren  weiten  Besitzungen  ein  grosses  Mass  des  Self- 
govcmment,  —  sie  hatten  die  Justiz  und  die  Verwaltung,  das  Kriegs- 
recht, beinahe  die  ganze  Executive  in  ihrer  Gewalt. 

Vor  uns  liegt  ferner  ein  Manuscript,  welches  die  Vorschrift  für 
die  Richter  des  Marktes  Hohenberg  enthält  (s.  t.  ,  Handel  und 
Wandel,  so  auch  in  Pandätting")  zu  melden*).  Zu  gewissen  Zeiten 
wurde  Gericht  ^Pandätting)  abgehalten  und  hier  wurden  Strafen  nach 
ganz  bestimmtem  Ausmass  den  Schuldigen  zuerkannt.  Da  heisst 
es  u.  A. :  ,Wer  Fisch  fangt  in  des  H^rn  Fischwasser,  wird  bestraft 
mit  6  «  —  Wer  mit  der  blossen  Hand,  steht  in  des  Herrn  Straf* 
(also  nach  Belieben). 


1)  Sie  haben  1535  den  ersten  protestantischen  Pfarrer  in  NiederösterreicH,  Steph. 
Lohäiu,  hier  eingesetzt.     1618  lebten  nur  2  Katholiken  im  Orte. 
>)  Bilder  ans  Oesterreich,  I,  S.  239. 
*)  Das  Wort  ist  nicht  bei  SchmeHer  tu  finden. 
Jahrbuch  des  Hrotetuntümu«  1887.  H.  1.  4 


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50 

Aber  noch  weit  interessanter  sind  die  in  dem  oben  erwähnten 
Protokoll  (vom  Jahre  1620  an)  verzeichneten  Rechtshändel  und  deren 
Schlichtimg  vor  dem  Marktrichter  und  den  Herren  Rathsgeschworenen. 
Die  Entscheidungen,  so  weit  sich  solches  nach  266  Jahren  noch  beur- 
theilen  lässt,  athmen  strenge  Gerechtigkeitsliebe.  Der  Streit  dreht 
sich  gewöhnlich  um  Verbalinjurien  (,Schölm*  u.  dgl.)  oder  um  An- 
drohung von  Schlägen  (»Maultaschen^);  ein  andres  Mal  droht  ein 
Mann  der  Nachbarin  an,  er  werde  ihrem  Manne  den  Bart  raufen. 
Alle  diese  Fälle  werden  mit  Bussen  bis  zu  einem,  ja  mehreren 
Dukaten  belegt.  Es  finden  sich  Verordnungen,  dass  von  den  Ein- 
wohnern dem  Gaishalter  (Hüter)  die  Gais  gegeben  werden  müsse. 
Hinsichtlich  des  Holzsammeins  im  Walde,  der  Fleischbeschau,  des 
Waiderechts  herrschen  strenge  Regeln,  auch  darüber,  dass  die 
Rauchfange  alle  4  Wochen  gekehrt  werden  sollen  und  der  Nacht- 
wächter alle  Quartale  sein  Geld  erhalte*).  Diejenigen,  welche  in 
diesen  Dingen  Ordnung  schafften  und  erhielten,  heissen  im  Protokoll 
Richter,  Rathsgeschworene  und  Bürgerschaft.  Der  Richter  war  von 
den  Besitzern  der  Herrschaft  eingesetzt,  aber  die  Bürgerschaft  genoss 
daneben  einer  erfreulichen  Autonomie. 

Wozu  wir  dies  Alles  citiren?  Weil  es  zeigt,  welche  Zustände 
unter  der  Aegide  dieses  protestantischen  Adels  in  Oesterreich  ein- 
gebürgert waren,  und  zwar  nicht  auf  dem  Papier,  sondern  also,  dass 
streng  auf  die  Beobachtung  der  gegebenen  Vorschriften  gehalten 
wurde.  Es  gibt  wohl  keinen  deutlicheren  Beweis  für  die  wohlthätige 
Macht  des  Evangeliums  —  als  solche  Protokolle.  Aber  diese  ganze 
Blüthe,  die  das  Evangelium  hervorgetrieben,  sank  bald  dahin,  als 
der  Reif  der  Contrareformation  sich  auf  das  arme  Land  senkte.  Das 
Culturbild  des  so  segensreich  sich  ankündigenden  protestantischen 
Zeitalters  Oesterreichs  ist  alsbald  verblasst  und  seine  Züge  erkennen 
wir  nirgend   mehr! 

Doch  suchen  wir  nun  weiter  in  den  Marktprotokollen  nach  den 
Anzeichen  der  evangelischen  Periode.  Im  Volk  wird  sie  noch  heute 
gern  auf  100  Jahre  taxirt;  die  Erinnerung,  dass  ganz  Hohenberg 
einst  protestantisch  war,  ist  noch  nicht  völlig  erloschen,  denn  annoch 
stehen  alte  Häuser  an  der  Hauptstrasse  und  tragen  ihre  alten  Schilder. 

*')  Jeder,  welcher  ein  Stamm  Holz  hacken  will,  soll  sich  am  Ersten  beim  Förster 
anmelden,  unter  Strafe  von  6  Schillinge  2  Pfennige,  —  Wegen  des  Baues  einer 
Latrine,  die  dem  Vieh  des  Nachbarn  schädlich  i&t,  findet  eine  Entscheidung  statt. 


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51 

Sie  dauerte  aber  in  Hohenberg  besten  Falles  von  1580 — 1627,  also 
kaum  $0  Jahre.  In  dieser  Zeit  war  man  aber  in  diesen  Gegenden 
»fest  protestantisch*,  wit  ein  Gewährsmann  mir  solches  versicherte. 
Die  Katholischen  waren  auf  100  zusammengeschmolzen  und  hielten 
in  Fahrafeld  C/*  Stunden  von  Hohenberg)  in  einem  unscheinbaren 
Hause  ihren  Gottesdienst  ab ;  das  Kloster  Lilienfeld  ')  bot  hilfreiche 
Hand.  Begraben  wurde  in  St.  Veit,  3  Stunden  landeinwärts.  Die 
Kirche,  genannt  »Jakobuskirche*,  hat  erst  vor  100  Jahren  einen 
Thurm  erhalten;  es  war  in  der  protestantischen  Zeit  auf  solchen 
nicht  gerechnet,  und  man  richtete  ihn  nunmehr  (1790)  dort  auf,  wo 
es  eben  anging,  und  zwar  nach  Osten.  Der  Altar  ist  vom  Jahre  1691 
und  steht,  gegen  die  Gewohnheit,  an  der  Stelle  des  protestantischen 
Altars  —  nach  Westen.  Vor  dem  Altargehege  befindet  sich  ein 
Grabstein  folgenden  Inhalts: 

A**  Domini  1521 

Hochgeborne  Herrn  Rudolf 

Herrn  von  Huhenfeld,  dem 

Gott  gnädig  und  barmherzig. 

Es  ist,  wie  durch  Autopsie  vor  zwei  Jahren  festgestellt  wurde, 
ein  Pfarrer  aus  der  berühmten  Familie  der  Hohenfeld  darunter 
begraben,  welches  Geschlecht  später  auch  zu  den  Evangelischen 
zählte  und  von  denen  Einer,  Hans  Ludwig,  ausgewandert  ist.  Viel- 
leicht gehörte  auch  der  hier  begrabene  Hohenfeld  zu  jener  Schaar 
von  Humanisten,  welche  die  Reformation  in  ihrer  Weise  vorbereiten 
halfen. 

Die  über  dem  Orte  hervorragende  Burg  scheint  durch  den  Zahn 
der  Zeit  aJlmälig  zerstört  worden  zu  sein.  Wenigstens  eine  Bela- 
gerung durch  die  Türken  hat  sie  wohl  nicht  erfahren.  Dieselben 
sollen  im  2  Stunden  entfernten  Freiland  durch  die  bewaffnete  Bauern- 
schaft abgehalten  worden  sein,  und  seitdem  habe  dieser  Ort  eben 
den  Namen  Freies  Land  (Freiland)  und  Befreiung  von  Zoll  und  Ab- 
gaben bekommen. 

Unter  dem  24.  August  1620  wird  im  Protokoll  als  Pfarrer  in 
Hohenberg  der  , Ehrwürdige  Raimundt  Piterschraut,  Pfarrer  allhier*, 
genannt.  Derselbe  supplicirt  bei  dem  erwähnten  Marktgericht  wegen 

1}  Von  Leopold  VI.,  dem  Glorreichen,  um  1200  in  einem  Tbale  der  Traisen 
gestiftet.  Eine  hier  geweihte  Fahne  begleitete  Leopold  auf  dem  Kreuuuge  1207. 


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68 

Erlass  d6s  jährlichen  Waidzinses.  Er  wird  ihm  zugtetanden  unter 
demselben  Datum.  Damals  fand  eiti  für  die  Chärakterisinmg  jener 
Zeit  höchst  wichtiger  Fall  kirchlicher  Zucht  statt.  Eine  Frauensperson 
hatte  sich  mit  einem  Schreiber  vergangen,  und  nachdem  solches 
zufolge  amtlichen  Auftrages  durch  zwei  erfahrene  Frauen  untersucht 
worden,  kam  die  Sache  vor  das  Marktgericht.  AUhier  wird  nun, 
unter  näherer  Darlegung  des  Vergehens,  Folgendes  zu  R^ht  beste- 
hend ei'kannt:  »Weilen  bemeldte  Kunigunde  mit  gedachtem  Schreiber 
in  Folge  getriebener  Unzucht  ein  Kind  erzeugt,  ist  sie  am  Tage 
Fhilippi  und  Jacobi  ^)  unter  Kirchzeit  in  der  Precht  gestanden,  den 
folgenden  Sonntag  drauf  vor  der  Kirchzeit  auch ;  in  Verrichtung  der 
Predigt  aber  bei  dem  Altar  gekniet,  hernach  durch  Herrn  Pfarrer 
absolviret  und  letzlich  auf  Jahi-  und  Tag  aus  der  Landschaft  geschafft 
worden* 

(dato  i8.  Febr.  a.   i62i)*). 

Wir  staunen  ob  solcher  Kirchenzucht  und  bewundern  dieselbe, 
zumal  wenn  wir  auf  die  Gegenwart  blicken. 

Aber  schon  während  hier  die  evangelische  Kirchenzucht  in  dem 
einsamen  Thale  geübt  wurde  und  vielleicht  Mancher  in  seinem 
Herzen  murrte  über  die  dem  Fleische  widerwärtige  Strenge,  tl\ürmte 
sich  das  Gewitter  zusammen,  das  in  etwa  6  Jahren  auch  über  Hohen- 
berg  sich  entladen  und  die  dem  trägen  Fleisch  abholden  Prädicanten 
zu  einem  Male  verjagen  sollte. 

Grosse  Dinge  hatten  sich  vollzogen.  Die  von  Ferdinand  gefor- 
derte Erbhuldigung  war  zwar  von  einem  grossen  Theil  des  nieder- 
österreichischen Adels  (des  Herren-  und  Ritterstandes)  geschehen, 
aber  Viele  hatten  sich  nicht  gebeugt,  weil  sie  keine  Sicherstellung 
des  evangelischen  Glaubens  vom  Kaiser  erlangen  konnten.  Unter 
ihnen  war  auch  der  Besitzer  von  Hohenberg,  Helmhard  Jörger,  nebst 
andern  30  protestantischen  Landherren  des  Kronlandes,  welche  nun 
für  Feinde  des  Vaterlandes  und  ihres  Fürsten  erklärt  wurden.  Helm- 
hard Jörger  wurde  gefangen  genommen,  aber  dann  auf  Bitten  seiner 
Gattin,    einer  Khevenhüller,    begnadigt.     Seine  Güter   wurden  162 1 


')  Jacobus  hiess  der  Patron  der  Kirche;  man  scheint  also  kein  Gewicht  au 
solche  Dinge  mehr  gelegt  tu.  haben,  sonst  würde  am  Tage  des  PütröDs  kein  seIcKer 
Act  stattgefunden  haben 

')  Obiges  ist  ein  Auszug  aus  dem  Protokoll:  ^^Bey  dem  Markt^Gericht  Hoben - 
berg,  Angefangen  1620  Jar^.  (Nicht  paginirt.) 


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68 

vom  Fiscus  eingezogen.  Nach  seinem  bald  erfolgten  Tode  suppli- 
cirte  noch  seine  Gattin  um  die  eingez<^enen  Güter,  aber  vergeblich  ^). 
Das  Amt  des  obersten  Erbland^Hofmeisters  erhielt  Graf  von  Meggau '). 
Vom  Fiscus  kaufte  die  Herrschaft  und  Veste  Hohenberg  1625  der 
aus  Hlustrem  spanischen  Geschlecht  stammende,  natürlich  katholische 
Johann  Balthasar  I.,  Freiherr  (nachmals  Graf)  von  Hoyos*).  Pie 
andren  Besitzungen  des  Hehnhard  Jöi^er  cedirte  B.  von  Hoyos  dem 
Kloster  LiHenfeld,  mit  der  ausdrücklichen  Clausel:  bei  den  Unter- 
thanen  den  katholischen  Glauben  wieder  einzuführen^). 

In  der  Zeit  nun  zwischen  1621 — 1625  werden  die  Hohenberger 
Evangelischen  noch  eine  verhältnismässig  ruhige  Zeit  gehabt  haben. 
Obschon  der  Zorn  des  Landesftirsten  die  renitenten  Edelleute  aufs 
Höchste  traf,  so  dachte  man  doch  selbst  auf  ihren  Besitzungen  nicht 
an  ehke  sofortige  Ausrottung  des  Protestantismus,  —  einfach  weil 
es  ein  Ding  der  Unmöglichkeit  war.  Schnell  genug  aber  hat  sich 
in  Hohenberg  der.  Wechsel  vollzogen  und  ist  jedenfalls  1625  mit 
den  Hoyos  der  römisch'^katholische  Gottesdienst  wieder  daselbst  ein- 
gezogen. 

tn  der  That  haben  wir  in  den  mehrgedachten  Protokollen 
d.  d.  22.  April  1628  die  erste  deutliche  Spur  von  der  Einfuhrung 
jenes  Gottesdienstes.  »Es  klagt  Herr  Daniel  L.  Singer,  der  Zeit 
Pfarrer  allhier,  den  Ludwig  Porkh,  dass  er  vor  dem  Amt  der 
R.  Mess  in  seinem  Hause  Wein  ausgegeben  hat*,  wobei  Unordnung 
stattgefunden  hat.  Dafür  ist  er  bei  Gericht  gestraft  worden  mit 
2  Reichsthaler. 

Also  im  Jahre  1628  ist  der  römisch-katholische  Pfarrer  schon 
Mannes  genug,  um  inmitten  einer  doch  wohl  noch  immer  erregten 
Gemeinde  zu  klagen.  Demgemäss  wird  er  schon  etliche  Jahre  festen 
Fttss  gefasst  haben.  Von  der  Erregung  in  den  Gemüthem  findet 
sich  aber  nur  eine  unzweideutige  Spur  in  unseren  Protokollen,  und 
zwar  die  folgende,  der  Schrift  wegen  schwer  zu  entziffernde:  ^Den 
7.  Juni  dieses  653  Jahres  [1633]  ist  eine  gantze  Nachbarschaft  ein 
hdKg*)   Aufeinander   gewesen   von   wegen    unsres   Herrn   P&rrers 

<)  Vgl  die  Artikel  .Jörger^  bei  Wissgrill  und  Hanthaler,  Recensns  II, 
S.  48  (Taf.  2). 

*)  S.  Wurmbrand^s  CoUectanea,  S.  276. 
*)  Höyös  in  unserem  Protokoll  geschrieben. 
*)  S.  Hanthaler,  Recensus  11,  S.  49. 
f)  :s  hitziges. 


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64 

Gregor  Gcorginus  Stillomehus ;  von  wegen  eines  Scheines,  der  ihm 

gegeben  ist  worden   von ^)  von  wegen   seines  Verhaltens 

halber.  So  sind  aber  die  alten  Handel*)  hervprgenommen  worden, 
die  doch  schon  verglichen  sind  worden,  und  weiss  jetzunder  eine  ganze 
Nachbarschaft ......  nichts  als  Liebes  und  Gutes  und  ist  also  ein 

•)  an  Eidesstatt  gefragt  wordep.*   »Ges<;hehen  vor  deip  Richter 

ailhier^;  folgen  die  Namen  der  Rath&geschwocepen. 

Aus  diesem  Actenstück  sehen  wir,  dass  man  dem  auf  jenen 
Singer  gefolgten  zweiten. römisch-katholischen  Geistlichen  etwas  am 
Zeuge  flicken  wollte  und  sein  Sittenzeugniss,  das  er  mitgebracht, 
beanständete.  Dabei  ist  denn  das  unter  der  Asche  fortglühende 
Feuer  wieder  in  helle  Flammen  ausgeschlagen.  Aber  man  dämpfte 
es  schnell;  Zeugen  fanden  sich  nicht  und  die  Nachbarschaft  redete 
nur  allzu  willig  den  Herren  nach  dem  Munde.  Er  blieb  also !  — 
Dieser  Fall  ist  mm  aber  sehr  bezeichnend  für  die  ganze  Haltung 
der  Bevölkerung  in  Hohenberg  zunächst,  und  gibt  uns  zugleich  einen 
Fingerzeig  fiir  die  Lösung  des  historischen  Problems:  weshalb  die 
Contrareformation  in  Niederösterreich  an  den  meisten  Orten  leich- 
teres Spiel  hatte,  als  anderswo.  Wir  registriren  hier  aus  den  Proto- 
kollen der  folgenden  Jahre,  dass  kein  Fall  vorgekpmmet^  dass  sich 
die  Streitenden  wegen  der  Religion  beschimpft  hätten,,  was  doch  den 
Parteigängern  der  neuen  Ordnung  g^enüber  recht  nahe  gelegen 
haben  würde.  Es  bleibt  immer  bei  den  alten  Händeln  über  Mein 
und  Dein  oder  wegen  ganz  gewöhnlicher  Ehrenbeleidigungen.  Ein 
einziges  Mal  kommen  in  einer  Beschimpfung,  die  bei  dem  Gericht 
anhängig  gemacht  wurde,  die  Worte  vor:  Es  sei  wohl  ein  Frömmerer 
als  er^)  aus  der  Herrschaft  gelassen  worden.  Daraus  sehen  wir,  dass 
man  auch  im  Landvolk  mit  der.  Landesverweisung  nicht  zurückhielt. 
Sonst  aber  herrscht  tiefes  Stillschweigen.  .  Was  für  weitgehende 
Schlüsse  sich  daraus  ziehen  lassen,  li^  auf  der  Hand.  Der  Adel 
Oesterreichs  war  es  also ,  der  die  Unterthanen,  die  ja  meist  im 
Hörigkeitsverhältniss  zu  ihm  standen,  mit  sich  fortgerissen  hatte. 
Die  Bevölkerung  selbst  war  wohl  willig  gefolgt,  aber  daran  gewöhnt, 
üb<2r  sich  verfugen  zu  lassen,  Hess  sie  nun,  wenn  auch  unwillig  und 


^)  Unleserlich;  rielleicht  die  alte  Gemeinde,  an  der  er  vordem  gestanden. 
')  Dies  spielt  deutlich  auf  die  Religionsänderung  1625  an. 
<)  Vielleicht:  Handschlag. 
*)  Der  Beschimpfte. 


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55 

im  Herzen  noch  lange  grollend,  das  Joch  der  Contrareformation  über 
sich  ergehen.  Und  überdies  bedenke  man  wohl^  dass  eine  durch 
Jahrhunderte  lange  Herrschaft  *)  des  alten  Glaubens  niedergehaltene 
Bevölkerung,  die  zudem  wohl  meist  unterhalb .  der  Bürgen  aus  den 
Hörigen  der  adeligen  Herren  sich  recrutirte,  nicht  in  40—50  Jahren 
verbessert  werden  kann.  Wir  befinden  uns  nicht  in  Schottland  oder 
den  Niederlanden,  auch  nicht  in  einem  Lande,  wo  der  freie  Bürger- 
stand ein  grosses  Wort  mitzureden  hatte,  sondern  auf  dem  ^Bpden 
der  Ostmark. 

Längere  Zeit  aber  blieb  die  Kirchengemeinde  in  kläglichen  Ver- 
hältnissen, und  erst  dem  zweiten  katholischen  Besitzer  aus  dem 
Hause  der  Hoyos  war  es  vorbehalten,  einen  Stiftsbrief  der  Kirche 
zu  ertheilen  und  damit  das  römisch-katholische  Pfarramt  in  Hohen- 
berg  bis  *  auf  den  heutigen'  Tag  zu  befestigen.  Die  Dotation  ist  von 
Interesse.  Sie  besteht  in  einer  gegenwärtig  noch  giltigen  Deputat* 
Urkunde  zur  Unterhaltung  der  Jacobusldrche,  d.  d.  10.  November  l645> 
vom  Besitzer  Hohenberg's,  dem  Inzwischen  in  den  Reichsgrafenstand 
erhobenen  Herrti  von  Hoyos,  unterzeichnet.  'Der  Graf  zahlt  nach 
derselben  dem  Pferrer  an  baarem  Gelde  116  *fl.  und  bestimmt  ihm 
ausserdem  Land,  Wiesen  und  2  Kühe.'  Der  damalige  Pfarrer  hiess 
Schimann,  also  schon  der  dritte  seit  1628. 

Aus  der  protestantischen  Zeit  fehlen  alle  amtlichen  Ausweise: 
die  Matriken  werden  verschleppt  öder  vernichtet  worden  sein;  die 
series  parochorum  evang.  ist  nicht  mehr  herzustellen.  Ueber  die 
Schicksale  der  Vertriebenen  herrscht  ein  tiefes  Stillschweigen ;  kurz, 
das  kirchliche  Bild  des  protestantischen  Zeitalters  ist  wie  mit  einem 
Schwämme  weggewischt. 

Die  neuen  Besitzer  spanischer  Herkunft  unternahmen  es,  das 
Volk  , katholisch  zu  machen*.  Dann  kam  ihnen  die  Türkennoth  auf 
den  Hals  und  haben  sich  die  Bauern  bei  Freiland*)  tüchtig  ihrer 
Haut  gewehrt,  so  dass  das  Thal,  in  dem  Hohenberg  liegt,  und  der 

1)  Zum  Theii  auch  Klosterherrschaft.  Lilienfeld  hatte  Besitzthümer  in  dieser 
Gegend. 

<)  Die  Sage  geht:  es  habe  der  türkische  Heerführer  einen  andren  Weg,  längs 
der  Traisen,  nach  dem  Kloster  Mariazeil  eingeschlagen  und  dabei  sich  verschworen, 
er  werde  um  12  Uhr  dort  eintrefifen.  Da  hätten  aber  die  Glocken  um  11  Uhr  bereits 
12  geschlagen  und  soll  er  beschämt  zurückgezogen  sein.  Seitdem  werde  in  diesen 
Gegenden  um  ii  Uhr  und  um  12  Uhr  geläutet,   was  wirklich  der  Fall  ist. 


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56 

Schmuck  Hohetiberg's,  die  alten,  festgebauten  Häuser,  uoter  ifaneo 
das  Herrenhaus,  unversehrt  blieb.  Man  erzählt  im  Volk,  dass  der 
Graf  Hoyos  sich  damals  geweigert  habe,  seine  MannBchaft  den 
Bauern  zur  Hilfe  zu  schicken,  und  dadurdi  bei  seinem  Laadesfiirsten 
stark  Verstössen,  we^alb  er  seitdem  die  Vcate  Hobenberg  gemieden 
und  dieselbe,  seitdem  vemadiiäsaigt,  aUmäfaUg  ein  Trünvnerbaufe 
wurde. 

So  war  denn  das  Feuer,  welches  das  EvangeUum  entzündi^, 
gelöscht ;  die  Bürger  gehorchten,  das  Landvolk  folgte  dem  Adel ; 
dieser  sdbst  kehrte  allmälig  zum  alten  Glauben  zunick.  Ein  Bild 
solches  Adeligen  jener  Zeit  hat  uns  der  Grazer  Professor  Adaoi 
Wolf  in  seinen  »Bildern  aus  Oesterreich*,  Theil  I,  gezeichnet.  E» 
ist  Hans  Ludwig  von  Kufetein.  Es  heisst  hjer  auf  S.  398  u.  A. : 
»Das  Bürgerthum  verlor  seine  Freiheit  als  vierter  Stand.  Der  Kaiser 
forderte  unbedingte  Unterwerfung.  »Werdet  ihr  euch  als  getreue 
Unterthanen,  so  werde  ich  mich  als  euer  Vater  erwei8en\  sagte  der 
Kaiser  den  EdeUeuten.  Es  war  dies  ein  neu«B  Staatsrecht. 
Alle  Zugeständnisse  Ferdinafid's  II.  von  1619  und  1620  waren  zer- 
rissen, von  den  zwei  Gewalten^  der  ständischen  und  fürstlichen, 
weldie  bisher  das  öffendiche  Leben  bewegt  hatten«  war  die  eine 
gestürzt,  mit  der  ständischen  Entwicklung,  mit  der  organischen  Frei- 
heit, wie  in  England  oder  in  den  Niederlanden«  war  es  in  Qester- 
reich  für  immer  vorbeL  Die  Regierung  betrat  den  Boden  der  Allein- 
herrschaf): in  Staat  und  Kirche.* 


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Das  „Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  O esterreich*',  welches  unter  der  Redaction  des  Präsidenten 
(Dr.  Karl  Ritter  von  Otto),  der  beiden  Vicepräsidenten (Dr. >4//A.  IVitxViudX^v,  Theodor 
Haase)  und  des  Secretärs  der  Gesellschaft  (Lic.  Dx.  Gustav  Trautenberger)  in  viertel- 
jährigen Heften  erscheint,  behandelt  in  längeren  Original-Artikeln,  in  Referaten,  in 
>Aittheiliing  von  Urkunden,  in  Besprechungen  und  Notizen  Alles,  was  sich  auf  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  bezieht. 

Dasselbe  ist  von  den  Evangelischen  überall  mit  ungetheilter  Freude  begrüsst 
und  von  der  Kritik  auf  das  Wohlwollendste  aufgenommen  worden. 

Hier  einige  Worte  aus  Recensionen: 
„Mit  dem  ersten  Doppelhefte    wird    ein   Unternehmen   eröffnet,    welches   die   leb- 
hafteste  Zustimmung   verdient Nach   dieser   Reichhaltigkeit   des  Inhalts    darf 

man  der  jungen  Zeitschrift  zu  dem  würdigen  und  verheissungs vollen  Anfang  theilneh- 
mend  Glück  wünschen  und  einen  entsprechenden  Fortgang  unt^r  Gottes  Segen  getrost 
in  Aussicht  stellen.** 

„Auf  das  erste  Doppelheft  ist  alsbald  das  zweite  gefolgt  ....  Möge  das 
Jahrbuch  seinen  Weg  in  der  bisherigen  Weise  fortsetzen  und  die  Leser  in  und 
ausser  Oesterreich  ferner  durch  so  lehrreiche,  gehaltvolle  Publicationen  erfreuen.** 

„Wie  der  zweite  Band  entspricht  auch  der  dritte  durch  die  Reichhaltigkeit  und 
Verschiedenheit  des  Inhalts  den  gehegten  Erwartungen." 

Theologisches  Literaturblatt  (Leipzig)  1881.  Nr,  ao  u.  j^.    188^,  Nr.  JS- 

„.  .  .  Zugleich  hat  die  Gesellschaft  in  zwei  Doppelheften  den  ersten  Jahrgang 
ihres  Jahrbuches  herausgegeben^  welches  eine  Fülle  interessanter  Nachrichten  über 
die  wechselvollen  Schicksale  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  enthält.  Wir 
wünschen  unsem  österreichischen  Brüdern  Glück  zu  diesem  schönen  Anfang  und 
hoffen,  dass  die  neue  Gesellschaft  auch  im  Deutschen  Reiche  Mitglieder  und  thätige 
Freunde  gewinnen  werde.  Wirkliche  Mitglieder  sind  jene,  welche  historische 
Arbeiten  liefern  und  einen  Beitrag  von  3  fl.  jährlich  leisten,  unterstützende  Mit- 
glieder solche,  welche  wenigstens  5  fl.  jährlich,  oder  als  Gründer  einen  einmaligen 
Beitrag  von  wenigstens  50  fl.  zahlen.** 

Neue  Evangelische  /O'rchenzeitung  (Berlin)  1881.  Nr.  82. 

„.  .  .  Als  erfreuliche  Frucht  der  Vereinsthätigkeit  liegen  die  beiden  ersten  Doppel- 
hefte des  Jahrbuches    der  Gesellschaft    vor,    welche    eine  Reihe    zvun  Theil   höchst 

interessanter  Veröffentlichungen    enthalten Wir  wünschen  dem  so  glücklich 

begonnenen  Unternehmen,  dem  unsere  volle  Sympathie  gesichert  ist,  kräftigen  Fortgang. 
Möge  dasselbe  an  seinem  Theile  zur  Stärkung  des  evangelischen  Bewusstseins  unter 
den  Protestanten  Oesterreichs  das  Seinige  beitragen!** 

(Prof.  Dr.  Lipsius)   Theologische  Literatuiteitung  (Leipzig)  t88l,  Nr.  jy. 

Das  Jahrbuch  „für  unsere  evang.  Brüder  in  Oesterreich  gewiss  von  grösstem 
Werth  und  Interesse,  aber  auch  für  weitere  Kreise  sehr  zu  empfehlen**  u.  s.  w. 

Theologischer  Literatur- Bericht  (Güteisloh)  j88s.  Nr.  8. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger Rcdaction 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir  .  .  .  nur  wieder- 
holen. Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evan- 
gelische Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  Österreichischen  Prote- 
stantismus wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per- 
*;önliches   und  Allgemeines"   u.  s.  w. 

Neue  Evangelische  Kirchenteitung  (l^erlin)    i88j.  Nr,  40, 

„Es  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treffliches 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoll  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen^    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Horawitz)  Deutsche  Zeitung,  Wien  i88j.  Nr.  410s. 

„.  .  .  Wir  verfehlen  nicht,  die  Freunde  reformations-historischer  Forschung  auf 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen.*^ 

(Prof.   Dr.  Zöckler)  Ei^an gelische  Kirchemcihtng  (Greifsw.)   i88j,   Nr.  48. 

„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wissen- 
schaftliche Gesellschaft  unserer  evangelischen  Kirche  aufs  Kräftigste  zu  unterstützen 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern." 

Evangelische  Kirchenseitung  für  Oesterreich  (Bielitz)  1884.  Nr.  l. 

5.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben*  u.  s.  w. 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  am  der  Schweiz  i(L\\x\Q:tC)  1886.  H.  I.  S.  61. 


Zur  Xachricht. 

Se.  Erlaucht  der  Graf  und  Herr  von  Giech  auf  Thumau  bei  Kulmbach  in 
Bayern  hat  das  in  seinem  Besitz  befindliche  Porträt  des  berühmten  österreichischen 
Exulanten  Gallus  Freiherrn  zu  Rägknitz  (f  in  Nürnberg  1658)  dem  Central  vor- 
stände unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von  der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerischer 
Umrahmung.  Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften: 

Geh  nur  davon, 
Sey  fromm  für  mir, 
Gib  Armen  hier, 
Ich  bin  dein  Lohn. 
Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift   mit  Beziehung    auf  i.  Mos.  12: 
Geh  aus  deinem  Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm. 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Atmen  mild. 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron. 
Der  Centralvorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,    welche   im   Archiv   unserer    Gesellschaft   (Wien,    I.   Dorotheergasse   16)   a  i   fi. 
ru  haben  ist. 


Druck  voa  Wilhelm  Kdhlrr.  Wien.  YI.  MollardKamw  41 


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JAHRBUCH 


der 


GesellscMt  für  die  GescMcMe  des  ProtestantisMs 


in  Oesterreich. 


Achter  Jahrgang. 

IL  Heft. 

April  —  Juni  1887. 


-•a*®«- 


Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klinkhardt 
18S7. 


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Inhalt  von. Heft  II. 

w 

Seite 

3  Beiträge  zu  einer  Geschichte   der   Reformation    in    Böhmen.    I.  Das  Dekanat 
Aussig.  (Schlass.)    Von  Dr.  ^.   IVolkan 57 

4  Per  Zug  der  österreichischen  Geistlichen  nach  und  aus  Sachsen.  Von  Pfarrer 
Scheuffler  in  L^walde  (Sachsen).  III.  (Fortsetzung) «^5 


Zur  Beachtung. 

*  Wir  ersuchen  unsere  Mitglieder,  in  ihren  Kreisen  für  die  Verbreitung  der 
Gesellschaft  thätig  zu  sein,  und  stellen  zu  diesem  Behufe  Exemplare  der  Statuten 
in  gewünschter  Anzahl  zur  Verfugung. 

Laut  Beschlusses  des  Centralvorstandes  in  seiner  Sitzung  am  27.  Februar  1884 
erhalten  die  Mitarbeiter  am  „Jahrbuch",  vom  fünften  Jahrgang  (1884)  an,  nach  Erscheinen 
des  betreffenden  Jahrgangs  als  Honorar  pro  Druckbogen  sechzehn  Gulden  ö.  W. 

Den  Mitarbeitern  werden  sechs  Gratis  -  Separatabzüge  ihrer  Arbeiten  nach 
Erscheinen  des  betreffenden  Heftes  von  der  Köhler'schen  Buchdruckerei  franco  zugesendet. 
Eine  grössere  Anzahl  von  Separatabzügen  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Verständigung 
der  Herren  Verfasser  mit  der  genannten  Buchdruckerei  (Wien,  VI.  Mollardgasse  41) 
gegen  Erstattung  der  Druckkosten  gemacht  werden. 

Die  noch  rückständigen  Beiträge  bitten  wir  an  unsern  Cassier,  Heim  Hof- 
und  Gerichts-Advocat  Dr.  Carl  Ritter  von  Sääf  (Wien^  I,  Ballgasse  6),  ehebaldigsc 
einzusenden. 

Für  das  „Jahrbuch**  bestimmte  Arbeiten,  sowie  Zuschriften  an  die  Gesellschaft 
sind  ^An  das  Bureau  der  Gesellschaft,  Wien,  I.  Dorotheergasse  zC  zu  richten. 

Der   Centralvorstand 

der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Protestantismus 
in  Oesterreich. 


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III. 

Beiträge 
zu  einer  Geschichte  der  Reformation  in  Böhmea 

Von  Dr.  R.  WOLKAN. 
I. 

Das  Dekanat  Aussig. 

(Schluss.) 

Doch  alle  Vorkehrungen,  die  man  zu  treffen  suchte,  sollten  ver- 
geblich sein.  Die  Commissäre  erhielten  eine  Instruction,  welche  in 
schärfster  Weise  gegen  die  protestantische  Gemeinde  vorzugehen 
ihnen  auftrug.     Es  heisst  darin  *) : 

i)  »Ihr  fiirstl.  Gnaden  in  Namen  der  röm:  kai:  Mt:  befehlen  den 
Herrn  Commissarien,  dass  sie  beide  Praedicanten  sampt  dem 
Organisten,  Schuldiener  und  angefangenem  exercitio  ganz  und 
gar  aus  und  von  der  Stadt  abschaffen. 

2)  Dieselben  bei  höchster  Ungnad  und  Straf  Niemand  bei  sich 
auf-  und  haushalte. 

3)  Herrn  Dechant  und  die  Katholischen  in  die  Dechantei,  ihre 
Kirchen  und  Spital  wiederumb  einführen. 

4)  Alle  und  jede  reditus,  Zehenten  und  Einkommen,  wie  sie  solche 
zuvor  gehalten,  sowol  das  auf  dem  Platze  erbaute  Haus  ab- 
treten und  zueignen. 

5)  Was  die  sub  utraque  von  der  Geistlichkeit  und  deren  Ein- 
kommen an  andere  Orte  gewendet  und  abalienirt,  sie  dasselbe 
wieder  erstatten  und  erlegen. 

6)  Die  Katholischen  in  Allen  und  Jeden,  wie  die  Namen  haben 
möchten,  und  das  vermöge  der  aufgerichten  senatus  consulta 
gehalten  worden,  volHglich  und  mächtig  restituiren. 


*)  Statthalterei-Arch.  Prag  AI,  40,  copia. 
Jahrbuch  des  Protestantismus  1887.  H.  II. 


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68 

7)  Die  Handwerker,  alles,  was  sie  vermöge  ihrer  Artikelsbrief  von 
alters  hero  bei  der  Kirchen  und  Geistlichkeit  gethan,  dasselbe 
praestiren. 

8)  Ihr  Gnaden  die  Herren  Commissarien  ohne  Verrichtung  der 
Commission  von  dannen  nit  reisen. 

9)  Da  sich  auch  Jemand  widersetzig  machen  und  der  Herrn  Com- 
missarien Instruction  nit  nachkommen  wollte,  ihr  Gnaden 
solches  alsbald  in  die  Kanzlei  nach  Prag  berichten,  und  der 
widerspänstigen  Personen  namhaft  machen  wollen.* 

Abermals  wandten  sich  die  Protestanten  mit  einem  demüthigen 
Schreiben  an  die  Commission,  das  ihre  tiefe  Zerknirschung  zeigt. 
Der  Brief  lautet*): 

^Wir  armen  elenden  und  hochbetrübten  Seelen  und  Herzen 
dieser  ganzen  evangelischen  Gemein  haben  und  tragen  zue  E:  G: 
und  Herrlichkeiten  unser  höchstes  Vertrauen,  dieselben  werden  an- 
statt der  röm:  kai:  auch  zu  Hungam  und  Böheimb  königl:  Mait: 
unsers  allergnädigsten  Kaisers,  Königs  u.  H.  aus  hochangeborner 
christlicher  Müdigkeit,  sich  unser  in  Gnaden  erbarmen  und  unser 
höchst  demütiges  Suppliciren  und  flehentliches  Bitten  in  Gnaden 
stattgeben.    Und  ist  dieses: 

Nachdem  diese  Stadt  und  ganze  evangelische  Gemein,  dem 
Churfiirsten  zu  Sachsen,  anstatt  der  röm:  kais:  Mait:  kraft  aufge- 
tragener Obercommission  sich  ergeben,  Pardon,  gnädigsten  Schutz 
neben  auch  wegen  des  freien  exercitii  rjsligionis  Augsburgischer  Con- 
.fession  gemäss,  wie  ingleichen  von  dem  hoch-  und  wolgebomen 
Herrn  H.  Adam  von  Wallenstein,  Ober-Landhofmeistem  dieses 
Königreichs  gnädigst  und  gnädig  Permission  und  Zuesage  erlangt 
und  bekommen. 

Hierauf  auch  die  evangelische  Gemein  auf  E.  G.  und  Herrlich- 
lichkeiten  Principal  Commission  und  vorgelegten  Befehl  den  Katho- 
lischen die  Kirch  sampt  allen  Zugehörungen  in  Unterthänigkeit  und 
gueten  Willen  abgetreten. 

Und  aber  nunmehr  nicht  allein  die  Kirche,  sondern  auch  hiebevor 
an  erlangten  Bethaus  neben  dem  ganzen  exercitio  religionis  in  Grund 
entzogen  und  gänzlich  benommen,   dann  hierob  nit  wenig  Seufzen, 


*)  A.  a.  O. 


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59 

Weinen  und  Wekklagen  bei   unseren   armen  elenden  Weibern   und 
Kindern  entstanden,  dass  es  Gott  im  Himmel  erbarmen  möchte. 

Wann  wir  denn  zu  E.  G.  u.  H.  unsere  die  ganze  volkreiche 
evangelische  Gemein  unsere  solche  Zuflucht  und  Trost  haben,  als 
gelangt  an  dieselbe  E.  G.  u.  H.  unsere  der  ganzen  volkreichen 
evangelischen  Gemein  beneben  allen  denen  höchst  betrübten  Weibern 
und  Kindlein,  inmassen  bei  E.  G.  u.  H.  auch  unser  lieber  und  ge- 
treuer Seelsorger  gethan,  umb  Gottes  und  Jesu  Christi  willen  höchst 
demüthiges  Bitten  und  Flehen,  E.  G.  imd  H.  geruhen  gnädig  oban- 
gedeuter  gnädigsten  churfiirstl.  zu  Sachsen  auch  gnädiger  S.  G.  Herrn 
von  Wallstein  Permission  und  Zusage  noch  das  freie  exercitium 
religionis,  inmassen  wir  dasselbige  hiebevor  auf  dem  Rathhaus  ge- 
nossen, gnädig  zu  vergünstigen. 

Fürs  andere  bitten  wir  gleichmässig  für  drei  Personen,  so  in 
Arrest  genommen,  dieselben  ihres  Arrests  gnädig  zu  entledigen,  hie- 
gegen  obligirt  und  verspricht  die  ganze  evangelische  Gemein  mit 
Leib  und  Gut  für  dieselben,  als  einer  vor  alle  und  alle  vor  einen 
beständig  zu  stehen  und  Fuess  zu  halten,  damit  also  alles  wider- 
wärtiges künftig  cassirt  und  aufgehoben  werden  möge.  Von  E.  G. 
u.  H.  tröstlicher  Antwort  in  Unterthänigkeit  und  höchster  Demuth 
hofTend.  Actum  Aussig,  den  29.  MartU  stili  Gregoriani  Anno  1620. 
E.  G.  u.  H. 

unterthänige  demüthigste 
Evangelische  Gemein  sambt  Weib  und  Kindern/ 

Die  Antwort  auf  dies  Schreiben  war  folgende  Entscheidung*): 
, Ursachen,    warumb    die   Lutherischen    zu    Aussig    kein    freies 

exercitium  begehren  können  und  ihr  per  vim  introducirtes  exercitium 

abzuschaffen : 

1)  Weil  aislang  die  Stadt  zum  Christenthumb  bekehrt  worden, 
kein  anders  als  das  alte  katholische  religionis  exercitium  (vix 
quatuor,  vel  quinque  acatholicis  existentibus)  allezeit  von  einem 
katholischen  Priester  ist  geübet  worden. 

2)  Weil  sie  ao.  1609,  ehe  der  Majestätsbrief  ist  concedirt  worden, 
einen  ewigen  Religionsfrieden  geschlossen. 

3)  Weil  sie  ihr  exercitium  erst  bei  diesem  rebellischen  Wesen  per 
vim   introduciret  und  nit  einen  Buchstaben  aufzuweisen  haben, 

1)  A.  a.  O. 


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60 

dass  ihnen  entweder  von  uns  oder  von  den  vermeinten  Dircc- 
toren  etwas,  wie  sie  fälschlich  in  ihren  Supplicationen  üirwenden, 
abgetreten  sei.  Weil  aber  Ihr  kais:  Mait:  alles  was  bei  dem 
vorigen  Regiment  ist  erlangt  worden,  annullirt  und  aufgehoben, 
so  muss  ihr  exercitium  necessarie  auch  fallen. 

4)  Weil  die  Lutherischen  den  21.  Martii  unsere  Petition  wider 
sie  bei  Herrn  von  Lichtenstein  eingeben,  zu  sich  genommen, 
dieselbige  berathschlaget  und  nach  Berathschlagung  selbsten 
ihre  ministros  wirklich  nemine  iubente  abgeschaflfet,  quare  ergo 
rursum  susdpiendi  essent?  Auch  eine  Intercession,  Supplication 
an  einen  E.  R.  geben. 

5)  Weil  die  sub  utraque  den  28.  auf  dem  Rathhaus  in  der  öflFentlichen 
Rathstuben  für  den  kais:  Commiss:  alle  Artikel  hören  ablesen, 
alle  angenommen,  ausgenommen,  dass  sie  14  Tag  Frist  fiir 
ihre  ministros  gebeten,  nachmals  wollten  sie  die  Stadt  räumen. 

6)  Weil  sie  das  fiirschützen,  dass  Ihnen  ihr  churfiirstl.  Gn:  das  freie 
exercitium  zugesagt,  denn  solches  nur  zugesagt,  bis  auf  kais: 
Mait:  Confirmation  und  allein  das  exercitium  vermeinet,  welches 
vor  der  Rebellerei  frei  gewesen,  weil  aber  die  zu  Aussig  vor 
der  Rebellerei  solches  selbsten  ohn  einigen  Befehl  angefangen 
und  eingeführt,  weil  auch  ihr  kais:  Mait:  lang  nach  ihrer  Er- 
hebung alles  was  bei  dem  vorigen  Regiment  geschehen,  cassirt 
und  aufgehoben,  sie  auch  allbereits  ihr  kais:  Mait:  geschworen, 
so  haben  sie  kein  Fug  noch  Recht  zu  einem  exercitio.* 

Die  Protestanten  fügten  sich  jetzt  in  Alles.  Die  Kirche  war 
den  Katholiken  abgetreten ;  nun  gelobten  sie  auch  ewige  Treue  und 
steten  Gehorsam.  Nur  die  eine  Bitte  hatten  sie,  man  möge  ihnen 
verzeihen;  sie  hätten  gehandelt,  wie  andere  Städte  dieses  König- 
reiches, denen  es  erlaubt  worden  sei,  ihr  exercitium  religionis  frei 
zu  üben.  Aussig,  als  die  geringste  aller  Städte,  wäre  nur  aus  Ein- 
falt ihnen  nachgefolgt  und  auf  Befehl  der  Herren  Directoren  sei 
ihnen  das  Haus  auf  dem  Ringe  abgetreten  worden.  Sie  gingen  in 
ihrer  Demüthigung  selbst  so  weit,  die  Besitznahme  dieses  Hauses  als 
einen  , hochsträflichen  Excess*  zu  bezeichnen  und  baten  den  neu 
ernannten  katholischen  Primas  und  Rath,  man  möge  doch  ^vor  uns 
an  mehrgedachte  ihr  f.  G:  anbringlich  intercediren  und  bitten,  da- 
mit uns  doch  solcher  begangener  Excess  (weil  wir  es  nicht  vor 
unsere   Person   allein   begangen,   sondern   andern   aus  Einfalt   nach- 


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61 

gehen  müssen)  von  ihr  churf:  Gn:  im  Namen  ihr  kais:  Mait:  gnädigst 
verziehen  und  vergeben  werden  möchte,  daneben  auch  in  Unter- 
thänigkeit  zu  vermelden^  dass  wir  allbereits  solche  Kirche  und  alles 
dasjenige,  was  ihnen  zusteht,  hinwieder  geruhig,  willig  und  gern  ohn 
einzige  Verweigerung  abgetreten  haben*  *). 

Um  so  massloser  aber  geberdeten  jetzt  sich  die  Katholiken. 
Seit  sie  wussten,  dass  sie  von  kaiserlicher  Seite  aus  auf  Unter- 
stützung zu  rechnen  hätten,  kannte  ihre  Anmassung  keine  Grenzen. 
Sie  waren  schon  nicht  mehr  zufrieden,  dass  in  der  Stadt  den  Prote- 
stanten Alles  genommen  war  und  dieselben  keinen  Ort  mehr  hatten, 
wo  sie  in  Ruhe  ihren  Grottesdienst  hätten  feiern  können;  schon 
streckten  sie  ihre  Hand  auch  nach  den  umliegenden  Gütern  aus,  die 
noch  im  Besitze  von  Protestanten  waren,  und  trachteten  auch  diese 
sich  anzueignen.  Um  ihr  Ziel  zu  erreichen,  waren  sie  nicht  wählerisch 
in  ihren  Mittehi.  Verläumdung  war  ihnen  gerade  das  geeignetste, 
ihren  Wünschen  Gehör  zu  verschaffen.  So  schreiben  sie  denn  am 
I.  April  162 1  an  den  Bischof  Carl  von  Meissen  und  Breslau  u.  A. : 
,Wann  ihr  churf.  Gn:  (von  Sachsen)  wollten  wissen,  wie  die  evan- 
gelischen Aussiger  so  spöttisch  von  ihr  churfurst.  Gn:  geredt,  ihm 
einen  Mordbrenner  geheissen,  wie  sie  in  ihr  churf  Gn:  Läger  Kunst- 
schofter  (sie)  geschickt  und  alles  wieder  nach  Prag  berichtet,  wie 
ihr  Capellan  in  öffentlicher  Leichpredig  ihr  kais:  Mait:  einen  Blut- 
hund geheissen,  er  würde  sie  gewiss  keiner  Intercession  würdigen, 
viel  weniger  ihrer  annehmen.  Weil  auch  durchl:  F:  u.  Herr  H:  wir 
armen  Katholischen  bis  dato  grosse  Verfolgung  ausgestanden  und 
die  arme  Gemein  bei  übler  Regierung  des  introducirten  vorigen  Raths, 
auch  noch  bei  Kaiser  Rudolfi  seligster  Gedächtnus  in  grosse  schwere 
Schuld  gerathen,  so  wollen  wir  E.  f.  D:  zum  allerdemüthigsten  ge- 
beten haben,  es  wollen  doch  bei  ihr  kais:  Mait:  für  uns  arme  Katho- 
lische gnädigst  intercediren,  dass  wir  etwan  mit  eines  Rebellen  Dörfel 
einen  oder  zweien  möchten  begnadet  werden.  Wenzel  Steinpach,  der 
in  dieser  Rebellerei  für  das  ganze  Land  geredet,  hat  ein  Dörfel,  nit 
weit  von  Aussig  gelegen,  do  ein  Praedicant  innen.  Wann  wir  solches 
zue  Gnad  bei  ihr:  Mait:  könnten  erlangen,  wollten  wirs  mit  unserem 
Gebet  umb  E.  f.  D:  bei  Gott  dem  allmächtigen  Erbarmer  danken. 
Weil  auch  bei  Menschengedenken  die  Kirche,  zu  St.  Lorenz  genannt. 


1)  Urkunde  vom  21.  Min  1621.  Sutthaltereisrch.  Prag  AI,  40,  cop. 

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62 

als  eine  Filial  nach  Aussig  gehört  und  die  Pfarräcker  mit  einer  Bot- 
mässigkeit  verhaftet,  so  wollen  wir  E.  f.  D:  gleichesfalls  demüthigst 
gebeten  haben,  sie  wolle  es  bei  ihr:  kais:  Mait:  zu  Wege  bringen, 
damit  gemeldte  Filiale  wieder  nach  Aussig  gebracht  und  die  Pfarr- 
äcker der  Botmässigkeit  möchten  erledigt  werden.  Solches  verschulden 
wir  umb  E.  f.  D:  mit  unserem  Gebet  bei  Gott  gleichesfalls.* 

So  ging  es  in  Aussig  mit  der  Sache  des  Protestantismus  immer 
mehr  bergab.  Aber  auch  in  der  Umgebung  sah  es  traurig  aus,  seit 
die  unglückliche  Schlacht  am  Weissen  Berge  aUe  Hoffnungen  der 
protestantischen  Partei  begraben  hatte.  Die  adeligen  Familien  unserer 
Gegenden  waren  ohne  Ausnahme  protestantisch;  sie  traf  die  Wand- 
lung der  Dinge  zuerst  und  am  härtesten.  An  sie  trat  nun  die  Frage 
heran,  ob  sie  katholisch  werden  oder  ihrer  Besitzungen  verlustig 
gehen  wollten.  Die  Kölbel  von  Geising,  im  Besitze  von  Karbitz, 
eilten  sofort  nach  Prag,  um  unumwunden  zu  erklären,  lieber  ihrer 
Besitzungen  verlustig  gehen,  als  ihren  Glauben  ändern  zu  wollen. 
Nach  Hause  zurückgekehrt,  brachen  sie  mit  all  den  Ihren  auf,  ihre 
Heimat  zu  verlassen.  Kaum  war  dies  geschehen,  als  kaiserliche  Com- 
missäre  in  Karbitz  anlangten,  welche  die  Bewohner  von  ihrer  Unter- 
thanenpflicht  lossprachen;  die  Herrschaft,  die  so  an  den  Fiscus  ge- 
fallen war,  kam  im  Jahre  1622  durch  die  Gnade  des  Kaisers  an  den 
Freiherrn  Peter  Heinrich  von  Strahlendorf.  Noch  ärgeres  Schicksal 
traf  die  Bergstadt  Graupen.  Sie  hatte  noch  im  September  16 19  eine 
sich  ihr  darbietende  Gelegenheit  benützt,  sich  um  9000  Seh.-  Gr. 
freizukaufen;  jetzt  wurde  sie  wieder  zu  einer  unterthänigen  Stadt 
und  gelangte  in  die  Hände  der  Grafen  von  Stemberg.  Ein  gleiches 
Los  traf  die  übrigen  Ortschaften  unseres  Gebiets.  Sobochleben, 
einst  Besitz  des  Albrecht  Kekule  von  Strakonitz,  erhielt  Alexander 
Regniers  von  Bleileben;  auch  Türmitz  und  Dubitz  änderten  ihre 
Besitzer. 

Aber  es  sollte  noch  um  Vieles  schlimmer  kommen ;  noch  hatten 
die  Protestanten  ihren  Glauben,  an  den  sie  sich  klammem  konnten, 
wenn  Alles  ihnen  geraubt  war:  aber  auch  dieser  sollte  ihnen  ent- 
rissen werden.  Es  ist  ein  trauriges  BUd,  das  wir  aufzurollen  haben. 
Der  Habe  beraubt  suchen  Viele  ihr  Heil  in  der  Auswanderung ;  sie 
verlassen  die  heimatliche  Scholle,  um  hilflos  in  den  tiefen  Waldungen 
umherzuirren  und  hier  eine  Beute  des  Hungers  zu  werden,  oder  sie 
fallen  in  die  Hände  einer  rohen,  zügellosen  Soldatesca,  die  sich  freut 


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63 

an  den  angstvollen,  verzweifelnden  Gesichtern.  Nirgends  Ruhe,  nir- 
gends Rettung.  Trümmerstätten  zeichnen  die  Wege  der  Truppen, 
Rauch  umhüllt  den  Horizont.  Das  zagende  Herz  blickt  vergeblich 
zum  Himmel  empor;  er  kennt  kein  Erbarmen;  nur  die  Pest  sendet 
er,  das  Mass  des  Elends  vollzumachen.  Doch  wir  müssen  zu  den 
Einzelheiten  übergehen.  Strenge  Befehle  erflossen,  es  seien  alle  luthe- 
rischen Seelsorger  abzuschaffen  und  von  den  Bewohnern  die  katho- 
lische Lehre  anzunehmen.  Wie  aus  dem  Erzählten  begreiflich,  war 
Aussig  die  erste  Stadt,  die  dem  Verlangen  vollkommen  sich  fugte. 
Ihr  folgte  Kulm,  wo  bislang  Wilhelm  Hirschfeld  gepredigt  hatte*). 
Auch  Graupen  sollte  bald  von  gleichem  Lose  betroffen  werden. 
Am  6.  September  kam  der  erste  Befehl  der  kaiserlichen  Commissäre, 
den  Praedicanten  sofort  abzuschaffen.  Bereits  am  folgenden  Tage 
traf  die  Commission  selbst  ein,  am  nächsten  Morgen  las  ein  Mönch, 
Johann  Adauctus,  ein  Amt  und  predigte;  er  sollte  der  erste  katho- 
lische Pfarrer  der  Stadt  werden.  Aber  die  Bewohner  der  Stadt,  an 
ihrer  Spitze  der  Rath,  waren  keineswegs  gewillt,  so  leicht  nachzu- 
geben und  ihren  Glauben  zu  ändern.  Nur  anscheinend  willigte  man 
ein;  man  forderte  den  Pastor  Schedler  auf,  die  Stadt  zu  verlassen 
und  nach  Zinnwald  zu  gehen,  wo  er  weiter  den  lutherischen  Glauben 
predigen  sollte;  um  den  katholischen  Geistlichen  kümmerte  sich 
Niemand.  Strenge  Verordnungen  kamen  indessen  nach  Graupen,  und. 
um  denselben  grösseren  Nachdruck  zu  verleihen,  sperrte  man  den 
Bürgermeister  der  widerspänstigen  Stadt  ins  , Hundeloch*,  dann  in 
das  Stadtgefangniss.  Allein  auch  das  half  wenig.  Der  Pfarrer  Adauctus 
Liebhard  konnte  wenig  zufrieden  sein  mit  seinen  Elrfolgen;  war  er 
doch  ein  roher,  herzloser  Patron,  der  überall  nur  seinen  Willen  als 
den  massgebenden  anerkannt  wissen  wollte,  und  sich  dabei  nur  zu 
oft  zu  Thätlichkeiten  hinreissen  liess.  Nach  einem  halben  Jahre  seiner 
Wirksamkeit  hatte  er  endlich  einen  armen  Schuster,  Georg  Giesa, 
zum  katholischen  Glauben  überredet.  Vereinzelt  besuchte  man  zwar 
die  Stadtkirche,  jedoch  nur,  um  lutherische  Lieder  daselbst  zu  singen. 
Wieder  kamen  neue  Verordnungen ;  in  6  Wochen  müsse  zuverlässig 
Alles  katholisch  sein.  Die  Zeit  verstrich ;  die  Verhältnisse  waren  die- 
selben. Alle  späteren  Befehle,  und  es  waren  deren  nicht  wenige, 
hatten  den  gleichen  Erfolg.  So  verging  die  Hälfte  des  Jahres  1626. 


<)  Nach  Hallwich:  Graupen. 


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64 

Da  griff  man  endlich  zu  einem  geeigneten  Mittel,  das  allein  vielleicht 
im  Stande  war,  den  treuen  Sinn  der  Graupner  umzuwandeln;  maxi 
versprach  ihnen  die  Rückstellung  sämmtlicher  Privilegien,  wofern  sie 
nur  sämmtlich  die  »heilige,  katholische  Religion^  annehmen  wollten. 
Der  Magistrat  verkündete  den  Bürgern  den  neuen  Erlass,  zugleich 
mit  dem  auf  14  Tage  bemessenen  Termin;  man  hörte  ihn,  allein 
nach  dieser  Frist  war  noch  kein  einziger  Bürger  demselben  gefolgt. 
Erst  einige  Tage  darauf  nahmen  vier  Bürger  das  Abendmahl  bei 
dem  katholischen  Pfarrer,  drei  von  ihnen  wurden  sofort  zu  Ela-en- 
stellen  in  der  Verwaltung  der  Stadt  berufen.  Die  übrigen  alle  blieben 
ihrem  Glauben  getreu.  Da,  im  August,  kam  die  Pest  und  wüthcte 
verheerend;  in  kurzer  Zeit  waren  150  Personen  von  ihr  hinweg- 
geraßl.  Dieser  ungeahnte  Schicksalsschlag,  sowie  der  Generalpardon 
des  nächsten  Jahres,  der  die  Stände  Böhmens  der  Wiedereinsetzung 
in  die  alten  Rechte  versicherte,  wofern  sie  katholisch  würden,  und 
die  Reformations*Commission,  die  im  Februar  1628  nach  Graupen 
kam,  das  Alles  vereinte  sich,  den  Widerstand  der  Graupner  doch 
endlich  zu  besiegen.  Die  Bestimmung,  dass,  wer  innerhalb  dreier 
Wochen  nicht  katholisch  würde,  aus  dem  Lande  müsse  mit  Verlust 
von  Habe  und  Gut,  trug  noch  das  Ihre  bei.  Am  13.  März  wurden 
die  Obergraupner  katholisch  bis  auf  einen,  Michael  Schulze,  der  die 
Auswanderung  vorzog.  Am  14.  und  15.  communicirten  die  in  Scheune 
und  Sobochleben,  zwei  Tage  darauf  die  Marschner;  am  Ende  des 
Jahres  hatte  Graupen  nur  noch  81   ^^ Ketzer*  aufzuweisen. 

Auch  in  Karbitz  war  die  Durchfuhrung  der  Gegenreformation 
nicht  gar  leicht.  Zwar  hatte  schon  im  Jahre  1624,  Freitag  nach 
Corpus  Christi,  der  Pfarrer  Heinr.  Roth  die  Stadt  verlassen;  die 
Pfarrer  von  Raudnig  und  Böhm. -Khan  folgten  ihm  später  nach. 
Allein  der  Glaube  der  Bevölkerung  hatte  sich  mitnichten  geändert. 
Selbst  der  Umstand,  dass  noch  im  selben  Jahre  ein  katholischer 
Pfarrer,  Simon  Schemelius,  in  die  Stadt  eingeführt  wurde,  dem  auch 
die  Kirchen  in  Kulm  und  Ebersdorf  zugetheilt  waren,  brachte  keine 
Aenderung  mit  sich.  Denn  bis  zum  Jahre  1626  war,  trotz  der  zahl- 
reichen obrigkeitlichen  Befehle,  Niemand  zur  katholischen  Lehre 
übergetreten;  in  diesem  Jahre  erst  erschien  am  Palmsonntag  der 
Bürgermeister  mit  sechs  anderen  Bürgern  beim  Abendmahl.  Dies 
Beispiel  und  eine  neuerliche  Verordnung  begannen  zu  wirken;  letztere 
bestimmte,  dass  jeder  Ehemann,   der  katholisch  würde   oder  schon 


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geworden  sei,  sich  von  seinem  akatholischen  Weibe  trennen  dürfe 
und  ihr  zu  Nichts  verpflichtet  sei,  als  einer  Wegzehrung  von  5  Seh. 
Der  Gemeindediener  dagegen  erhielt  den  schönen  Auftrag,  Jeden, 
der  nicht  sogleich  beim  Eintritt  ins  Gotteshaus  niederknien  und  das 
KLreuzeszeichen  machen  würde,  durch  eine  Maulschelle  an  seine  neueste 
Pflicht  zu  erinnern.  Aber  noch  immer  blieb  die  Zahl  der  Bekehrten 
eine  verschwindend  kleine;  die  Frauen  vor  Allem  waren  es,  die  mit 
aller  Energie  sich  weigerten,  ihren  Glauben  zu  verlassen.  Gegen  alle 
Befehle  blieb  man  gleichgiltig  und  begründete  sein  Verhalten  mit 
dem  Hinweise,  man  sei  ja  gar  nicht  in  der  katholischen  Religion 
unterrichtet.  Erst  seit  dem  Jahre  1629  konnte  man  von  Erfolgen 
reden,  der  Glaube  musste  der  Gewalt  weichen.  Die  Commissäre 
erschienen  in  Begleitung  von  Soldaten,  und  vertrieben  alle,  die  sich 
weigerten,  ihren  Befehlen  zu  gehorchen,  unbarmherzig  aus  ihrem 
Besitzthum.  Jetzt  erst  ging  der  Gemeinderath  zur  Beicht ;  die  übrige 
Bürgerschaft  folgte.  Nur  die  Frauen  wollten  sich  noch  immer  nicht 
fügen;  auch  gegen  sie  ging  man  jetzt  mit  Gewaltmassregeln  vor; 
sie  erschienen  endlich  in  der  Kirche;  doch  „weinten  sie  und 
heulten  laut*. 

Namen  vertriebener  Bewohner  unserer  Gegend  sind  uns  ver- 
hältnissmässig  wenig  bekannt  geworden ;  danmter  finden  wir :  Johann 
Becker,  Pfarrer  in  Schwaden,  exul  in  Pirna,  wo  auch  Frau  und  Kind 
des  Pfarrers  Moller  aus  Rosawitz  starben,  Caspar  Francke,  Rector 
in  Graupen,  Dionys  Kluge,  Hans  Böttiger  und  Kohlschütter  aus 
Graupen,  Portenwändigs  Andreas,  Pfarrer  in  Türmitz,  M.  Johann 
Langenberger,  Pastor  in  Aussig,  gest.  am  i  I.Juni  1627  in  Pirna,  und 
Christoph  Schindler,  Pastor  in  Aussig.  Ein  Schreiben  des  kaiserlichen 
Richters  Philipp  Ring  vom  5.  Juli  1625  führt  ausserdem  nachstehende 
Bürger  aus  Aussig  an,  die  wegen  Nichtannahme  der  katholischen 
Religion  auszuwandern  gezwungen  waren :  Johann  Dröschl,  Balthasar 
Krause,  Mathias  Jäger,  Christoph  Weger,  Anna  Butterschneider, 
Johann  Seyffert,  Bartholomäus  Wosowitz,  Rafael  Hessler,  Tobias 
Wagner,  Jacob  Kuntze,  Johann  Rotte  und  Valentin  Etzelt;  ihr  ge- 
sammtes  Eigenthum,  nämlich  13  Häuser,  16  Weingärten,  6  Felder 
und  4  Wiesen,  wurde  confiscirt.  Dröschl,  Hessler  und  Kuntze  kehrten 
jedoch  schon  1626  zur  katholischen  Lehre  zurück  und  erhielten  für 
ihre  Besitzungen  eine  Summe  von  3290  Seh.  m.  zugesprochen.  Noch 
im  Jahre  1626  verliessen  zahlreiche  Bewohner  die  Stadt  wegen  ihres 


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Glaubens.  Unter  ihnen  werden  genannt:  Mathias  HendscW,  Georg 
Müller,  Christoph  Behr,  Johann  und  Christoph  Patzelt  und  Margaretha 
Rosenzweig  *). 

Reformations-Commissär  unseres  Gebietes  war  Otto  Heinrich 
V.  Wartenberg,  der  letzte  dieses  einst  hochberühmten  böhmischen 
Geschlechtes.  Aber  er  war  ein  verächtlicher  Charakter.  Ursprünglich 
Protestant,  war  er,  als  die  Verhältnisse  für  die  Bekenner  der  evan- 
gelischen Lehre  sich  traurig  zu  gestalten  begannen,  rasch  zum  katho- 
lischen Glauben  übergetreten,  um  aus  solchem  Glaubenswechsel 
möglichst  grossen  Vortheil  zu  ziehen.  War  es  ihm  doch  hauptsäch- 
lich darum  zu  thun,  das  reiche  Erbe  seiner  ersten  Frau  an  sich  zu 
bringen.  Was  ihm  als  Protestanten  nicht  gelungen  war,  glaubte  er 
als  Katholik  rasch  zu  erreichen.  Er  wurde  zu  einem  der  Reformations- 
Commissäre  ernannt,  und  wüthete  nun  mit  allen  Mitteln,  mit  Tortur 
und  Einkerkerung,  gegen  seine  einstigen  Glaubensbrüder.  Den  Lohn 
hiefiir  sollte  er  bald  ernten.  Grausam  auch  gegen  die  Unterthanen 
seines  Gutes  Markersdorf,  rotteten  diese  sich  zusammen,  riefen  zur 
Verstärkung  noch  die  Bewohner  der  umliegenden  Dörfer  herbei  und 
erschlugen  ihn  am  29.  October  1625  *). 

In  Aussig  ging  es  nun  mit  der  Rekatholisirung  in  raschen 
Schritten  vorwärts ;  die  böhmische  Kammer  that  ihr  Möglichstes  und 
ermahnte  den  Stadtrath,  auch  strenge  Massregeln  nicht  zu  scheuen, 
um  die  Halsstarrigen  zum  Gehorsam  zu  bringen ').  So  konnten  denn 
Bürgermeister  und  Rath  schon  am  10.  October  1627  berichten,  dass 
sich  in  der  Stadt  kein  einziger  Unkatholischer  mehr  befinde  *).  Auch 
der  Pfarrer  von  Aussig,  Johannes  Michaelius,  bestätigt  am  8.  März  1628, 
dass  durch  seine  Bemühungen  nunmehr  alle  Bürger  katholisch  seien 
und  ersucht  demgemäss  den  Erzbischof  um  seine  Verwendung,  dass 
die  böhmische  Kammer  nunmehr  der  Stadt  die  Confirmation  ihrer 
Privilegien  nicht  weiter  vorenthalte  '). 

Dass  diese  Meldungen  übrigens  nicht  ganz  so  buchstabengetreu 
aufzufassen  waren,  ist  sicher ;  es  blieben  noch  genug  Protestanten  in 
unserem  Gebiete,   wohl  aber  durften   sie  sich  nicht   mehr  ÖffentUch 


»)  Bilek:  Dej.  confisc,  p.  1243. 

*)  MittheiluDgen  d.  nordböhm.  Excurs.-Oubs.  V,  39  ff. 

*)  Gleichzeitige  Copie  Statthai terei-Arch.  Prag,  R.  109/ 13. 

*)  Orig.  Statthaltcrei-Arch.  Prag,  R.  109/1. 

*)  Orig.  arch.  archiep.  Pri^,  Recepta  ab  ao.  1628. 


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als  solche  bekennen :  nur  in  der  Tiefe  ihres  Herzens  konnten  sie  dem 
alten  Glauben  treu  bleiben.  Als  aber  im  Jahre  1631  die  Sachsen 
nach  Böhmen  kamen,  da  blühte  überall  der  Protestantismus  rasch 
wieder  auf.  Die  einst  vertriebenen  Prediger  kehrten  zurück  und 
fanden  unter  der  Bevölkerung  gern  und  freudig  Aufnahme.  In  Kar- 
bitz  finden  wir  zu  dieser  Zeit  wieder  den  Pfarrer  Heinrich  Roth,  der 
am  31.  Jänner  1632  hier  ankommt  und  bald  zahlreiche  Gläubige  um 
sich  sammelt ;  auch  die  übrigen  Orte  folgten  in  der  Wiederaufnahme 
der  alten  Religion.  Selbst  in  Aussig,  das  unter  den  in  Betracht 
kommenden  Orten  am  frühesten  zur  katholischen  Lehre  zurück- 
gekehrt war,  finden  wir  abermals  Protestanten  und  noch  im  Jahre 
1^35  (19-  Juni)  beklagt  sich  der  Dechant  daselbst,  Caspar  Schwarz, 
dass  zahlreiche  seiner  Kirchkinder  wieder  zur  lutherischen  Lehre 
zurückgekehrt  seien,  andere  ihr  auch  von  früher  her  noch  angehören, 
und  ersucht  deshalb  den  Erzbischof,  ihm  und  den  übrigen  Pfarrern 
seines  Sprengeis  die  Gewalt  zu  übertragen,  von  der  Ketzerei  los- 
zusprechen *),  und  auch  der  Pfarrer  Johannes  Sinnon  von  Graupen, 
der  erst  vor  Kurzem  dorthin  zurückgekehrt  war,  klagt  (1635,  2.  August), 
dass  in  seinem  Kirchspiel  noch  2  Prädicanten  sich  aufhielten,  zu  denen 
sehr  viele  Bewohner  von  Graupen  eilten,  um  die  Sacramente  von  ihnen 
zu  empfangen ").  Aber  als  die  Wirren  des  dreissigjährigen  Krieges 
ein  Ende  erreicht  hatten,  hörten  auch  die  Klagen  über  den  Prote- 
stantismus und  seine  Anhänger  in  unserer  Gegend  auf;  seit  dem 
29.  März  1650,  wo  Bürgermeister  und  Rath  von  Aussig  den  böh- 
mischen Statthaltern  berichten,  dass  sich  alldort  keine  unkatholischen 
Bewohner  mehr  finden '),  hören  wir  auf  lange  Zeit  nichts  mehr  von 
den  Bekennern  des  evangelischen  Glaubens. 

Im  Vorstehenden  waren  wir  zu  zeigen  bemüht,  wie  der  Prote- 
stantismus in  unseren  Gegenden  aufblühte,  an  Ausbreitung  und  Be- 
deutung gewann  und  endlich  unter  dem  Drucke  der  Verhältnisse 
dahinschwinden  musste.  Noch  aber  ist  unsere  Aufgabe  nicht  vollendet  ; 
noch  erübrigt  uns,  das  sociale  Leben  unserer  Gegend  in  dieser  Zeit 
ein  wenig  näher  ins  Auge  zu  fassen.  Zwei  Orte  werden  dabei  vor 
Allem  unser  Augenmerk  auf  sich  ziehen,  die  , königliche,  allzeit 
getreue*  Stadt  Aussig  und  die  Bergstadt  Graupen. 


*)  Orig.  erzbischöfl.  Arch.  Prag,  Recepta  ai.   1635. 

»)  A.  a.  O. 

»)  Statthalterci-Arch.  Prag,  R.  109/12  orig. 


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Pfemysl  Ottokar  IL  war  es  gewesen,  der  Aussig  den  Titel  einer 
königlichen  Stadt  verlieh.  Klein  und  bescheiden  waren  die  Anfange 
der  Stadt,  so  lange  es  ihr  nicht  gegönnt  war,  den  naturgemässen, 
durch  ihre  Lage  an  dem  Ufer  der  Elbe  ihr  angewiesenen  Weg  der 
Entwicklung  zu  gehen ;  erst  von  dem  Tage  an,  da  es  ihr  durch  ein 
Privileg  König  Johann's  gestattet  war,  ^dass  sie  im  Allgemeinen  und 
Besonderen  derselben  Freiheiten,  Rechte  und  Begnadigungen,  wie 
die  Stadt  Leitmeritz,  in  Bezug  auf  ihren  Besitz  und  vorzüglich  bezüg- 
lich des  freien  Durchgangs  der  Waare  bei  der  Berg-  und  Thalfahrt 
auf  der  Elbe  und  Moldau  bisher  besessen,  sich  in  Hinkunft  erfreuen 
solle*,  erst  von  diesem  Tage,  dem  22.  April  1325,  lässt  sich  von 
einer  gedeihlichen  Entwicklung  der  Stadt  sprechen.  Zugleich  beginnt 
naturgemäss  ein  Kampf  mit  der  älteren  Nebenbuhlerin  Leitmeritz, 
der  viel  dazu  beiträgt,  stets  frisches  Leben  zu  schaffen  und  die 
Wahrung  der  eigenen  Interessen  unverwandt  im  Auge  zu  haben. 
Das  oberwähnte  Privileg  wird  durch  die  Bestimmung  des  Königs 
näher  erläutert,  »dass  die  Bürger  Aussigs,  wie  die  Leitmeritzer,  freie 
Schifffahrt  auf  den  genannten  Flüssen  besitzen  und  lediglich  den 
altgewohnten  Zoll  an  jenen  Stellen,  wo  er  bisher  eingehoben  wurde, 
entrichten  sollten;  dafür  können  sie  jedoch  allenthalben  und  unge- 
hindert ihre  Schiffe  anlegen,  beladen  und  ausladen  und  Getreide  und 
andere  Waaren  in  ihre  Stadt  zurückfuhren*,  bald  aber  auf  die  Be- 
schwerden der  Stadt  Leitmeritz,  sie  sei  durch  diese  Verfugung  in 
ihren  Rechten  beeinträchtigt,  dahin  geändert,  ^^dass,  wenn  die  Aussiger 
ihre  Schiffe  entweder  im  Dorfe  Lobositz  oder  an  anderen  Orten, 
ausser  an  den  Ufern  vor  der  Stadt  Leitmeritz,  laden  oder  ausladen, 
oder  fremde  Waaren  unter  dem  Vorgeben,  dass  sie  ihnen  gehören, 
überhaupt  fuhren  und  rechtlich  einer  solchen  Verletzung  der  Leit- 
meritzer Rechte  überwiesen  würden,  es  den  Leitmeritzern  erlaubt  sei, 
sich  in  den  Besitz  dieser  Waaren  zu  setzen  und  sie  zum  eigenen 
Vortheile  zu  verwenden*  *), 

Salz  und  Getreide  waren  die  vorzüglichsten  Waaren,  welche  der 
Verzollung  unterlagen,  jenes  von  Meissen  eingeführt,  dieses  eben 
dorthin  zum  Verkaufe  gebracht.  Aussig  hatte  auch  die  Controlc 
über  die  Ablieferung  des  Zolles  bei  Leitmeritz  übernommen  und 
durfte  kein  Schiff  passiren  lassen,  das  sich  nicht  mit  der  betreffenden 


1)  Feistner:  Aussig,  p.  44. 


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Quittung  auszuweisen  vermochte.  Am  20.  Jänner  15 16  vereinigten 
sich  Leitmcritz,  Raudnitz  und  Aussig  in  Betreff  des  Getreidehandels 
(ladowam)  dahin,  keine  trockene  Gerste  an  Meissner  Händler  zu  ver- 
kaufen, oder  überhaupt  zu  Wasser  und  zu  Land  unterhalb  Aussig 
hinabzulassen,  damit  nicht  die  Meissner  selbst  aus  böhmischer  Gerste 
ihr  Malz  bereiten,  sondern  solches  wie  vordem  in  den  genannten 
Städten  kaufen,  die  hiedurch  einen  dreifachen  Gewinn  erzielten. 

Eine  Urkunde  vom  4.  October  1556  (am  Sonntag  nach  dem 
heil.  Hieronymus)  berichtet  uns,  welches  der  Zoll  war,  den  Aussig 
von  den  einzelnen  Waaren  erheben  durfte,  und  wie  hoch  derselbe 
sich  jährlich  belief.  Aussig  erhob  an  Zoll:  von  i  Strich  Getreide 
4.  Pf.,  Malz  3  Gr.,    i  Tonne  Fische  2  Gr.,    i  Fässchen  Salz  i  Gr., 

1  Fass  Wein  4  Gr.,    i  Fässchen   Obst   6  Gr.,    i  Rindshaut    i  Pf., 

2  Kalbshäute  i  Pf.,  i  Stein  Eisen,  Stahl,  Gewürze  2  Pf.,  i  Stück 
Tuch  I  Gr.,  I  Schock  Ellen  Leinwand  2  Pf.,  i  Ballen  getrockneter 
Fische  6  Gr.  m.  Von  Galli  1555  bis  zum  Sonntag  der  Ausstellung 
dieser  Urkunde  waren  im  Ganzen  346  Seh.  28  Gr.  3  Pf.  an  Zoll 
erhoben  worden.  Aber,  setzen  die  Aussiger  vorsichtig  hinzu,  so 
reiche  Einnahme  gehöre  zu  den  seltensten  Fällen;  es  gäbe  Jahre, 
wo  nur  50,  zuböchst  100  Seh.  an  Zoll  eingenommen  würden,  be- 
sonders wenn  wegen  niederen  Wasserstandes  kein  Schiff  nach 
Deutschland  fahren  könne,  so  dass  sie,  die  armen  Unterthanen,  die 
noch  obendrein  durch  häufige  Brände  viel  gelitten,  keine  Teiche, 
Dörfer,  Wälder,  überhaupt  keine  Güter  besässen,  nur  mit  Mühe 
die  arme  Gemeinde  erhalten  könnten*).  In  Folge  dessen  ertheilte 
ihnen  Kaiser  Ferdinand  im  Jahre  1562  (Samstag  nach  Galli)  ein 
neues  Zollprivileg,  das  ihre  Einnahmen  um  ein  Beträchtliches  erhöhte 
und  gab  ihnen  zugleich  das  Recht,  eine  Stadtmauth  zu  erheben. 
Nach  diesem  Privileg  gestaltete  sich  fortan  die  Erhebung  des  Zolls 
auf  folgende  Weise:  ,l  Strich  Getreide,  welcher  Art  immer,  2  w.  Pf., 
und  von  i  Malz  von  24  Strich,  das  aus  der  Stadt  gefuhrt  und  von 
Nachbarn  in  Aussig  gekauft  werde,  4  w.  Gr.,  von  i  Malz,  das  ent- 
weder aus  Raudnitz,  oder  aus  Leitmeritz,  oder  aus  Trebnitz  ausser- 
halb der  Stadt  vorbeigeführt  wird,  von  2  Strich  V«  w.  Gr.,  von 
I  Tonne  Häringe,  Hechte,  Karpfen  i  w.  Gr.,  i  Fässchen  Salz 
*/,  w,  Gr.,  I  Fass  Wein  2  w.  Gr.,  i  Schock  Käse  4  w.  Gr.,  i  Brot 


1)  Statthalterei-Arch.  Prag,  AI,  13. 


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70 

Butter  I  w.  Pf.,  Wein  aus  Trauben  oder  irgend  einem  Obst  von 
I  Viertel  Vi  w.  Pf.,  i  Rindshaut  V«  w.  Pf.,  von  2  Kalbshäuten 
Vi  w.  Pf.,  I  Centner  Eisen,  Stahl,  Fett,  Unschlitt,  Werg  i  w.  Gr., 
Gewürz,  welcher  Art  immer,  von  i  Stein  i  w.  Gr.,  von  i  Schock 
Ellen  Leinwand  i  w.  Pf.,  von  i  »Pelike*  gedörrter  Fische,  seien  es 
, Muttergottesfische*  oder  Stockfische  3  w.  Gr.,  von  i  Stück  Tuch 
V,  w.  Gr.* 

Diese  Erhöhung  des  Zolles  war  immerhin  bedeutend  genug,  der 
Stadt  Einkünfte  um  eiji  Erkleckliches  zu  erhöhen.  Und  fürwahr,  sie 
bedurfte  derselben  im  vollsten  Masse.  Die  verflossenen  Jahre,  vor 
Allem  das  Jahr  1547,  hatten  ihr  manche  Opfer  auferlegt,  ohne  dass 
sie  dafür  irgendwie  wäre  entschädigt  worden.  Das  treue  Festhalten 
an  der  Seite  des  Königs  hatte  ihr  nur  den  Titel  einer  ^^  allzeit  ge- 
treuen* Stadt  eingetragen,  nächst  dem  Vorrechte,  dass  ihre  Vertreter 
auf  dem  böhmischen  Landtage  nach  den  Prägern  die  nächste  Stimme 
haben  sollten,  Dinge,  die  wenig  genug  dazu  angethan  waren,  den 
Wohlstand  der  Stadt  in  irgend  einer  Weise  zu  heben.  Auch  die 
Befreiung  vom  Fassgelde,  die  ihr  gleichfalls  im  Jahre  1547  auf  vier 
Jahre  zugestanden  wurde,  ist  zu  geringfügig,  um  mehr  als  eine  Er- 
wähnung zu  verdienen.  Die  Häuserzahl  hatte  in  diesen  Jahren  abge- 
nommen, und  die,  welche  standen,  machten  einen  gar  kärglichen 
und  armseligen  Eindruck,  wie  der  Bürgermeister  von  Aussig  1568 
nach  Prag  berichtet.  Es  befanden  sich  nach  seiner  Angabe  damals 
in  der  Stadt  ,dritthalbhundert  und  sechszehn*  Häuser  und  Chaluppen, 
und  in  den  Vorstädten  99  Chaluppen,  in  den  zur  Stadt  gehörigen 
Dörfern  16*). 

Die  Besserung  der  Verhältnisse,  durch  das  neue  Zollprivileg 
herbeigeführt,  zeigte  sich  bald  auch  nach  Aussen.  Im  Jahre  1574 
konnte  die  Stadtschule  erbaut  werden,  der  Sitzungssaal  des  Rath- 
hauses  erhielt  eine  künstlerisch  ausgeführte  Decke,  die  Stadtpfarr- 
kirche einen  neuen,  aus  einem  einzigen  Sandblocke  gemeisselten 
Predigtstuhl*).  Freilich  nahmen  mit  der  Vergrösserung  der  Ein- 
nahmen auch  die  königlichen  Steuern  zu;  hatten  dieselben  in  den 
Jahren  1576  und  1577  je  200  Seh.  43  Gr.  2  Pf.  m.  betragen,  so 
wachsen   sie   in   den    folgenden  Jahren  bis    1597   zu   mehr  als   der 


1)  Statthalterei-Arch.  Prag,  S.  XV,   15. 
*)  Sonnewend:  Aussig,  p.  42. 


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71 

doppelten  Summe  an;  in  zwei  Terminen,  dem  einen  am  Tage  des 
heil.  Bartholomäus,  dem  andern  am  Feste  des  heil.  Nicolaus,  waren 
je  215  Seh.  Gr.  zu  zahlen,  zu  denen  sich  in  den  Jahren  1584 
bis  1586  noch  eine  ausserordentliche  jährliche  Steuer  von  53  Seh. 
45  Gr.  m.  gesellte,  die  als  Beitrag  zur  Erbauung  der  Prager  Burg 
verwendet  wurde  *).  Diese  Zahlen  sprechen  deutlich  für  den  raschen 
Aufschwung,  den  die  Stadt  nahm. 

Aber  auch  in  der  Umgebung  hatte  Aussig  eines  stets  wachsenden 
Ansehens  sich  zu  erfreuen.  Im  Frühjahre  1579  sollten  sich  nach 
einem  Beschlüsse  des  letzten  Landtages  die  Stände  der  einzelnen 
Kreise  in  den  Kreisstädten  versammeln,  um  die  Durchfuhrung  der 
letzten  Landtagsbeschlüsse  zu  veranlassen.  Der  Besuch  des  be- 
treffenden Kreistages  zu  Leitmeritz  war  indess  nur  ein  sehr  schwacher, 
und  auch  die  Wenigen,  die  erschienen  waren,  eilten  rasch  heim, 
nachdem  gewisse  Commissäre  gewählt  worden  waren  zur  Aufsicht 
über  die  behufs  der  Steuervertheilung  vorzunehmende  Schätzung  der 
Häuser  und  Ansässigen,  zur  Erhebung  der  Anzahl  der  durch  Ele- 
mentarereignisse Beschädigten  und  Leistungsunfahigen,  und  zur  Fest- 
stellung einer  bestimmten  Taxe  für  die  Arbeiten  der  Handwerker. 
In  alle  diese  Commissionen  wurden  aus  jedem  Stande  je  zwei  im 
Kreise  ansässige  Adelspersonen  gewählt.  Die  Bürgerschaft  sollte 
durch  die  jedesmaligen  Bürgermeister  von  Leitmeritz  und  Aussig 
vertreten  sein  *).  Ein  weiterer  Beleg  für  die  wachsende  Bedeutung 
unserer  Stadt  ist  der  Umstand,  dass,  als  die  Stadt  Teplitz  mit  ihrem 
Grundherrn  Radislav  Kinsky  wegen  des  Braurechts  in  Streitigkeiten 
gerathen  war,  zu  den  Verhandlungen,  die  zwischen  den  beiden 
streitenden  Parteien  geführt  wurden,  auch  3  Aussiger  Bürger  und 
Rathsherrn  geladen  waren.  Zu  wiederholtenmalen  wandte  man  sich 
in  dieser  Angelegenheit  nach  Aussig,  so  dass  selbst  der  Aussiger 
Stadtrath  wegen  dieses  Falles  zu  einer  Sitzung  zusammentrat.  In 
dieser  bat  eine  Deputation  von  Teplitz  die  Versammlung  um  Hilfe 
in  ihren  ^^ obliegenden  Nöthen*.  Die  Bürger  von  Aussig  riethen 
selbstverständlich  zur  Wahrung  der  Ehre  und  des  Eigenthums  der 
Schwestergemeinde  und  damit  zur  Klage  wider  Radislav  Kinsky 
beim  Kaiser.   Nur  meinten  die  Aussiger,  man  solle  nicht  in  Massen 

*)  Statthalterei-Arch.  Prag,  S.  XV,  15. 
■)  Lippert:  Leitmeritz,  p.  360. 


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72 

nach  Prag  gehen,  sondern  einen  Ansschuss  von  6  oder  8  Personen 
dazu  wählen  und  die  übrigen  nach  Haus  schicken,  »denn  für  so  viele 
würde  zu  viel  auf  Zehrung  aufgehen  und  könnten  ihrer  6  oder  8  so 
viel  ausrichten,  wie  hundert*  *). 

Nehmen  wir  zu  dem  allen  noch  den  Umstand,  dass  Aussig  im 
Jahre  1580  bereits  in  der  Lage  war,  von  Kaiser  Rudolf  II.  die  Dörfer 
Podleschin,  Zalesl  und  Hrwalow  um  9000  Seh.  m.  zu  erkaufen  •).  so 
finden  wir  unsere  Behauptung  von  dem  Aufblühen  der  Stadt  nur 
wieder  bekräftigt,  umsomehr,  da  auch  die  folgenden  Jahre  von  lauter 
Neubauten  uns  berichten.  Im  Jahre  1580  wurde  der  Teplitzer  Thor- 
tburm  neu  und  schöner  aufgebaut,  mit  einem  Portal  aus  mächtigen 
Sandsteinquadem,  an  der  Stadtseite  mit  Malerei  geziert,  im  Jahre  1589 
das  Rathhaus  durch  den  Neubau  der  sogenannten  ^grünen  Stube* 
vergrössert,  1591  eine  grosse  Uhr  für  das  Rathhaus  angeschafft  und 
im  selben  Jahre  die  Frohnfeste  neu  erbaut.  Das  Jahr  1593  brachte 
der  Stadt  ausserdem  noch  einen  neuen  Jahrmarkt  am  Montage  nach 
dem  heil.  Martin"). 

Fassen  wir  das  Alles  zusammen,  so  dürften  die  Klagen,  welche 
der  Primas  von  Aussig,  Josdf  Hermann,  am  9.  November  1598  an 
die  böhmische  Kammer  richtet,  wohl  nicht  so  ganz  der  wahren  Sach- 
lage entsprechen  und  vielmehr  aus  dem  Beweggrunde  zu  erklären 
sein,  der  Stadt  möglichst  wenige  Opfer  aufzubürden.  Der  diesbezüg- 
liche interessante  Bericht  lautet*): 

,Euer  Gnaden  und  Herrn  an  mich  abgegangenen  Befehlich  be- 
langende, die  der  Häuslin  allhier  ze  Aussig  an  der  Eiben  Wohnungen, 
ausgesuchte  Anzahl  Überschickung  habe  ich  empfangen  und  sein 
Inhalt  ferners  vernommen.  Thue  demnach  Eu:  G.  und  H:  in  gebüh- 
render Folge  angezogenen  Befehlichs,  die  Verzeichnus  aller  Häuser, 
Häuslin  und  Hüttlin  in  der  Mauer  und  vorn  Thorn  in  genere  et 
specie  mit  nachfolgenden,  wahrhaftigem  Berichte,  gehorsamblich 
übersenden,  dass  die  Stadt  Aussig  vor  Jahren  und  noch  bei  Menschen- 
gedenken durch  zwene  in  4  Jahren  aufeinander  folgende  Brandschäden, 
dermassen  in  die  Aschen  gelegt  und  verderbt  worden,  dass  dieselb 
hernach,  in  ihr  voriges  bauliches  Wesen  und  Stand  niemals  gebracht 

»}  Hallwich:  Töplitz,  p.  224. 

«)  Landt.  21,  B.  7. 

«)  Landt.   134,  G.  26. 

*)  Statthalterei-Arch.,  S.  XV,  15. 


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73 

'werden  mög;  dann,  was  zuvor  vornehme,  des  Brauens  geniessende 
Häuser  gewesen,  davon  sein  etliche  in  zwei  Häuser  zertheilt,  und 
andern^  die  keine  des  Brauns  Gerechtigkeit  gehabt,  leere  Grund- 
stätten, welche  drei  oder  vier  Häuslin  und  nur  aliein  Hüttlin,  wie 
auf  den  Orten  der  Stadt  Burgstädtel  und  Oster  (so  zur  ChristlicK- 
keit  von  alters  gehören  und  unterthan  seind),  Klitschgässel,  Nonnen- 
gässel  und  sonsten,  auch  vor  den  Thoren,  augenscheinlich  zu  sehen 
ist,  gesetzt  und  erbaut,  wie  denn  auch  aus  zwenen  Häuslin  beim 
Oberthore  wohl  eilf  Häuser  gemacht  worden,  welche  jetzt  von  armen 
Taglöhnern  und  bisweilen  geringen  Handwerksleuten  nur  umb  welche 
Herberg  bewohnt  und  gemeiniglich  zue  lO,  20,  30  mehr  oder  weniger 
Schocken  meissnisch,  nicht  umb  Bargeld  sondern  auf  Tagezeiten,  da 
man  zum  Angelde  4,  5,  6  zumeist  8  Seh.,  zum  Nachgelden  2,  3, 
4  Seh.  zu  vorrichten  pflegt,  verkauft  werden.  Daher  sich  unsere 
Vorfahren  und  Alten  niemalen  mehr,  sowol  auch  neben  beschehener 
Schätzung  Anno  57  dann  ze  225  angesehener  Burgerschaft  bekannt. 
Jedoch  die  armen  Häusler,  Arbeiter  und  Tagelöhner  (so  nichts  mehr 
haben,  als  was  sie  mit  ihren  Händen  täglichen  zue  Lohn  erwerben) 
in  Verrichtung  häuslicher  Bieren  (die  wir  wol  so  hoch  und  höher 
als  auch  wolhabende,  vermögende,  in  ebenem  Land  gelegene 
Städte  pendiren,  wie  in  unserem  Bernregister  genugsam  zu  ersehen) 
je  und  allewege  übertragen  müssen,  dann  wir  von  einem  solch  ge- 
ringen Häusel,  zum  Haussteuer  oder  Bern  einen  Termin  nur  7,  8, 
10  und  zue  12  Gr.  weiss  gegeben  werden,  und  wann  sie  denen 
obermelten  225  ausgesetzten  Häuslin  (unter  welchen  doch  nur  91  ganze 
und  halbe  bei  Hofe  gefunden  werden)  in  Erlegung  aller  deren  land- 
tuglichen  Gaben  gleich  gerechnet  werden  sollten,  wäre  nicht  mög- 
lich, sie  sich  in  solchem  Wesen  nur  i  Jahr  allhier  erhalten  kuhnten), 
sondern  müssten  mit  Weib  und  Kindern  und  ihnen  nach  die  ganze 
Stadt  in  äusserstes  Abnehmen  und  Verderben  gerathen  und  gesetzt 
werden.  Dann  Arbeiter  (deren  in  anderweit  sonst  wenig  zu  bekommen) 
man  haben  muss  und  erstreckt  sich  die  arme  Burgerschaft  (weil  gar 
keine  bürgerliche  Nahrung,  wie  in  andern  Städten  treiben  kunnen,) 
vermögen  auch  nicht,  dieselbe  mit  Geissein,  Contribution  oder  Monats- 
geld zu  erlegen,  dann  die  Ding  mit  uns  armen  Aussigem  also  be- 
schaffen und  ist  nicht  allein  fast  auf  allen  Seiten  mit  hohen  feisichten, 
unfruchtbaren  Gebirgen,  besondem  und  vielmehr  von  denen  von  Adel 
ringsumb  umbgeben,  beschlossen,  verschränkt.    Hat  allseits  von  der 

Jahrbuch  des  Protestantismus  1887.  H.  II.  Q 


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74 

Stadt,  über  ein  Viertel,  und  auch  über  ein  halbes  Viertel  meilenweges 
unsere  Brettschaft  und  Gutterlin  nicht,  so  zu  verwundern  und  wohl 
zu  glauben  ist,  dass  kein  kgl.  Stadt  imBehemb,  dermassen  bedrängt; 
da  ist  weder  Nahrung,  Handel  noch  Abgang.  Ein  ganzer  Brauhof 
hat  durchs  Jahr  zwei  Gebrau  zu  thun,  ein  weizens  und  ein  gerstens, 
ein  halber  halb  so  viel.  Das  Weizenbier,  so  aufs  Los  gebrauen  wird, 
kumbt  nicht  wohl  in  3  Jahren  umb,  Gerstenbier,  dessen  man,  so 
lange  jemanden  das  Los  des  weizenen  nicht  betrifft,  2  Gebrau  vor 
voll  brauen  mag,  wird  nur  von  wegen  des  Trinkens  oder  Koffents 
vor  die  Weinarbter  gethan,  sonsten  ist  daran  nichts  zu  erlangen, 
versauert  auch  oft  mit  grossem  Schaden,  müssen  uns  damit  über 
den  Sommer  bis  auf  den  Winter  plagen,  dann  alles  Bier,  so  allhier 
(nur  in  zweien  Brauhäusern]  wird  gebrauen,  muss  die  Burgerschaft 
auch  unter  einander  austrinken,  dann  weil  die  uns  so  nahe  gelegene 
von  Adel,  Selbsten  ihr  Melz  und  Brauhäuser  haben,  ist  dessen  sonst 
kein  Abgang ;  solcher  Mangel  fällt  allhier  wegen  der  Dorfstörer  und 
dann  in  anderer  bürgerlichen  Nahrung  auch  vor,  dann  von  Getreide 
herein  in  die  Stadt  gar  wenig  und  fast  nichts  zue  Markte  geführt 
wird;  müssen  unsere  häusliche  Noth  berufen  und  Sustentation  zue 
Leitmeritz,  Laun,  Trebnitz  mit  grosser  Beschwer  suchen  und  kaufen. 
Wird  umb  uns  herumb  eine  Teurung  über  die  andere  gemacht,  dann 
die  Meissner  nunmehr  auch  in  diese  Gegenden  haufenweis  einfallen, 
und  alles  Getreide  bei  denen  von  Adel  mit  grosser  Übersetzung 
sowohl  unseren  unüberwindlichen  Unheil,  Nachtheil  und  Verderben 
aufkaufen  thun.  Belangend  den  Weinwachs,  an  deme  fast  alles  unser 
Gedeien  und  Nahrung  hangen  will,  hat  E:  G:  und  H:  gnädig  zu 
erachten,  was  massen  auch  diesfalls  der  allmächtige  Gott  aus  wohl- 
verdienter Straf  seine  milde  Hand  und  Segen  von  uns  entzogen,  so 
dass  wir  uns  nu  so  viel  Jahr  anhero,  nicht  allein  müde,  sondern  auch 
bis  ins  äusserste  Unvermögen  verbauet  haben,  und  wann  auch  gldch 
in  guten  Jahren  (so  nu  mehr  fast  dünne  sein)  von  einem  Bürger  ein 
etlich  Fässlein  Wein  (dann  die  Menge  dem  Gebirge  nach  nicht  zu 
hoffen)  erbaut  wurde,  wann  wir  aber  daneben  sonsten  kein  erspriess- 
liche  Nahrung  haben,  kann  leicht  Rechnung  gemacht  werden,  was 
gestalt  über  alle  Darlag  wir  uns  sambt  unsern  Weihen  und  Kindern 
in  diesen  schweren,  theuern,  gefahrlichen  Jahren  beneben  Verrichtung 
der  grossen  Steuern  zu  behelfen  haben?  Geschwiegen,  dass  wegen 
Veränderung  etlicher  Herrschaften,  nunmehr  des  Weins  mit  Nutzen 


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auch  kein  Abgang  und  denselben  (sowohl  als  das  Bier)  unter  ein- 
ander ausschänken  und  trinken  müssen,  dann  auch  derselbe  über 
das  hohe  Gebirge  auf  der  Axt  nicht  abgeführt  werden  kann. 

Und  obwohl  der  hiegischen  (sie)  armen,  sehr  beschuldten  In- 
wohner und  Bürger  Armuthen,  Gebrechen,  Mängel,  Noth  und  Kummer 
auf  einmal  zu  beschreiben,  viel  Zeit  sein  wollte,  und  wohl  erduldet 
werden  kunnte,  dass  solches  per  commissionem  (wir  wir  uns  wünschen 
wollten)  besser  und  grundlicher  angesehen  werden  möchte,  so  habe 
doch  E:  G:  und  H:  ich  dieses  aus  Erheischung  meines  Ambts  zum 
wahren  Bericht  zu  erzählen  aufs  kurzst  nicht  unterlassen  sollen,  da- 
mit dieselb  gnädig  zu  erwägen  haben,  dass  oben  berührte  Häuslin 
und  Hütlin  und  dann,  welche  neulich  zu  Unterhalt  mangelnden  Wein- 
arbeiter und  Taglöhner  aufn  Stadtgraben  vorm  Oberthore  gebaut, 
und  nun  auch  zu  Unterthanen  aufgenommen  werden,  den  225  Häu- 
sern, zu  welchen  sich  unsere  Vorfahren  und  wir  bekannt  haben,  in 
pensione  der  Türkencontribution  nicht  gleich  gesetzt,  noch  verlegt: 
auch  die  in  engen  Gebirgen  gelegene  verschränkte  und  bedrängte 
Stadt  Aussig  anderen  wohlhabenden  im  vollen  freien  ebenen  Lande 
statuirten  kgl.  Städten  an  Privat-  als  Communvermögen  und  Ein- 
kommen im  wenigsten  gegleicht  noch  etwas  mehrers  dann  was  bis- 
her© gegeben,  einbracht  werden  kann,  dann  sonsten  und  ohne  das 
die  Leute  allhier  so  sehr  verarmt  und  erschöpft  sein,  dass  ein  ehrbar 
Rath  sich  vor  dieselben  die  Steuern  abzurichten,  zu  mehrmalen  in 
anderweit  beschulden  müssen,  und  destwegen  zu  E:  G:  und  H:  der 
ungezweifelten  Hoffnung  und  Trost  steht,  dieselben  geruhen  aus 
angeborner  Milde  und  Barmherzigkeit  ihr  Verderben  genau  nicht 
suchen,  sondern  lassen  (wie  bishero  billiger  geschehen)  bei  diesem 
Türkenkriege,  das  ihre  beineben  anderen  als  ein  schwaches  Glied 
auch  thun  und  verrichten  kunnten,  das  wird  Gott  der  Allmächtige 
mit  glückseliger  Victori  und  Triumph  über  den  Erbfeind  christlichen 
Namens  väterlich  und  gnädiglich  recompensiren,  thu  hieneben  mich, 
die  Inwohner  und  Burgerschaft  der  Stadt  Aussig  zu  derselben  gnä- 
digen Schutz  treulich  feefehlen. 

Datum  Aussig  an  der  Eiben,  den  9.  November  anno  98. 
Euer  Gnaden  und  Herrlichkeiten 

unterthäniger  gehorsamer 

Josef   Hermann 
Primas  daselbst.* 
6* 


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Besser  wohl  entspricht  der  Wahrheit,  wie  wir  glauben,  die 
Schilderung  der  Stadt,  wie  sie  Tichtenbaum  in  seinem,  in  lateinischen 
Hexametern  abgefassten  Werke :  ,Usta  ad  Albim  delineata  carmine 
rebusque  suis  memorabilibus  illustrata*  uns  liefert,  das  im  Jahre  1614 
erschien. 

Wir  geben  zum  Vergleiche  als  Anhang  einige  Stellen  aus  der 
Schilderung  der  Stadt,  wie  sie  Tichtenbaum  uns  überliefert. 

Die  Klagen  des  Bürgermeisters   schienen   für   diesmal  fruchtlos 
gewesen    zu   sein;    wenigstens  hören   wir   nichts  von  einem  Erfolge 
derselben.     Doch  die  Aussiger  wussten,    dass   mit   einemmale  nicht 
gleich  Alles  erreicht  sein  könne,  ihre  Bitten  kehrten  wieder,  wie  uns 
das  nachstehende  Gesuch  an  den  Kaiser  vom  Jahre  1604  beweist  *)• 
^AUergnädigister  Kaiser   und   Herr.    Eur  kai:   und   kün:  Matt: 
können  und  wollen  wir  arme  Unterthanen  supplicando  unterthänigist 
und  gehorsamist  zu  vermelden  Umbgang   nicht  haben,    was  massen 
Eu:    kai:   und  kün:  Mt:  Gräinzstadt  Aussig   an   der  Elbe   in   diesen 
betrübten,    schweren   und   sorglichen    Zeiten,    nicht    allein   an   ihrer 
bürgerlichen  Nahrung,   besondern  und   vielmehr   an   ihrem  commun 
Gut  und  Einkommen  zu    nunmehr  fast   unsäglicher  Abneigung   und 
Schmälerung  gereicht,  dann  dieselbe  in  einer  gebürchigten  angustia 
und  steinichten  situ  erbaut  und   gelegt,   gar   keine  Forberge,   Brau- 
häuser und  sonsten  fast  kein  Einkommen   dann  durch  das  aerarium 
publicum  gemehrt  und  erhalten  werden  künnte,  als  allein  das  einzige 
und  auch  geringe  Zollgefall   aufm  Eibstrome   hat.     Darzue  muessen 
Eu:  kai:  Mt:  Curieren  wir,  wann  selber  anhero  gelangt,  ins  Land  zu 
Meissen  und  weiter  über   unser  Vermögen   ein  Ross   leihen,   darzue 
wir  sonsten  nicht  gepflichtet,  und  wir  davon  wenig  haben,  als  dass 
das  Ross  bisweilen  so  abgemattet,  dass  es  etliche  Zeit  in  anderweit 
zur  Arbeit  nicht  zu  gebrauchen,    dagegen  haben   wir  mit  schweren 
Expensen  und  Ausgaben  in  baulichen  Wesen   zu    erhalten   die  alte 
Stadtmauer  sambt  ihrer  baufälligen  Pasteien,  Rathhaus,  Schulen,  Bad- 
stuben und  andere  Gemeinhäuser,  item  den^Caplan,  Stadtschreiber, 
Schuldiener,  burgermeisterlichen  Diener,  Wächter  auf  der  Stadtmauer, 
in  der  Stadt  und  Kirchenthurm  und  dergleichen  andere  zue  besolden, 
darzue  sich  das  commun  Gut  gar  nicht  erstrecken  will  und  von  Tag 
zu  Tag  ärger  wird,  dann  ob  schon  einer  tempore  pacis  da  der  Haupt- 

»)  StatthaltereiArch.  Prag,  AI.   13. 


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77 

feind  der  Christenheit  Ungern  und  anderer  Länder  noch  nicht  so 
fast  infestirt  in  vorgefallener  Noth,  das  commune  Aerarium  zu  er- 
halten unter  einander  ein  Auslag  und  Geschoss  angelegt;  so  will 
doch  solches  itziger  Zeit  (dardurch  mächtige  Pendirung  der  Türken- 
steuer so  viel  Jahr  die  Bürgerschaft  an  ihrem  Vermögen  ganz  und 
gar  erschöpft)  nicht  mehr  sein,  dass  wir  selbig  mit  einiger  solcher 
Anlag  ferners  beschweren  sollten,  weil  sie  sonsten  in  Verrichtung 
dero  Contributionen  mit  Kummer,  Mühe  und  Sorg  genugsam  zu 
thun  haben. 

In  diesem  defectu  und  inopia  aerarii  p\;fclici  fliehen  zu  Euer 
röm:  kai:  und  kün:  Maitt:  unseren  allergnädigsten  Kaiser,  Künig  und 
Herrn,  wir,  tanquam  ad  sacram  anchoram  unterthänigist  gehorsamist 
bittende,  dieselb  geruhe  in  Erweigerung  (sie)  oben  angeführter  wahr- 
haften Motiven  uns  Rathmanne  der  Stadt  Aussig  an  der  Eiben  im 
Namen  und  zu  Händen  ganzer  Commun,  dass  wir  pro  auctione  ge- 
meinen Einkommens  und  Erhaltung  der  Stadt  gemeinen  Gebäuden 
und  Diener,  von  dato  3  Jahr,  jedes  Jahr  2  Schiff  Getreide  (wir  kaufen 
auch  solches,  wo  wir  wollen)  bei  jeder  Zoll-  und  Mauthstelle,  so 
damit  berührt  würde,  frei  und  ohne  Zollesverrichtung  den  Elbstromb 
hinab  ins  Land  zu  Meissen  zu  führen  haben  möchten,  allergnädigst 
befreien  und  begnaden,  vor  solche  Guetthat,  Gott  der  Allmächtige, 
in  welches  Händen  der  Khünige  Herz  ist.  Euer  kai:  und  kün:  Mtt: 
mit  freudenreicher,  glückseliger,  fröhlicher  Victoria  und  Triumphe 
über  den  blutdurstigen  Erbfeind  christliches  Namens,  den  Türken, 
ein  Belohner  existirn,  sein  und  bleiben  wird.  In  diesem  Schutz  und 
Schirm  Euer:  kai:  und  kün:  Mtt:  wir  unterthänigst  und  gehorsamist 
befehlen,  umb  eheste  Erledigung  der  Supplication  bittende. 
Euer  röm:  kai:  und  kün:  Mtt: 

unterthänigste  gehorsamiste 
Burgermeister  und  Rathmanne  der  Stadt  Aussig 
an  der  Elbe.* 

Dass  die  Aussiger  auch  im  Verkehr  mit  den  Nachbarstädten, 
namentlich  ihrer  Nebenbuhlerin  Leitmeritz  immer  auf  den  eigenen 
Vortheil  bedacht  waren,  ist  begreiflich;  dass  sie  dabei  nicht  immer 
Recht  und  Unrecht  scharf  von  einander  zu  trennen  wussten,  ein 
bedeutsames  Zeichen  der  Zeit.  Als  die  Leitmeritzer  mit  Adam  von 
Waldstein,  dem  Besitzer  von  Lobositz,  in  argen  Streit  geriethen  und 


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dabei  den  Kürzeren  zogen,  und  zu  gleicher  Zeit  Getreidehändler, 
die  Gelegenheit  benützend,  ohne  Rücksicht  auf  die  kaiserlichen  Be- 
fehle, in  und  unterhalb  Lobositz  laden  liessen,  ohne  die  Waare  zu 
verzollen,  drückten  die  Aussiger  ruhig  beide  Augen  zu,  uneingedenk 
der  Verpflichtung,  scharfer  Controle  zu  pflegen,  dass  alle  Schiffe  den 
festgesetzten  Zoll  auch  erlegten;  galt  der  Verlust  doch  der  Nach- 
barschaft, nicht  ihnen.  Dagegen  waren  sie  recht  wohl  auf  den  eigenen 
Gewinn  bedacht,  als  sie  am  4.  August  1610  an  die  Stadt  Leitmeritz 
das  Dorf  Zalesl  verkauften  *).  Wie  wir  gehört,  hatten  sie  dieses  Dorf 
sammt  Podleschin  und  Hrwalow  um  9000  Seh.  erkauft;  jetzt  erhielten 
sie  für  Zalesl  allein  den  einstigen  Kaufpreis  von  9000  Seh.,  gaben 
aber  dabei  doch  nicht  alle  Anrechte  frei,  sondern  behielten  sich, 
wie  es  in  der  betreffenden  Urkunde  ausdrücklich  heisst,  vor,  dass 
,alle  und  ein  jeder  der  Bewohner  und  Bürger  der  Stadt  Aussig,  wie 
früher  seit  altersher  so  auch  für  alle  künftige  Zeiten  und  für  die 
Ewigkeit  die  Macht  und  das  Recht  haben  sollte,  sei  es  nach  Leit- 
meritz auf  den  kleinen  Getreidemarkt,  oder  an  allen  und  einem  jeden 
Ufer  zwischen  Leitmeritz  und  Aussig,  wo  immer  es  ihnen  belieben 
würde,  und  welchen  Namen  immer  diese  Ufer  haben  mögen,  nicht 
nur  alle  Koch-  und  Küchenwaaren,  sondern  auch  jegliches  Getreide 
auf  Schiffe  zu  laden  und  einzukaufen,  in  Leitmeritz  aber  und  in  Zalesl 
ohne  jeglichen  Zoll  und  Verhinderung  frei  zu  passiren;  doch  sollten 
nur  jene  frei  vom  Zolle  sein,  welche  Getreide  zu  ihrer  eigenen  Noth- 
durft  kaufen  und  verschiffen,  diejenigen  aber,  so  mit  dem  Getreide 
Handel  treiben  und  vom  Bürgermeisteramte  Aussig  keinen  ,Zettel' 
mit  dem  Ingesiegel  der  Stadt  hätten,  sollten  verpflichtet  sein,  den 
gewöhnlichen  Zoll  zu  erlegen.*  Die  beiden,  Aussig  noch  gebliebenen 
Dörfer  Podleschin  und  Hrwalow  verkaufte  die  Stadt  Mittwoch  nach 
dem  Sonntag  Cantate,  d.  i.  den  23.  Mai  1612  an  Heinrich  von  Bünau 
aufTetschen  und  Bodenbach  um  einen  Betrag  von  12.500  Seh.') 

So  sehen  wir  also,  wie  das  Gemeinwesen  Aussigs  immer  kräftiger, 
blühender  sich  gestaltet  und  trotz  mancher  harten  Kämpfe  innerlich 
immer  mehr  sich  festigt.  Auch  Graupen,  die  nächst  bedeutende  Stadt 
unseres  Gebietes,  hat  in  dem  Jahrhundert  der  Reformation  fast  un- 
unterbrochene Kämpfe   um   seine  Freiheit   zu   bestehen;    die   unter- 


1)  Landt.  185,  L.  21. 
>)  Landt.   186.  P,  21. 


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thänige  Stadt  wird  zur  königlichen,  um  abermals  unterthänig  zu 
werden,  rafft  sich  dann  wieder  empor  zur  freien,  kaiserlichen;  aber 
die  Ungunst  des  Schicksals  vereitelt  all  ihre  Hoffnungen  und  Pläne 
und  Wünsche:  sie  muss  sich  wieder  zur  Unterthänigkeit  bequemen. 
Fast  ununterbrochen  wechseln  die  Besitzer,  kein  Jahr  beinahe  ver- 
geht ohne  Sorgen  und  Bangen,  ohne  Angst  und  Verzweiflung,  und 
unter  all  den  misslichen  Verhältnissen  versteht  es  der  Rath  doch, 
das  Wohl  seiner  Bürger  zu  wahren,  dass  dieselben  nach  Verlauf 
dieses  Zeitraumes  keine  Einbusse  erlitten  haben  in  ihrem  Wohlstande, 
dass  Handwerk  und  Gewerbe  blühen,  vor  Allem  der  Bergbau. 

Vor  Allem  der  Bergbau  I  Graupen  war  als  Bergstadt  gegründet 
worden,  schon  das  13.  Jahrhundert  kennt  den  Reichthum  seiner 
Gewerke.  Aber  der  beständige  Wechsel  der  Besitzer  im  Anfange 
des  16.  Jahrhunderts  konnte  unmöglich  zu  Gunsten  des  Betriebes 
derselben  ausschlagen.  Zu  dieser  Zeit  war  Albrecht  von  Kolowrat 
Besitzer  der  Stadt;  aber  er  starb  plötzlich  am  25.  Mai  15 10  und 
Frau  Anna  von  Kowan  übernahm  auf  Lebenszeit  die  Herrschaft  zu 
ihrem  Nutzgenusse.  Auch  sie  erfreute  sich  nicht  lange  des  Besitzes, 
im  Jahre  darauf  übergab  sie  denselben  ihren  beiden  ^^ Söhnen*,  Johann 
und  iBernhard  von  Waldstein.  Am  7.  September  15 17  starb  Bern- 
hard mit  Hinterlassung  zweier  Söhne,  Albert  und  Johann;  Johann 
der  Aeltere  trat  damit  in  den  Alleinbesitz  der  Herrschaft  Graupen. 
Die  Gemeinde  war  inzwischen  bereits  so  weit  heruntergekommen, 
dass  man  nicht  einmal  mehr  so  viel  Geld  in  der  Stadtcasse  hatte, 
um  die  Zimmerleute  zu  bezahlen,  welche  den  städtischen  Röhrkasten 
auszubessern  hatten,  oder  dem  gewesenen  Stadtschreiber  seine  seit 
Jahren  ausstehende  Besoldung  zu  begleichen.  Der  Stadtrath  musste 
in  Folge  dessen  selbst  geistliche  Gelder  angreifen,  um  nur  den 
drängendsten  Gläubigern  gerecht  zu  werden.  Aber  es  war  noch  nicht 
genug;  im  Jahre  1523  verkaufte  Johann  der  Aeltere  von  Waldstein 
die  Herrschaft  an  die  Brüder  Joachim,  Bernhard  und  Georg  von 
Maltzan,  welche  sie  aber  bereits  am  27.  Mai  1529  an  König  Ferdi- 
nand I.  wieder  verkauften.  Die  nunmehr  königl.  Stadt  hatte  sich 
dieses  Titels  und  der  damit  errungenen  Freiheit  freilich  nur  kurze 
Zeit  zu  erfreuen ;  das  nächste  Jahr  schon  übergibt  der  König  Graupen 
an  Zdenek  Leo  von  Rozmital  als  erbliches  Kaufgut,  nach  dessen  Tode 
(1535)  sein  Sohn  Adam  das  Gut  übernimmt,  um  es  zwei  Jahre  später 
an  Wenzel  von  Wartenberg  zu  veräussem.  Als  derselbe  im  Jahre  1547 


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sich  an  die  Seite  der  Gegner  des  Königs  stellt,  verfallt  sein  ganzer 
Besitz  und  schon  am  l8.  August  d.  J.  ist  Graupen  abernnals  als 
königlicher  Besitz  in  der  Landtafel  intabulirt.  Doch  der  König  kann 
sich  wenig  um  seine  Herrschaft  kümmern ;  er  überlässt  dieselbe  der 
Schutzherrschaft  des  Hauptmanns  auf  der  Prager  Burg,  Wolf  von 
Wrschesowitz,  nach  dessen  Tode  (1569)  sein  Bruder  Bernhard  zugleich 
mit  seinen  Nichten  Anna  Barbara  und  Magdalena  von  Wrschesowitz 
den  Besitz  der  Schutzherrschaft  antreten.  Die  nach  Bernhards  Tode 
entstehenden  Wirren  benützt  die  Gemeinde,  sich  selbst  zur  Herrin 
zu  machen,  sie  wird  zur  ^^ kaiserlichen,  freien*  Bergstadt.  Diese  Zeit 
ist  die  glücklichste  der  Stadt,  aber  wie  alles  Glück  nur  von  kurzer 
Dauer.  Kaiser  Rudolf,  der  Schöpfer  ihrer  Freiheit,  stirbt  und  Mathias, 
sein  Nachfolger,  übergibt,  ungeachtet  aller  Privilegien  der  Stadt, 
seinem  Oberstburggrafen  Adam  von  Sternberg  die  Herrschaft  als 
Geschenk  (161 5).  Alle  städtischen  Versuche,  die  alte  Freiheit  sich 
wieder  zu  erringen,  sind  vergeblich;  der  Process  gegen  die  Grafen 
von  Sternberg  dauert  ein  Jahrhundert,  um  resultatlos  für  die  Stadt 
zu  enden. 

Das  Bergwerk  zu  Graupen  hatte  im  Laufe  der  Jahrhunderte  an 
Ansehen  und  Bedeutung  stetig  zugenommen.  War  es  doch  das  einzige 
bis  dahin  bekannte  Zinnbergwerk  Böhmens.  Die  Ausfuhr  steigerte 
sich  von  Jahr  zu  Jahr,  das  Erträgniss  desselben  bildete  eine  reiche 
Einnahmsquelle  für  die  Stadt.  Da  plötzlich  gebot  König  Wladislaw, 
,dass  kein  Silber  und  Erz,  wie  das  Namen  hätte,  in  andere  Lande 
zu  fuhren  sollte  gestattet  werden*.  Das  war  ein  harter  Schlag  für 
das  Bergwerk,  das  fortan  zu  kranken  begann  und  sich  auf  der  bis 
jetzt  erreichten  Höhe  nicht  mehr  zu  behaupten  vermochte.  War  ihm 
durch  das  Verbot  der  Ausfuhr  seine  Hauptlebensader  abgeschnitten, 
so  musste  die  Sache  um  so  schlimmer  werden,  als  im  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts  rings  in  der  Gegend  neue  Zinnwerke  erstanden, 
welche  Graupen  ernste  Nebenbuhler  wurden  und  auf  Kosten  der 
Gegnerin  rasch  zu  bedeutender  Blüthe  gelangten.  Kupferberg,  Blei- 
stadt, Katharinaberg,  Platten,  Gottesgab,  Klostergrab  entstanden 
damals  oder  kamen  zu  neuer  Entfaltung;  auch  im  sächsischen  Frei- 
berg wurde  auf  Zinn  gebaut.  Es  hätte  anders  werden  können,  als 
Bernhard  von  Waldstein  in  den  Besitz  der  Herrschaft  kam;  als 
einstiger  Oberstmünzmeister  Böhmens  war  er  im  Bergwesen  wohl 
bewandert   und   hätte  es  verstanden,    den  Graupner  Gewerken   aufs 


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Neue  aufzuhelfen,  wenn  er  in  diesem  Bestreben  auch  auf  Unter- 
stützung von  Seiten  des  Königs  hätte  rechnen  können.  Aber  dem 
war  nicht  so.  Trotz  des  bestehenden  Ausfuhrverbotes  liessen  die 
Gewerke  auf  Münlzerzeche  ununterbrochen  Zinn  ausfuhren,  und  als 
man  endlich  ihnen  gegenüber  zu  strengeren  Massregeln  zu  greifen 
sich  veranlasst  sah,  liessen  sie,  die  zumeist  Ausländer  waren,  die 
gewonnenen  Zwitter  einfach  liegen^  ohne  sie  aufzubereiten,  wodurch 
die  Gemeinde  natürlich  wieder  einen  namhaften  Verlust  durch  den 
ihr  so  entgehenden  Zehnten  erlitt.  Bernhard  von  Waldstein  klagte 
dessentwegen  beim  Könige,  ohne  jedoch  Recht  zu  finden;  lange 
Jahre  zog  sich  die  strittige  Angelegenheit  hin,  bis  endlich  Bernhard 
nachgeben  musste.  Von  Haus  aus  wenig  begütert,  konnte  er  an- 
dauernde Verluste  nicht  ertragen ;  das  Ende  war,  dass  die  Gewerke 
ihm  und  seinem  Bruder  5000  ü.  vorstreckten.  Damit  war  die  An- 
gelegenheit auf  lange  Zeit  wieder  beigelegt  und  Alles  blieb  beim 
Alten. 

Neuerdings  schien  Hoffnung  auf  Besserung  der  Dinge,  als  Graupen 
königlich  geworden  und  im  Jahre  1549  daselbst  die  Zinnablösung 
eingeführt  wurde.  Zwischen  dem  Könige  und  den  Gewerken  kam 
ein  Zinnkauf  auf  10  Jahre  zu  Stande,  kraft  dessen  jeder  Centner 
Zinn,  darauf  noch  kein  , Verlag*  genommen,  um  18 Vi,  der  Centner, 
auf  den  ein  , Verlag*  empfangen,  um  18  fl.  solle  geliefert  werden. 
Die  Zahlung  sollte  durch  kaiserliche  Verordnete  stets  im  baren  Gelde 
geschehen  und  auch  auf  die  minder  reichen  Gewerke  war  Bedacht 
genommen,  dass  sie  nicht  irgendwie  zu  Schaden  kämen.  Diese  Aus- 
sichten waren  gewiss  vielversprechend,  zumal  in  jener  Zeit  gerade 
von  Augsburg  und  Nürnberg  viel  Nachfrage  nach  Graupner  Zinn 
geschah.  Doch  auch  diese  Hoffnung  erwies  sich  als  trügerisch. 
Bald  ertönt  wieder  die  Klage,  dass  die  Gewerke  grösstentheils  arm 
und  ausser  Stande  seien,  etwas  Neues  zu  unternehmen.  Dazu  ge- 
sellten sich  als  eine  neue  Last  die  Quatembergelder,  deren  Zahlung 
den  Gewerken  bald  unmöglich  ward,  und  Streitigkeiten  mit  dem 
königl.  Verwalter.  Wenn  die  Zahlung  der  Quatembergelder  auch 
bald  dahin  geregelt  war,  dass  nur  dort,  wo  die  Gänge  in  die  Teufe 
führten,  Quatembergelder  zu  zahlen  seien,  das  Uebrige  alles  aber 
frei  wäre,  so  war  damit  doch  auch  nicht  für  einen  neuen  Aufschwung 
des  Bergwerks  genug  gethan;  im  Gegentheil.  Das  zum  Theü  auf- 
gehobene Verbot  der  Ausfuhr  hatte  Gelegenheit  geboten  zu  Unter- 


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schleif;  es  wurde  eine  Menge  Zinn  ausgeführt,  ohne  dass  der  Zehent 
davon  wäre  entrichtet  worden,  und  selbst  der  königl.  Bergmeister 
hatte  dem  unredlichen  Gebahren  Vorschub  geleistet.  So  kam  es, 
dass  neuerdings  das  strengste  Verbot,  Zinn  auszuführen,  erfloss ;  da- 
mit Hand  in  Hand  ein  neuerliches  Sinken  im  Bergbau.  Die  Com- 
mission  des  Jahres  1581  wusste  nicht  trübe  genug  zu  schildern,  wie 
schlimm  es  mit  Graupen  bestellt«  sei,  da  die  Gewerbe  so  hart  be- 
drückt wären ;  aber  auf  einen  Erfolg  konnte  auch  sie  nicht  hinweisen. 
Erst  im  Jahre  1596  und  nachdem  man  seither  öfters  Commissionen 
nach  Graupen  entsandt  hatte,  die  für  die  richtige  Gebahrung  Sorge 
tragen  sollten,  zeigte  sich  wieder  grössere  Hoffnung ;  bis  zum  Jahre 
16 19  hält  dieser  Aufschwung  an:  an  Zinn  allein  wurden  damals 
562  Centner  gewonnen;  von  da  sinkt  diese  Summe  immer  tiefer; 
mit  dem  Bergwerke  Graupen  geht  es  nunmehr  auf  Jahrzehnte  hinaus 
immer  bergab. 

Ein  Wunder,  wie  bei  dem  allen  der  Besitzstand  der  Gemeinde 
nicht  nur  nicht  abnahm,  sondern  von  Jahr  zu  Jahr  an  Umfang  zu- 
nahm. Wir  haben  bereits  erwähnt,  wie  elend  die  Verhältnisse  der 
Stadt  zu  Anfang  des  Jahrhundertes  waren,  so  elend,  dass  selbst 
geistliche  Gelder  in  Anspruch  genommen  werden  mussten.  Eine 
Aenderung  der  Verhältnisse  war  nicht  früher  abzusehen,  bis  die 
Gemeinde  selbst  eine  grössere  Selbstständigkeit  und  Freiheit  der 
Obrigkeit  gegenüber  sich  gesichert  haben  würde.  Und  in  der  That, 
all  ihr  Streben  war  darauf  gerichtet,  eine  bessere,  freiere  Stellung  zu 
erreichen.  Wie  nach  der  Freiheit  vom  Drucke  der  römischen  Kirche, 
so  strebte  auch  nach  persönlicher  Freiheit  und  Unabhängigkeit  der 
Geist  des  Jahrhunderts.  Die  Schranken  mussten  erst  fallen,  bevor 
an  ein  lebensfrohes  Gedeihen  zu  denken  war.  Aber  freilich,  gar  so 
leicht  wurde  der  Kampf  nicht.  Galt  es  doch,  gegen  einen  selbst- 
süchtigen Adel  anzukämpfen,  der,  je  mehr  er  an  innerem  Werthe 
verloren  hatte,  um  so  eifriger  bestrebt  war,  seine  Position  durch 
Willkür  und  Bedrückung  zu  behaupten.  Die  Ausnahmen  von  dieser 
Regel  gehören  zu  den  seltenen  Erscheinungen,  sie  zeigen  sich  zu- 
meist nur  dort,  wo  auch  der  Adel  die  Grundsätze  Luther's  zu  den 
seinen  gemacht  hatte;  der  katholische  Adel  blieb  hart  und  eigen- 
nützig und  stolz,  wie  immer. 

Gewaltige  Freude  herrschte  in  Graupen,  als  das  Jahr  1529  die 
Stadt  zur  königlichen  gemacht  hatte.  Glaubte  man  sich  doch  bereits 


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dem  Ziele  aller  Wünsche  nahe  und  vom  Drucke  befreit  für  alle  Zeit. 
Das  Jahr  darauf  brachte  die  Enttäuschung,  die  Stadt  wurde  wieder 
unterthänig;  an  eine  Besserung  der  Finanzen  war  vorab  nicht  zu 
denken,  wenn  man  sich  auch  die  erdenklichste  Mühe  gab.  Dazu 
kam  noch,  dass  im  Jahre  1538  eine  Feuersbrunst  ausbrach,  welche 
die  Spitalkirche, .  die  Badstube  und  27  Häuser  in  Asche  legte.  Der 
Schlag  war  hart,  blieb  aber  nicht  der  einzige.  Wenzel  von  Warten- 
berg, der  nunmehrige  Herr,  nahm  eine  Anzahl  von  Wiesen,  die  in 
früheren  Jahren  Timo  von  Kolditz  der  Stadt  unentgeltlich  als  Weide- 
platz überlassen  hatte,  als  sein  Eigenthum  in  Anspruch,  trotzdem 
selbst  König  Ferdinand  I.  die  Stadt  neuerdings  in  allen  ihren  Rechten 
bestätigt  hatte.  So  ging  es  Jahre  lang  weiter,  die  Gemeinde  ver- 
armte zusehends. 

Erst  das  Jahr  1547  sollte  eine  Aenderung  bringen;  Graupen 
wurde  abermals  königlich,  um  nahezu  ein  Jahrhundert  frei  von  jedem 
Drucke  zu  bleiben.  Die  Schutzherrschaft  unter  Wolf  von  Wrscheso- 
witz  war  eine  milde  und  gerechte,  die  den  Bürgern  in  ihrem  Streben 
nach  Selbstständigkeit  nirgends  in  den  Weg  trat.  Bald  sollte  sich 
denn  auch  die  Wohlthat  der  königlichen  Regierung  zeigen,  in  kurzer 
Zeit  hatten  sich  die  städtischen  Finanzen  Dank  der  vereinten  An- 
strengung Aller  so  weit  gehoben,  dass  die  Gemeinde  daran  denken 
konnte,  ein  eigen  Besitzthum  sich  zu  erwerben.  Der  Althof  unter 
der  Stadt  wurde  im  Jahre  1552  erkauft,  parcellirt  und  an  verschiedene 
Familien  der  Stadt  um  einen  jährlichen  Zins  verpachtet.  Wolf  von 
Wrschesowitz  that  noch  ein  Uebriges,  indem  er  den  Obergraupnern 
ein  ziemlich  bedeutendes  Stück  Grund  als  Hutweide  gegen  einen 
Zins  von  48  kl.  Gr.,  die  nach  Graupen  zu  zahlen  waren,  überliess 
und  ausserdem  die  Holzpreise  um  ein  Bedeutendes  herabminderte, 
eine  Wohlthat,  die  bei  dem  grossen  Bedarfe  der  Stadt  an  Holz  nicht 
wenig  ins  Gewicht  fallt. 

Und  immer  günstiger  gestaltete  sich  der  Wohlstand  der  Ge- 
meinde. Je  geeinigter  die  Stadt  wurde  im  Glauben,  um  so  blühender 
entfaltete  sie  sich ;  es  war,  als  ruhe  ein  Segen  auf  ihr.  Vertrauend 
auf  die  Gerechtigkeitsliebe  der  neuen  Regierung,  wandte  sich  die 
Gemeinde  an  Wrschesowitz  mit  der  Bitte  um  Rückstellung  der  ihr 
von  Wenzel  von  Wartenberg  widerrechtlich  entzogenen  Gründe; 
schon  am  31.  August  1562  war  dieser  Wunsch  erfüllt.  Zwar  sollten 
die  einmal  zinsbar  gemachten  Stücke  beim  Schloss  Graupen  ewiglich 


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verbleiben,  doch  , unbeschadet  derjenigen,  die  solche  Räume  und 
Gärten  jetzt  innehaben,  oder  zukünftiger  Zeit  innehaben  würden, 
und  jenseits  des  Wassers,  so  im  ,Grunde'  hereinfliesst,  wohnen*,  da- 
gegen sollten  die  Gemeindeangehörigen  allen  übrigen  Grund  unge- 
hindert zu  ihrem  besten  Nutz,  mit  Viehtrift,  Hütung,  Holz  und 
anderer  Nothdurft  nützen,  brauchen  und  geniessen ;.  zum  Ersatz  aber 
für  die  abgezogenen  Gründe  wurde  den  Graupnem  und  allen  ihren 
Nachkömmlingen  gegeben  ,das  Stücklein,  welches  mit  Fahrwegen  an 
einer  Seite  nach  dem  Prussensberge  zu,  an  der  andern  von  Sämlein 
umfangen*,  das  sie  ,als  ihr  eigen  und  proprer  Gut  ihres  Gefallens, 
von  männiglich  ungehindert*,  geniessen  und  gebrauchen  sollten.  Das 
war  der  erste  Grundstein  zum  Besitze  der  Stadt,  dessen  Einkünfte 
noch  heutigen  Tags  die  brauberechtigte  Bürgerschaft  Graupens  bezieht. 

Immer  weiter  dehnen  sich  die  Gründe  der  Gemeinde.  Das  Vor- 
werk zur  Scheune  wurde  von  Valten  Wagner  um  24  Schock  erstanden, 
desgleichen  1571  die  grosse  Mühle  unter  der  Stadt  um  250  Seh., 
eine  Wiese  in  den  Modlaner  Weiden,  zwei  Gärtchen  an  der  Mühl- 
scheibe gelegen  und  ein  grosser  Garten  zwischen  den  zwei  Mühlen, 
sowie  ein  Weingarten.  Das  Jahr  1579  brachte  einen  weiteren  Besitz 
in  dem  Dorfe  Soborten,  das  j^mit  aller  Macht  und  Herrlichkeit*  um 
134  Seh.  Gr.  m.  der  Stadt  zu  eigen  ward.  Das  Jahr  darauf  überlässt 
die  Gemeinde  dem  Kaiser  Rudolf  den'  Bierschank  in  den  Dörfern 
Schönwald,  auf  dem  Kratzhammer,  Nollendorf,  Auschine,  Arbesau, 
Schanda  und  Wiklitz,  erhält  aber  dafür  den  Hof  Kirchlitz  mit  zwei 
kleinen  Samenteichen,  einen  Weingarten  über  der  Stadt,  die  Fleischer- 
wiese, sowie  ein  alt  Gemäuer,  wo  vor  alters  ein  Malzhaus  gewesen, 
und  ein  Stück  Waldes;  ein  Vertrag,  durch  den  die  Stadt  nur  ge- 
winnen konnte. 

Den  Höbepunkt  städtischer  Entwicklung  erreichen  wir  mit  dem 
Jahre  1584,  in  welchem  eine  kaiserliche  Commission  der  Gemeinde 
die  Dörfer  Zinnwald,  Voitsdorf,  Obergraupen,  Rosenthal  und  Bie- 
hanken  mit  voller  Herrlichkeit  um  2718  V«  Seh.  b.  Gr.  verkauft,  und 
in  einem  zweiten  Kaufvertrage  aus  dem  gleichen  Jahre  auch  ein 
Stück  Wald  und  Wasser  um  825  Seh.  b.  Gr.  überlässt.  FreUich  hatte 
sich  die  Gemeinde  damit  über  ihre  Kräfte  angestrengt.  Der  Kauf- 
preis war  für  sie  ein  zu  grosser,  wenigstens  für  den  Augenblick  nicht 
zu  erschwingen.  Als  aber  die  Commissäre  auf  Zahlung  des  Kauf- 
schillings drangen  und  zugleich  drohten,  im  anderen  Falle  den  Kauf 


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rückgängig  zu  machen,  musste  sich  die  Stadt,  so  hart  es  ihr  auch 
ankommen  mochte,  entschliessen,  einen  Theil  des  eben  Erworbenen, 
die  Dörfer  Zinnwald,  Voitsdorf,  Biehanken  und  Soborten,  an  Adam 
Hrsan  von  Harras  um  2574  Seh.  m.  wieder  zu  veräussern.  So  war 
die  Herrschaft  der  Stadt  zwar  auf  ein  weit  geringeres  Gebiet  einge- 
schränkt, als  man  ursprünglich  geplant  hatte,  aber  um  so  leichter 
Hess  dieses  sich  verwalten,  um  so  besser  konnte  man  auf  dessen 
Wohlfahrt  Bedacht  nehmen.  Und  der  Magistrat  versäumte  in  dieser 
Hinsicht  seine  Pflicht  keineswegs.  Rasch  ging  er  daran,  fiir  Rosen- 
thal eine  Gerichtsordnung  zu  schaffen,  die  1590  zustande  kam,  und 
auch  für  Obergraupen  wurde  eine  ähnliche  festgesetzt.  Erwähnen 
wollen  wir  aus  der  ersteren  —  die  zweite  hat  sich  nicht  erhalten  — 
nachstehende  Punkte :  Das  Spielen  bei  den  Nachbarn  um  Geld  oder 
Geldeswerth  ist  verboten  bei  Tag  oder  Nacht;  ingleichen  das  un- 
ehrliche Tanzen,  ,das  geschieht  mit  dem  Vordrehen,  daraus  allerlei 
Unzucht  erfolgt*,  bei  Strafe  von  i  Seh.  Gr.  für  den  Tänzer,  als  auch 
die  Tänzerin,  sie  sei  Jungfrau  oder  Weib  (Art.  11,  12).  ,Bei  Pön  und 
Strafe  2  Schock  Gr.,  dass  keiner  einen  Wachholderstrauch  in  der 
Gemeinde  abhauen,  sondern  Jeder  dieselben  hegen  solle*. 

Im  Jahre  1594  konnte  die  Gemeinde  auch  wieder  den  an  Ma- 
thilde von  Sahlhausen  verpfändeten  Althof  auslösen;  das  Gütchen 
wurde  in  Parcellen  getheilt  und  an  Bürger  der  Stadt  um  einen  ,ewig* 
bestimmten  Zins  verkauft.  Wie  sehr  man  besorgt  war,  dass  die  Güter 
auch  wirklich  für  immer  im  Besitze  von  Bürgern  blieben,  zugleich, 
wie  sehr  der  Gegensatz  zwischen  der  selbstbewussten,  freien  Bürger- 
schaft und  dem  stolzen  Adel  sich  zugespitzt  hatte,  zeigt  der  Schluss- 
satz dieses  Vertrages,  worin  sich  alle  Käufer  der  Gemeinde  gegen- 
über verpflichten  mussten,  ,dass  Keiner,  so  dero  Erbstücke  eines 
erblich  an  sich  gebracht,  sowol  ihre  Erben  und  Nachkommen  weder 
eines  noch  keines  von  den  durch  die  Gemeinde  verkauften  Erbstücken 
durchaus  keinem  vom  Adel,  er  wäre  gleich  in  oder  ausser  dieser 
hiesigen  Bürgerschaft  und  Jurisdiction,  nicht  verpfänden,  versetzen, 
verkaufen,  vertestiren  oder  wie  das  Menschenlist,  Geiz  und  Sinn 
erdenken  möchte,  heimlich  oder  öffentlich  zukommen  lassen  soll; 
ihnen  allein,  den  Inwohnern  dieser  Stadt,  so  nicht  des  Adels  und 
gleiche  Last  und  Bürde  mit  der  Gemeinde  allhier  tragen,  auch  zu 
Aemtern  der  Stadt  sich  gebrauchen  lassen,  soll  es  zu  kaufen  und 
an  sich  zu  bringen  freistehen  und  zugelassen  werden.* 


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So  lebte  die  Stadt  in  den  selbst  gezogenen  Grenzen  ein  be- 
scheidenes, aber  glückliches  Dasein;  sie  hatte  keine  Ahnung,  wie 
schnell  ihr  schöner  Traum  verfliegen  sollte.  Aber  das  Jahr  1615  kam 
und  brachte  den  Sturz,  die  Vernichtung  der  bürgerlichen  Freiheit. 
Kaiser  Mathias  hatte  Graupen  ungeachtet  all  ihrer  verbrieften  Rechte 
und  Freiheiten  seinem  Oberst burggrafen  Adam  von  Stemberg  ge- 
schenkt. Was  halfen  jetzt  alle  die  Opfer,  denen  die  Stadt  sich  unter- 
zogen, um  sich  frei  und  unabhängig  zu  machen ;  ein  einziges  Machtwort 
des  Kaisers  hatte  alle  Pläne  vernichtet ;  vergebens  alle  Anstrengungen, 
die  alte  Freiheit  wieder  zu  erringen.  Das  Wort  des  Kaisers  blieb 
aufrecht ;  die  Stadt  wurde  abermals  erbunterthänig  und  sah  vor  sich 
nichts  als  den  Niedergang  ihres  Wohlstandes,  eine  Reihe  von  Jahren 
voll  von  Elend  und  Kummer  und  Noth.  Und  diese  Aussicht,  sie 
sollte  sich  leider  erfüllen. 

Wir  wollen  noch  einen  Blick  werfen  auf  die  gewerblichen  Ver- 
hältnisse der  Stadt,  das  Handwerk.  Dass  auch  dieses  innigen  Antheil 
nahm  an  den  wechselvollen  Geschicken  der  Stadt,  ist  natürlich; 
hing  doch  vom  Wohle  der  Gemeinde  auch  sein  eigenes  Wohlergehen 
ab.  Die  Fleischer  und  Schmiede  waren  bereits  zu  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts zu  einer  Innung  zusammengetreten;  ihre  Innungsbriefe  da- 
tiren  vom  Jahre  1480;  ins  Jahr  15 11  fällt  die  Ordnung  der  Schuster, 
denen  der  Magistrat,  der  seit  1477  als  alleiniger  Leiter  des  Zunft- 
wesens galt,  den  Innungsbrief  in  ausfuhrlicher  Weise  vorschrieb; 
doch  war  derselbe  zugleich  mit  ihm  auch  von  Anna  von  Kowan 
mit  unterfertigt,  j^  Welcher  Geselle  aus  diesem  Handwerke  will  Meister 
werden,  der  muss  haben  eine  lederne  Haut  und  ein  Schaffell,  und 
aus  der  Haut  soll  er  seilen  ein  Paar  Halbschäfte  und  ein  Paar  Mittel- 
schäfte, zwei  Paar  Furfuss  und  zwei  Paar  Überschuh,  darzu  8  Paar 
Sohlen  und  Köder  (});  was  über  das,  ist  sein  Frommen.  Aus  dem 
Schaffell  soll  er  schneiden  wie  hernach  folget:  zum  ersten  ein  Paar 
geschnürte  Schuh  von  dreien  Stucken  als  Herrn  und  Burgern  ange- 
hört zu  tragen,  ein  Paar  Boslein,  ein  Paar  gesnirckelte  Schuh,  ein 
Paar  geschnürte  Frauenschuh  und  ein  Paar  Buntschuh  und  ein  Paar 
hohe  Frauenschuh  mit  Kneuffeln;  item  ein  Paar  gehefter  Stiefeln 
und  ein  Paar  Furstiefeln.*  ,Auch  soll  keiner  in  unser  Handwerk 
aufgenommen  werden,  der  do  gelernet  hat  in  einem  Dorfe,  sondern 
er  lerne  denn  in  einer  Stadt  nach  Gewohnheit  des  Handwerks.  Den 
nächsten  Sonntag  nach  Quatuortempora  kommen  sie  alle  zusammen 


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87 

und  ein  jeglicher  Meister  soll  i  Gr.  einlegen  und  am  selben  Sonntag 
sollen  sie  haben  eine  eigene  Stunde  oder  Zeit  und  welcher  zu  der- 
selben Stunde  nicht  kommet  in  ihre  Zeche,  wie  sie  die  Meister 
angesetzt  haben,  der  gebe  die  Buss  i  Pf.  Wachs.  Und  stirbt  ein 
Meister  oder  eine  Meisterin,  soll  man  den  Viermeistem  kundgeben, 
auf  dass  sie  umbgehen  lassen,  damit  ein  jeglicher  zur  Vigilia  komme 
und  zum  Begräbnis.*  Zank  und  Hader  wird  verboten.  ^So  einer 
Hader  anhebt  in  der  Zeche,  mag  er  i  Pfund  Wachs  büssen  oder 
auch  3  nach  der  Meister  Erkenntnis.*  Auch  soll  keiner  in  der  Zeche 
ein  Gewehr  bei  sich  haben.  Was  in  der  Zeche  verhandelt  wird, 
bleibt  Geheimnis,  so  aber  einer  im  Leuthaus  etwas  davon  offenbart, 
soll  er  geben  i  Pfund  Wachs.  »An  Frohnleichnam  soll  das  Hand- 
werk ein  gemein  Bier  haben  und  jeder  darzu  kommen;  so  aber 
einer  es  versäumet,  der  mag  das  gleiche  zahlen,  als  sei  er  dabei 
gewesen.* 

Aehnlich  mag  wohl  die  Ordnung  der  Bäcker  vom  Jahre  1565 
gewesen  sein,  doch  ist  uns  deren  Wortlaut  verloren  gegangen.  Auch 
die  der  Leineweber  vom  Jahre  1589  ähnelt  der  oben  besprochenen. 
Interessant  sind  die  Lohnbestimmungen:  ,Mit  dem  Lohne  vor  ihre 
Arbeit  soll  die  althergebrachte  Gleichmässigkeit  allenthalben  gehalten 
und  geübet  werden,  hiemit  sich  Niemands  der  Übersetzung  zu  be- 
schweren, als  nämlich,  was  Flachsenarbeit  ist,  aus  14,  15,  16,  17, 
18  Gängen  dem  Gezeuge  nach  von  S  Ellen  i  w.  Gr.,  aus  20,  21, 
22,  23  Gängen  von  2  Ellen  i  Gr.  m.  aus  24,  25,  26  Gängen  zu  4  '\^, 
aus  27,  28,  29  von  der  Elle  zu  5  ^,  aus  30,  31,  32,  33  zu  6  A, 
aus  34,  35,  36  zu  Groschen  und  was  höher  bis  auf  42  Gänge  von 
der  Elle  zu  9  'A.  Item  do  Jemand  nach  dem  Stucke  wollt  lassen 
arbeiten,  der  soll  von  i  Stuck  geben  5  Gr.  i  ^  und  wenn  das  Garn 
ungewunden  6  ^  davon  an  winden  geben.*  »Will  einer  Meister 
werden,  so  soll  er  sein  Meisterstück  machen,  wie  man  zweierlei  und 
dreierlei,  auch  viererlei  Garn  zusammenlege  und  mit  jeglichem  oder 
von  jeglichem  schere,  damit  es  zusammen  antworte,  und  keinem  um 
ein  Viertel  Leinwand  Unrecht  geschehe,  es  wäre  lange  oder  kurze 
Weifen.  Des  weiteren  soll  ein  neuer  Meister  machen  drei  Schock 
Ellen  Leinwand,  i  Schock  aus  20  Gängen,  das  andre  aus  30,  das 
dritte  aus  40  Gängen  und  solche  Arbeit,  besonders  aber  die  ,Salender' 
sollen  schlicht  sein  und  ohne  Tadel,  daran  kein  Fadenbruch  über 
3  Schüsse  zu  finden.* 


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88 

Auch  die  Tuchmacher  und  Schneider  erHielten  1605  unter  Auf- 
hebung ihres  alten  Innungsbriefes  eine  neue  Ordnung. 

Für  das  Schulwesen  wurde  Bedeutendes  gleichfalls  erst  gethan, 
als  der  evangelische  Glaube  festen  Fuss  gefasst  hatte.  Die  frühere 
Zeit  hatte  wenig  Sinn  für  Volksbildung  gehabt  und  dieselbe  für 
überflüssig  erachtet;  erst  als  die  Geister  durch  Luther  erwachten, 
durchwehte  auch  sie  ein  neuer  Hauch,  fühlten  auch  sie  den  Werth 
einer  Bildung,  die  alle  Schichten  des  Volkes  gleichmässig  durch- 
dränge. In  Graupen  erstand  unter  dem  Einfluss  der  protestantischen 
Geistlichkeit  eine  Lateinschule,  deren  Schulinstruction  vom  Jahre  1605 
uns  erhalten  ist.  Sie  ist  in  vieler  Hinsicht  interessant.  Einiges  aus 
ihr  sei  uns  hier  mitzutheilen  gestattet.  Die  ersten  Punkte  derselben 
gelten  den  Lehrern  selbst;  dem  Glauben  Luther's  sollen  sie  zuge- 
than  sein,  sollen  sich  aller  Gottesfurcht  und  Ehrbarkeit  befleissen, 
und  ihren  Schülern  überall  mit  gutem  Beispiel  vorangehen;  ihres 
Amts  sollen  sie  fleissig  walten  und  dabei  nicht  den  zeitlichen  Lohn 
ansehn,  sondern  einstmalen  des  ewigen  gewärtig  sein.  Die  Ruthe 
sollen  sie  mit  Mass  gebrauchen  an  Haupt  und  Leib,  mit  Schlagen 
und  Stossen  und  Treten  sollen  sie  die  Kinder  verschonen,  weil 
solches  ihnen  im  Alter  schädlich  und  nachtheilig  werden  könnte; 
wäre  aber  einer,  der  zum  Studiren  untüchtig  und  ungeschickt  wäre, 
soll  mans  den  Eltern  anzeigen,  damit  ihnen  nicht  vergeblich  Hoffnung 
gemacht  werde  und  sie  beizeiten  ins  Handwerk  könnten  gethan 
werden ;  alle  Jahr  soll  von  der  Schuljugend  eine  Comödie  aufgeführt 
werden.  Auch  findet  jährlich  im  Beisein  des  Pfarrherrn  und  einiger 
Rathspersonen  eine  öffentliche  Prüfung  statt.  Die  Hinweisung  auf 
den  ewigen  Lohn  war  allerdings  nöthig ;  der  zeitliche  betrug  fiir  den 
Schulmeister  wöchentlich  an  einem  Sonnabend  Vi  Thaler  und  alle 
Quartal  2  Thaler,  während  der  Cantor  wöchentlich  mit  12  w.  Gr. 
sich  zufrieden  geben  musste.  Ausserdem  gab  es  Schulpretia;  jedes 
Quartal  von  einem  jeden  Knaben  in  der  Classe  6  Id,  Gr.,  in  der 
2.  und  3.  Classe  und  die,  so  lesen  und  schreiben  können,  5  kl.  Gr. 
Die  A-B-Cdarii  und  die,  so  buchstabiren,  3  kl.  Gr.  Diese  pretia 
wurden  mit  den  Recordationes  an  Martini,  Nicolai  und  am  Tage 
trium  regum  unter  alle  drei  Lehrer  gleichmässig  vertheilt.  Am  Oster- 
feste und  zur  Kirch  weih  bringt  ein  jeder  Knabe  Kuchen  mit,  oder 
I  kl.  Gr.,  und  auch  diese  Gaben  werden  getheilt.  Ueber  das,  was  in 
der  Schule  gelehrt  wird,  und  es  ist  das  ziemlich  viel,   berichtet  der 


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ordo  lectionum,  den  wir  seiner  Weitläufigkeit  wegen  hier  nicht  mit- 
theilen können  und  diesbezüglich  daher  auf  unsere  Quelle  (Hallwich: 
Graupen  IL  79)  verweisen. 

Wir  haben  im  Vorhergehenden  abermals  ein  Bild  aus  dem  Jahr- 
hundert der  Reformation  zu  entwerfen  versucht,  einfach  und  schlicht, 
aber  lehrreich  für  uns  Alle.  Mögen  die  Protestanten,  die  heute  in 
dieser  Gegend  wohnen,  eingedenk  sein  der  Mahnung,  die  aus  diesem 
Bilde  ihnen  entgegenleuchtet :  Treu  einzustehen  im  Glauben  imd  bei- 
zutragen nach  besten  Kräften,  dass  der  protestantische  Glaube  wie 
einst  auch  jetzt  wieder  hier  erblühe  zum  Nutzen,  zur  Wohlfahrt  des 

Landes.  

Anssig  im  Anfang  des  17.  Jahrhonderts. 

Auszug  aus  Tichtenbaum:    Usta  ad  Albim  delineata  carmine  rebusque  suis  memo- 

rabilibus  iUustrata. 

Ampla  foro  in  medio  surgit  domus,  aere  senatus 
Exstructa  ingenti,  et  pulchro  domus  inclyta  cultu: 
Atra  macella  calent  subtus,  spumantia  turpi 
Caede  boum,  supra,  spaciosa  theatra,  decensque 
Triclinium,  aulaeis  radians  pictisque  tapetis, 
Regaliue  nitens  luxu;  locus  aptus  honori 
Grex  frateme  tuo,  scenisque  accommoda  sedes. 
Sub  tecto  tormenta,  enses  conduntur  et  hastae, 
Arma  urbis  miranda,  arcus,  clypeique  sonantes, 
Loricaeque,  cetraeque,  et  acuto  hastilia  ferro, 
Bombardae,  galeaeque  leues,  validaeque  bipennes. 
Anterior  tecti  fades  pulcherrima  signis 
Et  pictis  diuüm  formis;  dextra  arma  Bohaemi 
Clara  nitent  regni,  tali  subscripta  Camaenä: 

Dum  stat  uterque  Leo,  viget  Vrbs,  stat  uterque  Patronus : 
Vrbs  vige,  adesto  tuis  Caesar  uterque  diu. 
Postea  Christiparae  Genitricis  imago  MARIAE, 
Virginis  aethereae,  tali  signata  Poesi: 
Quae  te  principio,  quae  te  modo,  quaeque  per  euum 
Vrbs  colit,  hanc  gremio  Virgo  Patrona  foue. 
Tum  Venceslai.  regnique  Vrbisque  Patroni, 
Forma  decens  &  frontis  bonos  epigrammate  claret : 
Venceslae,  tuos  coluit  fratema  triumphos 
Vsque  cohorsy  signis  hanc  tueare  tuis. 

Jahrbuch  de«  Protestantismus  1887.  H.  11.  7 


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Arma  deinde,  loco  extremo,  Leo  candidus,  Vrbis 
Erectus,  galeä  tectus,  cristaque  superbus, 
Lorica  indutus  membra  anteriora  trilici 
Versibus  bis  subtus  splendent,  metrisque  duobus. 
Albus  candorem,  Leo  stans  Constantiam,  et  Vrbis 
Trux  Lorica  viros  cum  galea:  arma  notant. 
Supremum  excellens  tectum  supereminet  alte 
Turricula;  haec  pinnä  aurata  spectabilis  exit 
Hinc  medias,  seu  Teutonico  de  more  diei 
Emenfuratas  designat  malleus  horas. 

Hanc  penes  ad  riuum  mediam  qui  peruius  urbem 
Sese  infert,  viuae  terra  conclusus  aquai' 
Ductus,  opus  certe  exdso  praenobile  saxo 
Cemitur,  unde  frequens,  condusa  canalibus,  unda 
Bis  binis  lymphas  praebens  sitientibus  exit. 
Hunc  super  arma  gerens,.  chlamydemque  induta,  sinistra 
Vexülum  quatiens  laetum  clypeumque  nitentem, 
Effigies  dextra  Regis  veneranda  Bohemi 
Venceslai  astat,  regnique  Vrbisque  Patroni: 

Hoc  quoque  praestantis  decus  immortale  senatus, 
Gloriaque  aetemos  perpes  mansura  per  annos. 

Curia  iaeta  Patrum  gelida,  stat  postä,  sub  Arcto 
Clara  senatorum  sedes,  domus  ampla  potentis 
Justitiae;  unde  suis  leges  sacrataque  ciues 
Expectare  solent  actis  et  dicere  jura. 

Hanc  super  alträ  sono  quae  tempora  lucis  et  horas 
Quadrantesque  notat,  turri  suspensa  rotunda 
Mensurat  iusto,  spadum  campana,  meatu 
Effigiem  inferius  mediam  similesque  gerentem 
Viuentis  gestus,  dextra,  labijsque  minantem 
Et  luxta  ostendens  signumi  vaga  sydera  motus, 
Dyctinnaeque  globum,  vicibus  sua  fata  rotantem 
Atque  senescentem,  artificum  manus  inclyta  fixit. 

Proxima  Schössen  domus  est,  domus  inclyta,  cultu 
Restaurata  nouo,  &  multo  exornata  decore: 
HJc  habitet  Princeps,  locet  häc  sua  castra  Dynastes 
Vix  erit  ut  renuant:  tanta  est  sua  gloria  tecti. 


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Quin  eadem  Leopolde  tibi  Dux  inclyte  nuper, 
Magnanimae  Heroum  turbae,  procerumque  cateruis 
Praebuit  hospitium,  tectisque  accepit  amicis 
Te  quoque  sacrarum,  Praesul  venerande,  cohortum 
Carole,  quem  signis,  Lambergica  stemmata,  ditant 
Nuper  honorata  dignum  susceperat  aulä. 

Est  aliquid  tantos  tectis  fouisse  Monarchas? 
Hac  preciosa  quoque,  excellens,  nullique  secunda, 
Si  quae  Boemiacas  usquam  seruata  per  urbes 
Copia  librorum;  precio,  multoque  labore 
Qaret  parta  domo,  longo  ordine  posta  seorsim: 
Quam  consueta  diu  Schösseri  contulit,  atque 
Hacce  suas  pulchre  celebres  ornauerat  aedes 
Larga  manus;  sacrum  quondam,  pro  pignore  seruans 
Aut,  si  fata  volunt,  gratis  pro  fratribus,  usum. 

Nunc  ad  consilij  loca  sacra  reuertere;  Patres 
Enumera,  quem  quisque  locum  venerabilis  omet. 

Proximus  a  primo,  residet  Tilemannus,  honore 
Vir  diues,  vitaque  grauis:  tum  clarus  auitos 
Nicoleos  veteresque  gerens  cognomine  Thamos. 
Hinc  Mollerus  adest  reliquis;  quem  Solina  claris 
Nobilitat  dignum  titulis;  cui  proximus  Albrecht 
Matthaeus;  tum  Schillingi  de  semine  natus. 
Septima  Fortunae  flatus:  sacra  numina  Diuüm 
Concessere  loci,  minimo  mihi  iura  potentis: 
Hinc  Fibich:  et  Boiemä  de  gente  Rabusky: 
Ezelius,  Tatick,  et  agens  cognomine  Petrum. 
Hos  penes  emeritos  Patriae  pia  cura  tuendae 
Perstat,  et  hos  merito  Respublica  tota  stupescit. 
Hinc  duo,  qui  secreta  Vrbis  seu  publica  scriptis 
Facta  notare  solent;  Vrsus  germanica  signat 
Consulta;  ast  Boemis,  Charmensky,  praesidet  actis. 
Quid  referam.  fatis  qui  concessere,  polosque 
Inter,  et  aethereos  gaudent,  pia  corda,  ministros? 
Nigrinos,  Monachos,  Thamios,  Windischiadesque 
Kippelios,  Maleros,  Habcones,  Harlichiosque 
Topinkas,  et  eos  quorum  ipse  ego  sanguine  viuo, 

7* 


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MoUerumque  senem,  cuius,  post  funera,  virtus 
Perpetuumque  viget  nomen,  primatis  in  Vrbe 
Officium  qui  olim  magno  cum  nomine  gessit, 
Cuius  fata,  velut  functi  deserta  parentis 
Pignora,  lamentis  patriae  Respublica  plangit. 

Et  reliquos,  quorum  manes  sub  pace  quiescunt, 
Insignes  cunctos  verae  virtutis  amicos 
Inuida  fatalis  secuit  mors  falce,  cauisque 
Conclusos  quondam  tenet  imperiosa  sepulchris. 

Sed  cum  pro  patribus  superent,  pia  pignora,  nati, 
Quorum  cura  vices  subit  indefessa  parentum, 
Hos  serua,  hos  adama,  meritoque  Vrbs  Vsta,  verere, 
Tu  quoque  perpetuos  DEVS  hos  per  vota  clientum 
Et  viduatorum  lachrymas  tueare  per  annos; 
Extra  urbem  irriguis  praeterluit  Albis  arenis 
Piscibus  omnigenis  diues,  iuxtaque  fluentum, 
Bilnensi  e  tractu  veniens,  urbemque  meatu 
Lene  pigrescenti,  per  prata  virentia,  lambens 
Excipit,  et  secum  immensas  per  Teutonis  oras 
Intrepidi,  Oceani  speciosas  ducit  ad  undas. 

Hunc  penes  Eoo,  qua  Sol  conscendit,  ab  ortu 
Mons  iacet  antiquis  Stainperk  cognomine  dictus; 
Vndique  pampinea  ditatus  vite,  priore 
Vertice  caluus  apex,  nemore  ulteriora  virescunt 
Vmbroso,  at  tandem  prerupto  ad  flumina  saxo 
Desinit  aduersoque  citus  submergitur  Albi. 

Hie  ad  radices  rupem  iacet  inter  et  undas 
Vinea,  clara  situ,  toto  notissima  mundo, 
Podskalsky  quondam  de  possessore  vocata, 
Sed  modo  communis  tenet  hanc  Respublica;  et  huius 
Saepius  eximias  mercatur  munere  laudes. 

Et  merito;  si  Gnosiacos  vindemia  coUes 
Cretica  concelebrat;  si  aruisia  pocula  Chios; 
Si  Pusci  arnenses  botros:  si  rura  Veseni 
Flammiuomil  celebris  si  vina  Lygustica  vulgi 
Fama  canit;  tu  quae  reliquas  praecellis  honore 
Podskalsky  celebranda  magis  stas  vinea;  et  ingens 
Prae  cunctis  merito  referant  tua  pocula  nomen. 


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Post  hunc  innumeris  montana  cacumina  clarent 
Vinetis,  grauidisque  ferunt  bona  vina  Corymbis. 

Siint  et  praetereä,  socij  inclyta  culmina,  montes 
Circumquaque  suis  ditantes  viribus  urbem  • 
Innumeris,  hac  praecipue,  qua  iluminä  cursu 
Comita  praecipiti  Schreckstäinia  iugera  pulsant, 
Arx  ubi  sublimis  natiuo  condita  saxo, 
Strzeckow  nomen  Habens  aspectu,  omenque  subipiso 
Arx  ripas  penes  Albi  tuas,  tua  flumina  terrens. 

Denique  supplicij  qua  Fontes  semita  ducit 
Mons  etiam  accliuus,  furcä  vocitatus  ab  acri 
Justitiae,  impendet  patriae,  atque  hanc  vitibus  omat 
Hie  st  et  erat  Vietrusch,  arx  infestissima  quondam 
Vsta  tibi;   multumque  tuas  afflixerat  aedes; 
Nam  fundä  ingenti,  patria  quae  nuper  ab  Vrbe 
Missa  Rudolphe  tibi  cessit,  celeberrime  Caesar, 
Nobilis  ille,  ferusque  cadauera  cuncta  tyrannus, 
Si  quando  indomitä  excandens  insanijt  irä 
Ad  mediam,  faetore  graui,  proiecerat  urbem. 

Vndique  vitiferae  quaecumque  ad  sydera  colles 
Assurgunt,  multo  crescunt  cum  faenore  frondes. 
Verum  ubi  planicies  (quae  multa  est  solis  ad  ortum) 
Et  qua  Tceplicium  tepidas  via  ducit  ad  undas 
Maturis  ibi  multas  Ceres  flauescit  aristis 
Exultantque  graues,  numeroso  mergite,  campi 
Atque  adeo  ut  largos,  cum  nix  Riphaea,  calorem 
Sentit,  et  in  Tanaim  glacies  descendit  ab  altis 
Rupibus,  et  rapido  complet  Maeotida  cursu 
Piurima  ruricolis  tum  verberat  area  culmos. 

Hie  etiam  Elysium  tempe,  et  peramaena  virescit 
Copia  pratorum,  viridantia  gramina,  iaeto 
Vndique  prospectu;  tenero  hie  locus  aptus  amori, 
Hic  habitat  faecunda  Pales;  hie  flora  decores 
Expandit  speciosa  suos,  siluestria  Nymphae 
Numina  florilegae,  quas  appellare  Napaeas 
Gens  antiqua  solet,  bella  et  cum  matre  Cupido 
Teliger  ardentes  per  roscida  rura  vagantur. 


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Quid  fructus  memorem,  quorum  ingens  copia,  ubique 
Arua  per,  et  laetis  passim  carpuntur  in  hortis? 
Et  syluas,  quae  multa  tibi  patria  inciyta  praestant 
Commoda;  ligna  ferunt,  lepores,  capreasque  sequaces 
SufHciensque  auium  munus,  grauido  ubere  praebent? 
Singula  se  passim,  propriä  cum  laude,  celebrant. 

Aura  situsque  loci  bonus,  atque  innoxius  aer 
Hie  spirat,  sie  ut  gelidum  contagio  virus 
Pestiferä  raro  corrumpit  pectora  tabe, 
Hactenus  ut  multis  circa  isthaec  climata  constat 
Exemplis;  nee  enim  quisquam  non  esse  salubrem 
Diceret  hunc  caeli  tractum,  stellasque  benignas, 
Torpescens  ubi  nuUa  palus,  quae  pplluat  auras 
Et  totam  faetore  plagam  corrumpat  iniquo. 


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IV. 

Der  Zug  der  österreichischen  Geistlichen  nach  und 

aus  Sachsen. 

Von  Pfarrer  SCHEUFFLER  in  Lawalde  (Sachsen). 
in.    (Fortt«teung.)  1) 

XXXIX.  Eger  im  Nordosten  Böhmens,  Pfarrgemeinde  seit 
II.  November  1862. 

Diese  seit  1298  an  Böhmen  verpfändete  deutsche  Reichsstadt, 
25.  Februar  1634  Schauplatz  der  Katastrophe,  welche  den  Gegen- 
reformator Albrecht  Grafen  von  Waldstein,  Herzog  von  Friedland 
und  Sagan,  hinwegraffte,  war  bis  zur  Gegenreformation  Sitz  einer 
blühenden  deutsch-lutherischen  Gemeinde,  deren  Pfarrer  als  Super- 
attendenten  bezeichnet  werden,  wie  denn  auch  hier  ein  Consistorium 
bestanden  haben  soll. 

Wir  finden  aus  Sachsen  stammend 

lOi.  M.  Paul  Pretzschner,  etwa  1538  in  Dresden  geboren, 
1 552 — 58  Afraner,  Rector  in  Neustadt-Dresden,  1 565  Diakonus  daselbst, 
1574 — 78  letzter  Pfarrer  der  Hospitalkirche  zu  St.  Bartholomäus  und 
bis  1581  erster  Pfarrer  der  an  deren  Stelle  26.  Juli  1578  geweihten 
St.  Annenldrche  zu  Dresden  —  als  welcher  er  die  Concordienformel 
unterschrieb  — ,  seit  1581  Superattendent  zu  Eger:  —  bis  an 
seinen  Tod  21.  December  1586.  (Kr.  107.  AA.  17.) 

Vielleicht  war  Johann  Pfretz  sehn  er,  1595  Pf.  zu  Schwand, 
1627  dgl.  zu  Altensalz,  beides  im  Vogtlande,  und  an  der  Pest  20.  Nov. 
desselben  Jahres  verstorben  (Kr.  471,  KG.  XI,  154),  sein  Sohn,  da 
letztere  Namensform  häufiger  ist,  auch  in  Bezug  auf  ihn  vorkommt. 

Dagegen  war  sein  unmittelbarer  Nachfolger  der  Jahrg.  VI, 
S.  132  unter  N.  Vlü,  10  aufgeführte 


*)  Vgl.  Jahrb.  1885,  S.  127—140;  1886,  S.  188—202. 


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96 

M.  Nicolaus  Polantus,  ein  Oberpfälzer  1587 — 93  hier 
Superattendent,  später  in  Sachsen  angestellt;  1589  Dr.  Th. 

N.  XXVIII,  85,  S.  196  des  VII.  Jahrg.  ist  ebenfalls  bereits  er- 
wähnt  Johann  Hofstetter,  auch  Hof  st  et  er,  vielleicht  auch  Hoch- 
stätter  — ,  1623  Archidiakonus,  1 624 — 27  Superattendent  in  Eger  — 
14.  Dec.  1627  hielt  er  die  letzte  Predigt  vor  der  Gegenreformation. 
Unter  N.  117  haben  wir  vielleicht  seinen  Sohn. 

Von  Schulmännern  nennen  wir  den  aus  Jena  stammenden 

102.  M.  Nikolaus  Ballhorn,  1595 — 1600  Rector  in  Eger, 
dann  in  Schneeberg,  1608  —  6.  Juli  1609,  wo  er  starb,  Rector  der 
Lateinschule  (Franciscaneum)  in  Meissen  (wohl  zu  unterscheiden  von 
der  berühmten  Fürstenschule  zu  St.  Afra).  (Mittheilungen  des  Vereins 
für  Geschichte  der  Stadt  Meissen.  I.  4,  S.  42.) 

Nach  ihm  (1600— 1607)  ist 

103.  Abraham  Schadäus  (Schade)  aus  Senftenberg  Rector 
in  Eger  gewesen  —  nach  einem  vielbewegten  Leben.  Er  war 
1573 — 88  Conrector  an  der  Thomasschule  in  Leipzig,  1588 — 92 
dritter  Schulcollege  zu  St.  Afra  in  Meissen,  ,  wegen  Verbreitung  calvi- 
liistischer  Grundsätze*  abgesetzt,  1593  Cantor  in  Bautzen,  legte 
seine  Stelle  nieder,  ward  1598  Rector  in  Schneeberg:  —  nachher 
dasselbe  in  Eger  (Tausch  mit  Ballhorn?).  Auch  in  Eger  ist  er 
nicht  lange  geblieben,  denn  wir  finden  ihn  noch  als  Rector  in 
Speier,  Torgau,  Conrector  in  Bautzen  (1614),  Rector  daselbst 
(1616).  Im  J.  1617  legte  er  auch  diese  Stelle  nieder  und  zog  sich 
hochbetagt  nach  Finsterwalde  in  der  Niederlausitz  zurück,  wo  er 
10.  Dec.  1626  verstarb.  (AA.  620;  vgl.  Otto,  Oberlaus.  Gelehrten- 
Lexikon  III,  127.) 

104.  Sebastian  Fürgang,  1624 — 1627  Rector  in  Eger,  dann 
zu  Plauen  i.  V.,  endlich  1635  bis  an  seinen  Tod  1650  an  letzterem 
Orte  Archidiakonus.   (Kr.  403.) 

Auch  105.  Daniel  Bürckner  (Betulius),  1578  Conrector  in 
Eger,  war  ein  Sachse.  In  genanntem  Jahre  starb  bei  ihm  sein  Vater 
Wolfgang  B.,  1568—76  Pfarrer  zu  Callenberg  bei  Waidenburg  im 
Schönburgischen.  (Kr.  61.)  Später  ward  er  Diakonus,  1610  als  Pfarrer 
zu  Fraureuth  im  Reussischen. 

106.  Nikolaus  M edler,  aus  Hof  gebürtig  (1502),  wird  von 
Böttcher,  Germania  Sacra  S.  1421  u.  a.  bei  Eger  erwähnt.  Als  Schüler 
Luthers    von   diesem  hochgehalten,    1520  Student  in  Erfurt,    1522 


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in  Wittenberg,  kam  er  1525  zu  Eger  als  »reisender  Mathematikus* 
an  und  gründete  eine  Schule.  Weil  er  in  dieser  auch  Luthers  Lehre 
lehrte,  kam  er  mit  dem  Magistrate  in  Streit  und  ging  zunächst 
nach  Hof,  seinem  Geburtsorte.  Von  1531 — 36  war  er  Diakonus  in 
Wittenberg,  wurde  14.  Sept.  1535  Dr.  theol.,  1537 — 46  wirkte  er 
als  Superintendent  zu  Naumburg  a.  S.,  wo  1536  die  Reformation  ein- 
geführt worden  war,  zunächst  an  der  Stadtpfarrkirche  zu  St.  Wenzel. 
Als  der  katholische  Bischof  Pfalzgraf  Philipp  6.  Jänner  1541  gestorben 
war  und  Kurfürst  Johann  Friedrich  die  Einführung  evangelischer 
Predigt  auch  im  Dome  befahl,  da  Hess  Medier  die  von  den  Dom- 
herrn verschlossene  Thür  mit  Gewalt  erbrechen.  Dann  war  er  Haus- 
caplan  der  Kurfiirstin  Elisabeth  v.  Brandenburg  (Prinzessin  von 
Dänemark),  der  evangelischen  Gemahlin  des  bigott  katholischen 
Joachim  I.  von  Brandenburg,  zu  Spandau.  Bis  155 1  wirkte  er  in 
Braunschweig  als  Superintendent,  starb  noch  im  selben  Jahre  zu 
Bernburg,  wohin  ihn  der  treue  Bekenner  Fürst  Wolfgang  von  Anhalt 
in  gleicher  Eigenschaft  berufen  hatte,  bei  seiner  ersten  Predigt  vom 
Schlage  gerührt,  am  24.  August,  dem  Montage  nach  dem  XIII.  p. 
Trin.  —  vielleicht  dem  Sonntage  dieser  Predigt. 

Von  der  Einmüthigkeit,  mit  der  die  Bewohner  Eger's  am  Evan- 
gelium festhielten,  zeugt  die  grosse  Anzahl  aus  Eger  stammender 
evangelischer  Geistlicher  Sachsens. 

Da  nennen  wir  zuerst  den  ^Egranus*  xax'  ii^oyi^y 
107.  Johann  Wildnauer  oder  Wildenauer,  1518 — 1522 
Prediger  zu  St.  Marien  in  Zwickau,  der  sich  nach  damaliger  Sitte 
Silvius  Egranus  nannte.  Wenn  Kreyssig  S.  571  ihn  blos  bis  1520 
in  Zwickau  wirken  lässt,  so  stehen  dem  ganz  bestimmte  Zeugnisse 
aus  Luthers  Briefwechsel  entgegen  (de  Wette  II,  190)  —  worriach 
Luther  5.  Mai  1522  über  Zwickau  schreibt:  ,  In  Zwickau  hatte  Thomas 
(Münzer)  mit  seinem  Anhange  Unkraut  gesäet,  Egranus  streut  hoch 
jetzt  Irrlehren  aus.*  In  genanntem  Jahre,  jedenfalls  bald  und  in 
Folge  von  Luthers  Anwesenheit  in  Zwickau  28.  April  bis  3,  Mai, 
wurde  Wildnauer  entlassen,  ward  zunächst  Pfarrer  in  Joachhnstbal, 
kehrte  völlig  zur  römischen  Kirche  zurück  und  starb  1535  zu 
Böhmisch-Kamnitz.  Nach  Oswald  Schmidt  in  der  von  ihm  r86o  heraus- 
gegebenen werthvollen  Monographie  ,  Nicolaus  Hausmann,  der  Freund 
Luthers*  S.  18  fif.  gehörte  er  ,zu  denjenigen  Theologen,  welche  die 
neue   Bewegung   nur  vom   Standpunkte  des  Humanismus  aus  beur- 


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theüten,  und  die  diplomatische  Zurückhaltung  des  gelehrten  Erasmus 
sagte  ihm  weit  mehr  zu,  als  die  Glaubenszuversicht  Luthers,  für  die 
er  kein  Verständniss  hatte.  Ohne  jemals  von  der  römischen  Werk- 
seligkeit sich  gänzlich  losmachen  zu  können,  schwankte  er  zwischen 
Gesetz  und  Glauben  eine  Zeitlang  haltlos  hin  und  her,  bis  er  an 
seiner  Halbheit  zu  Grunde  ging  und  seit  1522  völlig  mit  Luther 
zerfiel*,  den  er  auch  in  einem  Briefe  an  Hausmann  tief  unter  Erasmus 
stellt.  Wiewohl  ihm  noch  1520  (Köstlin,  Martin  Luther  I,  381,  L  Aufl.) 
die  Ehre  zu  Theil  ward,  neben  Luther  von  Eck  auf  die  päpstliche 
Bannbulle  gesetzt  zu  werden,  hinderte  er  später  den  frommen 
Johann  Mathesius  in  seiner  Joachimsthaler  Wirksamkeit  gar  bedeutend. 

108.  Georg  Frischeisen,  römisch-katholischer  Domvikar  zu 
Freiberg,  wurde  1537  zu  Pfingsten  bei  Einführung  der  Reformation 
Archidiakonus  an  der  Domkirche,  1539  Frühprediger  zu  St.  Petri, 
IS43  emeritirt,  starb  1555.  (Kr.  144.) 

109.  Wolfgang  Götzel  war  Augustinermönch  in  Grimma 
gewesen;  1530  wurde  er  Pfarrer  zu  Burkartshain  bei  Würzen;  1535 
vom  katholisch  gesinnten  Rittergutsherm  Hans  von  Milkau  schimpflich 
verjagt,  wirkte  er  von  1540  bis  an  seinen  Tod  1554  zu  Hohnstädt 
bei  Grimma.  (Kr.  57.  Grossmann,  Die  Visitations- Acten  der  Diöces 
Grimma  S.  117  ff.) 

110.  Johann  Habermann  (Avenarius),  1516  zu  Eger  als 
Bürgerssohn  geboren,  wurde  1540  vom  Bischof  Wigand  von  Redwitz 
zu  Bamberg  im  Egerschen  Comthurhause  des  »Kreuzordens  mit 
dem  rothen  Sterne*  aufgenommen.  Von  1542 — 46  war  er  jedoch 
evang.-luth.  Diakonus  zu  Elsterberg  im  sächsischen  Vogtlande  und 
Pfarrer  zu  Hohndorf  und  Steinsdorf  (ersteres  reussisch);  1546  ward 
er  Landdiakonus  zu  Plauen  und  Pfarrer  zu  Jössnitz,  15  50  Pfarrer 
zu  Schönfels  bei  Zwickau,  1552  Pfarrer  zu  Lössnitz  im  Schön- 
burgischen, 1560  Dom-Mittagsprediger  zu  Freiberg,  1564  Pferrer 
zu  Falkenau  in  Böhmen,  1572  (nach  Böttcher,  Germania  Sacra  S.  687 
schon  1571)  Professor  der  Theologie  in  Jena,  1575  dgl.  in  Witten- 
b^*"?»  1576  Stifts-Superintendent  in  Zeitz,  wo  er  5.  Dec.  1590  starb 
und  in  der  Michaeliskirche  begraben  wurde.  Er  war  ein  gelehrter 
Theolog:  1558  ward  er  Wittenberger  Magister,  1574  Jenaischer 
Dr.  theol.,  er  schrieb  eine  Grammatik  und  ein  Lexikon  der  hebräischen 
Sprache.  Aber  vor  Allem  war  er  auch  ein  frommer  Theolog  und 
schrieb  als  solcher  ein  weitverbreitetes  kleines  Gebetbuch :  » Christliche 


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Morgen-  und  Abendgebete  auf  alle  Tage  in  der  Woche  durch 
Dr.  Johann  Habermann*  —  oft  aufgelegt,  das  , Habermännlein* 
genannt  —  -zu  dessen  Druck  er  sich  von  Falkenau  1567 — 70  nach 
Wittenberg  begab.  (Kr.  123.)  Sein  1551  zu  Schönfels  geborener  Sohn 
Jeremias  war  ebenfalls  Pfarrer.  (Kr.  337.) 

111.  Andreas  Lange  war  erst  Mönch  in  seiner  Vaterstadt,  1552 
evang.  Pfarrer  zu  Kadan  m  Böhmen,  1555 — 61  Pfarrer  zu  Harthau 
bei  Chemnitz,  dann  Pfarrer  zu  St.  Johannis  in  Chemnitz;  1566  wurde  er 
entlassen,  als  ^Flacianer*,  worauf  er  sich  nach  Klagenfurt  begab 
und  sich  dort  durch  zelotisch-polemische  Schriften,  im  Vereine  mit 
dem  Jahrb.  VII,  S.  200  unter  N.  XXXVHI,  98  genannten  M.  Hau- 
bold, unliebsam  machte.  (Kr.  202.) 

112.  Martin  Dorn  war  von  1581  bis  zu  seinem  Ableben  1622 
Pfarrer  an  den  vogtländischen  Gemeinden  Posseck,  Schwand  (1586) 
und  Schönberg  (1588).  An  letzterem  Ortie  folgte  ihm  sein  gleich- 
namiger Sohn,  der  1636  starb.  (Kr.  410,  466.)   ■ 

113.  Viktorin  Polantus  ist  1590  zu  Eger  als  Sohn  des  unter 
Vni,  IG  aufgeführten  M.  Nikolaus  Polantus  geboren.  Er  war  1604 — 08 
Afiraner,  wurde  1614  Pfarrer  in  Grosswaltersdorf  bei  Freiberg,  1627 
in  Rosswein,  starb  1635.  (Kr.  189.  KG.  V,  203.  AA.  93.) 

Zwei  Söhne,  die  ihm  zu  Grosswaltersdorf  geboren  wurden,  sind 
sächsische  Pfarrer  geworden.  Er  selbst  war  Schriftsteller. 

114.  M.  Kaspar  Reinal  (Reinel,  Reinelius),  welcher  1637 
zu  Rottmannsdorf,  1639  zu  Ebelsbrunn,  beides  Eph.  Zwickau,  an- 
gestellt wurde  und  1650  verstarb,  heisst  (Kr.  447)  »ein  Exulant 
aus  Eger*.  Nach  KG.  VIII,  48  ist  er  ^^vermuthlich  weitergekommen*. 

115.  Christoph  Ruper  oder  Ruprect,  1643— -52  Pf  in  Zopen 
bei  Borna,  dann  bis  1654  in  Eula,  war  auch  aus  Eger.  (Kr.  564. 
KG.  VI,  74.) 

116.  Johann  Sebastian  Fürgang,  Sohn  von  N.  104,  war  1627 
zu  Eger  geboren,  1653—62  Diakonus  in  Adorf  (Kr.  2.  KG.  XI,  168), 
wo  er  22.  Juni  1662  starb. 

117.  Der  von  Pescheck  (GR.  I,  232)  aufgeführte  Johann  Adam 
Hochstätte r,  Pfarrer  zu  Sohra  in  dem  jetzt  preussischen  An- 
theile  der  Oberlausitz,  wird  als  aus  Eger  bezeichnet,  vielleicht  ein 
Sohn  von  N.  XXVIII,  85 :  s.  o.  zwischen  N.  lOi  und  102. 

118.  Johann  Adam  Scherzer,  berühmter  theologischer  Professor 
in  Leipzig,  von  Pescheck  GR.  II,  210  und  Exul.  S.  60  erwähnt,  war 


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Sohn  des  eingekerkerten  und  später  exilirten  Advocaten  Jeremias 
Scherzer,  der  standhaft  im  Unglück  sich  bewährte,  wie  der  Prophet, 
dessen  Namen  er  trug.  Geboren  i.  Aug.  1628  zu  Eger,  gestorben 
zu  Leipzig  23.  Dec.  1683. 

119.  Georg  Rhäsus.oder  Rhesus  wurde  1604  Pfarrer  zu 
Karlsbad,  1605  zu  Lössnitz  im  Schönburs^ischen,  wo  er  1623  verstarb. 
(Kr.  309.  KG.  XI,  31.) 

Diese  zahlreichen  Namen  geben  genügend  Zeugniss  von  der 
grossen   Bedeutung   jener    alten    untergegangenen   Gemeinde  Eger. 

120.  Klemens  Adam  Jäger,  1823  21.  August  hier  geboren  von 
römisch-katholischen  Eltern,  seit  1847  deutscher  römisch-katholischer 
Prediger  in  Prag,  auch  Secretär  des  12.  October  1883  verstorbenen 
Cardinal-Erzbischofs  Friedrich  Fürst  Schwarzenberg  zu  Prag,  verliess 
1868  sein  Vaterland  und  seine  glänzenden  Aussichten,  um  in  Sachsen 
sich  zur  evangelisch-lutherischen  Kirche  zu  bekennen  und  ihr  zu 
dienen.  Bereits  1869  wurde  er  Hospitalprediger  zu  Pirna  und  Schloss- 
prediger zu  Zehista,  1872  Pfarrer  zu  Hohnstädt  bei  Grimma;  seit 
1880  wirkt  er  zu  Mohom  bei  Tharand.  (Kr.  401.) 

121.  Pfarrer  ^bei  Eger*  war  seit  1616  Kaspar  Grimm;  nach 
seiner  Vertreibung  wurde  er  Pfarrer  zu  Thonhausen  und  Windisch- 
leuba  bei  Altenburg.  (Pescheck  Exul.  146.) 

XL,  Eidlitz  bei  Kommotau  im  nördlichen  Böhmen. 
Hier  war  Anfang  der  1620er  Jahre  bis  zu  seiner  Exilirung  1624 
Pfarrer  der  schon  unter  N.  XXVII,  81   genannte  Christoph  Knorr. 
(Vn.  Jahrg.  bei  Brüx,  S.  195.) 

XLL  Elbogen  im  nördlichen  Böhmen  (früher  Ellnbogen). 

122.  Johann  von  Hofe,  geboren  zu  Hof  in  Franken,  wurde 
1554  Rector,  1558  Diakonus  zu  ,St.  Katharinenberg  im  Buchholz* 
—  jetzt  kurz  , Buchholz*  genannt,  1566  Pfarrer  zu  Oberwiesenthal, 
beides  im  sächsischen  Erzgebirge.  Von  1569  bis  zu  seinem  1600 
erfolgten  Tode  wirkte  er  als  Pfarrer  zu  Elbogen.  (Kr.  56-) 

123.  Als  Rector  finden  wir  bis  zur  Gegenreformation  Andreas 
Morus  aus  Oelsnitz:  —  1624 — 48  Pfarrer  zu  Markneukirchen  im 
Vogtlande.  (Kr.  322.) 

124.  M.  Georg  Lysthenius  (List),  geb.  1532  zu  Naumburg 
a.  S.,  wurde  zunächst  »Cantor  in  der  Elbogner  Diöcese*,  wir  wissen 
nicht   wo.    Im   J.   1556  kehrte    er  in    sein   thüringisches    Vaterland 


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zurück,  wurde  in  dem  durch  Friedrichs  glänzenden  Sieg  nach  zwei 
Jahrhunderten  so  berühmt  gewordenen  Rossbach  bei  Freiburg  Pfarrer, 
1567  Diakonus  zu  Weissenfeis,  1572  Superintendent  zu  Liebenwerda, 
1573  Hofprediger  zu  Dresden,  zuletzt,  1587  bis  an  seinen  Tod  1596, 
Superintendent  zu  Weissenfeis.  Als  Hofprediger  hat  er  die  Formula 
Concordiae  unterschrieben,  als  eifriger  Lutheraner  an  den  Commissionen 
zur  Untersuchung  der  , Irrlehrer*  mit  Antheil  genommen.  (Kr.  S.  lOO.) 
Aus  Elbogen  stammt: 

125.  Wolfgang  Tragk  (Tracke,  Thrak),  KG.  X,  62.  Wolf- 
gang Thrak  de  Lubito  (statt  Cubitol)  genannt,  war  1530  römisch- 
katholischer Pfarrer  zu  Mittweida,  1534  desgl.  in  dem  benachbarten 
Alt-Mittweida,  ward  1538  bei  Einfuhrung  der  Reformation  durch 
Herzogin  Elisabeth,  Landgräfin  von  Hessen,  evangelisch,  ist  1546 
gestorben  (Kr.  331),  und 

126.  M.  Jeremias  O lischer  (0hl i scher),  als  Sohn  des  Elbogner 
Tuchmachers  und  Rathsherrn  Balthasar  O.  daselbst  1612  geboren: 
als  ihn  1627,  bei  Erlass  eines  neuen  Reformationspatentes,  sein  Vater 
fragt:  Nun,  mein  Sohn,  was  werden  wir  thun?  Unterschreiben  und 
katholisch  werden,  oder  Hab  und  Gut  fahren  lassen  und  leer  davon- 
ziehen? —  da  antwortet  der  isjährige  Jüngling  sogleich  getrost:  Vater, 
lieber  das  letzterei  Gott  kann  es  uns  ja  wieder  bescheerenl  Auf 
dem  Wege  nach  Zwickau,  das  sie  sich  als  neuen  Wohnsitz  wählten, 
sprach  der  Vater  beim  Anblicke  der  Reichenbacher  Pfarrwohnung: 
,Nun,  mein  Sohn,  wo  wird  Dir  Gott  ein  Haus  bescheeren?*  Und 
der  Sohn  antwortete:  »Gott  kann  vielleicht  mir  eben  diese  Pfarrei 
bescheeren,  wenn  ich  fleissig  studire  und  bete!*  Und  wirklich 
wurde  er,  der  in  Plauen  und  Wittenberg  fleissig  studirt  und  gebetet, 
1644  Pfarrer  zu  Reichenbach  i.  V.,  was  er  bis  an  seinen  1678  er- 
folgten Tod  blieb.  Kurze  Zeit  lang  (seit  1643)  war  er  Pfarrer  zu 
Lengenfeld  im  Vogtlande  gewesen.  Er  war  der  Stammvater  der 
sächsischen  O lisch  er,  unter  denen  uns  noch  drei  sächsische  Pastoren 
begegnen,  im  Vogtlande  und  westlichen  Erzgebirge  angestellt.  (Kr.  292. 
Pescheck  G.-Ref.  II,  439  f.) 

XLIL  Enns  in  Oberösterreich. 
Hier  finden  wir 

127.  Valentin  Birnstein  (Birnstengel)  aus  Radeberg,  1590 
Pförtner  Gymnasiast:  — •  später  evangelischer  Pfarrer  in  Enns. 


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Auch  128.  Dr.  Christian  Gilbert  de  Spaignard  (Spaignart) 
möchte  hierher  gehören.  Derselbe,  einer  vor  Alba  aus  den  Nieder- 
landen geflüchteten  Wallonischen  Familie  angehörig,  war  1609 — 1619 
evangelischer  Pfarrer  in  Enns.  Im  letztem  Jahre  musste  er  —  wohl 
in  Folge  von  Ferdinand  II.  Regierungsantritte  —  Oesterreich  ver- 
lassen. Er  wurde  als  Pastor  an  der  Ulrichsldrche  zu  Magdeburg 
angestellt,  erlebte  1631  Magdeburgs  Zerstörung,  war  auch  eine  Zeit 
lang  gefangen.  Nach  seiner  Befreiung  lebte  er  in  Wittenberg,  zuletzt 
in  Erfurt,  wo  er  1632  verstarb.  (H.  w.  d.  h.  1873,  269  f.)  Erwähnung 
verdient  er  vor  allem  als  Glied  und  vielleicht  auch  Stammvater  der 
noch  jetzt  in  Sachsen  blühenden  geachteten  —  bisher  meist  theo- 
logischen —  Familie  Gilbert,  welche  inzwischen  ihr  Adelsprädicat 
de  Spaignard  abgelegt  hat.  Einzelne  Glieder  derselben  werden 
uns  auch  bei  diesen  Untersuchungen  begegnen, 

Johann  Haselmeyer  —  bis  1624  hier  Pfarrer  —  ist  schon 
bei  Efferding  (S.  VII,  201,  N.  XXXVIII,   100)  genannt  worden. 

129.  Gottfried  Rüdinger,  1627  inTEnns  von  katholischen 
Eltern  geboren,  war  anfanglich  Cistertienser  in  Seifenstein  in  Nieder- 
österreich. In  Seifenstein  ist  er  Subsenior,  Beichtvater,  Novizenmeister, 
Lector  der  Philosophie,  Bibliothekar  u.  s.  w.  gewesen.  Zur  evan- 
gelischen Kirche  trat  er  am  7.  October  1653,  an  welchem  Tage 
(einem  Freitage)  er  auch  noch  in  der  Nikolaikirche  zu  Leipzig  seine 
^Revocationspredigt*  hielt.  Zunächst  war  er  Feldprediger  bei  dem 
von  Ramsdorf  sehen  Regimente,  von  1665  bis  an  seinen  Tod  1674 
Pfarrer  zu  Naundorf  bei  Oschatz.  (Kr.  343.  KG.  III.  79.) 

XLIIL  Eperies  in  Ober-Ungarn. 

Einst  Hauptsitz  der  Lutheraner  in  Nordungam,  erlangte  es  eine 
traurige  Berühmtheit  in  den  Verfolgungen  unter  Kaiser  Leopold  L, 
sowohl  durch  die  Wegnahme  des  kürzlich  erst  (1667)  gegründeten 
lutherischen  Collegiums  am  6.  Juli  1672  —  es  wurde  den  Jesuiten  über- 
geben — ,  als  auch  und  namentlich  durch  das  schreckliche  Blut- 
gericht von  1687  (als  das  »Eperieser  Blutbad*  in  der  Geschichte 
traurig  berühmt). 

An  ersteres  erinnert  der  Name  von 

130.  Dr.  Samuel  Pomarius,  einem  Schlesier,  dem  gelehrten 
Rector  des  Collegiums,  welcher,  durch  Feindschaft  vom  Diakonate 
zu  St.  Petri  in  Berlin  verdrängt,  am  Antritte  der  Superintendentur 


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Salzwedel  durch  gleichen  Grund  gehindert,  an  der  St.  Jakobi-Kirche 
zu  Magdeburg  endlich  seinen  Ruhepunkt  fand.  Im  J.  1667  wurde  er 
von  Magdeburg  als  Professor  der  Theologie  nach  Eperies  berufen, 
musste  aber  1673  die  Stadt  verlassen.  Er  begab  sich  zuerst  nach 
Wittenberg,  wo  er  als  ^Adjunct*  der  Stadtgeistlichkeit  und  ausser- 
ordentlicher Professor  der  Theologie  lebte,  trat  dann  25.  März 
1675  die  Superintendentur  zu  Lübeck  an  und  starb  2.  März  1683. 
(S.  Diptycha  Exulum  S.  136  ff.  Borbis,  Die  evang.-lutherische  Kirche 
Ungarns  S.  85  f.  Linberger  S.  70.) 

An  letzteres  erinnern  uns  zwei  Namen: 

131.  M.  Mathias  Zimmermann,  geb.  1625  in  Eperies  als 
Sohn  eines  Kaufmanns,  der  später  Bürgermeister  war,  vielleicht 
Bruder  oder  Verwandter  des  berühmten  Siegmund  von  Zimmer- 
mann, Kaufmann,  Senator  und  Inspector  des  evangelischen  Collegs 
in  Eperies,  der  nach  den  schrecklichsten  Folterqualen  von  dem 
Jesuiten  Perizkof  durch  das  Versprechen  der  Begnadigung  zum 
Abfalle  sich  verleiten  liess  —  um  dann  doch  am  15.  März  1687 
hingerichtet  zu  werden!  (Borbis  y6y  Linberger  81.)  Unser  Zimmer- 
mann hatte  seit  1638  auf  der  Leipziger  Thomasschule,  dann  in 
Wittenberg  studirt.  Im  J.  165 1  wurde  er  Rector  in  Leutschau  und 
schon  1652  Prediger  in  Eperies.  Bereits  vor  den  Verfolgungen 
wandte  er  sich  nach  Sachsen,  indem  er  1660  unbesoldeter  Sub- 
stitut des  Superintendenten  Wille  in  Colditz  wurde,  1662  aber  Super- 
intendent in  Meissen.  Von  der  Leipziger  Facultät  1661  zum  Licen- 
tiaten,   1666  aber  zum  Doctor  ernannt,  starb  er  1689.  (Kr.  326.) 

132.  Georg  Heinrich  Sappuhn,  geboren  12.  Juli  1660  zu  Heils- 
berg in  Ostpreussen  (Residenz  des  Bischofs  von  Ermeland),  wurde 
1680  Prediger  in  Eperies,  1687,  zur  Zeit  des  Blutbades,  vertrieben.  Er 
wurde  nun  zu  Lorenzldrchen  in  der  Ephorie  Grossenhain  angestellt, 
wo  er  nach  34jährigem  Wirken  3.  Mai  1721  6ijährig  starb.  (Kr.  313. 
KG.  VII,  184.) 

XLIV.  Falkenau  im   nordwestlichen  Böhmen,  künftiges  Filial 

von  Eger. 
Drei  hiesige  Pfarrer  kommen  in  Betracht. 

133.  M.  Sebastian  Stark,  geb.  1528  in  Meissen,  im  schmal- 
kaldischen  Kriege  1547  Soldat,  1548  Dorfschulmeister  bei  Naum- 
burg a.  d.  Saale.  Berufen  1551  als  Diakonus  nach  Buchholz  —  ganz 


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104 

nahe  bei  Annaberg  —  zog  er  bald  darauf  nach  Falkenau  als  Pfarrer. 
Lange  war  jedoch  daselbst  seines  Bleiben  nicht.  Im  J.  1555  wurde 
er  von  Falkenau  vertrieben,  durch  wen  und  warum,  ist  uns  unbe- 
kannt geblieben.  Er  wandte  sich  nach  Thüringen,  wo  er  1556 
Pfarrer  zu  Greussen  in  der  Schwarzburg-Sondershausischen  Unter- 
herrschaft, 1576  Superintendent  in  der  (durch  Thomas  Münzer 
bekannten)  Reichsstadt  Mühlhausen  in  Thüringen  wurde.  Dort  ist 
er  1586  oder  1587  gestorben.  (Kr.  56.) 

Hierher  gehört  auch  der  bereits  bei  Eger  unter  N.  1 10  genannte 
Johann  Habermann  (Avenarius),  der  1564 — 72  zu  Falkenau  Pfarrer 
war  —  ausser  in  den  Jahren  1567—70,  wo  er  zu  Wittenberg  weilte. 

In  der  Zwischenzeit  war 

134.  M.  Georg  F  lad  er  —  seit  1566  Diakonus  in  Leisnig  — 
Pfarrer  zu  Falkenau  (Kr.  290).  Was  später  aus  ihm  geworden, 
wissen  wir  nicht. 

Und  aus  Falkenau  stammte 

135.  Adam  Zephel,  1628—41  Pfarrer  zu  Reichenbach  bei 
Königsbrück  in  der  Oberlausitz.  (Kr.  427.  Exul.  92.  KG.  Oberl.  69.) 
Während  seiner  Amtsführung,  von  163 1 — 34,  wüthete  die  Pest  in 
seiner  nicht  grossen  Gemeinde  so  sehr,  dass  267  Parochianen  ihr 
erlagen. 

XLV,  Felsö'Stregova  (Ober-Stregova)  in  Ungarn,  Comitat  Neo- 
grad,   luth.   Pfarrgemeinde  im  Seniorate  Neograd,  (Vgl.  Jahrg.  VI, 

S.  131,  VI.) 
Hier  wirkte  nach  Jahrb.   VI,   S.  138   (N.  XV,    35)   von   1642 
bis   1647   als  Pfarrer  der  bei  Betzko  genannte  Stephan  Pilarik. 

136.  Hier  war  1644  dessen  Sohn  Stephan  geboren,  der  sich 
wenigstens  in  Sachsen  stets  Pilar ick  nannte.  Auf  dem  Pressburger 
Gymnasium  vorgebildet,  war  er  von  1668  an  Pfarrer  in  Ungarn, 
erst  zu  Matzdorf  in  der  Zips,  dann  zu  Timau  im  Pressburger 
Seniorate,  hierauf  (1673)  zu  Modem  —  damals  Modor  genannt  — . 
Von  dort  1674  vertrieben,  ging  er  1675  als  Pfarrer  nach  Jordans- 
mühle (bei  Nimptsch  in  Mittelschlesien);  dort  abermals  exilirt, 
kehrte  er  nach  Ungarn  zurück  zu  seinem  früheren  Pfarramte  Modem. 
Von  hier  musste  er  1688  aufs  Neue  weichen  und  ging  nun  nach 
Sachsen,  wo  sein  Vater  schon  1674  als  erster  Exulantenpfarrer  in 
Neusalza  seinen  Ruhepunkt  gefunden  hatte.    Er  wurde    1689  Sub- 


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105 

stitut  des  74jährigen  vielgeprüften  Mannes,  stand  ihm  bis  an  seinen 
1693  erfolgten  Tod  zur  Seite  und  wirkte  dann  zu  Röhrsdorf,  Ephorie 
Pirna)  von  1695  bis  an  seinen  1720  erfolgten  Tod.  Er  schrieb  ein 
Buch  nut  dem  Titel  ,  Neuvermehrter,  approbirter  und  mit  schönen 
Kupferstichen  gezierter  katechetischer  Lehrgrund,  welchen  durch 
Gottes  Gnade,  zur  Bezeugung,  seines  dankbaren  Gemüths  gegen 
denselben  für  seine,  ihm  unzählig  erwiesene  grosse  Wohlthaten,  und 
sonderlich  wunderbare  Errettung  aus  vielen  Leibes-  und  Seelen* 
nöthen,  im  Namen  Jesu,  des  einen  Grundes  unserer  Seligkeit,  in 
Jordans-Mühl  in  Schlesien,  in  der  Königl.  Stadt  Modor  in  Nieder- 
Hungam,  wie  auch  in  Neusalza  in  Meissen  gebauet,  und  allhier  in 
Klein-Röhrsdorf  ausgeführet  und  zum  vierten  Mal  herausgegeben, 
Stephanus  Pilarick  sen.  nach  dreifachem  schweren  exilio,  und  vielen 
von  Feinden  und  falschen  Freunden  ausgestandenen  Kränkungen, 
durch  sonderbare  Gnade  Gottes  Pfarrer  in  Klem-Röhrsdorf,  Alt- 
Dresden  (seit  1724  Neustadt  -  Dresden)  druckts  Johann  Heinrich 
Schwenke  17 14*.  —  Seitdem  gab  es  eine  bis  in  dieses  Jahrhundert 
hineinreichende  Pfarrersfamilie  Pilarick  in  Sachsen.  (Kr.  442.  KG. 
IV,   10.  Vn,  67.) 

XLVL  Fleissen  im  nordöstlichen  Böhmen. 

Evangelisch-lutherisch  seit  6.  Juh  1564.  Nach  Brambach  im 
sächsischen  Vogtlande  eingepfarrt  bis  1833,  seit  April  1834  Pfarr- 
gemeinde. Bekanntlich  erste  Veranlassung  zur  Begründung  der 
Gustav- Adolf-Stiftung  durch  den  29.  Juni  1857  f  Sup.  Dr.  Grossmann 
in  Leipzig. 

Von  den  bisherigen  vier  Pfarrern  der  Gemeinde  ist  der  zweite 
ein  Sachse. 

137.  Gustav  Adolf  Henne,  25.  März  1838  in  Plauen  geboren, 
Student  in  Leipzig,  1866—68  Pfarrer  in  Fleissen,  dann  Seminar- 
oberlehrer in  Plauen,  1870  in  Zschopau,  1872  Seminardirector  in 
Schneeberg. 

Der  bei  Dotterwies  (VII,  200,  N.  XXXVI,  ^)  genannte  David 
Troll  aus  Oelsnitz  ist  Cantor  in  Fleissen  gewesen.  Und  auch  der 
schon  Jahrg.  VI,  S.  133  unter  Asch  (VÜI,  N.  17)  genannte  Pfarrer 
Adam  Adolf  Geipel  in  Schönberg  im  Vogtlande  ist  28.  März  1857 
zu  Fleissen  geboren. 

Jahrbuch  de«  ProtestantUmus  1887.  H.  II.  3 


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106 

XLVIL  Franzhausen  in  Oesterreich  —  unbekannt  wo. 

138.  Jonas  Bechtold,  1537  zu  Eisfeld  in  Franken  (Sachsen- 
Meiningen)  geboren,  wurde  1564  Pfarrer  zu  Bräunsdorf  in  der 
damaligen  Ephorie  Penig,  1570  Archidiakonus  zu  Schmölln  in 
Altenburg;  1573  aber  war  er  einer  der  iii  Theologen,  welche  von 
Kurfürst  August  als  Vormund  des  Herzogs  Friedrich  Wilhelm  I. 
zu  Sachsen- Weimar  als  ^Fladaner*  abgesetzt  und  vertrieben  wurden. 
Wie  viele  seiner  Leidensgenossen  begab  er  sich  nach  Oesterreich 
und  wurde  Pfarrer  in  Franzhausen.  Weiteres  ist  uns  nicht  bekannt. 
(Kr.  49.) 

XL  VI  IL  Friedland  in  Böhmen, 
seit  etwa  1550  evangelisch,  von  1588 — 1624  Sitz  des  Superinten- 
denten der  Herrschaften  Friedland  und  Reichenberg  in  Böhmen, 
sowie  Seidenberg  in  der  Oberlausitz;  seit  5.  August  1883  wieder 
Predigtstation  und  demnächst  Filial  von  Reichenberg. 
Quelle  ist  namentlich  die  von  dem  (9.  October  1872  verstor- 
benen) Zittauer  Gymnasiallehrer  Dr.  Tobias,  einem  tüchtigen  Ge- 
schichtsforscher, bei  Gelegenheit  der  Reichenberger  Kirchweihe, 
2 1 .  October  1 868,  herausgegebene  Festschrift :  Beiträge  zur  ältesten 
Geschichte  der  evang.-lutherischen  Kirche  und  deren  Diener  in  den 
Herrschaften  Reichenberg,  Friedland,  Grafenstein,  Gabel  und  zuge- 
hörigen Ortschaften  der  heutigen  evangelisch-lutherischen  Gemeinde 
zu  Reichenberg  in  Böhmen  —  schon  mehrfach  benutzt  —  z.  B.  Jahr- 
gang VI,  132  unter  Nr.  VII  —  fortan  einfach  Tob.  citirt.  Wir  finden 
da  auf  S.  12: 

139.  Georg  Mulden  er,  evang.  Geistlicher  1568,  f  1588;  — 
vielleicht  identisch  mit  dem  Exul.  S.  148  erwähnten  M.  Andreas 
Mildner,  gewesenen  Pfarrer  von  Friedland,  der  1588  in  den  Gör- 
litzer Todtenbüchern  vorkommt. 

140.  Lazarus  Dietrich  von  Görlitz  wird  von  Tob.  ebenda  als 
Friedländer  Prediger  genannt. 

Vor  Allen  gehört  hierher  der  zweite  Superintendent  der  Diöc€se 
Friedland: 

141.  M.  Wolfgang  Günther,  geboren  1585  zu  Glashütte  in 
der  Ephorie  Dippoldiswalde,  161 1  Pfarrer  zu  Mögein  oder  Mügeln 
bei  Annaburg  im  Kurkreise,  161 5  Pfarrer  und  Superintendent  zu 
Friedland  als  Nachfolger  von  M.  Martin  Nüssler,  auf  Empfehlung 


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107 

des  Dresdner  Oberconsistoriums.  Er  war  eines  der  edelsten  Opfer 
der  Gegenreformation:  der  Gewalt  weichend,  musste  er  am  15.  Mai 
1624  Friediand  verlassen,  nachdem  er  noch  vor  mehr  als  2000  treuen 
Christen  auf  freiem  Felde  seinen  ^Valet-Sermon*,  seine  Abschieds- 
predigt über  des  Apostel  Paulus  Abschied  von  Ephesos  gehalten, 
welche  1626  zu  Dresden  gedruckt  wurde.  Bis  1627  lebte  er  amtlos 
in  Zittau,  war  1627 — 31  Pastor  und  Inspector  (Superintendent)  in 
Spandau,  1633  bis  an  seinen  19.  Januar  1636  erfolgten  Tod  Pfarrer 
zu  Herwigsdorf  bei  Zittau.  Die  rührende  Geschichte  seines  Ab- 
schiedes finden  wir  in  Schröter's  Exulantenhistorie  S.  184 — 242, 
vgl.  auch  Kr.  208.  KG.  Oberl.  123.  Tob.  13  flf.  GR.  II,  72—87. 

142.  Noch  einmal  gab  es  unter  dem  Schutze  der  Schweden, 
welche  Friedland  besetzt  hielten,  hier  einen  Pfarrer  und  Super- 
intendenten: M.  Bartholomäus  Trautmann,  zu  Greifenberg  in 
Schlesien  als  Sohn  des  Senators  Matthäus  Trautmann  geboren, 
studirte  in  Breslau  und  Leipzig,  ward  1641  (Tob.  15 :  1647  dürfte 
Druckfehler  sein)  Pfarrer  zu  Ottendorf  in  Schlesien.  1645  ward  er 
zu  Friedland  als  Pfarrer  und  Inspector  über  17  Kirchen  eingesetzt, 
aber  am  10.  October  1649  (XIX.  Sonntag  post  Trinitatis)  genöthigt, 
seine  ^Valet-  und  Gesegnungspredigt*  zu  halten,  welche  als  ,Vale 
Fridlandiacum*  gedruckt,  ja  1769  noch  einmal  aufgelegt  wurde. 
Trautmann  kehrte  in  sein  schlesisches  Vaterland,  nach  Rabishau 
im  Fürstenthume  Jauer  zurück,  von  wo  er  nach  vierjährigem  geist- 
lichen Wirken  1654  abermals  vertrieben  wurde.  Nachdem  er  in 
nächster  Nähe  seiner  Vaterstadt  Greifenberg  13  Jahre  lang  als  Privat- 
mann in  dem  lausitzischen  Oberwiesa  gelebt  hatte,  wurde  er  1667 
Pfarrer  zu  Rengersdorf  a.  Queiss  in  der  Oberlausitz  und  starb  dort 
am  18.  October  1684  als  sächsischer  Pfarrer.  (Tob.  S.  15.) 

Auch  mehrere  der  Diaconen  gehören  hierher,  so: 

143.  Bartholomäus  Pr ätorius  (wohl  =  Richter),  der  als  Pfarrer 
zu  Ebersbach  bei  Görlitz  starb.  (Tob.  13.) 

144.  Johann  Gabler  aus  Rum  bürg,  1583  Diakonus  in  seiner 
Vaterstadt  (wahrscheinlicher  als,  wie  Kr.  S.  151  will,  in  Rothenburg), 
1597  Pfarrer  daselbst,  1598  Pfarrer  zu  Friedersdorf  bei  Zittau,  1599 
Diakonus  zu  Friedland,  1602  Pfarrer  zu  Küpper  in  dem  jetzt  preus- 
sischen  Antheile  der  Oberlausitz,  wo  er  1613  starb.  (Tob.  13.  Jahrb. 

V,  134.) 


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108   . 

145-  Josua  During  (Düring,  Thuringus  —  er  selbst 
schreibt  D Urin ger),  geb.  1594  in  Wartenberg  in  Böhmen,  war 
1618 — 24  (nicht  Pfarrer,  wie  Kr.  S.  59  sagt,  sondern)  Diakonus  in 
Friedland,  wurde  zugleich  mit  seinem  Collegen  Günther  vertrieben. 
Von  1629  bis  an  seinen  1642  erfolgten  Tod  war  er  Pfarrer  zu 
Burkersdorf  in  der  südlichen  Oberiausitz.  (Tob.  14.  KG.  Oberl.  115.) 

Hierher  gehört  auch  der  Cantor: 

146.  Johann  Puschmann  (Putschmann)  aus  Kamenz,  1558 
Cantor  in  Friedland,  1562  Pfarrer  in  dem  ebengenannten  Burkersdorf, 
1569: — 71  in  dem  benachbarten  Türchau,  wo  er  starb.  (Kr.  58.  Tob.  13. 
KG.  Oberl.  36.  114,  wo  seine  Amtsjahre  abweichend  angegeben  sind.) 

147.  Jakob  Fiedler  aus  Lauban,  ^Baccalaureus*  in  Friedland, 
1547  Pfarrer  zu  Spitzkunnersdorf  in  der  südlichen  Lausitz,  1560 — 65 
zu  Jahna  bei  Oschatz.  (Kr.  486.  KG.  Oberl.  7,  EI,  62.) 

148.  Johann  Richter  aus  Löbau,  seit  1540  Rector  in  seiner 
Vaterstadt,  dann  Schulmeister  und  Stadtschreiber  in  Friedland, 
1550 — 53  Pfarrer  in  obengenanntem  Türchau.  Er  ist  von  Bugenhagen 
in  Wittenberg  ordinirt  worden.  (Kr.  517.  KG.  Oberl.  36.) 

Aus  Friedland  stammten: 

149.  Augustin  Major,  geb.  1587;  er  war  1611 — 14  Pfarrer  zu 
Beiersdorf  bei  Neusalza,  1617  Pfarrer  zu  Kemnitz  bei  Bernstadt,  wo 
er  im  Jahre  1660  starb.  (Kr.  28.  Tob.  15.  KG.  VII,  42.  Oberi.  205.) 
Wenn  ihn  Kr.  S,  28  nach  KG.  VII,  42  1614 — 17  Diakonus  und 
wendischer  Prediger  zu  Löbau  sein  lässt,  so  streitet  dies  mit  den 
Verzeichnissen  dieser  Diakonen,  wie  wir  sie  bei  ihm  selbst  S.  308. 
KG.  Oberl.  147.  Dietm.  Sechsstädte  873  finden,  wo  übereinstimmend 
Christoph  Lehmann  1614 — 17  als  Diakonus  aufgeführt  wird. 

150.  Friedrich  P^örster,  f  1680  als  Pfarrer  zu  Hermsdorf 
(früher  Hermannsdorf)  bei  Görlitz.  (Tob.  15.) 

151.  Franz  Frenzel,  Pfarrer  zu  (Ober-)  Wiesa  bei  Greifenberg, 
t  1599  zu  Görlitz  (Pesch.  Exul.  148),  von  Tob.  S.  15  nicht  erwähnt. 

Diese  Namen  genügen,  um  die  Bedeutung  der  damaligen  Ge- 
meinde Friedland  zu  kennzeichnen. 

XLIX.  Pürstenwalde  in  Mähren  (wo?) 
Sohn  des  hiesigen  Pfarrers  Johann  Hartmann,  seit  1569  —  wie 
es  scheint  bis  15 71  —  in  Reichenberg,  war  der  bereits  unter  N.  VII,  9 
aufgeführte  Pfarrer  Paul  Hartmann.  (Jahrb.  VI,   132.) 


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109 

L.    Gabel  im  nördlichen   Böhmen,   seit  2.  Februar  1870    Filial 
von  Reichenberg. 

Hier  bestand  schon  im  i6.  Jahrhundert  eine  blühende  evange- 
lische Gemeinde.  Die  Besitzer,  die  Herren  Berka  von  Duba, 
einst  eifrige  Husiten,  bekannten  sich  seit  dem  am  1 1 .  September 
1553  erfolgten  Tode  des  eifrig  katholischen  Zdislaw  Berka  von  Duba, 
Landvogts  der  Oberlausitz,  zum  Lutherthume.  Die  Pfarrer  standen 
fast  alle  in  enger  Beziehung  zur  benachbarten  Oberlausitz.  Zdislaw's 
Todesjahr,  von  Dr.  Wolkan  Jahrb.  III,  57.  11 1  auf  1552  bestimmt, 
wird  von  ihm  ,Leipa  zur  Zeit  der  Reformation*  Prag  1885,  S.  8  auf 
1553  gesetzt,  S.  7  ein  1553  von  ihm  vollzogener,  freilich  auf  den 
23.  September  zu  datirender  Kauf  angeführt.  Daneben  wird  Jahrb.  III, 
III  der  Grabstein  mit  der  Jahrzahl  1552  beschrieben.  Die  Sache 
ist  noch  richtig  zu  stellen. 

152.  Matthäus  Hacke  (Haake)  aus  Zittau,  1553  ordinirt. 
Wie  lange  dieser  amtirt,  ist  mir  nicht  bekannt. 

Auf  den  1579  verstorbenen  M.  Andreas  Seibt  folgte 

153.  Bruno  Quinos  noch  im  selben  Jahre.  Geboren  zu  Quer- 
furt in  Thüringen,  studirte  er  zu  Wittenberg,  war  1562 — 66  Pfarrer 
zu  Rosenburg  in  der  Grafschaft  Barby,  dann  1569  Feldprediger  der 
Grafen  Burkhard  und  Wolfgang  von  Barby,  als  welcher  er  dieselben 
nach  Ungarn,  vor  Gotha  (1567)  und  nach  Frankreich  begleitete.  Von 
1569 — 71  war  er  Pfarrer  zu  St.  Blasius  in  Quedlinburg;  dort  abge- 
setzt, wurde  er  1575  Archidiakonus  zu  Zittau,  jedoch  3.  Juli  1579 
wegen  Streites  mit  dem  P.  prim.  Andreas  Sünder  abermals  abge- 
setzt. Und  nun  erst  ging  er  nach  Gabel,  nicht  schon  1576,  wie 
Dr.  Wolkan  III,  117  behauptet.  Allein  als  P.  pr.  Sünder  als  ,calvi- 
nistischer  Streitkopf*  im  März  15  80  ebenfalls  abgesetzt  wurde,  berief 
man  im  April  Quinos  an  dessen  Stelle  nach  Zittau  zurück.  Jedoch 
bewirkte  seine  unverbesserliche  Streitsucht,  dass  er  wiederum  Sep- 
tember 1582  suspendirt,  August  1584  entlassen  wurde.  Er  wandte 
sich  nach  Oesterreich,  wo  er  im  Schnee  umgekommen  sein  soll. 
Nach  Jahrb.  1882,  S.  117  ist  er  jedoch  wieder  nach  Gabel  zurück- 
gekehrt. Er  war  ein  begabter  Mann,  seine  in  zweiter  Auflage  in 
Gabel  bearbeitete  Sterbekunst  ,Disce  mori*  ist  oft  abgedruckt  worden, 
aber  seine  stete  Streitsucht  hinderte  überall  ein  längeres  gedeih- 
liches Wirken.  (Kr.  558.  Dietmann  338  ff.  [Altmann]  Hist.  Ecclesiae 


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110 

Zittaviensis.    1732.  S.  184  ff.     Grosser,  Laus.  Merkwürdigk.  II,   63. 
Jahrb.  1882,  S,   117.  Tob.  23.) 
Sein  Nachfolger  war 

154.  Martin  Tectander  (Dachmann  oder  wohl  richtiger 
Zimmermann)  1580 — 1601.  Derselbe  war  1553  zu  Zittau  geboren 
als  Sohn  des  gleichnamigen  Archidiakonus  —  seit  1558  P.  prim.  — 
welcher  10.  April  1579  verstarb;  seine  Mutter  war  ihm  schon 
18.  September  1555  an  der  Pest  gestorben.  Er  studirte  1567 — 73 
auf  der  Fürstenschule  zu  St.  Afra,  dann  auf  der  Leipziger  Univer- 
sität. Als  Q  u  i  n  o  s'  Nachfolger  —  derselbe  war,  .  wenn  auch  nicht 
unmittelbar,  seines  Vaters  Nachfolger  in  beiden  Zittauer  Aemtern 
gewesen  —  zog  er  1580  nach  Gabel  und  blieb  dort  bis  1601.  Die 
damaligen  Reibungen  mit  den  Katholiken  schildert  Dr.  Wolkan 
Jahrb.  III,  117.  Einem  im  Jahre  1600  an  ihn  ergangenen  Rufe 
folgend,  ward  er  1601  Pastor  Secundarius,  1623  Pastor  primarius 
zu  Bautzen.  Mehrere  Jahre  emeritirt,  starb  er  14.  Juli  1631  als  Jubel- 
priester 78jährig.  Bald  nach  seinem  Amtsantritte  zu  Bautzen  legte 
er  in  einer  Predigt,  um  sich  vom  Verdachte  des  ,Calvinismus*  zu 
reinigen,  sein  lutherisches  Glaubensbekenntniss  ab.  Von  seinen  zu 
Gabel  gebomen  Söhnen  wird  der  eine  unter  Nr.  157  erwähnt  werden; 
merkwürdig  ist  der  jüngste,  Georg,  der  1602 — 1605  als  Secretär 
des  kaiserl.  Abgesandten  Kakasch  von  Zalonkemeny  nach  Persien 
reiste,  nach  des  Gesandten  Tode  die  (Gesandtschaft  an  Schah  Abbas 
ausführte,  reich  beschenkt  von  diesem  heimkehrte  und  14.  August 
16 14  als  Zolleinnehmer  zu  Bautzen  durch  einen  unglücklichen  Büchsen- 
schuss  kinderlos  verstarb.  (Kr.  24.  AA.  40.  Dietm.  35.  Hist.  eccl. 
Zittav.  551.  Grosser  III,  53.  Tob.  23.) 

Dass  es  nicht  heissen  darf,  wie  Jahrb.  III,  117  steht:  ein  prote- 
stantischer Geistlicher  folgte  dem  andern,  wenn  auf  Martin  Tec- 
tander nach  21  jährigem  Wirken  ein  neuer  Seelenhirt  folgt,  habe 
ich  schon  VI,  41  nachgewiesen.  Dieser  Nachfolger  war: 

David  Sutorius  (Schuster),  der  eb^ifalls  längere  Zeit,  von 
1601— 13,  wirken  konnte.  S.  Jahrb.  VII,  S.  196,  Nr.  XXVm,  86. 
Jahrb.  III,  117  wird  sein  tüchtiges  Wirken  gerühmt,  welches  selbst 
Katholiken  Achtung  eingeflösst  habe.     S.  Tob.  23. 

Der  letzte  evangelische  Pfarrer  in  Gabel  war 

155.  Gregor  Röscher,  geb.  1577  zu  Zittau,  welcher,  nachdem 
er  1609 — 13   Pfarrer    zu   Spitzkunnersdorf  bei  Zittau   gewesen,    bis 


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111 

1623  in  Gabel  wirken  konnte.  Die  Reibungen  zwischen  beiden  Con- 
fessionen  entschied  die  Schlacht  am  Weissen  Berge  und  die  Gegen- 
reformation, die  ihr  folgte,  zum  Nachtheile  der  Lutheraner.  Graf 
Kolowrat,  der  kaiserliche  Reformations-Commissarius,  ,  zwang  die 
Einwohner  zu  Gabel  scharf  mit  Prügeln  und  in  Eisen  schlagen,  ver- 
brannte alle  lutherischen  Bücher  an  der  Staupsäule  daselbst*,  heisst 
es  in  der  alten  Gabeler  Chronik  über  den  28.  Februar  1628.  Schon 
zu  Martini  1623  hatte  Gregor  Röscher  Gabel  verlassen  müssen. 
Er  ging  am  23.  November  nach  Zittau,  wo  er  am  10.  November 
1632  55 jährig  starb,  seine  Witwe  6.  October  1634  ihm  folgte.  Auf 
seinem  Denkmale  heisst  er  , ehrwürdig,  achtbar  und  wohlgelehrt*. 
^Doch  wurde  nicht  sein  Glaubensbekenntniss  aus  den  Herzen  der 
Bewohner  mit  verbannt*,  sagt  Hamburger  in  seiner  Geschichte  von 
Gabel  S.  152.  Auch  die  zurückbleibenden  Bewohner  Gabeis,  die 
ihrem  Hirten  nicht  in  die  Verbannung  folgten,  blieben  lange  Zeit 
äusserst  widerspenstig  gegen  die  römische  Geistlichkeit,  welche  über 
fortwährend  von  ihnen  erlittene  Beschimpfungen  und  Beleidigungen 
klagt;  ^nicht  ein  Zeichen  der  katholischen  Religion  wird  bei  ihnen 
bemerkt:  also  was  kann  ich  mehr  sagen,  als  dass  sie  Ketzer  sind?* 
klagt  Prior  Dominicus  Alanus.  (Kr.  486.  KG.  Oberl.  7.  Jahrb.  III,  1 18. 
Pesch.  GR.  II,  128.  223.  482.  491.  Exul.  72.  Tob.  24.) 

Hierher  würde  auch  gehören  der  von  Tobias  ebenda  S.  24  erwähnte 

156.  Johann  Gurckius  aus  Friedeberg  a.  Queiss  in  dem  jetzt 
preussischen  Antheile  der  Oberlausitz,  nahe  bei  Greifenberg  in 
Schlesien,    der  sich  Am  16.  October   1623   , Pastor  in  Gabel*  nennt 

—  was  aber  da  doch  sicher  Gregor  Röscher  noch  war.  Vielleicht 
war  er  Roscher's  Diakonus. 

Aus  Gabel  stammte 

157.  M.  Heinrich  Tectander,  Sohn  von  Nr.  154,  1607 — 8 
Sonnabendsprediger  zu  St.  Nikolai  in  Leipzig,  schon  25.  October  1610 
als  Pfarrer  zu  St.  Ulrich  in  Halle  gestorben.  (Kr.  276.  Hist.  eccl. 
Zitt.  175 1.  Albrecht,  Sachs.  Kirchen- und  Prediger-Geschichte  I,  221 

—  wo  sein  Tod  auf  den  27.  October  gesetzt  wird.) 

LL  Gablonz  im  nördlichen  Böhmen,  Pfarrgemeinde  seit  20.  Oct.  1838. 

Hierher  gehören  ihr  5.,  6.  und  7.  Pfarrer: 

158.  Otto  Bernhard  Grieshammer,  geb.  10.  December  1840 
zu  Rödem  bei  Radeburg   als  Sohn  des  damaligen  v.  Klitzing'schen 


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112 

Hüttenmeisters,  später  zu  Bernsdorf,  G.  Grieshammer ,  gestorben 
i88i  zu  Veckernhagen  als  hessischer  Bergdirector  (dessen  Name 
am  König  Friedrich-August-Thurme  auf  dem  Löbauer  Berge  zu 
sehen,  als  dessen  Erfinder  er  zu  bezeichnen  ist),  1854 — 60  Afraner, 
dann  Student  in  Leipzig,  zeitweilig  Vorsitzender  des  studentischen 
Gustav- Adolf- Vereins,  war  1868 — 73  Pfarrer  allhier.  Seitdem  wirkt 
er  in  seinem  Vaterlande,  erst  zu  Neukirchen,  Eph.  Meissen,  seit 
1880  zu  Schandau  a.  d.  Elbe.  (Kr.  354.  AA.  509.) 

159.  Max  Ludwig  Bruno  Lampadius,  geb.  14.  Juni  1845  zu 
Leipzig  als  Sohn  des  noch  im  Ruhestande  lebenden  Diakonus  zu 
St.  Nikolai  M.  Wilhelm  Adolf  Lampadius,  wirkte  als  Gries- 
hammer's  Nachfolger  von  1873—1877,  wo  er  als  Diakonus  zu 
Meissen  in  sein  Vaterland  zurückkehrte.  (Kr.  328.) 

160.  Ernst  Hermann  Rolle  war  geboren  30.  April  1849  zu 
Rohnau  in  der  Oberlausitz,  hatte  in  Zittau  und  Leipzig  studirt. 
Anfangs  war  er  Lehrer  und  Diakonatsverweser  zu  Kamburg  im 
Meiningischen,  dann  Realschullehrer  in  Borna.  Von  1878  bis  1881 
war  er  in  Gablonz,  worauf  er  als  Pfarrer  nach  Hoheneichen  bei 
Saalfeld  in  Sachsen-Meiningen  berufen  wurde. 


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Das  „Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  O es ter reich*',  welches  unter  der  Redaction  des  Präsidenten 
(Dr.  Karl  Ritter  von  Otto),  der  beiden  Vicepräsidenten  (Dr.  w^Z/A.  IVttz  \xnd  Dr.  Theodor 
Haase)  und  des  Secretärs  der  Gesellschaft  (Lic.  Dr.  Gustav  Trautmberger)  in  viertel- 
jährigen Heften  erscheint,  behandelt  in  längeren  Original-Artikeln,  in  Referaten,  in 
Mittheihiiig  von  Urkunden,  in  Besprechungen  und  Notizen  Alles,  was  sich  auf  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  bezieht. 

Dasselbe  ist  von  den  Evangelischen  überall  mit  ungctheilter  Freude  begrüsst 
und  von  der  Kritik  auf  das  Wohlwollendste  aufgenommen  worden. 

Hier  einige  Worte  aus  Recensionen: 
;,Mit  dem  ersten  Doppelhefte    wird    ein   Unternehmen    eröffnet,    welches   die   leb- 
hafteste  Zustimmung    verdient Nach    dieser   Reichhaltigkeit   des  Inhalts    darf 

man  der  jungen  Zeitschrift  zu  dem  würdigen  und  verheissungsvollen  Anfang  theilneh- 
mend  Glück  wünschen  und  einen  entsprechenden  Fortgang  unter  Gottes  Segen  getrost 
in    Aussicht  stellen." 

„Auf  das  erste  Doppelheft  ist  alsbald  das  zweite  gefolgt  ....  Möge  das 
Jahrbuch  seinen  Weg  in  der  bisherigen  Weise  fortsetzen  und  die  Leser  in  und 
ausser  Oesterreich  femer  durch  so  lehrreiche,  gehaltvolle  Publicationen  erfreuen." 

jyWie  der  zweite  Band  entspricht  auch  der  dritte  durch  die  Reichhaltigkeit  und 
Verschiedenheit  des  Inhalts  den  gehegten  Erwartungen.'' 

Theolc^sches  Utteraturblatt  (Leipzig)  1881.  Nr,  ao  u'.  jj.    iSSj.  Nr.  JS- 

j,.  .  .  Zugleich  hat  die  Gesellschaft  in  zwei  Doppelheften  den  ersten  Jahrgang 
ihres  Jahrbuches  herausgegeben,  welches  eine  Fülle  interessanter  Nachrichten  über 
die  wechselvollen  Schicksale  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  enthält.  Wir 
wünschen  unsern  österreichischen  Brüdern  Glück  zu  diesem  schönen  Anfang  und 
hoffen,  dass  die  neue  Gesellschaft  auch  im  Deutschen  Reiche  Mitglieder  und  thätige 
Freunde  gewinnen  werde.  Wirkliche  Mitglieder  sind  jene,  welche  historische 
Arbeiten  liefern  und  einen  Beitrag  von  3  fl.  jährlich  leisten,  unterstützende  Mit- 
glieder solche,  welche  wenigstens  5  fl.  jährlich,  oder  als  Grün  der  einen  einmaligen 
Beitrag  von  wenigstens  50  fl.  zahlen." 

Neue  Evangelische  /Circhenzeitung  (Berlin)  1881.  Nr.  22. 

„.  .  .  Als  erfreuliche  Frucht  der  Vereinsthätigkeit  liegen  die  beiden  ersten  Doppel- 
hefte des  Jahrbuches    der  Gesellschaft    vor,    welche    eine  Reihe    zum  Theil    höchst 

interessanter  Veröffentlichungen    enthalten Wir  wünschen  dem  so  glücklich 

begonnenen  Unternehmen,  dem  unsere  volle  Sympathie  gesichert  ist,  kräftigen  Fortgang, 
Möge  dasselbe  an  seinem  Theile  zur  Stärkung  des  evangelischen  Bewusstseins  unter 
den  Protestanten  Oesterreichs  das  Seinige  beitragen!" 

(Prof.  Dr.  Lipsius)   Theologische  Literaturzeitung  (Leipzig)  1881.  Nr.  ij. 

Das  Jahrbuch  „für  unsere  evang.  Brüder  in  Oesterreich  gewiss  von  grösstem 
Werth  und  Interesse,  aber  auch  für  weitere  Kreise  sehr  zu  empfehlen"  u.  s.  w. 

Theologischer  Litter atur- Bericht  (Gütersloh)  1883-  Nr.   8. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger Redaction 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  Icönnen  wir  .  .  .  nur  wieder- 
holen. Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evan- 
gelische Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Prote- 
stantismus wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per- 
sönliches   und  Allgemeines"    u.  s.  w. 

Neue  Evangelische  Kirchenzeitung  (Berlin)  1883.  Nr.  40. 
^Es  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfangen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treffliches 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoU  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen**    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Horawitz)  Deutsche  Zeitung^  Wien  z88s.  Nr.  410^- 
^.  .  .  Wir    verfehlen    nicht,    die   Freunde    reformations-historischer  Forschung   auf 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen." 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  Evangelische  Kirchenzeitung  (Greifsw.)  1883.  Nr.  48. 
„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wissen 
schaftliche  Gesellschaft    unserer    evangelischen  Kirche    aufs  Kräftigste   zu   unterstützen 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern." 

•  Evangelische  Kirchenzeitung  für   Oesterreich  (Bielitz)  1884.  Nr.  i. 

„.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben"   u.  s.  w. 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweiz  (Zürich)  1886.  H.  I.  S.'  61. 
„Mit  Freude    begrüssen    wir    diese    weiteren  Jahrgänge   der  verdienstvollen  Zeit- 
schrift" u.  s.  w. 

(Prof.  S.   G.)   Theologischer  Litter aturbericht  (Gütersloh)  1887.  S.    78, 

Zur  Nachricht. 

Se.  Erlaucht    der    Graf  und   Herr   von    Giech    auf  Thurnau    bei    Kulmba.ch     m 
Bayern   hat   das   in    seinem  Besitz   befindliche    Porträt    des   berühmten   österreichischen 
Exulanten  Gallus  Freiherrn   zu  Rägknitz  (f  in  Nürnberg  1658)  dem  Centralvor- 
stande  unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.   Das  Porträt  ist  von   der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerischer 
Umrahmung.   Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften  . 
^Geh  nur  davon,  ||  Sey  fromm  für  mir,  {|  Gib  Armen  hier,  ||  Ich  bin  dein  Lohn/ 
Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  I.  Mos.   I2; 
^Geh  aus  deinem  Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm, 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild, 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron.*^ 

Der  Centralvorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,  welche  im  Archiv  unserer  Gesellschaft  (Wien,  I.  Dorotheergasse  16)  a  i  fl. 
zu  haben  ist. 


Druck   von  Wilhelm   Köhler.  Wien.  VI.  MolUnipi»«!  41. 


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JAHRBUCH 


der 


Gesellscbalt  für  die  GescUcMe  des  Protestantismas 


in  Oesterreich. 


Achter  Jahrgang. 

III.  Heft. 

Juli  —  September  1887. 


-»2£>«^« 


Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klinkhardt 

1887. 


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Inhalt  von  Heft  III. 

Seile 

5.  Die  Execution  zu  Prag  im  Jahre  1621.  II.  Mitgetheilt  von  JUC.   Th.  Molndr  113 

6.  Die   erste   evangelische  Kirchenverfassung     in   Oesterreich.    Von  OKR.  Dr. 
Gustav  Frank 129 

7.  Miscellanea 

1.  Aus  Eibenschitz  /Dr.   T^-aiäenberger)        147 

2.  Verfahren  der  Kaiserin  Maria  Theresia  gegen  die  Protestanten.  /G.  WolfJ  147 

3.  Zwei  Berichte  Tobias  Kiessling's  aus  Oesterreich.  (G,  Frank.     .     .     .  14S 

4.  Statistisches  aus  Wien.  /^O.J 150 

8.  Bericht  des  Central- Vorstandes  über  das  Vereinsjahr  1886 151 


Zur  Beachtung. 

Wir  ersuchen  unsere  Mitglieder,  in  ihren  Kreisen  für  die  Verbreitung  der 
Gesellschaft  thätig  zu  sein,  und  stellen  zu  diesem  Behufe  Exemplare  der  Statuten 
in  gewünschter  Anzahl  zur  Verfügung. 

Laut  Beschlusses  des  Centralvorstandes  in  seiner  Sitzung  am  27.  Februar  1884 
erhalten  die  Mitarbeiter  am  „Jahrbuch",  vom  fünften  Jahrgang  (1884)  an,  nach  Erscheinen 
des  betreffenden  Jahrgangs  als  Honorar  pro  Druckbogen  sechzehn  Gulden  ö.  W. 

Den  Mitarbeitern  werden  sechs  Gratis  •  Separatabztige  ihrer  Arbeiten  nach 
Erscheinen  des  betreffenden  Heftes  von  der  Köhler'schen  Buchdruckerei  franco  zugesendet. 
Eine  grössere  Anzahl  von  Separatabzügen  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Verständigung 
der  Herren  Verfasser  mit  der  genannten  Buchdruckerei  (Wien,  VI.  Mollardgasse  41) 
gegen  Erstattung  der  Druckkosten  gemacht  werden. 

Die  noch  rückständigen  Beiträge  bitten  wir  an  unsern  Cassier,  Herrn  Hof- 
und  Gerichts- Advocat  Dr.  Carl  Ritter  von  Sääf  (Wien,  I.  Ballgasse  6),  ehebaldigst 
einzusenden. 

Für  das  „Jahrbuch**  bestimmte  Arbeiten,  sowie  Zuschriften  an  die  Gesellschaft 
sind  „An  das  Bureau  der  Gesellschaft,  V7ien,  I.  Dorotheergasse  z6'  zu  richten. 

Der  Centralvorstand 

der  Gesellschaft  Rir  die  Geschichte  des  Protestantismus 
in  Oesterreich. 


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V. 
Die  Bxecution  zu  Prag  im  Jahre  1621. 

Mitgcthcilt  von  JUC.  TH.  MOLNiR. 

IL«) 

Es  ist  leicht  erklärlich,  dass  sich  viele  gleichzeitige  Schilde- 
rungen der  Execution  gefunden  haben  und  zwar  sowohl  von  evan- 
gelischer als  auch  von  katholischer  Seite,  und  ist  zu  bedauern,  dass 
sich  die  sämmtlichen  Beschreibungen  der  Hinrichtung,  die  man  als 
Zeitungen  der  damaligen  Zeit  betrachten  kann,  nicht  erhalten  haben. 
In  der  Bibliothek  des  böhmischen  Museums  zu  Prag  haben  wir  im 
Ganzen  fiinf  gleichzeitige  Berichte  gefunden,  von  denen  zwei  bereits 
angeführt  worden.  Es  folgen  nun  die  übrigen  Berichte,  von  denen 
die  ersten  zwei  jedenfalls  von  einem  evangelischen,  der  dritte  aber 
von  einem  katholischen  Autor  geschrieben  sind. 

Warhaffte  Relation  und  Bericht,  | 
Welcher  massen  Fünff  und  Viertzig  |  Graven  |  Herren  |  Ritter  |  und 
Bürger  Stands -Personen  |  auf  Kay:  May:  Befelch  j  den  21.  Juni 
dieses  lauffenden  162 1.  Jahrs  |  in  der  Königlichen  Haupt  Stadt  Prag 
Verurtheilt  worden  |  darunder  Sieben  und  Zwanzig  auff  einer  am 
Altstätter  Ring  auffgerichten  Bühnen  |  so  mit  schwartzem  Tuch  über- 
zogen gewest  I  Justificiret  |  die  andern  aber  auff  andere  weise  gestrafft 
worden:   Auch  was  sich   sonsten  zuvor  und  hernach  verloffen  hat. 

AuDfiihrlicher  Bericht  | 
Welcher   gestalt   die  Kayserl:  Execution  |   mit   den  Gefangenen   im 
Königreich  Böheim   in    der   Alten   Stadt    Prag  |  vorgenommen   und 
verriebt  worden. 

Nach  dem  von  der  Rom:  Kays:  auch  zu  Hungarn  und  Böheim 
Königl:  May:  Ihrer  Fürstl.  Gn.  von  Liechtenstein  |  und  andere  Herren 


i)  Vergl.  Jahrb.  1886,  S.   174—187. 
Jahrbuch  des  Protestantismus  1887.  H.  III. 


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114 

Commissarien  |  so  zu  den  Malefitzpersonen  im  Königreich  Böheim 
verordnet  worden  |  gnädigste  anbefohlene  Execution  den  21.  Juni 
ergehen  lassen:  Als  ist  solche  folgender  gestalt  von  gedachten 
Herren  Commissarien  zu  werck  gezogen  worden. 

Den  Donnerstag  zuvor  |  als  den  17.  Juni  |  eeind  7  Comet  zu 
Roß  under  dem  Commando  ihrer  Fürstl.  G.  von  Sachsen  anhero 
gelangt  |  deren  5  in  die  Altstatt  |  und  2  in  die  Newstatt  einlosiert 
worden  |  die  haben  vom  selben  tag  an  in  der  Altenstatt  hin  und 
wider  ihre  Schiltwachten  gehabt  |  auff  dem  Ring  aber  hat  bey  der 
Nacht  ein  gantz  Cornet  gehalten  |  die  Bienen  oder  Theatrum  im 
Zimmerhoff  der  Altenstatt  zugericht  worden. 

Den  19,  dito  Sambstags  frühe  |  seind  13  gefangene  von  der 
Newstatt  |  und  lO  derselben  von  der  Altstatt  |  durch  dero  Raht 
Kutschen  und  Pferd  |  mit  begleitung  etlicher  Musketierer  nach  Hof 
gefiibret  worden  |  allda  seind  zuvor  im  gefängnuß  gelegen  von  den 
Herren  und  Ritterstands  |  auch  etliche  gewesene  Directores  [  die 
seind  nun  samptlichen  |  doch  einer  nach  dem  andern  |  vor  das  Kays: 
Gericht  und  die  Herrn  Commissari  gefordert  worden :  und  ist  solcher 
Proceß  geschehen  in  einer  grossen  Stuben  \  wann  man  den  Wendel- 
stein hinauff  gehet  |  oberhalb  der  Cantzley  |  in  der  Reichshoffraht- 
stuben:  alda  ein  Tron  von  violbraunen  Sammet  gemacht  gewesen 
darunder  ihre  F.  G.  von  Liechtenstein  |  und  die  andern  Herrn  Com- 
missari neben  ihm  herumb  gesessen.  Als  nun  der  gewesene  Land- 
Hoffmeister  Herr  Popel  zum  ersten  vor  geführt  worden  |  ist  alsbald 
der  Kayserl:  Procurator  auffgetretten  |  nicht  allein  ihme  |  sondern 
allen  gefangenen  (welche  zwar  nit  zugegen  waren)  in  Teutscher  und 
Böhmischer  sprach  angelangt  |  und  die  Herrn  Commissari  vmb  ein 
Endurtheil  gebeten:  darauff  hat  Herr  D.  Melander  teutsch  geant- 
wortet I  daß  diß  Urtheil  verfasset  were  |  und  sollte  nichts  anders 
ergehen  |  als  was  zuforderst  Recht  und  Gerechtigkeit  |  und  dann  zur 
erhaltung  Rom.  Kay.  May.  Reputation  dienete  |  und  mit  sich  brächte  : 
ein  gleichmässige  Oration  ist  in  Böhmischer  sprach  von  Herrn 
D.  Kapper  gethan  worden.  Hierauff  der  Proceß  teutsch  von  der 
Kleinseitner  Richter  verlesen  worden:  nicht  weniger  auch  in  Böh- 
mischer sprach  von  einem  andern  beschehen:  von  welchen  beyden 
dann  nachfolgende  fünff  und  viertzig  Personen  folgender  gestalt  sind 
verurtheilt  worden. 


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115 

1.  Der  vermeinte  und  gewesene  Land  Hoffmeister  Popel  von 
Lcbkowitz  I  soll  ewig  gefangen  ligen  |  doch  auff  Ratification 
ihrer  Kay.  May. 

2.  Paul  Zenschen  [recte  Riöan]  hat  eine  gleichmässige  Gnad 
erlangt, 

3.  Graff  Joachim  Andreas  Schlick  |  auß  Gnaden  die  Recht  Hand 
abzuhawen  |  und  sampt  dem  Kopff  auff  den  Thum  zustecken. 

4.  Wentzel  Budowetz  deßgleichen  |  ohne  die  Hand. 

5.  Christopf  Harrant  au0  Gnaden  den  Kopff  abzuschlagen. 

6.  Caspar  Kapliers  [Kaplff]  auß  Gnaden  |  und  in  ansehung  seines 
Achtzig  Jährigen  Alters  den  Kopf  abzuschlagen. 

7.  Morsetzky  [Dwofetzk^]  den  Kopff  abzuschlagen  und  auff  die 
Brücken  zu  stecken. 

8.  Michalowitz  die  Hand  und  Kopff  abzuschlagen  |  und  auff  die 
Brücken  zu  stecken. 

9.  Friederich  von  Pylan  [Bflä]  den  Kopff  abzuhawen  und  auff  die 
Brücken  zu  stecken. 

10.  Heinrich  Hotte  [Otta]  auß  Gnaden  den  Kopff  abzuschlagen  | 
und  auff  die  Brück  |  und  vier  Viertel  auff  die  Strassen  zu 
stecken. 

11.  Hanß  Wostrowetz  auß  gnaden  gefangen  bleiben  |  doch  auff 
Ratification  ihrer  May. 

12.  Felix  Wentzel  Pitibischkli  [Pietipesk]^]  deßgleichen. 

13.  Dionysius  Tschernitz  [Czernin]  auß  gn:  den  Kopff  abzuschlagen. 

14.  Wolffgang  Haßlawer  [Hoslauer]  nach  Raab  in  Eisen  zu  fuhren. 

15.  Wilhelm  Klumsky  [Konetzchlumsky]  zu  köpffen. 

16.  Johann  Theodor  Sixt  deßgleichen. 

17.  Valentin  Kochein  [Kochan]  zu  köpffen. 

18.  Thomas  Steffeck  deßgleichen. 

19.  Den  alten  Kober  deßgleichen. 

20.  Johann  Schulthes  zu  köpffen  |  und  den  Kopf  nach  Kuttenberg 
auff  die  Justici  zu  stecken. 

21.  Maximilian  Ostelik  [Hoschtaleck]  zu  köpffen  |  und  den  Kopff 
nach  Saatz  auff  die  Justici  zu  stecken. 

22.  D.  Johann  Jcssenius  I  gewesener  Professor  des  Collegii  Carolini 
der  Altenstatt  Prag  |  die  Zung  auß  dem  Rachen  zu  schneiden  | 
zu  köpffen  |  in  vier  theil  zu  schneiden  |  und  dieselbe  auff  die 

Strassen  zu  stecken. 

9* 


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116 

23-  Johann  Kuttnauer  | 

24.  Simon  Suschitzky  |  beyde  zum  Rahthauß  herauß  zu  hencken. 

25.  Nathaniel    Wodnianschky    [Wodniansky]    an    die    Justicia    zu 
hencken. 

26.  Melchior  Deubrecht  [Teyprecht]  nach  Raab  gefangen  zu  fuhren. 

27.  Georg   Sabietta    [Zäveta]    auß   Gnaden   gefangen   zu   nehmen, 
doch  auff  Ratifikation. 

28.  Wentzel  Messeroffky  [Maäterowsky]  zu  köpffen. 

29.  Paul  Pertzka  [Pecka]  ein  Jahr  gefangen  zu  setzen. 

30.  Niklauß  Diebiß  [Diwisch]    seine  Zung  an  Pranger  zu  nageln   | 
und  gefangen  nach  Raab  senden. 

31.  Wentzel  Orsitzky  [Boietzkj^]  außzustreichen. 

32.  Mathias  Borbonius  auß  Gnaden  gefangen  |  doch  auff  Ratification. 

33.  Caspar  Vsle  [Uhler]  auß  Gn:  gefangen  |  doch  auff  Ratifikation. 

34.  Heinrich  Cossal  [Kozel]  auß  Gn:  geköpfft. 

35.  Elias  Roßin  [Rozin]  der  Alte  deßgleichen. 

36.  Lucas  Barban  [Karban]  nach  Raab  gefangen  zu  fuhren. 

37.  Andreas  Katzawer  [Kotzour]  zu  köpffen. 

38.  Joseph  Rubin  [Kubin]  die  Statt  zu  verweisen. 

39.  Johannes  Scorsse  [Svvehla]  mit  Ruten  außzustreichen. 

40.  Georg  Sersitzky  [Äecick^J  zu  köpffen. 

41.  Michael  Wiedemann  [Widmann]  deßgleichen. 

42.  Simon  Pockars  [Wokäf]  deßgleichen. 

43.  Jan  Kummericht  [Kamaryt]  auff  ein  Jahr  zu  verweisen. 

Als  nun  diese  Verurtheilung  fiirüber  gewesen  |  seind  die  Herren 
Commissarien  wider  nach  Hauß  gefahren  |  zuvor  aber  hat  sich  der 
Kayserl:  Procurator  in  Teutscher  und  Böheimischer  sprach  bedanckt. 
Die  Verurtheilten  aber  seind  wider  in  die  Gefängnuß  geführet  |  und 
ihnen  vergünstiget  worden  |  daß  sie  jederman  hat  besuchen  und  mit 
ihnen  reden  können. 

Es  seind  aber  j  sobald  man  sie  in  die  Gefängnuß  gebracht 
underschiedliche  par  Jesuiter  zu  ihnen  kommen  |  ob  sie  einen  oder 
den  andern  bekehren  möchten  |  man  hat  aber  von  keinem  gehört 
der  sich  wolt  abwenden  lassen :  mit  D.  Jessenio  haben  sie  |  in  bey- 
sein  eines  Teutschen  Predigers  M.  David  Lippach  |  länger  als  ein 
Stund  disputieret  |  aber  er  hat  ihnen  zur  Antwort  geben:  was  er 
seinem  HErm  Christo   in  seiner  Tauffe  zugesagt  |  darauff  wolle  er 


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117 

leben  und  sterben  |  auch  solches  mit  seinem  Blut  williglich  bezahlen. 
Sie  haben  auch  die  gantze  Nacht  mit  Singen  und  Beten  zugebracht. 

Es  ist  auch  diesen  Sambstag  die  Bühn  auf  dem  Altstätter  Ring 
aufTgericht  worden  |  allemechst  am  Rahthauß  |  das  man  auß  einer 
Thür  herauß  darauff  gehen  können  |  die  ist  4  Ellen  hoch  |  22  Schritt 
breit  und  22  lang  |  ist  verschlagen  und  gerings  herumb  ein  Schrancken. 

Sambstags  in  der  Nacht  seind  über  vorige  43  Personen  ferner 
zum  Todt  condemnirt  worden  |  Leander  Rüppel  |  Heydelbergischer 
und  anderer  Fürsten  Raht  |  den  KopfT  und  die  Hand  abzuschlagen. 
Deßgleichcn  auch  Georg  Hauenschild. 

Sontags  frühe  den  20.  Juni  |  seind  viel  der  Gefangenen  Weib  und 
Kinder  zur  ihrer  F.  G.  von  Liechtenstein  geloffen  |  umb  Gnade  für 
ihre  Männer  oder  doch  Linderung  der  Straff  gebetten  |  aber  nichts 
erhalten. 

Herr  M.  Lippach  hat  auff  offener  Cantzel  das  Volck  vermahnt  | 
man  wolle  die  Gefangenen  und  Verurtheilten  ins  Gebett  mit  ein- 
schließen I  das  ihnen  der  Allmächtige  Gott  ein  seelig  bestandhafftes 
End  verleyhen  wolle  |  darob  viel  Volcks  geweinet  |  und  ist  einmahl 
ein  groß  Elend  zu  ersehen  |  wie  die  armen  Weib  und  Kind  klagen  | 
heulen  und  weinen  |  die  Verurtheilten  aber  sein  gar  getrost  |  Gott 
tröste  und  stercke  ihre  armen  Seelen. 

In  der  Sontags  Vesperpredigt  hat  D.  Jessenius  |  Leander  Rüppel 
und  Georg  Hauenschild  |  umb  Verzeihung  bitten  lassen  |  im  Fall  sie 
jemand  etwas  zu  wider  gethan.  Selbigen  Tags  ist  die  auffgerichte 
Bühn  I  über  und  über  mit  schwartzem  Tuch  überzogen  worden  | 
deßgleichen  auch  auff  der  selten  deß  Rahthauses  etliche  Ellen  hoch. 
Als  es  24  geschlagen  |  hat  man  alle  gefangne  Herrn  von  Hoff 
auff  II  Gutschen  |  mit  2  Comet  Reuter  und  i  Fahnen  Fußvolck 
herunder  in  die  Alte  Statt  gebracht  j  deßgleichen  ists  auch  mit  den 
Newstätter  Gefangenen  hernach  beschehen  |  und  haben  in  dieser  Nacht 
alle  Reuterey  und  Fußvolck  auff  underschiedlichen  Plätzen  wachen 
müssen.  Montag  den  21.  Juni  frühe  |  als  es  auf  der  Teutschen  Uhr 
vor  5  gewesen  |  seind  am  Himmel  gesehen  worden  2  schöne  Regen- 
bogen I  welche  Creutzweiß  geweßen  |  was  bedeut  ist  Gott  bekannt  | 
es  wird  darvon  underschiedlich  discurirt.  Umb  diese  Zeit  |  wie  auch 
die  gantze  Nacht  |  haben  3  Fähnlein  Fussvolck  und  2  Comet  Reuter 
auffm  Ring  gehalten  |  und  als  die  Glock  5  geschlagen  |  ist  bei  Hoff 
auß  einem  grossen  Stuck  ein  Loßschuß  geschehen  |  da  dann  alsbald 


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118 

alle  Thor  zugesperrt  |  und  die  Execution  vor  die  Hand  genommen 
worden  |  und  seind  demnach  laut  der  Urtheil  die  Personen  nach  ein- 
ander gerichtet  worden. 

Erstlich  |  Graf  Schlick  in  einem  schwartz  seidenen  Rock  |  in 
der  Hand  ein  Buch  haltend  |  ist  gantz  getrost  zum  Todt  gangen  | 
fleißig  gebettet  |  sein  Diener  hat  ihn  außgezogen  |  der  Scharpff- 
richter  hat  ihm  den  Kopff  abgeschlagen  |  und  dann  hat  sein  Diener 
sein  rechte  Hand  auff  ein  Klötzlein  gelegrt  |  die  auch  von  dem 
Scharpflfrichter  abgehawen  |  und  sampt  dem  Kopff  in  seine  Ver- 
wahrung genommen  |  der  Leib  aber  ist  in  das  Tuch  |  worauff  er  ge- 
richtet I  gewickelt  worden  |  von  6  schwartz  verkappten  Personen  \ 
welche  lange  schwartze  Rock  |  schwartze  Hut  |  und  im  Gesicht  mtt 
Tuch  verkappt  gewesen  |  das  sie  niemand  hat  können  kennen  |  vom 
Theatro  hinweg  getragen  worden  |  also  das  der  Leib  vom  Hencker 
nicht  angerUhret  gewesen  |  und  auff  diese  Manier  ist  es  mit  allen 
andern  gehalten  worden  |  außer  Jessenins  und  den  dreyen  |  welche 
gehengt  worden  |  sobald  einer  gerichtet  |  und  hinweg  getragen  ge- 
wesen I  die  6  Verkappte  jedermal  ein  frisch  schwartz  Tuch  auff- 
gebreitet  |  also  das  jeglicher  sein  sonderlich  Tuch  gehabt  |  sind  also 
standhafft  blieben  |  von  ihrer  Religion  nit  abgewichen.  Herr  von 
Budowetz  hat  gar  keinen  Priester  gehabt  |  sondern  sein  Gebett  allein 
verriebt  |  haben  samptlich  ihr  Gebett  fleißig  verbracht  |  gedultig  und 
doch  gar  mit  frischem  Mut  gestorben  |  darob  man  sich  verwundem 
müssen  |  sonderlich  wegen  der  sehr  viel  alten  Eisgrawer  Leut  |  darob 
sich  bilHch  zu  entsetzen  gewesen  |  und  müsste  einer  ein  steinern 
Hertz  gehabt  haben  |  der  nit  Erbarmung  mit  ihnen  gehabt.  Die 
rechten  Anfänger  sind  zeitlich  außgqrissen  |  weiche  diese  und  andere 
verführt  haben  |  Gott  gnade  ihren  Seelen. 

Hans  Theodor  Sixt  ist  zwar  auff  der  Bühnen  gewest  |  und 
gleich  niederknien  wollen  |  aber  wider  ins  Gefangnuß  geführt  |  darine 
er  I  und  der  alte  Rosin  Director  |  soweit  erbetten  worden  |  biß 
Kay.  M.  allhero  gelangen  |  Die  übrigen  so  zum  Todt  verurtheilt  ge- 
wesen I  hat  man  alle  hinrichten  lassen  |  in  allem  24  mit  dem  Schwert ' 
daninder  vieren  die  Hand  abgehawen  |  dem  Jessenio  die  Zung  auß 
dem  Halß  geschnitten  |  und  3  Personen  gehengt  worden  |  hat  also  der 
hiesige  Scharpffrichter  |  allein  von  seiner  Hand  21  Personen  umbracht. 

Dienstags  vor  Mittag  ist  Niclaus  Debiß  [recte  Diwisch]  ein 
Bürgermeister   Diener  mit  der  Zungen    an   die  Justicta  genagelt 


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119 

daran  er  ein  Stund  gestanden  |  hernachher  nach  Raab  in  Hungam  | 
auif  sein  Lebenlang  condemnitt  worden  |  welcher  aber  deß  andern 
Tags  hernach  gestorben  |  3  seind  mit  Ruthen  außgestrichen  |  und 
deO  Lands  verwiesen  worden. 

Dem  D.  Friederich  Georg  ist  in  der  Nacht  der  Todt  auth  an^ 
gedeutet  worden  |  gestalt  er  sich  dann  Montags  dkrivL  präeparirt  und 
commumcirt  |  dieweil  er  aber  aufT  etliche  MeyOnische  vom  Adel  | 
so  mit  den  Böhmen  under  eine  Decken  gelegen  |  bekennet  |  wird 
mit  der  Execution  noch  etwas  innen  gehalten  |  D.  Luck  und  noch 
andere  sollen  in  kurtzem  auch  gerichtet  werden.  Diese  ExecutiOn 
hat  sich  angefangen  früh  als  ed  5  geschlagen,  umb  10  ist  alles  ver- 
riebt gewesen  |  die  Köpff  stekten  auch  schon  auff  dem  Brücken- 
thum  I  deren  12  sind  |  auif  jeder  seiten  6  |  deß  Leander  Rüppels 
Hand  ist  an  dem  Altstätter  RahthauO  angenagelt.  Jessenins  ist  nicht 
auff  der  Bühn  |  sondern  bei  dem  Galgen  geviertheilt  |  und  die  Stück 
auff  die  Strassen  gehengt  worden.  Graf  Schlicken  Gemahlin  ist  aus 
BetrübnuO  gestorben  |  deßgleichen  auch  2  andere  Weiber  |  den 
21.  difl  I  werden  viel  Cörpef  weg  geführet  äuff  ihre  Güter  |  andere 
allhier  begraben  |  Gott  laß  uns  dergleichen  nicht  mehr  sehen. 

Ende. 


Execntion 
Wieder  die  2u  Präg  Eingezogene  Evangelische  Herrn  Directorn, 

Volnzogen  den  21.  Junij  |  Im  Jahr  M  .  DC  .  XXI. 

Nachdem  die  Kayserliche  Resolution  |  wie  man  wider  die  2U 
Prag  verhaften  |  weiter  procediren  solle  |  ankommen  |  hat  man  am 
17.  Junij  alle  Vorlegketten  vor  den  Gassen  |  durch  alle  Städte  hin- 
weg gethan. 

Am  18«  Junij  I  haben  die  Commlssarien  ingesampt  Raht  ge- 
halten  |  ftuch  die  jetzigen  Rahtsverwandten  der  drey  Prager  Städte 
darzu  beruffen  |  und  mit  einander  der  Execution  halben  Unterredung 
gepflogen. 

Am  19.  Junij  in  aller  Frühe  |  sein  die  Commissarien  auf  dem 
Schloß  I  in  der  gewöhnlichen  Session  wieder  zusammen  kommen  | 
und  die  auff  den  Rahthäusern  |  außer  der  Kleinseitner  |  arrcstirte 
Personen  |  nacher  Hof  bringen  lassen  |  allda  jeden  absonderlich  für*- 


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120 

fordern  |  und  die  Uhrtheil  |  wie  sie  erstlich  wider  sie  gesprochen 
worden  |  und  welcher  gestalt  Ihre  Kayserl.  May.  solche  hernach 
auß  Gnaden  gemiltert  |  in  Böhmischer  und  Deutscher  Sprach  öffent- 
lich fiirgelesen  |  und  darnach  zum  Todt  verurtheilt  |  auch  ihre  Güter 
dem  Fisco  zugesprochen  worden.  Allein  der  Pietopetzky  [recte 
Pietipesk^]  |  und  Herr  Popel  seyn  mit  dem  Leben  begnadet  |  doch 
biß  auff  des  Käysers  anherokunfft  |  und  weitere  Resolution  zur  ewigen 
Gefängnuß  condemnirt. 

Nach  Vollendung  dessen  seyn  sie  besucht  worden  |  ob  einer  [ 
oder  der  ander  etwas  von  Gewehr  oder  Messer  bey  sich  hette  |  und 
ist  ein  jeder  in  sein  vorig  Gefängnuß  geführt  und  oonvoirt.  Auch 
Herrn  Andreas  Rüppeln  |  und  Hauenschild  |  weil  sie  nicht  auffm 
Schloß  dabey  gewesen  |  noch  dieselbige  Nacht  ihnen  ihre  Urtheil 
schriftlich  zugeschicket  worden. 

Diß  Tags  hat  man  die  Bühne  auff  dem  Altstädter  Platz  auff- 
gericht  |  Auch  auflgeruffen  |  das  niemand  auff  künfftigen  Montag  feil 
haben  |  oder  auch  unnötig  auff  der  Gassen  gehen  solle. 

An  diesem  Tag  ist  auch  verordnet  |  weil  diese  Gefangene  alle 
mit  einander  auff  der  Evangelischen  Religion  verblieben  |  das  man 
ihnen  Deutsche  und  Böhmische  Prediger  zulassen  solle.  Allein  Herr 
Budewitz  [recte  Budowetz]  |  so  Reformirt  |  hat  keinen  annehmen 
wollen  I  sondern   ist   in   seiner  Religion   auch   beständig  verblieben. 

Am  20.  Junij  Abends  |  seyn  die  so  auff  dem  Schloß  gefangen 
gelegen  |  auff  5  Wagen  mit  2  Cornet  Reutern  |  und  i  Fähnlein  Knecht 
begleitet  |  und  auff  das  Altstädter  Rahthauß  gefuhret  worden  |  welches 
auch  mit  den  Newstädtern  beschehen  |  und  haben  sie  im  hinabfahren 
von  jedermänniglich  gar  schön  Urlaub  genommen  |  und  jederman 
gesegnet  |  alsdann  alle  mit  einander  selbige  gantze  Nacht  |  biß  an 
den  andern  Tag  frühe  |  da  die  Execution  vorgangen  |  gantz  in- 
brünstig mit  singen  und  beten  zugebracht. 

Am  21.  diß  I  früh  umb  5  Uhr  |  ist  ein  Losungsschoß  vom  Schloß 
auß  einem  grossen  Stück  beschehen  |  bald  seyn  beyde  Brücken  Thor 
zugesperret  |  und  zu  exequiren  angefangen  worden  |  Nach  folgender 
gestalt  I  haben  die  drey  Richter  von  allen  3  Städten  einen  Gefangenen 
nach  dem  andern  |  über  den  Gang  |  so  auß  dem  Rahthauß  |  biß  auff 
die  vorm  Rahthauß  auffgerichte  |  und  mit  schwartzem  Tuch  umb- 
deckte  Bühne  gewesen  |  vorgefuhret  |  Auff  einen  Gang  daneben  |  hat 
der  Altstädter  Raht  |  und  die  3  Kays.  Richter  als  Executores  gesessen. 


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121 

Auff  der  Bühne  ist  ein  Crucifix  gestelt  gewesen  |  und  vor  dem- 
selben einem  jeden  ein  besonder  schwartz  Thuch  auffgebreitet 
worden  |  darauff  der  anfang  mit  Graff  Schlicken  (der  neben  dem 
von  Bühla  [Bflä]  etwa  2  Stund  zuvor  communicirt,  die  andern  |  auß- 
genommen  der  von  Budewitz  [Budowetz]  |  es  den  Tag  zuvor  ver- 
riebt) gemacht  worden  |  der  hat  sich  zu  seinem  Todt  so  heroisch  | 
und  hertzhafftig  erzeiget  |  daß  sich  jederman  darüber  verwundert  | 
welchs  meistentheils  mit  den  andern  auch  beschehen  |  Sie  haben  alle 
fleissig  gebetet  |  und  in  wahrem  Glauben  an  Christum  biß  an  ihr 
Ende  standhaflFtig  verharret  |  Nach  dem  Graff  Schlicken  ist  der  von 
Budowetz  und  Harrant  |  nachmals  die  Ritterstands  Personen  nach 
einander  |  folgends  Rüppel  und  Hauenschild  |  und  dann  die  von  der 
Burgerschafft  |  und  die  andern  alle  |  von  einem  einigen  hiesigen 
Scharffrichter  (  Justificirt  worden  |  Und  hat  derselbe  mehr  nicht  dann 
3  Schwerter  |  2  newe  |  damit  er  die  Herren  und  Ritterstands  Per- 
sonen I  wie  auch  Rüppel  und  Hauenschild  decolliret,  und  zu  den 
andern  ein  altes  gebraucht  |  auch  sich  von  keinem  {  als  dem  Jessenio  | 
und  die  er  gehencket  |  sehen  lassen  |  weniger  ein  Hand  an  sie  ge- 
legt I  sondern  sie  selbst  haben  sich  dazu  fertig  gemacht  |  und  ihnen 
ihre  Diener  helffen  lassen  |  so  sein  auch  6  Personen  schwartz  ange- 
than  I  und  verkappt  allezeit  dabey  gewesen  |  Sobald  nur  einer  ge- 
richtet worden  |  ist  der  Körper  in  einem  schwartzen  Thuch  davon 
getragen  |  in  Sarck  gelegt  [  und  ins  Rahthauß  geschafft  worden  | 
hernach  hat  man  sie  den  hinterbliebenen  Witwen  und  Erben  folgen 
lassen. 

Diejenigen  Köpffe  und  Hand  aber  |  so  auffgesteckt  |  wie  auch 
der  Cörper  |  so  vorm  Thor  geviertelt  werden  sollen  |  haben  deß 
Scharffrichters  Knechte  in  eia  schwartzes  Tuch  gewickelt  |  und  weg- 
genommen |  Mit  dieser  Execution  hat  man  fast  biß  umb  lO  Uhr  zuge- 
bracht I  darauff  die  Thor  wider  geöffnet  [  und  sechs  Köpffe  an  den 
Brücken  Thurn  gegen  der  Kleinen  selten  |  gegen  der  Altenstadt 
auch  sechs  sampt  vier  Händen  auffgemacht.  Da  nun  solches  fiirüber  | 
ist  die  Reuterey  |  deren  bey  dem  Altstädter  Rahthauß  drey  Comet 
auffgewart  |  wieder  abgezogen  |  welches  auch  die  Soldaten  gethan  | 
deren  ingleichen  drey  Fähnlein  gewesen. 

Kurtz  vor  der  Execution  hat  sich  über  dem  Rahthauß  ein  über- 
aus schöner  Regenbogen  sehen  lassen  |  und  selbiger  auch  von  denen 
verurtheilten  Personen  observiret  worden  |  die  sich  dessen  gleichsamb 


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122 

hertzlichen  erfrewet  |  davon  allerley  Discurs  gefallen  |  der  ist  auch 
eine  gute  weil  stehen  blieben. 

Die  Bühne  stehet  noch  |  ohne  zweiffei  |  das  man  sie  zu  den 
übrigen  |  so  noch  Justiiictrt  werden  sollen  |  auch  brauchen  wil. 

Doctor  Friederich  Georgen  ist  in  der  Nacht  |  als  man  dem 
Rüppel  und  Hauenschild  |  die  Urtheil  schrifftlich  uberschtcket  j  auch 
der  Todt  angekündiget  worden  |  Inmassen  er  sich  gestern  frühe 
darauff  praeparirt  und  communiciret  |  Dieweil  er  aber  auff  etliche 
MeiDnische  vom  Adel  |  die  mit  den  Böhmischen  ständen  interessiret  | 
bekennet  |  Als  sol  Ihre  Churfürstliche  Gn.  zu  Sachsen  begehret  haben  | 
mit  der  Execution  etwas  stille  zu  halten  |  welches  auch  geschehen. 

Heute  sind  wieder  drey  mit  Ruthen  ausgestrichen  worden  |  und 
ist  einer  |  so  der  Altenstadt  Rahtsdiener  gewesen  |  lebendig  durch 
die  Zung  an  die  Justitia  genagelt  worden  |  Wie  lange  er  stehen  muss  j 
gibt  die  Zeit. 

Es  seind  ihrer  noch  viel  gefangen  |  und  werden  täglich  noch 
mehr  eingezogen. 

Die  auffgehenckten  hat  man  noch  gestern  abends  wider  abge- 
nommen I  und  in  die  Särge  geleget. 

Herr  Graff  Schlick  (dessen  Gemahlin  wie  man  jetzt  vemimbt 
aus  grossem  hertzleid  heute  frühe  gestorben)  |  dergleichen  Rüppel 
und  Hauenschild  sollen  in  der  Altstädter  deutschen  Kirchen  beyge- 
setzt  werden. 

Nahmen  der  hingerichten  Evangelischen  Personen  |  Herren  Standts: 

1.  Herrn  Graff  Joachim  Andreas  Schlicken  ist  der  Kopff  und  die 
Rechte  Hand  abgehawen  |  und  beydes  am  Thurn  auffgesteckt 
worden. 

2.  Der  alte  Wentzel  von  Budowetz  !st  enthauptet  |  und  der  Kopff 
auffgestecket. 

3.  Christoff  von  Harrant  ist  enthauptet. 

Aus  dem  Ritter  Standt: 

4.  Caspar  CapUer  [recte  KapUf]. 

5.  Prokop  Dwofetzlr^. 

6.  Fridrich  von  Buhla  [Bilä]. 

7.  Heinrich  Otto  von  Loß. 

8.  Wilhebn  Klompsky  [Konetzchlumsky].  Diese  sind  enthauptet 
und  die  Köpffe  auffgestecket. 


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128 

g,  Bohuslav  von  Michalowitz  der  Kopff  und  rechte  Handt  abge- 
schlagen und  auffgestecket. 

10.  Dion>rsius  Tzemin  [Czernin]  geköpfft. 

Aus  dem  Burger  Standt: 

11.  Valtin  Koch  [Kochan]. 

12.  Tobias  Staphfech  [Steffek]. 

13.  Christoph  Kober.  Diese  sind  geköpfft  und  auffgestecket. 

14.  Johann  Schultes  Primas  zum  Kuttenberg  |  geköpffet  |  dessen 
Kopff  sol  zu  Kuttenberg  auffgestecket  werden. 

15.  Maximilian  Hoschtälek  Primas  zu  Saatz  |  geköpfft  |  und  der 
Kopff  zu  Saatz  auffgestecket  worden. 

16.  Doctor  Jessenius  die  Zung  abgeschnitten  |  enthäupt  |  der  Kopff 
auffgestecket  |  der  Leib  in  vier  stück  zerhawen  |  und  auff  die 
Strassen  gestecket  worden. 

17.  Georg  Hauenschild  enthäupt  |  die  Hand  auffgehenckt  |  und  der 
Kopff  auffgesteckt. 

18.  Leander  Rüppel  enthäupt  |  die  Hand  am  Altstädter  Pranger 
gehefft  I  und  der  Kopff  auffgesteckt. 

19.  Hans  Kuttnauer  ist  zum  Fenster  juff  dem  Rahthauß  ausge- 
henckt. 

20.  Simon  Susitzky  [Suschitzk^]  deßgleichen. 

21.  Daniel  Bodiantzky  [Nathanael  Wodniansk^]  ist  an  den  Galgen 
auff  der  Altenstadt  gehenckt  worden. 

22.  Wentzel  Maschtyrobsky  [Maschtörovsk^]. 

23.  Heinrich  Bock  [Kozel]. 

24.  Andreas  Cazenauer  [Kotzour], 

25.  Georg  Rosetzky  [fteöitzky]. 

26.  Michael  Widman. 

27.  Simon  Bokatz  [Wokätsch],  Diese  seind  enthauptet. 

Ende. 


Extract  auß   Prag. 

Warhaffle  Relation,  welcher  gestalt  auff  der  Rom:  Kay:  May: 
gnädigsten  beuelch  |  die  Böhmischen  Rebellen  von  Grauen  Herren: 
Ritter:  und  Burgerstandts  Persohnen  |  auff  einer  am  Altstätter  Ring 
auffgcrichten  |  und    mit   schwartzem   tuch   überzogenen   Bühne  |  den 


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21,  Junij   dieses  schwebenden  1621.  Jahrs   zu  Praag  |  Jüstificirt  und 
hingerichtet  worden.  (Folgt  ein  Bild  der  Execution.) 

Als  man  161 8  gezehlet  |  hat  sich  zwischen  den  Ständen  des 
Königreichs  Böhem  ein  Rebellion  erhaben  |  der  gestalt  |  das  hierüber 
etliche  zum  Fenster  hinaußgeworffen  worden  |  auch  zur  verstärckung 
der  Rebellen  vorhaben  |  sie  sich  alsbalden  nit  allein  aller  Orten  umb 
Kriegsuolck  beworben  |  sondern  auch  umb  assistenz  und  hilff  bey 
inn:  und  ausländischen  Potentaten  angehalten  |  entlich  ihnen  von 
Gott  fiirgesetzten  |  und  selbst  gecrönten  |  gesalbten  und  auch  mit 
einhelliger  stimb  erwehlten  König  und  Herren  verworffen  |  und  wider 
ihre  May:  die  Waffen  an  die  hand  genommen  |  derowegen  dann  nit 
allein  zu  abwendung  solchen  unheils  |  sondern  auch  dempffung  des 
weit  aussehenden  Fewrs  die  Rom:  Kay:  May:  Matthias  hochseligster 
gedächtnuss  |  verursacht  worden  |  sich  auch  zur  gegenwehr  und  wider- 
stand gefaßt  zu  machen  |  Und  ob  wol  nit  ohne  das  nach  ableibung 
höchstgedachter  ihrer  May:  die  Jetzig  Rom:  Kay:  May:  Ferdinandus 
der  2.  bemelte  Rebellen  zum  offtermalen  gütlich  ermahnt  |  und  von 
ihrem  vorhalten  abzustehen  gewarnt  |  So  hat  doch  solches  keines 
weges  bey  ihnen  statt  finden  wollen  |  sondern  seind  in  ihrer  opinion 
fortgefahren  |  und  nit  allein  jhn  Kay:  May:  höchlich  offendirt,  sondern 
auch  die  arme  underthonen  in  die  ausserste  Trübsall  |  Ja  gar  in 
Todtesgefahr  gesetzt  [  und  vil  unschuldig  Blut  vergossen  |  welches 
sie  vor  Gott  dem  Allmächtigen  nit  verantworten  werden  können  ; 
dannenhero  dann  auch  allerhöchst  bemelte  Kay:  May:  mit  den  Waffen 
zu  continuim  |  und  soviel  möglich  dem  Krieg  zu  adsaerirn  |  nottrun- 
^enlich  bewegt  worden. 

Man  liset  nit  allein  in  den  Historien  |  sondern  es  bezeugts  auch 
die  tägliche  erfahrung  |  das  niemals  einige  Rebellion  von  GOTT  dem 
Herren  ungestraffl  geblieben  |  Jn  massen  ich  dann  etlicher  kürztlich 
gedencken  wUl. 

Anno  1 597  entstünde  in  Oesterreich  unter  der  Enns  |  im  Viertel 
ober  dem  Wiener  Waldt  ]  und  ober  Mannhardts  Berg  zwischen  den 
Rebellischen  bauren  eine  auffruhr  |  und  nachdem  selbige  gestilt  worden 
seind  etliche  Rädelfiihrer  durch  die  von  der  Kay:  May:  darzu  depu* 
tirten  Herren  |  zu  verhafft  genommen  |  gebürlich  examinirt  und  ver- 
höret I  auch  auff  etlich  derselben  günt :  und  peinliche  bekandtnus  j 
nach  gehaltenem  ordentlichem  Recht  ihre  urthel  verlesen  |  und  auff 
den   24.   Octobris   obbemelten  Jars    öffentlich    etliche   geuiertheilt  | 


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enthaupt  |  die  Cörper  in   stücken  zerhaut  |  und  sonsten   nach  eines 
Jeden  verbrechen  hingericht  worden. 

Gleichfalls  ist  zu  Franckfurt  am  Mayn  |  im  1616.  Jar  auch  ein 
grosse  Rebellion  fürgangen  |  In  dem  etliche  Burger  daselbst  sich 
wieder  die  Obrigkeit  gesetzt  |  die  Judenstadt  geblindert  |  den  Raht 
verendert  |  Newe  gebrauch  eingeführt  |  und  allerhand  feindseligkeiten 
verübet  |  darauff  dann  die  Kay:  May:  verursacht  worden  |  selbige 
Rebellen  auch  durch  die  darzu  verordnete  Herren  Commissarien 
Jeden  nach  seinem  verbrechen  zu  straffen  |  Inmassen  dann  6  Per- 
sonen vom  leben  zum  Todt  condemnirt  |  Wie  auch  9  mit  Rueten 
außgrestrichen  |  und  sonsten  vil  der  Statt  verwiesen  worden. 

Dessen  wir  diser  Zeit  an  den  Rebellischen  Böhm  ein  frisches 
Kxempel  haben  |  das  nemblich  jungst  verschienen  21.  Junij  |  dieses 
schwebenden  162 1.  Jahrs  zu  Praag  |  auff  gnedigsten  beuelch  und 
Verordnung  der  Rom:  Kay:  May:  Ferdinandi  des  andern  |  durch 
sonderlich  darzu  verordnete  Herren  Commissarien  |  auff  einer  am 
Altstätter  Rinng  auffgerichten  und  mit  schwartzem  Tuch  überzognen 
Bühn  I  an  hernach  volgenden Rebellen  dieexecution  vollzogen  worden. 

Den  19.  diß  morgens  frue  seind  die  Arrestierten  Persohnen  mit 
einer  starken  Convoy  zu  Roß  und  Fuß  auff  das  Schloß  beglait  | 
und  Jnen  neben  denen  daselbst  gesessenen  gefangnen  Herren  von 
den  Kay:  Herren  Commissarien  in  der  Reichshoffstuben  ir  verbrechen 
Und  darauff  geschöpfftes  urthel  |  doch  jedem  Insonderheit  vorgehalten  j 
hernach  aber  weiter  in  ire  Custoden  gefiert  worden. 

Den  20.  diß  gar  spat  seind  die  im  Schloss  gefangne  Herren 
in  5  Wägen  sambtlich  in  die  Altstadt  auff  das  Rahthauß  gefiert 
worden. 

Den  21.  dito  darauff  die  Kay:  execution  gegen  ihnen  furge- 
nommen  worden  |  als  nemlich  ist  vor  dem  Altstätter  Rahthauß  ein 
hohe  Pinnen  mit  schwartzem  Tuch  überzogen  auffgericht  |  und  ein 
Crucifix  darauff  stehendt  geweßt  |  vor  welcher  riit  allein  3  Cornet 
sonder  auch  3  Fendlein  Fueßvolck  |  Jnmassen  auch  in  anderen  Plätze 
(weil  dessen  7  Cornet  und  i  Regiment  zu  Fueß  allhie  ist)  nit 
weniger  beschehen  |  Wie  es  nun  frue  umb  S  uhr  |  komen  die  ver- 
urtheilten  in  beysein  der  Predicanten  sowol  Evangelische  als  Hussiten  | 
so  die  gantze  Nacht  über  mit  Singen  und  Beten  zugebracht  darunder 
nur  ein  Catholischer  Herr  erschienen  |  so  seiner  Religion  zugethoner 
geistlichen  gebraucht  |  Im  Schloß  ist  ein  loßschuß  auß  einem  grossen 


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stuck  beschehen  {  darauff  das  FueOvolck  das  Spill  alsbald  gehn  lassen  | 
und  gleich  selbe  viertelstund  zu  exequirn  angefisuigen  |  welches  daii 
umb  9  Uhr  und  also  in  4  stund  von  einem  scharpifrichter  vollendet 
worden. 

Neben  der  auffgerichten  Binen  seind  allein  die  3  Kajr.  Richter 
und   der    3    Praager   Stät   Burgermeister    und  Rahtsverwandte   ge- 
sessen I  zu  welchen  aufi  disen  Justificierten  allein  ire  4  etwas  wenigs 
geredt  [  welches   man   aber   wegen   des   Tromenschlagers    nit   vcr. 
nemmen  kenden. 

Wie  frisch  und  unverzagt  |  auch  mit  was  eiflfrigem  gebett  sie 
sambtlich  zum  Todt  gegangen  |  ist  sich  zu  uerwundem  geweOt  |  und 
waren  dermassen  Weisse  und  Grawe  heubter  und  sehr  Alte  leuth  I 
der  Alte  Budowec  ist  ohne  einigen  Prädicanten  |  auflf  der  Binen  er- 
schinen  |  seind  alle  ausser  des  Doc.  Jessenii  und  der  3  gehencten 
vom  scharpfifrichter  nit  beriret  |  sondern  von  denen  darzu  verordneten 
Persohnen  |  vor  Justificierung  ein  jeden  absonderlich  ein  schwartz 
tuch  auffgebraitet  |  in  dasselb  gewicklet  j  daruon  getragen  und  in 
die  Sarch  gelegt  worden  |  welche  nun  die  hinderlaßnen  Wittib  und 
Waisen  mit  grossem  Jammer  und  klagen  nach  und  nach  begraben 
lassen  |  theils  auß  ihnen  ist  das  urthel  was  scherpffer  gefeilet  |  doch 
alsbald  darauff  auß  Kay:  Gna:  auff  die  maß  wie  in  der  verzeichnuß 
zu  finden  |  gemiltert  worden  |  und  ob  zwar  auch  guttheils  Persohnen 
noch  im  Arrest  verbleiben  |  ist  doch  unbewußt  |  was  mit  denselben 
möcht  fiirgenommen  werden. 

Volgen  die  Justificirte  Persohnen : 

1.  Erstlich  ward  Joachim  Andreas  Schlick  Graff  und  geweßter 
Director  enthaubt  |  volgendts  die  rechte  Hand  abgeschlagen  j 
und  sambt  dem  Kopff  auff  den  Thurn  bey  der  Bruggen  gegen 
der  Altstatt  auffgesteckt  worden. 

2.  Wentzel  von  Budowetz  geweßter  Director  ist  enthaubt  und  der 
Kopff  an  der  Bruggen  auffgesteckt  worden. 

3.  Christ  off  von  Harrant  geweßter  Böhmischer  Cammcrpraesident 
ist  enthaubt  worden. 

Auß  dem  Ritterstandt : 

4.  Caspar  Copliers  [recte  Kaplif]  ist  enthaubt  |  und  der  Kopf! 
auffgesteckt  worden. 


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5.  Profcopius  Warsetzki  [Dwofetric^].  j        geweßte  Directores 

6.  Friderich  von  Bihla  [Bflä].  (  sdnd  enthaubt  und  auff- 

7.  Heinrich  Otta  von  Loß.  1  gedachten  Thurn  gesteckt 

8.  Wilhelm  Konetzchlumsk^.  |  worden. 

9.  Bachelau  [Bohuslav]  von  Michalowitz  |  der  Kopff  und  rechte 
Hand  abgeschlagen  |  und  auffgesteckt  worden. 

10.  Dionisius  Tscheratin  [Czernin]  gewcßter  Hauptmann  ist  ent- 
haubt worden. 

Burgerstands  Persohnen : 

11.  Valentin  Rohan  [Kochan],    \    geweßte    Directores     sein    ent- 

12.  Tobias  Steffeck.  ?    haubt  |  und   die  Köpff  auffge- 

13.  ChristoflF  Kober.  I  steckt  worden. 

14.  Johann  Schultes  Primas  v.  Kuttenberg  |  und 

15.  Maximilian  Haseleck  [Hoschtaleck]  Primas  zu  Saatz  |  diese 
seind  auch  enthaubt  |  und  die  Köpff  auf  bemelten  thurn  ge- 
steckt worden. 

16.  Doctor  Jessenins  geweßter  Professor  des  CoUegii  Carolini  allhie 
ist  erstlich  die  Zung  außgeschnitten  |  hernach  enthaubt  |  ge- 
viertheilt I  und  die  Viertel  an  der  Wiener  Strassen  neben  dem 
Rabenstein  auffgehenckt  worden. 

17.  Georg  Hauenschild  Aduocat  ist  enthaubt  |  die  rechte  Hand 
abgehauen  |  und  der  Kopff  auffgesteckt  worden. 

18.  Leander  Ripel  [Rüppel]  Heydelbergischer  und  anderer  Fürsten 
geweßter  Rath  und  Agent  ist  enthaubt  |  und  die  rechte  Hand  | 
so  man  hernach  in  der  Altstatt  an  den  Pranger  gehefft  ]  ab- 
geschlagen I  und  der  Kopff  auffgesteckt  worden. 

19.  Hanns  Kuttnauer  Altstätter  Burger  Hauptmann  und 

20.  Susitzki  [Suschitzky]  sein  zu  dem  Altstätter  Rathauß  Fenster 
herauß  gehenckt  worden. 

21.  Nathanael  Wodnantzki  |  Böhmischer  Procurator  ist  an  den 
Galgen  des  Altstätter  platzes  gehenckt. 

Newstätter  Raths  und  Burgerstands  Persohnen: 

22.  Wentzel  Watschirowitzki  [Maschterowsky]  ist  enthauptet  worden. 

23.  Heinrich  Bock  [Kozel]. 

24.  Andreas  Kotzawer  [Kotzour]. 

25.  Georg  Seschitzki  [Kecitzlof]. 

26.  Michael  Wodian  [Widmann]. 

27.  Simon  Wockatsch. 


Diese   alle    seind  mit   dem 
schwerdt  gericht  worden. 


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28.  Der  Altstätter  Rahtsdiener  ist  2  Stund  mit  der  Zungen  an 
der  Justicia  angenagelt  gestanden  |  folgendts  nach  Raab  ver- 
wiesen worden. 

29.  Hanns  Schwelle  [Schwechla]  und 

30.  Joseph  Robin  [Kubin]  sein  mit  Ruethen  aufigestrichen  worden  | 
welche  deO  Altstätter  Burgermeisters  Diener  geweßt. 

31.  Johann  Camerat  [Kamaryt]  ist  des  Landes  auff  ewig  bandisirt 
worden. 

32.  Theodorus  Sixt  ist  zwar  schon  auff  der  Bühn  geweßt  |  hatt 
gleich  niederknien  wollen  |  aber  wider  ins  gefencknus  geführt 
worden. 

33.  Wilhelm  Popel  [von  Lobkowitz]  geweßter  Landhoffmeister 

34.  Paul  Sitzan  [ftiSan]  Director  |  seind  noch  in  Arrest. 

35.  Der  alte  Rosin  Böhmischer  Procurator  und  Director. 

36.  Westrowitz  [Wostrowetz], 

37.  Pietipeßki. 

38.  Zawista  [ZawSta]. 

39.  Doctor  Borbonius. 

40.  Paul  Pristki  [Peöka]. 

41.  Ustler  [Uhler].     Diese  alle  seind  noch  in  Arrest. 

Auff  der  kleinen  seitten: 

43.  Doctor  Friderich.    j 

44.  Bauschreiber  und  andere  liegen  noch  gefangen  |  welchen  ir 
process  auch  ehist  möchte  gemacht  werden. 

Hierauß  lieber  Leser  kanstu  sehen  |  was  Jederzeit  die  Rebellion 
guts  gebracht  1  und  was  die  Rebellion  für  einen  Lohn  bekommen  : 
daran  sich  menniglich  gespieglen  |  seiner  von  Gott  fiirgesetzten 
Obrigkeit  gehorsamb  sein  |  zu  keiner  auffwicklung  sich  bereden 
lassen  |  sondern  sich  also  wie  einem  Christen  wol  geziemet  |  erzeigen 
soll  I  das  er  dessen  vor  Gott  und  der  Welt  verantworten  könne 
Inmittelst  wolle  Gott  ihrer  armen  Seelen  gnädig  sein  |  ihnen  ihre 
missethat  verzeihen  |  und  entlich  die  Ewige  frewd  und  Seeligkeit 
miltiglich  geben  und  verleihen.     Amen. 

Ende. 


42.  Doctor  Luck.  .   ,       ,      ^  , 

*  beede  Aduocaten. 


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VI. 

Die  erste  evangelische  Kirchenverfassung  in 
Oesterreich. 

Von  Dr.  GUSTAV  FRANK. 

Nicht  lange  war  das  Wort  der  Duldung  über  die  Evangelischen 
in  den  k.  k.  Erblanden  gesprochen,  als  Kaiser  Joseph  II.  der  Ordnung 
ihrer  kirchlichen  Angelegenheiten  seine  Fürsorge  zuzuwenden  begann. 

Mit  kaiserlichem  Handbillet  vom  21.  Mai  1782  war  des  Jenaischen 
Juristen  Scheidemantel  , Allgemeines  Kirchenrecht  beider  evange- 
lischen Confessionen  in  Polen  und  Litthauen*  (Warschau  1780)  mit 
den  vom  kais.  Rathe  Riedel,  damals  Privatvorleser  des  Fürsten 
Kaunitz*),  dazu  gemachten  Bemerkungen  der  böhmisch-österreichischen 
Hofkanzlei  zur  gutachtlichen  Aeusserung  übermittelt  worden.  Die 
Hofkanzlei  bezeichnete  in  ihrem  Vortrag  vom  26.  Mai  ein  ordent- 
liches Kirchenrecht  für  die  beträchtliche  Anzahl  Evangelischer  als 
eine  Nothwendigkeit,  seine  Herstellung  könnte  auf  Grund  des  Buches 
von  Scheidemantel  durch  den  Rath  Riedel  geschehen  und  über  die 
vollendete  Arbeit  die  Wohlmeinung  einiger  auswärtigen  Gelehrten 
und  angesehenen  protestantischen  Geistlichen  eingeholt  werden,  um 
nicht  gleich  anfangs  mit  der  protestantischen  Kirchenverfassung 
anderer  Länder  in  Widerspruch  zu  kommen.  Nachdem  der  Staats- 
rath  dem  Vortrage  der  Hofkanzlei  zugestimmt  und  nur  noch  auf 
die  confessionellen  Unterschiede  der  Reformirten  und  Lutheraner 
hingewiesen  hatte,  erfolgte  die  kaiserliche  Entschliessung  vom 
8.  Juni  1782,  derzufolge  für  jede  der  beiden  Confessionen  ein  ihren 
Religionsgrundsätzen  gemässes  Kirchenrecht  zusammenzutragen,  diese 
Arbeit  aber  auf  Grund  des  Buches  von  Scheidemantel  einem  refor- 


1)  Friedrich  Justus  Riedel,  der  Sohn  eines  evangelischen  Geistlichen,  geboren 
1742  zn  Vieselbach  bei  Weimar,  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  Erfort, 
seit  1772  vorübergehend  Professor  an  der  k.  Akademie  der  bildenden  Kttnste  in  Wien, 
gestorben  daselbst  1785  im  Spital  za  St.  Marx. 

Jahrbuch  des  Protettantismus  1887.  H.  III.  \Q 


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130 

mirten  Consistorium  in  Siebenbürgen  und  dem  evangelischen  Con- 
sistorium  in  Teschen  aufzutragen,  und  nach  deren  Vollendung  die 
endgiltige  Feststellung  einer  unter  Zuziehung  Riedel's  eigens  aufzu- 
stellenden Commission  zu  überweisen  ist.  Nach  dreijährigem  Zuwarten 
wurde  mit  kaiserlicher  Resolution  vom  i6.  Februar  1785  die  Ange- 
legenheit der  Hofkanzlei  in  Erinnerung  gebracht  und  nochmals 
betont,  dass  des  Kaisers  Ansicht  nicht  dahin  gehe,  für  die  Refor- 
mirten  und  Lutheraner  zusammen  nur  das  nämliche  Kirchenrecht 
festzusetzen.  Die  Folge  dieser  Resolution  war  nachstehendes  Decret 
des  Regimen  Inferioris  Austriae  vom  9.  September  1785  an  das 
inzwischen  von  Teschen  nach  Wien  verlegte  und  am  i.  Juni  1785 
daselbst  eröffnete  evangelische  Consistorium  A.  C. :  , Durch  höchstes 
Hofdecret  vom  29.  vorigen  und  praes.  3.  dieses  Monats  ist  der 
Auftrag  herabgelangt,  es  sei  dem  hiesigen  Consistorium  A.  C.  mit- 
zugeben, dass  selbes  in  Gemässheit  der  bereits  im  Jahre  1782  an 
das  Teschener  Consistorium  erlassenen  Verordnung  und  der  darin 
gegebenen  Anleitung  zu  Verfassung  eines  für  die  k.  k.  Erblande 
anwendbaren  Kirchenrechts  für  beide  evangelische  Religionen,  ein 
dergleichen  Kirchenrecht  verfassen  und  einreichen,  hiebei  aber  nur 
auf  ihr  Glaubensbekenntniss  die  Rücksicht  nehmen  soll,  massen 
Seiner  Majestät  Absicht  nicht  dahin  geht,  fiir  beide  Glaubensgenossen 
nur  ein  und  das  nämliche  Kirchenrecht  festzusetzen,  sondern  dass 
jede  Religion  ihr  eigenes  und  gleichförmiges  Kirchenrecht  in  allen 
ihren  Staaten  habe.  Das  Consistorium  hat  demnach  diesen  Entwurf 
ehestens  zu  Stand  zu  bringen  und  hieher  zu  überreichen,  um  solches 
Sr.  Majestät  vorlegen  zu  können.*  Ein  conformes  Decret  erging  am 
6.  März  1786  an  das  (am  27.  April  1785  zu  Wien  errichtete)  Con- 
sistorium H.  C.  mit  nachfolgender  Aufforderung:  ,Da  dem  Con- 
sistorium der  Augsburgischen  Confession  bereits  der  Auftrag  gemacht 
worden  ist,  den  Entwurf  eines  solchen  Kirchenrechts  zu  Stand  zu 
bringen  und  an  Regierung  zu  überreichen:  so  wird  solches  auch 
dem  Consistorium  der  helvetischen  Confession  zu  dem  Ende  bekannt 
gemacht,  damit  auch  selbes  einen  ähnlichen  Entwurf  zu  einem 
Kirchenrecht  nach  den  Grundsätzen  der  helvetischen  Confession  zu 
verfassen  und  an  Regierung  zu  übergeben  wissen  möge.*  Die  beiden 
Consistorien,  in  Erwägung,  dass  ;^ beide  Confessionen,  einige  litur- 
gische Sachen  ausgenommen,  nur  einerlei  Kirchenrecht  haben*, 
traten  freundschaftlich  zusammen  und  verfassten  gemeinsam,   ^theils 


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um  diese  Arbeit  beschleunigen  und  gründlicher  überdenken  zu  können, 
theils  den  Behörden  durch  das  doppelte  Lesen  einer  und  der  näm- 
lichen Sache  nicht  lästig  zu  fallen,  einen  für  i>eide  Confessionen 
anpassenden  brauchbaren  Entwurf  einer  Kirchenordnung.*  Dieser 
Entwurf,  wesentlich  ein  Werk  des  weltlichen  Rathes  im  Consistorium 
A.  C.  Johann  Andreas  v.  Wielandt,  in  der  Anordnung  grösstentheils 
dem  polnischen  Gesetzbuche  von  Scheidemantel  folgend,  trägt  den 
Titel:  , Kirchenordnung  für  die  Augsburgisch  und  Helvetische  Con- 
fessionsver wandten  in  den  k.  k.  deutschen  Erblandfen.*  Da  diese 
(bisher  ung^ruckte)  erste  evangelische  Kirchenverfassung  in  Oester- 
reich  ein  treues  und  vollständiges  Bild  gibt  von  der  Einrichtung 
unserer  Kirche  in  der  Toleranzzeit,  so  lassen  wir  hier  den  Grundriss 
und  die  wesentlichen  Bestimmungen  derselben  folgen. 

Einleitung. 

Aus  väterlicher  Huld,  Gnade  und  Fürsorge  für  das  Wohl  und 
Glück  der  Unterthanen  haben  Seine  kaiserlich  königliche  Majestät 
geruhet,  ein  den  Kirchenverfassungen  anderer  evangelischer  Länder 
und  Provinzen  sich  so  viel  als  möglich  näherndes  Kirchenrecht 
ftir  die  der  Augsburgischen  und  Helvetischen  Confession  zugethanen 
evangelischen  Kirchen-Gemeinden  allergnädigst  anzuordnen.  Auf  diesen 
allerhöchsten  Befehl  ist  folglich  gegenwärtiges  Kirchenrecht  ent- 
standen. Die  Quellen,  aus  denen  es  geschöpft  worden,  sind  haupt- 
sächlich die  bestehenden  Landesgesetze  und  Toleranz- Verordnungen, 
welche  durchgängig  zum  Grunde  gelegt  worden.  Nebst  diesen  hat 
man  aus  den  besten,  und  in  den  protestantischen  Ländern  als 
classischen  Autoren  angenommenen  Schriftstellern  und  Kirchenrechts- 
lehrem,  und  vorzüglich  aus  dem  allgemeinen  Kirchenrecht  beider 
evangelischer  Confessionen  in  Polen  und  Litthauen,  dasjenige,  was 
für  die  hiesigen  Länder  anpassend  war,  herausgezogen  und  solches 
auf  die  hiesigen  Landesgesetze  und  Toleranz- Verordnungen  appliciret, 
als  wodurch  allen  Irrungen  und  Missdeutungen  vorgebeugt,  Jedem 
der  Weg,  den  er  zu  gehen  hat,  vorgeschrieben,  und  die  bestimmten 
Schranken  festgesetzt  werden. 

I.  Abtheilung. 
Von  den  Hauptmitteln,  allen  Immgen  und  Feindseligkeiten  vorzubeugen, 

§  I.  Die  Prediger  müssen  oft  in  ihren  Predigten  die  Zuhörer 
zur  Verträglichkeit  und  Bruderliebe  ermahnen,  und  allem  einreissenden 

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132 

Groll  und  Feindseligkeit  gegen  andere  Glaubensgenossen  durch 
gütliche  Vorstellungen  vorzubeugen  suchen. 

§  2.  Alle  anzügliche  Predigten,  Schriften  und  Disputationen 
gegen  und  über  andere  Glaubenslehren  sind  den  Predigern  unt«^agt 

§  3.  Superintendenten  und  Senioren  haben  darüber  zu  wachen, 
dass  bei  öffentlichen  Vorträgen  die  Einigkeit  der  Lehre  nach  der 
heiligen  Schrift  und  den  ihnen  gemässen  Symbolen  jeder  Kirchen- 
gesellschaft beobachtet  werde. 

§  4.  Die  allerhöchsten  Toleranz- Verordnungen  sollen  wenigstens 
einmal  im  Jahr,  am  Toleranzfest,  nach  dem  vom  Cofisistorio  ge- 
machten und  höchsten  Orts  genehmigten  Auszug,  den  Gemeinden 
von  der  Kanzel  vorgelesen  werden. 

II.  Abtheilung. 

Von  der   Ordnung  bei  gottesdienstlichen  Hancilungen. 
Articulus  I.     Von  der  Liturgie. 

§  I.  Die  Ausübung  des  liturgischen  Rechts  kommt  sonst  Nieman- 
dem als  dem  Consistorium  zu. 

Articulus  II.     Von  der  Zeit  des  Gottesdienstes. 

§  2.  Sollte  der  Landesfurst  die  Feier  eines  ausserordentlichen 
Festes  anbefehlen,  so  hat  das  Consistorium  die  Art  und  Weise  zu 
bestimmen,  wie  solches  zu  feiern  ist. 

§  4.  Das  Toleranzfest  soll  alle  Jahr  den  Sonntag  vor  oder  nach 
dem   13.  October  gefeiert  werden. 

Articulus  III.     Von  den  Predigten. 

§  I.  Keine  Predigt  soll  über  eine  Stunde  dauern. 

§  3.  Die  Kanzel  gebühret  eigentlich  nur  den  ordinirten  und 
installirten  Predigern;  andere,  die  nicht  ordinirt,  nicht  im  Amte 
sind,  die  nicht  nur  eine  Gastpredigt  halten,  sondern  entweder 
vicariren  oder  sich  im  Predigen  üben  wollen,  müssen  vorher  die 
Erlaubniss  dazu  von  dem  Superintendenten  erhalten  haben. 

§  4.  Alle  Controvers-Predigten,  Anzüglichkeiten  und  Personali- 
täten in  den  Predigten  sind  auf  das  schärfste  untersagt. 

Articulus  IV.     Von  den  Kirchengebeten,  Fürbitten,  Gesängen  und  Publicandis. 

§  I.  Die  in  der  Liturgie  vorgeschriebenen  Kirchengebete  sind 
nur  als  Muster  anzusehen,  wie  solche  Gebete  einzurichten  sind; 
übrigens  steht  es  jedem  Prediger   frei   nach   diesem  Muster,  eigene 


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133 

Gebete  zu  entw^erfen,  dieselben  dem  Superintendenten  zur  Genehmi- 
gung vorzulegen,  und  damit  abzuwechseln. 

§  2.  In  das  allgemeine  Kirchengebet  muss  allemal  der  Landes- 
fürst, sein  ganzes  Haus,  alle  Landes-Obrigkeiten  und  Kirchenpatrone, 
die  Christenheit,  und  insbesondere  die  betreffende  Gemeinde  einge- 
schlossen und  genannt  werden. 

§  3.  Fürbitten  für  Kranke  und  überhaupt  alle  Nothleidende  und 
andere,  so  die  öffentliche  Fürbitte  verlangen,  sind  nach  geendig^cr 
Predigt  zu  halten;  nur  ist  es  jedem  Prediger  auf  das  schärfste 
untersagt,  etwas  dafür  zu  fordern. 

§  4.  Wenn  bei  ausserordentlichen  traurigen  oder  erfreulichen 
Begebenheiten,  die  den  Landesfursten,  dessen  Haus  oder  das  Land 
betreffen,  von  der  Landesstelle  besondere  Gebete  angeordnet  werden, 
so  haben  sich  die  Prediger  an  die  vom  Consistorium  ihnen  mit- 
getheilten  Formeln  zu  halten. 

§  5.  Jede  Gemeinde  kann  sich  ein  eigenes  Gesangbuch  nach 
eigner  Willkühr  wählen,  nur  muss  es  in  kaiserlichen  Ländern  gedruckt 
oder  besonders  einzufuhren  erlaubt  sein,  darf  aber  doch  nicht  ohne 
Vorwissen  des  Consistorii  eingeführt  werden. 

§  6.  Alles  was  die  Gemeinde  in  kirchlichen  Angelegenheiten 
betrifft  oder  von  deir  Landesstelle  zur  Publication  aufgegeben  wird, 
muss  nach  der  Predigt  publicirt  werden. 

Articulus  V.     Von  den  Rechten  bei  der  heiligen  Taufe. 

§  I.  Die  Taufhandlung  muss  in  der  Kirche  oder  dem  Bethaus, 
und  soviel  möglich,  vor  öffentlicher  Versammlung  geschehn,  nur  wo 
Lebensgefahr  des  Kindes  zu  befürchten  wäre,  oder  zu  weite  Ent- 
fernung es  unthunlich  machte,  ist  ohne  Anstand  die  Haustaufe  erlaubt. 

§  2.  Wird  aber  eine  Haustaufe  ohne  Noth  begehret,  so  muss 
dafür  die  von  höchsten  Orten  vorgeschriebene  Tax  bezahlt  werden, 
wovon  blos  adelige  Kirchenpatronen  ausgenommen  sind. 

§  3.  Bei  den  Gemeinden  Augsburgischer  Confession  hat  der 
Prediger  in  Ansehung  der  Nothtaufe  zu  untersuchen:  a.  Ob  das 
Kind  erst  nach  völliger  Geburt,  b.  Ob  es  mit  Wasser,  und  c.  Ob  es 
im  Namen  des  Vaters,  des  Sohnes  und  des  heiligen  Geist  getauft 
worden.  Ist  dieses,  so  wird  die  Taufe  für  gültig  angesehen  und  nach 
Anweisung  der  Liturgie  bestätiget;  wenn  aber  einer  von  diesen 
Punkten  fehlet  oder  zweifelhaft  ist,  so  wird  die  Taufe  wie  gewöhnlich 
verrichtet.     Da   bei   den  Gemeinden   Helvetischer    Confession   keine 


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134 

Nothtaufe  stattfindet,  so  ist  dieser  §  nur  auf  jene  der  Augsburgischen 
Confession  anwendbar. 

§  4.  Kein  Mitglied  einer  Parochie  darf  sein  Kind  bei  einem 
anderen  Prediger  als  dem,  zu  dem  er  gehört,  taufen  lassen. 

§  5.  Jeder  Prediger  hat  ein  Kirchentaufbuch  zu  fuhren,  in 
solches  genau  das  Datum,  die  Namen  des  Kindes,  der  Eltern,  der 
Taufzeugen  und  der  Hebamme  einzutragen,  und  übrigens  in  An- 
sehung der  hierüber  zu  geschehenden  Anzeige  an  den  katholischen 
Parochus  sich  nach  allerhöchsten  Vorschriften  zu  richten. 

§  6.  Die  Taufe  muss  jeder  Prediger  unentgeltlich  verrichten, 
und  ist  ihm  oder  dem  Küster  auf  das  schärfste  untersagt,  etwas 
dafür  als  Gebühr  abzufordern,  noch  sind  Eltern  oder  Pathen  ver- 
pflichtet, da  wo  die  Stolgebühren  abgeschafft  sind,  weder  dem  katho- 
lischen Pfarrer  noch  seinem  Küster  etwas  abzureichen. 

§  7.  Bei  gemischten  Ehen  zwischen  Augsburgischen  und  Hel- 
vetischen Confessions- Verwandten  oder  nicht  unirten  Griechen  werden 
die  Söhne  von  dem  Geistlichen  des  Vaters  und  die  Töchter  von 
dem  der  Mutter  getauft. 

§  8.  Bei  Ehen  zwischen  Katholiken  und  Protestanten  darf,  wenn 
der  Vater  katholisch  ist,  kein  protestantischer  Prediger  die  Taufe 
verrichten,  da  solches  nur  dem  Parocho  ordinario  zukommt,  wo  aber 
der  Vater  protestantisch  und  die  Mutter  katholisch  ist,  wird  es  wie 
im  vorhergehenden   §  gehalten. 

§  9.  Sollten  sich  Juden  oder  andere  erwachsene  noch  ungetaufte 
Personen  zur  protestantischen  Religion  bekennen  wollen,  so  dürfen 
sie  nicht  eher  getauft  werden,  bis  sie  nicht  hiezu  die  Erlaubniss  der 
Landesstelle  eingebracht  haben  und  vorher  in  den  Grundsätzen  der 
evangelischen  Religion  hinreichend  unterrichtet  worden. 

§  II.  Katholische  und  nicht  unirte  Griechen  können  ohne  An- 
stand von  Evangelischen  zu  Taufzeugen  erbeten  werden. 

§  14.  In  Vacanzfällen  oder  bei  Krankheit  eines  Predigers  sind 
Taufe  und  die  Einzeichnung  in  das  Taufbuch  der  Gemeinde,  wie 
auch  die  Anzeige  des  geschehenen  Actus  an  den  parochum  ordi- 
narium  von  einem  benachbarten  erbländischen  Prediger  zu  verrichten, 
wo  aber  solcher  zu  weit  entfernt  wäre,  ist  der  katholische  Pfarrer 
um  die  Verrichtung  der  heiligen  Taufe  zu  ersuchen,  die  Vormer- 
kung aber  ist  von  einem  der  Vorsteher  oder  dem  Schulmeister  zu 
verrichten. 


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185 

Articulus  VI.    Von  der  Confirmation. 

§  I.  Da  die  Confirmation  hinreichende  Kenntniss  von  der  Re- 
ligion und  reife  Ueberlegung  erfordert,  so  darf  kein  Kind,  wenigstens 
nicht  unter  14  Jahren,  zugelassen  werden.  . 

§  2.  Die  Confirmation  muss  öffentlich  im  Angesicht  der  ganzen 
Gemeinde  geschehen. 

§  3.  Die  zu  Confirmirenden  müssen  von  dem  Prediger  der  Ge- 
meinde, wo  sie  sich  fortdauernd  aufhalten,  confirmiret  werden. 

§  4.  Auch  die  Confirmation  und  die  ihr  vorangehende  gemein- 
schaftliche Vorbereitung  der  zu  Confirmirenden  muss  jeder  Prediger, 
ohne  etwas  dafür  fordern  zu  dürfen,  ex  officio  verrichten. 

Articulus  VII.  Von  dem  was  Rechtens  ist  bei  Beicht  und  Vorbereitung. 

§  I.  Wo  in  Gemeinden  Augsburgischer  Confession  die  Privatbeichte 
nicht  eingeführt  ist,  hat  nur  eine  allgemeine  Beichte  und  Absolution 
statt;  doch  kann  ein  Prediger  niemandem  in  Gewissens- Angelegen- 
heiten eine  eigene  Unterredung  bei  sich  und  den  nöthigen  Trost 
verweigern. 

§  3.  Der  sogenannte  Beichtpfennig  bleibt  durchaus  abgeschafft. 

Articulus  VIII.     Von  dem  was  Rechtens  ist  bei  dem  heiligen  Abendmahl. 

§  I.  Nur  ein  ordinirter  Prediger  hat  das  Recht,  das  heilige 
Abendmahl  zu  verwalten. 

§  2.  Im  Nothfall  kann  auch  ein  Prediger  von  einer  andern 
Confession  das  heilige  Abendmahl  einem,  der  nicht  von  seiner  Con- 
fession ist,  reichen,  wobei  er  sich,  um  der  Gewissensfreiheit  von  keiner 
Seite  zu  nahe  zu  treten,  bei  der  Austheilung  des  heiligen  Abend- 
mahls blos  der  Einsetzungsworte  zu  bedienen  hat. 

§  3.  Sollte  ein  Mitglied  der  katholischen  Kirche,  das  als  solches 
bekannt  wäre,  zum  heiligen  Abendmahl  zugelassen  zu  werden  ver- 
langen, so  darf  solches  kein  Prediger  zugestehn,  bis  er  nicht  Zeug- 
nisse in  Händen  hat,  dass  ein  solcher  ehemals  Katholischer  ent- 
weder nach  allerhöchster  Vorschrift  als  akatholisch  angeschrieben 
worden  oder  seine  vorgeschriebene  Prüfungszeit  ausgehalten. 

§  4.  Wird  ein  Prediger  zu  einem  Kranken  zur  Verwaltung  des 
heiligen  Abendmahls  berufen,  so  muss  er  sich  zu  allen  Stunden 
bereitwillig  dazu  finden  lassen. 

§  5.  Nur  Wahnwitzige,  Blödsinnige  und  andere,  die  des  freien 
Gebrauchs  ihrer  Vernunft    nicht    mächtig  sind,    kann    ein  Prediger 


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136 

eigenmächtig  von  dem  heiligen  Abendmahl  ausschliessen,  sonst  aber 
kann  und  darf  er  Niemanden  davon  zurückweisen. 

§  6.  Ermahnungen  der  Prediger  zum  öfteren  Gebrauch  des 
heiligen  Abendmahls  sind  Pflicht,  aber  vorzuschreiben,  wie  oft  man 
des  Jahres  communidren  solle,  oder  gar  Zwangsmittel  dazu  zu  ge- 
brauchen, ist  untersagt. 

§  7.  Privat -Communionen  können  Niemandem,  als  solchen 
Leuten,  die  wegen  Schwachheit,  Alter  oder  sonstigen  der  Gemeinde 
Ekel,  Abscheu  oder  Schrecken  verursachenden  Gebrechen  nicht 
öfferitUch  in  der  Kirche  communiciren,  oder  solchen,  welche  plötzlich 
abreisen  müssen  und  den  nächsten  Communiontag  nicht  abwarten 
können,  wie  auch  Ausländern,  welche  die  Landessprache  nicht  ver- 
stehen, zugestanden  werden. 

III.  Abtheilung. 

Von  den  Kirchen  und  Bethäusem, 

§  I.  Will  eine  neu  entstandene  Gemeinde  ein  Bethaus  bauen, 
so  muss  sie  solches  bei  der  Landesstelle  anzeigen,  und  die  darüber 
erhaltene  Bewilligung  durch  den  Superintendenten  dem  Consistorium 
bekannt  machen. 

§  3.  Uebrigens  können  Bethäuser  und  Kirchen  nach  Belieben 
von  Stein,  Ziegeln  oder  Holz  gebauet  werden. 

§  4.  Nur  dürfen  sie  vermöge  der  bestehenden  allerhöchsten 
Toleranz- Verordnungen  keine  Thürme,  kein  Geläute  und  keinen  einer 
Kirche  ähnlichen  Eingang  von  der  Gasse  haben,  es  müsste  denn 
eine  specielle  Erlaubniss  dazu  vorhanden  sein,  oder  ältere  vorhin 
schon  bestandene  förmliche  privilegirte  Kirchen-  müssten  schon  von 
vorigen  Zeiten  her  diese  Freiheiten  gehabt  haben. 

IV.  Abtheilung. 

Von  den  Consistorien,  den  Superintendejiien  und  Senioren, 
Articulus  I.     Von  den  Consistorien.  *) 

§  I.  Beide  Consistorien,  Augsburgischer  und  Helvetischer  Con- 
fession,  haben  ihren  Sitz  in  der  Residenz,  sind  der  Landesstelle 
untergeordnet  und  haben  einen  von  dem  Landesfiirsten  dazu  ernannten 
katholischen  Präsidenten. 


^)  Die  hier  nicht  mitangefUhrten   weiteren  Bestimmungen    sind  der  im  Jahrgang 
VII,  Seite  13a  flf.  mitgetheilten  Consistorial-Instruction  von  1784  entnommen. 


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187 

§  9.  Da  von  den  Consistorien  alle  Befehle  oder  Verordnungen 
nach  der  ihnen  von  allerhöchsten  Orten  mitgetheilten  Instruction 
oder  nach  unmittelbarer  Vorkenntniss  und  Genehmigung  der  Hof- 
und  Landesstelle  ausgegeben  werden,  so  haben  die  Landesstellen 
anderer  Provinzen  kein  Recht,  die  vcm  den  evangelischen  Consisto- 
rien an  die  Superintendenten  erlassenen  Verordnungen,  vor  deren 
Publicirung,  sich  pro  beneplacito  vorlegen  zu  lassen. 

Articulus  n.     Von  den  Superintendenten.  ^) 

§  I .  Die  einem  Superintendenten  vor  anderen  Predigern  zu- 
kommenden Vorrechte  bestehen :  I.  in  der  Prüfung  der  Candidaten ; 
2.  in  der  Ordination;  3.  in  der  Installation;  4.  in  der  Einweihung 
der  Bethäuser;  5.  in  der  Visitation. 

Articulas  in.    Von  den  Senioren. 

Wo  ein  Senior  die  Geschäfte  des  Superintendenten  verrichtet, 
da  hat  er  die  von  allerhöchsten  Orten  dafür  bewilligten  Vortheile 
zu   geniessen. 

V.  Abtheilung. 

Von  allgemeinen  Kircheftgesetzcn  überhaupt. 

§  I.  Alles,  was'  zu  dem  politisch  kirchlichen  Fach  gehöret, 
hängt  von  der  politischen  Stelle  ab;  alle  Gesetze  hingegen,  welche 
Liturgie  und  Kirchenzucht  betreffen,  verfasst  das  Consistorium,  die 
aber  erst  nach  erfolgter  allerhöchster  Genehmigung  ihre  Wirkung 
erhalten. 

§  2.  Landesfurstliche  Gesetze  und  Consistorial- Verordnungen, 
welche  ganze  Gemeinden  betreffen,  und  zur  Publication  eingesendet 
werden,  müssen  sogleich  publicirt  werden. 

§  3.  Auch  Gewohnheits-Rechte,  Herkommen,  Observanz  und 
überhaupt  in  anderen  protestantischen  Ländern  angenommene  Kirchen- 
gesetze und  Rechte  können  bei  besonderen  Fällen,  die  in  dieser 
kirchenrechtlichen  Ordnung  nicht  vorausgesehen  oder  genau  bestimmt 
werden  konnten,  und  in  wiefern  jene  nicht  den  allgemeinen  Lahdes- 
gesetzen  und  Toleranz- Verordnungen  entgegen  sind,  zu  Rath  gezogen 
und  zu  Grunde  gelegt  werden. 


1)  Zu  diesem  und  dem  folgenden   Artikel  ist  die   im  Jahrgang  VI,  Seite  14  ff- 
mitgetheilte  Superintendential-Instruction  von  1785  zu  vergleichen. 


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138 

VI.  Abtheilung. 

Von  der  Kirchenvisitation.  *) 
§  I.   Die   Kirchenvisitation,   als  ein   unzertrennliches    annexum 
exercitii  Religionis,  verrichtet  der  Superintendent  oder  der  von  ihm 
delegirte   Senior,    welcher    solche   allemal    dem  Kreisamt    und   der 
Gemeinde  vorher  anzuzeigen  hat. 

VII.  Abtheilung. 

Von  den  Rechten  und  Verbindlichkeiten,  die  unmittelbar  aus  der  Natur 

der  evangelischen  Kirchcngemeinscitaft  entspringen, 

Articulus  I.     Von  dem  Erwerb  dieser  Rechte. 

§  I.  Die  Abstammung  von  ganz  protestantischen  Eltern  oder 
von  einem  protestantischen  Vater  und  einer  kathoUschen  Mutter  in 
Ansehung  der  Söhne,  und  die  einem  Katholischen  nach  ausgedauerter, 
gesetzmässiger  Prüfung  von  der  Behörde  ertheilte  Entlassungsscheine, 
sowie  auch  die  von  einem  evangelischen  Pastor  verrichtete  Taufe 
eines  Juden  oder  sonst  Erwachsenen,  noch  ungetauften,  sind  die 
drei  Wege,  wodurch  man  zu  den  Freiheiten  und  Vorrechten  eines 
Mitgliedes  der  evangelischen  Gemeinden  gelanget. 

Articulus  II.     Von  diesen  gemeinschaftliches  Rechten. 

§  I.  Ein  jedes  Mitglied  der  tolerirten  evangelischen  Gemeinden 
geniesset,  mit  völliger  Gewissensfreiheit,  die  Unabhängigkeit  von  der 
katholischen  Kirche  und  Geistlichkeit  in  Glaubenssachen. 

§  2.  Kein  Mitglied  der  evangelischen  Confession  kann  gezwungen 
werden,  in  die  katholische  Kirche  zu  gehen  oder  öffentlichen  Pro- 
cessionen  beizuwohnen. 

§  3.  Jeder  Evangelische  erfreuet  sich  des  Gebrauchs  der  Sakra- 
mente und  anderer  liturgischer  Handlungen  für  sich  und  die  Seinigen, 
insofern  diese  evangelisch  sind,  bei  öffentlichen  gottesdienstlichen 
Versammlungen  und,  wo  es  die  Noth  erfordert,  in  ihren  Privat- 
häusern, sie  mögen  nun  in  dem  Ort  liegen,  wo  ein  Bethaus  vor- 
handen ist,  oder  wo  es  immer  will;  nur  haben  sich  die  von  Bet- 
häusem  auch  weiter  Entfernte  doch  hierinnen  stets  zu  den  innerhalb 
den  kaiserl.  königl.  Erbländern  gelegenen  Kirchen  oder  Bethäusern 
und  Predigern  zu  halten. 

^)  Die  hier  übergangenen  Paragraphe  sind  aus  der  Visitationsvorschrift  (Jahr- 
gang VI,  Seite  25  ff.)  entlehnt. 


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139 

§  4-  Werden  einzelne  Glieder  in  diesen  Rechten  und  anderen 
Religionsfreiheiten  gekränkt,  so  haben  sie  sich  unmittelbar  an  ihre 
Landesstellen  zu  wenden. 

VIII.  Abtheilung. 
Van  Ehesaclun,  verbotenen  Graden  und  Dispensationen, 

§  I.  Die  Ehe  selbst, -als  ein  bürgerlicher  Vertrag,  gehört  ganz 
und  allein  unter  die  landesfiirstliche  Gerichtsbarkeit,  welche  alle 
dabei  vorkommende  Fälle  und  Streitigkeiten  schlichtet  und  ent- 
scheidet. 

IX.  Abtheilung. 
Von  den  Rechten  der  Consistorien  in  Ehesachen, 

In  den  Ehesachen,  bei  deren  Entscheidung  Rücksicht  auf  pro- 
testantische Grundsätze  zu  nehmen  ist,  haben  die  Consistorien  Votum 
consultativum. 

X.  Abtheilung. 

Von  Vollziehung  der  ehelichen    Verbindungen, 
Articulus  I.     Von  dem  Aufgebot. 

§  I .  Ohne  vorhergeschehenes  Aufjgebot  oder  die  hierüber  von  der 
Landesstelle  erhaltene  Dispensation  kann  keine  Trauung  statthaben. 

§  6.  Ohnerachtet  in  Ansehung  der  Trauung,  in  dem  Fall,  wenn 
ein  Theil  der  Verlobten  katholisch  ist,  der  katholischen  Religion 
das  Vorrecht  eingeräumt  worden,  dass  ein  solches  Paar  allemal  der 
katholische  Pfarrer  zu  trauen  hat,  so  hat  doch  solches  in  Ansehung 
des  Aufgebotes  nicht  statt,  denn  sobald  ein  Theil,  gleichviel  ob 
Braut  oder  Bräutigam,  evangelisch  (st,  so  muss  solches  auch  von 
dem  evangelischen  Prediger  geschehen. 

§  II.  Sollten  in  der  Residenz  oder  sonstwo  zwei  verlobte  Per- 
sonen, die  sich  beide  eines  Fori  privilegiati  zu  erfreuen  haben  und 
folglich  den  Landesgesetzen  nicht  unterliegen,  von  einem  inländischen 
evangelischen  Prediger  ohne  vorhergegangenes  Aufgebot  wollen 
trauen  lassen,  so  hat  der  Prediger,  wenn  ein  solches  verlobtes  Paar 
nicht  schon  selbst  von  höchsten  Behörden  eine  dispensirende  Aus- 
nahme von  den  allgemeinen  Landesgesetzen  erwirkt  hätte,  mit 
Anzeige  des  Falls  sich  um  Anweisung  seines  Verhaltens  bei  seiner 
Landesstelle  anzufragen. 


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140 

Articulus  IL     Vom  Einspruch  vor  der  Trauung. 

§  I.  Meldet  sich  jemand,  der  den  Fortgang  der  Trauung  hindern 
will,  so  hat  ein  Prediger  hier  nichts  weiter  zu  untersuchen,  sondern 
weiset  den  einsprechenden  Theil  an  die  gehörige  weltliche  Obrig- 
keit, stellet  aber  inzwischen  das  fernere  Aufgebot  ein. 

Articulus  III.     Von  der  Trauung. 

§  I.  Ohne  Trauung  hat  keine  rechtsbeständige  Ehe  statt. 

§  2.  Wenn  beide  Theile  protestantisch  sind,  oder  ein  Theil  zu 
den  nicht  unirten  Griechen  gehörte,  so  geschiehet  die  Trauung  von 
dem  Prediger  oder  Popen,  zu  dessen   Gemeinde  die  Braut  gehöret. 

§  4.  Unterfängt  sich  ein  Prediger  heimlich,  und  ohne  dass 
vorher  alle  nach  den  Gesetzen  verordnete  Formalitäten  wären  beob- 
achtet worden,  ein  Brautpaar,  solches  möge  nun  inländisch  oder  aus 
einem  benachbarten  Ausland,  blos  um  sich  in  den  kaiserl.  königl. 
Erblanden  verstohlener  Weise  trauen  zu  lassen,  herübergekommen 
sein,  zu  trauen,  so  wird  er  seines  Amtes  entsetzt  oder  nach  Be- 
schaffenheit der  Umstände  noch  schwerer  bestraft,  und  die  Ehe  ist 
an  und  ilir  sich  ungültig  und  nichtig. 

§  5.  Ist  der  Bräutigam  oder  die  Braut  katholisch,  so.  verrichtet 
ohne  Ausnahme  der  katholische  Pfarrer  die  Trauung. 

§  8.  Alle  Reverse,  die  bei  vermischten  Ehen  vor  dem  Toleranz- 
edict  vom  13.  October  1781  ausgestellt  worden,  haben  ihre  Gültig- 
keit insoweit,  dass  alle  Kinder,  die  vor  diesem  Zeitpunkt  geboren 
worden,  ohne  Unterschied  des  Geschlechts  in  der  katholischen  Religion 
zu  erziehen  sind ;  die  hernachfolgenden  aber,  wenn  der  Vater  pro- 
testantisch ist,  folgen  dem  Geschlecht. 

§  9.  Von  diesem  13.  October  1781  an,  wo  die  Toleranz  ein- 
geführt worden,  hören  alle  dergleichen  Reverse  ganz  auf,  und  sollte 
ein  protestantischer  Bräutigam  sich  von  der  Braut,  ihren  Eltern, 
Anverwandten  und  Beiständen,  Notaren,  oder  selbst  von  dem 
katholischen  Pfarrer  zu  einem  solchen  Revers  bereden  lassen,  so 
sind  dergleichen  Reverse  als  nicht  ausgestellt  anzusehen,  und  als 
gesetzwidrig  an  und  für  sich  selbst  ungültig  und  nichtig. 

§  10.  Verstehet  sich  ein  protestantischer  Vater  mündlich  und 
freiwillig  dazu,  seine  Söhne  in  der  katholischen  Religion  erziehen  zu 
lassen,  so  hat  auch  dieses  nicht  statt,  weil  der  Vater  weder  die 
Rechte  seiner  zu  erwartenden  Söhne,  noch  die  der  protestantischen 
Gemeinde  vergeben   kann,   folglich   gehören   alle   Söhne   von  evan- 


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141 

gelischen  Vätern  und  katholischen  Müttern,  ohae  Rücksicht,  in 
welcher  Reh'gion  sie  erzogen  werden,  der  evangelischen  Gemeinde  an. 

§  12.  Jeder  Prediger  ist  schuldig,  alle  in  seiner  Pfarre  vor- 
kommenden Trauungen,  mit  deutlicher  Benennung  der  neuen  Ehe- 
leute und  der  dabei  gegenwärtigen  Zeugen,  in  die  £u  diesem  End 
bestimmte  Trauungsbücher  eigenhändig  einzutragen.  Auch  muss  er 
nach  geschehener  Trauung  die  vorschriftsmässige  Anzeige  darüber 
dem  betreffenden  katholischen  Pfarrer  zufertigen. 

§  14.  Zu  einer  Trauung  in  der  Advent-  und  Fastenzeit  muss 
die  Erlaubniss  von  der  weltlichen  Behörde  eingeholt  werden. 

§  15.  Für  die  Trauung  darf  kein  Prediger  eine  pflichtmässige 
Gebühr  fordern. 

XI.  Abtheilung. 
Von  der  Ehescheidung, 

Ehen  zwischen  Katholischen  und  Akatholischen  können  auf 
keine  Art  gänzlich  geschieden  werden. 

XII.  Abtheilung. 

Von  Besuchung  der  Kranken  und  Sterbenden, 

§  I .  Nur  ein  ordinirter  und  von  Behörde  bestätigter,  inländischer 
Prediger  hat  das  Recht,  Kranke  und  Sterbende  in  und  ausser  den 
Spitälern  und  Krankenhäusern,  in  Privathäusern  und  wo  sie  sich 
immer  in  dem  Bezirk  seiner  und  anderer  Gemeinden,  wo  kein 
Prediger  vorhanden,  befinden  mögen,  zu  besuchen  und  ihnen  auf 
Verlangen  das  heilige  Abendmahl  zu  reichen. 

§  2.  Wird  ein  Prediger  zu  einem  ihm  unbekannten  Kranken 
berufen,  und  er  findet  aus  überzeugenden  Beweisen,  dass  solcher 
zur  katholischen  Kirche  gehört,  so  hört  sein  Amt  auf. 

§  4.  Verlangte  ein  evangelischer  Kranker  seinen  Prediger, 
besinnet  sich  aber  eines  andern  und  wünschet  einen  katholischen 
Geistlichen,  um  zu  dieser  Religion  überzutreten,  so  hat  sich  auch 
der  schon  bei  dem  Kranken  befindende  Prediger  nicht  dagegen  zu 
setzen ;  nur  ist  diese  Erklärung  des  Kranken,  dass  er  zur  katholischen 
Religion  übergehen  wolle,  blos  in  dem  Fall  anzunehmen,  wenn  der 
Kranke  bei  gesundem  Verstand,  und  wenn  sie  in  Gegenwart  des 
evangelischen  Predigers  geschehen  ist. 

§  5.  Trifft  ein  evangelischer  Prediger  mit  einem  katholischen 
Geistlichen  bei   einem   evangelischen   Kranken   zusammen,   so  muss 


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142 

jener  diesem,  nach  den  bestehenden  allerhöchsten  Toleranz-Ver- 
ordnungen, mit  aller  Freundschaft,  Anständigkeit  und  Bescheidenheit 
begegnen  und  ihm  gestatten,  dem  Kranken  seinen  Beistand  zu  bieten. 
§  6.  Sollte  der  katholische  Geistliche,  gegen  erst  erwähnte  aller- 
höchste Toleranz-Verordnungen,  seine  Besuche  mehr  als  einmal  dem 
Kranken  aufdringen,  so  hat  der  evangelische  Prediger  ihn  mit  Sanft- 
muth  und  Güte  hierauf  zu  verweisen  und,  wenn  jene  Vorstellung 
nichts  hilft,  eine  solche  Zudringlichkeit  bei  der  Behörde  anzuzeigen. 

XIII.  Abtheilung. 
Von  den  Freydhöfefi. 

§  I .  Will  eine  evangelische  Gemeinde  auf  ihre  eigene  Unkosten 
einen  Freydhof  haben  und  erhalten,  so  stehet  es  in  ihrem  Belieben, 
wenn  nicht,  so  werden  auch  die  Evangelischen  auf  die  gemein- 
schaftliche katholische  Freydhöfe  begraben. 

§  2.  Kein  katholischer  Pfarrer  darf  sich  unterfangen,  einem 
Evangelischen  das  Begräbniss  auf  einem  katholischen  Freydhof  zu 
versagen. 

§  5.  Epitaphien  zu  errichten  wird,  wo  es  der  Raum  erlaubt, 
jedermann  gestattet,  jedoch  nur  auf  den  Freydhöfen,  und  nie  in 
den  Bethäusem  oder  Kirchen. 

XIV.  Abtheilung. 

Von  den  Parochialrechten  bei  Begräbfiissen, 
§  I .  Nur  der  jedesmalige  Prediger  bei  einer  Gemeinde  hat  das 
Recht,  ein  aus  seiner  Gemeinde  verstorbenes  Mitglied   zu  Grab  zu 
begleiten  und  sein  Amt  dabei  zu  verrichten. 

§  2.  Diese  Begleitung  kann  und  darf  öffentlich  geschehen,  und 
es  steht  dem  Prediger  frei,  entweder  in  dem  Leichenhaus  oder  auf 
katholischen  Freydhöfen  seine  Gebete  zu  verrichten-  und  eine  kurze 
Anrede  zu  halten. 

§  3.  Wo  eine  evangelische  Gemeinde  einen  eigentlichen  Freydhof 
hat,  kann  entweder  da,  oder  in  dem  Bethaus  oder  Kirche,  und  auch 
da,  wo  nur  gemeinschaftliche  Freydhöfe  bestehen,  auf  eigenes  An- 
begehren  der  Hinterlassenen  eine  förmliche  Leichenrede,  doch  ohne 
die  hier  und  da  noch  übliche  Ablesung  des  oft  übertrieben  gerühmten 
Lebenslaufes  des  Verstorbenen,  gegen  eine  anständige,  verhältniss- 
mässige  Erkenntlichkeit  an  den  Prediger  gehalten  werden. 


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143 

§  4-  Stirbt  ein  Katholischer  an  einem  Ort,  wo  nur  ein  cvan- 
geUscher  Freydhof  ist,  so  hat  der  evangelische  Prediger  solches 
dem  nächstgelegenen  katholischen  Pfarrer  anzuzeigen,  wo  dann  der 
Todte  entweder  in  Begleitung  dieses,  oder  wenn  dieser  nicht  zur 
Beerdigung  erschiene,  von  dem  evangelischen  Prediger  begleitet, 
allerdings  auf  den  evangelischen  Freydhof  zu  begraben  ist. 

§  5.  Will  der  katholische  Pfarrer  den  Leichnam  eines  ver- 
storbenen Protestanten  in  Gesellschaft  des  evangelischen  Predigers 
mit  zu  Grab  begleiten  helfen,  so  ist  ihm  solches  ohne  Anstand 
erlaubt. 

§  6.  Die  Leichname  der  Protestanten  können  in  Begleitung 
ihrer  Schulen  mit  Gesang  und,  wo  Glocken  erlaubt  sind,  mit  Klang 
zu  Grabe  gebracht  werden. 

§  9.  Mehrerer  Ordnung  wegen  ist  ein  jeder  Prediger  gehalten, 
die  in  seinem  Gemeindebezirk  Verstorbene,  insoweit  es  ihm  möglich 
ist,  in  die  eigene  Todtenregister  einzutragen. 

§  IG.  Da  die  Stolgebühren  auch  bei  Leichen,  insolange  nicht 
etwas  anderes  anbefohlen  wird,  an  den  Parochum  ordinarium  bezahlt 
werden  müssen,  so  hat  der  Prediger  auch  für  die  Begleitung  einer 
Leiche  nichts  zu  fordern,  hingegen  sind  auch  alle  katholische  P&rreien 
verpflichtet,  wenn  bei  protestantischen  Leichen  für  Geläut  und  Fackeln 
die  vorgeschriebene  Tax  bezahlt  wird,  alles  auf  das  Genaueste  zu  leisten. 

XV.  Abtheilung. 

Von  den    Wittwen  und   Waisen  der  Prediger,  Schullehrer  und 
Kirchendiener, 

§  I.  Die  Wittwen  der  Prediger  gemessen  von  dieser  ihrem 
Sterbetag  an,  ein  ganzes  Jahr  hindurch  die  Hälfte  der  festgesetzten 
Besoldung  und  aller  übrigen  Vortheile,  wofern  sie  unter  dieser  Zeit 
nicht  heirathen ;  was  aber  die  Wohnung  betrifft,  so  haben  sie  solche 
nur  ein  halbes  Jahr  zu  geniessen ,  doch  müssen  sie  dem  neuen 
Prediger  oder  Vicarius  ein  Zimmer  einräumen;  sollten  sie  aber 
selbst  so  enge  wohnen,  dass  sie  keines  abtreten  können,  so  muss 
die  Gemeinde  bis  nach  Verlauf  des  halben  Jahres  wegen  Unter- 
kommen des  neuen  Predigers  die   nöthigen  Vorkehrungen  machen. 

§  2.  Nach  dem  Verfluss  des  Gnadenjahres  hat  eine  Predigers- 
Wittwe,  so  lange  sie  Wittwe  bleibt  und  ihren  Wohnsitz  nicht  ver- 
ändert, von    dem    nächstfolgenden   Prediger  jährlich    den  zwölften 


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144 

Theil  von  seinem  bestimmten  Gehalt  zu  geniessen.  In  Ansehung 
der  Wohnung  aber  muss  ihr  die  Gemeinde,  wenn  im  Predigerhausc 
nicht  Raum  übrig  wäre,  oder  ihr  ausser  demselben  keine  ander- 
weitige Wohnung  angewiesen  werden  kann,  in  Hauptstädten  acht, 
in  Provinzialstädten  sechs,  auf  dem  Land  vier  Procent  nach  Ver- 
hältniss  des  Predigergehalts  statt  eines  Quartiergeldes  abreichen. 
§  7.  Kann  eine  Wittwe  eines  ärgerlichen,  Übeln  Lebenswandels 
überführt  werden,  oder  trennte  sie  sich  von  der  Kirchen-Gesellschaft, 
so  verliert  sie  alle  Vortheile,  die  sie  als  Wittwe  genossen  und  solche 
fallen,  wenn  keine  Kinder  da  sind,  dem  Prediger  und  der  Gemeinde 
zurück.  Im  Fall  aber  Kinder  da  sind,  so  werden  die  Gnadengelder 
den  Vormündern  derselben  abgereicht,  die  für  die  zweckmässige 
Verwendung  zu  sorgen  haben. 

XVI.  Abtheilung. 
Voll  den  Gemeinden, 
Articulus  Ic       Von  den  Gemeinden  und  ihren  Rechten  überhaupt. 

§  I.  Eine  bestehende  evangelische  Kirchengemeinde  wird  zufolge 
der  Toleranzgesetze  als  eine  öffentliche  Gesellschaft  angesehen,  welche 
sich  aller  durch  dieselbe  zugesicherten  Rechte  und  Vorzüge  zu  er- 
freuen hat. 

§  2.  Will  irgendwo  eine  evangelische  Kirchengemeinde  zusammen- 
treten, sich  Bethäuser  bauen  und  Prediger  halten,  so  muss  sie  sich 
an  die  Landesstelle  wenden,  und  sich  übrigens  in  Ansehung  der 
Zahl  ihrer  Familien  oder  Mitglieder  an  die  Toleranzgesetze  halten 
oder  hierüber  die  Dispensation  von  dem  Landesfürsten  einholen. 

§  4.  Alle  protestantischen  Kirchengemeinden  stehen  im  Ganzen 
genommen  und  eigentlich  in  publico-ecclesiasticis  unter  ihren  eigenen 
Landesstellen,  nur  in  liturgicis  und  dem  was  eigentlich  zur  Seel- 
sorge und  zur  Aufsicht  über  das  Lehramt  ihrer  Prediger  gehöret, 
unterliegen  sie  den  Consistorien  und  ihren  Superintendenten. 

§  6.  Die  Gemeinden  haben  allein  das  Recht,  sich  ihre  Prediger 
und  Schullehrer  zu  wählen,  wenn  sie  solche  dotiren,  und  darf  ihnen 
wider  ihren  Willen  keiner  aufgedrungen  werden. 

Articulns  II.     Von  einigen  vorzüglichen  Rechten  und  Verbindlichkeiten  der  protestan- 
tischen Gemeindeglieder. 

§  I.  Jeder  evangelische  Unterthan,  wenn  er  sich  gleich  noch 
nicht   zu   dieser  oder  jener   Gemeinde   hält  und    da  eingeschrieben 


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145 

worden,  ist  als  ein  Mitglied  der  ihm  zunächst  gelegenen  Kirchen- 
gemeinde anzusehen. 

§  3.  Alle  Glieder  einer  Kirchengemeinde  sind  verbunden,  ihren 
Superintendenten,  Senioren  und  Predigern  mit  Achtung  und  Liebe 
zu  begegnen,  den  Vorstehern  in  den  ihnen  zukommenden  Amts- 
pflichten nicht  entgegen  zu  arbeiten  und,  .so  lange  nicht  ein  eigener 
hinlänglicher  Kirchenfond  vorhanden  ist,  alle  zur  Erhaltung  der  Kirchen 
oder  Bethäuser,  zur  Besoldung  der  Prediger  und  des  übrigen  Kirchen- 
personals nöthige  Beiträge  willig  und  nach  Vermögen  zu  entrichten. 

§  6.  Jedes  Mitglied  einer  protestantischen  Gemeinde  ist  ver- 
bunden vermöge  der  bestehenden  Toleranz- Verordnungen  die  Stol- 
gebühren,, so  lange  der  Landesfiirst  hierinnen  nicht  etwas  anderes 
verordnet,  dem  parocho  ordinario  zu  entrichten. 

§  7.  Da  jede  Gemeinde  verbunden  ist,  für  das  Wohl  ihrer 
Kirche  oder  ihres  Bethauses  zu  wachen,  so  muss  sie  zu  dem  Ende 
eigene  Vorsteher  aus  ihrem  Mittel  erwählen. 

§  8.  Bei  Begegnung  des  Hochwürdigen  haben  die  Evangelischen 
mit  abgezogenem  Hut  stehen  zu  bleiben,  oder  vorüber  zu  gehen 
oder  sich  zu  entfernen;  hingegen  muss  sie  auch  jede  weltliche 
^Obrigkeit,  wenn  sie  diese  Vorschrift  befolgen,  gegen  alle  Insultirung 
des  Pöbels  sichern  und  schützen. 

§  9.  Alle  Glieder  der  protestantischen  Gemeinden  haben  sich 
von  allen  Schmähungen  und  Thätlichkeiten,  aller  Verachtung  und 
Verspottung  einer  anderen  Religion,  aller  Vergreifung  an  Kirchen- 
bildem  oder  andern  zur  Religion  gehörigen  äusserlichen  Sachen  zu 
enthalten,  widrigenfalls  sie  nicht  wegen  der  Religion,  sondern  als 
Störer  der  öffentlichen  Ruhe  die  schwerste  Strafe  zu  erwarten  haben. 

§  IG.  Die  protestantischen  Gemeinden  können  ihre  Kirchen  oder 
Bethäuser,  wenn  sie  nur  vorschriftsmässig  gebauet  werden,  bauen 
wohin  und  wie  sie  wollen,  zumal  wenn  sie  den  Platz  dazu  selbst 
erkauft  oder  wenn  er  ihnen  verehret  worden  wäre,  und  ihren  Gottes- 
dienst ungestört  halten. 

§  12.  Die  Protestanten  haben  sich  von  allem  Anlass  zu  hart- 
näckigen und  beissenden  Religions-Streitigkeiten  zu  enthalten,  ihren 
katholischen  Mitbrüdern  mit  aller  Verträglichkeit,  Liebe  und  Sanft- 
muth  zu  begegnen  und  überhaupt  alle  in  den  Toleranz-Verordnun- 
gen und  in  gegenwärtiger  Kirchenordnung  vorgeschriebene  Pflichten 
auf  das  genaueste  zu  beobachten^  sowie  sie  sich  hingegen  auch  aller 

Jahrbuch  des  Protcatantiamus  1887.  H.  III.  2^         ' 


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146 

in  jenen    und    in    dieser   bei   einzelnen   Fällen   erwähnten   und  ein- 
geräumten Vorrechten  und  Freiheiten  ungekränkt  zu  erfreuen  haben. 

Articulus  IIL     Von  den  Kirchenvorstehem,  ihren  Rechten  und  Verbindlichkeiten. 

§  I.  Kirchenvorsteher  haben  für  das  Beste  der  Kirche  zu 
wachen  und  zu  sorgen,  deren  Rechte  zu  vertreten,  die  erlangten 
Freiheiten  aufrecht  zu  erhalten,  ihr  allen  erlaubten  Vortheil  und 
Nutzen  zu  verschaffen,  das  Erworbene  gut  anzuwenden  und  treulich 
zu  verwalten,  und  unterliegen  daher  im  Ganzen  genommen  allen 
den  Pflichten,  die  man  von  treuen  Haushältem  und  rechtschaffenen 
Vormündern  fordern  kann ;  auch  müssen  sie  wie  diese  fiir  den  durch 
eigenes  Verschulden  der  Gemeinde  zugezogenen  Schaden  haften. 

§  3.  Auch  die  jedesmaligen  Prediger  einer  Gemeinde  nehmen 
an  der  Verwaltung  der  Kirchengeschäfte  Antheil. 

§  5.  Die  bei  einer  Gemeinde  vorkommende  mehr  oder  minder 
wichtige  Geschäfte  müssen  die  Anzahl  der  Vorsteher  bestimmen, 
doch  ist  es  allemal  hinlänglich,  wenn  höchstens  siebene  oder  funfe 
genommen  werden,  aber  weniger  als  drei  dürfen  auch  nicht  sein. 

§  8.  Sollte  eine  Gemeinde  mit  einem  oder  dem  andern  Vorsteher 
aus  gegründeten  Ursachen  unzufrieden  sein,  so  hat  sie  das  Recht, 
auf  die  Wahl  eines  andern  zu  dringen,  sowie  auch  das  Consistorium 
in  solchem  Fall  auf  die  obrigkeitliche  Absetzung  eines  solchen  un- 
würdigen Vorstehers  antragen  kann.  Und  sollte  sich  der  Fall  ereignen, 
dass,  da  die  Vorsteher  ihr  Amt  unentgeltlich  verrichten  müssen, 
sich  Niemand  dazu  verstehen  möchte,  so  hat  der  Superintendent, 
sobald  ihm  ein  solcher  Fall  von  dem  Prediger  bekannt  gemacht 
wird,  oder  er  ihn  bei  der  Visitation  vorfindet,  solches  sogleich  seinem 
Consistorium  anzuzeigen,  welches  sodann  die  Behörde  anzusuchen 
hat,  damit  die  weltliche  Obrigkeit  einigen  Mitgliedern  aus  solcher 
Gemeinde  das  Vorsteheramt  ex  officio  auftragen  möge,  welches  so- 
dann keiner  von  sich  ablehnen  kann  und  darf,  er  müsste  denn  die 
nämlichen  Gründe  für  sich  haben,  die  Jemanden  von  der  Annahme 
einer  ihm  gerichtlich  aufgetragenen  Vormundschaft  entheben. 

§  15.  Bei  erledigten  Predigerstellen  schlagen  die  Vorsteher  der 
Gemeinde  die  Candidaten  zur  neuen  Wahl  vor. 

(Schluss  folgt.) 


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VIL 
M  i  s  c  e  1  1  a  n  e  a. 

I.  Aus  Eibenschitz. 

In  Eibenschitz,  wo  ehemals  die  Hochschule  der  Mährischen 
Brüder  bestand,  befinden  sich  nur  noch  zwei  Gebäude,  die  an  jene 
Zeit  erinnern.  Das  erste,  welches  zur  Brüderschule  gehört  zu  haben 
scheint,  ist  jetzt  eine  Brantweinbrennerei,  im  Besitze  eines  Israeliten. 
Noch  vor  wenigen  Jahren  soll  daselbst  eine  Glocke  aus  der  Brüder- 
zeit gestanden  haben,  die  von  dem  Dechant  gekauft  und  in  der  auf 
einem  nahen  Berge  neu  erbauten  katholischen  Kirche  aufgehängt 
wurde.  —  Das  zweite  Haus  (in  der  Nähe  des  vorgenannten)  ist  jetzt 
der  , Gasthof  zur  Weintraube*  und  steht  am  Ende  der  Grundlgasse, 
wo  die  Strasse  nach  Kromau  und  Znaim  aus  Eibenschitz  hinausfuhrt. 

Ueber  der  Eingangsthür  ist  noch  heute  das  Distichon  zu  lesen : 

Exilium  tellus,  mors  janua,  patria  coelum, 

Omnia  praetereunt  praeter  amare  Deum. 

Anno  Domini  MDCXV. 

d.  h.  Die  Erde  ist  ein  Exil,  der  Tod  die  Eingangsthür,  der  Himmel 

das  Vaterland ;  Alles  vergeht,  nur  nicht  die  Liebe  zu  Gott.  Im  Jahre 

des   HErrn    1615.  —  Diejenigen   Personen   aus  Eibenschitz,   welche 

sich  in  der  Toleranzzeit  zur  evangelischen  Kirche  meldeten,  wurden 

der  Gemeinde  Brunn  zugewiesen.  Dr.   Trautenberger. 

2.  Verfahren  der  Kaiserin  Maria  Theresia  gegen  die  Protestanten. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  grosse  Kaiserin  Maria  Theresia  gegen 
die  Protestanten  härter  verfuhr  als  ihr  Vater  Kaiser  Carl  VI.  und 
hebt  dieses  Moment  ihr  Biograph  Ritter  v.  Ameth  in  seiner  Geschichte 
Maria  Theresia's  hervor.  Man  würde  jedoch  irren,  wenn  man  glauben 
wollte,  dass  niemand  es  gewagt  hätte,  ihr  darüber  Vorstellungen  zu 
machen.  Als  Beweis  dessen  heben  wir  einen  Passus  aus  einer 
Denkschrift   des   Hofkammerpräsidenten   Grafen  von  Salaburg  vom 

11» 


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19.  Jänner  1748  hervor,  welqher  lautet:  ,Der  ehemalige  so  viele  Vor- 
sprecher gefundene  Conventus  publicus  ist  sehr  theuer  und  dem 
Erzhause  und  den  angrenzenden  Erblanden  noch  theurer  zu  stehen 
gekommen.  Mehrere  malen  habe  den  damaligen  Obristkanzler  dar- 
über klagen  gehört,  und  hätte  der  höchstselige  Kaiser  länger  gelebt, 
so  würde  vermutlich  sowohl  hierunter  als  in  jenen  Stücken,  wo  der 
Religionseifer  zu  weit  getrieben  worden,  Rat  geschaffen,  mithin 
das  schöne  Land  (Schlesien)  erhalten  worden  sein.*  —  Salaburg 
meinte  daher,  dass  es  Friedrich  IL  gelungen  war  einen  Theil  Schlesiens 
zu  erobern,  weil  man  gegen  die  Protestanten  zu  hart  verfuhr.  Dass 
diese  Vorstellung  nichts  fruchtete,  ist  allerdings  auch  richtig.  (Vgl. 
Arneth  und  unser:  Die  Protestanten  in  Oesterreich  unter  der 
Kaiserin  Maria  Theresia.)  Erst  am  Ende  ihres  Lebens  wurde  die 
Kaiserin  toleranter.  Sie  ernannte  den  Freiherrn  von  Bruckenthal, 
einen  Protestanten,  zum  Generalcommissär,  d.  h.  zum  Statthalter 
von  Siebenbürgen.  G,   Wolf, 

3.  Zwei  Berichte  Tobias  Kiessling's  aus  Oesterreich  1782. 

Johann  Tobias  Kiessling  (vgl.  Jahrbuch  IL  J7\  der  um 
die  Evangelischen  in  Oesterreich  (an  welchem  er,  weil  es  ihn  an 
irdischem  Gut  zwar  arm  [18 12],  aber  an  geistlichen  Freuden  reich 
gemacht  hatte,  mit  ganzem  Herzen  hing)  hochverdiente  Nürnberger 
Kaufmann,  hat  an  die  Deutsche  Christenthums-Gesellschaft  in  Basel, 
deren  Mitbegründer  er  war,  1782  zwei  Reiseberichte  aus  Steiernnark 
und  Oberösterreich  gesendet,  welche  durch  ihren  merkwürdigen 
Inhalt,  die  nachstehende  Reproduction  rechtfertigen.  *) 

I.  —  »Zu  Graz  hörte  ich  auf  dem  Fastenmarkt,  dass  auf  das 
kaiserl.  Toleranzedikt  zu  Kärnthen,  Steiermark  und  an  den  Salz- 
burgischen Grenzen  sich  zu  Hunderten  Protestanten  fanden,  die  nach 
Lehrern  und  Kirchen  seufzten.  Der  Papst  reiste  eben  durch  und 
ich  merkte,  dass  durch  seine  Gegenwart  Viele  in  der  Unzufrieden- 
heit über  die  Toleranz  bestärkt  wurden.  Oft  seufzten  sie  über  ihre 
Umstände  und  es  kam  ihnen  ganz  unvermuthet,  als  nach  langem 
Druck  das  kaiserl.  Edikt  von  den  Kanzeln  gelesen  wurde.  Da  war 
es  ihnen,  wie  den  Träumenden ;  sie  konnten  die  Zeit  der  Erquickung 

1)  Dieselben  finden  sich  versteckt  im  Anhang  eum  I.  Bande  von  A.  Sarasin's 
Biographie  Christ.  Friedr.  Spittler's,  S.  426—28. 


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kaum  glauben  und  wurden  voll  Lobens  und  Dankens.  Sogleich  er- 
klärten sich  Tausende  als  Protestanten  und  erbauten  sich  zu  Hunderten 
gemeinschaftlich.  Da  sie  jedoch  weder  Lehrer  noch  Kirchen  hatten, 
so  bediente  sich  Gott  eines  Bauemknechtes,  um  bei  dem  Kaiser 
dieses  auszuwirken.  Es  wusste  sich  derselbe  einen  Pass  zu  verschaffen, 
mit  welchem  er  in  Begleitung  von  12  andern  Bauern  durch  alle 
nöthigen  Instanzen  hindurch  bis  zu  seiner  kaiserl.  Majestät  selbst 
gelangte.  Zuerst  dankten  sie  ihm  demüthigst  für  das  Toleranzedikt 
und  baten  zugleich  um  Lehrer  und  Kirchen.  Der  Kaiser  war  ausser* 
ordentlich  herablassend.  Er  sprach:  »Kinder,  wo  kommt  Ihr  her? 
Ihr  seid  ja  meine  österreichischen  Unterthanen,  sind  denn  Euer  so 
Viele?*  Ja,  in  die  Tausende.  , Ist's  wahr?  Nun,  ich  will  Alles 
untersuchen  und  Euch  Lehrer  aus  Teschen  und  Ungarn  geben. 
Geweihte  Kirchen  kann  ich  Euch  keine  überlassen,  die  möget  Ihr 
selbst  bauen/  Bald  nachher  Hessen  drei  Landräthe  alle  Leute  rufen, 
die  sich  für  lutherisch  erklären  wollten  und  brachten  in  wenig 
Tagen  über  10.000  Seelen  zusammen.  Doch  kam  Befehl,  dass  Jeder 
sich  vom  katholischen  Geistlichen  müsse  examiniren,  seine  Beweg- 
gründe protokolliren  lassen  und  sich  schriftlich  für  evangelisch  er- 
klären. Da  gab  es  freilich  manche  heisse  Stunde,  denn  jede  ein- 
zelne Seele  musste  oft  stundenlang  ganz  allein  vor  den  Richtern, 
Geistlichen  und  Scribenten  sich  hinstellen  und  auf  Fragen  Red'  und 
Antwort  geben,  die  sie  nie  gehört  hatten.  Erleuchtete  Personen, 
welche  die  Bibel  in  Mund  und  Herz  hatten,  machten  zwar 
den  Gerichten  viel  zu  schaffen;  an  Allen  aber  bewies  sich  das 
Wort:  ,Es  soll  ihnen  zur  Stunde  gegeben  werden*.  Bald  erwarten 
sie  ihren  Prediger  aus  Teschen,  der  seinen  Einstand  vor  mehr  denn 
20.000  Seelen  im  Freien  halten  wird.  Welche  Wunder  und  Thaten 
Gottes  in  unseren  Tagen!  Ich  fühle  mich  beschämt  vor  ihnen,  die 
oft  in  der  Nacht  mit  Lebensgefahr  die  Bibel  durchforschten,  wäh- 
rend ich 's  bei  Gewissensfreiheit  in  ruhigen  Stunden  unterliess.* 

II.  —  »Die  Bauern  um  Linz  haben  nun  wirklich  ein  Bethaus 
zu  bauen  angefangen.  Sie  beherbergten  mich  bequem  und  holten 
mich  zu  ihrer  Andacht  ab.  Mein  Herz  zerschmolz,  als  ich  dies 
hölzerne  Gebäude  mitten  im  Thale  und  Waldung  von  Balken  auf- 
geführt noch  unbedeckt  erblickte.  Ach,  dachte  ich,  ist  das  das 
Haus,  das  der  HErr  mitten  unter  seinen  Feinden  erbauet,  wornach 
seit  mehr  denn  1 00  Jahren  schon  so  viele  Tausende  geseufzt  haben? 


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Ungeachtet  Alles  voll  Steinen,  Brettern  uncf  Balken  lag,  so  versam- 
melte sich  am  Sonntag  nach  Trinitatis  eine  grosse  Menge  Bauern- 
volk, die  bei  damaligem  Regen  doch  mehrere  Stunden  weit  herkamen, 
auf  die  Balken  oben  aufstiegen  und  sich  unten  zusammenfügten. 
Sie  sangen  ganz  harmonisch  das  Lied :  O  Herre  Gott,  dein  göttlich 
Wort.  Ein  Bauer,  der  älteste  Vorsteher,  stieg,  weil  Prediger  Tülisch 
[Thielisch]  noch  nicht  angekommen  war,  auf  die  Kanzel,  ermahnte 
zuerst  zur  Dankbarkeit  fiir  die  erlangte  Freiheit,  las  die  Kirchen- 
gebete und  eine  Predigt  von  Heinrich  Müller  deutlich  vor.  Zum 
Schluss  wurde  wieder  gebetet  und  gesungen:  Was  Gott  thut,  das 
ist  wohlgethan.  Es  regierte  eine  heilige  Stille.  Ich  legte  25  fl.  in 
den  Klingelsack  von  der  Gesellschaft  mit  der  Ueberschrift :  Von 
wem.  Das  Geschenk  wirkte  grosse  Liebe  und  Dank  gegen  die 
Wohlthäter.  Sie  konnten  nicht  begreifen,  dass  fremde  Personen  sich 
ihrer  annehmen.  Ich  war  ganz  entzückt  unter  diesen  lieben  Leutlein, 
die  mich  Alle  umringten  und  mir  ihre  Freude  mittheilten  an  der 
erschienenen  Hilfe.  Ja,  ich  könnte  Bogen  voll  schreiben,  wenn  ich 
erzählen  wollte  von  den  Besuchen  dieser  treuherzigen  Schäflein, 
welche  sie  mir  auf  dem  Markt  und  in  meiner  Bude  abstatteten  und 
wie  da  oft  unsere  Herzen  in  himmlischer  Freude  zusammenflössen. 
Ich  finde  viel  mehr  hier,  als  ich  erzählen  kann.  Zwar  sind  sie  noch 
ziemlich  bedrängt  und  müssen  oft  hören,  dass  das  Gebäude  in 
Flammen  aufgehen  werde.  Man  erkennt  eben  die  göttliche  Kraft 
des  Wortes  an  diesen  Seelen,  die  noch  vor  einigen  Jahren  in  Ketten 
und  Banden  lagen  und  jetzt  getreu  an  Jesu  halten  und  von  seiner 
Verheissung  leben.  Die  Zahl  der  protestantischen  Seelen  in  den 
Dörfern  um  Efferding  beläuft  sich  jetzt  über  3500.*       G,  Frank. 

4.  Statistisches  aus  Wien. 

Nach  dem  , Statistischen  Jahrbuch*  der  Stadt  Wien  für  1885 
fanden  in  Wien  6571  Eheschliessungen  (darunter  6^  Civilehen)  und  175 
Ehescheidungen  statt.  Aus  der  römisch-katholischen  Kirche  schieden 
342  Personen,  von  welchen  117  zum  Protestantismus  und  37  zum 
Judenthum  übertraten,  188  aber  sich  confessionslos  erklärten.  Das 
Judenthum  verliessen  232  Personen,  von  denen  129  zum  Katholi- 
cismus,  26  zum  Protestantismus,  i  zum  Baptismus  übertraten  und 
^6  confessionslos  wurden.  O, 


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VIII. 


Bericht  des  Central- Vorstandes  über  das  Vereins- 
jahr 1886. 

In  der  Versammlung  des  Cent ralvorstan des  am  13.  Mai  1887 
berichtete  der  Präsident  Dr.  Karl  Ritter  von  Otto,  dass  der  Stand 
unserer  Gesellschaft  wesentlich  dem  vorjährigen  entspreche;  es  sei 
sehr  zu  wünschen,  dass  die  Gesellschaft  um  ihres  hochwichtigen 
Zweckes  willen  eine  erfreulichere  Theilnahme  finde. 

Der  Schatzmeister  Dr.  Karl  Ritter  von  Sääf  erstattete  den 
Cassabericht  über  das  abgelaufene  Vereinsjahr  unter  gleichzeitiger 
Vorlage  der  Belege. 

I.  Einnahmen. 

A.  Saldo  vom  Jahre  1885 142 1  fl.  40  kr. 

B.  Gründerbeiträge: 

a)  Von  der  Gemeinde  Görkau-Roten- 

haus •     .  40  fl. 

b)  von  Sr.  Durchlaucht  Prinz  Wilhelm 
Schaumburg-Lippe 50  ,  90  ,  —   , 

C.  Eingegangene  Mitgliederbeiträge: 


träge  ä  5  fl.         =         60  fl. 
ä  3   ,          =         12  , 
äs,          =       17s   , 
ä  3   ,          =         36  , 
äs*          =       445   * 
ä  3   ,          =         33   » 
äs,          =         10  , 
I  Beitrag     ä  3   ,          =           3   > 
D.  An  Interessen  von  den  Einlagen  bei  der  Allge- 
meinen Depositenbank,    Buch   Nr.   21047    und 
26696      


pro  1884:    12  Bei 

4 
pro  1885:    35 

12 
pro  1886-'   89 

II 
pro  1887:      2 


774 


38 


Gesammteinnahme     .     2323  fl.  44  kr. 


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152     - 

n.  Ausgaben. 

A.  Druckkosten   der    vier  Hefte   des    , Jahrbuches* 

Jahrg.   1886 417  fl.   10  kr. 

B.  Honorare  an  die  Mitarbeiter  am  , Jahrbuch*  242  ,   —  , 

C.  Diverse: 

a)  Schreibereien  und  Aufbewahrung  des  Mobi- 
liarvermögens der  Gesellschaft  für   die  Zeit 

vom    I.  October  1885   bis    i.  October  i886  60  ,   — 

b)  Steuer  gezahlt  1886  bis  1890 5  »   25 

c)  Eincassiren  der  Mitgliederbeiträge  ....  22  ,   — 

d)  Bücheranschaffungen 17^^80 

e)  Uebersiedelung,  Porti,  Stempel  u.  s.  w.  .     .  21   ,    56 

Gesammtausgabe     .       785  fl.  71  kr. 
Stellt  man  den  Einnahmen  per     2323  fl.  44  kr. 
gegenüber  die  Ausgaben     ,         785   ,   71    , 
so  ergibt  sich  Ende  December  1886 

ein  Rest  von 1537  fl.  73  kr. 

Hievon  waren  am  31.  December  1886  bei  der  All- 
gemeinen Depositenbank  laut 

Einlagebuch  Nr.  21047 285  fl.  36  kr, 

,     26696 919  .   46  , 

und  in  Händen  des  Rechnungslegers 332  ,   91   , 

Zusammen     .     1537  fl.  73  kr. 

Dem  Schatzmeister  wurde    das  Absolutorium   ertheilt  und  für 
seine  Mühewaltung  der  gebührende  Dank  ausgesprochen. 


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Das  „Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  O esterreich",  welches  unter  der  Redaction  des  Präsidentei^ 
(Dr.  Karl  Ritter  von  Otto),  der  beiden  Vicepräsidenten  (Dr.  .-///>^.  Witz  wneLT^T.  Theodor 
Haase)  und  des  Sbcretärs  der  Gesellschaft  (Lic.  Dr.  Gustav  Trautest  berger)  in  viertel- 
jährigen Heften  erscheint,  behandelt  in  längeren  Original- Artikeln,  in  Referaten,  in 
Mittheilung  von  Urkunden,  in  Besprechungen  und  Notizen  Alles,  was  sich  auf  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  bezieht. 

Dasselbe  ist  von  den  Evangelischen  überall  mit  Freude  begrüsst  und  von 
'ler  Kritik  auf  das  Wohlwollendste  aufgenommen  worden. 

Hier  einige  Worte  aus  Recensionen': 
„Mit  dem  ersten  Doppelhefte    wird    ein    Unternehmen    eröffnet,    welches   die   leb- 
hafteste  Zustimmung    verdient Nach    dieser   Reichhaltigkeit   des  Inhalts    darf 

man  der  jungen  Zeitschrift  zu  dem  würdigen  und  verheissungsvollen  Anfang  theilneh* 
raend  Glück  wünschen  und  einen  entsprechenden  Fortgang  imter  Gottes  Segen  getrost 
in  Aussicht  stellen." 

„Auf  das  erste  Doppelheft  ist  alsbald  das  zweite  gefolgt  ....  Möge  das 
Jahrbuch  seinen  Wieg  in  der  bisherigen  Weise  fortsetzen  und  die  Leser  in  und 
ausser  Oesterrcich  femer  durch  so  lehrreiche,  gehaltvolle  Publicationen  erfreuen." 

,Wie  der  zweite  Band  entspricht  auch  der  dritte  durch  die  Reichhaltigkeit  und 
Verschiedenheit  des  Inhalts  den  gehegten  Erwartungen." 

neologisches  Utteraturblatt  (Leipzig)  j88i.  Nr.  20  u.  jj.    i88j.  Nr,  jj. 

„.  .  .  Zugleich  hat  die  Gesellschaft  in  zwei  Doppelheften  den  ersten  Jahrgang 
ihres  Jahrbuches  herausgegeben,  welches  eine  Fülle  interessanter  Nachrichten  über 
die  wechselvollen  Schicksale  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  enthält.  Wir 
wünschen  unsern  österreichischen  Brüdern  Glück  zu  diesem  schönen  Anfang  und 
hoffen,  dass  die  neue  Gesellschaft  auch  im  Deutschen  Reiche  Mitglieder  und  thätige 
Freunde  gewinnen  werde.  Wirkliche  Mitglieder  sind  jene,  welche  historische 
.Arbeiten  liefern  und  einen  Beitrag  von  3  fl.  jährlich  leisten,  unterstützende  Mit- 
glieder solche,  welche  wenigstens  56.  jährlich,  oder  als  Gründer  einen  einmaligen 
Beitrag  von  wenigstens  50  fl.  zahlen." 

Neue  Evangelische  Kirchenzeilung  (Berlin)  iSSi.  Nr.  22. 

„.  .  .  Als  erfreuliche  Frucht  der  Vereinsthätigkeit  liegen  die  beiden  ersten  Doppel- 
hefte des  Jahrbuches    der  Gesellschaft    vor,    welche    eine  Reihe    zum  Theil   höchst 

interessanter  Veröffentlichungen    enthalten Wir  wünschen  dem  so  glücklich 

begonnenen  Unternehmen,  dem  unsere  volle  Sympathie  gesichert  ist,  kräftigen  Fortgang. 
Möge  dasselbe  an  seinem  Theile  zur  Stärkung  des  evangelischen  Bewusstseins  unter 
den  Protestanten  Oesterreichs  das  Seinige  beitragen!" 

(Prof.  Dr.  Lipsius)   Theologische  Literaturseitung  (Leipzig)  1881.  Nr,  ij. 

Das  Jahrbuch  „für  unsere  evang.  Brüder  in  Oesterreich  gewiss  von  grösstem 
Werth  und  Interesse,  aber  auch  für  weitere  Kreise  sehr  zu  empfehlen"  u.  s.  w. 

Theologischer  Litter atur- Bericht  (Gütersloh)  1883.  Nr.  8. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger Redaction 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir  .  .  .  nur  wieder- 
holen. Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evan- 
gelische Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Prote- 
stafttismus  wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per- 
sönliches  und  Allgemeines"   u,  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Messner)  Nn^e  Evaiii:;elische  Kijchenzeitung  (Berlin)  iSSj.  Nr.  ^o. 

^Es  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  trefifliches 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoU  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen*^    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Horawitz)  Detitsche  Zeitungy  Wien  i88j.  Nr.  410J. 

„.  .  .  Wir  verfehlen  nicht,  die  Freunde  reformations-historischer  Forschung  auf 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen." 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  Evangelische  Kirchenzeitung  (Greifsw.)  iSSj.  Nr.  48. 

„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wissen- 
schaftliche Gesellschaft  tmserer  evangelischen  Kirche  aufs  Kräftigste  zu  unterstützen 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern." 

Evangelische  Kirch enveitwig  für  Oesterreich  (Bielitz)  1884.  Nr.  /. 

5.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben**   u.  s.  w. 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweiz  {Zürich)  l886.  H.  I.  S.  61. 

„Mit  Freude  begrüssen  wir  diese  weiteren  Jahrgänge  der  verdienstvollen  Zeit- 
schrift" u.  s.  w. 

(Prof.  S.  G.)   Theologischer  Litteraturhericht  (Gütersloh)  1887.  Nr.  4. 

Zur  Nachricht. 

Se.  Erlaucht    der    Graf  und   Herr   von    Giech    auf  Thurnau    bei    Kulmbach    in 
Bayern   hat   das   in   seinem  Besitz   befindliche    Porträt    des   berühmten   österreichischen 
Exulanten  Gallus  Freiherrn   zu  Rägknitz  (f  in  Nürnberg  1658)  dem Centralvor- 
stande  unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von  der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerischer 
Umrahmung.  Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften  : 
„Geh  nur  davon,  |{  Sey  fromm  für  mir,  ||  Gib  Armen  hier,  ||  Ich  bin  dein  Lohn.* 
Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  I.  Mos.   12: 
„Geh  aus  deinem  Vaterland,  imd  lass  deiner  Freundschaft  Band« 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm, 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild, 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron/ 
Der  Central  vorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,  '  welche    im    Archiv    unserer    Gesellschaft    (Wien,    I.    Dorotheergasse    16)   a  l   fl 
zu  haben  ist. 


Druck  voQ  Wilhelm  Köhler.  Wien,  VI.  MoUardffUM  41. 


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JAHRBUCH 


der 


Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Protestantismus 


in  Oesterreich. 


Achter  Jahrgang. 

IV.  Heft. 

October  —  December  1887. 


— ^Xg«- 


Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klinkhardt. 
1887. 


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Inhalt  von  Heft  IV. 

Seite 

9.  Josephina.  (Zum  Toleranzpatent.  —  Deisten.)    Von   G.    IVolJ 153 

10.  Die    erste   evangelische   Kirchen  Verfassung    in    Ocsterreich.     Von  OKR.  Dr. 
Gustav  Frank.  (Schluss) 175 

11.  Sechstes  Verzeichniss    der  Geschenke    für    die   Bibliothek    und    das    Archiv 

der  Gesellschaft 190 

12.  Namenregister 192 


Zur  Beachtung. 

Wir  ersuchen  unsere  Mitglieder,  in  ihren  Kreisen  für  die  Verbreitung  der 
Gesellschaft  thätig  zu  sein,  und  stellen  zu  diesem  Behufe  Exemplare  der  Statuten 
in  gewünschter  Anzahl  zur  Verfügung. 

Laut  Beschlusses  des  Central  Vorstandes  in  seiner  Sitzung  am  27.  Februar  1884 
erhalten  die  Mitarbeiter  am  „Jahrbuch",  vom  fünften  Jahrgang  (1884)  an,  nach  Erscheinen 
des  betreffenden  Jahrgangs  als  Honorar  pro  Druckbogen  sechzehn  Gulden  ö.  W. 

Den  Mitarbeitern  werden  sechs  Gratis  -  Separatabzüge  ihrer  Arbeiten  nach 
Erscheinen  des  betreffenden  Heftes  von  der  Köhler'schen  Buchdruckerei  franco  zugesendet. 
Eine  grössere  Anzahl  von  Separatabzügen  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Verständigung 
der  Herren  Verfasser  mit  der  genannten  Buchdruckerei  (Wien,  VI.  Mollardgasse  41) 
gegen  Erstattung  der  Druckkosten  gemacht  werden. 

Die  noch  rückständigen  Beiträge  bitten  wir  an  unsem  Cassier,  Herrn  Hof- 
und  Gerich ts-Advocat  Dr.  Carl  Ritter  von  Sääf  (Wien,  I.  Ballgasse  6),  ehebaldigst 
einzusenden. 

Für  das  „Jahrbuch"  bestimmte  Arbeiten,  sowie  Zuschriften  an  die  Gesellschaft 
sind  ,An  das  Bureau  der  Gesellschaft,  Wien,  I.  Dorotheergasse  x6'   zu  richten. 

Der   Centralvorstand 

der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Protestantismus 
in  Oesterreich. 


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IX. 

Josephina. 

(Zum  Toleranzpatente.  —  Deisten.) 

Von  G.  WOLF. 

Wie  man  auch  heute  über  die  Toleranzpatente  Josef  II.  denken 
mag,  und  Jeder,  der  einen  Rechtsstaat  verlangt,  kann  doch  un- 
möglich wünschen,  dass  Jemand  wegen  seines  Glaubensbekenntnisses 
irgendwie  zurückgesetzt  oder  gar  beschwert  und  bedrückt  werde; 
zur  Zeit,  als  Josef  II.  sie  ertheilte,  waren  sie  eine  That,  die  ruhm- 
reich genannt  zu  werden  verdient.  Wie  sich  auch  die  Verhältnisse 
seit  jener  Zeit  verändert  haben,  Protestanten  und  Juden  bewahren 
dem  , Schätzer  der,Menschheit*  ein  dankbares  Andenken  und  werden 
es  ihm  wohl  auch  für  alle  Zeit  bewahren. 

Eigenthümlich  genug  jedoch  ist  Folgendes:  das  Toleranzpatent 
für  die  Juden  trat  geräuschlos  in's  Leben.  Nach  aussen  hin,  bei  der 
Bevölkerung,  in  deren  Mitte  sie  lebten,  ging  es,  soweit  uns  bekannt 
ist  und  Quellen  dafür  vorhanden  sind,  spurlos  vorüber.  Da  und  dort 
hatte  sich  unter  den  Juden  selbst  gegen  die  eine  oder  die  andere 
Massnahme  Opposition  erhoben,  die  jedoch  bald  zum  Schweigen  ge- 
bracht wurde.  So  baten  die  Rabbiner  von  Brody  etc.  die  Rabbinats- 
gerichte,  welche  in  Civilstreitigkeiten  zwischen  Juden  und  Juden  als 
erste  Instanz,  wenn  sie  angerufen  wurden,  entscheiden  konnten,  die 
sich  jedoch  damals  bereits  überlebt  hatten  und  nur  noch  da  und 
dort  functionirten,  die  der  Kaiser  1783  aufhob,  wieder  einzuführen. 
Im  Ganzen  und  Grossen  jedoch  ging  die  Angelegenheit  ohne  alle 
Störung  vor  sich.  Anders  war  dies  in  Betreff  des  Toleranzpatentes 
für  die  Protestanten.  Da  wurden  die  Massen  aufgewühlt,  da  kam  es 
gar  oft  zu  argen  Störungen  u.  s.  w.  Die  Ursachen  dieser  Erscheinung 
sind  leicht  zu  finden.  Die  Juden  lebten  so  ziemlich  abseits  von  dem 
Strome  des  Lebens.    Mit  Ausnahme  etwa   in  Wien,   wo  der  sociale 

Jahrbuch  des  Prottsiantismus  1887.  H,  IV.  |2 


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154 

Verkehr  zwischen  Juden  und  Christen  ein  freundlicher  und  freund- 
schaftlicher schon  zu  den  Zeiten  Maria  Theresia's  war,  so  dass  Car- 
dinal Migazzi,  der  Erzbischof  von  Wien,  Anträge  stellte,  diesen  Verkehr 
zu  unterbinden  (vergl.  unsere  Geschichte  der  Juden  in  Wien  S.  jG\, 
worauf  jedoch  die  Hofkanzlei  nicht  eingehen  wollte,  lebten  die  Juden 
getrennt  und  geschieden  von  der  Gesellschaft.  Die  ausdrückliche 
Gewährung,  sowohl  die  niederen  wie  die  höheren  Schulen  zu  be- 
suchen, welche  bis  dahin  übrigens  nicht  verboten  war,  sowie  die 
Gestattung,  Handwerke  betreiben  zu  dürfen,  konnten  um  so  gleich- 
giltiger  lassen,  da  die  Juden  nicht  sofort  die  Lehrsäle  füllten.  Sie 
hatten  im  Gegentheile  anfänglich  Vorurtheile  gegen  das  allgemeine 
Studium,  da  befürchtet  wurde,  dass  die  Jugend  dadurch  vom  Glauben 
der  Väter  abwendig  gemacht  werden  könnte,  und  ebensowenig 
widmeten  sie  sich  sofort  dem  Handwerke.  Und  selbst  wenn  dieses 
der  Fall  gewesen  wäre,  so  hätte  dieses  auch  weiter  keine  Folgen 
gehabt,  da  sich  die  Concurrenz  nicht  sofort  hätte  geltend  machen 
können,  da  es  doch  immer  einiger  Jahre  bedurfte,  bis  Juden  Aerzte 
oder  Advocaten  oder  als  Meister  sich  hätten  etabliren  können.  Und 
täuschen  wir  uns  nicht,  hier  ist  das  punctum  saliens,  die  Furcht  vor  der 
Concurrenz  oder  die  Beseitigung  der  Concurrenz,  diese  hat  die  , Schmach 
des  19.  Jahrhunderts*,  den  Antisemitismus,  wie  ihn  der  Kronprinz 
des  Deutschen  Reiches  bezeichnete,   erzeugt  und  sie  erhält  ihn  *). 

Durch  das  Toleranzpatent,  welches  Kaiser  Josef  den  Juden  ver- 
lieh, wurde  daher  das  Verhältniss  zwischen  Christen  und  Juden  wenig 
oder  nicht  geändert  und  es  war  mehr  eine  interne  Angelegenheit 
der  Juden.  Anders  lagen  die  Verhältnisse  bei  den  Protestanten. 
Schon  das  Moment,  dass  Viele,  die  bis  dahin  nur  heimlich  Prote- 
stanten waren,  diesen  Glauben  nun  auch  öffentlich  bekennen  durften, 
dass  es  ihnen  gestattet  wurde,  wenn  hundert  Familien  in  einem  Orte 
oder  Bezirke  waren,  eine  Gemeinde  zu  bilden,  eine  Kirche  zu  haben 
und    einen   Geistlichen    zu    bestellen,    veränderte   von  Grund  auf  die 


*)  Als  Beweis  dessen  mag  dienen :  Der  Gesammtstatus  der  Advocatenkammer  zu 
Linz  zählte  1886  84  Mitglieder  und  die  Grazer  Kammer  145  Mitglieder.  In  Ober- 
österreich gibt  es  Summa  Summarum  2  und  in  Steiermark  3  jüdische  Concipienten, 
und  nichtsdestoweniger  haben  sich  Advocaturs-Candidaten  in  Oberösterreich  an  die 
Linzer  und  Advocaturs-Candidaten  in  Steiermark  an  die  Grazer  Advocatenkammer  ge- 
wendet und  gebeten  „um  Wahrung  des  Ansehens  des  Standes",  damit  er  nicht  „ver 
judet"  werde. 


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Dinge.  Die  gewährte  Freiheit  nach  langem  schweren  Drucke  be- 
wirkte auch  ein  Uebergreifen  von  Seite  der  Protestanten  und  gaben 
sich  manche  Hoffnungen  hin,  die  keine  Berechtigung  hatten.  So 
glaubte  man,  der  Kaiser  wolle  den  Protestantismus  auf  Kosten 
des  Katholicismus  bevorzugen,  etc.  Andererseits  wieder  erlitten  die 
katholischen  Geistlichen  materielle  Einbusse,  indem  sie  von  den 
Protestanten  nicht  mehr  gewisse  Gaben  empfingen  etc.  Selbstver- 
ständlich konnte  dieses  Moment  nicht  dazu  beitragen,  das  Toleranz- 
patent freundlicher  anzusehen.  Dass  der  katholische  Clerus  nicht 
sofort  die  Macht  und  Gewalt,  die  ihm  bis  dahin  über  die  Protestanten 
eingeräumt  war,  aufgeben  wollte,  wird  man  ebenfalls  begreiflich 
finden.  Es  war  also  Zündstoff  genug  vorhanden,  der  von  Zeit  zu 
Zelt  sich  Luft  machte. 

Wir  wollen  Einiges  zur  Illustration  der  angeführten  Momente 
hier  mittheilen. 

Am  27.  November  1781  berichtete  die  böhmisch-österreichische 
Hofkanzlei  in  einem  allerunterthänigsten  Vortrage,  der  Bischof  von 
Basel,  der  Sprengel  im  österreichischen  Gebiete  habe,  verbiete  nach 
wie  vor  den  Gläubigen  die  Bibel  zu  lesen  und  wolle  die  Büchercensur 
üben,  was  umsoweniger  zugelassen  werden  dürfe,  da  sonst  die  nütz- 
lichsten Bücher  verboten  werden  könnten,  wie  dies  der  römische 
Index  beweise,  wo  z.  B.  das  fürtreffliche  Werk  des  Grotü:  De  jure 
belli  et  pacis  in  der  schwarzen  Tafel  steht.  Sollte  sich  der  Bischof 
widersetzen,  so  wären  ihm  die  TempDralien  zu  sperren.  Der  Kaiser 
genehmigte  diesen  Vortrag. 

Am  22.  December  1781  richtete  der  Kaiser  folgendes  Hand- 
schreiben an  den  obersten  Kanzler,  Grafen  IJlümegen: 

,Ich  habe  von  sicherer  Hand  vernommen,  dass  ein  gewisser 
Advocat  Nagel  aus  Böhmen  sich  hier  befinden  solle,  welcher  öffent- 
lich erzählt,  dass  in  Böhmen  in  einem  Ort  ein  Aufstand  gewesen 
sein  solle,  Religions  wegen,  bei  welchem  Geistliche  und  Beamte 
misshandelt  worden.  Da  Mir  nun  von  diesem  nichts  bekannt  ist; 
so  werden  Sie  ihn  vorrufen  lassen  und  erforschen,  wo  die  Sache 
geschehen  und  wie  sie  sich  befinde?  und  sollte  er  es  nicht  be- 
weisen können,  so  werden  Sie  von  ihm  fordern,  dass  er  sage,  wer 
es  ihm  erzählt  hat,  damit  Ich  nachhero  gegen  Diejenigen,  welche 
solche  Fabeln  zur  Welt  bringen,  die  gehörige  Ahndung  zu  ver- 
anlassen im  Stande  gesetzt  werde.* 

12* 


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15^_ 

Hierauf  berichtete  Graf  Blümegen  am  folgenden  Tage,  am  23.  De- 
cember,  der  Advocat  Nagel  sei  bereits  abgereist.  Er,  Blümegen,  Hess 
jedoch  die  beiden  Hofräthe  v.  Heincke  und  Margelik,  die  das  geist- 
liche Referat  haben,  zu  sich  kommen  und  diese  überbrachten  zwei 
kürzlich  eingelangte  Berichte  des  böhmischen  Guberniums.  In  den- 
selben heisst  es,  dass  im  Chrudimer  Kreise  die  Akatholiken  nicht 
nur  verschiedene  ärgerliche  Reden  gehalten,  sondern  auch  durch 
Verstümmelung  einer  Statue  des  heiligen  Johannes  sich  sträflich  ge- 
macht. Ein  gewisser  Hlawka  sagte,  es  werde  eine  Commission  kommen 
und  dort,  wo  ein  Katholischer  wohnt,  werde  ein  schwarzes  K  auf- 
geschrieben und  wenn  darauf  die  zweite  Commission  erfolgen  wird, 
so  werden  da,  wo  ein  schwarzes  K  stehet,  alle  Katholiken  ent- 
hauptet werden. 

Es  sei  daher  höchst  nothwendig,  fügte  Blümegen  hinzu,  diesen 
Ruhestörungen  vorzubeugen,  und  werde  ein  Hauptgutachten  folgen 
Der  Kaiser  bemerkte  zu  diesem  Berichte: 

, Nicht  änderst  als  höchst  befremdlich  habe  Ich  aus  dieser 
Ihrer  Note  die  schreckbare  Verfassung,  in  der  sich  die  Ihnen  unter- 
gebene böhmische  und  österr.  Hofkanzlei  befindet,  ersehen.  Den 
15.  December  ist  ein  Bericht  hier  angekommen,  den  18.  der  andere 
und  den  23.,  nämlich  heute,  wussten  Sie  und  Ich  kein  Wort  davon, 
auch  würde  Ich  es  vielleicht  noch  lange  nicht  erfahren  haben, 
wenn  die  allgemeinen  Reden  in  den  Caffeehäusern  Mir  endlich 
diese  Nachrichten  nicht  hätten  zukommen  machen.  Es  scheint, 
daß  man  die  Sache  geflissentlich  will  in  eine  Verwirrung  bringen*), 
um  sodann  seinen  Gesinnungen  nachkommen  zu  können. 

Sie  werden  Mir  also  für  jetzo  das  Nötige  heraufgeben  und  fiir 
das  Künftige  eine  solche  Einleitung  treffen,  daß  Sie  von  allen  ein- 
kommenden Berichten  täglich  die  Nachricht  und  Ich  sodann  gleich 
die  Anzeige  erhalte.  Ueberhaupt  aber  darob  sein,  daß  in  solchen 
Angelegenheiten  sich  nicht  an  den  ordinären  Schlendrian  gehalten, 
sondern  auf  die  Erheblichkeit  der  Sache  gesehen  und  Mir  sodann 
unverzüglich  und  zwar  zu  allen  Stunden  die  Meldung  davon  ge- 
macht werde.* 


*)  Wie  bekannt,  war  die  Hofkanzlei  gegen  die  Erlassung  des  Toleranzpatentes 
(vergl.  unsere:  Die  Verhältnisse  der  Protestanten  etc.  in  Raumer-Riehl's  historischem 
Taschenbuch,  5.  Folge,  8.  Jahrg.,  S.    160). 


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_157  _ 

Noch  am  23.  December  erstattete  Blümegen  Bericht.  Er  befür- 
wortete, in  einem  Patente  kund  zu  machen,  wie  sehr  es  der  Kaiser 
missfällig  aufgenommen  habe,  dass  man  seine  Gesinnungen  miss- 
deutet und  sogar  gegen  die  herrschende  katholische  Religion  in 
Lästerungen  ausbricht.  Derartige  Schuldtragende  sollen  hart  bestraft 
werden.  Da  die  Protestantischen  ihre  Glaubensgenossen  aufsuchen, 
weil  sie  streben,  lOO  Familien  zusammen  zu  sein,  damit  sie  ein  Bet- 
haus errichten  können,  so  wäre  es  angemessen,  Hausväter  und  Mütter 
zu  fragen,  zu  welcher  Religion  sie  sich  bekennen  wollen,  und  soll 
gestattet  werden,  diese  Erklärung  bis  zum  i.  März  1782  abzugeben. 
Nach  diesem  Termine  aber  soll  der  Uebertritt  zur  protestantischen 
Religion  verboten  sein  und  derartige  Proselyten  mit  Einziehung  des 
Vermögens,  wie  dies  in  Ungarn  etc.  der  Fall  ist,  bestraft  werden. 
Schliesslich  soll  auch  die  Einschleppung  protestantischer  Bücher  ver- 
boten und  die  für  Protestanten  nöthigen  Bücher  im  Inlande  gedruckt 
werden,  wobei  auch  das  Geld  im  Inlande  bliebe. 

Der  Kaiser  jedoch  sprach  sich  gegen  die  Publicirung  eines 
Patentes  aus,  da  die  Unruhen  nur  an  einigen  wenigen  Orten  vor- 
kamen. Man  könnte  dadurch  nur  zu  etwaigen  schädlichen  Folgen 
Anlass  geben.  Um  die  Unruhen  in  möglichster  Stille  zu  dämpfen, 
müssen  die  Behörden  genau  instruirt  werden,  was  sie  zu  thun  und 
dem  Volke  zu  befehlen  haben,  nämlich: 

1.  Sobald  Unruhen  ausbrechen,  müssen  die  Akatholiken  darauf 
aufmerksam  gemacht  werden,  dass  sie  sich  genau  nach  dem  Tole- 
ranzpatente zu  verhalten  haben.  Sie  dürfen  .sich  daher  weder  in  dem 
einen  und  noch  weniger  in  einem  anderen  Orte  aufsuchen.  Wer  sich 
zu  einer  anderen  als  zur  katholischen  Religion  bekennen  will,  hat 
dieses  beim  Magistrate  oder  dem  Kreisamte,  jedoch  ohne  Beiziehung 
des  Pfarrers,  schriftlich  zu  melden.  Das  Kreisamt  hat  dem  Gubernium 
darüber  Bericht  zu  erstatten  und,  wenn  die  nöthige  Anzahl  von 
Familien  vorhanden  ist,  so  kann  denselben  ein  Bethaus  und  ein 
Geistlicher  ihrer  ReHgion  gestattet  werden. 

2.  So  wie  den  Akatholischen  ihr  Gewissen  und  Glaube  freige- 
stellt wird,  so  dürfen  sie  auch  nicht  ihre  katholischen  Mitbürger, 
Kheweiber  oder  Männer,  Kinder  oder  Gesind  zu  ihrer  Religion  durch 
Drohungen  oder  Verachtung  zwingen  oder  anhalten. 

3.  Noch  weniger  dürfen  sie  Schmähungen  oder  Thätlichkeiten 
ausüben  und  den  Gottesdienst  einer  andern  Religion  schmähen  oder 


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158 

sich  gar  an  Kirchenbildern,  Statuen  etc.  vergreifen,  da  sie  sonst 
nicht  wegen  des  Glaubens,  sondern  als  Störer  der  öffentlichen  Ruhe 
und  weil  sie  selbst  auf  die  ungerechteste  Art  Gewissenszwang  aus- 
üben wollen,  schärfstens  bestraft  werden. 

4,  Sollen  sie  sich  in  Wirthshäusern  etc.  von  allen  Religions- 
gesprächen, ,  insbesondere  aber  von  Schmähungen  enthalten,  da  sie 
sonst  unnachsichtlich  gestraft  werden. 

5.  So  wie  hingegen  die  katholischen  Unterthanen  ihren  irrenden 
Brüdern  alle  Liebe  und  Gewogenheit  bezeigen  mögen,  sollen  sie  sich 
ebenfalls  von  allen  Streitigkeiten  über  den  Glauben,  folglich  auch 
umsomehr  von  Schmähungen  und  Thätlichkeiten  unter  eben  solcher 
Bestrafung  enthalten. 

Diese  Anordnung  haben  sich  die  Gubernia  etc.  wohl  vor  Augen 
zu  halten  und  sie  bei  jeder  sich  ergebenden  Gelegenheit  den  Unter- 
thanen als  einen  höchsten  landesfürstlichen  Befehl,  jedoch  ohne  allen 
Zusatz  oder  Hinweglassung  kund  zu  machen  und  die  Dorfrichter 
und  Wirthshausinhaber  darnach  zu  instruiren.  Sie  müssen  aber  dabei 

1.  keinen  Hass  oder  Abneigung  gegen  jene  Unterthanen  zeigen, 
die  sich  sonst  ruhig  verhalten  und  sich  allein  zu  einer  anderen  Reli- 
gion bekennen;  noch  weniger  aber  in  Strafen  wegen  sonstiger  Ver- 
gehen hierwegen  einen  Unterschied  machen,  vielmehr  ihnen  mit 
Sanftmuth  und  Liebe  begegnen. 

2.  Wenn  die  akatholischen  Unterthanen  zusammenkommen,  um 
ihre  Gebete  zu  verrichten  oder  zu  lesen,  und  wxnn  sie  sich  sonst 
ruhig  verhalten,  soll  man  sie  gar  nicht  stören,  und  dies  noch  weniger, 
wenn  solches  zu  der  Stunde,  wenn  die  Katholiken  ihren  Gottes- 
dienst haben,  geschieht. 

3.  Wenn  wegen  Thätlichkeiten,  Schmähungen  etc.  eine  Strafe 
verhängt  wird,  ist  den  Verurtheilten  allemal  deutlich  und  klar  zu 
sagen,  warum  es  geschehe  und  dass  es  keineswegs  ihres  Glaubens 
wegen  sei ;  dabei  ist  auch  genau  zu  beobachten ,  dass ,  wenn 
zugleich  Katholische  den  Anlass  gegeben  haben  oder  in  derlei  un- 
ruhigen Betragen  verflochten  sind,  sie  ebenfalls  unnachsichtlich 
bestraft  werden  sollen. 

Die  Geistlichkeit  hat  sich  von  allen  Controversien  und  Schmä- 
hungen auf  der  Kanzel,  bei  der  Christenlehre  und  im  Umgang  zu 
enthalten,  nur  die  Lehre  Jesu  Christi  und  der  katholischen  Kirche 
auszulegen,    ihre  Gründlichkeit    und  Nutzbarkeit    ohne  Stichelei    auf 


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159 

Glaubensgegner  darzuthun,  die  Religion,  die  Sittenlehre  mehr  den 
Menschen  einzuprägen  und  anzuempfehlen  als  Gelehrsamkeit  und 
theologische  Zwistigkeit  dem  sie  nicht  begreifenkönnenden  Volke 
auszukramen,  als  im  widrigen  sie  der  gehörigen  Ahndung  nicht 
entgehen  würden,  welches  ihr  durch  die  Ordinarios  und  Landesstellen 
zu  bedeuten  ist. 

Von  der  Bestimmung  eines  termini  praeclusivi  zur  Erklärung  der 
Unterthanen,  zu  was  fiir  einer  Religion  sie  sich  bekennen  wollen,  hat 
es  gänzlich  abzukommen.  Da  man  nur  diejenigen,  welche  im  Herzen 
allezeit  und  in  der  That  protestantisch  waren,  zu  Hintanhaltung 
der  so  schändlichen  Heuchelei  sich  zu  erklären  gestattet,  nicht 
aber  an  das  ganze  Landvolk  und  sozusagen  an  Jedermann  die 
Frage  zu  machen  scheine,  ob  er  katholisch  oder  protestantisch 
sein  "wolle,  welcher  durch  einen  terminum  praeclusivum  entstünde. 
Wegen  der  Bücher  ist  sich  an  die  neuen  vorgeschriebenen  Censurs- 
regeln  und  Vorschriften,  so  viel  deren  Einschleppung  betrifft,  in- 
zwischen genau  zu  halten. 

So  viel  den  gegenwärtigen  Fall  insbesondere  betrifft,  da  sind  die 
hier  genannten  Rädelsführer,  die  sich  mit  Reden  oder  Thätlichkeiten 
vergangen  haben,  zuerst  libero  pede  zu  constituiren  und  wenn  sie 
ordentlich  überwiesen  sind,  erst  im  Arrest  zu  behalten,  auch  die 
gesammten  Acten  hieher  zur  weitern,  fiir's  Künftige  zur  Richt- 
schnur dienenden  Schlussfassung  zu  schicken. 

Es  soll  getrachtet  werden,  dass  es  den  Gemeinden,  die  sich 
für  den  Akatholicismus  erklären,  an  tüchtigen  bescheidenen  und 
rechtschaffenen  Geistlichen  nicht  gebreche  und  dass  durch  dieselben 
der  Sinn  für  die  christliche  Toleranz  mit  der  gehörigen  Bescheiden- 
heit ebenfalls  erklärt  und  wohl  eingeprägt  werden  soll. 

Uebrigens  hat  man  in  diesem  Falle  ersehen,  dass  die  Verfassung 
der  böhmisch-österreichischen  Hofkanzlei  wirklich  vitios  ist,  und  wird 
also  die  Einleitung  zu  treffen  sein,  dass  alltäglich  vom  Protocollo 
exhibitorum  alles  was  nur  eingekommen,  dem  Oberist  Kanzler  der 
kurze  Elenchus  überreicht  werde,  damit  dieser  täglich  alles  einsieht, 
was  bei  der  Stelle  einkommt,  um  das  wichtigere  von  dem  weniger 
wichtigeren  zu  unterscheiden,  welches  ihm  allein  das  Mittel  ver- 
schafft, seine  Stelle  gehörig  leiten  zu  können. 

Ein  ähnliches  Handschreiben  in  Betreff  Ungarns  fanden  wir  in 
Abschrift    im    Resolutionsbuche    im  Archive    des  Ministeriums    des 


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160 

Innern.  Es  ist  datirt  22.  Juli  1782;  es  ist  aber  nicht  angegeben. 
an  wen  es  gerichtet  war;  wir  glauben  es  jedoch  hier  folgen  zu  lassen. 
,Es  ist  Mir  von  Seite  der  ungarischen  Kanzlei  die  Anzeige  ge- 
schehen, dass  in  dem  Trentschiner  Comitat  mehrere  Katholiken  von 
dem  Glauben  abfallen  und  hierzu  durch  den  Wsetiner  Pastor  in 
Mähren  vornehmlich  verleitet  werden,  da  dieser  theils  selbst,  theils 
durch  die  von  ihm  verwendeten  Emissärs  sich  verschiedener  An- 
lockungen, sonderheitlich  aber  der  Verheissungen  bedienen,  dass 
bis  auf  das  Johannisfest  jedem  die  willkürliche  Auswahl  der  Religions- 
übung freistehe,  sodann  aber  jeder  bei  der  gewählten  Religion  ver- 
bleiben müsse  und  den  zur  katholischen  Religion  sich  bekennenden 
dieses  durch  ein  Brandmal  auf  der  Stirne  aufgedrückt  werden  würde. 
Nicht  minder  sollte  ein  mährischer  Unterthan  von  Szemisch  Namens 
Georg  Szevecsek,  sich  in  Gesellschaft  eines  ungarischen  Bauers. 
Namens  Heide  von  Silz,  aus  dem  gedachten  Trentschiner  Comitate 
erkühnt  haben,  der  sehr  bedenklichen  Ausdrücke  sich  öffentlich  zu 
gebrauchen,  dass,  wenn  sich  die  Akatholiken  bei  den  ihnen  zuge- 
standenen Freiheiten  ferners  zu  schützen  unterlassen,  selbe  in  einen 
förmlichen  Aufruhr  ausbrechen  würden,  dann  soll  3.  der  Andreas 
Sepaczek  in  Ungarn  mit  Berufung  auf  den  Szevecsek  aussagen,  dass 
ein  Decret  zum  Vortheil  der  Akatholiken  dahin  ergangen  sei. 
dass  nach  dem  Johanni.sfeste  alle  sich  zur  akatholischen  Religion  be- 
kennenden von  Steuern  und  Gaben  befreit  werden  würden  und  dass 
für  die  Auswirkung  dieses  Decretes  eine  Barschaft  von  fl.  8000  hätte 
verwendet  werden  müssen.  Da  nun  derlei  auf  die  Störung  der  all- 
gemeinen Ruhe  abzielende  Ausstreuungen  nicht  mit  gleich  giltigen 
Augen  angesehen  werden  können  und  es  allerdings  nothwendig  ist, 
derlei  Frevler,  wenn  sie  dieses  Verbrechens  geständig  oder  über- 
wiesen sind,  mit  einer  erspiegelnden  Strafe  zu  belegen,  so  werden 
Sie  einverständlich  mit  der  ungarischen  Kanzlei  die  Veranstaltung: 
treffen,  dass  die  oben  beschuldigten  beiden  Individuen  über  die  ihnen 
zur  Last  gelegten  Imputata  durch  ihre  Behörde  ordentlich,  jedoch 
libero  pede  constituirt  selbe  mit  den  gegen  sie  aufgeführten  Zeugen 
rechtsbehörig  confrontirt  und  nur  in  jenem  Fall,  wenn  wirklich  sehr 
gravirende  Umstände  gegen  sie  vorkämen,  mit  Arrest  belegt,  der 
eigentliche  Befund  aber  und  mit  was  für  einer  Strafe  sie  allenfalls, 
wenn  .sie  wirklich  schuldig  befunden  worden,  anzusehen  wären,  an- 
hero  angezeigt  werde. 


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161 

Die  ungarische  Kanzlei  hat  in  Rücksicht  der  in  Ungarn  sich 
auihaltenden  Bein  zieht  igten  von  Mir  unter  Einem  einen  gleichen 
Auftrag  erhalten  und  werden  Sie  sodann,  wenn  das  aufgenommene 
Constitutum  aus  Mähren  angelangt  sein  wird,  solches  gedachter  un- 
garischer Kanzlei  mittheilen  und  einverständlich  mit  derselben  Mir 
das  gemeinschaftliche  Gutachten  vorlegen.* 

Am  13.  Jänner  1782  erschien  hierauf  die  Verordnung,  dass  das 
Crimen  apostasiae  und  die  damit  verbundene  actio  fiscalis  nicht  mehr 
stattfinden,  wohl  aber  kann  versucht  werden,  einen  von  der  katholi- 
schen Religion  abgefallenen  in  einem  geistlichen  Ort  oder  Haus 
durch  eine  Zeit  von  4  oder  6  Wochen  mittelst  eines  gelinden  sanft- 
müthigen  der  Religion  angemessenen  Unterrichtes  von  seinen  Irr- 
thümern  zurückzubringen  und  hat  daher  gegen  einen  solchen  Un- 
glücklichen die  Anwendung  aller  Zwangsmittel  von  Stockstreichen, 
Arrest,  öffentlicher  Arbeit  und  anderen  Strafen  gänzlich  zu  unter- 
bleiben. Die  Verführer  jedoch  sollen  bestraft  werden. 

Am  20.  April  1782  resolvirte  jedoch  der  Kaiser  auf  Grund 
eines  Vortrages  der  Hofkanzlei:  ,Der  Landeshauptmannschaft  (in 
Kärnten  *)  ist  eingeratener  Maßen  zu  bedeuten,  dass  es  dermalen 
einem  jeden  freistehe,  sich  entweder  zu  der  dominanten  oder  einer 
der  tolerirten  Religionen  zu  bekennen,  mithin  derzeit  das  Crimen 
apostasiae  nicht  platzgreife.*  Hier  ist  von  weiteren  Mitteln,  den  Ab- 
gefallenen zurückzuführen,  nicht  mehr  die  Rede. 

Es  bedurfte  jedoch  wiederholter  Ermahnungen,  keine  falschen 
Gerüchte  über  die  Absichten  des  Kaisers  in  Betreff  des  Protestanten- 
patentes zu  verbreiten.  So  erschien  am  26.  April  1782  ein  Circular, 
in  welchem  die  ausgestreuten  Gerüchte,  als  wollte  der  Kaiser  den 
Abfall  vom  Katholicismus  befördern  und  den  Renegaten  Vortheile 
gewähren,  dass  es  überhaupt  nicht  erforderlich  sei,  sich  zu  einer 
tolerirten  Religion  zu  bekennen  u.  s.  w.,  als  unwahr  erklärt  wurden. 
Der  Kaiser,    heisst    es    in    diesem  Circulare  weiter,    wolle   die  Auf- 

*)  In  Ober-  und  Mittelkärnten  erklärten  sich  1782  {Vortrngj  der  Hofkanzlei  vom 
19.  Juli)  8149,  im  Landgericht  Paternion  und  im  Burgfrieden  Kellerberg  129O  Per- 
sonen als  Akatholiken.  Der  Kaiser  bemerkte  zu  diesem  Vortrage:  „Die  Unterthanen 
sind  zur  Haltung  eines  Pastors  und  Errichtung  eines  Bethauses  nicht  zu  zwingen, 
sondern  ihnen  frei  zu  lassen  und  wenn  sie  es  verlangen  und  thun  wollen,  ihnen  nichts 
von  wem  es  immer  sei,  in  den  Weg  zu  legen,  sondern  allen  Beistand  zu  leisten."  — 
Im  Hausruck  viertel  erklärten  sich  Nov.  17S4  24.14  Personen  ohne  Kinder  für  die 
evangelische  Religion  und  legten  sie  die  diesbezügliche  Prüfung  ab. 


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162 

rechthaltung  der  katholischen  Reh'gion,  doch  solle  kein  Zwang  an- 
gewendet und  nur  durch  nützliche  Aufklärung  und  gutes  Beispiel 
gewirkt  werden. 

Wie  sehr  es  übrigens  dem  Kaiser  darum  zu  thun  war,  die 
katholische  Religion  zu  fördern  und  ihr  durch  die  den  Protestan- 
ten gewährte  Toleranz  keinen  Schaden  zuzufügen,  geht  auch  aus 
Folgendem  hervor :  Propst  Schulstein  *)  war  Dechant  in  der  Kirche 
bei  allen  Heiligen  in  Prag  (diese  Stelle  trug  jährlich  beiläufig 
1900  fl.  und  bezog  er  überdies  fiir  seine  Thätigkeit  im  Damenstifte 
jährlich  400  fl.) ;  zudem  aber  war  er  Propst  am  Welehrad  und  be- 
zog als  solcher  jährlich  2700  fl.  Als  der  Kaiser  hiervon  in  einem 
Vortrage  vom  14.  Februar  1782  verständigt  wurde,  rescribirte  er: 
j^Bei  diesen  Umständen  hat  Schulstein  von  diesen  zwei  Beneficiis,  da 
ich  deren  Anhäufung  als  unschicksam  ansehe,  eines  zu  wählen  und 
will  ich  das  andere  einstweilen  vacant  lassen,  um  denjenigen  Geist- 
lichen damit  zu  begnadigen,  der  sich  anjetzt  bei  der  publicirten 
Toleranz  am  vernünftigsten  benehmen  und  am  mehrsten  irrige 
Seelen  zum  wahren  Glauben  führen  und  in  selbem  die  Wankenden 
stärken  und  bestens  belehren  wird.  Dieses  wird  also  in  Böhmen  und 
Mähren  kund  zu  machen  sein,  damit  sich  jeder  nebst  seiner  Schul- 
digkeit auch  darum  beeifere.* 

Am  16.  März  legte  hierauf  die  Hofkanzlei  den  Entwurf  dieser 
Publication  dem  Kaiser  vor,  welcher  folgenden  Passus  einschaltete: 
, Durch  apostolische  Mittel,  Sanftmuth  und  Belehrung  die  meisten 
Irrigen  auf  den  rechten  Weg  zurückleiten  wird.* 

Als  Beispiel  für  masslose  Uebergrifl"e  von  Seite  einzelner  Pro- 
testanten führen  wir  Folgendes  an  (Vortrag  vom,   ii.  Jänner  1782): 

Am  20.  Nov.  1781  hat  Franz  Mauczka,  Bradschitzer  Richter, 
nicht  nur  in  seiner  eigenen,  sondern  auch  in  der  Wohnung  des 
Josef  Kohaut  alle  Bilder  sammt  dem  vor  dem  Hause  des  Kohaut 
gehangenen  Crucifixe  herabgerissen,  zerschlagen  und  in  den  Ofen 
geworfen.  Hierüber  zur  Verantwortung  gezogen,  redete  er  sich  da- 
hin aus,  er  sei  betrunken  gewesen.  Man  übergab  ihn  jedoch  dem 
Halsgerichte. 


1)  Es  ist  dies  der  bekannte  Schulfreund    und    Pädagog    Kindermann    Ritter    von 
Schulstein,  der  als  Pfarrer  zu  Kaplitz  daselbst  eine  Schule  begründete.    1790  wurde  er 

Bischof  zu  Königgrätz. 


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163 

Zu  diesem  Berichte  vom   ii.  Jänner  1782  bemerkte  der  Kaiser: 

3>Es  ist  wiederum  gefehlt  worden,  dass  man  die  Sache  zu  einer 
Criminaluntersuchung  gewendet  hat  und  Aufsehen  und  Weitwen- 
digkeit  dadurch  erregt,  derweil  als  durch  die  eigene  Aussage  dieses 
Menschen  und  die  Beschuldigung  der  Trunkenheit  das  Wirthschafts- 
oder  Kreisamt  ihn  nur  mit  einer  Polizeistrafe  belegen  und  der 
ganzen  Sache  ein  Ende  hätte  machen  sollen.  Die  Kanzlei  wird  also 
das  Gubernium  und  durch  selbes  die  Kreisämter  und  Beamten  in- 
struiren  und  meine  schon  öfters  geäusserten  Gesinnungen  denselben 
erklären,  da  ich  fest  entschlossen  bin,  gegen  die  Dawiderhandelnden 
in  dieser  wichtigen  Angelegenheit  mit  grosster  Strenge  zu  Werke 
zu  gehen,  weil  es  viel  zu  wichtig  ist,  als  dass  das  Mindeste  ver- 
säumt oder  Gelegenheit  zu  falschen  Begriffen  dem  Unterthan  ge- 
geben werden.* 

Am  6.  Februar  wurde  hierauf  der  Instructionsaufsatz  an  die 
Kreisämter  in  Böhmen  dem  Kaiser  vorgelegt,  zu  welchem  er  be- 
merkte: 

,Nur  muss  der  Artikel  wegen  der  Proselitenmacher  nicht  unter 
dieser  Benamsung,  sondern  als  Störer  der  Ruhe  scharf  gegen  sie 
zu  verfahren  der  Auftrag  verbleiben.* 

Nicht  übergehen  wollen  wir  folgendes  Moment :  Katholiken,  die 
zum  Protestantismus  übertreten  wollten,  mussten  einen  sechswöchent- 
lichen Religionsunterricht  erhalten.  Wenn  der  Neophit  während 
dieses  Zeitraumes  sich  in  articulo  mortis  befand,  so  durfte  er  keinen 
Pastor  bei  sich  sehen  und  wenn  er  starb,  nicht  als  Akatholik  be- 
graben werden  (Verordnung  vom  3.  Juli   1783). 

Hingegen  durfte  man  es  stillschweigend  geschehen  lassen  (resol- 
virter  Vortrag  vom  25.  September  1783),  wenn  Katholiken  zu  dem 
Baue  protestantischer  Kirchen  beitrugen  (die  Hofkanzlei  hatte  ange- 
tragen, ein  derartiges  Vorgehen  ausdrücklich  zu  verbieten). 

Am  13.  Mai  1782  erschien  die  Hofverordnung,  dass  Akatholiken 
von  allen  Beiträgen  für  die  Katholischen  befreit  sind.  In  einem  Vor- 
trage der  Hofkanzlei  vom  9.  December  1783  heisst  es  jedoch:  »So 
schwer  es  auch  ist,  dass  die  Akatholiken  verhalten  werden  sollen, 
ihren  ehemaligen  katholischen  Pfarrern  noch  forthin  Holz  zu  führen, 
Schnittarbeiten  u.  dergl.  zu  leisten,  Eier,  Schmalz,  Butter  etc.  zu 
reichen,  so  kann  ihnen  doch,  so  lange  die  katholischen  Pfarrer 
nicht  auf  eine  andere  Art    besser   dotirt   sein  werden,    umsoweniger 


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164 

geholfen  werden,  als  bei  dem  materiellen  und  leichtsinnigen  Volke 
die  Erleichterung  und  Verminderung  der  Abgabe  ein  neuer  Beweg- 
grund zum  Abfall  sein  könnte*  und  der  Kaiser  genehmigte  diesen 
Antrag.  Hingegen  wurden  akatholische  Gemeinden  von  den  Wetter- 
läutengebühren  an  den  katholischen  Schullehrer,  der  mit  diesem  Amte 
in  früherer  Zeit  betraut  war,  befreit,  wenn  sie  ihre  Kinder  in  eigene 
Schulen  schickten  (Hofdecret  vom  28.  Mai   1788). 

Im  Jahre  1783  baten  die  helvetischen  Pastoren  in  Böhmen,  dass 
zur  Beerdigung  ihrer  Glaubensgenossen  besondere  Friedhöfe  bestellt 
werden  mögen. 

Das  Gubernium  hielt  die  Erfüllung  dieser  Bitte  für  überflüssig, 
da  durch  besondere  Friedhöfe  nur  Kosten  verursacht  werden;  die 
Hofkanzlei  jedoch  fand  diesen  Wunsch  unbedenklich,  falls  die  Helve- 
tischen den  Gottesacker  auf  eigene  Kosten  herstellen.  Der  Kaiser 
schloss  sich  dieser  Ansicht  an  (resolvirter  Vortrag  vom  7.  November 

1783)  *). 

Wir  haben  bisher  mehr  über  die  äusseren  Verhältnisse  der  Prote- 
stanten in  der  ersten  Zeit,  nachdem  das  Toleranzpatent  erschienen 
war,  gesprochen.  Wir  wollen  nun  auch  einige  interne  Momente  be- 
rühren. 

Oberkirchenrath  Gustav  Frank  theilt  im  ^^ Jahrbuch  der  Gesell- 
schaft für  die  Geschichte  des  Protestantismus  in  Oesterreich*  (Achter 
Jahrgang,  III.  Heft,  S.  129)  ,Die  erste  evangelische  Kirchenverfassung 
in  Oesterreich*  mit.  Wir  wollen  Einiges,  was  derselben  vorausge- 
gangen und  dieselbe  herbeigeführt  hat,  anfügen. 

Am  29.  März  1782  ertheilte  der  Kaiser,  nachdem  schon  früher 
über  den  Gegenstand  verhandelt  wurde,  der  Hofkanzlei  den  Auftrag, 
sich  blos  zu  erkundigen,  wie  es  in  Ehedispenssachen  in  anderen 
protestantischen  Ländern  gehalten  wird,  und  in  gleicher  Weise  sollen 


*)  Bei  dieser  Gelegenheit  wollen  wir  einer  Resolution  des  Kaisers  Franz  vom 
21.  November  1804  gedenken,  welche  lautet:  „Da  die  Staatsverwaltung  bei  Einführung 
der  Toleranz  die  Verbindlichkeit,  den  Unterhalt  der  protestantischen  Seelsorger  aus 
dem  öffentlichen  Schatze  zu  bestreiten,  keineswegs  auf  sich  genommen  hat;  sondern 
dieser  Unterhalt  den  Gemeinden,  für  welche  die  Pastoren  berufen  werden,  sind  auf- 
erlegt und  von  ihnen  übernommen  worden  ist,  so  will  Ich,  dass  sich  an  diesen  Grund- 
satz fest  gehalten  und  die  Gemeinden  zur  Entrichtung  der  übernommenen  Beiträge  mit 
Nachdruck  verhalten  werden.  Mein  Aerarium  kann  Ich  bei  gegenwärtigen  Umständen 
diesfalls  mit  einer  neuen  Last  nicht  beschweren  lassen."  (Die  finanzielle  Lage  des 
Staates  war  thatsächlich  zu  jener  Zeit  eine  sehr  arge.) 


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165 

auch  die  Protestanten  in  , schlechterdings  Dispenssachen*  behandelt 
werden. 

Die  diesfälligen  Berichte  des  österreichischen  Gesandten  in  Berlin 
Freiherrn  v.  Reviczky  und  des  österreichischen  Ministers  am  chur- 
sächsischen  Hofe  v.  Metzburg  ergaben,  dass  die  Grundsätze,  nach 
welchen  in  Preussen  und  Sachsen  vorgegangen  wurde,  verschieden 
waren.  Die  Hofkanzlei  entschied  sich  für  die  sächsischen,  weil 
das  Berliner  Consistorium  dem  sächsischen  und  dem  Reichsconsisto- 
rium  verdächtig  war.  Der  Kaiser  jedoch  entschied,  es  sei  sich  simpli- 
citer  an  die  Cynosur  des  Berliner  Consistoriums  zu  halten  und  das 
Gleiche  sei  in  Betreff  der  Ehescheidung  zu  beobachten. 

Am  21.  Mai  1782  übersendete  der  Kaiser  der  Kanzlei  Scheide- 
mantels:  , Allgemeines  Kirchenrecht  beider  evangelischen  Con- 
fessionen  in  Polen  und  Lithauen*  (Warschau,  1780)  mit  Anmerkungen 
von  Riedel,  damals  Privatvorleser  des  Fürsten  Kaunitz,  zu  dem 
Zwecke,  ein  Gutachten  zu  erstatten,  ob  dieses  Buch  nicht  in  den 
deutschen  Erblanden  gebraucht  werden  könnte. 

Am  26.  Mai   1782  erstattete  sie  folgenden  Bericht: 

Die  Zahl  der  beiden  evang.  Confessionen  in  den  böhmisch- 
österreichischen Erblanden  dürfte  30.000  Seelen  sein.  Es  wäre  daher 
wünschenswerth,  wenn  sie  eine  ordentliche  Kirchen  Verfassung  hätten. 

Die  Hofkanzlei  theilte  die  Ansicht  Riedel's,  dass  ein  Seminar 
zur  Heranbildung  geschickter  und  brauchbarer  protestantischer 
Prediger  errichtet  werde.  Für  die  protestantischen  Bibeln,  Gesang- 
bücher etc.  sei  ein  eigener  unparteiischer  Censor  zu  bestellen.  Die 
Einfuhr  derartiger  Bücher  von  auswärts  sei  zu  verbieten  und  ein 
eigener  Bücherverlag  zu  errichten,  dessen  Nutzen  zur  Gründung 
des  genannten  Seminars  verwendet  werden  soll. 

Die  Resolution  des  Kaisers  lautete: 

3>Da  die  Calvinisten  und  Lutheraner  in  ihren  Religionsgrund- 
sätzen bekanntermassen  sehr  verschieden  sind,  so  kann  für  beide 
diese  Religionen  nicht  ein  und  das  nämliche  Kirchenrecht  bestimmt, 
sondern  es  muss  für  jede  ein  ihrer  Religion  angemessenes  Kirchen- 
recht zusammengetragen,  auch  für  jeden  Theil  dieser  Religionsver- 
wandten eigene  Consistoria  in  den  deutschen  Erblanden  errichtet 
werden.  Da  nun  sowohl  in  Hungarn  und  Siebenbürgen  bereits  wol- 
bestellte  Consistoria  für  die  Reformirten  dann  für  die  Evangelischen 
eines    in  Teschen   vorhanden    ist,    so  hat  die  Kanzlei    das  für  Polen 


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166  _ 

eingeführte  Kirchenrecht  durch  Behörden  einem  reformirten  Con- 
sistorio  in  Siebenbürgen  dann  den  Teschnischen  Evangelischen  mit- 
zutheilen,  auf  dass  sie  aus  ihrer  eigenen  Verfassung  und  aus  diesem 
Buch  ein  Kirchenrecht  zusammensetzen  sollen,  so  wie  es  die  Grund- 
sätze ihrer  Religion  und  das  Wohl  ihrer  Glaubensgenossen  erfordert. . . 
Nur  muss  hiebei  vorzüglich  darauf  die  Rücksicht  genommen  werden, 
womit  man  sich  dem  gemeinsten  Grundsatze  der  im  Reiche  befind- 
lichen Religionsverwandten  so  viel  als  es  nur  immer  die  Verfassung 
der  betreffenden  Länder  zulässt,  nähere  und  dadurch  den  besorg- 
lichen vielerlei  Rücksicht  bedenklichen  Vorwurf  entferne,  als  ob 
die  hiesigen  Tolerirten  mit  jenen  im  Reiche  in  Glaubenssachen  nicht 
wesentlich  übereinstimmten.  Mit  dem  Verbot  der  Einfuhr  auswärtiger 
lutherischer  und  reformirter  Kirchen-  und  Gesangbücher  kann  inso- 
lange  nicht  vorgegangen  werden,  als  bis  erwiesen  ist,  dass  man  inner- 
halb des  Landes  selbst  die  Erforderniss  zu  verschaffen  im  Stande  ist.* 

Am  i6.  Mai  1785  erfolgte  dann  die  weitere  Resolution : 
, Meine  Absicht  geht  nicht  dahin  für  die  Reformirten  und  Lutheraner 
zusammen  nur  ein  und  das  nämliche  Kirchenrecht  festzusetzen,  wol 
aber,  dass  eine  jede  dieser  Religionen  in  allen  Meinen  Staaten  ihr 
eigenes  und  gleichförmiges  Kirchenrecht  habe,  so  wie  ein  gleiches 
auch  in  den  preussischen    und   sächsischen  Ländern    eingeführt  ist.* 

Schon  im  Jahre  1782  wendete  sich  der  Bischof  von  Gurk, 
Josef  II.  Fürst  von  Anersperg,  mit  einer  Vorstellung  in  Angelegen- 
heit der  Protestanten  an  die  Hofkanzlei. 

Er  meinte,  dass  bei  den  wenigsten  der  Uebertritt  von  der 
katholischen  zur  protestantischen  Religion  aus  innerer  Ueberzeugung 
hervorgehe,  es  geschehe  blos  aus  Abneigung  gegen  die  katholische 
Geistlichkeit,  aus  Unwissenheit,  Hoffnung  auf  sinnliche  Freiheit  etc. 
Er  wolle  diese  Ueberläufer  nicht  als  Ketzer  betrachten,  da  sie  wider 
die  katholische  Lehre  entweder  gar  nichts  oder  nur  Nebensachen 
einzuwenden  haben. 

Zur  Besserung  dieser  Verhältnisse  schlug  er  vor: 

1.  Sanftmuth  und  Mässigung  der  Geistlichkeit,  die  durch  ihren 
Uebereifer  dem  Katholicismus  sehr  geschadet  habe. 

2.  Vertheilung  gut  katholischer  Gebe >,  Sing-  und  Lesebücher  und 
wären  zu  diesem  Zweck  50.000  fl.  von  der  Religionscasse  zu  leisten. 

3.  Hingegen  soll  man  die  skommatischen  Bücher,  die  sich  in 
den   Händen  der  Protestanten  befinden,  wegschaffen. 


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167 

4-  Anstellung  gut  katholischer  Schulmeister  in  den  mit  Prote- 
stanten vermischten  Pfarreien,  um  die  Unwissenheit  und  den  von 
ihr  abstammenden  Irrglauben  auszurotten. 

5.  Aufhebung  des  Fastengebotes  bezüglich  der  Fleischspeisen 
zu  Gunsten  der  Dienstboten,  die  bei  Protestanten  sind  und  Gestattung 
der  Communion  unter  beiden  Gestalten. 

6.  Bestimmung  einer  peremptorischen  Frist,  binnen  welcher  jene, 
die  Protestanten  sein  wollen,  sich  als  solche  zu  erklären  hätten,  und 
wenn  diese  Frist  verstrichen  ist,  jene,  die  diese  Erklärung  nicht  ab- 
gegeben haben,  für  katholisch  angesehen  werden  sollten. 

Die  Hofkanzlei  sprach  sich  im  Vortrage  vom  23.  December  1782 
folgender  Weise  aus: 

ad  I  stimmte  sie  bei. 

ad  2  beklagte  sie,  dass  der  katholische  Clerus  Sberhaupt  be- 
flissen gewesen  ist,  ungereimte  und  anstössige  Gebet-  und  Gesang- 
bücher zu  verbreiten ;  hätte  man  dem  Volke  Bücher  gegeben,  welche 
mit  den  Vernunft-  und  Religionsgrundsätzen  übereinstimmen,  so  wäre 
es  überhaupt  nicht  so  weit  gekommen.  Sie  befürwortete  übrigens 
blos,  dass  die  Bücher  um  einen  billigen  Preis,  aber  nicht  ganz  un- 
entgeltlich verabfolgt  werden. 

Sie  spricht  sich  gegen  den  Punkt  3  aus,  da  man  dadurch  nur 
die  ehemals  bestandenen  äusserst  gehässigen  Haussuchungen  ein- 
führen würde.  Nur  wenn  derartige  Bücher  zum  Vorscheine  kommen, 
könnte  man  sie  nach  den  bestehenden  Censurvorschriften  ausser 
Gebrauch  setzen. 

ad  -/.  Da  dem  Normalschulfonde  ergiebige  Zuflüsse  zugewendet 
werden  sollen,  so  wird  man  den  Schulmeistern  bessere  Gehalte 
geben  können  und  wird  in  der  Lage  sein,  tauglichere  Subjecte  zu 
gewinnen,  und  ,eine  Anstalt,  welche  freilich  eine  der  nothwen- 
digsten  und  die  Grundlage  aller  andern  ist*. 

Sie  spricht  sich  gegen  den  Vorschlag  Punkt  5  aus,  denn  das 
würde  nur  Aergerniss  erregen. 

Punkt  6  stehet  mit  kais.  Rescripten  in  Widerspruch. 

Der  Kaiser  genehmigte  i,  2,  3  und  4,  und  5  kann  dem  Bischof 
freigelassen  werden,  in  einzelnen  Fällen  zu  dispensiren. 

ad  6  findet  das  Crimen  apostasiae  nicht  mehr  statt. 

Noch  bei  Lebzeiten  Josefs  beklagten  sich  die  Protestanten 
in  Böhmen,  dass  sie  noch  immer  den  katholischen  Geistlichen  Stola- 


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168 

gebühren  entrichten  und  auf  eigene  Kosten  Schulen-  und  Bethäuser 
erhalten  müssen. 

Dieses  Gesuch  wurde  erst  nach  dem  Tode  Josefs  erledigt.  Die 
Hofkanzlei  äusserte  sich  in  einem  Vortrage  vom  24.  Juni  1790,  wie 
folgt:  Diese  Zustände  bestehen  deshalb,  weil  der  Protestantismus 
eben  nicht  die  herrschende  Religion  sei.  ^^  Seine  höchstselige  Majestät 
nahmen  es  zum  Grundsatze  an,  dass  man  diesen  Leuten  die  Aus- 
übung ihrer  Religion  nicht  eigentlich  erleichtern  sollte  und  dass  die 
Erschwerung  derselben  und  die  Vervielfältigung  der  damit  verbun- 
denen Auslagen  vielleicht  das  einzige  Mittel  sein  könnte,  die  damals 
so  zahlreich  gewordenen  Uebertretungen  zu  akatholischen  Religionen 
zu  beschränken  .  .  .  Deshalb  mussten  auch  die  Akatholiken  wieder 
Zehnt  und  Stolgebühren  bezahlen.*  In  ähnlicher  Weise  habe  sich 
der  Kaiser  auch  wiederholt  in  den  Rathssitzungen  der  vereinigten 
Hofkanzlei,  welchen  er  beiwohnte  (bekanntlich  erschien  der  Kaiser 
oft  bei  diesen  Berathungen)  geäussert. 

Kaiser  Leopold  genehmigte  diesen  abfälligen  Bescheid  *). 

Mit  den  Toleranzpatenten  war  für  den  Kaiser  Josef  IL  die 
Religions-,  Glaubens-  und  Gewissensfreiheit  abgeschlossen ;  eine  neue 


*)  Wir  wollen  hier  einige  Entscheidungen  in  Betreff  der  Protestanten  aus 
späterer  Zeit  beifügen: 

Ein  protestantischer  Handwerker  wurde  1806  katholisch,  um  das  Meisterrecht 
zu  erlangen.  Er  blieb  jedoch  Protestant  und  liets  auch  seine  Kinder  protestantisch 
taufen.  Es  erschien  hierauf  14.  Mai  1807  ein  Circular  des  Inhaltes,  dass  Protestanten, 
die  katholisch  werden,  nicht  mehr  protestantische  Bethäuser  besuchen  dürfen.  Ferner 
wurde  neuerdings  angeordnet,  dass  Uebeitritte  genau  den  Kreisämiern  gemeldet  werden. 

Im  Jahre  1817  baten  die  Consistorien  Augsburger  und  Helvetischer  Confeision. 
die  Feier  des  Säcularfestes  der  Reformation  (am  31.  October)  begehen  zu  dürfen.  Unter 
Anderem  beriefen  sie  sich  darauf,  dass  im  Jahre  1717  dieser  Tag  feierlich  in  der 
dänischen  Gesandtschaftscapelle  begangen  wurde.  Dieses  Gesuch  wurde  genehmigt. 
(Ueber  die  dreihundeitjährige  Säcularfeier  des  Todestages  Luther's  im  Jahre  1846,  vergl. 
G.  Wolf,   Historische  Skizzen,  S.   133.) 

Am  31.  März  1818  richtete  der  Kaiser  Franz  an  den  niederöiterreichischen  Re- 
gierungspräsidenten (jetzt  Statthalter)  Grafen  von  Saurau  ein  Handschreiben,  in  welchem 
es  heisst:  „.  .  .  Da  aber  der  bestehenden  Uebung  gemäss,  die  Religion  bei  Aufnahmr 
in  die  vom  Staate  dotirten  Erziehungshäuser  nur  in  so  weit  bei  Akatholiken  berück- 
sichtigt wird,  dass  die  Eltern  von  nicht  katholischen  Kindern  befragt  werden,  ob  ^ie 
selbe  in  der  katholischen  Religion  erziehen  lassen  wollen,  wo  sodann,  wenn  sie  hierzu 
ihre  Einwilligung  geben,  die  Vormerkung  und  Aufnahme,  wenn  sonst  keine  Anstände 
obwalten  und  sie  hierzu  die  geeignetsten  sind,  wie  gewöhnlich  vor  sich  gehen  kann', 
so  gilt  dieses  auch  für  das  hiesige  Taubstummeninstitut. 


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1G9 

Secte  wollte  er  nicht  gestatten,  wie  dies  aus  der  Behandlung,  die 
er  den  Deisten  angedeihen  Hess,  hervorgeht,  und  wollen  wir  der- 
selben nun  gedenken. 

Am  26.  Juni  1782  berichtete  die  Hofkanzlei:  Im  Pardubitzer 
Kreise  erklärten  42  Unterthanen,  dass  sie  Israeliten  seien.  Diese 
Leute  glauben  nur  an  Gott,  sonst  aber  an  kein  Religionsgesetz  und 
wollen  sich  keinem  unterwerfen.  Die  Hofkanzlei  stellte  den  Antrag, 
diese  Erklärung  nicht  anzunehmen,  da  eine  derartige  Secte  nicht  zu 
den  geduldeten  Religionen  gehöre. 

Das  Rescript  des  Kaisers  lautete:  »Ich  beangenehme  das  Ein- 
rathen  und  wird,  um  desto  sicherer  den  Endzwv^ck  zu  erreichen,  der 
Königgrätzer  Bischof  »)  mit  dem  Kreishauptmann  sich  selbst  in  locum 
verfügen  und  diese  Leute  wohl  zu  belehren  haben.  Sollten  sie  dessen 
ohngeachtet  bei  ihrer  Erklärung,  dass  sie  Israeliten  sind,  verbleiben, 
so  müssen  sie  auch  nach  der  Vorschrift  des  Gesetzes  Moses  behandelt 
und  ihnen  die  Verbindlichkeit,  sich  alsogleich  förmlich  beschneiden 
zu  lassen,  aufgelegt  werden,  welches  vielleicht  weit  schneller  ihre 
Bekehrung  als  alles  weitere  Zureden  wirken  wird.  Sind  sie  aber 
schon  wirklich  beschnitten,  so  sind  sie  Juden  und  können  nicht 
anders  als  wie  diese  im  Lande  behandelt  werden,  somit  sind  sie 
auch  nicht  mehr  fähig,  Gründe  eigenthümlich  zu  besitzen  und  müssen 
daher  gänzlich  abgestiftet  werden.* 

Aus  dem  Berichte  des  Bischofs  Hay  entnehmen  wir  Folgendes : 

Hier  (in  den  zur  Pfarre  Jesemitz  gehörigen  Dörfern  Rokitno  und 
Chwojnitz  auf  der  Herrschaft  Pardubitz)  habe  ich  eine  der  seltensten 
Erscheinungen  gefunden. 

In  den  Dörfern  Rokitno  und  Chwojnitz  befinden  sich  52  Familien, 
welche  Christus  und  sein  göttliches  Gesetz  durchaus  verwerfen. 

Ich  habe  mit  diesen  Leuten,  72  Männer  an  Anzahl,  selbst 
mehrere  Stunden  gesprochen  und  meine  ganze  Beredtsamkeit  er- 
schöpft, um  sie  zum  h.  Christenthume  zurückzuführen.  Ich  habe- die 
wichtigsten  Beweggründe,  auf  denen  die  Wahrheit  unserer  gött- 
lichen Religion  gebaut  ist,  die  Schönheit,  alle  Reize  der  christlichen' 
Moral,  so  viel  ich  vermochte,  geltend  gemacht,  um  sie  wenigstens 
zu  einem  oder  dem  anderen  christlichen  Bekenntnisse  zu  überreden. 

Mit  der  grössten  Gelassenheit  haben  sie  meine  freundschaft- 
lichen Vorträge  angehört,  aber  allemal  darauf  geantwortet,  ihre  Ver- 

*)  Johann  Leop.  v.  Hay. 
Jahrbuch  des  Protestantismus  1887.  H.  IV.  13 


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170 

nunft  könne  die  Geheimnisse  der  christlichen  Religion  nicht  aus- 
halten und  sie  können  nichts,  was  gegen  ihre  Vernunft  läuft,  glauben. 
Tausende  und  mehrere  Tausende  Menschen  dächten  so  wie  sie,  nur 
diesen  Unterschied  gebe  es  unter  ihnen,  dass  diese  schweigen,  sie 
aber  Freimüthigkeit  genug  hätten,  ihre  Denkungsart  öffentlich  zu 
bekennen. 

Ihr  Glaubensbekenntniss  aber  besteht  beiläufig  in  dem:  Wir 
glauben  an  einen  Gott,  Schöpfer  des  Himmels  und  der  Erde;  die 
Lehre  von  der  Dreieinigkeit  ist  Mehrgötterei  und  folglich  eine  Gott 
beleidigende  Lehre;  dass  ein  Christus  war,  glauben  wir,  wie  man 
eine  Geschichte  glaubt.  Entweder  ist  er  wegen  seiner  Sünden  ge- 
kreuziget worden,  oder  ist  er  unschuldig  gestorben.  Im  letzteren 
Falle  fällt  die  Schuld  auf  seine  Richter,  und  dann  glauben  wir,  dass 
er  eben  so  Gottes  Sohn  war,  wie  wir  es  sind.  Alle  Menschen  sind 
doch  nichts  anderes,  als  Geschöpfe  und  Kinder  Gottes.  Aber  dass 
ein  Gott  Mensch  geworden,  können  und  werden  wir  nie  glauben. 
Unser  Gesetz  sind  die  zehn  Gebote,  welche  Moses  auf  dem  Berge 
Sinai  bekommen,  der  Herr  hat  sie  mit  seinem  Finger  in  die  steinerne 
Tafel  und  zugleich  in  unser  Herz  geschrieben. 

Wir  werden  Gott  und  unsern  Nächsten  lieben,  wir  werden  jene 
zehn  Gebote  halten,  wir  werden  unseren  Oberkeiten  gehorsam  sein, 
wir  werden  alle  Menschen  in  Ruhe  lassen  und  sonst  nichts  anderes 
glauben,  es  mag  mit  uns  geschehen,  was  da  will.  Die  Menschen, 
unter  denen  wir  leben,  mögen  uns  verabscheuen,  wie  sie  wollen; 
wir  können  und  werden  von  der  Anbetung  eines  einzigen  Gottes 
nie  abgehen  und  kein  anderes  Gesetz  als  seine  zehn  Gebote  an- 
nehmen. 

Wir  glauben  an  eine  Zukunft,  aber  an  keine  ewigen  Höllen- 
strafen; die  Sünder  werden  jenseits  des  Grabes  nach  der  Grr)sse 
ihrer  Verbrechen  gezüchtigt  oder  vielleicht  vernichtet  werden,  die 
Gerechten  werden  ewig  mit  Gott  sein  und  ihn  lieben. 

In  ihren  Zusammenkünften  beten  sie  das  Vaterunser  und  singen 
Psalmen. 

Ihr  Bekenntniss  belegen  sie  mit  mehreren  Schrifttexten  aus  dem 
alten  Testamente. 

Wenn  ich  nachforschte,  woher  sie  wohl  so  eine  Lehre  geschöpft 
haben,  war  ihre  Antwort:  ^Aus  öfterem  und  längerem  Nachdenken 
haben  wir  die  Erleuchtung  bekommen.* 


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171 

Ihre  Kinder  schicken  sie  in  die  Schule,  und  der  Pfarrer  Kautzky 
versichert  mich,  sie  wären  in  der  Christenlehre  besser  als  andere 
unterrichtet.  Er  und  der  Oberbeamte  in  Pardubitz  sagten  mir,  sie 
hätten  *gute  Sitten,  vormals  wären  sie  Holzdiebe  gewesen,  seitdem 
sie  aber  öffentlich  bekannt  haben,  hätten  sie  auch  ganz  diese  Aus- 
schweifung unterlassen. 

Mir  sind  sie  mit  der  grössten  Ehrerbietung  begegnet,  recht  oft 
haben  sie  mir  die  Hände  geküsst.  ,Ihr  redet  mit  uns  die  Sprache 
des  h.  Evangelisten  Johannes*,  sagten  sie  mir,  ,wir  erkennen  die 
ganze  Güte  Eures  Rathes,  aber  mit  allem  dem  werden  wir  nie 
anders  denken  .  .  .  ." 

,Gibt  es  denn  noch  mehrere  dergleichen  Menschen  in  Böhmen, 
die  Eure  Denkungsart  haben*,  fragte  ich  sie  unter  Anderem.  ,Ja, 
Herr*,  gaben  sie  zur  Antwort,  ,auf  der  Herrschaft  Chlumetz  .sind 
noch  300  unserer  Brüder;  sie  schweigen  aber,  sie  sind  klüger  als 
wir,  aber  wir  sind  ehrlicher.* 

,Mit  meinem  Comraissionsgeschäfte  beschäftigt,  gab  ich  hierauf 
meinem  Neustädter  Dechant  Josef  Hurdalek,  einer  der  besten  Priester 
meiner  Diöcese.  der  unüberwindliche  Gelassenheit  und  Menschenliebe 
mit  gründlicher  Gelehrsamkeit  verbindet,  den  Auftrag,  diese  armen 
Leute  zurechtzuweisen.  Fünf  ganze  Stunden  hat  er  mit  ihnen  in 
freundschaftlichen  Unterredungen  zugebracht  und  am  Ende  aber 
nichts  anderes  als  ich  ausgerichtet.* 

Der  Kaiser  resolvirte  hierauf: 

,Die  in  der  Herrschaft  Pardubitz  sich  vorgefundenen  Deisten 
können  keineswegs  geduldet  werden.  Werden  sie  sich  auf  den  nach- 
maligen mit  ihnen  zu  veranlassenden  Versuchen  durch  wiederholte 
gründliche  und  bescheidene  Vorstellungen  von  ihren  irrigen  Begriffen 
nicht  zurückfuhren  lassen,  oder  sich  zu  einer  aus  den  tolerirten 
Religionen  vorschriftmässig  bekennen,  so  sind  sie  von  ihren  Gründen 
und  Häusern  gänzlich  abzustiften  und  nach  Siebenbürgen  zu  ver- 
setzen, wo  die  religirten  Arianer  mit  ihrem  Glauben  mehr  Aehn- 
lichkeit  haben.* 

Nachdem  alle  Versuche,  diese  Leute  von  ihrer  Religion  abzu- 
bringen, fruchtlos  waren,  resolvirte  der  Kaiser  über  Vortrag  vom 
8.  März  1783,  dass  sie  abgestiftet  werden  sollen.  Sie  selbst  sollen 
als    Grenzer    zum    Militär    kommen;     ihr    unbewegliches   Vermögen 

13* 


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172 

aber  verkauft  und  bis  zur  Grossjährigkeit  der  Kinder  für  diese  ver- 
waltet werden. 

Die  minderjährigen  Kinder  (unter  15  Jahren)  sollen  zu  guten 
Christen  in  Erziehung  kommen.  , Sollen  sich  einige,  von  dieser 
Behandlung  abgeschreckt,  zu  der  katholischen  oder  einer  andern 
recipirten  Religion  bekennen  wollen,  so  ist  ihnen  zu  bedeuten,  daß 
es  zu  spät  wäre  und  daß  alle,  die  hier  aufgeschrieben  sind,  Alt  und 
Jung,  auf  ihre  Bestimmungsorte  müßen  übersetzt  werden,  wo  sie 
alsdann  wahre  Beweise  ihrer  Bekehrung  auch  in  den  Orten,  wohin 
sie  übersetzt  worden,  erst  werden  zu  geben  haben,  wenn  sie 
jemals  hoffen  wollen,  wieder  zurückkommen  zu  können/ 

Am  19.  März  1783  erstattete  die  Hofkanzlei  wieder  einen  Vor- 
trag des  Inhaltes: 

Es  haben  sich  neuerdings  in  Böhmen  273  Personen,  142  Männer 
und  131  Weiber  als  Deisten  bekannt,  ihre  Kinder  unter  15  Jahren 
betragen  223  Köpfe.  Wie  das  Gubernium  meldet,  sei  der  Kreis-Com- 
missär  Braun  bei  der  Herrschaft  Leutomischel  zu  weit  gegangen 
und  habe  auch  jene,  welche  nur  des  Deismus  verdächtig  waren, 
vorgerufen. 

Hierauf  resolvirte  der  Kaiser: 

,Dem  böhmischen  Gubernio  ist  bei  schwerster  Verantwortung 
zu  untersagen,  daß  solches  jemals  wegen  Deisten,  Israeliten  oder 
wegen  was  immer  für  einer  andern  Secte  eine  Untersuchung  veran- 
lasse oder  Leute  zusammenberufen  oder  befragen  lasse,  gegen  welche 
man  Zweifel  hat.  Das  nämliche  hat  auch  die  Geistlichkeit  sorgfältigst 
zu  vermeiden.  Der  Kreis-Commissarius  Braun  ist  wegen  diesem  Vor- 
gehen ohne  weiterem  seines  Dienstes  zu  entlassen  und  so  wird  es 
jedermann  indistinctim  ergehen,  der  sich  nach  was  solches  gelüsten 
lassen  wird. 

Meldet  sich  ein  Mann,  ein  Weib  oder  wer  immer  bei  einem 
Ober-  oder  Kreisamt  als  Deist,  Israelit  oder  sogenannter  Lampel- 
bruder,  so  sind  ihm  ohne  weitere  Anfrage  24  Prügel  oder  Karbatsch- 
streiche  auf  den  Hintern  zu  geben  und  hiermit  ist  er  wieder  nach 
Hause  zu  schicken,  auch  dieses  so  oft  zu  wiederholen,  als  er  sich 
neuerdings  melden  kommt,  nicht  weil  er  Deist  ist,  sondern  weil  er 
sagt,  das  zu  sein,  was  er  nicht  weiß,  was  es  ist. 

Der  einen  Deisten  in  der  Gemeinde  nennt  oder  angibt,  der  soll 
von  dem  Ober-  oder  Kreisamt  mit  12  Stockstreichen  belegt  werden. 


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173 

da  es  durch  die  von  mir  selbst  untersuchten  und  bereits  in  Hungarn 
befindlichen  derlei  Leute  sattsam  bewiesen  ist,  daß  solche  keine 
Deisten  und  Israeliten  sind  und  diese  Männer  und  Weiber  theils  aus 
Dummheit,  aus  Unwissenheit,  theils  aber  aus  Leichtsinn  und  Wande- 
rungslust, auch  durch  die  Verfolgung  meist  dazu  sind  verleitet 
worden;  sie  es  auch  wirklich  erkennen  und  viele  davon  sich  erklären, 
daß  sie  katholisch  leben  und  sterben  wollen.  Es  müssen  alle  diese 
mißbrauchten  Benennungen  gänzlich  ausgerottet  werden.* 

Wir  lassen  nun  noch  folgende  Handschreiben  des  Kaisers  folgen : 

, Lieber  Graf  KoUowratl  *)  Ich  überschicke  Ihnen  in  der 
Nebenlage  dieses  Memorial  der  auf  der  Pardubitzer  Herrschaft 
sich  befindenden  49  Familien  sogenannter  Deisten.  Da  nun  er- 
wünschlich  ist,  daß  die  Leute  nicht  verloren  gehen  und  sie  auch 
in  Siebenbürgen  nur  zum  Ungemach  sein  werden,  so  sollte  diese 
ihre  Erklärung,  worin  sie  sich  als  Akatholiken  bekennen,  benutzt 
und  sie  also  als  Protestanten  angesehen  und  bei  ihren  Häusern  und 
Wirtschaften  belassen  werden.  Dieses  zu  bewerkstelligen  wäre  dem 
Chrudimer  Kreishauptmann  per  privatas  aufzutragen,  sich  in  dieses 
Dorf  hinauf  zu  begeben  und  gegen  Vorweisung  dieses  Memorials 
ihnen  in  meinem  Namen  zu  bedeuten,  daß  ich  ihre  Erklärung  als 
Protestanten,  nämlich  als  Lutheraner,  in  Gnaden  aufnehmen  wollte 
bis  sie  nicht  durch  Ueberzeugung  eines  Bessern  belehrt  werden. 
Sie  hätten  also  als  Lutheraner  für  welche  sie  sich  hier  selbst 
erklärten  ruhig  fortzuleben,  unter  welcher  Bedingung  sie  auch  bei 
Haus  und  Hof  verbleiben  könnten.  Sollte  ein  oder  anderes  dieser 
ihrer  Häuser  oder  Gründe  schon  veräußert  worden  sein,  so  wären 
solche  wieder  einzulösen  oder  statt  selben  andere  ihnen  zu  ver- 
leihen. Endlich  von  dem  auf  die  Reise  erhaltenen  Gelde  hätten 
sie  außer  jenem,  was  sie  auf  der  Hin-  und  Herreise  verwendet  zu 
haben  erweisen  könnten,  den  Ueberrest  zurückzustellen. 

Sollten  Sie  hingegen  räthlicher  finden  die  hier  unterschrie- 
benen 4  Männer  mit  Abreichung  eines  Reisegeldes  hieher  nach 
Wien  abgehen  zu  lassen,  da  doch  alles  darauf  ankommt  sie  von 
ihrem  Irrwesen  auf  eine  begreifliche  Art  zurückzuführen,  so  erwarte 
ich    Ihre  Aeusserung   hierüber   des   ehestens    da   dieser  Zeitpunct 


>)  Graf  Kollowrat,  oberster  Kanzler,  Nachfolger  des  Grafen  Blümegen. 


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174 

benutzt  werden  muß  und  vielleicht  wenn  ich  selbst  mit  diesen 
4  Deputirten  hier  ganz  kurz  mich  bespräche  auch  alle  andern  fiir 
sich  sowol  als  für  den  Staat  könnten  gerettet  werden. 

Wien,  21.  Juni   1783.  Joseph.* 

,  Lieber  Gf.  Kollo wrat.  Nachdem  zufolge  meiner  Anordnung 
von  denen  vorigen  Jahres  nach  Siebenbürgen,  Galizien  und  in  die 
Buccowina  verschickten  Deisten  die  in  dem  anliegenden  Verzeich- 
nisse enthaltenen  Individuen  deren  Bekehrung  und  sonstig  gutes 
Betragen  man  bestätigt  hat  zurückberufen  worden  und  hier  ein- 
getroffen sind,  auch  demnächst  nach  Meiner  unter  einem  an  den 
Hofkriegsrat  ergehenden  Weisung  unter  militärischer  Escort  nach 
Pardubitz  u.  s.  w.  in  ihre  Geburtsorte  werden  transportirt  werden, 
so  haben  Sie  also  gleich  die  behörige  Verfügung  zu  treffen,  damit 
diesen  Leuten  von  dem  Tag  der  Eintreffung  in  ihren  Ortschaften 
ihre  innegehabten  Häuser  und  Gründe  sammt  ihren  abgenommenen 
Kindern  wieder  zurückgegeben  so  wie  ihnen  auch  das  was  ihre 
Besitzungen  während  ihrer  Abwesenheit  ertragen  haben,  nach 
Abschlag  desjenigen,  was  mittlerweile  hiervon  auf  ihre  zurück- 
gelassenen Kinder  verwendet  worden  ist,  zurückzustellen  sein  wird. 
Uebrigens  aber  wird  auf  die  Handlungen  dieser  Leute  immer  ein 
obachtsames  Auge  zu  tragen  sein. 

Wien,  4.  July  1784.* 

Ein  ähnliches  Handschreiben  vom  8.  Juli  erging  bezüglich  der 
nach  Siavonien  und  in  den  Banat  abgeschickten  sogenannten  Deisten 
und  Israeliten. 


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X. 

Die  erste  evangelische  Kirchenverfassung  in 
O  esterreich. 

Von  Dr.  GUSTAV  FRANK. 

(Schluss,)  «) 

Articulus  IV.     Von  den  Versammlungen  der  Kirchengemeinden. 

§  I.  Die  ordentlichen  Versammlungen  der  Gemeinden  geschehn 
bei  dem  öffentlichen  Gottesdienst,  wo  derjenige,  der  sich  unterfängt, 
solche  durch  was  immer  für  ungeziemende  Thätigkeiten  zu  stören, 
als  Störer  der  öffentlichen  Ruhe  wird  bestraft  werden. 

§  2.  Ausserordentliche  Versammlungen  geschehen  bei  Visitationen, 
bei  Wahlen  oder  bei  sonst  wichtigen,  die  ganze  Gemeinde  betreffenden 
Vorfällen;  doch  ist  es  untersagt,  unter  dem  Vorwand  der  besser 
zu  befördernden  Andacht  heimliche  Zusammenkünfte  zu  halten. 

§  S-  Erscheinet  nicht  die  Hälfte  der  erforderlichen  Repräsen- 
tanten der  ganzen  Gemeinde,  oder  es  könnte  nichts  beschlossen 
werden,  so  wird  die  abzuhandelnde  Sache,  wenn  sie  Aufschub 
leidet,  auf  ein  andersmal  ausgesetzt ;  wäre  sie  aber  von  Wichtigkeit 
und  litte  keinen  Aufschub,  so  entscheiden  die  Gegenwärtigen,  und  die 
Gemeinde  muss  sich  in  solchem  Fall  das  Beschlossene  gefallen  lassen. 

§  7.  Bei  solchen  ausserordentlichen  Versammlungen  hat  in  geist- 
lichen oder  liturgischen  Sachen  der  Prediger,  in  weltlichen  oder 
ökonomischen  Angelegenheiten  aber  der  erste  Vorsteher  den  Vortrag 
zu  machen,  wo  sodann  die  Stimmen  gesammelt  werden  und  die 
Mehrheit  den  Beschluss  entscheidet. 

Articulus  V.  Von  den  Statuten  einzelner  Gemeinden. 
§  I.  Da  besondere  Umstände  jeder  Gemeinde  eine  gänzliche 
Gleichförmigkeit  bei  allen  unmöglich  machen,  so  kann  sich  deren 
jede  oder  ihre  Vorsteher  für  sich  eigene  Statuten  zu  ihrer  Richt- 
schnur verfassen  und  sich  daran  halten,  nur  dürfen  sie  in  keinem 
Punkt  dieser  Kirchenordnung,  den  Toleranz-  und  Landesgesetzen 
widersprechend  sein. 

1)  Vgl.  Jahrb.  1887.    H.  III.    S.   129  ff. 


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XVII.  Abtheilung. 

Vom  Erwerb  des  Predigt-Amts, 

Articulus  I.     Von  den  Erfordernissen  zu  einem  Predigt amt  überhaupt 

§.  I.  Wer  zu  einer  Parochie  gelangen  will,  muss  nach  vorher- 
gegangener regelmässiger  Vocation,  wofern  er  nicht  schon  ein  im 
Land  angestellter  Prediger  ist,  sattsam  geprüft  worden  sein,  ob  er 
alle  zu  dem  wichtigen  Predigtamt  erforderliche  Eigenschaften  hat, 
und  ist  er  ein  im  Ausland  schon  ordinirter,  so  muss  er  sich  erst 
einem  Colloquio  mit  dem  Superintendenten  unterziehen. 

§  2.  Zur  rechtlichen  Gelangung  zu  einer  Parochie,  gehöret 
ferner  die  Ordination,  die  Bestätigung  von  der  Landesstelle  und  die 
Installation. 

§  3.  Auf  taugliche  Landeskinder  ist  vorzüglich  bei  Vergebung 
der  Parochie  Bedacht  zu  nehmen. 

Articulus  II.     Von  den  persönlichen  Eigenschaften   eines  zu  einem  Predigtamt 
berufenen  Candidaten. 

§  2.  Jeder  Candidat  muss  einen  frommen,  unbescholtenen, 
unsträflichen  Lebenswandel  geführt  haben,  und  sowohl  hierüber,  als 
auch  seinen  bisherigen  Fleiss  authentische  Zeugnisse  beibringen 
können. 

§  3.  Blinde,  Taube,  Stammelnde,  Krüppel,  mit  unheilbaren 
Krankheiten  Beladene  sind  nicht  zum  Predigtamt  zu  befördern; 
sollte  aber  einem  Prediger  während  seines  Amtes  ein  solches  Un- 
glück zustossen,  so  muss  ihm  ein  Substitut  an  die  Seite  gesetzt 
werden. 

§  4.  Vor  dem  25.  Jahr  kann  keiner  zu  einem  Predigtamt 
gelangen,  wo  ihn  nicht  das  Consistorium ,  wenn  anders  Fähigkeit 
die  Jahre  ersetzet,  dispensiret. 

§  5-  Wegen  gesetzwidriger  Handlungen  gestrafte  Leute,  wenn 
sie  auch  wirklich  alles  Gute  versprechen,  können  sich,  so  lange  sie 
nicht  gewisse  und  anhaltende  Beweise  ihrer  Besserung  gegeben 
haben,  zu  keiner  Parochie  Hoffnung  machen. 

§  6.  Sollte  es  sich  fugen,  dass  ein  Candidat  in  einen  Rechtshandel 
verwickelt  wäre,  der  ihn  einem  dem  Predigtamt  nachtheiligen  Ver- 
dacht aussetzte,  so  kann  er  bis  zu  Ausgang  der  Sache  zu  keiner 
Parochie  gelangen. 


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177 

Articulu»  III.     Von  der  Wahl  *u  einer  Prediger-Stelle. 

§  I.  Das  Recht  zu  wählen  hat  derjenige,  welcher  den  Prediger 
besoldet.  Thut  dieses  die  Gemeinde,  so  gebühret  ihr  dieses  Recht; 
thut  es  aber  der  Landesfiirst  oder  ein  Kirchenpatron,  so  kommt 
solches  ihm  zu. 

§  2.  Diejenigen,  denen  das  Wahlrecht  gebühret,  können  solches 
dem  Consistorio,  dem  Superintendenten  oder  den  Vorstehern  alleinig 
übertragen. 

§  3.  Soll  ein  Prediger  gewählet  werden,  so  müssen  zwei  oder 
drei  Subjecte  in  die  Wahl  gegeben  werden,  und  blos,  wo  ein  Mangel 
an  tüchtigen  Subjecten  obwaltet,  ist  es  erlaubt,  einen  einzigen  Candi- 
daten  vorzuschlagen. 

§  4.  Das  Recht  mitzuwählen  hat  jedes  einheimische,  ansässige 
Mitglied,  das  zum  Wohl  der  Gemeinde  etwas  beiträgt. 

§  6.  Keine  Obrigkeit  darf  da,  wo  die  Gemeinde  oder  der 
Kirchenpatron  den  Prediger  erhält,  sich  in  das  Wahlgeschäft  mischen 
oder  einen  Prediger  ihr  aufzudringen  versuchen. 

Articulus  IV.     Von  der  Vocation  oder  Berufung  zum  Predigt- Amt. 

§  2.  Das  Reclrt  zu  berufen  kommt,  wenn  der  Landesfiirst 
dotiret,  dem  Consistorio,  sonst  aber  dem  Kirchenpatron  oder  den 
Vorstehern  im  Namen  der  Gemeinde  zu. 

§  4.  Wird  eine  Vocation  in  den  kaiserl.  Ländern  innerhalb  zwei 
und  in  dem  Ausland  innerhalb  drei  Monaten  nicht  angenommen 
oder  gar  nicht  darauf  geantwortet,  so  ist  eine  neue  Wahl  und 
Vocation  zu  veranstalten. 

§  6.  Mündliche  Vocationen  oder  Verabredung  zwischen  einem 
Prediger  und  Vorstehern  sind  ungültig.  Es  muss  demnach  allemal 
ein  förmliches  Vocationsschreiben  ausgefertigt,  und  in  solchem  der 
dem  Prediger  bewilligte  Gehalt,  oder  worinnen  sonst  sein  Einkommen 
zu  bestehen  hat  und  das  Wesentliche  seiner  Pflichten,  deutlich  und 
ausdrücklich  bestimmt  werden. 

Articulus  V.     Von  der  Prüfung. 

§  I.  Die  Prüfung  geschieht  entweder  vor  dem  Consistorio  oder 
von  dem  betreffenden  Superintendenten  mit  Zuziehung  des  Seniors 
oder  eines  anderen  Predigers. 

Articulus  VI.     Von  der  Ordination. 

§  I.  Die  Ordination,  wodurch  ein  nach  der  Prüfung  tüchtig 
befundener  Candidat  die  Rechte,    alle    actus  ministeriales  verrichten 


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zu  dürfen,  erhält,  geschieht  von  dem  betreffenden  Superintendenten 
oder  subdelegirten  Senior  sogleich  nach  dem  Examen,  nach  welcher 
der  Ordinirte  der  Behörde  durch  das  Corisistorium  zur  Bestätigung 
präsentirt  werden  muss. 

Articulus  VII.     Von  der  Installation. 

§  I.  Sobald  die  Bestätigung  eines  Candidaten  von  der  Behörde 
einläuft,  ertheilet  das  Consistorium  dem  betreffenden  Superintendenten 
den  Auftrag,  den  Ordinirten  zu  installiren. 

XVIII.  Abtheilung. 
Von  den  allgemeinen  Pflichten  der  Prediger, 

§  I.  Ausser  den,  unter  den  eigenen  hieher  einschlagenden  Ab- 
theilungen genau  bestimmten,  Amtspflichten  muss  ein  jeder  Prediger 
seinem  Amt  ein  Genüge  in  allem  Verstand  zu  leisten  und  Ehre  zu 
machen  suchen. 

§  2.  So  wie  ein  jeder  Prediger  verpflichtet  ist,  allen  Bedrängten. 
Kranken  und  Sterbenden  mit  seinem  geistlichen  Rath  und  Trost 
beizustehen,  Friede  und  Einigkeit  unter  seiner  eigenen  Gemeinde 
zu  erhalten  und  brüderliche  Liebe  gegen  andere  Glaubensgenossen 
einzuflössen,  ebenso  muss  er  auch  hauptsächlich  über  den  guten 
Lebenswandel  seiner  eigenen  Familie  wachen  und  sich  der  Eintracht 
und  eines  guten  Einverständnisses  mit  seinen  Amtsbrüdern  befleissigen. 

§  6.  Nie  darf  ein  Prediger  seine  Gemeinde  verlassen,  selbst  bei 
ansteckenden  Krankheiten  nicht,  und  will  er  eine  Reise  machen,  so 
hat  er  solches  allemal  dem  Superintendenten  anzuzeigen. 

XIX.  Abtheilung. 

Von  den  Rechten  und  Einkünften  des  Predigers. 

Articulus  I.     Von  den  Rechten  der  Prediger. 

§  I.  Alle  Söhne  der  Prediger  und  Vikarien  sind  frei  von  dem 
gemüssigten  Soldatenstand. 

§  S.  Kein  Prediger  darf  förmliche  Wechsel  ausstellen;  sollte 
aber  dennoch  wegen  auf  andere  Art  von  ihm  gehäufter  Schulden- 
last persönlicher  Arrest  auf  ihn  erkannt  werden,  so  hat  die  Obrig- 
keit solches  dem  Consistorium  anzeigen  zu  lassen. 

§  7.  Jeder  Prediger  ist  frei  von  Vormundschaften,  Wachten. 
Vorspann,  Frohn dienst en,  Einquartierungen  in  Friedenszeit  und  Ab- 
gaben   in    betreff  seines   Gehalts    und   seiner  Parochialwohnung,  für 


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welche  letztere  die  Gemeinde  das  Landesübliche  zu  entrichten  hat. 
Von  allen  ihm  eigenthümlichen  Grundstücken  aber  muss  er  das 
bezahlen,  was  jeder  andere  Unterthan  zu  bezahlen  hat. 

Articulus  II.     Von  den  Einkünften  der  Prediger. 

§  I.  Bei  einem  jeden  Bethaus  muss  eine  anständige  Wohnung 
für  den  Prediger  sein,  die  er  unentgeltlich  bewohnen,  jedoch  nicht 
weiter  vermiethen  kann. 

§  6.  Ausser  dem  einmal  festgesetzten  Gehalt,  der  nach  den 
Vermögens-Umständen  der  Gemeinde  verhältnissmässig  sein  muss, 
darf  kein  Prediger  an  Stolgebühren  oder  anderen  Accidentien  etwas 
als  pflichtmässiges  fordern;  aber  freiwillige  und  gutherzige  Beiträge 
und  Geschenke  anzunehmen  ist  ihm  nicht  untersagt,  doch  dürfen 
ihm  diese,  wenn  sie  auch  noch  so  beträchtlich  sein  sollten,  nie  zur 
Besoldung  angerechnet  werden. 

XX.  Abtheilung. 

Vom    Verlust  des  Predigt- Amtes , 

Articulus  I.  Von  der  Niederlegung  des  Predigt- Amtes. 

§  I.  Ein  Prediger  kann  sein  Amt  entweder  ganz  niederlegen 
oder,  wenn  er  eine  anderweitige  Vocation  bekommt,  seine  bisherige 
Gemeinde  verlassen,  ohne  dass  ihn  diese  davon  zurückzuhalten  vermag. 

§  2.  Verlässt  ein  Prediger  seine  Gemeinde,  ohne  um  seine  Ent- 
lassung oder  auch  nur  um  Urlaub  angehalten  zu  haben  und  kehrt 
innerhalb  zwei  Monate  nicht  wieder  zurück  oder  macht  innerhalb 
dieser  Frist  nicht  seine  gehörige  Anzeige,  so  hat  er  schon  an  und 
für  sich  selbst  seine  Stelle  verloren. 

§  6.  Sollte  man  den  Prediger  durch  Furcht,  Drohungen  oder 
andere  widerrechtliche  Wege  zwingen  wollen,  sein  Amt  niederzulegen, 
so  hat  er  solches  dem  Consistorium  anzuzeigen,  welches  seine  weitern 
Vorkehrungen  bei  der  Behörde  machen  wird. 

Articulus  II.     Von  der  Versetzung  in  eine  andere  Parochie. 

§  I.  Da  jede  Gemeinde  oder  Patronus  das  Recht  hat,  sich  ihre 
Prediger  zu  wählen,  folglich  ihnen  keiner  aufgedrungen  werden  kann, 
so  hat  die  Versetzung  (Translocation)  nur  in  dem  Fall  statt,  wenn 
ein  Prediger  von  einer  Parochie  zu  einer  andern  vorschriftsmässig 
berufen  wird ;  und  die  sogenannten  Pönitenz-Pfarren  bleiben  gänzlich 
abgeschafft. 


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§  2.  Ist  ein  Prediger  durchaus  nicht  zu  bessern,  so  ist  er  seines 
Amtes  zu  entlassen  und  nicht  zu  versetzen,  weil  die  Gemeinde, 
wo  er  hinkäme,  durch  ihn  unverdienter  Weise  mit  gestraft  werden 
würde. 

§  3.  Findet  das  Consistorium  oder  ein  Superintendent,  dass  ein 
sonst  brauchbarer,  rechtschafifener  Prediger  unverschuldeter  Weise 
von  der  Gemeinde,  an  der  er  stehet,  gehasst  und  gedrückt  wird, 
oder  wegen  Schwäche  der  Brust  bei  einem  kleinen  Bethaus  oder  an 
einem  seiner  Gesundheit  zuträglicheren  Ort  einer  andern  Gemeinde 
nützlicher  sein  kann,  so  ist  es  erlaubt,  bei  einer  erledigten  Stelle 
ihn  der  Gemeinde  zur  Versetzung  zu  empfehlen. 

Articulus  III.  Von  der  Absetzung  vom  Predigtamt. 

§  I.  Soll  eine  Absetzung  statthaben,  so  hat  das  Consistorium 
hierüber  seinen  Antrag  nebst  Gründen  und  Gutachten  der  Behörde 
einzureichen,  von  da  das  weitere  zu  erwarten  und  nach  erfolgtem 
Urtheile  der  Absetzung  solches  dem  Abgesetzten  und  der  Gemeinde 
durch  den  Superintendenten  oder  anderen  Subdelegirten  bekannt 
machen  zu  lassen. 

§  2.  Durch  die  Suspension  verlieret  noch  kein  Prediger  sein 
Amt,  er  behält  demnach,  sobald  solche  aufgehoben  worden,  alle 
seine  vorigen  Rechte,  nur  dass  er  so  lange  als  solche  dauert,  keine 
actus  ministeriales  verrichten  darf  und  seinen  Gehalt  verlieret. 

§  3.  Ausser  jenen  gröberen  Verbrechen,  welche  langwierige 
Leibesstrafen  verdienen  und  Jemanden  überhaupt  zur  Führung 
eines  Amtes  unfähig  machen,  hat  die  Absetzung  vorzüglich  auch  bei 
Irrlehrern,  Verführern  und  Aufwieglern  des  Volkes,  bei  vorsetzlichem 
Ungehorsam  und  halsstarriger  Widersetzlichkeit  gegen  die  Befehle 
der  Landesstellen    und    die  Verordnungen    des  Consistoriums    statt. 

§  4.  Gibt  ein,  nicht  wegen  gröberen  Verbrechen  oder  tumultua- 
Tischen  Benehmen  abgesetzter,  Prediger  sichere  Beweise  seiner  Bes- 
serung, so  kann  er  nach  Beschaffenheit  der  Umstände  wieder  von 
einer  Gemeinde  berufen  und  durch  das  Consistorium  zur  Wieder- 
anstellung präsentirt  werden. 

XXI.  Abtheilung. 
Von  der  Zerüuilung  und  Zusammenziehung  mehrerer  Gemeinden, 
§   I.  Wächst  eine  Gemeinde  zu  stark  an,    so  dass  ein  Prediger 
nicht  hinlänglich  wäre,  und  ein  Theil  davon,  mit  einem  Filial  nicht 


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zufrieden,  sich  absondern  und  einen  eigenen  Prediger  haben  will,  so 
ist  sich  dieserwegen  an  die  Landesstelle  zu  wenden,  weiche  hierüber 
ein  Gutachten  von  dem  Consistorio  einzuholen  und  das  Weitere  vor- 
zukehren hat. 

§  3.  Werden  zwei  oder  mehrere  Gemeinden  zu  schwach  und 
wünschten  sich  in  eine  Parochie  zusammenzuziehen,  so  haben  sie 
sich  dieserwegen  an  das  Consistorium  zu  wenden,  welches  seine  gut- 
achtliche Anzeige  an  die  Behörde  zu  machen  und  nach  erhaltener 
Genehmigung  seinen  endlichen  Bescheid  zu  ertheilen  hat. 

§  4.  Die  Zusammenziehung  zweier  oder  mehrerer  Gemeinden 
kann  nur  in  dem  Fall  statthaben,  wenn  eine  Prediger-Stelle  auf  eine 
oder  die  andere  Art  bei  einer  oder  der  andern  dieser  Gemeinden 
erledigt  wird. 

XXII.  Abtheilung. 
Von    Vi c arten. 

§  I .  Befindet  sich  nicht  schon  ein  Vicarius  bei  einer  Superinten- 
dentur,  welcher  entweder  von  dem  Superintendenten,  wenn  er  dazu 
dotirt  ist,  oder  von  den  Gemeinden  gemeinschaftlich  salarirt  wird, 
so  trägt  der  Superintendent  oder  durch  ihn  der  Senior  bei  Erledi- 
gung der  Parochie  den  benachbarten  Pastoren  das  wechselweise 
Vicariat  auf 

§  7.  Erfordert  das  Wohl  der  Gemeinde  oder  die  Umstände 
eines  Pastors  einen  Vicarium.  so  kann  das  Consistorium  'auch  ohne 
Einwilligung  des  Predigers  und  ohne  Ansuchen  der  Gemeinde,  nach 
vorheriger  Anzeit^e  bei  Behörde,  der  Gemeinde  den  Auftrag  geben, 
sich  einen  zu  wählen. 

XXIII.  Abtheilung. 

Von  Schulen,  Katecheteny  Schullehrem  und  andern  Kirchendienern. 
Articulus  I.    Von  Schulen. 

§  I.  Jede  evangelische  Gemeinde  hat  das  Recht,  Schulen  zu 
halten,  nur  müssen  sie  in  Ansehung  der  Lehrmethode  und  allem, 
was  nicht  die  Religion  angehet,  nach  dem  bestehenden  Normal  ein- 
gerichtet werden  und  stehen  überhaupt  unter  der  Normal-Schul- 
Direction,  die  aber  mit  dem  Religionsunterricht  nichts  zu  thun  hat. 

§  2.  Ist  eine  Gemeinde  zu  arm,  als  dass  sie  eine  eigene  Schule 
halten  könnte,  so  kann  die  Jugend  in  den  öffentlichen  Normal-  und 
Landesschulen  ihren  Unterricht  finden,  aber  was  den  Religionsunter- 


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rieht  betrifft,  dazu  muss  ein  eigener  Katechet  bestellt  werden,  oder 
der  Prediger  selbst  muss  sich  diesem  Unterricht  unterziehen,  und  in 
diesen  hat  sich  weder  die  Normal-Schul-Direction  noch  eine  sonstige 
Obrigkeit  zu  mischen. 

§  5.  Wenn  Eltern  ihren  Kindern  einen  Privatlehrer  halten,  so 
muss  derselbe  von  der  Normal-Schul-Direction  geprüft  und  zuge- 
lassen sein. 

§  7.  Gehen  evangelische  Kinder  in  die  katholische  Schule,  so 
dürfen  sie  durchaus  nicht  gezwungen  werden,  bei  dem  katholischen 
Religionsunterricht  gegenwärtig  zu  sein  und  mit  den  katholischen 
Kindern  gottesdienstlichen  Handlungen  beizuwohnen. 

Articulas  II.     Von  Katecheten  und  SchuUebrem. 

§  I.  Alle  Schulmeister  oder  Schullehrer  müssen  von  der  Normal- 
Schul-Direction  geprüft  und  attestirt  worden  sein  und  durch  das 
Consistorium  zur  Bestätigung  der  Landesstelle  präsentirt  werden, 
welches  letztere  auch  von  den  blossen  Katecheten  zu  verstehn  ist; 
doch  sind  diese  nur  von  dem  Consistorio  oder  Superintendenten  zu 
prüfen  und  haben  sich  nur  einzig  und  allein  mit  dem  Religionsunter- 
richt abzugeben. 

§  7.  Söhne  von  Schullehrern  und  Katecheten,  welche  wirkliche 
Candidaten  der  Theologie  folglich  honoratiores  sind  und  immer  Hoff- 
nung zu  einer  Parochie  haben,  können  nicht  zum  Soldatenstand 
conscribirt  werden,  wovon  aber  die  Söhne  solcher  Schulmeister, 
welche  blosse  Handwerker  sind,  nicht  losgezäblet  werden  können. 
Articulus  III.     Von  Kirchendienern,  Organisten  und  Kantoren. 

§  I .  Alle  diese  untern  Kirchenbedienten  ernennen  die  Vorsteher 
mit  Zuziehung  des  Predigers  und  haben  auch  allein  das  Recht  nach 
Umständen  solche  wieder  ihres  Dienstes  zu  entlassen  oder  zu  ent- 
setzen. 

XXIV.  Abtheilung. 

Vom  Kirchenpatronatrechte, 

§  I .  Das  Kirchenpatronatrecht  kommt  eigentlich  und  im  engsten 
Verstand  einem  evangelischen  adeligen  Gutsbesitzer  zu,  auf  dessen 
Grund  und  Boden  ein  von  ihm  fundirtes  und  dotirtes  Bethaus  stehet, 
oder  im  weiteren  Verstand  auch  einem  jeden  anderen,  der  ein  Bet- 
haus fundirt,    dotirt  oder  die  jährlichen  Kirchenbedürfnisse  und  Ee- 


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183 

soldungen  allein  aus  seinem  Vermögen  bestreitet ;  doch  können  auch 
mehrere  gemeinschaftlich  dieses  Recht  besitzen. 

§  2.  Ein  solcher  Kirchenpatron,  der  den  Prediger  besoldet  und 
alle  Nothdurften  der  Kirche  allein  trägt,  hat  auch  allein  das  Recht, 
den  Prediger  selbst  zu  wählen,  zu  berufen  und  zu  präsentiren ;  doch 
ist  er  gehalten,  das  von  ihm  gewählte  Subject  der  Gemeinde  bekannt 
zu  machen,  welche,  im  Fall  wenigstens  zwei  Drittheile  von  ihr  etwas 
Erhebliches  gegen  den  Gewählten  einwenden  sollten,  innerhalb 
14  Tagen  diese  Einwendungen  sammt  ihren  Gründen  dem  Kirchen- 
patron vorzutragen,  und,  wenn  dieser  dennoch  auf  seiner  Wahl  be- 
harren wollte,  diesen  Hergang  dem  Consistorium  zur  Entscheidung 
vorzulegen  hat. 

§  3.  Hat  aber  ein  Grundherr  und  Gutsbesitzer  oder  dessen  Vor- 
fahren eine  Kirche  oder  Bethaus  auf  seine  Unkosten  erbauet  und 
sorget  für  dessen  Baurechterhaltung,  so  hat  er  blos  das  Recht  der 
Gemeinde  die  Subjecte  zu  einer  Predigerstelle  vorzuschlagen,  den 
von  der  Gemeinde  Gewählten  zu  berufen  und  zu  präsentiren. 

§  4.  Wo  kein  solcher  Patron  vorhanden,  treten  an  dessen  Stelle 
die  Vorsteher  als  Vertreter  der  Gemeinde. 

§  5.  Ist  ein  Kirchenpatron  nicht  von  der  Religion  der  Gemeinde, 
so  hat  er  sich  um  den  Vorschlag  tüchtiger  Subjecte  zu  der  Prediger- 
stelle an  das  Consistorium  zu  wenden. 

§  8.  Will  sich  Jemand  ein  immerwährendes  Patronatsrecht  er- 
werben, so  muss  er  die  bestimmten  Dotal-Güter  für  sich  und  seine 
Erben  vor  dem  Consistorio  unwiderruflich  verschreiben. 

Erbietet  sich  aber  jemand  die  Prediger  zu  salariren  und  die 
übrigen  kirchlichen  Lasten  zu  tragen,  und  das  auf  bestimmte  oder 
unbestimmte  Zeit,  so  geniesset  er  das  Patronatsrecht  nur  insolange, 
als  er  alles  das  leistet,  was  er  sich  einmal  anheischig  gemacht,  zu 
leisten. 

§  10.  Sollte  eine  begüterte  Gemeinde  oder  Kirchencassa  eine 
andere  Parochie  fundiren  oder  dotiren,  so  erwirbt  sich  auch  diese 
Gemeinde  oder  ihre  Vorsteher  das  verhältnissmässige  Patronatsrecht 
bei  der  von  ihr  fundirten  Gemeinde. 

§  12.  Ist  unter  einer  Familie  oder  mehreren  Mitpatronen  ein 
Streit  wegen  des  Patronatsrechts  selbst  und  kein  Theil  der  streitenden 
Parteien  wäre  in  dem  Besitz,  so  übet  solches  bis  die  Sache  bei  der 
Civilbehörde  entschieden  worden,  das  Consistorium  aus. 


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184 

§  14.  Verarmte  Kirchenpatronen  geniessen  aus  dem  Kirchen- 
vermögen solcher  Kirchen,  die  so  reichlich  dotirt  sind,  dass  sie 
mehr  Einkommen  haben,  als  zu  den  jährlichen  Kirchenbedürfnissen 
erfordert  wird,  einen  massigen  Unterhalt. 

XXV.  Abtheilung. 
Von  den  Kirchengütern, 

Articulas  I.   Von  Bethäusern,  Altären,  Vasis  sacris,  Predigerwohnungen  und  übrigen  einer 
Kirche  gehörigen  Grundstücken. 

Articulus  II.     Von  den  Kirchenstühlen. 
§   15.  Die  Predigerfrauen  und  ihre  Kinder  haben  ihre  Kirchen- 
plätze unentgeltlich,    und    ihre  Witwen   behalten   solche  solange  sie 
Witwen  bleiben    oder    ihren  Wohnsitz  nicht  verändern,  ihre  Kinder 
aber  nur  solange  als  sie  in  dem  Haus  der  Eltern  sind. 

Atticulus  III.     Von  anliegenden  Capital ien  und  allen  Gelderträgnissen. 

§  3.  Alle  Capitalien  müssen  in  öffentliche  Fonds  angelegt  werden. 

XXVI.  Abtheilung. 

Vo7i  der  Bestimmung^    Benutzung  und  dem  Erwerb  der  Kirc/iengüUr. 

§  I.  Alle  Kirchengüter  sind  nicht  zur  Sammlung  todter  Schätze, 
sondern  zur  Besoldung  der  Prediger  und  des  übrigen  Kirchenper- 
sonals, zur  baurechten  Erhaltung  der  Kirchen  und  Bethäuser,  Schul- 
und  Predigerwohnung,  zur  Unterstützung  der  Prediger- Witwen  und 
Waisen,  zur  Bestreitung  der  auf  den  Kirchengebäuden  etwa  liegenden 
bürgerlichen  Lasten  und  überhaupt  aller  bei  einem  Bethaus  und 
öffentlichem  Gottesdienst  erforderlichen  Ausgaben  bestimmt. 

§  2.  Nächst  diesen  dient  das  zu  entbehrende  Kirchenvermögen 
auch  dazu,  die  nothleidenden  Mitglieder  einer  Gemeinde  mit  etwas 
Ausserordentlichem  zu  unterstützen. 

§  3.  Ohnerachtet  diese  Kirchengüter  eigentlich  der  ganzen  Ge- 
meinde gemeinschaftlich  gehören,  so  hat  doch  kein  einzelnes  Mitglied 
derselben  einen  Anspruch  auf  deren  Privatbenutzung  zu  machen, 
folglich  kann  niemanden,  wenn  auch  auf  noch  so  kurze  Zeit,  Kirchen- 
geld vorgestreckt  oder  ein  etwaniges  Haus  oder  Grundstück  unent- 
geltlich zu  seinem  Gebrauch  eingeräumt  werden. 

§  6.  Häuser  und  Grundstücke  darf  eine  Gemeinde  aus  ihren 
vorräthigen  Geldern  nicht  kaufen,  es  wäre  denn,  dass  bei  besonderen 
Umständen  ihr  eine  besondere  Bewilligung  ertheilet  würde. 


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185 

§  lO.  Alle  Länderstellen  und  Obrigkeiten  sind  verpflichtet,  alle 
evangelischen  Kirchen  und  Bethäuser  in  dem  ruhigen  Besitz  ihrer 
Kirchengüter  und  der  damit  verknüpften  Rechte  und  Vorrechte  zu 
schützen  und  zu  erhalten. 

XXVII.  Abtheilung. 

Von  Sjntoden, 
Sollte  man  es  für  nöthig  erachten,  eine  allgemeine  oder  Pro- 
vinzial-Synode  zu  halten,  so  hat  das  Consistorium  mittels  Behörde 
die  Anzeige  der  Materien,  die  der  Gegenstand  der  Synode  sein 
sollen,  an  den  Landesfürsten  gelangen  zu  lassen,  und  von  diesem 
die  Einwilligung  dazu  einzuholen,  und  nach  erlangter  Einwilligung 
die  Superintendenten,  Senioren  oder  subdelegirten  Prediger  und 
deputirte  weltliche  Stände  oder  Vorsteher  dahin,  wo  solche  gehalten 
werden  soll,  einzuberufen  und  nach  geendeter  Synode,  wobei  immer 
Präses  Consistorii,  wenn  vom  Landesfürsten  nicht  etwas  anderes  an- 
geordnet werden  sollte,  das  Präsidium  zu  führen  hat,  alles,  was  dabei 
abgehandelt  worden,  dem  Landesfiirsten  vorzulegen. 

XXVIII.  Abtheilung. 

Von  der  gänzlichen  Erlöschung  einer  Kirchengemeinde. 

Gehet  eine  evangelische  Gemeinde,  die  ein  eigenes  Kirchen- 
vermögen besitzt,  gänzlich  ein,  so  fallen  die  Interessen  von  den  zu 
Geld  gemachten  unbeweglichen  Kirchengütern  oder  schon  anliegen- 
den Capitalien  den  zunächst  gelegenen  Gemeinden,  zu  denen  sich 
die  noch  etwa  vorhandenen  wenigen  evangelischen  Glieder  der  er- 
loschenen Gemeinde  halten,  zum  Behuf  ihrer  gottesdienstlichen  An- 
stalten verhältnissmässig  anheim.  Findet  sich  aber  in  einer  solchen 
eingegangenen  und  erloschenen  evangelischen  Kirchengemeinde  gar 
kein  evangelisches  Mitglied  mehr,  so  hat  das  Consistorium  die  ärm- 
sten Gemeinden  der  Behörde  bekannt  zu  machen  und  zu  empfehlen, 
wo  es  sodann  von  der  Gnade  und  der  Willkür  des  Landesfürsten 
abhängt,  wie  diese  Vertheilung  eingerichtet  werden  soll.  — 

Unter  dem  13.  Juni  1787  berichteten  die  Consistorien  an  die 
niederösterreichische  Landesregierung  wie  folgt:  , Nachdem  der  Ent- 
wurf einer  Kirchenordnung  sub  Praesidio  Consistoriali  und  in  pleno 
beider  Consistorien  nochmals  vorgenommen,  durchgelesen  und  recti- 
ficiret  worden  und  solchergestalt  seine  Vollendung   erreicht  hat,    so 

Jahrbuch  des  ProtestantUmut  1887.  H.  IV.  j^ 


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_186__ 

überreichen  Unterzeichnete  denselben  der  hochlöblichen  Landesregie- 
rung mit  der  Bitte,  solchen  bei  etwa  auffallenden  Mängeln  mit  gütiger 
Nachsicht  anzusehen  und  an  die  höhere  Behörde  einzubegleiten.* 
Nach  Verlauf  von  beinahe  zwei  Jahren  wurde  diese  Kirchenordnung 
den  Consistorien  zurückgestellt  mit  folgendem  Indorsaterlass  vom 
27.  Februar  1789:  ,Den  beiden  protestantischen  Consistorien  mit 
der  Erinnerung  ex  offo  wieder  zuzustellen,  dass,  da  seither  mehrere 
Verordnungen  erflossen  sind,  wonacli  im  gegenwärtigen  Entwürfe 
manche  Abänderung  angebracht  werden  muss:  so  ist  solches  bei 
den  betreffenden  Stellen  anzuzeigen,  hierauf  dieser  Aufsatz  zu  be- 
richtigen und  sohin  seiner  Zeit  wieder  an  Regierung  zu  überreichen,* 
Das  Consistorium  A.  C.  glaubte  diesem  Auftrag  gemäss  sich  auf 
die  Hinzufügung  der  nothwendigen  Zusätze  beschränken,  den  Ent- 
wurf sonst  unverändert  lassen  zu  sollen.  Das  Consistorium  H.  C. 
aber  fand  sich  jetzt  bestimmt,  seine  bereits  vor  mehr  als  Jahr  und 
Tag  durch  den  Consistorialrath  Karl  Wilhelm  Hilchenbach  fertig- 
gestellten ,  Anmerkungen  über  das  von  beiden  protestantischen  Con- 
sistorien entworfene  Kirchenrecht*,  welche  dem  Referenten  bei  der 
Regierung  nach  Einreichung  des  entworfenen  Kirchenrechts  , unter 
der  Hand*  zugestellt  worden  waren,  nunmehr  (24.  December  1789^ 
auch  dem  Consistorium  A.  C.  mitzutheilen.  Das  Consistorium  A.  C. 
beschloss  am  12.  Jänner  1790,  auf  eine  Abänderung  des  Ganzen 
nicht  einzugehen  und  nur  die  durch  Zeit  und  Umstände  nöthig  ge- 
wordenen Abänderungen  nachzutragen.  Dieser  Beschluss  wurde  am 
16.  Februar  1790  dem  Consistorium  H.  C.  mitgetheilt.  Der  vier  Tage 
später  erfolgte  Tod  Kaiser  Joseph's  brachte  die  Verhandlung  zum 
Stillstand.  Zwar  Consistorialrath  v.  Wielandt,  durchdrungen  von  der 
Ueberzeugung,  wie  nothwendig  es  sei,  dass  endlich  einmal  die  ganz 
unbelehrten  Gemeinden  und  manche  gleichfalls  nicht  viel  unterrichtete 
Prediger  mit  ihren  in  das  Parochiale  einschlagenden  Rechten  und 
Pflichten  bekannt  gemacht  werden,  unternahm  es  noch  einmal  die 
zurückgestellte  Kirchenordnung  zu  überarbeiten,  durch  seitdem  noth- 
wendig gewordene  Weglassungen  und  Zusätze  zu  rectificiren  und 
die  Materien  systematischer  zu  ordnen.  Der  ,  Neubearbeitete  Entwurf 
zum  praktischen  Kirchenrecht  für  die  Augsburgische  und  Helvetische 
Confessionsverwandten  in  den  k.  k.  deutschen  Erblanden*,  vom  Ver- 
fasser am  31.  Mai  1793  den  Consistorien  überreicht,  ist  in  folgende 
Abtheilungen  gegliedert : 


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I.   Von  den  Kirchengesellschaften. 
IL  Von  den  Kirchengesetzen  überhaupt, 

III.  Vofi  Rechtcfi  und  Verbindlichkeiten,    die  unmittelbar  aus  der 
Natur    der  evangelischen   Kirchengemeinschaft  entspringen. 

IV.  Von  den   Gemeinden,    ihren   und  ihrer  Gemeindeglieder   vor- 
züglichen Rechten  und   Verbindlichkeiten. 

V.  Von  der  Zerthcilung  oder  Zusammensiehtmg  einer  oder  meh- 
rerer Gemeinden. 
VI.  Von  der  gänzlichen  Erlöschimg  einer  bestandenen   Gemeinde. 
VII.  Vo7i  den  Kirchen  und  Bethäusern. 
VIII.  Von  der  Ordnung  bei  den  gottesdienstlichen  Handlungen,  als : 

a)  Von  der  Liturgie 

b)  Von  der  Zeit  des  Gottesdienstes 

c)  Von  den  Predigten 

d)  Von    den  Kirchengebeten,    P'iirbitten,    Gesängen   und 
Publicandis 

e)  Von  der  Taufe 

f)  Von  der  Confirmation 

g)  Von  der  Beicht  und  Vorbereitung  zum  heil.  Abendmahl 
h)  Vom  heiligen  Abendmahl. 
IX.  Von  den  Predigern  und  ihren  allgemei?ien  Pflichten. 
X.   Von  dem  Erzverb  des  Predigeramtes,  den  Erfordernissen  und 
Eigenschaften,  Wahl  und  Berufung  dazu,  der  Prüfung,  Ordi- 
nation und  Installation. 

a)  Von  den  Erfordernissen  zu  einem  Predigtamt  überhaupt 

b)  Von  den  persönlichen  Eigenschaften  eines  zum  Predigt- 
amt berufenen  Candidaten 

c)  Von  der  Wahl  zu  einem  Predigtamt 

d)  Von  der  Berufung  zum  Predigtamt 
c)  Von  der  Prüfung 

f)  Von  der  Ordination 

g)  Von  der  Installation. 

XI.   Von  den    Vorrechten  und  Einkünften  der  Prediger. 
XII.  Von  den  Predigerbesuchen  bei  Kra?iken  und  Sterbenden. 
XIII.   Vom  Verlust  des  Predigtamies,  als: 

a)  Von  der  Niederlegung  des  Predigtamtes 

b)  Von  der  Versetzung  an  eine  andere  Parochie 

c)  Von  der  Absetzung  vom  Predigtamte. 

14* 


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188 

XIV.  Von    Wilwen    und    Waisen    der   Prediger,     Vicatien,    Schul- 
lehrer und  Kirchendiener. 
XV.  Von  Vicarien. 

XVI.  Von  Schidien,  Katecheten  und  Kirchendienern, 
XVII.  Von  Freydhöfen  und  Rechten  bei  Begräbnissen. 
XVIII.  Vo7i  Kirchengütern  wid  Kirchenstühlen. 
XIX.  Von  der  Bestimmung,  Benutzung  und  Enverb  der  Kirchengüter. 
XX.   Von  der   Verwaltung  der  Kirchetigüter  durch  die   Vorsteher. 
XXI.  Vom  Kirchenpatronatrecht, 
XXII.  Von  Consistorien,  Superintendenten  und  Senioren, 

XXIII.  Vo7i  der  Kirchenvisitation. 

XXIV.  Von  Synoden, 
XXV.  Von  Ehesachen,  als: 

aj  Von  den  verbotenen  Graden   und  Dispensationen 
b)  Vom  Aufgebot  (Proclamation) 
cj  Vom  Einspruch  vor  der  Trauung 
dj  Von  der  Trauung 
e)  Von  der  Ehescheidung. 
XXVI.  Von  Kindern  aus  vennischten  Ehen. 

Da  dieses  überarbeitete  Kirchenrecht  seinem  Hauptinhalte  nach 
mit  dem  ersten  Entwürfe  sich  deckt,  so  genügt  zu  seiner  Charak- 
teristik die  Mittheilung  der  5  ersten  Paragraphen. 

§  I.  In  jedem  christlichen  Staat  sind  förmliche  und  ordentliche 
Kirchengesellschaften  eingeführt,  die  sich  nach  den  hierinnen  beste- 
henden Rechten  und  Vorschriften  zu  benehmen  haben. 

§  2.  Die  Kirchengesellschaften  bestehen  aus  Gemeinden  und 
ihren  Lehrern,  aus  vorgesetzten  geistlichen  Obern,  Bischöfen,  Consi- 
storien,  Superintendenten  und  Senioren,  je  nachdem  es  die  Religion, 
zu  der  sie  sich  bekennen,  oder  die  Landesgesetze  oder  Landesver- 
fassungen es  bestimmen. 

§  3.  Die  Religion,  zu  der  sich  eine  oder  die  andere  Kirchengesell- 
schaft bekennet,  thut  zur  Sache  selbst  nichts,  aber  dem  Staat  liegt 
daran,  bestimmt  zu  wissen,  zu  welcher  Religion  sich  jeder  seiner 
Unterthanen  bekennet  und  zu  welcher  Kirchengesellschaft  er  gehöret. 

§  4.  In  den  k.  k.  deutschen  Erblanden  theilen  sich  die  Kirchen- 
gesellschaften in  die  der  herrschenden  und  tolerirten  Religionen,  und 
diese,  nämlich  die  tolerirten,   in  die  der  A.  und  H.  C,  Verwandten 


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189 

und  der  nicht  unirten  Griechen,  von  welchen  ersteren  eigentlich 
hier  die  Rede  ist. 

§  5.  Sowie  in  protestantischen  Ländern  der  protestantische 
Landesfurst  auch  das  Oberhaupt  in  Kirchensachen  ist,  ebenso  sind 
auch  in  den  k.  k.  deutschen  Erblanden  Seine  k.  k.  Majestät  in  An- 
sehung der  Protestanten,  die  kein  anderes  Oberhaupt  der  Kirche 
anerkennen,  ihr  Oberhaupt  und  exerciren  ihre  diesfälligen  landes- 
herrlichen Rechte  über  die  Kirchen gesellschaften  der  A.  und  H.  C. 
Verwandten  theils  durch  ihre  Hof-  und  Landesstellen,  theils  aber  in 
Betreff  der  ColJegialrechte  und  dessen,  was  lediglich  in  das  Religiöse 
einschlägt,  durch  die  von  höchstdemselben  angestellten  protestan- 
tischen Consistorien  und  solchen  angeordnete  Superintendenten  und 
Senioren. 

Consistorialrath  Fock  gab  über  v.  Wielandt's  Arbeit  Folgendes 
zu  den  Acten:  , Dieser  sehr  zweckmässige  Entwurf  des  Kirchen- 
rechts, der  ein  neuer  Beweis  von  den  praktischen  Kenntnissen  und 
dem  unermüdlichen  Fleiss  des  Herrn  Consistorialrathes  v.  Wielandt 
ist,  ist  nach  dessen  Vorschlage  von  den  übrigen  Mitgliedern  des 
Consistorii  A.  C.  gemeinschaftlich  durchzusehen,  wo  es  nöthig  sein 
sollte,  zu  berichtigen,  und  dann  dem  Consistorio  H.  C.  zur  Einsicht 
mitzutheilen,  damit  dieses  schriftlich  seine  Bemerkungen  und  Gegen- 
erinnerungen darüber  oder  auch  einen  eigenen  Entwurf  für  sich 
machen  möge,  und  alsdann  die  Arbeiten  beider  Consistorien  unter 
einem  gemeinschaftlichen  Bericht  der  Regierung  zur  Beurtheilung 
eingereicht  werden  könnten.*  Dass  nach  diesem  Antrag,  mit  welchem 
sich  der  Mittelsrath  G.  Chr.  Sam.  Schmidt  einverstanden  erklärte, 
weiter  vorgegangen  und  das  als  so  nothwendig  erkannte  Normativ  der 
Allerhöchsten  Sanction  unterbreitet  worden  wäre,  darüber  schweigen 
die  Consistorialacten.  Die  erste  österreichische  Kirchenverfassung  ist 
thatsächlich  mit  Kaiser  Joseph  begraben  worden.  Aber  das  todt- 
geborene  Kind  erregt  noch  jetzt  unser  wehmüthiges  Interesse. 


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XL 

Sechstes  Verzeichniss  der  Geschenke  für  die  Bibliothek 
und  das  Archiv  der  Gesellschaft. 

(Jahrbuch,  I.  Jahrg.   1880,  S.  79—82,   174  f.;  II.  J«hrg.   1881,  S.   185  f.; 
VI.  Jahrg.   1885,  S    98;  VII.  Jahrg.  f«86,  S.  48) 

1.  Von  Oberkirchenrath  Dr.  Witz  in  Wien:  seine  Festrede  „Zur  fünfundzwanzig- 
jährigen Jubelfeier  der  Erlassung  des  A.  h.  Prot^tanten-Patentes  vom  8.  April  1861." 
Klagen  fürt  1886. 

2.  Vom  Verleger  Hugo  Klein  in  Barmen:  O.  Kallsen  „Hermann  Tast".  Barmen. 
O.  J,  —  Bernh.  Rogge:  „Zur  Erino^ung  an  die  Aufhebung  des  Edictes  von 
Nantes  am  17.  Octobcr  1685.**  Barnen.  O.  J.  —  Herrn.  Dechent:  „Die  Anfange 
der  Reformation  in  den  Niederlanden."  Barmen.  O.  J.  —  Rieh.  Weitbrecht:  „Die 
evangelischen  Salzburger."  Barmen.  O.  J.  —  „Die  Gemeinden  Galiziens  und  der 
Bukowina."  Barmen  1886.  —  Rieh.  Weitbrecht:  „Die  Vertreibung  der  Salzbur- 
ger Protestanten  1732."  Bai^men  1885.  —  A.  Colditz:  „Reformation  und  Gegen- 
reformation in  Steyr."   Barmen   1886. 

3.  Vom  Verfasser  Arnold  Dodel-Port:  „Konrad  Deubler.  Tagebücher,  Biogra- 
phie und  BriefwcciMicl  des  Bauernphilosophen."  Leipzig  1886. 

4.  Von  Regierungirath  Dr.  Ritter  von  Otto  in  Wien:  seine  Schrift  „Evangelischer 
Gottesdienst  in  Wien  vor  der  Toleranzzeit."  Wien   1886. 

„Verzeichniss  der  von  den  Mitgliedern  der  evang.  Gemeinde  A.  B.  eingehobenen 
Kirchenbeiträge."   Wien   1869,    1882. 

„Statut  der  Wiener  evangelischen  Kirchengemeinde  A.  B."  Wien   1877. 

„Vorschriften  für  die  Studirenden  an  der  k.  k.  evangelisch-theologischen  Fakultät 
in  Wien."   Wien  {2.  Aufl.)  1869  und  (3.  Aufl.)  1881. 

„Statuten  der  k.  k.  evang.-theolog.  Fakultät  in  Wien,  in  Betreff  der  Ertheilung 
der  evang.-theolog.  Würden."   Wien   1861. 

„Prüfungs-Statut  für  die  evang.  Theologen  A.  u.  H.  C.  im  Amtsbereiche  des 
k.  k.  evang.  Oberkirchenrathes."   (Wien  1873.) 

5.  Vom  Verleger  Rudolf  Roth  in  Stuttgart:  „Eugen  Schneider,  Württcmbergiscbe 
Reformations- Geschichte."   Stuttgart   1887. 

6.  Von  Professor  Dr.  A.  Kirch  ho  ff  in  Halle:  sein  „Bericht  der  Central -Commis- 
sion  für  wissenschaftliche  Landeskunde  von  Deutschland."   Berlin   1887. 


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191 

7-  Von  Alfred  Grenser  in  Wien;  Dr.  Martin  Luther's  Verlobungsring  und  Reise- 
löfifel  (2  alte  Kupferstiche).  —  Maske  des  Lutherkopfes  für  das  Wormser  Monu- 
ment von  Donndorf  und  von  Rietschel  (eine  Photographie)  nebst  zehn  diesbezüg- 
lichen Zeitungsausschnitten.  —  Verzeichniss  einer  Sammlung  von  Schriften  Luther's 
und  seiner  Zeitgenossen. 

8.  Von  Senior  Medicus  in  Triest:  Vier  silberne  Gedenkmünzen  des  Jubelfestes  der 
Reformation  am  31.  October,  und  zwar  je  eine  von  1617,  17 17,  18 17  und  eine 
der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  18 17.  —  Vier  silberne  Gedenkmünzen  der  Jubelfeier 
der  Augsburgischen  Confession  am  25.  Juni  1730,  darunter  je  eine  von  Augsburg 
und  Ulm.  —  Eine  silberne  Erinnerungsmünze  an  die  Salzburger  Emigranten  vom 
Jahre  1732. 

9.  Von  Ministerialrath  Ritter  Brunner  von  Wattenwyl  in  Wien:  Wiener  evan- 
gelisches Gemeindeblatt,  Jahrg.  1874  und  1875  (3  Nummern) ;  —  Evangelisches 
Kirchen-  und  Schulblatt,  herausgegeben  von  J.  Ergenzinger,  Jahrg.  1875 — i88o;  — 
Halte  was  du  hast.  Evangelisches  Volks-  und  Gemeindeblatt  aus  Oesterreich, 
herausgegeben  von  Lic.  Dr.  Trautenberger,  Jahrg,  1879,  188 1  ;  —  Protestantische 
Blätter  für  das  evangelische  Oesterreich.  Jahrg.  1863,  1864;  —  Der  österreichische 
Protestant,  Jahrg.  1877  (incompl.),  1878— 1879,  1882— 1884  ;  —  Oesterreichisches 
evangelisches  Sonntagsblatt,  Jahrg.   1882,   1883. 

Für  diese  Geschenke   dankt  Namens  des  Centralvorstandes  auf 
das  Wärmste 

Alfred    Grenser, 

d.  Z.  Archivar. 


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XII. 
Namenregister. 


Altpcrk  Hieron.  23. 
Avenarius  s.  Habennann. 
Ballhorn  Nikolaus  96. 
Bechtold  Jonas  106. 
Becker  Johann  65. 
Behr  Christoph  66. 
Berka  v.  Duba  109. 
Bila  Friedr.  v.  115.  121.  122. 

127. 
Birnstein  (Bimstengel)  Valentin 

lOI. 

Blümegen  Graf  155  ff. 
Böttiger  Hans  65. 
Borbonius  Matth.  116.   128. 
Boietzkj  Wenzel   116. 
Brücken thal  Frhr.  v.   148. 
Budowetz  Wenzel  v.  115.  118. 

120.   121.   122.   126. 
Bünau  V.  2.  3.  4.  5.  78. 
Bürckner  Daniel  96. 
Butterschn eider  David  36.  — 

Michel  40.  —  Anna  65. 
Carl  VI.  147. 
Czernin    Dionysius     v.     115. 

123.   127. 
Czoha  V.  43. 
Dammer  Peter  43. 
Dietrich  Lazarus   106. 
Diwisch  Nikolaus  116.  118. 
Dorn  Martin  109. 
Drobitz  Jakob  31. 
Dröschl  Johann  65. 
During  Josua  108. 
Dwofetzk}^    Prokop    v.     I15. 

127. 


Egelthan  Andreas  5.  29. 

Ellingk  Augustin  41. 

Erasmus  98. 

Etzelt  Valentin  65. 

Eyser  Marcus  30.  —  Christoph 

Ferber  Georg  10.  29. 

Fiedler  Jakob   108. 

Flader  Georg  104. 

Fock  189. 

Förster  Friedrich  108. 

Francke  Kaspar  65. 

Frenzel  Franz  108. 

Friedrich  II    148. 

Frischeisen  Georg  98. 

Fritsch     Matth.     9.     26.     — 

Hans  40. 
j  Fürgang  Sebast.  96.  —  Joh. 
1      Sebast.  99. 
'  Gabler  Johann  107. 
I  Geipel  Adam  Adolf  105. 
I  Georg  Friedr.  119.  122.    128. 
I  Gleichenberg  Adalb.   v.  10. 
I  Götzel  Wolfg.  98. 


Greulich  Paul  36. 
Grieshammer  Otto  Bernh.  iii. 
Grimm  Kaspar  100. 
Günther  Wolfg.  106. 
Gurck  Johann  iii. 
Habermann  43.  —  (Avenarius) 

Johann  98.   104. 
Hacke  Matthäus  109. 
Hagel  Johann  34. 
Harrant   Christ,  v.   115.    121. 

122.   126. 


Hartmann  Joh.  u.  Paul    108. 
Haselmeyer  Johann  102. 
Hauenschild  Georg  117.  120. 

121.  122.  123.  127. 
Hay  Joh.  Leop.  v.  169. 
Heineke  v.   156. 
Helfenburg  Albin  v.  27. 
Hendschl  Matthias  66. 
Henne  Gustav  Adolf  105. 
Herlich  Georg  36. 
Hermann  Joseph  75. 
Herschel  B.  10.  25  27. 
Hessler  Raphael  65. 
Hirschfeld  Wilh.  8.  10.  26.  63. 
Hochstätter  Joh.  96.  —  Joh. 

Adam  99. 
Hofe  Johann  v.   100. 
Hohenberg,  die  Herren  v.  45. 
Hohenfeld  Rudolf  v.  51. 
Holfeld  Jakob  36. 
Hoschtäleck  Maxim.  115.   123. 

127. 
Hoslauer  Wolfg.   115. 
Hoyos  J.  B.  Frhr.  (Gral) 

53.  55 
Hübner  Martin   31.  —   Hans 

43- 
Hurdalek  Joseph  171. 
Jäger    Matthias  65.    —    Kle- 

mens  Adam  100. 
Jessenius  Johann  115  ff. 
Jörger  Christoph  Frhr.  v.  45. 

—  Helmhard  52. 
Joseph  II.  129.  149.  153  ff. 
Kamaryt  Joh.    116.  128. 


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193 


Kaplif  Kaspar   v.    115.    122. 

126. 
Karban  Lukas  Il6. 
Kaunitz  Fürst  129. 
Kautzky  171. 
Kehl  Georg  42. 
Kekula  Albrecht  62. 
Khun  Martin  136. 
Kiessling  Joh.  Tob.  148. 
Kindermann  Ritter  ▼.  Schal- 
stein 162. 
Klinser  Andreas  7.  33. 
Kluge  Dionys  65. 
Knorr  Christoph  100. 
Kober  Christoph  115. 123. 127. 
Kochan  Valentin  115.  123. 127. 
Kohant  Joseph  162. 
Kohlschatter  65. 
Kölbel  V.  Geissing,  die  Herren 

2.  3.  6.  8.  62. 
Koldltz  Timo  v.  80. 
Kolowrat  Albrecht  v.  79.  — 

Graf  173. 
Konetzschlumsk^      Wilh.     v. 

115.  122.   127. 
Kotzour   Andreas     116.    123. 

127. 
Kowan  Anna  v.  79. 
Kozel  Heinrich  116.  123.  127. 
Krause  Balthasar  165. 
Kreutziger  Kaspar  13.  14.  16. 

19  ff. 
Kriesche  Jakob  9. 
Kriner  Georg  5.  9. 
Kubin  Joseph   116.  128. 
Kuntze  Jakob  65. 
Kuttnauer  Joh.   116.  123.  127. 
Lange  Andreas  99. 
Lampadius  Max  Ludw.  Bruno 

112. 
Langenberg  Joh.  41. 
Langenberger  Joh.  65. 
Liechtenstein  Fürst   113.  114. 

"7. 
Lippach  David  Xi6.  117. 


Lobkowitz    Christ.    Popel    v. 

21.  —  Wilh.  Popel  V.  114. 

115.  120.  128. 
Loss  Heinr.  Otta  v.  115.  122. 

127. 
Luck  119.   128. 
Lysthenius  (List)  Georg  100. 
Major  Augustin  108. 
Maltzan    Joachim,    Beruh,  u. 

Georg  V.  79. 
Margelik   156. 
Maria  Theresia  147. 
Matthias  Kaiser  124. 
Mauczka  Franz  162. 
Medier  Nikolaus  96. 
Melander  114. 
Metzborg  v.  165. 
Michttlowitz  Dion.   v.  33.  — 

Bohusl.    V.   115.    123.    127. 
Migazzi   154. 
Moller  Joh.  36.  65. 
Morus  Andreas  100. 
Muldener  Georg  106. 
Nagel  155. 
Netter  Peter  4.  6. 
0(h)lischer  Jerem.  10 1. 
Pasta  Georg  43 
Patck  18. 

PaUelt  Christoph  66. 
Peöka  Paul  116.  128. 
Pezolt  Matthias  43. 
Pietipesky  Felix  Wenzel  115. 

120.  128. 
Pilari(c)k  Stephan   104. 
Piscatoris  Georg  27. 
Pit erschwant  Raimund  51. 
Polandus    Nikolaus     96.     — 

Victorinus  99. 
Pomarius  Samuel  102. 
Porkh  Ludw.  53. 
Portenwändigs    Andreas    65. 
Prätorius  Martin  31. —  Barthol. 

107. 
Pretzschner  Paul  u.  Joh.   95. 
Prochlitz  Simon  26. 


Puschmann  Joh.  108. 
Quinos  Bruno   109. 
ftcöick;^  Georg  116.  123  127. 
Reichel  Tobias  40. 
Reinel  Kaspar  99. 
Reviczky  Freih.  v.  165. 
Rhäsus  100. 
&6an  Paul  115.  128. 
Richter  Johann  108. 
Riedel  Friedr.  Jastus  129. 165. 
Ring  Philipp  65. 
Rodinger  Paul  9. 
Rolle  Ernst  Herrn.  112. 
Röscher  Gregor  iio. 
Rosenzweig    Margaretha    66. 
Roth  Heinr.  27.  67. 
Rotte  Joh.  65. 
Rozin  Elias  116.  Il8.   128. 
Rozmital  Zdenek  Leo   v.   79. 
Rüdinger  Gottfried  102. 
Rüppel     Leander      (Andreas) 

117  flf. 
Ruper  Christoph  99. 
Sahlhausen  v.  2. 
Salaburg  Graf  147. 
Sappuhn  Georg  Heinrich  103. 
Schade  Abraham  96. 
Schedler  63. 

Scheidemantel    129.   131.  165. 
Scherzer  Joh.  Adam  99. 
Schilling  Val.  36. 
Schimann  55. 
Schindler  Christoph  65. 
Schirs  Tilmann  36. 
Schleifer  Elias  5. 
Schlick    Joach.     Andr.    Graf 

115.  118.  121.  122.  126. 
Schmidt    G.  Chr.  Sam.    189. 
Schosser   Joh.  Ernst  34  ff- 
Schulstein  162. 
Schult(h)es  Joh.  115.  123.  127. 
Schulze  Michael  64. 
Schwertforb  Joh.  48. 
Sepeczky  Andreas  160. 
Seyffert  Johann  65. 


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194 


Simon  Johann  67. 

Singer  Dan.  L.  53. 

Sixt  Joh.  Theod.  115.  Il8. 128. 

Spaignard  Gilbert  de  102. 

Stang  Tobias  13. 

Stark  Sebastian  Z03. 

Steffeck      Thomas      (Tobias) 

IIS    123.  127. 
Sepaczek  Andreas  160. 
Sternberg  Adam    v.    80.    — 

Grafen  62. 
Steyer  Kaspar  3. 
Stössel  Joh.  13. 
Sträbl  Georg  27. 
Strahlendorf    Peter    Heinrich 

Frhr.  v.  62. 
Stueler  Matthias  9. 
Suschitzky    Simon    Il6.    123. 

127. 
Sutorius  (Schuster)  David  iio. 


Swehla  Joh.   116.  128. 

Szevecsek  Georg  160. 

Tectander  (Zimmermann)  Mar- 
tin HO.  —  Heinrich  iii. 

Teyprecht  Melchior  116. 

Thaur  Hielaus  36. 

Thiclisch  150. 

Tragk  Woifg.   10 1. 

Trautmann  Barthol.  107. 

Troll  David  105. 

Türmitzky  v.  Mücheln,  die 
Herren  2. 

Uhler  Kaspar  116.  128. 

Ulbrecht  Matthes  36. 

Wagner  Tobias  65. 

Walter  Christoph  27. 

Wall(en)stein  Adam  v.  58. 
59-  77«  —  Jo^-  wnd  Beruh. 
V.  79.  80.  81.  —  Albert 
u.  Johann  v.  79. 


Wartenberg  Otto  Heinrich  t. 

66.  —  Wenzel  v.    79.  83. 
Weger  Christoph  65. 
Widmann  Michael  116. 123. 127 
Wielandt  Joh.  Andr.  v.    131. 

186.   189. 
Wild(e)nauer  97. 
Windisch  Adam  36. 
Wodniansky    Nathanael    116. 

123.  127. 
Wokäf  (Wockatsch)  116.  123 

127. 
Wosowitz  Barthol.  65. 
Wostrowetz    Hans    115.    128 
Wrschesowitz,    die  Herren  ^ 

2.  9.  10.  80. 
Zdvgta  Georg  116.   128. 
Zephel  Adam  104. 
Zimmermann   Matthias  103. 


Droek  «oa  «ilh*lm  KfiUcr    Wien.  Tl.  MolUrdf»»»  41 


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INHALT. 


Seite 
I.  Beiträge  zu  einer  Geschichte  der  Reformation  in  Böhmen.  Von  Dr.  R.  Wolkan, 

I.  Das  Dekanat  Aussig        i 

II.  Burg   Hohenberg.     (Ein   Beitrag    zur    nieder  österreichischen    Reformations- 
geschichte.) Von  Dr.  Eduard  Bdhl 45 

III.  Beiträge  zu  einer  Geschichte  der  Reformation  in  Böhmen.  Von  Dr.  R,  Wolkan. 

I.  Das  Dekanat  Aussig.  (Schluss) .' 57 

IV.  Der   Zug    der    österreichischen  Geistlichen    nach    und    aus   Sachsen.     Von 
Pfarrer  ScheuffUr  in  Lawalde  (Sachsen).  III.  (Fortsetzung) 95 

V.  Die  Execution  zu  Prag  im  Jahre  1621.  Mitgetheilt  von  JUC.  Th,  Molndr.  II.     113 
VI.  Die  erste  evangelische  Kirchenverfassung  in  Oesterreich.    Von  Dr.   Gustav 

Frank 129 

VII.  Miscellanca. 

1.  Aus  Eibenschitz.  /Dr.    TratUenberger)        147 

2.  Verfahren    der    Kaiserin    Maria    Theresia     gegen     die    Protestanten. 

(G.   Wolf) 147 

3.  Zwei  Berichte  Tobias  Kiessling's   aus  Oesterreich   1782.   (G.  Frank)     148 

4.  Statistisches  aus  Wien.  (O.) 150 

VIII.  Bericht  des  Central- Vorstandes  über  das  Vereinsjahr   1886        151 

IX.  Josephina.  (Zum  Toleranzpatent.  —  Deisten.)    Von  G^    Wolf 153 

X.  Die  erste  evangelische  Kirchenverfassung  in  Oesterreich.    Von  Dr.   Gustav 

Frank,  (Schluss) I75 

XI.  Sechstes  Verzeichniss    der  Geschenke   für  die   Bibliothek    und    das  Archiv 

der  Gesellschaft 190 

XII.  Namenregister 192 


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Das  „Jahrbuch  der  G«sell8chaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  Oest  er  reich",  welches  unter  der  Redaction  des  Präsidenten 
(Dr.  Karl  Ritter  von  Otto),  der  beiden  Vicepräsidenten (Dr.  ^//A.  Wf/*undDr.  Theodor 
Haase)  und  des  Secretärs  der  Gesellschaft  (Lic.  Dr.  Gustav  Trauten  berger)  in  viertel- 
jährigen Heften  erscheint,  behandelt  in  längeren  Original-Artikeln,  in  Referaten,  in 
Mittheilung  von  Urkunden,  in  Besprechungen  und  Notizen  Alles,  was  sich  auf  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  bezieht. 

Dasselbe  ist  von  den  Evangelischen  überall  mit  Freude  begrüsst  und  von 
der  Kritik  auf  das  Wohlwollendste  aufgenommen  worden. 

Hier  einige  Worte  aus  Recensionen: 
„Mit  dem  ersten  Doppelhefte   wird    ein    Unternehmen   eröffnet,    welches   die    leb- 
hafteste  Zustimmung   verdient Nach   dieser   Reichhaltigkeit   des  Inhalts   darf 

man  der  jungen  Zeitschrift  zu  dem  würdigen  und  verheissungsvollen  Anfang  theilneh- 
mend  Glück  wünschen  und  einen  entsprechenden  Fortgang  unter  Gottes  Segen  getrost 
in   Aussicht  stellen." 

„Auf  das  erste  Doppelheft  ist  alsbald  das  zweite  gefolgt  ....  Möge  das 
Jahrbuch  seinen  Weg  in  der  bisherigen  Weise  fortsetzen  und  die  Leser  in  und 
ausser  Oesterreich  femer  durch  so  lehrreiche,  gehaltvolle  Publicationen  erfreuen.** 

„Wie  der  zweite  Band  entspricht  auch  der  dritte  durch  die  Reichhaltigkeil  und 
Verschiedenheit  des  Inhalts  den  gehegten  Erwartungen." 

Theologisches  Litter aturblatt  (Leipzig)  i8Ht.  Nr.  20  u.  SS-    iS8j,  Nr,  jy. 

„.  .  .  Zugleich  hat  die  Gesellschaft  in  zwei  Doppelheften  den  ersten  Jahrgang 
ihres  Jahrbuches  herausgegeben,  welches  eine  Fülle  interessanter  Nachrichten  über 
die  wechselvollen  Schicksale  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  enthält.  Wir 
wünschen  unsern  österreichischen  Brüdern  Glück  zu  diesem  schönen  Anfang  und 
hoffen,  dass  die  neue  Gesellschaft  auch  im  Deutschen  Reiche  Mitglieder  und  thätige 
Freunde  gewinnen  werde.  Wirkliche  Mitglieder  sind  jene,  welche  historische 
Arbeiten  liefern  und  einen  Beitrag  von  3  fl.  jährlich  leisten,  unterstützende  Mit- 
glieder solche,  welche  wenigstens  5  fl.  jährlich,  oder  als  Gründer  einen  einmaligen 
Beitrag  von  wenigstens  50  fl.  zahlen." 

Netu  Evangelische   Kirchenzeitung  (Berlin)   t88l.  Nr.   22. 

„.  .  .  Als  erfreuliche  Frucht  der  Vereinsthätigkeit  liegen  die  beiden  ersten  Doppel- 
hefte des  Jahrbuches    der  Gesellschaft    vor,    welche    eine  Reihe    zum  Theil    höchst 

interessanter  Veröffentlichungen     enthalten Wir  wünschen  dem  so  glücklich 

begonnenen  Unternehmen,  dem  unsere  volle  Sympathie  gesichert  ist,  kräftigen  Fortgang. 
Möge  dasselbe  an  seinem  Theile  zur  Stärkung  des  evangelischen  Bewusstseins  unter 
den   Protestanten  Oesterreichs  das  Seiniye  beitragen!" 

(Prof.  Dr.  Lipsius)    Theologische  Literaturteitung  (Leipzig)  1881,  Nr,  IJ. 

Das  Jahrbuch  „für  unsere  evang.  Brüder  in  Oesterreich  gewiss  von  grösstem 
Wcrth   und  Interesse,  aber  auch  für  weitere  Kreise  sehr  zu  empfehlen"   u.  s.  w. 

Theologischer  Litteratur-Bericht  (Gütersloh)   iSSj.   Nr.   8. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger Redaction 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir  .  .  .  nur  wieder' 
holen.  Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evan- 
gelische Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Prote- 
stantismus wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per- 
sönliches  und  Allgemeines"   u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Messner)  Neue  Evangelische  Kirchenzeitung  (Berlin)  xSSj-  Nr»  40. 
„Es  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstätzung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treffliches 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschieh ts freund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoU  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen**    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Horawitz)  Deutsche  Zeitung,  Wien  1883^  Nr,  4103, 
,.  ,  .  Wir   verfehlen    nicht,   die   Freunde    reformations-historiscber  Forschung  auf 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen.* 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  Evangelische  Kirchenzeitung  (Greifsw.)  1883.  Nr.  48. 
„.  .  .  Es  ist  fiir  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wissen- 
schaftliche Gesellschaft   unserer   evangelischen  Kirche    aufs  Kräftigste   zu  unterstützen 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern.* 

Evangelische  Kirchcnxeitjmg  für  Oesterreich  (Bielitz)  1884,  Nr.  /. 
„.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben*   u.  s.  w. 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweiz  (Zürich)  1886.  H.  I.  S.  61. 
„Mit  Freude    begrüssen    wir    diese    weiteren  Jahrgänge    der  verdienstvollen  Zeit- 
schrift** u.  s.  w. 

(Prof.  S.-G.)   Theologischer  Litterattirbericht  (Gütersloh)  j88y,  Nr.  4. 


Zur  Nacliriclit. 

Se.   Erlaucht    der    Graf  und    Herr   von    Giech    auf  Thurnaa    bei    Kulmbach   in 
Bayern    hat    das    in    seinem  Besitz   befindliche    Porträt    des   berühmten    österreichischen 
Exulanten  Gallus  Freiherrn   zu  Rägknitz  (f  in  Nürnberg  1658)  dem  Central  vor- 
stände unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von  der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerischer 
Umrahmung.   Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften : 
^Geh  nur  davon,  ||  Sey  fromm  für  mir,  ||  Gib  Armen  hier,  ||  Ich  bin  dein   Lohn.* 
Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  I.  Mos.  12: 
„Geh  aus  deinem   Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm, 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild, 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron,* 
Der  Centralvorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,    welche    im    Archiv   unserer    Gesellschaft    (Wien,    I.    Dorotheergasse   16)    a  I  fi. 
zu  haben  ist. 


Druck  von  WUhrlra  Kühler.  Wien.  Tl.  MolUnlfr-iss«  41 

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JAHRBUCH 


der 


Gesellscbaft  für  die  Geschiclite  des  Protestanüsinas  « 


in  Oesterreich. 


Neunter  Jahrgang. 


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Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klinkhardt. 

1888. 


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JAHRBUCH 


der 


Gesellscbaft  für  die  Geschicbte  des  ProtesWismos 


in  Oesterreich. 


Neunter  Jahrgang. 

I.  Heft. 

Januar  —  März  1888. 


~»^MS.<" 


Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klinkhardt. 

1888 


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Inhalt  Yon  Heft  I. 

.Sc:- 

1.  Johann  Mathesius.  Ein  Beitrag  zur  Reformationsgeschichte  des  nordwestlichen 
Böhmens.    Von  Professor  Dr.  Loesche  in  Wien i 

2.  Extract  der  in  materia  religionis  ergangenen  k.  k,  auf  die  Gegenreformation 
im   Teschener    Gebiete   bezüglichen    Verordnungen    1692 — 1781.     Mitgetheilt 

von  Professor  R.  Fritsche j  , 

3.  Bücherschau: 

A.  Venetianer,    Die   evang.-reform.    Kirche   Cn'sto  Salvatore   zu  Triest. 

Triest  1887.  fG.  Frank) 5^ 

P.  Schlegel's  Chronik  von  Bensen.  Bensen  1887.  (G,  Loische)      ...  ;; 

4.  Bibliographie 5- 

5.  Dritte  Generalversammlung    der  Gesellschaft    für    die    Geschichte    des  Prote- 
stantismus in  Oesterreich        ; 


Zur  Beachtung. 

Wir  ersuchen  unsere  Mitglieder,  in  ihren  Kreisen  für  die  Verbreitung  d- 
Gesellschaft  thätig  zu  sein,  und  stellen  zu  diesem  Behufe  Exemplare  der  St.i:utr' 
in  gewünschter  Anzahl  zur  Verfügung. 

Laut  Beschlusses  des  Centralvorstandes  in  seiner  Sitzung  am  27.  Februar  \%^:, 
erhalten  die  Mitarbeiter  am  „Jahrbuch",  vom  fünften  Jahrgiing  (1884)  an,  nach  Erscheii.-- 
des  betreffenden  Jahrgangs  als  Honorar  pro  Druckbogen  sechzehn  Gulden  ö.  W. 

Die  Mitarbeiter  sind  allein  verantwortlich  für  den  Inhalt  und  die  Form  .i- 
unter  ihrem  Namen  im  Jahrbuch  erscheinenden  Artikel. 

Den    Mitarbeitern    werden    sechs    Gratis  -  Separatabzüge     ihrer    Arbeiten     na 
Erscheinen  des  betreffenden  Heftes  von  der  Köhler'schen  Buchdruckerei  franco  zugesendr- 
Eine  grössere  Anzahl  von  Separatabzügen   kann   nur   nach  rechtzeitiger  Verstau digiir^ 
der  Herren  Verfasser   mit   der  genannten   Buchdruckerei    (Wien,   VI.  Mollardgasse  4.1 
gegen  Erstattung  der  Druckkosten  gemacht  werden. 

Die  noch  rückständigen  Beiträge  bitten    wir  an    unsern  Cassier,    Herrn   H, 
und  Gerichts-Advocat  Dr.   Carl  Ritter  von  Sääf  (Wien,  I.  Ballgasse  6),  ehebaldig-: 
einzusenden. 

Für  das  „Jahrbuch"  bestimmte  Arbeiten,  sowie  Zuschriften  an  die  Gesellsclii! 
sind   ^An  das  Bureau  der  Gesellschaft,  Wien,  I.  Dorotheergasse  16*  zu  richten 

Der   Centralvorstand 

der  Gesellschaft  fiir  die  Geschichte  des  Protestanii^m. 
in  Oesterreich. 


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Johann  Mathesius. 

Ein  Beitrag  zur  Reformationsgeschichte  des  nordwestlichen 

Böhmens.  ^) 

Von  Professor  Dr.  LOESCHE  in  Wien. 

Während  vielen  der  Reformatoren  zweiter  Ordnung  bereits  ein 
würdiges  Denkmal  errichtet  ist,  harrt  dessen  noch  der  geistes- 
mächtige, im  Wort  und  Schriftthum  fruchtbarste  Prophet  des  wieder 
aufgedeckten  Evangeliums  in  österreichischen  Landen. 

Die  von  einem  Familiengliede  im  ersten  Lustrum  des  vorigen  Jahr- 
hunderts aus  den  Werken  des  Ahnen  musivisch  zusammengesetzte 
und  aus  sonstiger  Ueberlieferung  mit  Bedacht  bereicherte,  treuherzige 
Lebensbeschreibung  •)  des  ahen  Joachimsthaler  Lehrers  und  Kirchen- 
engels ist  zwar  bis  heut  lobenswerth,  voll  Bewunderung  und  schreckte 
alle  fHiheren  Berichte  in's  Dunkel  Allein,  abgesehen  von  dem  alt- 
vaterischen, doch  nur  den  entschlossenen  Alterthümler  anmuthenden 
Zuschnitt,  sucht  sie  nach  verschwundenen  Quellen,  die  seitdem  wieder 
aufgesprungen  sind  •) ;  und  vor  Allem :  obwohl  mitunter  so  mittheilsam, 

^)  Diese  auf  Wunsch  reröffentlichte  Skizze  bietet  im  Wesentlichen  die  beim 
Beginn  des  Studienjahres  in  der  Wiener  ev.-theol.  Facultät  von  mir  gehaltene  Antritts- 
rede. Sie  kann  sogleich  als  Programm  gelten  für  die  in  Vorbereitmig  befindliche,  auf 
bibliothekarischen  und  arthivalischen  Studien  beruhende  Monographie  über  Matheshis' 
Leben  und  Werke,  mit  Original-Urkunden. 

*)  Hm.  M.  Joh.  Mathesii  weyl.  berühmten  und  frommen  Pfarrers  im  Joachims- 
tfaal L^ensbeschreibung  |  So  da  Seine  Geburth  |  Anferziehung  |  Studia,  Beförderung  j 
Tugenden  |  Ehestand  |  Priesterlidh-Exemplarisches  Ende  |  und  was  sonst  zu  seinem 
Lebenswandd  gehört  |  Nebst  einem  Kern  aus  seinen  Schriften  in  sich  fasset  |  und 
zusammengesuchet  worden  von  Einem  Mathesischen  Nachkommen  M.  Johann  Balthasar 
Maäittiua  Pfarrer  in  Brockwits,  Dresden  |  bey  Johann  Christoph  Zimmermann  { 
1705.  -*-  Mit  dem  Bilde  des  M.  10  Bl.  u.  228  S.  Ueber  diesen  Balth.  M.  v)g^.  Jöcher^s 
CSelehrtenlexikon  3,  290;  Ergänz.  4,  990.  Er  starb  1737  als  Superintendent  in  Würzen. 

*)  So  S.  165,   der  Bericht  von   des   M.'s  Anfechtting.    Er  befindet  sich  in  der 
kgl.  Biblioth.  m  Berlin:   Drey  Predigten  Johan  Mathesii.  Nürnberg  1564. 
Jahrbuch  des  Protcstantinaut  x888.  H.  I.  1 


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dass  sie  —  unwillkürlich  an  eine  Art  der  Goethe-Forschung  erinnernd 
—  selbst  die  Leibgerichte  des  Gefeierten  der  Nachwelt  zum  ewigen 
Gedächtniss  aufbewahrt  *),  stellt  sie  bei  Weitem  zu  wenig  die  wissen- 
schaftliche, theologische  und  homiletische  Bedeutsamkeit  des  Mannes 
heraus.  Der  ehrwürdige  Dekan  Ledderhose  von  Neckarau,  seit 
Jahrzehnten  unermüdet  fiir  christliche  Unterhaltung  wirkend,  hat 
auch  Balthasar's  Arbeit  andächtig  und  liebevoll  flir's  Volk  herge- 
richtet. •)  Der  Geologe  Laube  mit  seinen  trefflichen,  nur  zu  kurzen 
Aufsätzen  ')  zum  Besten  des  materiellen  Aufbaues  von  Joachimsthal 
nach  jenem  dies  /r^7^-Brande  vor  fünfzehn  Jahren,  wie  des  geistigen 
Aufbaues  in  der  Erinnerung,  wollte  auf  den  Theologen  nicht  näher 
eingehen.  Der  Anlage  nach  das  Genaueste  und  Umfassendste,  vor- 
nehmlich in  bibliographischer  Richtung,  hat  der  , Theologe  der 
Thatsachen*,  ,der  ewige  Superintendent  der  hessischen  Kirche*  ^) 
geleistet.  Doch  ist  er  über  die  Vorarbeiten,  die  auch  nicht  ohne 
Unrichtigkeiten,  nicht  hinausgekommen.  Pfarrer  Abraham  in  seinen 
verdienstlichen  Jubiläumsblättern  *)  will  nur  den  treuen  Schüler 
Luther's  schildern.  Die  Artikel  in  den  Sammelwerken  lohnen  nicht 
immer  das  Aufschlagen.  *) 

So  ist  der  noch  zu  Gebote  stehende  Stoff  zu  gross,  um  nicht 
einen  umfassenden  Neubau  zu  fordern.  An  tausend  Predigten  liegen 
gedruckt  ')  vor,  in  welche  autobiographische  und  andere  das  Arbeits- 
feld   erhellende   Mittheilungen   in  willkommenem   Reichthum    einge 


^)  S.  Ii8.  —  ')  Das  Leben  des  M.  Johann  \fathesius,  des  alten  Bergpredigers  im 
St.  Joachimstbal,  Heidelberg  1849. 

«)  Aus  der  Vergangenheit  Joachimsthais.  Prag  1873.  Separat- Abdruck  aus  den 
„Mittheil.  d.  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen."  —  *)  Kirche  und 
Welt  oder  die  Aufgaben  des  geistlichen  Amts  in  unserer  2^it.  Gesammelte  pastoral- 
theologische  Aufsätze  von  Dr.  A.  F.  C.  Vilmar.  1873.  Gütersloh.  2,  247 — 363,  mit 
Ergänzungen  und  Berichtigungen  von  Pfarrer  Müller.  —  *)  J.  M.,  der  treue  Jünger 
Luther's.  Wittenberg  1883. 

«)  Grosses  Universal- Lexikon  aller  Wissenschaften  und  Künste.  19.  Bd.  1739. 
S.  2ii6f.  Jöcher  a.  a.  O.  3.  Bd.  1751.  S.  289  f.  Ergänz.  9.  Bd.  1813.  S.  989.  Allgem. 
Deutsche  Biogr.  Bd.  20.  1884  von  Ledderhose.  Ganz  besonders  unbefriedigend:  Plit! 
in  der  R.  E.  2.  Aufl.  9.  Bd.  398. 

7)  Eine,  zur  Krönung  Maximilian's  1562,  ist  mir  handschriftlich  in  der  Wiener 
Hofburg-Bibliothek  Vol.  VII.  N.  11.580  begegnet,  deren  Druck  ich  bis  jetxt  nicht 
wahrgenommen.  —  Erwähnenswerth  ist  auch  der  Posten  in  der  Kammerrechnung 
Maximilian's  im  Juni  1570,  ebd.  Cod.  Ms.  N.  9089:  Beuelch  Irer  Khay.  Ms.  etc.  Johanni^ 
Mathesii  Erben  welliche  Ir.  Maj.  etc.  ain  schönne  Inluminirts  Hausspostill  verert  geben 


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ordnet  sind.  Dazu  gesellt  sich  des  Mathesius  Joachimsthalische  Chronik 
an  seiner  Sarepta,  leider  in  lakonischer  Kürze,  im  Lapidarstil ;  ferner 
die  an  ihn  gerichteten  Briefe  *),  zu  denen  nun  auch  eine  ganze  Reihe 
von  ihm  ausgegangener  treten.  Bis  jetzt  sind  nur  drei  Briefe  des 
Mathesius  gedruckt,  an  Joh.  Marbach '),  an  einen  Magister  Caspar ')  und 
an  seinen  CoUegen  Frank  *).  Ausserdem  werde  ich  veröffentlichen  : 
aus  der  Gothaner  Schatzkammer  ^)  die  an  Paul  Eber  und  Melanthon; 
die  aus  der  CoUectio  Camerariana  in  München;  die  Correspondenz 
mit  dem  Juristen  und  Vorsteher  der  Wiener  Hofbibliothek  Caspar 
Nydbruck  •) ;  die  Zeilen  an  den  Leipziger  Professor  Donatus  Cami- 
tianus  in  der  Annaberger  Kirchenbibliothek;  sowie  endlich  die  an 
Caspar  Peucer  und  Joh.  Gigas,  welche  die  Wallenberg'sche  Kirchen- 
bibliothek in  Landshut  i.  Schi,  hütet.  Wie  immer  Briefe  ein  unschätz- 
barer Gewinn  sind  für  den  Biographen,  weil  sie  meist  in  dem  Inner- 
sten des  Schreibers  lesen  lassen,  so  auch  diese.  Naiv  und  geistvoll, 
humoristisch  und  wuchtig,  bang  und  siegesgewiss  athmen  sie  den- 
selben Geist  wie  die  Predigten.  Sie  lohnen  die  nicht  ganz  geringe 
Mühe  der  Entzifferung;  die  an  den  geliebten  Meister  Philippus 
erinnernde,  doch  undeutlichere  Handschrift  verschlechtert  sich  noch 
durch  zunehmendes  Alter  und  Rheumatismus  im  Arm,  so  dass  für 
die  Presse  Amanuenses  herbeigezogen  wurden  '). 

Zu  der  epistolaren  Fundgrube  kommen  die  erst  zum  Theil  verwer- 
theten  Documente  und  Nachrichten  aus  den  Missiv-  und  Copialbüchern 
sowie  den  Rathsprotokollen  im  Joachimsthaler  Magistrats-Archiv ;  aus 
den  Copulations-  und  Todten-Matrikeln  in  der  dortigen  Dechantei  ®) ; 
schliesslich  sind  auch  herbeizuziehen  die  handschriftlichen  Chroniken 


80  Taller  —  90  fl.  40  kr.  —  Dies  Exemplar  ist  jedenfalls  das  noch  heut  auf  der 
Hof-Bibl.  befindliche  (21.  C.  18),  mit  colorirten  Holzschnitten.  Diese  Ausgabe  ist  auch 
bei  Vilmar  nicht  notirt.     Schon  die  i.  Ausgabe  1565  war  Maximilian  gewidmet. 

1)  Bei  de  Wette;  Corpus  Reformator,  und  Supplement  v.  Bindseil;  Krause, 
Koban  ^ess.  2,  195.  —  ')  In  Fechtii  histor.  eccl.  seculi  XVI  suppl.,  Durlach  1694. 
pg-  '3'  —  ')  Beilage  zum  Corp.  Ref.  VI,  251,  N.  2,  3581  a.  —  *)  In  dem  Bericht  über 
seine  Schwachheit;  vgl.  oben  S.  i,  Anm.  3.  —  «)  A.  123.  —  8)  Vol.  VI,  S.  71. 
Briefwechsel  mit  N.  9737  i.  e.  k.  —  '')  Vgl.  z.  B.  Brief  an  Nydbruck  9737,  k.  fol. 
167.  Die  Handschr.,  die  ich  bisher  von  den  gedruckten  Werken  des  M.  in  Rochlitz, 
Nürnberg,  Wien  gesehen,  sind,  wie  jene  Krönungspredigt,  von  Amanuenses  geschrieben. 

')  Herrn  Bürgermeister  Dr.  med.  Langhans  und  Herrn  Dechant  Lindner  möchte 
ich  bei  dieser  Gelegenheit  meinen  Dank  fUr  ihr  freundliches  Entgegenkommen  aus- 
sprechen; nicht  minder  Herrn  Pfarrer  D.  Enders  in  Oberrad,  der  zuerst  mich  auf  jenes 
Archiv  aufmerksam  gemacht. 

1* 


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von  Seltenreich,  dem  Stadtschreiber  *),  Miesl  *),  [Wüst')  und  Böhm*)], 
sowie  die  Acten  des  k.  k.  Statthalterei-Archivs  Prag. 

Vfel  ist  verloren.  Die  Städte  und  Acten  des  Erzgebirges  sind 
fast  alle  einmal  und  öfter  von  Feuersbrünsten  heimgesucht  worden. 
Anderes  wurde  während  der  Gegenreformation,  hier  von  Freunden, 
dort  von  Feinden,  beseitigt;  die  klösterlichen  Waschküchen  haben 
viel  BrennstofiF  verbraucht.  *)  Vielleicht  am  schmerzlichsten  ist  der 
Verlust  eines  Tagebuches  des  Mathesius;  er  schreibt  nämlich  am 
15.  Juni  1550  an  Paul  Eber  ®),  dass  er  in  den  von  diesem  verfessten 
historischen  Kalender  ')  Vieles  aus  seiner  und  der  Seinigen  Ge- 
schichte einzutragen  pflege.  ') 

Wie  Martin  der  Einzige  gehörte  auch  Mathesius  dem  Sachsen- 
stamme an,  welcher  zuerst  sieghaft  gegen  die  römische  Sklaverei 
sich  erhob  und  damit  bewährte,  dass  die  vom  grossen  Karl  so  grausig 
niedergetretene  Urkraft  noch  immer  zu  höchsten  Thaten  sich  erstraffen 
konnte.  Zwar  war  in  dem  Beruf  von  Johann's  Vater  sein  Wirken 
als  Fundgrübner  nicht  in  gleich  wunderbarer  Weise  symbolisirt. 
\vie  bei  Hans  Luther.  Aber  das  meissnische  Rochlitz  %  wo  er  am 
Täufertag,  21  Jahre  nach  dem  Reformator,  in  einem  durch  Theurung 


^)  In  Joachimsthal;  sie  reicht  bis  1580,  wurde  von  anderer  Hand  fortgesetzt  bis 
160 1  und  hat  noch  einige  Notizen  zu  1655  u.   1669. 

>)  Im  böhmischen  Museum  zu  Prag,  aus  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts.  M.  war 
k.  k.  Oberamts-Actuarius  in  J.  Er  berichtet  meist  in  fortlaufender  Erzählung,  ron 
Beginn  bis  1545  mit  seitenlangen  Auszügen  aus  Mathesius,  in  dessen  Lebensdaten  die 
tollste  Verwirrung  angerichtet  ist.  Die  verheisscne  Fortsetzung  und  ein  oft  dtirtcs 
Buch  mit  Urkunden  ist  verschwunden.  Die  anderen  im  Museum  aufbewahrten  J.  Acten 
kommen  für  uns  nicht  in  Betracht. 

»)  „Geschichte  der  freien  kgl.  Bergstadt  Set.  J.«  vom  k.  k.  Bergrath  Wüst.  c.  1813 
im  Archiv  der  k.  k.  Berg-  und  Forst  Verwaltung  in  J.,  reicht  bis  1545.  Sie  meint, 
erst  1517  sei  J.  protestantisch  geworden,  als  Martin  Luther  vom  Geist  der  Geilheit  und 
Ehrfurcht  (sie !  statt  Ehrsucht,  Worte  Miesl's)  getrieben,  abtrünnig  wurde.  W.  versucht 
einige  Correcturen  der  Sarepta,  die  in  eigenthümliches  Licht  treten  durch  die  auf 
15  Zeilen  über  M.  gebotenen  falschen  Nachrichten.  —  *)  c.  1862  aus  Sareptu  und  Miefl 
in  der  Dechantei.  —  »)  Vgl.  dies  Jahrbuch  II,  65.  —  •)  A.  a.  o.  S.  242.  —  ^  Ueber 
diesen  vgl.  Strobel's  neue  Beiträge  I,  156.  —  s)  Die  glücklichen  Finder  von  Hdschrfm 
des  M.  werden  um  gef.  Mittheilung  gebeten. 

•)  Vgl.  Heine's  Chronik  der  Stadt  R.  Leipzig  17 19.  Heine'«  Chronik  wird 
ergänzt  und  fortgesetzt  in  der  des  R.  RathsthÜrstehers  Büttner,  gest.  wohl  1783,  welche 
kürzlich  auszugsweise  aus  dem  Manuscript  veröffentlicht  wwrde,  in  „Vereinigtes  Wochen- 
blatt für  Rochlitz«  1887,  N.  116  fr.  —  Chronik  der  Stadt  Rochlitz  und  Umgegend. 
Hrsgg.  von  Bode  1865. 


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5 

und  grosses  Sterben  dem  Chronisten  bedeutungsvollen,  in  die  Welt 
trat,  war  doch  auch  eine  Bergstadt.  Man  fand  hier  Silber  und  Kupfer, 
und  mit  dem  Rochlitzer  bunten  Marmelstein  war  die  Wittenberger 
Thesenkirche  gepflastert.  Der  alte  Wolfgang  Matthes  war  Senator 
und  wohlhabender  Gewerke,  wir  würden  sagen,  Actionär  an  jenem 
nur  kurz  blühenden  Bergbau.  Es  gereicht  dem  Sohn  zu  besonderer 
Genugthuung,  berichten  zu  können,  dass  der  Vater  nicht  nur  mit 
Lust  in  einer  deutschen  Postille  gelesen,  sondern  auch  eine  ganze 
deutsche  Bibel  ersehnte.  Er  hielt  sogar  auf  die  Frage,  weshalb  er  für 
die  Seinigen  keine  Seelenmessen  halten  lasse,  nicht  zurück  mit  dem 
scharf  gespitzten  Ausdruck  des  Zweifels  an  deren  Wirkung.  Trotz 
solcher  evangelischer  Keime,  deren  auch  die  Beginen  ausstreuten, 
welche,  seit  lange  in  ketzerischem  Verdacht,  ihre  sittliche  Würde 
in  diesen  Gegenden  besser  zu  wahren  gewusst  *),  musste  noch  viel 
Wasser  in  die  Mulde  fliessen,  ehe  die  Wahrheit  siegte.  Für  sie  wirkte 
hier,  als  in  ihrem  Witwensitz,  erst  Herzog  Georg's  Schwiegertochter 
seit  1537.  *)  Der  Aberglaube  scheint  daselbst  in  besonders  heidnische 
und  zugleich  cynische  Formen  sich  gekleidet  zu  haben. 

Anders  wie  Luther,  dessen  Eltern  der  Prügel-Pädagogik  huldigten, 
durfte  Mathesius  an  den  milden,  mit  Güte  lockenden  Vater,  dank- 
bare Erinnerung  pflegen.  Ueber  die  gewiss  früh  verblichene  Mutter 
schweigt  die  Ueberlieferung.  Um  so  beredter  lobt  sie  die  Gross- 
mutter, welche  ihrem  begabten  Enkel  durch  neun  Jahre  einen  Haus- 
lehrer hielt,  obwohl  er  die  Schulen  besuchte,  erst  im  Heimatsort, 
dann  in  dem  benachbarten  Mittweida,  das  uns  heut  nahe  steht  als 
Geburtsstadt  Tzschirner's  —  welcher  des  Wieners  Schröckh  Riesen- 
werk fortsetzte  —  sowie  des  Niederwald-Künstlers  Schilling.  Noch 
in  den  Knabenschuhen  stehend  wurde  Johann  Zubusseinnehmer 
daheim  bis  zum  Tode  des  Vaters.  Dieser  hatte  sein  Vermögen 
verloren;  wir  vernehmen  plötzlich,  dass  der  Sohn,  wiederum  in 
Mittweida,  lediglich  von  Almosen  erhalten  wird.  In  solcher  Armuth 
theilte  er,  als  Nürnberger  Schüler  seit  dem  Jahr  des  Wormser 
Triumphes,  Luther's  Jugendschicksal,  als  Partekenhengst  mit  seinem 


1)  Uhlhorn,  Die  christliche  Liebesthätigkeit  im  Mittelalter.  1884.  3S5,  389. 

<)  In  den  noch  heute  die  Stadt  malerisch  überragenden  ThÜrmen  des  RochliUer 
Schlosses  schmachteten  Georg  Major  und  Caspar  Peucer  und  konnten  den  von  dem  Chro- 
nisten Melchior  Mathesius  aufbewahiten  Volkswitz  an  sich  erproben:  Wer  die  Rochlitser 
Jupcn  an  hat,  der  erfriert  nicht,  auch  fressen  ihn  nicht  die  Wölfe.   Bode,  a.  a.  O.  32. 


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schönen  Gesang  hausiren  zu  gehen  *),  obwohl  ein  Vetter  Rector  an 
St.  Sebaldus  war.  In  Nürnberg  musste  sein  Horizont  sich  erweitern. 
Erreichte  doch  dies  deutsche  Venedig  —  das  Auge  und  Ohr  Deutsch- 
lands —  damals  seine  Sonnenhöhe  in  merkantiler,  politischer  und 
künstlerischer  Beziehung.  Noch  nicht  lange  war  Adam  Krafft  ver- 
blichen, der  so  lebendig  wahr  und  innig  Scenen  aus  dem  Leben 
des  Heilandes  gemeisselt.  Vor  wenigen  Jahren  hatte  Veit  Stoss  sein 
berühmtestes  Marienwerk  geschnitzt,  voll  Wärme  und  Anmuth; 
Peter  Vischer  das  Sebaldus-Denkmal  vollendet,  in  der  geistreichen 
Vereinigung  des  gothischen  Stils  und  der  Renaissance-Formen;  hatte 
Albrecht  Dürer  seine  zweite,  wohl  fruchtbarste  und  vielseitigste 
Periode  abgeschlossen,  der  Schüler  Michael  Wohlgemuths,  welchem 
das  bis  heut  berühmte  Altarbild  der  Rochlitzer  Kunigundenkirche 
zugeschrieben  wird.  Damals  mag  ein  Gemälde  Dürers  den  Mathesius 
bewegt  haben,  durch  das  er  nach  fast  einem  halben  Jahrhundert 
in  einer  Leichenpredigt  die  Dogmatik  illustrirt.  *)  In  Dürer  •)  und 
seinem  vertrautesten  Freunde,  dem  glänzenden  mäcenatischen 
Humanisten,  dem  stürmischen  Satiriker  Wilibald  Pirkheimer  *)  trat 
das  reformatorische  Element  dazu.  Sie  standen  der  Staupitzianischen 
Gesellschaft  nahe,  dem  auserlesenen  Kreis,  der  sich  um  die  Kanzel 
des  geistlichen  Vaters  und  Förderers  Luther's  schaarte,  wenn  diesen 
seine  Generalvikars-Pflichten  in  die  Stadt  führten.  Luther  hatte  hier 
auf  der  Reise  nach  Augsburg  gerastet.  Den  ,Martinianem*  nahm 
der  Dichter  -  Schuster  das  Lob  aus  dem  Mund,  welches  er  in  der 
Wittenbergisch  Nachtigall  durch  Berg  und  Thal  klingen  liess,  so 
frisch  und  frei  wie  keins  der  schulgemässen  Bars  und  Stollen.  •') 
Das  einst  mit  Rom  und  Köln  wegen  seiner  , Frömmigkeit*  in 
Parallele  gesetzte  Nürnberg  «)  war  eine  der  ersten  deutschen  Städte, 
welche  die  reformatorische  Lehre  annahm  und  durchführte.  Manche 
der  Werke  des  Mathesius  sind  hier  gedruckt ;  noch  heut  bewahrt  das 
Germanische  Museum  ein  kostbares  Andenken  an  ihn,  in  Gestalt 
des   Codex  seiner   Niederschriften  von  Luther's  Tischgesprächen. ') 

*)  Ueber  das  traurige  Loos  eines  solchen  Buben  verdient  die  ergreifende  Schilderung 
verglichen  zu  werden  in  der  nach  Mathesius'  Einführung  einsetzenden  Vorrede  Nikol. 
Herman's  zu  den  Historien  von  der  Sündfluth.  1562.  —  •)  Leychpredigten,  1559. 
Nnn.  2b,  Syr.  (1589)  3,  57b.  —  »)  Zucker,  A.  D.  1887.  —  ^)  Friedrich  Roth,  WUibald 
Pirkheimer.  1887.  —  »j  Rudolf  Gen6e,  Hans  Sachs*  Leben  und  ausgewählte  Dichtnnges 
1888,  S.  13.  —  «jRoth,  a  a.  O.  S.  47,  vgl.  auch  desselben:  Einführung  der  Refor- 
mation in   Nürnberg.  1885     —    'j  Hdschr.  20,  994 --20,  996  von  Fol.  499  b — 599  h 


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Von  Nürnberg  wanderte  der  Jüngling  auf  die  noch  junge  aber 
schnell  emporblühende  Universität  Ingolstadt,  eine  der  untergegan- 
g^enen  Hochschulen,  auf  die  kürzlich  Riggenbach  *)  wieder  hinwies. 
Sie  war  damals  schon,  nach  dem  Wunsch  ihres  hochgesinnten  Stifters, 
Ludwig  des  Reichen,  eine  Hauptpflegerin  des  Humanismus.  Hier 
hatte  Urbanus  Rhegius  gewirkt,  dessen  Namen  seinen  Charakter 
bezeichnet^  der  spätere  Reformator  Lüneburgs ;  Hubmaier,  der  dann 
als  Täuferapostel  bei  Wien  den  Scheiterhaufen  besteigen  musste. 
Noch  gehörte  ihr  an  und  beherrschte  sie  der  grosse  Klopffechter 
Dr.  Eck,  dessen  bezahlter,  scrupelloser  und  eitler  Fanatismus  die 
verheissungsvoUe  Schöpfung  schnell  zu  Grunde  richtete.  Mathesius 
dürfte  Zeuge  der  Tragödie  Seehofer's  gewesen  sein,  der,  nach 
Melanthon's  Heften  docirend,  zum  Widerruf  genöthigt  wurde,  wor- 
auf Argula  von  Grumbach,  von  ihrem  Vater  in  Luther's  Schriften 
und  die  Bibel  geführt,  der  gesammten  Universität  den  Fehdehand- 
schuh hinwarf  und  sie  zu  einer  Disputation  herausforderte*). 

In  München  konnte  er  —  ohne  wirklich  Nahrhaftes  zu  finden 
—  seinen  Lesehunger  stillen  in  Diensten  der  Bibliothek  eines  Herrn 
vom  Hofe.  Er  erfuhr  hier  die  Wahrheit  des  Spruches:  Kinder  und 
Narren  reden  die  Wahrheit;  denn  der  Hofnarr  Löfifler  wurde  ihm 
ein  Prophet  auf  Luther ').  So  ist  der  bayrische  Freudenmacher  in 
den  Annalen  der  Reformationsgeschichte  verewigt  wie  der  be- 
rühmtere Friedrichs  des  Weisen ;  gewiss  ist  durch  Klaus  Narr,  dessen 
Schwanke  mehrmals  gedruckt  wurden^  Luther  in  der  Widmung  an 
Amsdorf  vor  dem  Appell  an  den  christlichen  Adel  zu  dem  Scherz 
veranlasst  worden,  er  wolle  auch  einmal  Hofnarr  werden.  Eine  Frau 
Cotta  fand  Mathesius  in  der  Nähe  von  Augsburg  auf  dem  Schloss 
Adelshausen,  wo  er  mehrere  Jahre  als  Informator  weilte.  Dort  be- 
kam er  im  Jahre  der  Freilassung  der  Stände  auf  dem  Speyerschen 
Reichstag  auch  den  ihn  befreienden  Sermon  Luther's  von  den  guten 
Werken  in  die  Hand;  diesen  für  Laien  geschriebenen,  zu  einem 
sittlich-christlichen  Leben  anweisenden  Tractat,  zugleich  eifernd  gegen 
die  Wölfe  in  Schafskleidern ;  die  erste  eingehende  Ausfuhrung  über 
das  Verhältniss  von  Glauben  und  Werken  in  einer  deutschen  Schrift, 
in  welcher  Luther  sein  Bestes  niedergelegt   zu  haben  hoflfte*).     Da 

*)  Untergegangene  deutsche  Universitäten.  1887.  —  *)  Seehofer  von  Mathesius 
erwähnt  in  seiner  Luther-Historie.  5.  Pred.  —  «)  Flögel,  Geschichte  der  Hofnarren. 
1789.  212.    —    4)  Köstlin,  Luther.  I.  308  f. 


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8 

ward  ihm  sein  Ds^mascus;  er  bekennt,  nun  erst  den  Anfang  seines 
ChristentlHinis  erlernt  zu  haben.  Die  JerichchPosaunen  dessen,  der 
mehr  als  Josua,  aus  demselben  Jahre  des  Sermons  haben  damals 
sdn  Ohr  nicht  erreicht ;  daher  er  ihrer  in  den  Lutherfaistorien  *) 
nicht  in  hervorragender  Weise  gedenkt.  Wie  wenig  seine  neue 
Stimmung  ein  jäh  aufloderndes  und  ebenso  rasch  in  sich  ver- 
sinkendes Strohfeuer  war,  beweist,  dass  er  Schritt  vor  Scteitt  vor- 
anrückt, unermüdlich  den  grossen  Wundermann  und  theuren  deutschen 
Propheten  in  seinen  Werken,  in  seinem  Hause  studirt.  Dessen  erstes 
Bekenntniss  vom  Abendmahl  entdeckte  er  bei  dem  Pfarrer  Weixner 
zu  Brück  an  der  Ammer,  der  ihn  ein  ganzes  Jahr  in  seiner  Wohnung 
mit  Stube,  Tisch  und  sehr  guten  Büchern  versorgte.  Besondere  Stär- 
kung gewann  er  auch  durch  den  persönlichen  Verkehr  mit  Dr.  med. 
Petrus  Widmann,  später  in  Königgrätz.  In  der  Vorrede  zu  den 
Leychpredigten  rühmt  er  ihn  öffentlich :  mit  dem  ich  über  30  Jahre 
beständige  Freundschaft  gehalten,  drum  dass  er  mich  erstlich  in 
Bayern  zur  reinen  Lehre  brachte;  und  in  einem  Brief  an  Paul  Eber  •) 
empfiehlt  er  diesem  auf's  Angelegentlichste  des  Verstorbenen  Sohn. 
Es  hielt  ihn  bald  nicht  mehr  in  Bayern,  er  machte  sich  au(  nach 
Wittenberg.  Trotz  Entbehrungen,  trotz  Gefahren  von  Wassern,  Ge- 
fahren von  Mördern  langte  der  Wanderer  im  Protestationsjahr 
glücklich  im  Mittelpunkt  der  Weltbewegung  an.  Sofort  am  Tag^e 
nach  der  Ankunft  hörte  er  Luther  predigen,  dessen  kurzen  und 
seligen  Bericht  von  der  Taufe,  die  verleugnet  war  von  Allem,  was 
im  Pabstthum  der  rothen  Braut  von  Babylon  Malzeichen  und  Brandmal 
angenommen,  wird  er  nicht  vergessen,  so  lange  er  Athem  im  Leibe 
hat').  Dank  einem  Rochlitzer  Stipendium  lebte  er  hier,  wenn  aach 
begcheiden,  doch  nicht  in  Sorgen  um  das  Nöthigste,  in  inniger 
Freundschaft  tüchtigen,  emporringenden  Männern  gesellt.  Für  die 
geistige  Diät  war  der  Tisch  überreich  gedeckt  mit  theologischer  und 
humanistischer  Kost.  Er  hörte  Luther  in  vierzig  Wochen  die  22 
letzten  Capitel  im  Jesajas  anlegen:  ,aus  dieser  Lection  bin  ich  oft- 
mals voller  Trost  und  Freude  heimgekommen* ;  Dr.  Pomcranus 
exegesirte  die  Korintherbriefe,  über  die  auch  Mathesius  später  163 
Predigten  herausgab ;  Justus  Jonas  Psalmen.  Aurogallus  las  hebräische 
Grammatik  und  hätte  in  den  Reden  dieses  Schülers  reiche  Früchte 
seiner  Unterweisung  gewahren  können.  Melanthon  trieb  den  Römer- 

i)  2.  Pred.  —  »J  A.  a.  O.  254.  —  »)  Luther-Historien,  Pred.  7. 


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9 

brief,  Dialektik  und  Rhetorik,  daneben  wie  Tulichius  Cicero;  Vach 
Virgil,  Caspar  Cruciger  Terenz;  wie  unzählige  Male  begegnen  wir 
diesen  Alten  in  der  Joachimsthaler  Kirche!  Ohne  das  Studium  der 
Alten,  bekennt  Mathesius,  würde  er  die  gemalte  und  figürliche  Art 
und  Weise  der  biblischen  Sprache  vielfach  nicht  verstanden  haben ;  doch 
drückt  er  jene  wieder  nieder,  indem  er  der  philonischen  und  kirchen- 
väterlichen Naivität  folgt,  dass  bei  den  merkwürdigen  Parallelen 
die  Männer  der  Antike  nur  biblische  Geschichten  carikirt  hätten: 
die  guten  Leute  haben  wohl  läuten  hören,  aber  nicht  zusammen- 
schlagen. Auch  Realien  trieb  der  Bergstadtssohn  in  unbewusster 
Vorbereitung  auf  sein  sareptanisches  Wirken.  Volmar  las  Theorie 
der  Planeten,  Mülich  Himmelskunde;  auch  Paul  Eber  pflegte  natur- 
geschichtliche Interessen  *).  Es  musste  dabei  nicht  wenig  spornen,  von 
einem  Luther  zu  hören,  es  sei  ein  gewaltiger  Irrthum,  wenn  man 
meine,  die  Philosophie  und  die  Kenntniss  der  Natur  seien  für  die 
Theologie  unnütz  *).  Mathesius  scherzt  später  einmal  in  einem  Briefe '), 
dass  schon  sein  Name  ihn  zur  Mathematik  dränge.  Freilich  waren 
ja  damals  diese  physikalischen  Studien  überwiegend  philologische  *), 
vorzugsweise  auf  genauer  Erforschung  der  Alten  beruhend ;  aber  die 
»Reinigung  der  Texte  der  alten  Quellen  rief  die  ersten  Anfänge 
besserer  Naturerkenntniss  hervor*  und  ihre  Durcharbeitung  kam  dem 
Mathesius  trefflich  zu  Statten,  als  er  später  als  Bergprediger  der 
Empirie  sich  widmen  konnte.  —  Manche  seiner  Lehrer  wurden 
seine  Freunde,  wie  die  Briefe  an  Melanthon  und  Eber  beglaubigen. 
Nicht  lange, .  kaum  ein  Jahr,  war  ihm  vergönnt,  der  Constella- 
tion  so  erlauchter  Namen  sich  zu  freuen ;  denn  im  Jahre  der  Augs- 
burger Confession  wurde  er  Lehrer  an  der  Altenburger  Schule,  um 
schon  nach  zwei  Jahren  zum  Rector  im  böhmischen  Joachimsthal 
aufzusteigen,  wo  er  sein  Lebenswerk  finden  sollte.  Sein  Vorgänger, 
Petrus  Plateanus,  war  einem  Ruf  als  Professor  der  Rhetorik  in  Mar- 
burg gefolgt.  Es  lohnt  sich  in  mancher  Richtung,  einen  Blick  auf 
den  merkwürdigen  Ort*)  zu  werfen. 

*)  Sixt,  Paul  Eber,  1843  ^^^^  «857.  Mathesius  verspricht  ihm  1552  Erzstufen  als 
Lehrmittel  zu  senden;  Brief  an  ihn,  a.  a.  O.  251.  —  •)  Köstlin,  a.  a.  O.  i,  475.  — 
')  Gothan.  Mnscr.  83.  —  *)  Geiger,  Renaissance  und  Humanismus  1882.  494  f-  — 
*)  Mathesius'  Sarepta,  1571.  Vorrede.  Pred.  9,  Anf.  u.  Fol.  n7  a,  n8  a  b.  Pred.  12,  Anf. 
Laube,  a.  a.  O.  und  die  von  ihm  genannten  Quellen,  namentlich  Sternberg,  Umrisse  einer 
Geschichte  des  böhm.  Bergbaues.  1836—38.  i,  312—428.  Hering,  Gesch.  d.  sächs.  Hochl. 
1828.  I,  322.  381.  2,  23.  28.  Kapper  und  Kandier:  Das  Böhmcriand.  1865.  Mit  Dlustrat. 
Schlesinger,  Gesch.  Böhmens.  2.  Aufl.  Prag  1870.    434,  36,  47.  526,  28,  33,  43.  ^53« 


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10 

Joachimsthal,  etwa  zwei  Meilen  von  Karlsbad,  genannt  nach 
dem  edlen  evangelischen,  auch  von  Luther*)  mit  Briefen  und  der 
Widmung  einer  Schrift  beehrten  Grafen  Joachim  von  Schlick  •),  wel- 
cher das  Gebiet  zu  Lehn  erhalten,  und  zugleich  nach  dem  Heiligen, 
sodass  es  zur  heiligen  Familie  der  Bergstädte ")  gehörte,  romantisch 
die  Thalschlucht  sich  hinab  lagernd,  zählte  erst  sechszehn  Lenze. 
Im  Anfang  des  Jahrhunderts  ein  armseliges,  zur  Herrschaft  Schlacken- 
werth  gehöriges  Dörfchen,  unter  dem  Namen  Conradsgrün*),  war 
es,  Dank  seiner  unsichtbaren  Welt,  emporgeschossen,  wie  —  nach 
Laube's  Vergleich  —  in  unseren  Tagen  Städte  in  Amerika  und 
Australien.  Die  Fremden  wurden  an  Prag,  Bologna,  Padua,  Erfurt 
gemahnt. 

Man  erzählt,  das  Silber  wuchs  an  mehreren  Stellen  zu  Tag  her- 
aus und  bildete  förmlich  Zapfen,  sodass  man  es  mit  Meissein  ab- 
schrotten  konnte.  Nächst  dem  gräflichen  Schlosse  Freudenstein  auf 
überragender  Höhe  —  in  dessen  Ruinen  noch  heut  der  Feuerwächter 
thront  und  die  Schichtzeiten  abläutet  —  fand  man  beim  Fällen  der 
Bäume  gediegenes  Silber  in  die  Wurzeln  hineingewachsen.  1520 
zählte  die  nun  freie  Bergstadt  bereits  an  ICXX)  Zechen,  8000  Berg- 
leute, 800  Steiger  und  400  Schichtmeister.  Schon  seit  dem  Jahr 
vorher  wurden  vom  eigenen  Münzamt  Schlickenthaler  geprägt,  die 
bald  in  Joachimsthaler  umgetauft  wurden.  Also  die  in  Deutsch- 
land, in  Dänemark  und  den  Vereinigten  Staaten  Nordamerikas  an- 
genommene Münzbezeichnung  ist  aus  diesem  engen  Thal  in  Cors 
gesetzt,  wenn  auch  die  vorzüglichere  Etymologie  auf  das  in  der 
mittelalterlichen  Münzsprache  gebräuchliche  Talenter  fuhrt*). 

Der  märchenhafte  Silbersegen  von  Schneeberg  schien  sich  hier 
zu  wiederholen.  Aber  die  Berge,  von  denen  die  ewige  Hilfe  kommt, 
den  Reichthum,  welchem  Diebe  nicht  nachgraben,  hat  erst  Mathe- 
sius  voll  und  ganz  diesen  Schatzgräbern  erschlossen ;  denn  wesentlidi 
durch  ihn  nahm  die  , Metropole  des  böhmischen  Erzgebirges*   einen 


1)  Köstlin,  a.  a.  O.  i,  664.  —  <)  [„Zur  ältesten  Geschichte  der  Schlick«  vgl. 
GradI,  Jahrbuch  der  k.  k.  heraldischen  GeseUschaft  „Adler<<  in  Wien.  XIII.  Jahrg. 
und  die  Quellen  daselbst.]  —  *)  Mit  Marienberg,  Jöhstadt  (Josefstadt),  Annaberg. 

^)  Das  Königreich  Böhmen.  Ein  historisch-statistisch-topogr.  Handbuch.  1840. 
2  Bde.  Die  Zusammensetzung  mit  ^Grün*'  ist  sehr  beliebt;  allein  im  Elbogener  Kreis 
an  fünfzig  Mal.  —  ^  Rückblick  auf  Annabergs  und  seiner  Umgebungen  Vorzeit.  Anna- 
berg  1855.  2.  Hfr.  67.  79.  Klotzsch,  Kursächs.  Münsgeschichte.  1779.  201. 


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11 

Ehrenplatz  ein  unter  den  Burgen  des  Protestantismus  wie  unter  den 
Culturstätten.  Zwar  war  er  nicht  der  erste  Lichtbringer ;  Joachims- 
thal war  fast  von  Anbeginn  protestantisch.  Die  Verbreitung  des 
Evangeliums  ging  allerdings  in  Böhmen  ungeachtet  der  hussitischen 
Wegbahnung  nicht  so  rasch  vor  sich  als  in  Oesterreich.  Aber  der 
Bergbau  in  diesen  Gegenden  beruhte  ausschliesslich  auf  deutschem 
Fleiss;  da  die  Zahl  der  einheimischen  deutschen  Arbeiter  massig 
war,  zogen  aus  den  benachbarten  deutschen  Ländern  viele  gewiegte 
Bergmänner  in's  böhmische  Gebiet ;  mit  ihnen  kam  der  Protestantis- 
mus. Elbogen  erfreute  sich  schon  1523  einer  protestantischen  Kirchen- 
ordnung. Der  Erzpriester  des  Elbogener  Kreises,  Thusl,  hatte  sich 
zuerst  der  neuen  Thalgemeinde  annehmen  wollen  und  »einen  Fuss 
in  die  Kirche  setzen*,  wie  sich  auch  die  benachbarten  Klöster  bei 
den  Herren  Schlicken  bewarben,  ihnen  neue  Niederlassungen  zu 
gestatten.  Doch  hat  jener  Archidiakon  von  Falkenau  nie  im  Thal 
residirt,  sondern  nur  eine  kleine  Zeit  Vicare  daselbst  gehalten  und- 
>die  römischen  Ceremonien  sich  unterfangen  anzurichten.  Dieweil 
aber  der  Schwan  begann  in  Sachsen  zu  singen  .  .  .,  berathschlagt  der 
fromme  Herr  Graf  Stephan  Schlick  mit  seinen  Herren  Brüdern  und 
Vettern,  wie  man  den  Erzpriester  dahin  vermögen  möchte,  dass  er 
sich  dieser  Gemein  gütlich  verziehe.  Darauf  ist  ihm  etlich  Geld  er- 
legt worden.  Also  ist  durch  die  Herren  Schlicken  das  jus  patronatus 
und  Bestellung  dieser  Kirchen  neben  anderen  Privilegien  und  Frei- 
heiten dem  Rath  und  Knappschaft  . . .  eingeräumt.  Da  nun  durch 
das  Concil  zu  Basel,  dieser  löblichen  Krone  zu  Behem,  auch  her- 
nach durch  aufgerichte  Compactata  und  Verträge  den  Hussiten  ver- 
möge des  Herrn  Jesu  Christi  Wort  und  Einsetzung  bewilligt  und 
zugelassen  ward,  sich  des  Abendmahls  des  Herrn  nach  dem  Befehl 
des  Sohnes  Gottes  und  Exempel  der  ersten  Kirchen  seliglich  beider 
Gestalt  zu  gebrauchen,  ist  mit  zeitigem  Rath  bedacht  worden,  die 
rechte  Austheilung  des  hochwürdigen  Abendmahls  einzuführen.  Also 
ist  diese  Kirche  anfanglich  zum  rechten  Brauch  des  Abendmahls  kom- 
men. Weil  aber  des  Erzpriesters  Vicarien  im  Lehrampt  säumig  waren 
und  es  wohl  Strafens,  Lehrens,  Berichts  und  Vermahnung  bedurfte 
bei  dieser  neuen  Gemein*,  machte  der  Rath  von  seinem  Patronats- 
recht  Gebrauch,  und  fing  an  die  Prediger  zu  berufen  *).  Nur  allmäh- 
lich hat  sich  ein  echt  lutherisches  Kirchenwesen   auswirken  können; 

*    Sarepta,  Predigt  12,  Anf. 


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12 

erst  mit  Mathesius  gewann  es  rechten  Bestand.  Doch  zunächst  kam 
er  nicht  als  Pfarrer,  sondern  als  Rector.  Wo  das  Evangelium  züadete, 
wurde  der  Jugendunterricht  alsbald  eine  Herzensangelegenheit.  Nicht 
als  ob  Luther's  gewaltiger  Weckruf  an  die  Rathsherren  der  deutschen 
Städte  aus  Nichts  hätte  Schöpfungen  erstehen  lassen  *).  Niedere  und 
höhere  Schulen  gab  es  allenthalben;    wir  hören  1470  die  Mahnung 
eines  Theologen :  man  soll  die  Kinder  frühzeitig  zur  Schule  schicken 
bei   ehrbaren   Meistern;    wir   haben   verschiedene   Nachrichten   über 
fleissigen  Besuch  und  einen  geachteten  Lehrerstand  und  gegen  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  zog  unter  dem  Einfluss  des  Humanismus  naehr 
die  gelehrte  Richtung  in   die  Schulen   ein.    —    Das  Gründungsjahr 
der  Bildungsstätte,    deren   Rectorat   der   28jährige  Mathesius   über- 
nahm,   ist  nicht  genau   zu  ermitteln,    da  die  alten  Acten  auch  hier 
wieder  verbrannt  sind.     Vogl*)  hat  wohl  Recht  mit  der  Annahme, 
dass  sie  schon   damals   eine  Lateinschule  gewesen.     Mathesius  war 
der    siebente    Rector    und    hatte    gewiss    wenigstens    fünf  Lehrer 
unter  sich.     Der  Ruf  der  Anstalt  verbreitete   sich  bald  durch  ganz 
Deutschland;    das  Gebäude   wurde   bereits   im   nächsten   Jahre  vcr- 
grössert,  binnen  Kurzem  ein  Haus  des  Grafen  Schlick  bezogen  «nd 
wiederum  an  dieses  ein  Anbau  nöthig.     Eine  Liberey   fehlte  nicht; 
sie  enthielt  sogar  einige  Kostbarkeiten  •).  Des  neuen  Schulmonarchen 
Regierung  wird   durch  zwei  Momente  hinreichend   gekennzeichnet; 
er  führte   trotz  manchen  Spottes  darüber  den  Katechismus  ein  und 
liess  griechische  und  lateinische  Comödien  spielen.  Letzteres  nament- 
lich  war  damals   weit  und  breit   im  Schwange,  und  Terenz  der  er- 
klärte Liebling. 

Luther  hatte  die  dramatischen  Aufführungen  gebilligt,  sowohl 
zur  Uebung  im  Sprechen  der  alten  Sprachen,  als  wegen  der  Weis- 
heits-  und  Sittensprüche  in  den  classischen  Dramen,  Melanthon  em- 
pfahl besonders  das  Studium  des  Terenz,  dieses  Lehrers  des  Lebens 

*)  Geiger  a.  a.  O.  387,  vgl.  auch :  Kämmel,  Geschichte  des  Schulwesens  in  dem 
Uebergange  vom  Mittelalter  zur  Neuzeit.  1882.  —  *)  Die  alte  Lateinschule  in  Joachims- 
tlifll   in  ^Mittheil.  d.  Vereins  för  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen''.  1871.  164. 

•)  Vogl,  Die  Liberey  von  Joachimsthal.  Ebd.  1872,  215.  Die  Bibliothek  ist 
mm  grossen  Theil  erhalten.  Herr  k.  k.  Adjunct  Naaff  hat  begonnen,  einen  peinlich 
genauen  Zettelkatalog  anzufertigen,  den  er  hoffentlich  vollenden  wird.  Durch  Ablöencg 
von  Vorblättern,  die  wohl  durch  Feuchtigkeit  des  früheren  schlechten  Aufbewahrungs- 
ortes an  den  Deckel  geklebt  waren,  hat  er  werthvoUe  Aufschriften  enthüllt;  so  na- 
mentlich ein  Gedicht  des  Johann  Major. 


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13 

und  der  Rede ;  fast  kein  Buch  sei  würdiger,  in  aUer  Hände  zu  sein 
als  Terenz ;  die  auf  Philipp's  Namen  ruhende  kursächsische  Schul- 
ordnung von  1528  fuhrt  von  Aesop  über  Terenz  zu  Plautuö.  In  der 
ersten,  unter  dem  Einfluss  des  Humamsmuis  und  der  Reformation 
entstandenen  Schulordnung,  der  der  Lateinschule  zu  Nördlingen, 
wird  für  die  erste  Nachmittagsstunde  Terentius  vorgeschrieben  *) ; 
ebenso  im  Lyceum  des  Joachimsthal  benachbarten  Annabei^, ')  Aber 
auch  die  Auflührung  von  Terenzischen  Comödien  wurde  in  den 
Schulordnungen  lebhaft  befürwortet.  Unzählige  Male  schmückt  Ma- 
tbesius  seine  Predigten  mit  Gtaten  aus  Terenz,  der  eben  als  der 
rechte  Sittenlehrer  zumal  für  die  Jugend  galt.  Auch  im  Uebrigen, 
in  der  Wahl  der  Lehrgegenstände  und  der  Eintheilung,  dürfte  sicli 
Mathesius  nach  Melanthon's  Visitationsbüchlein  gerichtet  haben.  Als 
echter  christlicher  Pädagog  fühlte  er  sich  wie  für  die  Köpfe  auch 
für  die  Seelen  der  Schüler  verantwortlich;  kein  Wunder,  dass  er, 
wenn  auch  strenge  Zucht  haltend"),  ihre  Sympathie  gewann  und 
wie  ein  Vater  geliebt  wurde.  Das  Schulmeistern  war  ihm  solche 
Freude,  dass  er  es  lange,  nachdem  er  ihm  Valet  gesagt,  seinen 
Söhnen  als  den  fast  erstrebenswerthesten  Beruf  hinstellte  *).  Der  Ma* 
gistrat  erkannte  indessen,  dass  dieser  Rector  die  Kanzel  noch  mehr 
zieren  würde,  als  das  Katheder.  Sobald  der  Diakonat  vacant  wurde, 
wählte  man  ihn  zum  Ersatzmann. 

Dieser  weilte  damals  (1540)  auf  Urlaub  in  Wittenberg,  zur  Fort- 
setzung seiner  theologischen  Studien,  Dank  der  Freigebigkeit  eines 
Vaters  seiner  Zöglinge,  der  ihn  zum  Actionär  an  seinen  Zechen 
gemacht.  Vielleicht  hatte  ihn  der  schon  im  Jahre  vorher  aufge- 
tretene Plan,  ihn  zum  Prediger  zu  wählen,  aufs  Neue  auf  die  Schüler- 
bank getrieben.  Er  genoss  diesmal  die  ausserordentliche  Auszeich- 
nung, Luther's  Tischgenosse  zu  werden,  mehr  als  das,  sein  Ver- 
trauter. Auch  ihm  ward  der  Tag  der  Gcmst  ein  Tag  der  Ernte.  Er 
kaufte  die  Spanne  unter  Anderem  aus  zur  Aufzdchnung  von  Luther's 
Tischgesprächen  nach  eigenem  Anhören  und  Anderer  Mittheilungen  *). 
Der  kleine  Codex  wird  noch  seine  Rolle  spielen  bei  der  endgiltigen 

1)  Die  Reformation  im  Spiegelbilde  der  dramatischen  Litwfttur  des  sechssehnten 
Jahrhimderts  von  Hugo  Holstein.  1886»  20.  26,  $$.  35.  37.  —  •)  Spiess,  Unterricbts- 
weise  des  Lyceams  zu  Annaberg  (1533—1835).  Schulprogramm.  1856.  —  •)  Vgl.  Ma- 
thesius' Syr«u:h  (1589).  2,  35,  —  <)  In  den  Leychpredigten,  seinen  Kindern  gehalten. 
—  »)  LutherHistor.  Pred.  12. 


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14 

Lösung  des  Problems  der  CoUoquia,  das,  wie  Nippold  kürzlich  be- 
merkte *),  fast  so  verwickelt  geworden  ist  wie  das  synoptische,  und 
seinen  Beitrag  liefern  zu  der  schon  von  Mathesius  ersehnten  Zu- 
sammenarbeitung der  Wittenberger  Tage  und  Nächte,  welche  in  der 
Weimaraner  Luther-Ausgabe,  wenn  auch  vielleicht  erst  nach  zehn 
Jahren,  zu  erwarten  ist '). 

In  Betreff  der  Predigerberufung  haben  wir  noch  fünf  Schreiben 
des  Rathes  in  einem  Joachimsthaler  Missivbuch ').  Schon  im  November 
1540*)  wird  eine  Deputation  des  Magistrats  unter  Führung  des 
Bürgermeisters  an  Mathesius  abgeordnet,  mit  einem  Schreiben  des 
Magistrats  *),  um  das  Nöthige  zu  besprechen.  Wahrscheinlich  ant- 
wortete Mathesius,  er  wolle  erst  noch  weiter  Theologie  studiren 
und  stehe  dann  zur  Verfügung.  Auf  den  Bericht  der  Gesandten 
schreibt  *)  der  Rath  nach  Weihnachten  ^),  er  bitte  um  Entschuldi- 
gung, dass  er  nicht  früher  geantwortet,  aber  der  Graf  —  der  zwar 
nicht  Patron  war,  aber  doch  wohl  nicht  umgangen  werden  durfle  — 
sei  abwesend.  Im  Februar  *)  des  folgenden  Jahres  ergeht  die  erneute 
Berufung ")  mit  beigefugtem  Schreiben  des  Grafen  Hiernonymus 
Schlick  und  des  Pfarrers  Steude  "). 

Doch  drohte  eine  neue  Verzögerung.  Pfalzgraf  Philipp  bei  Rhein, 
Herzog  zu  Bayern,  hatte  sich  an  Melanthon  gewendet  und  einen 
Theologen  zur  ,Anrichtung  seiner  Kirchen*  erbeten.  Melanthon 
wusste  keinen  Geeigneteren  als  Mathesius  vorzuschlagen  und  bat 
dessen  Patronat  um  Urlaub  auf  ein  Jahr. 

Dafür  war  indessen  der  Rath  nicht  zu  haben ;  da  die  Gemeinde, 
gottlob!  gross  und  weitläufig  und  ein  zusammen  versammelt  Volk. 
sei  er  noch  eines  gelehrten  und  verständigen  Prädikanten,  dessen 
Lehre,  Wesen  und  Wandel  ihnen  bekannt,  zum  höchsten  noth- 
dürftig  '»)• 

Ebenso  berichtet  er  unter  demselben  Datum  ")  dem  Mathesius 
und  meldet  ihm  gleich  Wagen  und  Pferde  an  zum  Abholen  in  den 
späteren  Osterfeiertagen.    Am  Dienstag  nach  Palmarum  erfolget  der 


*)  Theolog.  Jahresbericht  5,  195.  —  ')  Ich  hoflFe  diese  M.-Niederschriften  mit 
Benützung  von  Seidemann's  Copie  und  Noten  herauszugeben.  —  ')  1541 — 42,  fol.  i. 
12  b.  41b.  73  b.  47  b.  48  b.  —  *)  An  Allerheiligen.  —  «)  A.  a.  O.  fol.  i.  — 
•)  A.  a.  O,  12  b.  —  *)  Dienstag  nach  Natalis  Domini.  —  ®)  Freitag  nach  Valen- 
tinus.  —  »)  A.  a.  O.  41b.  —  ")  Vgl.  Sarepta  (1561)  136.  —  ")  A.  a.  O.  fol.  48  b. 
—  ")  A.  a.  O.  47  b;  vom  Mittwoch  nach  Reminiscere. 


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15 

letzte  Brief  als   Begleiter   des   Gespanns  *).     Mittwoch  nach  Judica 
war  der  Candidat  von  Luther  ordinirt. 

Die  grosse  Joachimsthaler  Kirche  —  zwei  kleine  Capellen  waren 
schon  vorhanden  —  die  Thalschlucht  beherrschend  auf  der  Anhöhe 
nach  Osten  gelegen,  war  vor  acht  Jahren  angefangen  zu  bauen ;  nach 
drei  Jahren  konnte  sie  bereits  eingeweiht  werden ;  mit  Stolz  fügt  die 
Chronik  hinzu,  dass  man  keine  fremde  Hilfe  in  Anspruch  genommen. 
Ganz  vollendet  wurde  sie  erst  sehr  allmälig.  Das  im  Archiv  be- 
findliche , Rechnungsbuch  über  den  Kirchenbau*  geht  bis  zum  Jahre 
1540')  und  danach  noch  werden  von  Seltenreich*)  bis  1573  Mo- 
mente der  Fertigstellung  erwähnt :  das  Setzen  von  zehn  Pfeilern  *), 
die  Herrichtung  des  Tafelwerkes  und  eines  neuen  Predigtstuhls  *)  die 
Bemalung  •).  Allerdings  mag  das  im  Jahre  des  Augsburger  Religions- 
friedens  in  der  Kirche  ausgekommene  Feuer  —  ein  Symbol  davon, 
dass  Joachimsthal  dessen  Segnungen  nicht  lange  geniessen  sollte  — 
manches  schon  früher  fertig  Gestelite  wieder  zerstört  haben.  Die 
Kirche  war  ein  beachtenswerthes  altdeutsches  Baudenkmal,  nament- 
lich wegen  der  frei  schwebenden  Decke.  Es  wird  erzählt,  dass 
wegen  der  Schachte  die  Tiefe  des  Fundaments  der  Höhe  der  Kirche 
entspricht.  Der  Altar  war  mit  Gemälden  von  Lucas  Cranach  ge- 
schmückt, für  die  in  neuerer  Zeit  die  höchsten  Summen  geboten 
wurden.  Nun  ist  die  alte  Herrlichkeit  durch  jenen  fürchterlichen 
Brand  vor  fünfzehn  Jahren  zerstört,  worüber  der  im  Innern  über- 
raschend schöne  Neubau  den  Freund  des  Mathesius  nicht  trösten 
kann.  Die  alten  Grundmauern  sind  stehen  geblieben.  Ueber  dem 
westlichen  Portale  ist,  überragt  von  dem  Medaillon  des  alten  Grafen 
Stephan  Schlick,  in  Initialen  in  Stein  gemeisselt  das  Distichon :  Hunc 
pietas  regisque  favor  atque  inclita  virtus  orbarunt  vita  conjuge  et 
imperio.  D.  Stephanus  Schlick,  Comes.  Z.  G.  an.  1526.  Aetatis  40. 
Auch  über  dem  nördlichen  Haupt-  und  östlichen  Seitenthor  befindet 
sich  je  ein  Medaillon,  ersteres  einen  männlichen,  letzteres  einen  weib- 
lichen Kopf  darstellend.  Die  darunter  angebrachten  Inschrifttafeln 
enthalten  aber  keinen  Text.  Wen  diese  Porträts  darstellen,  ist  un- 
bekannt.   Schliesslich  prangt  noch  oberhalb  einer  kleinen  westlichen 

*)  A.  a.  O.  fol.  73  b.  —  >)  Daselbst  werden  bis  Sonnabend  nach  Estomihi  für  den 
Kirchenbau  als  ausgegeben  verzeichnet:  14.824  fl.  8  Groschen  3Va  ^r.  Die  Localsage 
berichtet,  das  Rathhaus  habe  Vi  Kreuzer  weniger  gekostet.  Der  jetzige  Neubau  belief 
sich  auf  lio.ooo  fl.  —  •)  A.  a.  O.  —  -*)  1564.  —    »)  1566.  —  «)  1573. 


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16 

Seitenthüre  ein  in  Stein  gehauenes  Wappenschild,  welches  einen 
Theii  des  Schlick'schen  Familienwappens,  ein  Dreieck  mit  drei 
Ringen  zeigt. 

Schon  in  dem  Jahre  vor  Luther's  Hinscheiden,  in  welchem 
die  Schlicks  das  Lehn  an  die  Krone  abtreten  mussten  und  Pfarrer 
Steude  in  Folge  dessen  resignirte,  wurde  der  Diakon  zum  Pfarrer,  also 
ersten  Geistlichen  mit  der  Superintendenz  über  benachbarte  Orte  wie 
Gottesgab,  Mariasorg  und  Platten  *)  gewählt.  Zwanzig  Jahre  lang  hat 
er  hier  die  frohe  Botschaft,  wie  er  sie  verstand,  mit  ungewöhnlicher 
Kraft  und  Fülle,  mit  bewundernswerther  Beredtsamkeit  gepredigt, 
dieselbe  in  immer  neuer  Gestalt  und  Einkleidung,  derselbe,  mit  pau- 
linischer  Schmiegsamkeit  Allen  Alles  werdend.  Er  war  weitaus  der 
bedeutendste  sämmtlicher  Geistlichen  des  Ortes  vor  und  nach  ihm. 
Mehrere  waren  nur  kurze  Zeit  geblieben;  der  eine  weicht,  weil  er 
durch  Irrlehren  Aergerniss  erregt;  andere,  weil  sie  den  Aufstand 
der  Bergleute  nicht  bezwingen  können,  ein  dritter,  weil  eine  katho- 
lisirende  Strömung  ihm  das  Heiraten  nicht  zulässt  *). 

Die  Gemeinde  war  eine  besonders  schwierige,  eine  ebenso  gedul- 
dige als  weise  und  feste  Leitung  erfordernd.  Wie  hätte  sie  auch  anders 
sein  können  1  Viele,  die  nur  schnell  reich  werden  wollten,  strömten  her- 
bei, viel  gebrochene  Existenzen,  viel  Gesindel.  Das  leicht  Gewonnene 
wurde  oft  schnell  verschwelgt;  der  Völlerlei  folgten  Verbrechen,  Meu- 
chelmord durch  Kobalt  u.  A. ;  das  ,rothe  Buch*  im  Archiv  mit  den 
Criminalfallen  weiss  davon  zu  berichten;  Wucherer  nahmen  lO  bis 
20V0  ').  Zu  der  socialen  Bewegung  kamen  elementare,  Feuersbrünste 
und  Erdbeben  und  vor  Allem  die  religiöse,  welche  durch  Auftreten 
der  Täufer  noch  verwickelter  wurde.  Im  October  des  Jahres  von 
Mathesius'  Rectorats-Antritt  ermahnt  Luther  —  darum  angegangen  — 
die  Grafen,  ein  fleissig  Auge  auf  die  Rottengeister  zu  haben  *) ;  drei 
Jahre  darnach  verzeichnet  der  Chronist  die  Verweisung  eines  ,  Wieder- 
täufers*. Je  länger  je  mehr  kamen  die  Dinge  in  ein  ruhigeres  Fahr- 
wasser, zw^eifellös  zum  grossen  Theil  Dank  der  Führung  des  neuen 
Steuermannes.  Drei  Jahre  vor  seinem  Tode  kann  dieser  die  inhalts- 
schweren Worte  eintragen :  ,in  den  vergangenen  vierzehn  Jahnen 
ist  hier  gottlob  kein  Totschlag  geschehen*,  wobei  freilich  in  Betracht 

*)  Vgl.  Vogl:  Kirche  und  Schule  in  der  kaiserl.  Bergstadt  Platten.  1882.  — 
«)  Ueber  die  Vorgänger  vgl.  Sarepta,  Predig.  12,  fol.  136.  —  »)  Bei  Wüst,  a.  a,  0. 
zu  154 1.  —  *)  Köstlln,   a.  a.  O.  2,  327. 


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17 

zu  ziehen,  dass  das  Aufhören  des  leichten  Erwerbs,  das  Nachlassen 
des  Bergreichthums,  auch  die  Wirren  des  schmalkaldischen  Krieges 
die  Einwohner  geworfelt  und  das  schlinnmste  Gesindel  verspreut 
hatten.  Gleichwohl  blieb  noch  viel  zu  wünschen  übrig ;  immer  wieder 
muss  Mathesius  strafen  ^)  wegen  der  Schlemmerei,  scandalöser  Ge- 
berden, frecher  Moden  •),  Geiz,  Herzlosigkeit  gegen  das  Gesinde  "). 
Warfen  schwächliche  Freunde  ihm  vor,  dass  er  bei  solcher  Gemeinde 
aushielt,  tröstete  er  sich  wohl  mit  Korinth,  wo  doch  ein  Paulus  ge- 
predigt; auch  hatte  er  viel  Ernst,  Anhänglichkeit  und  Opferfreudig- 
keit zu  rühmen. 

Die  Kirchenordnung  *),  welche  er  in  Lehre  und  Ceremonien  con- 
form  denen  zu  Wittenberg,  Nürnberg  und  Leipzig  entwarf,  begreift 
eine  unter  diesen  Umständen  doppelt  noth wendige  Kirchenzucht,  in 
deren  Handhabung  er  vom  Rath  unterstützt  wurde.  Je  entfernter 
sie  war  von  asketischer,  die  Volksbedürfnisse  missachtender  Herb- 
heit, um  so  aussichtsreicher  fiir  dauernde  und  von  innen  heraus  sich 
gestaltende  Erfolge.  Allerdings  blieb  man  in  Ehesachen  noch  viel- 
fach in  kanonischer  Aengstlichkeit  stecken.  In  den  Kirchenbüchern 
findet  sich  eine  Reihe  von  Ehefallen  ausführlich  von  Mathesius'  Hand, 
theils  deutsch,  theils  lateinisch,  fast  levitisch-peinlich  erörtert  und  dazu 
für  seine  Amtsnachfolger  eine  Gruppe  lateinischer  Paragraphen  zur 
Nachachtung  aufgestellt  *).  Auch  das  ,Repertorium  Philippi*  wird 
um  Rath  in  besonders  schwierig  dünkenden  matrimonialen  Vorlagen 
angegangen  *),  wie  Mathesius  wiederum  von  ausserhalb,  von  seiner 
früheren  Arbeitsstätte  Altenburg  befragt  zu  sein  scheint '). 

Seine  eigene  Ehe  mit  der  Tochter  eines  Hüttenreiters,  d.  h. 
Rechnungsführers  am  Bergwerk,  im  Jahre  des  Diakonats- Antritts  ge- 
schlossen, war   eine   ideale,   gemäss  seinem  Ausspruch:    ,Der  erste 

*)  Besonders  derb  im  Syrach.  —  •)  Diese  machten  auch  anderwärts  Noth,  vgl. 
z.  B.  Bartsch,  Sfichs.  Kleider -Ordnungen  aus  der  Zeit  1450— 1750.  Annaberg  1882, 
S.  16.  Schulprogramm  N.  487.  —  >)  Ueber  Gotteslästerer  und  Gerichtsschänder 
vgl.  Seltenreich,  a.  a.  O.  zu  1552.  —  *)  Sie  findet  sich,  zugleich  Schul-  und  Spital- 
bestimmungen umgreifend,  am  Schluss  mehrerer  Ausgaben  der  Sonntags-Postille,  z.  B. 
in  der  von  1570,  ist  leider  noch  in  keinem  kirchenrechtlichcn  Werke  aufgenommen.  — 
8)  Todtcn-Matrikel,  Tom.  I.,  185  f.,  267  b,  vgl.  Raths-Protokoll  1560,  114.  —  •)  Brief  an 
Paul  Eber,  a.  a.  O.  85.  274.  Diese  Stücke  der  Handschrift  gehören  jedenfalls  zusammen, 
sind  nur  falsch  gebunden.  —  ')  In  der  gräflichen  Bibliothek  in  Wernigerode  findet  sich 
in  einem  Mengbande  in  Folio  Zd.  82,  einem  Copialbuche  mit  Reformatorenbriefen 
(Bl.  105  b),  ein  solcher  Casus  vom  Altenburger  Rector  Misenus  mitgetheilt.  Ich  ver- 
danke diese  Notiz  der  Güte  des  Herrn  Archivrathcs  Dr.  Jacobs  in  Wernigerode. 
Jahrbuch  des  Protestantiimut  t888.  H.  I.  2 


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18 

heilige  Orden  Gottes  ist  der  heilige  Ehestand* ;  ein  Aergerniss  und 
eine  Beschämung  für  die  Verlästerer  der  Priesterehe,  ein  Vorbild 
für  die  Gemeinde.  Freilich  fehlten  nicht  die  Dornen  an  den  Rosen, 
die  Dornen  von  mancherlei  Krankheit ;  namentlich  das  arme  Caspar- 
lein mit  dem  Hasenschart  und  dem  kranken  Rückgrat  war  ein  be- 
ständiges Sorgenkind  *) ;  und  vor  Allem :  der  fruchtbare  Weinstock 
selbst  welkte  in  der  Unglückszahl,  nach  dreizehnjähriger  Ehe,  dahin. 
Wilhelm  Baur  *)  hat  ihr  mit  Fug  einen  Platz  eingeräumt  in  seinem 
Panorama  evangelischer  Pfarrhäuser;  freilich  lässt  sich  das  Bild  mit 
allseitiger  Benutzung  der  Werke  des  Mathesius  viel  reicher  aus- 
gestalten, wie  es  Ledderhose  •)  bereits  unternommen  hat. 

Sibylle  war  es,  die  pietätvolle  Tochter,  welche  keine  Tracht  haben 
wollte,  die  ihre  Mutter  nicht  getragen  *),  die  hingebende  Gattin  un^? 
Mutter,  welche  ihrem  Manne  heroisch  zusprach,  als  politische  Wolken 
seinen  Horizont  verdüsterten,  bald  nach  dem  Antritt  des  Pastorates. 
Er  hatte  zu  Gunsten  seiner  Grafen  Schlick  gegen  den  Uebergan:; 
Joachimsthals  an  König  Ferdinand  gesprochen,  sogar  wohl  agitirt 
und  wurde  deshalb  sammt  dem  Magistrat  am  Tage  Nicolai  1 546  nach 
Prag  beschieden.  Mit  Zagen  betraten  sie  die  Residenz,  auf  Gefangnis> 
gerüstet;  warteten  Wochen  lang.  Doch  Ferdinand  erwies  sich  a}> 
unerwartet  milde.  Er  heischte  nicht  einmal  Unterwerfung  des  be- 
schränkten Unterthanenverstandes ;  wie  er  zeitlebens  ein  constitu- 
tioneller  Regent  war,  setzte  er  in  besonderer  Audienz  die  Gründe 
seines  Verfahrens  auseinander;  er  habe  nur  von  seinem  Recht  Ge 
brauch  gemacht,  ein  Lehn  wieder  einzuziehen;  als  Genugthuun^ 
forderte  er  nur  von  denen,  welche  durch  die  Auseinandersetzung 
gewonnen  waren,  öffentlich  davon  Zeugniss  abzulegen;  Mathesius 
solle  auch  sein  Amt  nicht  ohne  königliches  Vorwissen  mit  einem 
anderen  vertauschen.  Die  Confession  blieb  unangetastet.  Ferdinand 
war  ja  vielmehr  wie  sein  kaiserlicher  Bruder  zu  Milde  und  Duld- 
samkeit geneigt,  Angesichts  der  Misserfolge  von  dessen  entgegen- 
gesetzter, mehr  zu  spanischen  Idealen  gravierender  Politik  und  in 
der  beständigen  Bedrohung   durch    die  Orientfrage,    obwohl  er   per- 


1)  Hdschrft.  in  Gotha,  a.  a.  O.  263.  —  *)  Das  deutsche  evangelische  Pfarrhaus 
1884.  135.  —  8)  In  der  Zeitschrift:  „Das  Pfarrhaus«,  hrsg.  v.  Steinhausen.  1887 
Nr.  4.  —  *)  Leychpredigten  Rr.  —  *)  Gehässiger  Bericht  darüber  aus  J.  an  Ferdinand, 
vom  26.  October  desselben  Jahre?,  in  den  Acten  des  k.  k.  Statthalterei-Archivs  Pra^ 
den  Herr  Archivar  Dr.  Köpl  mir  gütigst  mittheilte. 


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19 

sönlich  streng  katholisch  war  und  die  innere  Restauration  der  katho- 
lischen Kirche  lebhaft  förderte,  die  Curie  und  ihre  vorgeblichen  Refor- 
men verspottend  *).  Freilich  hat  er  auch  eine  Zeit  scharfer  Edicte 
gehabt,  foltern,  köpfen  und  brennen  lassen ;  aber  je  länger  je  mehr 
war  er  in  menschlichere  und  klügere  Bahnen  eingelenkt,  eine  Bekeh- 
rung, wenigstens  Versöhnung  der  Abgefallenen  erhoffend.  Bekanntlich 
hat  er  auf  dem  Tridentiner  Concil  durchgesetzt,  dass  dem  Pabst  an- 
heimgestellt wurde,  in  einzelnen  Gebieten  der  Kirche  die  Priesterehe 
und  den  Laienkelch  freizugeben.  Durch  diese  Versöhnungspolitik 
Ferdinand's  kam  die  reformatorische  Bewegung  in  Deutschland  zum 
Stehen.  Seit  jener  Begegnung  im  Hradschin  war  Mathesius  von 
warmer  Verehrung  für  den  Monarchen  erfüllt,  welche  Beide  ziert  und 
an  moderne  Beziehungen  zwischen  Krone  und  Evangelischen  freund- 
lich gemahnt,  freilich  um  so  bitterer  empfinden  lässt,  dass  zwischen 
diesen  Fanalen  ein  dunkles  Meer  voll  Blut  und  Thränen  liegt. 

Von  den  königl.  Commissären  im  Thal  rühmt  Mathesius  in  den 
Aufzeichnungen  des  Kirchenbuchs:  ,Der  kgl.  Commissar  hat  auf 
des  Bürgermeisters  Verwendung  den  Pfarrer  dem  Evangelium  zu 
Ehren  glimpflich  und  ehrerbietig  angefraget  und  auf  seine  Aussage 
bei  seiner  priesterlichen  Würde  bleiben  lassen.  Das  rühme  ich  dem 
ehrlichen  Mann  zu  Ehren  und  Unterricht  eines  künftigen  Pfarrers 
und  dass  meine  successores  mit  behimischen  und  allerlei  Welthändeln 
zufrieden  seien  und  warten  ihres  Studirens  und  Betens*.  ■) 

In  seiner  Leichenpredigt  auf  Ferdinand  ■)  preist  er  diesen  als 
einen  wohlfrommen  und  friedlichen  Landesvater,  einen  lieblichen  Baum, 
davon  viel  Schatten,  Schutz  und  Schirm  auf  uns  gefallen:  ,er  hat 
das  Silber  theurer  als  zuvor  bezahlt  und  die  Religion  nicht  gehindert*. 

Allerdings  war  die  Blüthe  Joachimsthals  geknickt,!  seitdem  die 
Schlicks  das  Thal  verlassen. 

Nächst  der  Gattin,  die  sich  also  in  diesem  politischen  Conflict 
vortrefflich  als  , Helfebein*  beglaubigt  hatte,  war  es  eine  Reihe  treuer 
Freunde,  darunter  die  ersten  Männer  der  Zeit,  welche  Mathesius' 
Kraft  stählten  und  sein  Leben  verschönten.  ,Es  ist  ein  edler  Schatz 
um  einen  rechtschaffnen  Freund*,  ruft  er  aus*),  , solche  hat  mir 
unser   lieber  Gott   mein   Tag  viel  beschert*  ;  und  ein  ander  Mal :  *) 

*)  Ranke,  zur  deutschen  Geschichte.  1869.  27.  —  >)  Todten-Matrikel.  Tom.  I. 
«S5>'  Vgl.  auch  Goth.  Hdschrft  a.  a.  O.  $3.  —  «)  1564.  —  *)  Leychpred.  3.  Th. 
Rr.  2  b.   —    *)  Syrach    i,   78  a. 

2* 


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20 

,Ohne  Freundschaft  kann  man  auf  Erden  keine  Freude  noch  Leben 
haben.* 

Der  Verkehr  mit  Auswärtigen  war  ihm  auch  deshalb  werth,  um 
in  seiner  Thal-Einsamkeit  oder  -Abgeschlossenheit  das  Weltwichtige 
zu  erfahren  und  nicht  auf  Gerüchte  angewiesen  zu  sein.  *)  Man 
correspondirte,  man  besuchte  sich.  Eoban  Hess  schickt  ihm  noch 
als  Rector  schwungvolle  lateinische  Distichen  aus  Erfurt  mit  dem 
Verzeichniss  seiner  Werke  ') ;  der  in  Joachimsthal  geborene  und  von 
Mathesius  getraute  Johann  Major,  zu  dem  Dichter-Trio  in  der  zweiten 
Hälfte  des  Jahrhunderts  gehörig,  in  welchem  ,der  Humanismus  evan- 
gelisch wird*  *),  hat  ihn  in  der  Storch-Idylle  als  alten,  festen  Lerchen- 
baum *)  besungen,  weil  der  Lerche  Name  wie  der  seinige  mit  der 
Kunst  zu  lehren  zusammenhinge.  Mathesius  war  ein  jovialer  Wirth. 
der  gern  die  Trinkschale  der  Unterhaltung  kreisen  Hess  und  ein 
Quartel  gottgeschenkten  Weins  als  Oel  für  den  Leib  auch  der 
Gemeinde  von  der  Kanzel  empfahl  *).  Unsichtbar  stand  über  seiner 
gastlichen  Pforte :  Tages  Arbeit,  Abends  Gäste ,  saure  Wochen, 
frohe  Feste. 

Die  so  hochgewerthete  Freundschaft  versagte  nicht  ihre  Dienste 
in  Anfechtung  und  Trübsal.  Eine  solche,  ausserordentlicher  Art,  blieb 
ihm  nicht  erspart.  Wie  Luther  mehr  in  der  Mitte  seines  Laufes  wie- 
derholt von  finsteren,  als  dämonisch  geachteten  Gedanken  geplagt 
wurde  —  wie  der  gleich  Riccio's  Blutspuren  in  Holyrood  immer  wieder 
aufgrfrischte  Wartburger  Dintenfleck  aut  der  Koburg  einen  Mitzeugen 
hat  ®)  —  wurde  Mathesius  gerade  ein  Jahr  vor  seinem  Tode  davon 
betroffen,  so  dass  er  sich  als  im  Siebe  Satans  unterzeichnete.  Bei 
Beiden  wirkten  körperliche  Leiden  mit  ein.  Mathesius  hatte  schon  seit 
längerer  Zeit  gegen  Lähmung  der  Hand  Medicin  genommen  ')  und 
die  Heilkraft  der  Thermen  ®)  erprobt  ®).  Gegen  Ende  des  Lebens 
verschlimmerte  sich  der  Zustand,  der  wohl  auf  Blutstockung  beruhte. 
Daher  haben  seine  in  idealer  Eintracht  mit  ihm  lebenden  Collegen 
in  jener  Drangsalszeit,  da   ihr   Pfarrer   die  Höllenangst,  den  Grimm 

1)  Brief  an  Nydbruck,  a.  a.  O.  9737  K.  167.  —  >j  Balth.  Math.  112.  — 
•j  G.  Frank,  Johann  Major  der  Wittenberger  Poet,  in  Ztschr.  f.  wissensch.  Theologie 
1863.  117.  —  *)  Ebd.  119,  124.  —  »)  Syrach  2.  50  a.  Vgl.  auch  die  Hochzeits- 
predigten; namentlich  Urbanus  und  »Vom  Gebrauch  und  Missbrauch  des  Weins".  — 
•J  Vgl.  Köstlin,  a.  a.  O.  i,  473.  Anm.  801.  2,  207.  —  ')  Brief  an  Paul  Eber  a.  a.  O. 
25s t  347.  —  •;  Man  hat  die  Wahl  zwischen  dem  Warmbad  bei  Elbogen,  Karlsbad  und 
Teplilz.  —  »)  Biief  an  Paul  Eber  a.  a.  O.  264. 


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21 

uüd  Schrecken  Gottes  etliche  Wochen  erfuhr,  so  dass  er  nicht  aus- 
gehen, nicht  lehren,  noch  predigen,  noch  das  Tageslicht  vertragen 
konnte,  nicht  nur  mit  ihm  ^gedöbert*  und  mit  besserem  Trost  alfe 
Hiobs  Freunde  ihm  zugesprochen,  sondern  auch  ärztlichen  Beistand 
zugezogen.  Wenn  Mathesius  in  diesem  traurigen  und  heissen  Seeien- 
bade  nicht  immer  beten  konnte,  getröstete  er  sich  der  Collecten 
Christi  und  dass  er  ihn  unter  seinen  Kelch  aus  Gnaden  stürzet.  So 
ward  er  in  .seinem  de  profundis  erhalten,  und  nachdem  er  etliche 
Wochen  in  seinem  geistlichen  Gefangniss  verpausirt  hatte,  durch 
den  Gesang  der  Schüler,  wie  Saul  durch  Davids  Harfenspiel  erlöst. 
Am  Gregorius-Schulfest  stimmten  diese  unter  des  Cantors  Leitung 
ihres  Pfarrers  Lieblings-Motette  an.  Sie  ergriff  ihn  dermassen,  dasS 
er  vor  Freude  aus  seinem  Bettlein  sprang,  die  Teppiche  von  den 
Fenstern  zog  und  bald  auf  der  Kanzel  von  seiner  Demüthigung  und 
Erlösung  zeugen  konnte.  *) 

Doch  Hess  die  letzte  grosse  Katastrophe,  die  er  schon  oft  her- 
beigesehnt, nicht  mehr  lange  auf  sich  warten.  Es  war  ein  schöner 
Tod,  wie  jeder  Arbeits-Enthusiast  ihn  sich  wünscht,  am  7.  Octo- 
ber  1565.  Fast  stehend  ist  er  gestorben,  wie  Vespasian  es  nach 
Sueton's  Bericht  •)  von  einem  rechten  Kaiser  verlangt,  ein  Priester- 
Fürst.  Beim  Herabsteigen  von  der  Kanzel  traf  ihn  der  Schlag ;  nach 
wenigen  Stunden  war  er  eine  Leiche,  in  Prosa  und  Versen  beklagt. 
Ein  wirklicher  Seelenhirt  war  er  seiner  Heerde  trotz  der  vielen 
räudigen  Schafe  treu  geblieben ,  obwohl  er  Gelegenheit  fand ,  in 
glänzendere  Stellungen  überzutreten.  Er  dachte  darüber,  wie  die 
alte  Kirche,  welche  den  Amtswechsel  als  geistlichen  Ehebruch 
brandmarkte.  So  lehnte  er  einen  von  Melanthon  befürworteten  Ruf 
als  Professor  nach  Leipzig  ab,  der  die  Achtung  vor  seiner  auch 
wissenschaftlichen  Qualification  bekundet.  Immer  wieder  warnt  er 
vor  Amtswechsel :  ein  Stein,  der  oft  hin  und  her  walzt,  berast  nicht 
und  mit  Umziehen  verzehrt  man  viel.  Wenn  der  Teufel  Einen  einmal 
hebt,  so  bringt  er  ihn  in's  Walzen.  •) 

*)  D«s  Scherzes  halber  sei  erwähnt,  dass  Pelrel  a.  a.  O.  fabelt,  Mathesius  habe  diese 
Gewissensangst  empfanden  wegen  seiner  „Abtretung  von  der  katholischen  Glaubenslehre.* 
—  »)  Vita  Caesar.  Lib.  VIII.  «5.  —  •)  Leychpred.  3  Rr.  Nach  den  Abbildungett  bei 
Pehel,  Balthas.  Mathesius  und  in  einigen  seiner  Werke,  sowie  nach  dem  Oelbild  auf  det 
Gallerie  ^er  Annaberger  Berg-Kirche  war  sein  Gesicht  oval,  mit  vollem  Haupt-  und 
Barthaar.  Nach  dem  angeblich  ihm  gehörigen  Hut  und  Stock  in  Joachimsthal  mnss  er 
gross  und  stattlich  gewesen  sein.  Der  Mathesius  auf  dem  Gemälde  von  G.  Spangen 
berg:  Luther  die  Bibel  übersetzend  (Berlin,  Nationalgall.  Nr.  359),  scheint  eine  Idealgestalt. 


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22 

Von  seinen  sieben  Kindern  *)  wurde  der  älteste  Sohn  mit  des 
Vaters  Vornamen  Stadtphysikus  und  Professor  der  Medicin  am 
Gymnasium  zu  Danzig.  Medicinische  Interessen  hatten  dem  Vater 
schon  nahe  gelegen :  sie  wurden  zuweilen  gestreift  bei  mineralogischen 
Studien ;  sie  zeigen  sich  im  Syrach  *)  in  einer  Schul-  und  Haus- 
Hygiene;  in  einem  jener  in  Landeshut  aufbewahrten  Briefe  ■)  an 
Dr.  Caspar  Peucer  spricht  er  von  dem  in  einem  Franziskanerkloster 
gefundenen  Skelet,  das  er  für  den  Arzt  bestimmt  habe. 

Ich  fand  sechs  Briefe  dieses  Sohnes  in  Erlangen*)  an  Joachim 
Camerarius  in  Nürnberg,  medicinischen  und  botanischen  Inhalts,  doch 
die  priesterliche  Gesinnung  des  Vaters  nicht  verläugnend,  in  schönem 
Vertrauen  auf  die  göttliche  Vorsehung.  Auch  gab  er  noch  als  Leipziger 
Magister  seines  Vaters  Predigten  über  das  Leben  Jesu  heraus.  ') 
Der  zweite  Sohn  Paul  wurde  in  jungen  Jahren  Superintendent  in 
Oschatz  «),  das  man  von  der  Rochlitzer  Höhe  erblickt.  Von  den 
Töchtern  reichte  Sibylle  ')  dem  Diakon  Felix  Zimmermann  in 
Joachimsthal  im  Frühling  des  Todesjahres  vom  Vater  die  Hand. 
Die  directe  Linie  ist  erloschen;  von  einer  Seitenlinie  gibt  es  noch 
heute  Schösslinge.  ®) 


^)  Vgl.  Richter,  Prosopia  Mathesiorum.  1745.  Derselbe:  Das  alte  und  berühmte 
Geschlecht  der  Herren  Mathesien,  gesammelt  und  in  eine  gute  und  gegründete  Ord- 
nung gebracht.  Annaberg  1755.  18  Fol.-S. ;  nicht  ganz  zuverlässig.  Herr  Schulr^th 
Spiess  in  Annaberg  hatte  die  Güte,  mir  seine  Richter  berichtigenden  Aufzeichnungen 
zur  Benutzung  zu  überlassen.  —  Das  gelehrte  Deutschland  von  Meusel ;  4.  Nachtrag  zur 
4.  Ausgabe  179I.  428.  5.  Bd.  1797.  73.  6.  Bd.  1821.  638.  10.  Bd.  1803.  255.  8.  Bd, 
1808.  529.  Jöcher  und  Rotermund  s.  v.  Mathes.  Meiern,  Die  Herrlichkeit  des  Anna- 
berger Tempels.  1776.  177. 

»)  Th.  2,  5.  Pr.  u,  ö.  —  ■)  A.  a.  O.  292.  —  *)  Epistel,  autograph.  clarissim. 
Medic.  et  Philos.  Tom.  VI.  145 — 152;  a.  1581 — 88.  Die  Bezeichnung  derselben  im 
Erlanger  Katalog  ist  nicht  ganz  richtig.  —  *)  Jöcher  a  a.  O.  3,  190.  Ergänzung 
4,  988.  —  •)  Jöcher,  Ergänz.  4,  991.  —  ^)  Nicht  Katharina,  wie  Laube  a.  a.  O.  3Ö 
angibt.    Vgl.  Copulations-Matrikel   Tl.   208.   1565. 

")  So  durfte  ich  Herrn  Senator  Mathesius,  der  stolz  ist  auf  den  Ruhm  seines 
Namens,  in  Buchholz  bei  Annaberg  begrüssen ;  beiläufig  jenem  Buchholz,  das  einer  der 
ersten  Orte  im  heutigen  Kgr.  Sachsen,  in  welchem  das  Evangelium  (1523  u.  1524)  frei 
verkündet  wurde.  (Beiträge  zur  Geschichte  von  Buchholz  und  seiner  Kirche  insbesondere 
von  Dr.  Spiess.  Schulprogramm.  Annaberg  1854).  Hieher  eilten  die  Annaberger  trotz 
der  strengen  Befehle  des  Herzogs  Georg,  um  Myconius  predigen  zu  hören.  (Zur  Ge- 
schichte der  Reformation  in  Annaberg  von  Wolf.  Schulprogramm.  Annaberg  1886.  il.  — 
Ein  Dr.  med.  Mathesius  in  Naumburg.) 


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23 


IL 

Noch  weit  bedeutsamer  als  die  leibliche  Nachkommenschaft 
waren  des  Mathesius  Geisteskinder.  Seine  publicistische  Thätigkeit 
beginnt  indessen  eigentlich  erst  mit  dem  Tode  der  Gattin:  virescit 
vulnere  virtus.  Seine  Schriften,  ganz  überwiegend  Predigten,  sind 
ungemein  zahlreich,  über  die  Bibliotheken  zerstreut.  *) 

Am  geringsten  ist  seine  Bedeutung  als  Liederdichter,  die  fast 
von  Allen  überschätzt  wird ;  den  Meisten  ist  er  wesentlich  als  solcher 
bekannt. 

Eine  Menge  Lieder  entstanden  in  der  üppig  aufblühenden  Berg- 
stadt ') ;  je  stärker  die  Sangeslust  und  je  leichtfertiger  viele  Gesänge, 
desto  nothwendiger  musste  es  erscheinen,  diese  durch  christliche 
zu  verdrängen.  Da  hat  sich  zunächst  der  alte  fromme  Cantor  des 
Thals  Nickel  Herman  als  Dichter  und  Componist  segensreiche  Ver- 
dienste erworben  •).  der  sich  in  der  Form  vielfach  an  Hans  Sachs 
anschloss.  Er  war  der  poetische  Trabant  seines  Pfarrers.  ,Wenn 
dieser  eine  gute  Predigt  gethan,  so  ist  der  Cantor  geschwind  dage- 
wesen und  hat  den  Text  mit  den  vornehmsten  Lehren  in  die  Form 
eines  Gesangs  gebracht,  und  so  hat  unser  Herr  Gott  dem  Mathesius 
die  Ehre  gethan,  wie  jenem  Engel,  der  die  Geburt  Christi  predigt, 
weil  sich  auf  eine  gute  Predigt  ein  schöner  Gesang  gehört.*  Auch 
Mathesius  drängte  es  zum  Dichten,  natürlich  nach  Melodien;  denn 
wie  Luther,  mit  dem  er  oft  musicirt,  liebte  er  die  Musika,  deren 
sonderer  Liebhaber  der  heilige  Geist*);  Gott  hat  sie  gegeben  zur 
Wollust  und  Erfrischung  der  Gemüt  her  *).  Am  wenigsten  glückte  es 
ihm  mit  den  kirchlichen  Poesien.  Da  das  als  das  beste  derselben 
geltende:  ,Aus  meines  Herzens  Gunde*,  welches  Gustav  Adolf  alle 
Morgen  gebetet  haben  soll  und  lange  allein  Mathesius'  Namen  dem 
Gedächtniss  der  Nachwelt  aufbewahrt  hat,  ihm  abzusprechen  ist  "), 
bleibt  wenig  übrig.  Kein  Gesangbuch  hat  von  dem  Rest  etwas  auf- 
genommen; kindliche  Einfalt  und  Andacht  ist  ihm  nicht  abzu- 
erkennen ;   aber   Gehalt    und    Gestalt   sind   sehr   dürftig ;  noch  pein- 

^)  Am  vollständigsten,  doch  nicht  lückenlos  in  der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin, 
femer  in  München  und  Nürnberg.  —  •)  Vgl.  Eteliche  schöne  Bergreyen  etc.  Nürnberg. 
Mittheil.  d..  Vereins  f.  Gesch;  d.  Deutsch,  in  Böhmen.  1880.  4.  Hft.  —  »)  Nikolaus 
Hennan's  und  Johannes  Mathesius'  geistliche  Lieder  in  einer  Auswahl  von  Ledder- 
hose. 1855.  —  *)  Vorrede  zu  Herman's  Historien  von  der  Sündfluth.  —  *)  Syrach, 
2,  5a.  —  •)  Vilmar  a.  a.  O.  313,  wohl  erst  1592  gedichtet. 


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24 

lieber  wie  in  der  Prosa  wirkt  hier  das  Aufmarschiren  vieler  Haupt- 
worte hinter  einander.  Glücklicher  war  Mathesius  in  der  Haus-  und 
Spruchpoesie,  wie  ein  Wiegenlied  beweist,  seine  allerdings  lateinischen 
Pastoralregeln  *) ;  und  namentlich  seine  ebenfalls  lateinische  *),  von 
seinem  Cantor  verdeutschte  ■)  Öconomia  oder  Bericht,  wie  sich  ein 
Hausvater  halten  soll,  die  ausserordentlich  beliebt  wurde  und  von 
Laube  *)  unter  die  besten  Erzeugnisse  der  Zeit  gerechnet  wird. 
Aber  doch!  ,wie  anders  wirkt  dies  Zeichen  auf  mich  ein!*  tritt  uns 
unversehens  auf  die  Lippen,  wenn  wir  von  dem  Reimer  zu  dem 
Prediger  übergehen,  der  als  solcher  seine  Waffen  in  der  Esse  des 
heiligen  Geistes  geschmiedet  hat.  Da  die  Geschichte  der  Predigt  noch 
wenig  ausgebaut  ist,  wurde  auch  Mathesius  noch  nirgends  *)  gebüh- 
rend gewürdigt.  Auch  hier  kann  es  nur  erst  eine  Umreissung  gelten. 

Seine  gerühmtesten  und  verbreitetsten  Werke  sind  die  Berg- 
Postille  Sarepta  *)  und  die  Luther-Historien. 

Die  sechzehn  Sarepta-Predigten  ')  sind  im  Verlaufe  von  zehn 
Jahren  *),  angeblich  ®)  in  bergmännischer  Tracht  gehalten ;  dieser  grosse 
Zeitraum  fällt  für  die  Beurtheilung  sehr  in's  Gewicht.  Pädagogisch 
wie  ästhetisch  wäre  es  ein  Missgriff  gewesen,  diese  Reihe  sonntäglich 
auf  einander  folgen  zu  lassen.  Erdrückend  hätten  sie  gewirkt  durch 
die  Fülle  und  vielfache  Schwierigkeit  des  Stoffes,  ermüdend  durch 
die  Gleichartigkeit  nach  Zweck  und  Anlage,  wenn  auch  innerhalb  der 
einzelnen  das :  Abwechslung  ergötzt,  weitgehend  beherzigt  ist.  Die 
grossen  Pausen  erklären  die  mehrfachen  grundsätzlichen  Einleitungen 
und  Rechtfertigungen  des  ganzen  Unternehmens,  sowie  manche 
Wiederholungen  im  Einzelnen.  Ferner  ist  in  den  Blick  zu  fassen, 
dass  sie  in  dieser  ganz  ausserordentlichen,  uns  vorliegenden  Aus- 
dehnung, in  der  sie  zum  Theil  je  mehrere  Stunden  zum  Vortrag 
verlangt  hätten,  nicht  gehalten,  sondern  erst  zum  Druck  erweitert 
sind,  auch  jetzt  erst   viel   aus   den   alten   Poeten  und  Historien  ein- 

1)  Vgl.  Vilmar  a.  a.  O.  252  f.  Abgedruckt  1556,  58,  74,  78,  86,  87.  1689.  1702,  05. 
1807.  Deutsch  1561,  74,  86,  87.  1705.  1807.  —  >)  Ausgaben:  1560,  65,  Abgedruckt  auch 
1574.  1705.  —  ■)  1561,  64,  65,  67,  68,  74,  94,  98,  99-  '601.  ZT'  1746,  9^-  Abgedruckt 
auch:  1563,  67,  68,  86,  91,  92.  1667.  1705.  (Gekürzt)  1849.  —  *)  A.  a.  O.  S.  39.— 
6)  Nothgedrungen  kurz  auch  in  der  neuesten  Geschichte  der  Predigt  von  Cbristlieb, 
bei  Herzog  &  Plitt  R.  £*.  18,  521.  —  «)  i.  Kön.  17,  9  f.  mit  der  Deutung  „SchmeU- 
hütte«.  —  T)  1562,  64,  71,  74,  78,  85,  87.  1619,  20,  27,  79.  Bemerkenswerth  die  Lücke 
während  des  30jähr.  Krieges.  —  »J  1552—1562.  Die  angehängte  17.  rthrt  aus  d.  J.  I55*- 
—  »)  Pehel  a.  a,  O. 


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26 

gesprengt  wurde.    Sie  wollen   alle    Sprüche,  Historien  und  Exempel 
der  heiligen   Schrift,    die    vom   Bergwerk   handeln,   erklären,  damit 
man   den  rechten   Erzmacher   und   obersten   Bergherren  aus  seinen 
sichtigen  Werken  erkenne»  b$i  ihm  Gedeihen    des  Bergwerks  suche 
und  ihm  fiir  seine  reiche  Gabe  danke   und    man   neben  dem  Wort, 
aus  den  Metallen    und   den  Bergarbeiten   erinnert  würde,  wodurch 
man  an  Leib  und  Seele  könnte  reich,    gerecht  und  selig  werden  in 
alle   Ewigkeit.    Es  war  eine   merkwürdige  Fügung,    dass  Mathesius 
ausser  dem  Studium  der    alten   Naturkündiger   namentlich   des  Ari- 
stoteles  und    Plinius;    ausser   den   Berichten   seiner    Bergleute,   mit 
denen  er  selbst  anfuhr,   denen  er  ebensogut   glauben    könne,    wie 
Aristoteles  seinen  Fischern  und  Waidleuten ;  ausser  der  Hilfe  seiner 
lieben  Herren  Präceptoren   und  Freunde,    welche  für  ihn  manchen 
Schürf  geworfen;   dass   er  ausserdem   noch   Gewerke   an  den  For- 
schungen eines   Mannes   werden   durfte,    der   auf  seinem  Gebiet  als 
ersten    Werthes   gilt.    Georg  Agricola  '),    schon    zehn  Jahre    nach 
Gründung  der  Stadt  Arzt  in  Joachimsthal ,   schrieb   daselbst  seinen 
Dialog   über  die  Metalle,   einen   Katechismus   des   Bergbaus,  durch 
den  er  der  Schöpfer  allef  neueren  europäischen  Mineralogie  geworden 
ist.  Er  verliess  zwar  Joachimsthal  schon  in  dem  Jahr  nach  Mathesius' 
Rectoratßantritt,  um  in  Chemnitz  Stadtarzt  und  später  Bürgermeister 
zu  werden.    Doch  bot  sich  später  noch  Gelegenheit  auch  zu  münd- 
lichem Austausch.    Während  der  Arbeit  an   der   Sarepta   kann  er 
an   Eber  *)   berichten,   dass  Agricola   wegen   einer  Consultation  bei 
Graf  Hieronymus  Schlick  einen  Monat   im  Thal  gewesen.    »Täglich 
hat  er  mich  besucht  oder  ich  ihn ;  da  haben  wir  schön  philosophirt 
über   die   Metalle;    ich    gab    ihm    Gelegenheit,    einige    neulich    aus 
den  Karpathen  angekommene  zu  besehen/     Das  nahe  Verhältniss 
zwischen  Beiden  ist  um  so  bemerkenswerther,  als  Agricola  zeitlebens 
katholisch  blieb. 

Bei  dem  originellen  Unternehmen  der  Sarepta  war  es  allerdings 
fatal,  dass  uns  von  edlen  Metallen  und  Bergwerken  in  Palästina 
nichts  bekannt  ist,  welches  vielmehr  jene  durch  den  Handel  bezog. 
Die  relativ  mangelhafte  Kenntniss  des  Hebräischen,  trotz  tüchtigen 
Studiums  und  vielfacher  Berufung  auf  die  Rabbinen,  kam  dem  Ver- 
fasser zu  Statten,    an  vielen   Punkten  für  ihn   Geeignetes    zu   ent- 

1)  Laube  a.  a.  O.  19  fif.  Geiger  a.  a.  O.  494-  579-  —  *)  A.  a.  O.  247,  Brief 
voD  Neujahr  1551. 


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_26_ 

decken  und  zu  combiniren,  wo  heut  das  nicht  mehr  erlaubt  wäre. 
Vieles  missversteht  er  mit  Luther  *),  dem  er  aber  auf  Grund  des  Ur- 
textes mehrfach  entgegentritt  •),  wobei  nicht  seine  Meinung,  die  aller 
Ehren  und  des  Bugenhagen 'sehen  Uebersetzungsfestes  werthe  Dol- 
metschung zu  tadeln«).  Um  die  mineralogischen  Ausführungen,  um 
die  Darlegungen  aller  möglichen  Dinge  aus  dem  Gebiet  der  Hütten- 
und  Münzkunde,  die  oft  zu  förmlichen  Abhandlungen  anschwellen 
und  Böhmen,  Europa,  Asien  umspannen;  von  Dingen,  welche  den 
nächsten  Zuhörern,  den  Bergleuten  zwar  zum  guten  Theil  aus  der 
täglichen  Arbeit  bekannt  waren,  aber  fiir  die  jungen  Leute  wichtig 
sind,  die  sie  erst  lernen  sollen,  fiir  die  alten,  insofern  von  anderen 
Bergwerken  gehandelt  wird,  für  Ausheimische,  sofern  sie  Interesse 
für  Mineralien  haben:  krystallisiren  sich  die  irgendwie  herbeizu- 
ziehenden biblischen  Stellen  mit  dogmatischen,  religiösen,  sittlichen 
Anwendungen  und  gegenwärtigen,  allgemeinen,  wie  die  Ein- 
zelnen angehenden  Beziehungen,  mit  geschichtlichen,  autobiogra- 
phischen, culturhistorischen,  geographischen,  topographischen,  ethy- 
mologischen,  grammatikalischen  Zwischenspielen.  Mathesius  bewährt 
dabei  ein  ausserordentliches  Geschick  der  Zusammenstellung,  wenn 
auch  manche  Fugen  nicht  verkittet  sind*),  umfassende,  vielseitige, 
tiefdringende  Gelehrsamkeit  und  eisernen  Fleiss.  Manchmal  wird  ihm 
wohl  bange  um  seine  sareptanischen  Legirungen,  man  scheint  ihm 
sogar  seine  kühnen  Vermittlungen  vorgerückt  zu  haben;  indessen 
,ich  rede  hier  wie  ein  Bergmann,  darum  verdolmetsche  ich  die  Worte 
nach  Gelegenheit  der  alten  Bergleute*);  sogar  der  heilige  Geist  er- 
wähnt in  seinem  Buch  mit  Ehren  allerlei  Künstler  und  schämt  sich 
nicht  von  Gottes  Gaben  auch  in  Handwerksleuten  zu  reden  •)/  — 
Noch  weit  volksthümlicher,  wenigstens  für  damals  und  daher  in 
etwa  doppelt  so  viel  Auflagen,  selbst  in  Uebersetzung  verbreitet 
sind  die  zwei  Tage  vor  seinem  Tode  vollendeten  Historien  vom 
Leben  Luther's  ^).  Sie  behaupten  einen  Ehrenplatz  in  der  Geschichte 
der  Luther-Biographie.  Sie  müssen  als  die  erste  eigentliche  Lebens- 

1)  Z.  B.  189  b  (Ausg.  1571).  —  •)  Z.  B.  190  a.  —  «)  190  b.  —  *)  Z.  B.  119  a.  — 
*)  15  a.  —  «)  196  b. 

*)  Die  Verzeichnisse  der  Ausgaben,  sind  nirgends  vollständig,  nicht  einmal  bei 
Vilmar  a.  a.  O.  und  bei  Vogel,  Bibliotheca  Biographica  XrUtherana  1851.  Folgendes 
dürfte  lückenlos  sein:  1566,  67,  68,  70,  76,  80,  83,  88,  92.  1600,  21,  33.  1715,  24, 
73.  184 1  beste,  etwas  modemisirte  Ausgabe  mit  tüchtigen  Anmerkungen.  1846  (schwe- 
disch).  1855  u.  83  für  grössere  Kreise  unbrauchbar,   weil  ohne  Erklärungen  und  sogar 


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27 

geschichte  des  Reformators  gelten  *)  und  waren  bis  in  die  neuere 
Zeit  hinein  unübertroffen.  Sie  beweisen,  dass  ihr  Verfasser  mehr  als 
nur  einen  Hauch  von  Luther's  Geist  verspürt;  dass  er,  trotz  seiner 
Minderwerthigkeit,  ihm  von  Haus  aus  congenial,  immer  mehr  in 
sein  Wesen  sich  hinein  gelebt  und  geliebt  hat.  ,Zum  Trotz  allen 
I^ästerem,  Mamelucken  und  undankbaren  Kuckuks  hat  er  das  Bild 
seines  deutschen  Propheten  und  grossen  Wundermannes*  gezeichnet, 
treu  und  naiv,  ein  literarischer  Lucas  Cranach;  das  Wesentliche 
überall  herausstellend  und  dann  wieder  reiche  Einzelheiten  bietend, 
diese  erprobten  Anreger  ermüdender  Aufmerksamkeit,  mit  vielen 
wörtlichen  Anführungen  aus  Werken  und  Briefen,  nicht  ohne  Fehler 
und  Fehlendes;  vor  Allem  nicht  ohne  die  Chemie  der  Kritik*),  nicht 
der  Sünde  des  Schönfärbens  um  jeden  Preis  verhaftet,  welche  jedem 
Biographen  vor  der  Thür  lauert'). 

Diese  beiden  Fahnenwerke  gehören  in  die  Abtheilung  der 
volksthümlich  -  wissenschaftlichen,  belehrend  -  erbaulichen  Vorträge ; 
man  darf  sie  daher  nicht  als  genügende  Unterlage  fiir  ein  Gesammt- 
urtheil über  Mathesius'  homiletische  Weise  verwenden.  Sie  behaupten 
auch  insofern  eine  Sonderstellung  —  und  darauf  beruht  zugleich  ein 
besonderer  Rechtstitel  derselben  —  dass  es  Fastnachtsreden  sind, 
in  denen  man  nach  altem  Brauch  etwas  besonders  Unterhaltendes, 
ja  Belustigendes  zu  hören  erwartete. 

Unter  den  Predigten  im  engeren  Sinn  ist  es  nicht  leicht,  die  Samm- 
lungen in  einer  Stufenleiter  ihres  Werthes  zu  ordnen :  die  Evangelien-  *), 
[die  Propheten-  *)  und  die  Spruch-  *)]  Postille ;  die  Passionsreden  *) 
und  das  Bekenntniss  vom  Abendmahl  ®);  das  mächtige  , Leben  Jesu*  •) 

mit  Fehlern.  Auszüge  i8o6,  17,  18,  25,  30,  41,  43,  46,  54,  71.  Für  die  dramatische 
Bearbeitung  des  Lebens  Luther's  von  Adreas  Hartmann  (1600)  bildet  Mathesius  eine 
HanptqueUe;  Holstein  a.  a.  O.  235,  —  *)  Pütt,  die  vier  ersten  Luther-Biographien.  1876. 
*)  Deshalb  ist  Janssen's  Bezeichnung  des  M.  schlechtweg  als  Lobredner  (Geschichte 
des  deutschen  Volkes.  3.  Bd.  1887.  555)  so  halbwahr,  wie  das  Meiste,  was  dieser  grosse 
Historiker  einem  kritiklosen  Publicum  auftischen  darf.  —  •)  Eine  Aehnlichkeit  mit 
diesen  Predigten  haben  die  22  vor  den  Mansfelder  Bergleuten  (1562 — 1574)  gehaltenen 
des  M.  C^iacus  Spangenberg,  welcher  die  des  Mathesius  zuweilen  citirt.  Vgl.  Rembe, 
M.  Cyriacus  Spangenberg's  Formularbüchlein  der  alten  Adamssprache.  Mit  Lebens- 
beschreibung und  einem  Verzeichnisse  seiner  Werke.  1887.  Derselbe:  Dr.  Luther  als 
Treckejunge.  Eine  Bergmannspredigt.  Von  M.  Cyriacus  Spangenberg.  1887.  —  *)  1565, 
70,  79,  88.  1600,  13,  14.  1571  plattdeutsch.  131  Pred.  Ausserdem  eine  Ev.-Post.  als 
Enchiridion  für  die  Gemeinde.  1558.  83  u.  ö.  —  »)  1588.  29  Pred.  —  •)  1588.  68  Pred. 
—  »)  1568.  72,  84,  87.  1601.  17  Pred.  —  8)  1567,  68,  79,  85  16  Pred.  —  »)  1568,  72. 
85.  1622.  1596  polnisch.  57  Pred. 


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.28 

im  Rahmen  des  zweiten  Artikels ;  die  wie  dies  vornehmlich  an  Kinder 
gerichteten  Katechismus-Auslegungen^);  das  mit  dem  eigensten 
Herzblut  getränkte  de  profundis ')  und  den  Ruf  zur  Busse  ^ ;  die 
Homilien  über  Psalm  72  *),  -  die  Korintherbriefe  *)  und  das  erste 
Capitel  des  Johannes  -  Evangeliums  •) ;  die  Casualien  zur  Hochzeit') 
und  am  Grabe  ®),  unter  welchen  letzteren  besonders  ergreifend  die 
nach  dem  nie  verschmerzten  Tode  der  Gattin  den  Kindern  Nach- 
mittags im  Hause  vor  dem  Gang  auf  den  Friedhof  gehaltenen'). 
Einen  Platz  für  sich  nehmen  die  Homilien  zum  Syrach  ")  und  zur 
Siindfluth-Historie  **)  ein.  Jene  bieten  mehr  Entwürfe  zu  Predigten, 
zugleich  für  die  Diakonen  gedacht;  das  Diluvium,  nach  Concepten 
des  Verstorbenen  gearbeitet  uud  vielfach  ^complirt*,  ist  mehr  eine 
Nachahmung  **). 

Die  Vorbereitung  für  seine  Kanzel  nahm  Mathesius  sehr  ernst. 
Mit  Ausnahme  von  Syrach  und  Diluvium  schrieb  er  alle  Predigten 
vollständig  nieder.  Eine  solche  Fülle  der  Gedanken,  der  Lesefnichtc 
ans  alter  und  neuer  Zeit,  heiligen  und  profanen  lateinischen,  griechi- 
schen, deutschen  Autoren ;  der  Bilder,  der  Anspielungen,  der  Sprich- 
wörter, der  Gedanken-  und  Wortspiele,  der  Anwendungen  auf  die 
Wirklichkeit  strömen  auch  dem  Fähigsten  nicht  ohne  Anspannung 
zu ;  auch  hier  muss  der  Fleiss  der  treueste  Genosse  des  Genius  sein ; 
auch  hier  ist  der  Schweiss  —  Mathesius  würde  sagen,  der  saure  Nasen- 
schweiss  —  vor  den  Preis  gesetzt.  Mit  Bienenfleiss  hat  er  Alles 
zusammengetragen,  was  er  im  Dienst  des  HeUigthums  verwenden 
konnte,  als  ein  Schriftgelehrter,  zum  Himmelreich  gelehrt,  Altes  und 
Neues  aus  seinem  Schatz  hervorbringend.  Weil  er  es  so  ernst  nahm, 
konnte  er  nie  ohne  Furcht  und  Zittern  predigen.  Er  weiss  nicht,  was 
das  müssen  fiir  Prediger  sein,  die  allezeit  eine  Predigt  im  Bauch  haben, 
wie  die  Henne  ein  Ei.  Er  will  lieber  zehn  Mal  zuhören,  als  einmal 
predigen.     Es  kommt  ihm  schwer  an,  wenn  er  improvisiren  soll. 

1)  1574—1586,  89.  —  «)  1565,  71  (II  Pred ),  80  81  (16  Pred.).  —  «)  1589, 
25  Pred.  —  *)  1592,  14  Pred.  —  «)  1590,  163  Pred.  —  •)  1589,  41  Pred.  — 
»)  Vom  Ehestand  und  Hauswesen.  1563,  64,  67,  69,  72,  75,  84.  16  Pred.  —  Ehespiegcl. 
1584,  91.  76  Pred.  —  «)  Leychpred.  1559,  61,  65,  72,  81,  87.  20  Pred.  —  »)  3.  Th. 
d.  Leychpr.  —  »«)  1586,  SS,  89,  98.  308  Pred.  —  ")  1887,  Zwei  verschiedene  Reoen- 
sionen.  Leipzig  in  54  Pred.,  Nürnberg  in  57  Pred.  1597.  1605.  —  ^«)  Vilmar  a.  a.  O. 
308.  In  Bezug  auf  einige  andere  Predigten,  Einzelausgaben,  Beschreibung  der  Exem- 
plare muss  ich  auf  Vilmar  und,  da  dieser  trotz  vieler  dankenswerther  Mühewaltung 
unvollständig   ist,  auf  meine  in  Vorbereitung  befindliche  Monographie  verweisen. 


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29 

Er  ist  nicht  ängstlich,  jedesmal  ein  Bibelwort  an  die  Spitze  zu 
stellen;  so  oft  er  es  thut,  erfüllt  er  von  den  beiden  idealen  Anfor- 
derungen der  Texttreue  und  Texterschöpfung  eher  die  zweite  als 
die  erste.  Das  verschuldet  sein  starrer  Inspirationsbegriflf,  seine  un- 
gesdiichtliche  Auffassung  der  Testamente,  sowie  das  Bestreben,  Alles 
zusammenzuschweissen,   was  nur  irgend  sich  zusammenreimen  lässt. 

Schon  bei  Mathesius  begründet  sich  die  Entwicklung,  dass 
Luther's  analytische  Predigtweise  mehr  verdrängt  wird  durch  die 
synthetische  *),  obwohl  er  noch  viel  in  der  ersteren  Gattung  arbeitet ; 
gern  vermischt  er  beide  Arten. 

Auf  die  Eintheilungen  ist  viel  Sorgfalt  verwendet,  um  dem  Vor- 
trag ein  kräftiges  Knochengerüst  mit  starkem  Rückgrat  zu  verleihen 
und  die  Behältlichkeit  zu  fördern.  Namentlich  in  der  Sarepta  war 
solche  Mühwaltung  dringend.  Einzelne  Reden,  wie  z.  B.  im  , Leben 
Jesu*  sind  von  fast  domartiger  Architektur;  es  ist,  als  wenn  die 
Jugendeindrücke  der  heimatlichen  Kunigundenkirche  und  der  ihr  be- 
nachbarten berühmteren  Wechselburger  Kirche  hier  eine  gedankliche 
Auferstehung  feierten.  Solcher  Inhalt  ist  gekleidet  in  markige,  nervige, 
lutherisch  anklingende,  zum  Theil  äusserst  derbe  Sprache,  die,  ob- 
wohl bereits  von  Vilmar  für  Grimm's  Monumentalwerk  ausgebeutet, 
einer  besonderen  Untersuchung  und  Schilderung  wohl  würdig  wäre. 

Die  Eingänge  sind  verschieden  behandelt ;  oft  allzu  schlicht  und 
nüchtern,  oft  aber  auch  geschmückt  mit  einer  anfassenden  Erzählung, 
einem  sprechenden  Bild,  einer  überraschenden  Verbindung  der  Be- 
deutung des  Tages  im  Kirchenjahr  mit  der  fortlaufenden  Betrachtung ; 
so,  wenn  die  Sareptapredigt  vom  Gold  mit  dem  heiligen  Dreikönigs- 
tag und  den  Geschenken  der  Weisen  verknüpft  wird  ■),  Der  Schluss 
gestaltet  sich  wie  beim  , ersten  Prediger*  zur  Doxologie,  sehr  gern 
zur  Collecte  •)  und  Paränese. 

In  der  Exegese  ist  Mathesius  beflissen,  aus  dem  Grundtext  den 
Wortsinn  zu  erheben  und  erspart  dann  auch  nicht  den  Blick  in  seine 
Arbeitskammer.  Wir  staunen  über  diese  grammatikalischen  und  ethy- 
mologischen  Erörterungen,  über  den  oft  dreisprachigen  Wortsegen, 
der  sich  über  die  Berggemeinde  ergiesst.  Zur  Erklärung  dieser,  den 

1)  Schmidt.  Geschichte  der  Predigt  in  der  evangelischen  Kirche  Deutschlands  von 
Luther  bis  Spener.  1872.  62.  36—39.  —  »)  Pred.  4.  Fol.  41.  —  ■)  Diese  Gebete  sind 
auch  gesammelt  erschienen :  Andächtige  vnd  Christliche  gemeine  Gebetlein  für  allerley 
not  der  Christenheit.  Nürnberg  1568.  Neue  Ausgabe  (von  Lohe,  der  leider  für  gut  fand, 
des  Mathesius  Vorrede  durch  eine  eigene  zu  ersetzen),  Nürnberg  1836.  177  Gebete. 


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30 

Vorschriften  des  bpünstig  gefeierten  Meisters  widerstreitenden  Vor- 
liebe genügt  nicht  die  Beobachtung  der  bis  in  unsere  Tage  hinein- 
reichenden, namentlich  in  Landgemeinden  zuweilen  anzutreffenden 
höheren  Achtung  nicht  nur  der  Analphabeten  vor  den  Geheimnissen 
des  Unverstandenen  und  der  Persönlichkeit,  welche  diese  Wunder- 
dinge beherrscht ;  theils  vergass  vielleicht  Mathesius  in  wissenschaft- 
lichem Eifer,  die,  welche  seinem  Fluge  nicht  folgen  konnten;  theils 
wollte  er  wohl  auch  seinen  Collegen,  den  Lehrern  und  den  Gym- 
nasiasten etwas  Besonderes  bieten  und  zugleich  Vielen  mitten  in 
dem  Rennen  nach  den  Metallen  einen  Sporn  in  die  Seite  drücken, 
wenigstens  ihre  Kinder  zu  den  höheren  Wissenssphären  hinaufzu- 
führen ;  in  dem  ruhigen  Bewusstsein,  so  viel  Allgemeinverständliches 
und  Volksthümliches  zu  bieten,  dass  auch  für  die  Armen  an  Bildung 
genug  übrig  blieb.  Er  spürte  nach  dem  Wortsinn ;  aber  um  die  reifen 
Früchte  seines  heissen  Bemühens  brachte  ihn  einmal  ein  Zug  zu 
sareptanisch  bestimmter,  phantastischer  Ausbeutung  und  dann  eine 
falsche  Auffassung  von  dem  Verhältniss  der  Oekonomieen  des  alten 
und  neuen  Bundes.  Er  begnügt  sich  nicht  mit  der  schönen  Formel 
Augustins.  Er  christisirt  das  Alte  Testament  im  höchsten  Grade; 
es  steht  ihm  von  vornherein  fest  —  es  bedarf  für  ihn  keiner  Be- 
gründung —  daselbst  allenthalben  irgendwie  Christus  zu  finden:  das 
alte  Testament  redet  ihm  —  mit  Hilfe  typischer  Auslegung  —  an 
allen  Orten  von  dem  ewigen  Sohne  Gottes  *) ;  Christus  schöpft  seine 
Predigten  aus  dem  Brunnen  Israel's*).  Er  kommt  dabei  in  die  Ge- 
fahr einer  Gleichstellung  der  beiden  Testamente.  Dies  könnte  als 
ein  reformirter  Zug  erscheinen,  doch  weist  Bindemann  ')  darauf  hin, 
wie  auch  hier  die  confessionelle  Farbe  sich  nicht  verleugnet  und 
formulirt  sehr  treffend  den  Unterschied  der  beiden  Confessionen  in 
in  dieser  Richtung  dahin,  dass  die  Reformirten  mehr  in  der  Gefahr 
sind,  das  neue  Testament  in  das  alte  hinabzuziehen,  die  Lutheraner, 
ohne  gehörige  Vermittlung  das  alte  in  das  neue  hinaufzuheben.  Trotz 
dieses  Fehlers  bewundert  man  die  findige  Spürkraft,  die  Feinfiihlig- 
keit  und  Sinnigkeit,  mit  der  Beziehungen  unserer  heiligen  Urkunden 
zu  einander  entdeckt  werden. 

In  der  Dogmatik  trägt  Mathesius  noch  vielfach  die  Eierschalen 
der  mittelalterlichen  Kirche  und  der  Scholastik   an   sich.   Er  betont 


i)  Leben  Jesu,  i,  8  a.  —  ")  Ebd.  i,  38  b.  —  »)  Die  Bedeutung  des  alten  Testa- 
ments  für  die  christliche  Predigt.  1886.  94,  95.  Ueber  Mathesius.  95—194. 


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31 

wiederholt  den  Zusammenhang  mit  jener  in  den  Grundlagen  der 
Schrift,  Taufe,  Beichte,  Absolution.  Man  predigt  in  dieser  Kirche 
das  Gesetz  und  das  Evangelium  nach  prophetischen  und  apostolischen 
Schriften  und  man  bekennt  der  Apostel,  das  nicänische,  Sanct 
Athanasii  und  Sanct  Ambrosii  Symbole,  wie  diese  Lehre  in  der 
Augsburgischen  Confession  kurz  verfasset,  dazu  wir  uns  allezeit 
bekennen;  denn  ein  grösser  und  höher  Werk  und  theurer  und 
herrlicher  Bekenntniss  ist  nicht  geschehen  von  der  Apostel  Zeit 
an.  *)  So  sehr  nun  freilich  die  siegesfreudige  Festigkeit,  die  rück- 
sichtslose Entschiedenheit,  eine  gewisse  Geschlossenheit  der  Welt- 
anschauung bei  Mathesius  Eindruck  macht,  regt  sich  seiner  dog- 
matischen Stellungnahme  gegenüber  natürlich  immer  wieder  der 
Widerspruch  bei  Jedem,  der  eine  reinere,  befriedigendere,  widerspruchs- 
freiere Ausgestaltung  der  protestantischen  Grundsätze  für  möglich 
und  nöthig  achtet,  der  auch  die  Reformatoren  dem  unerbittlichen 
Gesetz  der  menschlichen  Bedürftigkeit  nicht  enthebt  und  mit  der 
Teleologie  sich  nicht  zu  befreunden  vermag,  welche  in  der  gewaltigen 
theologischen  Arbeit  der  letzten  vier  Jahrhunderte,  zumal  unseres 
jetzigen,  wesentlich  Abfall  und  Verirrung  erblickt.  Neben  dem  Ueber- 
glauben  mangelt  es  nicht  an  Aberglauben,  von  dem  ja  auch  der 
grosse  Meister  sein  Leben  lang  nicht  frei  wurde.  Beide  kämpfen 
dagegen  und  warnen  ■)  davor ;  Beide  verfallen  ihm  häufig :  die  Teufel 
wohnen  in  alten  Schachten,  Stollen,  Wassern,  Nixtümpeln  und 
Wüsteneien.  •) 

Auch  den  unseligen  Hexenwahnsinn  hat  er  aus  der  mittel- 
alterlichen Folterkammer  mit  hin  übergenommen :  der  Teufel  bedröhnt 
die  Hexen  *) ;  die  Kinder  werden  von  Teufeln  und  bösen  Leuten 
oftmals  gehexet,  verlähmt,  beschädigt   und  verstümmelt.  *) 

Fast  rückhaltlos  können  wir  uns  dagegen  seiner  ethischen 
Gedanken  freuen :  des  Ernstes,  mit  dem  er  die  Heiligung  als  Folge 
und  Frucht  des  Glaubens  betont;  der  echt  evangelischen,  so  lange 
verschütteten  Behauptung  der  Gleichheit  aller  Menschen  vor  Gott  •) ; 
der  Unerschrockenheit,  mit  der  er  den  Mächtigen  und  Begüterten 
in's  Gewissen  redet  '')  und  wiederum  der  Weisheit,  mit  welcher  er 
der  engen  Wirklichkeit  Rechnung  trägt  •) ;  der  hohen  Idealität,  welche 

i)  In  der  Kirchenordnung.  —  •)  Mathesius  z.  B.  Syrach,  2,  75  b.  —  •)  Leychpred. 
I»  b  2  a.  —  *)  Leben  Jesu.  1568,  46  a.  —  »)  Leychpr.  i,  d  20.  —  •)  Z.  B.  Syrach 
2,  89  a.   —  ')   Ebd.  2,  82.  —   8)  Ebd.  a,  71b. 


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32 

er  dem  Dasein  selbst  des  Elendesten   zu   geben   vermag,    sofern  er 
nur  Christus  gefunden. 

Dass  er  seiner  harten  Zeit  zuweilen  den  Zoll  rauhen  Urtheils  *) 
entrichtet,  wird  ihm  Niemand  verargen. 

Weit  rücken  wir  wieder  von  ihm  ab,  wenn  wir  seine  Polemik 
in's  Auge  fassen.  Freilich,  wenn  er  seine  scharfe  Klinge  gegen  Rom 
führt,  werden  wir  ihm  nicht  in  den  Arm  fallen,  wenn  auch  wider 
die  Fechterkünste  der  modernen  Gegenreformation  noch  andere 
Streiche  zu  führen  sind. 

Bedenklicher  ist  schon  zum  Theil  sein  Verhalten  in  den  Kämpfen 
des  Lutherthums  mit  der  melanthonisch-calvinischen  Richtung  und 
denen  innerhalb  des  Lutherthums.  Er  liebt  es  allerdings  nicht,  in  sie 
sich  einzumischen,  seine  Entfernung  von  ihrem  Schauplatz  würde  ihn 
auch  dabei  hindern;  er  ist  kein  Freund  von  Haarspaltereien  und 
Spitzfindigkeiten;  doch  scheut  er  nicht,  Farbe  zu  bekennen.  Ueber 
das  Interim  ergiesst  er  die  Lauge  seiner  Satire  und  schilt  über  den 
erneuten  Götzendienst  ■) ;  doch  ist  er  entschiedener  Adiaphorist  mit 
weitgehenden  Zugeständnissen  in  den  , ungefährlichen  Ceremonien. 
welche  die  Jugend  und  den  gemeinen  Mann  in  guter  Zucht  erhalten.* 
Man  hat  ihn  wohl  des  Majorismus  beschuldigt,  weil  er  wie  beregt  auf 
die  Heiligung  drang  ')  und  sich  gegen  jene  Amsdorf  sehe  Proposition 
von  der  Schädlichkeit  der  guten  Werke  erklärte  *) ;  doch  legt  fast 
jede  Seite  beredtestes  Zeugniss  über  seinen  Solafidismus  ab,  daher  er 
im  synergistischen,  wie  auch  im  Sacramentsstreit  viel  entschiedener 
als  sein  Freund  Melanthon  zu  Luther  hielt.  Ebenso  bei  den  Kämpfen 
innerhalb  des  Lutherthums;  Grickel  heisst  ein  Sonderling  und 
Schwärmer*),  die  lehren,  was  ihnen  Gold  trägt*);  Oslander  und 
Stancarus  werden  zu  den  Rotten,  Secten  und  Ketzern  geworfen  *) ; 
vielleicht  ist  auch  auf  Flacius  Illyrikus  gezielt,  wo  von  dem  illyrischen 
Pech  gesagt  wird,  dass  es  schwarz  und  stolz  ist  und  bald  darauf 
von  bösen,  rasenden,  unsinnigen  Köpfen  die  Rede  wird,  mit  denen 
man  nicht  in  Disputationen  sich  einlassen  soll.  *) 


1)  Z.  B.  Ebd.  I,  172  b.  2,  35  a.  —  «)  Brief  an  Eber,  a,  a.  O.  83  und  Syrach 
2,  58  b.  —  «)  Vgl.  Vilmar,  a.  a.  O.  278.  —  *)  Sarepta  121  b.  —  *)  Syrach  154  b. 
Sarepta  129  b.  Luth.-Hist.  135  b.  -—  •)  Syrach  2,  61  a.  —  »)  Ebd.  57  b.  53  a.  a,  61  b. 
—  *)  Ebd.  2,  79  a.  Es  ist  daher  nicht  zutreffend,  wenn  Vilmar  nur  von  einer  Partei- 
nahme gegen  Oslander  spricht,  a.  a.  O.  278. 


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33 

Entschiedenen  Protest  gilt  es  indessen  seinem  Auftreten  gegen- 
über den  Juden,  Täufern  und  Reformirten,  wo  er  in  bedauerlichster 
Weise  der  Nachtreter  seines  grossen  Lehrers  ist  und  insofern  in  diese 
Verschuldung  mit  ihm  sich  theilen  darf.  Dabei  scheint  er  nicht 
einmal  Luther's  Stellung  zu  den  Juden  in  seiner  Blüthezeit,  in  den 
zwanziger  Jahren,  im  Gedächtniss  zu  haben,  wo  er  in  evangelischer 
Liebe  mit  dem  Ahasver  zu  fahren  gebietet,  sondern  nur  die  aus  den 
vierziger  Jahren,  deren  Aeusserungen  den  modernen  Sportsmännern 
des  Antisemitismus  eine  so  unschätzbare  Fundgrube  geworden  sind. 
So  spricht  er  z.  B. :  Die  alten  Juden  waren  massige  Leute,  die 
jetzigen  essen  kein  Schweinefleisch  und  sind  selbst  Säue  *);  gern 
redet  er  sprichwörtlich  vom  gelben  Neid  der  Juden ;  von  ihnen  als 
von  Leuten,  die  nichts  ohne  Vortheil  thun  *).  Freilich  zu  Luther's 
Masslosigkeit  verirrt  er  sich  nicht. 

Gegen  die  Täufer,  diese  ^Spazier-  und  Schwarmgeister  mit 
ihrem  türkischen  und  teuflischen  Wahnsinn*,  wüthet  er  bei  jeder 
Gelegenheit.  Es  gereicht  ihm  dabei  nur  zu  geringer  Entschuldigung, 
dass  sie  allgemein  mit  dem  Hass  des  Menschengeschlechts  beladen 
waren,  dass  er  sie  in  München  vielleicht  in  sehr  zweifelhaften  Ver- 
tretern kennen  lernte,  und  dass  sie,  wie  berührt,  in  Joachimsthal 
Aufregung  hervorgerufen;  wohl  aber  der  Umstand,  dass  der  Fluch 
der  Reformatoren  bis  in  die  neuere  Zeit  auf  dieser  unseligen  Partei 
gelegen.  Erst  jüngst  hat  man  begonnen,  auch  diese  Verkannten 
zu  retten,  zu  begreifen,  dass  das  ^Täuferthum  vielfach  nur  eine 
Reaction  war  gegen  die  mit  Gewalt  unterdrückte  rein  evangelische 
Bewegung.* 

Was  soll  man  aber  vollends  über  die  Schroffheit  und  Härte  des 
Mathesius  gegen  die  Reformirten  sagen,  , diese  aufrührerischen 
Koraiten,  welche  Christi  Abendmahl  mit  gotteslästerlichen  Worten 
verspotten* !  *)  Zwingli  wird  mit  Arius  und  Mahomet  in  demselben 
Athem  genannt;  er  gehört  zu  den  Ohrenkrauern,  die  Geschenke 
bekommen  *).  Der  ganze  Schmerz,  den  wir  Angesichts  des  Bruder- 
zwistes zwischen  Luther  und   den  Schweizern  und  deren  Epigonen, 


1)  Syr.  2,  43.  —  •)  Ebd.  2,  39  b.  43  b.  —  •)  Ueber  die  Geschichte  der  Täufer 
in  Oesterreich  erinnere  ich  namentlich  an  Bd.  43  der  Fontes  rerum  Anstriacarum.  Mittheil. 
d.  V.  f.  Gesch.  d.  Deutschen  in  Böhmen.  1866,  149  f.  Adam  Wolf,  Geschichtliche 
Bilder  aus  Oesterreich.  1878,  i,  67—112.  —  *)  Luth.-Hist.  58  b.  —  «)  Syr.  2,  58  b. 
Luth.-Hist.  177  a. 

Jahrbuch  des  Protestantismus  x888.  H.  I.  3 


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34 

diesen  Kindern  Eines  Geistes,   vielfach  bis   heut  empfinden  müssen, 
bricht  da  in  aller  Bitterkeit  auf. 

In  der  Kennzeichnung  von  Mathesius'  Predigten  sind  überaus 
fruchtbar  und  daher  in  diesem  Rahmen  zu  besonderer  Enthalt- 
samkeit drängend  die  Capitel  von  dem  Bilderschmuck  und  von  der 
Verwendung  seiner  humanistischen  Kenntnisse.  Nicht  umsonst  hat 
er  fast  zehn  Jahre  geschulmeistert  und  sich  so  in  den  Alten  ge- 
tummelt, dass  ihn  Laube  einen  der  vorzüglichsten  Humanisten  seiner 
Zeit  nannte.  Sie  müssen  ihm  wider  Willen  Handreichung  thun,  die 
Herrlichkeit  der.  Offenbarung  zu  veranschaulichen  in  der  Verneinung 
wie  in  der  Bejahung.  Zum  Theil  wurde  schon  bei  Gelegenheit  der 
Sarepta  darauf  hingewiesen. 

Griechische  und   römische  Historiker    wie  Philosophen,   Epiker. 
Lyriker,   Dramatiker   steigen   mit   auf  die  Kanzel  von  Joachimsthal. 
Von  den  Vätern  Homer   und   Hesiod    an,    durch  die  goldenen   und 
silbernen  Zeitalter  hinunter   bis    in  die  ehernen    wird  über  ein  Jahr- 
tausend literarischen  Schaffens  durchmustert.  Als  brauchbar  werden 
nicht  nur   die  Hauptleute    der  jetzigen  Gymnasialbildung   gefunden, 
auch  nicht  nur  der  gnomische  Elegiker  Theognis ;  der  stoische  Sitten- 
prediger Persius;    der   auch   als  Charakter   hochachtbare   Quintilian. 
dessen  Institution  ja  noch  heut  als  eins  der  gediegensten  Lehrbücher 
der  alten  Literatur  geschätzt  wird;    der  tiefsinnige  Seneka;   der  für 
die  Alterthumskunde  so  verdiente  Gellius,   dessen  ,  Attische  Nächte* 
wohl    jenen    Titel    der    ersehnten    Wittenberger    Nächte  *)    geprägt 
haben;    der    neuplatonisirende    didaktische    Makrob;    nicht   nur   die 
Schöpfer  des  europäischen  Lustspiels,   ein  Plautus   und  der  Liebling 
Terenz;  sondern    auch   die    antiken   Zolaisten  Juvenal   und   Martial, 
deren  Satiren  und   Epigramme,    bei  der  Unsterblichkeit  der  Laster, 
der  züchtigenden  Rede   immer   willkommenen  Stoff  liefern   werden. 
Dass   man   den  Anekdoten   des  Valerius  Maximus  häufig  begegnet, 
ist  nichts  Absonderliches ;    war  doch  ihre  Sammlung   im  Mittelalter 
sehr  beliebt;    auch  Zwingli   hat   sie  auswendig   gelernt,    um  sie  als 
Beispiele   in  der  Predigt   verwerthen   zu   können').-  Die  Gedanken. 
Sprüche  und  Verse  aus  den  Schriften  dieser  heidnischen  Handlanger 
werden  vielfach  in  der  Originalsprache  angeführt,   meist  mit  Ueber- 
setzung,  die  zum  Theil  sehr  volksthümlich  zurecht  geschnittene  und 
gereimte  Zeilen  bietet. 

*)  A.  a.  O.   19.  —  «)  S.  oben  S.  15.  —  »)  Stähelin,  Zwingli  als  Prediger.  1887,   o 


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35 

Es  ist  eben  christlichen  Leuten  unverboten,  in  der  Heiden 
Bücher  zu  lesen,  wie  auch  ein  Prediger  solche  Beute  auf  der  Kanzel 
wohl  gebrauchen  darf,  ohne  Nachtheil  und  Abbruch  der  Propheten 
und  Apostel  %  wie  auch  Sanct  Paulus  thut  •).  Die  alten  Poeten,  feine 
und  werkliche  Köpfe  '),  sind  ihrer  Zeit  Propheten  und  Pastoren  ge- 
wesen, welche  Zucht  gelehret  und  die  Leute  gestraft  und  zur  Tugend 
ermahnt  haben.  Bei  dem  Aergerlichen  und  Gefährlichen  in  ihren 
Büchern  gilt  es :  behalte  das  Gute,  warne  vor  dem  Bösen  *).  Freilich, 
wenn  wir  etlicher  Heiden  Schriften  in  ihrem  Werth  bleiben  lassen 
und  jungen  Leuten  gute  Sprachen,  Redekunst  und  was  zur  schönen 
Zucht  und  Ehrbarkeit  im  Haus,  Stadtwesen,  Recht,  Arznei,  des 
Himmels  Lauf  zu  erforschen,  studiren  und  lernen  befehlen,  müssen 
wir  dennoch,  wenn  wir  eigentlich  von  Sünde,  Tod  und  menschlichem 
Elend  und  dessen  Ursache  und  dem  Herrn  Herrn,  der  ihrer  mächtig 
ist,  reden,  uns  an  Mosis,  der  Apostel  und  Propheten  Schriften 
halten,  in  denen  wir  Alles  weit,  hoch,  breit  und  viel  besser  finden, 
denn  sonst  in  aller  Welt  *).  An  dieser  Werthung  der  heidnischen 
Pastoren  wurde  Mathesius  auch  nicht  im  Alter  irre,  wie  so  mancher 
Andere  selbst  der  hervorragendsten  Humanisten  •). 

Mit  dieser  Vorliebe  hängt  auch  die  für  die  Bilder  zusammen. 
Unbegreiflich,  wenigstens  in  dieser  Allgemeinheit,  ist  daher  Vilmars  ') 
Ausspruch:  , seine  Darstellung  ist  höchst  einfach,  ohne  allen  und  jeden 
Schmuck,  ohne  allen  sachlichen  und  rhetorischen  Effect*  ;  ganz  im 
Gegentheil.  Wie  er  in  den  Kirchen  nicht  die  wirklichen  Bilder  ikono- 
klastisch  schalt,  so  auch  nicht  die  gedanklichen  in  der  Predigt :  ^^denn 
auch  der  Sohn  Gottes,  die  Apostel  und  Propheten  thuen  ihren  Mund 
gern  auf  in  schönen  Gleichnissen*  *).  Allerdings  wird  es  manchmal 
des  Guten  zu  viel,  so  dass  man  geneigt  wird,  auf  ihn  die  Bemänge- 
lung anzuwenden,  welche  Nitzsch  •)  seinem  Urtheil  über  die  Blüthezeit 
der  lateinischen  Predigt  einfügt,  dass  der  BUder  und  Symbole,  des 
Fettes  der  Embleme  zu  viel  ist.  Die  Hauptschatzkammern  sind  die 
Bibel  und  das  Hüttenwesen ;  daneben  die  Legende,  Mythologie,  die 
Natur,  der  tägliche  Verkehr,  selten  die  Kunst. 

Auch  durch  Sprichwörter,  diese  destillirten  Tropfen  der  Erfahrung 
ganzer  Völker,  war  Mathesius  bestrebt,  seine  Rede  zu  beleben,  auch 

1)  Leychpr.  i,  2  b.  —  «)  Sarepta  67  b.  —  «)  Ebd.  225  a.  —  *)  Leychpr. 
a,  a.  O.  —  »)  Sarepta  201  b.  202  a.  —  •)  Geiger,  a.  a.  O.  388.  —  »)  A.  a  O.  278.  — 
»)  Lutb.-Histor.  70  ab.  —  •)  System  der  praktischen  Theologie.  2,  15.  19. 


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_36_ 

darin  einem  Zug  der  Zeit  folgend.  Es  sei  hier  nur  an  die  Sprich- 
wörtersammlungen Luther's,  Erasmus\  Sebastian  Frank's  und  Johann 
Agricola's  erinnert.  Er  will  damit  Manchem  eine  Klette  in  den  Bart 
werfen  und  einen  Stift  in's  Herz  stecken. 

Ferner  durchziehen  Wortspiele,  eine  humanistische  Liebhaberei, 
der  z.  B.  der  alte  Alexander  Hegius  in  Deventer  *)  in  ganz  seltsamer 
Weise  fröhnte,  fast  alle  Vorträge  wie  Mohnblumen  das  Kornfeld, 
wie  sich  denken  lässt,  von  sehr  verschiedenem  Werth,  zuweilen  in 
ermüdender  Häufung. 

Im  Gehorsam  der  apostolischen  Mahnung :  Alles  ist  euer,  hat  er 
endlich  dem  Humor  einen  nicht  unbedeutenden  Raum  eingeräumt. 
Nicht  nur  in  den  Hochzeitspredigten  macht  er  reizende  Figur,  selbst 
in  der  Vorrede  zu  den  Leichenpredigten  blitzt  er  durch.  In  der  noch 
schwebenden  Streitfrage  über  dessen  Berechtigung  an  heiliger  Stätte 
wird  auch  die  Stellungnahme  eines  so  gewiegten  Geistlichen  in's 
Gewicht  fallen  und  die  Schale  der  Bejahung  senken  helfen.  In  der 
That !  welch  ein  Mittler  zwischen  der  idealen  und  realen  Welt,  welche 
ja  der  Diener  am  Wort  versöhnen  helfen,  in  der  höheren  Einheit 
aufheben  soll,  ist  doch  der  Humor,  nach  der  Volkssage  ein  Kind 
aus  dem  Bunde  von  Schmerz  und  Freude,  von  der  Mutter  in  ein 
Priestergewand  gekleidet  und  ausgesandt,  jene  beiden  Welten  zu  ver- 
mählen, aus  welchen  die  ungleichen  Eltern  stammten! 

Nicht  selten  nimmt  der  Mathesianische  Humor  lutherisch- 
groteske  Formen  an ;  wie  man  mit  Fug  Luther  einen  Classiker  des 
grotesken  Humors  genannt  hat.  Häufig  verschärft  sich  der  Humor 
zur  Ironie  und  Satire  und  das  gerade  in  jener  uns  heute  oft 
ärgernden  Polemik.  Wie  hierin  geht  Mathesius  auch  in  der  Nennung 
des  Wirklichen  und  Natürlichen  —  wohl  wieder  in  Erinnerung  an 
das  lateinische  Sprüchlein  —  weit  hinaus  über  das  uns  Heutigen 
schicklich,  geschweige  geschmackvoll  Dünkende.  In  der  Aera 
Rabelais'  und  Shakespeare's  hatte  man  eben  andere  Massstäbe, 
besassen  selbst  die  Frauen  stählerne  Nerven. 

Beim  Licht  ist  der  Schatten.  Die  Krone  der  Vollendung  ist 
nicht  von  dieser  Erde,  sie  schmückt  keinen  sterblichen  Scheitel, 
Aber  die  unerlässlichen  Ausstellungen  dürfen  nicht  auch  nur  in 
den    Hintergrund   rücken  lassen,    was   wir  Treffliches,   Grossartiges, 


*)  Geiger,  a.  a.  O.  392. 


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37 

Herz-Erfreuendes  unserem  sudetischen  Pfarrer  zu  danken  haben. 
Trotz  der  hermeneutischen,  kritischen,  historischen,  dogmatischen, 
polemischen,  ästhetischen  Gebresten  steht  er  vor  uns  als  das  Kunst- 
werk einer  geistdurchwirkten  Persönlichkeit,  bewuniiernswerth  als 
Forscher,  Prediger  und  Seelsorger;  der  Besten  Einer  aus  dem 
zweiten  Gliede  der  reformatorischen  Helden,  ein  Lichtbild,  das  bis 
zu  uns  herüberglänzt  und  manchem  jungen  und  alten  Theologen  ein 
Wegweiser  sein  kann;  vor  Allem  in  dem  sittlichen  und  religiösen 
Pathos,  das  keineswegs  von  seiner  Dogmatik  unzertrennlich  ist;  in 
dem  Eifer,  die  Ergebnisse  der  Wissenschaft  dem  einfachen  Mann 
mitzutheilen  und  zu  Eigen  zu  machen;  in  der  Inbrunst,  dem  Tag 
für  Tag  hart  in  den  Sielen  gehenden  Volk  Seine  nur  zu  leicht  es 
aufsaugende  Berufsthätigkeit  ebenso  sinnig  als  unauflöslich  mit  dem 
Einen,  was  noth  ist,  zu  verknüpfen ;  in  der  Verschmelzung  von 
theologischen,    humanistischen   und   naturwissenschaftlichen   Studien. 

Schon  der  Kryptiker  Lukas  Osiander  charakterisirt  ihn  *)  als 
selten  aufrichtig  und  äusserst  beredt,  als  feinen  und  gebildeten  Kopf. 
Ein  Anderer  der  Aelteren  spricht  nicht  nur  von  bewunderungs- 
würdiger, sondern  fast  göttlicher  Beredtsamkeit  ■).  Vilmar,  der  be- 
kanntlich mit  Lob  nicht  verschwenderisch  war,  räumt  ihm  unter 
den  Homileten  des  i6.  Jahrhunderts  den  ersten  Rang  nach  Luther 
ein  und  wünscht  seine  Werke  studirt  zu  wissen ;  Bindemann  befür- 
wortet sogar  Wiederabdruck  seiner  Propheten-Postille. 

Es  war  nicht  des  Mathesius  Schuld,  dass  seine  Lebensarbeit 
nicht  nachhaltiger  gewirkt,  dass  von  ihr  weniger  übrig  geblieben  als 
von  den  Mauern  seiner  Kirche.  Es  wird  immer  ein  Räthsel  der 
göttlichen  Zulassung  bleiben,  dass  eine  der  kläglichsten  Schlachten 
der  Weltgeschichte  der  evangelischen  Kirche  Böhmens  den  Todes- 
stoss  gab,  dass  durch  jesuitische  Dragonaden  die  schönen,  kaiserlichen 
Lande,  welche  fast  ganz  schon  in  der  Sonne  evangelischer  Wahrheit 
und  Freiheit  erblühten,  in  Dunkelheit  und  Erstarrung  zurückgeworfen 
werden  durften.  Allerdings  haben  sich  die  Sareptaner  tapfer  gewehrt 
und  sind  meist  lieber  ausgewandert,  als  Glaubenswechsler  zu  werden. 

Nur  zu  wirklich  ist  die  Schilderung  des  Romantikers  Achim  von 
Arnim  von  den  heutigen  Joachimsthalern.  Es  ist  ein  armes  Völkchen, 
das  mit  Cigarrendrehen  und  Spitzenklöppeln  sein  Leben  fristet ;  nur 


1)  Chronic.  Misn,   l,  35,  7.  —  ■)  Schmidt,  a.  a.  O. 


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38 

etwa  dreihundert  betreiben  noch  den  wenig  lohnenden  Bergbau ;  von 
einem  Gymnasium  ist  keine  Rede  mehr,  nicht  einmal  eine  Buch- 
handlung befindet  sich  am  Ort.  In  der  unverhältnissmässig  schönen 
Kirche  schwebt  in  der  Mitte  eine  Mutter  Gottes  mit  dem  Kinde. 
Und  gleichwohl  zehrt  man  noch  von  dem  Ruhm  des  Mathesius. 
Wie  übermächtig  sein  Andenken  sich  geltend  macht,  beweist,  dass 
ihm  an  seinem  Geburtstag  1874  am  Joachimsthaler  Rathhaus  in  feier- 
licher Handlung,  unter  Huldigungen  in  Prosa  und  Versen,  in  Gegen- 
wart der  katholischen  Geistlichen  eine  Gedenktafel  gewidmet  wurde, 
die  freilich  nicht  nur  in  dem  falschen  Tagesdatum  des  Todes,  son- 
dern in  den  kühlen  und  vorsichtigen  Worten  der  Anerkennung, 
welche  ihm  den  Pfarrertitel  versagen,  an  den  Wandel  der  Zeiten 
gemahnt. 

Möchte  dieser  Vorgang,  dieses  Reformatoren-Denkmal  im  katho- 
lisirten  Joachimsthal  ein  Bote  jenes  Dorado  sein,  in  dem  nicht  nur  nicht 
mehr  Kanonen  gegen  Gedanken  gelöst  werden,  und  der  Landsknecht 
in  das  Heiligthum  der  Seele  einbricht^  sondern  auch  die  durch  Hass 
und  Lüge  vergifteten  Geisteswaffen  im  Tempel  der  Toleranz  und 
der  neidlosen,  freudigen  Anerkennung  des  in  jeder  Confession  Grossen 
und  Gesegneten  aufgehängt  werden! 


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II. 

,,Extract    derer    in    Materia     Religionis     ergangenen 

sowohl    Kaiser-    und    Königlichen    —    als    Königlich 

Ober-Amtlichen  —  dann  Königlichen   Amts-  —  wie 

auch  Königlichen  Repraesentations-  und  Cammer- 

Rescripten  ab  Anno  1692/' 

Mitgetheilt  von  Professor  RICHARD  PRITSCHE. 

In  der  vom  Exjesuiten  Leopold  Scherschnik  in  Teschen  gegrün- 
deten Bibliothek  befindet  sich  ein  252  Quartseiten  umfassendes 
Manuscript,  welches  unter  obigem  Titel  eine  Sammlung  im  Auszuge 
gegebener,  zumeist  die  Gegenreformation  im  Teschner  Gebiete  be- 
treffender Verordnungen  vom  Jahre  1692  — 178 1  enthält.  Wir  heben 
aus  diesem  Schriftstück  alle  irgendwie  wichtigen  Verfügungen  heraus, 
bringen  dieselben  jedoch  in  eine  gewisse  Ordnung,  indem  wir  die 
nach  den  einzelnen  Jahren  bunt  unter  einander  aufgezählten  Reso- 
lutionen bestimmten  Abschnitten  einreihen.  Dabei  bemerken  wir, 
dass  der  Abschnitt,  welcher  die  Verordnungen  über  die  dem  Re- 
ligionsanspruch unterliegenden  enthält,  d.  h.  über  diejenigen  Evan- 
gelischen, welche  die  katholische  Kirche  als  ihr  rechtlich  angehörig 
beanspruchte,  zu  welchen  aber  auch  diejenigen  gehörten,  die  den 
katholischen  Religionsunterricht  geniessen  sollten,  sowie  viele  Apo- 
staten und  Halsstarrige,  nur  deshalb  besonders  verzeichnet  wurde, 
weil  auch  in  den  allgemeinen  Verordnungen  dieser  Sammlung  ein 
solcher  Unterschied  gemacht  wird.  Die  Verordnungen  beginnen  auch 
eigentlich  erst  vom  Jahre  1707,  indem  vorher  nur  das  einzige  an- 
geführte Rescript  aus  dem  Jahre  1692  in  der  Sammlung  sich  vor- 
findet. Die  Verordnungen  sind  entweder  Kaiser-  und  Königliche 
Ober  -  Amtliche  Rescripte,  Intimationen  oder  Communicationen 
(K.  K.  O.  A.  R.),     oder     Königlich    Ober -Amtliche     Resolutionen 


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40 

(K.  O.  A.  R.),  oder  Kaiser-  und  Königliche  Repraesentations-  und 
Cammer-Rescripte  (K.  K.  Repraes.  R.).  Es  sind  vor  Allem  allge- 
meine Verordnungen,  die  von  der  k.  k.  Religions-Commission  und 
dem  Consistorium  A.  C.  in  Teschen,  von  dem  evangelischen  Kirchen- 
und  Schulwesen  im  Teschner  Gebiete,  von  den  Beschwerden  der 
evangelischen  Gemeinden  über  Bedrückungen  und  von  Anderem 
handeln,  dann  solche  gegen  die  Apostaten,  deren  Vermögen  in  usus 
religionis  confiscirt  werden,  gegen  die  Halsstarrigen,  die  zum  Militär- 
dienst oder  zu  einem  opus  publicum  in  Eisen  und  Banden  venirtheilt 
oder  nach  Ungarn  und  Siebenbürgen  verbannt  werden,  solche  ge- 
gen die  Entwichenen  und  Verschickten,  deren.  Eltern  bis  zur  Rück- 
kehr der  Ihrigen  in  die  Frohnveste  gesteckt  werden  sollen,  solche, 
welche  als  dem  Religionsanpruch  unterliegend  den  katholischen 
Religionsunterricht  zu  geniessen  haben,  solche  gegen  lasterhafte 
evangelische  Bücher,  gegen  die  Pietisten,  gegen  die  heimlich  ausser 
Landes  Getrauten,  solche  über  das  zuerst  in  Lippowetz,  dann  nach 
Ustron  transferirte  katholische  Waisenhaus,  in  welches  die  Kinder 
renitenter  Lutheraner  zur  Erziehung  im  katholischen  Glauben  ge- 
bracht wurden,  solche,  in  welchen  die  Vybrantzen-  (Grensdarmen) 
und  Dragoner-Assistenz  bei  Einbringung  der  Ketzer  verlangt  wird, 
solche  über  die  Ausschliessung  der  Evangelischen  vom  Bürgerrechte, 
endlich  einige  wenige  Verordnungen  milderer  Tonart,  die  schon  vom 
Josphinischen  Geiste  angehaucht  sind. 

Wir  fuhren  nun  die  wichtigeren  Verordnungen  der  Sammlung  vor. 

Allgemeine  Verordnungen. 

1692,  den  17.  Juny.  Kays.  R.,'  was  maßen  Ihro  Kays.  Mayestät 
aus  dem  von  dem  Königl.  Ober- Amte  auf  derer  Stände  des  Fürsten- 
thuins  Teschen  in  puncto  der  verbothenen  Unterthanen  Copulationen 
allerunterthänigst  eingereichten  Beschwerden  müsfallig  vernommen 
hätten,  welcher  gestalt  der  Teschnische  Landes-Hauptmann  Rudolf 
Freyherr  von  Sobeck  an  den  Obersten  Hauptmann  und  Bischofen 
zu  Brefilaü  einen  höchst  gefahrlichen  Vorschlag:  daß  denen  ge- 
meldten Teschnischen .  Unterthanen  die  priesterliche  Copulation  so 
lange  bis  dergleichen  in  den  heüigen  Ehe-Stand  zu  trethen  begrie- 
fenen  Persohnen  sich  zuvor  zu  der  allein  seeligmachenden  katho- 
lischen Religion  bekennet,  versaget  werden  solle,  zu  thun  unter- 
maßet,  so  auch  darauf  von  dem  Bischöflichen  Consistorio   also    ein- 


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gerichtet  und  würklich  vollzogen  worden  und  nun  das  Consistorium 
dieses   sein  Factum   mit   desselben   Landes  -  Hauptmanns    unzeitiger 
Veranlassung  zu  entschuldigen    suchet.    —    Wenn   nun    dergleichen 
Sachen,  so  in  das  Jus  Reformationis  et  Regium  einlaufen,  und  zwar 
mit  Execütiv- Vorschlägen  an  die  Geistlichkeit  zu  bringen,  ihme  keines- 
weges  Zugestanden,    sondern  ihme   vielmehr   die   diesfalls   etwa  ge- 
habten Gedanken  vorhin  an  Ihro  Mäyestät   gehorsamst  gelangen  zu 
lasseh,    obgelegen   hätte;    Als  Befehleten  Ihro  Mayestät   demselben 
gnädigst:    daß   er  sich  dessen  ins  künftige   bey  Vermeidung   schär» 
feren  Einsehens  hütten,   und  in  seiner  Amts-Direction  mit  mehrerer 
Prudenz  und  Vorsichtigkeit  verfahren  sollte.    Interim   aber  weil  das 
Consistorium,  wie  die  Beylage  zeigete,  durch  dieses  Mittel  378  paar 
Persohnen  convertirte.  hätte  er;    ob  diese  angegebenen  conversi  re- 
vera  convertiret  worden,  auch  bei  der  wahren  katholischen  Religion 
beständig  verbleiben  .>   und  dann  ob  gegen  denen  convertirten  nicht 
eben  so  viel  und  mehrer  aus  dem  Lande  gewichen?  oder  noch  auß- 
weichen   und  die  hierdurch  dem  Lande  verursachende  depopulation 
perseverire  .^    wohl   und   gehörig   zu   untersuchen    und   sodann,    wie 
auch  was  sonst  quietis  publicae  sowohl  intra  Provinciam   als  in  ad- 
jacente   Vicinia    der    katholischen   Religion    zum   Besten    geschehen 
könne,    oder   per  extortas   et  factas  conversiones   zu  der  Lästerung 
Gottes   zu   besorgen   wäre,    fundate   nebst   Zurücksendung   der  Ein- 
schlüsse zu  Händen  der  Königl.  Boheim.  Hof-Cantzelley  gehorsamst 
zu  berichten,    damit  Ihro  Mayestät   gestalten  Dingen  nach,    ob  der 
von  dem  Königl.  Ober-Amte  vorgeschlagenen  Connivenz  oder  aber 
nöthigen   Revocation    der   geschehenen  Publication   allergnädigst   re- 
solviren  könnten.    Hierin   wird   ^eschen   unser  gnädigste  Wille   und 
Meinung.  Geben  Wien,  den  17.  Juny  1692. 

1707,  den  II.  Sept.  K.  O.  A.  I.  in  puncto  derer  zwischen 
Ihro  Kays.  Mayestät  und  dem  Könige  in  Schweden  geschlossenen 
Religions-Puncten  in  specie  wegen  Verstattung  des  freyen  Religions» 
Exercitii  in  diesem  dero  Erb-Hertzogthum  Schlesien  vor  dasige 
der  Augsburgischen  Confession  zugethane  treugehorsamste  Stände 
zu  weiterer  Kundmachung  und  genauester  Beobachtung. 

1708,  den  13.  Febr.  K.  O.  A.  V.  ratione  derer  von  denen 
Augsburgischen  Confessions- Verwandten  außgeschrieben  seyn  sollen- 
den Collecten,  um  solche  durch  nachdrücklichen  Verboth  sogleich 
zu  sistiren  und  genauest  nachzuforschen:    durch  wen.^    und  wie  viel 


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42 

bereits  von  solchen  Geldern  collectiret  oder  wohin  sie  distribuiret 
worden,  auch  wo  irgends  noch  was  davon  anzutreffen  ?  welches  also- 
gleich in  Sicherheit  zu  bringen  und  darüber  Bericht  an  das  Königl. 
Ober-Amt  abzustatten  ist, 

1709,  den  4,  Jan.  K.  O.  A.  R.:  vermöge  welchem  die  von 
denen  herumvagirenden  Lutherischen  Praedicanten  wider  die  Alt- 
Ranstädtische  Convention  sich  anmaßende  Attentata  mit  öffent- 
licher Verrichtung  ihres  Exercitii  Lutheranismi  in  Dörfern  unter- 
brochen werden  sollen. 

17 IG,  den  21.  Febr.  Kais,  allergnädigster  Befehl,  daß  die 
Augsburgischen  Confessions  -  Verwandten  in  der  Hertzogl.  Stadt 
Teschen  als  Inwohner  geduldet  werden  können. 

17 10,  den  9.  July.  K.  O.  A.  I.,  daß  vermöge  emanirten  K.  k. 
allergnädigsten  Rescripti  die  Tauf-Actus  von  denen  Lutherischen 
Wortsdienern  in  denen  Privat-Häußern  und  Wohnungen  Adelicher 
oder  anderer  Persohnen  auf  keine  Weise  gestattet,  die  vorsetzlichen 
Transgressores  dessenthalben  zur  Rede  gestellet  und  wie  solche  zu 
bestraffen  guttachtlich  berichtet,  auch  hirob  die  Allerhöchste  Ver- 
ordnung erwartet  werden  solle. 

17 19,  den  23.  Sept.  K.  O.  A.  V.,  daß  die  von  denen  katho- 
lischen Eltern  von  Teschen  nacher  Bielitz  zu  Erlehrnung  der  deut- 
schen Sprache  abgeschickten  Kinder  unnachbleiblich  zurückgenommen 
werden  sollen. 

1723,  den  II.  Novemb.  K.  O.  A.  V.,  daß  mit  denen  bey  der 
allhiesigen  Augs.  Conf.  zu  lang  haltenden  Andachten,  wann  dar- 
wider  sonsten  nichts  erhöblicheres  vorzuwenden  wäre,  zu  dissimu- 
lircn  seye. 

1724,  den  14.  Febr.  K.  O.  A.  R.  wegen  verbothener  Theo- 
logie Tradirung  zu  Teschen. 

1724.  den  26.  Juny.  K.  O.  A.  R.,  daß  die  Augsb.  Ministri 
fremden  Lutherischen  Theologis  in  der  hiesigen  Teschnischen  Gna- 
den-Kirche A.  C.  publice  zu  predigen  sub  poena  suspensionis  nicht 
erlauben  sollen. 

1736,  den  8.  May.  Extract  eines  Kay  serlichen  Rescripts,  ver- 
möge welchem  6)  ratione  derer  von  zweyerley  Religion  zugethanen 
Eltern  entsproßenen  und  contra  sexum  in  perversa  fide  auferzogenen 
Kindern  statuiret  worden,  daß,  wann  selbte  bereits  über  20  Jahre 
alt  sind,    man  dieselben  zwar  von  aller  Instruirung  nicht  simplidter 


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losgesprochener  halten,  sondern  die  Geistlichkeit  etwa  glimpflich 
und  nach  Beschaffenheit  der  docilitaet  deren  Leuthen  sehen  solte, 
ob  sie  was  fruchtbarliches  operiren  könne,  falls  aber  solches  nicht 
zu  hoffen  wäre,  respectu  dergleichen  in  ihrem  Irrthum  verstockt 
bldbenden  Persohnen  connivendo  zu  gehen  haben  würde.  7)  finden 
Ihro  K.  und  K.  Mayestät:  quo  ad  copulandös  diversae  Religionis, 
daß,  weilen  die  Libertas  super  educatione  prolium  stipulandi  in  dem 
Alt-Ranstädtischen  Executions-Recess  fundirt  ist,  denen  Braut- 
Persohnen  von  zweyerley  Religion,  wann  selbe  durch  güttliche  und 
geistreiche  Vorstellungen  zur  Stipulation  de  educandis  prolibus  utri- 
usque  sexus  in  fide  catholica  nicht  gebracht  werden  können,  die 
Copulation  wider  die  schon  vorhinergangene  diesfallige  allerhöchste 
AuOmessungen  keineswegs  verweigert  werden,  sondern  es  an  dem 
genung  seyn  soll,  wann  die  paciscirung  secundum  sexum  erfolgt, 
8)  begnehmigen  Ihro  K.  und  K.  Mayestät  den  Königl.  Ober- Amt- 
lichen Antrag,  daß  die  katholische  Geistlichkeit  die  etwan  geschehen 
mögenden  Stipulationes  antehuptiales  de  educandis  prolibus  in  fide 
catholica  vor  jedes  Orths  Obrigkeit  oder  Gerichte,  falls  selbe  katho- 
lisch seynd,  bewerckstelligen,  daselbst  vormerken  und  darüber  sich 
eine  Recognition  geben  lassen  solle. 

I737i  d«n  10.  Octob.  K.  O  A.  R.,  daß  Persohnen,  welche 
das  20.  Jahr  bereits  überstiegen,  im  Lutherthum  connivendo  gelassen 
werden  könnten,  woraus  aber  keines  weges  fließet,  daß  dieselben 
gleich  wider  propria  authoritate  auf  freyen  Fuß  entlassen  werden 
sollen,  sondern  es  ist  vielmehr  all  ersinnlicher  Eyfer  zur  Gewinnung 
ihrer  Seelen  mit  Glimpf  und  Bescheidenheit  anzuwenden  und  deren 
Kinder  sind  unweigerlich  in  Anspruch  zu  nehmen  und  im  katho- 
lischen Glauben  zu  unterrichten  und  zu  erziehen.  Weiters  daß  die 
SU  sistirenden  reducendi,  es  mögen  selbte  ein  Alter  erreicht  haben, 
wie  sie  wollen,  ehender  nicht  von  dem  Religions-Anspruch  frey  ge- 
lassen werden  sollen,  bis  nicht  darob  de  casu  in  casum  dem  Königl. 
Ober -Amt  umständliche  Anzeigung  geschehen  und  darüber  die 
weithere  Verordnung  eingelangt  seyn  wird.  Was  aber  deren  Kinder 
anlanget,  so  ist  darbey  keines  Weges  zu  gestatten,  daß  die  in  fide 
orthodoxa  zu  erziehen  kommenden  etwan  bis  nach  dem  20.  Jahr 
verstecket  oder  gar  außer  Landes  geschickt  werden  und  hierdurch 
von  dem  Religions-Anspruch  sich  befreyen  mögen,  worauf  dann 
ex  parte  Parochorum  zu  invigiliren  seyn  wird. 


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1738,  den  2,  Jan.  K.  O.  A.  I.,  i)  daß  vermöge  K.  und  K.  R. 
vom  22.  Sept.  1737  von  Niemanden  außer  der  eigends  angeordneten 
Religions-Commission  einige  Religions-Session  oder  Decision  allhier 
vorgenommen  werden  solle.  2)  ist  auf  die  Taxam  Stolae  de  Anno 
1710  handzuhalten.  3)  sind  die  Cambiaturae  und  Substitutiones 
Animarum  denen  weltlichen  Obrigkeiten  unter  schwerster  Strafe  zu 
verbitten.  4)  sollen  zu  katholischen  Kindern  keine  Lutherischen  Ge- 
vattern angenommen  werden,  doch  können  katholische  Eltern  ihren 
Lutherischen  Befreundten  zu  Gevattern  stehen.  5)  daß  denen  von 
Eltern  zweyerley  Religion  gebohrnen,  nach  dem  Tod  des  katho- 
lischen Theils  aberhinterlassenen  und  in  der  katholischen  Religion 
zu  erziehen  kommenden  Kindern  alsogleich  katholische  Tutores  oder 
Curatores  educationis  bestellet  Und  zwar  in  Abgang  eines  anderen 
der  Pfarrer  oder  Schulmeister,  denen  von  zweyerley  Religion  geboh- 
renen  nach  dem  Tod  des  Lutherischen  Theils  hinterlassenen  und 
Lutherisch  zu  erziehen  kommenden  Kindern  hingegen  ebenfalls  katho- 
lische Tutores,  wenn  es  ohne  reclamo  thunlich,  gegeben,  im  widrigen 
aber  Lutherische  Vormünder  constituiret  werden  sollen.  6)  um  auf 
die  Religions-Emissarios  und  heimliche  Werber  eine  genaue  Obsicht 
zu  tragen,  erstere  zu  arrestiren  und  anzuzeigen,  wider  letztere  aber 
nach  den  Generalien  zu  verfahren.  7)  daß  dem  Lutherischen  Worts- 
Diener  Heinrici  das  Verkaufen  der  Medicamenten  und  die  Besuchung 
der  katholischen  Krancken  sub  poena  amotionis  zu  verbitten  seye. 
8)  daß  von  dem  Herrn  von  Bludowsky  die  in  einem  Schul-Haus  genom- 
mene Wohnung  alsogleich  zu  rauhmen,  denen  hiesigen  Schul-CoUegen 
die  Tradirung  der  Theologie  indistincte  verbothen  und  nur  allein  die 
Explication  des  Catechismi  gestattet,  dann  die  Kirchen-Rechnungen 
dem  fürstlichen  Landes  Amte  jährlich  abgegeben  werden  möchten. 

1737,  den  2.  Dec.  Kays.  R.,  daß  die  Lutherischen  Obrigkeiten, 
welche  ihre  katholischen  Unterthanen  und  Dienstbothen  in  katho- 
lischen Feyer-Tägen  zu  Robothen  oder  anderer  knechtischen  Arbeit 
anhalten,  wenn  sie  dessen  überwiesen  wurden,  nach  bisheriger  Ob- 
servanz mit  einer  scharfen  Strafe  angesehen,  übrigens  aber  in  der 
Heu-Math  Ernte  und  Einflihrungs-Zeit  mit  denen  katholischen  Unter- 
thanen und  Dienstbothen  auf  ihre  Anm.eldung  bei  denen  Pfarrern 
dispensirt  werden  sollen:  daß  sie  in  gedachter  Zeit  auch  an  Fest- 
Tagen,  wann  es  die  Noth  erforderte,  nach  dem  Gottesdienst  die 
Arbeith  für  ihre  Lutherischen  Obrigkeiten  verrichten  können. 


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1738,  den  2.  Jan.  Extract  einer  K.  O.  A.  I.  einiger  Kays,  vom 
22.  Nov.  1737  ergangenen  Ausmessungen,  i)  daß  alles  yi  Religions- 
Sachen  von  der  Teschnischen  Landes-Religions-Commission  tractiret 
werden  solle,  worzu  2)  dem  Freyherrn  von  Skrbensky  das  Praesi- 
dium  aufgetragen,  zu  Beysitzern  aber  der  Freyherr  von  Gotschal- 
kowsky  und  Carl  von  Czelesta  benennet  worden,  welche  3)  alle 
14  Tage  eine  Session  halten  und  auch  darob  seyn  sollen,  daß  4)  mit 
denen  jenigen,  so  von  Kindheit  an  in  dem  Lutherischen  Glauben 
erzogen  worden  und  nicht  resipisciren  wollen,  darneben  darnach 
getrachtet  werde,  daß  bei  ihrer  Verheyrathung  wenigstens  ihre 
Kinder  katholisch  erzogen  würden.  5)  wollen  Ihro  Kays.  Mayestät 
die  reductiones  nur  ad  filios  filiasque  et  nepotes  restringiret  haben. 

1740,  den  6.  Febr.  Extract  eines  K.  O.  A.  R.  besagend:  daß 
nach  Ihro  Kays.  Mayestät  sowohl  die  Geistlichkeit  als  das  Publicum 
auf  alle  zu  Beförderung  der  katholischen  Religion  dienliche  Mittel 
bedacht  seyn.  Bei  Erziehung  der  Kinder  ist  zu  untersuchen,  ob  einige 
pacta  antenuptialia  oder  einige  stipulatio  de  educandis  prolibus 
utriusque  sexus  in  fide  catholica  vorhanden,  welche  zu  beob- 
achten sind.  Sind  keine  pacta  vorhanden,  so  habe  man  solche  als 
male  educatos  zwar  mit  allem  Nachdruck  zur  Instruction  in  fide 
catholica  anzuhalten  und  gegen  die  renitenten  mit  einer  hinläng- 
lichen Schärfe  fiirzugehen,  jedoch  dabei  alle  Behuttsamkeit  und  Dis- 
cretion  zu  gebrauchen.  Auch  soll  die  Religions-Commission  von 
Session  zu  Session  die  fructus  Instructionis  von  der  Geistlichkeit 
individualiter  abfordern,  auch  die  Instruendos  selbsten  zu  vernehmen 
haben.  Die  von  denen  Supplicanten  suchende  Trauung  in  der  Lu- 
therischen Kirche  kann  nicht  gestattet  werden. 

1744,  den  IG.  Mertz.  Extract  einer  K.  O.  A.  R.  nach  dem 
allerhöchsten  Rescript  vom  19.  Dec.  1743,  wornach  das  Königl. 
Gubernium  die  Religions-Sachen  tractiren,  einfolglich  die  Religions- 
Commission  von  dem  Königl.  Gubernio  dependiren,  mithin  in  Casibus 
dubiis  et  arduis  sich  an  dasselbe  wenden  solle,  dieses  Gubernium 
aber  mit  dem  Bischöfl.  Commissario  correspondiren,  deme  die  Status 
minores  subordinirt  seyn  werden. 

1747,  den  18.  July.  Extract  einer  K.  O.  V.,  daß  die  Luthe- 
rischen Worts-Diener  sine  parochiaü  Attestato  die  male  educatos 
weder  zur  Glaubens-Bekanntnuß  noch  Beicht  und  Abendmahl  an- 
locken sollen. 


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1748,  den  5.  Jan.  K.  A.  R.  um  guttachtlichen  Bericht  wegen 
der  an  Sonn-  und  Feyertägen  auf  dem  Lande  leer  stehenden  Pfarr- 
Kirchen,  wobey  auch  die  in  Sachen  von  dem  ehemahligen  K.  O..  A. 
vom  25.  Octob.  1738  ergangene  Verfugung  befundlich,  worinnen 
unter  andern  enthalten,  daß  wann  einer  aus  Ursach  der  frequen- 
tirten  Luth.  Kirche  denunciret  würde,  selbter  vor  die  Commission 
zu  fordern  und  zu  mehreren  Glaubens-Eyfer  anzumahnen,  falls  aber 
solches  nichts  fruchten  sollte,  bei  weitherer  Uebertrettung  der  ge- 
schehenen Wahrnigung  ein  derley  beschuldigt  und  überwiesener  zu 
gehöriger  Bestrafung  zu  ziehen  und  zu  erforderlichen  Glaubens- 
Unterricht  zu  übergeben. 

1748,  den  12.  Mertz.  Extract  eines  K.  A.  R.  wegen  der  von 
den  Luth.  Worts-Dienern  attentirenden  heimlichen  Seduction  und 
Gewissen-Beschränckung  der  zur  kath.  Religion  zu  reduciren  kom- 
menden male  educatorum. 

1748,  den  2.  May.  K.  A.  R.  betreffend  die  Beschwerdefiihrung 
des  Cammer  -  Guttes  Weichsel  entgegen  dem  Herrn  Pfarrer  von 
GoUeschau  in  puncto  übermäßigen  Abheischung  der  Accidentium 
Stolae. 

1750,  den  12.  May.  K.  K.  Repraes.  und  Cammer  R.  mit  aller- 
müldester  in  4  passibus  bestehenden  Ausmessung  auf  die  von  denen 
Herren  Ständen  August.  Conf.  eingebrachte  das  Jus  patrocinatus, 
vocirung  des  Schul-Rectoris,  die  Wahl  derer  Kirchen -Vorsteher 
betreffende  allerunterthänigste  Vorstellungen,  besagende:  wie  nach 
sie  Stände  das  Jus  Patrocinatus  nicht  wohl  praetendiren  könnten, 
sondern  es  wäre  ihnen  nur  nach  dem  Ranstädtischen  Executions- 
Recess  die  praesentatio  Ministrorum  zur  allerhöchsten  Confirmation 
eingestanden,  womit  sie  sich  ad  petitum  i  zu  begnügen  hätten. 
Ad  petitum  2  enthielten  Allerhöchste  Resoluta  besonders  jenes  vom 
2.  May  1732  gantz  klar,  daß  so  oft  einer  von  den  Kirchen- Vor- 
stehern abgehet,  solches  jederzeit  angezeiget  und  ohne  allerhöchsten 
Vorwissen  zu  der  Wahl  eines  andern  nicht  geschritten  werden  solle, 
respectu  des  neoelecti  aber  wäre  einzuberichten,  ob  er  nicht  in 
einem  Verdacht  einiger  der  Augsb.  Conf.  zuwiderlaufenden  Princi- 
piorum  sich  befünde,  dann  ob  er  nicht  geneigt  in  Religions-Sachen 
sich  zu  weith  einzumischen  und  ungegründete  Motus  zu  erwecken, 
auch  ob  derselbe  nach  dem  Westphälischen  Friedens -Schluß  die 
erforderliche  qualität,  ein  ruhiges  friedferttiges  und  zu  Beobachtung 


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der  Allerhöchsten  Anordnungen  geneigtes  Gemüth  besitze?  Ad  peti- 
tum  3  wären  sie  Stände  auf  den  letzten  §  der  neu  errichteten  Con- 
sistorial-Instruction  zu  verweisen,  daß  sie  die  Erledigung  der  Schul- 
Bedienten  jedesmahl  gehörig  anzeigen,  darzu  taugliche  Subjecta,  und 
so  viel  möglich  dießseitige  Landeskinder  vorzuschlagen,  deren  Be- 
nennung aber  von  allerhöchsten  Orth  zu  gewärttigen  haben.  Quoad  4 
sind  Ihro  K.  K.  Mayestät  allergnädigst  ge wollet,  daß  zu  denen 
Consistorial-Vorfallenheiten  ein  bescheidener  Land-Stand  Augsb.  Conf. 
nach  voriger  Anmeldung  desselben  und  erfolgter  Resolution  bey- 
gezogen  werden  möge.  Dabey  declarirende :  daß  die  sich  ereignende 
Causae  matrimoniales  et  aliae  ad  Religionem  spectantes  nach  denen 
Rechten  der  Augsburgischen  Confession  und  denen  allerhöchsten 
Verordnungen  Generalien  salva  appellatione  immediata  an  Ihro 
K.  K.  Mayestät  erörthert  werden  sollen. 

1750,  den  6.  Dec.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  4  Kirchen-Vorsteher 
hinlänglich  befunden  worden,  dieselben  wann  sie  nicht  ansäßig  jeder 
eine  Caution  per  3000  fr  praestiren  solle  und  wienach  Herr  Ernst 
von  Bludowsky  zum  Consistorial  Assessor  resolviret  seye. 

1750,  den  9.  Dec.  K.  K.  Repraes.  R.  wegen  zum  Kirchen- 
Vorsteher  A.  C.  bestättigten  Ludwig  Nostitz. 

1750,  den  I.  Sept.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  Ihro  K.  K.  Maye- 
stät den  Baron  Marcklowsky,  von  Karwinsky,  von  Fragstein  und 
von  Radotzky  als  Kirchen- Vorsteher  A.  C.  zu  bestättigen  geruhet, 
jedoch,  daß  die  letzteren  2  eine  Caution  per  3000  fr.  praestiren 
möchten. 

175 1,  den  7.  Jan.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  die  erforderlichen 
Cautiones  für  die  Kirchen- Vorsteher  auch  von  Weiblichen  Geschlecht 
angenommen  werden  können,  wenn  sie  ihren  juribus  renundret  haben. 

175 1.  K.  K.  Repraes.  R.  in  Betreff  des  wegen  des  resolvirten 
Kirchen-Vorstehers  A.  C.  Ludwigs  von  Nostitz  seiner  Possession 
halber  hervorgekommenen  bedenklichen  Anstandes  um  ferneren 
Bericht. 

1751.  K.  K.  Repraes.  R.,  um  auf  die  Herrenhutterische  Secta- 
tores  ein  wachsames  Auge  zu  tragen. 

1752,  den  22.  Febr.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  die  von  dem 
Teschnischen  Cammer-Procuratore  und  von  Andern  eingehobenen 
Confiscationes  binner  8  Tagen  sicher  und  ohnfehlbar  angezeiget 
werden  sollen. 


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1752,  den  29.  Februar.  Extract  eines  K.  K.  Repraes.  R. 
wegen  der  von  den  Bielitzer  Bürger  und  Bauern  angesuchten  3  Luth. 
Instructorum. 

1752,  den  14.  Mertz.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  anstatt  des  ver- 
storbenen Herrn  Baron  von  Gottschalkowsky  der  neue  Herr  Landes- 
Marchal  Carl  Wentzel  Freyherr  von  Czelesta  pro  Assessore  Reli- 
gionis  -  Commissionis  et  Consistorii  A.  C.  und  Herr  Gottlieb  von 
Tluck  pro  Substituto  resolviret  worden. 

1752,  den  9.  Sept.  K.  K.  Repr.  R. :  daß  die  Revision  der 
Kirchen-Rechnungen  A.  C.  durch  das  Consistorium  vorgenommen 
und  ein  Extract  hievon  eingesendet  werden  solle. 

1752,  den  18.  Sept.  K.  K.  Repr.  R.,  damit  die  Casus  speciales 
wegen  der  von  denen  Luth.  Ministris  zu  Teschen  außer  ihrem  Terri- 
torio  exercirenden  ministerialien  cum  parere  einberichtet  werden 
möchten. 

1752,  den  16.  Sept.  K.  K.  Repr.  R. :  daß  dem  Luth.  Worts- 
Diener  Heinrici  dieWiderspänstigkeit  wegen  Ausstellung  des  Almosen- 
Kasten  bei  hiesiger  Gnaden-Kirche  verhoben  werde. 

1753,  den  12.  Mertz.  K.  K.  Repr.  R. :  Ausmäßung,  wie  weit 
denen  Worts  -  Dienern  die  Ministerialia  zu  Bielitz  zu  exerciren  er- 
laubet seye. 

1753,  den  17.  Mertz.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  denen  Luth.  Worts- 
Dienern  zu  Teschen  gestattet  werden  könne,  den  krancken  oder 
Gebrechlichkeit  halber  bis  nacher  Teschen  zu  gehen  unvermögenden 
Luth.  Religions  -Verwandten   zu  Bielitz   das  Abendmahl   zu  reichen. 

1753»  den  27.  Oct.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  von  denen  Consisto- 
riis  ordinariorum  weder  die  Dotes  in  Causis  deflorationum,  noch  die 
Kind-Beths  Unkosten  und  Kindes  Unterhaltung,  noch  auch  die 
alimenta  in  causis  separationis  matrimonii  determiniret,  sondern  hier- 
über von  denen  weltlichen  Richtern  erkennet  werden  solle,  femer 
haben  die  Obrigkeiten  manniglich  unter  schwerer  Geld-  oderLeibes- 
Strafe  zu  verbiethen :  vor  einer  fremden  Weltlichen  oder  Geistlichen 
Instanz  außer  Landes  in  was  Sachen  es  immer  seyn  mögen  weder 
zu  klagen  noch  als  beklagte  zu  erscheinen,  ohne  Obrigkeitliche 
Erlaubnus  nach  deren  Erhaltung  derselben  jedermann  die  ergangenen 
Urtheile  vorzuzeigen,  die  Obrigkeit  aber  die  Partes,  wann  sie  beede 
hirländige  Unterthaner  vor  sich  citiren  und  in  Fällen,  wo  keine  Pro- 
mission Matrimonii   probiret  wird,    gleichwohlen  mit  Bestrafung  der 


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copulae  fomicariae  so  wohl,  als  der  Satisfaction  pro  defloratione  et 
puerperio  und  alimentationis  prolis,  nicht  weniger  in  casu  negatae 
patemitatis  mit  gehöriger  Untersuchung  furgehen  und  sprechen,  auch 
wo  eine  baldige  Hülfe  nöthig,  mittelst  eines  Provisorii  der  Mutter 
und  Elinde  ohne  gestattende  Aufzüge  beyspringen,  überdies  bei  ver- 
spührende  Ehe-Zwietrachten  dieselbige  zu  vereinigen,  den  schuldigen 
Theil  aber  zu  corrigiren  trachte,  endlich  wo  causa  separationis  legi- 
tima  anscheinet,  selbe  ad  judicem  Ecclesiasticum  zwar  entlassen, 
jedoch  mit  dem  Vorbehalt,  daß  secuta  separatione  man  circa  ali- 
menta  das  Quantum  zu  determiniren  schon  wissen  werde,  zu  dem 
Ende  die  an  das  geistl.  officium  verwiesene  anzuhalten,  die  erhaltene 
Sententias  beyzubringen.  So  fem  aber  nur  ein  Theil  ein  hierlän- 
discher  Unterthan  wäre,  denselben  wessen  er  sich  in  casum  condem- 
nationis  zu  verhalten  habe,  gehörig  verweisen  und  überhaupt  keine 
Execution  quoad  quanta  a  Consistoriis  determinata  ertheilen. 

1754,  den  5.  Jan.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  Herr  Ignatz  Daniel 
Spens  von  Boden  als  Assessor  Supemumerarius  bei  der  K.  K.  Reli- 
gions-Commission  ernennet  worden. 

1754,  den  4.  May,  K.  K.  Repr.  R.,  daß  dem  Freyherm  von 
Gotschalkowsky  das  Praesidium  bei  der  Religions-Commission  und 
Consistorio  A.  C.  bis  auf  weithere  allerhöchste  Entschlüßung,  dann 
dem  Adam  Wentzel  von  Kisielowsky  die  änderte  Beysitzer-Stelle 
daselbst  würckl.  conferiret  worden  wäre. 

1755,  den  8  April,  K.  K.  Repr.  R.,  um  dem  Bischöfl.  Herrn 
Commissario  die  zu  Einkaufung  der  kath.  Bücher  allerhöchsten  Orths 
destinirten  200  fr.  gegen  seinen  Schein  auszuzahlen,  welche  er  aber 
durch  die  Rel.-Com.  zu  verrechnen  haben  wird,  was  hievon  aus- 
gegeben worden. 

I7SSj  den  29.  Nov.  K.  A.  I.,  auf  was  Wayse  die  kath.  Geist- 
lichkeit zu  denen  nach  Vorschrift  der  Taxa  Stolae  de  Anno  1708 
alisgemessenen  4  oflfertoriis  bey  denen  Augsb.  Conf.  Verwandten 
gelangen  kan?  Und  zwar  so  viel  es  das  Alter  jeder  Persohn  mit 
welchen  das  offertorium  seinen  Anfang  nehmen  soll  belanget,  dies- 
falls ist  bey  Abnahm  sothanen  oifertorii,  jedoch  mit  Ausnahm  derer 
reducendorum,  mit  welchen  bis  ad  Annum  Decretorium  20  abzu- 
warthen  ist,  nach  dem  Beyspiel  der  Luth.  Worts-Diener  jeglichen 
Orths  sich  zu  richten,  folgbahr  wo  selbe  von  8-,  9-  und  lojährigen 
Persohnen  solches  einnehmen,  dieses  ebenfalls  die  kath.  Geistlichkeit 

Jahrbuch  des  ProtesUntismus  1888.  H.  I.  4 


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zu  genüßen  hat.  —  Was  aber  den  Opfer -Pfenig  selbst  betrieft, 
solcher  sey  bey  denen  armen  mit  '^  kr.,  mithin  jährlich  3  kr.  abzu- 
nehmen, was  aber  den  notorie  armen  nachzusehen  ist.  Diese  Offer- 
tpria  haben  die  Vögte  zu  sammeln  und  dem  Schulmeister  des 
Pfarrers  einzuhändigen. 

1757,  den  21.  July.  K.  K.  Repr.  R.,  die  von  denen  Zeißlowitzer 
und  Weichsler  Unterthanen  A.  C.  wider  den  GoUeschauer  Pfarrer 
in  puncto  übermäßiger  Taxae  Stolae  erhobenen  Beschwerden  be- 
treffend. 

1757,  den  23.  July.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  Ihro  K.  K.  Mayestät 
dem  Herrn  Ignatz  Daniel  Spens  von  Boden  die  durch  Absterben 
des  von  Tluck  bey  der  Religions-Commission  erledigte  würckliche 
Assessor-Stelle  zu  conferiren  geruhet,  mithin  derselbe  qua  talis  zu 
instaliren  seye. 

1759,  den  12.  Juny.  K.  K.  A.  I.,  daß  der  Bielitzer  Ertz-Priester 
George  Entzendorfer  zum  Bischöfl.  Commissario  im  Teschnischen 
Bezierck  bestimmet  worden. 

1762,  den  S-  Juny-  K.  K.  Repr.  R.  wegen  Verleihung  der 
Assessor -Stelle  bey  der  Religions-Commission  dem  George  Frey- 
herm  von  Saingenois. 

1762,  den  II.  Juny.  K.  K.  Repr.  R.,  damit  die  Zwangs-Mittel 
in  Religions- Sachen  dergestalten  angewendet  werden,  daß  daraus 
keine  Emigration  erfolgen  möge. 

1765,  den  17.  Dec.  K.  K.  A.  V.  wegen  Absetzung  der  2  Luth. 
Dorf -Vögten  von  Bystrzitz  und  Karpentna  und  Einsetzung  zwey 
anderen  Katholischen  an  deren  Platz. 

1766,  den  12.  Aug.  K.  K.  A.  R.  in  Angelegenheit  derer  von 
verschiedenen  Weichsler  Unterthanen  A.  C.  bei  Ihro  K.  K.  Mayestät 
angebrachten  ungegründeten  Beschwerden  in  Materia  Religionis. 

1766,  den  29.  Nov.  K.  K.  A.  R.  wegen  Berichts  Abforderung 
über  das  Supplicat  der  Stadt  Bielitzischen  Augsb.  Conf.  Verwandten 
zu  Errichtung  einer  Schule  und  Gnaden-Kirche. 

1767,  den  24.  Mertz.  K.  K.  A.  I.,  daß  die  Bielitzer  Bürger- 
schaft A.  C.  mit  ihrem  allerunterthänigsten  Gesuch  um  eine  Schule 
und  Gnaden-Kirche  ihrer  Religion  cum  jure  vocandi  et  praesentandi 
daselbst  erbauen  zu  dürfen,  ein  für  allemahl  abzuweisen  seyen. 

1767,  den  24.  Mertz.  K.  K.  A.  R.  in  Betreff  deren  drey 
Cammer- Gemeinden   Smilowitz,    Ellgoth   und  Gutty    entgegen   ihre 


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51 

vorgesetzte  Pfarrern  zu  Trzitiesch  und  Domaslowitz  erhobenen  Be- 
schwerden, so  wohl  in  puncto  Religionis,  als  wegen  excessiven  Stolae 
Taxae  Abforderungen,  mit  welchen  Querelen  besagte  drey  Ge- 
meinden ab-  und  zur  Ruhe  zu  verweisen  kommen. 

1769,  den  23.  May.  K.  K.  A.  I.,  daß  der  hiesige  Herr  Landes- 
Hauptmann  Otto  Freyh.  von  Skrbensky  die  Praesidia  bei  der  Reli- 
gions-Commission  und  dem  Consistorio  A.  C.  übernehmen  könne. 

1769,  den  12.  Aug.  K.  K.  A.  L,  daß  Ihro  K.  K.  Mayestät 
dem  Eltesten  Religions-Commissions  Beysitzer  Herrn  Georg  Freyh. 
von  Saingenois  die  Praesidia  bei  der  Religions-Commission  und  dem 
Consistorio  A.  C.  provisorie  aufzutragen  allergnädigst  befunden. 

1770,  den  23.  Jan.  K.  K.  A.  I.,  daß  Ihro  K.  K.  Mayestät  die 
Resignation  des  von  Spens  gnädigst  anzunehmen  und  zur  Religions- 
Commission  Assessoren  den  Carl  Freyh.  von  Beeß  und  den  Friedrich 
von  KrÄdlowsky  zu  benennen  geruhet. 

1772,  den  19.  Sept.  K.  K.  A.  I.,  wegen  des  in  Weichsel  ent- 
standenen Aufruhrs  und  Relation  darüber. 

1773,  den  31.  July.  K.  K.  A.  R.  um  Eröfnung  der  Meynung 
über  die  von  denen  zwey  Cameral-Dorf-Gemeinden  EUgoth  und  Smi- 
lowitz  allerhöchsten  Orts  angesuchte  allergnädigste  Erlaubnus  einen 
gewissen  Gottfried  Kotschy  zur  Unterrichtung  ihrer  Luth.  Jugend 
aufnehmen  zu  dürfen. 

1773.  den  9.  Oc  tob  er.  K.  K.  A.  L,  daß  Ihro  K.  K.  Mayestät 
die  Teschnischen  Cameral-Dorfschaften  EUgoth  und  Smilowitz  mit 
ihrem  Gesuch :  zu  Unterrichtung  ihrer  Jugend  den  Gottfried  Kotschy 
aufnehmen  zu  dürfen,  nicht  nur  abzuweisen  sondern  auch  ihnen  ihr 
diesfäUiges  Unternehmen  scharf  verheben  und  die  fernere  Unterweisung 
ihrer  Luth.  Jugend  durch  derley  Leuthe  unter  harter  Leibes-Strafe 
nachdnicksamst  verbitten  zu  lassen  allergnädigst  resolviret  haben. 

.1774,  den  I.  Mertz.  K.  K.  A.  C.  in  Betreff  derer  in  Reli- 
gions-Sachen sowohl  von  den  Vorstehern  der  Gnaden-Kirche  A.  C. 
vor  Teschen  als  auch  denen  Herzogl.  Teschnischen  Cameral-Unter- 
thanen,  dann  jenen  des  Fürstenthums  Bielitz  angebrachten  Be- 
schwerden. 

1774,  den  10.  April.  K.  K.  A,  I.,  wienach  kraft  eines  aller- 
höchsten Befehls  in  allen  K.  K.  Erb-ländem  auf  den  grünen  Donners- 
Tag  sämtliche  Dicasteria  in  Corpore  öfentlich  die  heil.  Conununion 
zu  empfangen   sich  in   der  Pfarr-Kirche  zu  bestimter  Stunde  einzu. 

4» 


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52 

fiinden  hätten  und  daß  allemahl  ein  Verzeichnis  jener  Dicasterial- 
Persohnen,  so  an  diesem  Tage  der  vorgedachten  heil.  Communion 
nicht  beygewohnet  haben,  nebst  bemerckung  der  Ursachen  warummen 
solches  unterblieben,  zur  allerhöchsten  Einsicht  eingesendet,  auch 
über  die  Befolgung  dieses  allerhöchsten  Befehls  ein  Bericht  zu  seiner 
Zeit  abgestattet  werden  solle. 

1774,  den  18.  Oct.  K.  K.  A.  L,  daß  Ihro  K.  K.  Mayestät 
den  Freyherrn  von  Skrbensky  das  Praesidium  bei  der  hierorthigen 
Religions-Commission  und  dem  Consistorio  A.  C.  abermahlen  aufzu- 
tragen geruhet  haben. 

177s,  den  21.  Jan.  K.  K.  A.  R.  in  Betreff  der  Ernennung 
des  Rudolph  Freyh.  von  Czelesta  zum  Praesidium  der  K.  K.  Reli- 
gions-Commission und  des  Consistoriums  A.  C. 

1777,  den  3.  April.  K.  K.  A.  R.,  daß  vermöge  eingelangten 
Hof-Decrets  der  Königl.  Böhm,  und  Oesterr.  Hof-Canzelley  vom 
22'*°  erst  ausgetrettenen  Monaths  Mertz  der  in  den  Fürstenthümern 
Teschen  und  Bielitz  befündlichen  Geistlichkeit  die  allerhöchste  Zu- 
friedenheit über  die  in  den  1776^*°  Jahre  geschehene  Bekehrung  von 
106  Persohnen  zum  kath.  Glauben  zu  erkenen  zu  geben,  und  sie 
Geistlichkeit  zu  ferneren  gleichen  Eyfer  aufzumutheren  seye. 

1777,  den  24.  Juny.  K.  K.  A.  I.,  daß  wann  ein  K.  K.  Beamter 
Krankheits-  oder  Dinstverrichtungen  halber  von  der  öffentlichen 
Communion  an  den  grünen  Donners-Tage  verhindert  würde,  derselbe 
sich  mit  einem  Stempelfreyen  Attest  seines  Pfarrers  ausweisen  solle, 
die  Beicht  und  Communion  noch  unter  der  darzu  bestimten  öster- 
lichen Zeit  verrichtet  zu  haben. 

1780,  den  12.  Febr.  K.  K.  A.  L,  daß  außer  der  bei  hiesiger 
Gnaden -Kirche  bestehenden  —  für  die  Augsb.  Conf.  Verwandten 
weder  eine  öffentliche  noch  Winckel  Schule  geduldet,  dahingegen 
aber  denenselben  ihre  Kinder  allenfalls  privatim  unterrichten  zu  lassen, 
nicht  verwehret  werden  solle,  und  daß  kein  Privat-Lehrer,  bei  Ver- 
meidung einer  Strafe  von  10  Rthlr  unterstehen  solle,  Kinder  mehrer 
Familien,  wann  sie  auch  in  einem  Hauße  wohnen,  zugleich  zu  unter- 
richten. 

1780,  den^2o.  May.  K.  K.  A.  R.  wegen  Berichts-Erstattung 
über  das  allerunterthänigste  Gesuch  der  auf  der  Herrschaft  Gotsch- 
dorf  befündlichen  August.  Conf.  Verwandten,  um  allerhöchste  Er- 
laubnüß  in  Hillersdorf  ein  evangelisches  Beth-Hauß  erbauen  und  einen 


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53 

Geistl.  Seelsorger,  nebst  einen  Küstner  ihrer  Religion  daselbst  unter- 
halten zu  dürfen. 

1780,  den  n.  Nov.  K.  K.  A.  L,  daß  es  Ihrer  K.  K.  Apost. 
Mayestät  sehr  bedenklich  gefallen,  der  Bielitzer  Stadt-Genneinde  A.  C. 
die  von  derselben  angesuchte  Errichtung  einer  öffentlichen  Schule 
daselbst  einzugestehen,  sondern,  wie  nach  ersagte  Bielitzer  Gemeinde 
auf  die  in  Sachen  unterm  18.  Dec.  1779  erlassene  und  unterm 
4.  Jan.  d.  J.  publicirte  höchste  Verordnung,  bei  welcher  es  ohne 
weitheren  sein  unabänderliches  verbleiben  hat,  nochmals  durch  den 
hiesigen  Königl.  Landes  Eltesten  verwiesen  werde. 

178 1,  den  22.  April.  K.  K.  A.  R.  um  Äußerung  über  die  von 
den  Vorstehern  der  hiesigen  Gnadenkirche  A.  C.  bey  Seiner  K.  K. 
Apost.  Majestät  angebrachten  die  hierortige  K.  K.  Religions-Com- 
mission  betreffende  Beschwerde-Punkte  und  solchen  angehängte 
Gesuche. 

1781,  den  15.  Sept.  K.  K.  A.  L,  daß  die  Gebeth- Gesang- und 
katechetischen  Bücher  derer  Protestanten  nicht  mehr  aus  fremden 
Staaten  hereingebracht,  sondern  in  den  K.  K.  Erblanden,  jedoch 
nach  eihaltener  Erlaubniß  der  politischen  Censur  aufgeleget  werden 
sollen. 

(Fortsetzung  folgt.) 


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IIL 
Bücherschau. 

A.  Venetianer,  Die  evangelisch-reformirte  Kirche  Cristo  Salvatore 

(vormals  S.  Silvestro)  zu  Triest.  Beitrag  zur  Geschichte  des  Evan- 
geliums in  Triest.  Triest  und  Leipzig.  Verlag  von  Julius  Dase. 
1887.  US  S.  8. 

Vorliegende  Schrift  beginnt  mit  der  Geschichte  der  Gründung 
(7.  Jänner  1782)  der  reformirten  Gemeinde  in  Triest  in  Folge  des 
Toleranzpatentes.  ,Im  Namen  des  Herrn  unsers  Gottes  verbanden 
sie  sich.  Da  walteten  keine  ängstlichen  nationalen  Bedenklichkeiten 
zustimmend  (?  —  soll  wohl  heissen:  , bestimmend*)  über  ihre  Be- 
schlüsse.* Als  besonders  um  die  Gemeinde  verdiente  Männer  werden 
hervorgehoben  Rudolf.  Ferdinand  Juvalta  und  Bartholomäus  Grass 
aus  Chur,  ihr  erster  Prediger.  Der  zweite  Abschnitt  berichtet  über 
den  Kauf  der  Kirche  S.  Silvestro  am  20.  September  1785  um  den 
Preis  von  2120  fl.,  nunmehr  Cristo  Salvatore  genannt.  Es  folgt  eine 
Beschreibung  und  Geschichte  dieser  Kirche.  Sie  soll  auf  dem  Platze 
stehen,  wo  die  Märtyrerjungfrauen  Euphemia  und  Thecla  ihr  Wohn- 
haus gehabt  hatten.  Seit  1619  waren  die  Jesuiten  Eigenthümer  der 
Kirche,  die  sie  nun  auch  von  einem  zu  Ehren  der  unbefleckten  Em- 
pfangniss  errichteten  Altar  Immaculatae  Virginis  Oratorium  nannten. 
Das  Capitel  ,S.  Sylvestro  im  XVI.  Jahrhundert*  enthält  eine  Dar- 
stellung der  Reformation  und  Gegenreformation  in  Triest,  die  im 
Zusammenhang  mit  der  analogen,  anabaptistisch  und  antitrinitarisch 
verquickten  Bewegung  in  Italien  betrachtet  wird.  Bereits  1520  nehmen 
die  Gebildeten  Triest's  Kenntniss  von  Luther's  Schriften,  die  vom 
nahen  Venedig  aus  in  Nachdrücken  verbreitet  wurden.  Trotz  der 
strengen  Verbote  häretischer  Bücher  ging  die  Reform  ihren  Gang. 
Das  ist  geschehen  durch  die  Gunst  des  edlen  Bischofs  uud  Staats- 
mannes Bonomo,  der  den  Primus  Trüber,  den  nachmaligen  Refor- 
mator Krain's,    als  Jüngling  unter  seinen  Schutz  genommen  hatte, 


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55 

und  der  den  die  Reform  der  Kirche  lebhaft  anstrebenden  Arzt  und 
Philosophen  Doctor  Melchior  Cerroni  seinen  Freund  nannte.  Durch 
des  Letzteren  Einfluss  wurde  der  bereits  der  Ketzerei  verdächtige 
Giulio  aus  Bologna  berufen,  welcher  durch  seine  Predigten  eine  all- 
gemeine Bewegung  entzündete,  bis  er  durch  der  Gegner  Feindschaft 
auf  immer  verscheucht  wurde.  Nach  Bonomo's  1546  erfolgtem  Tode 
brach  die  Contrareformation  herein  durch  den  1546  zum  Stadthaupt- 
mann berufenen  Spanier  Giovanni  de  Hoyos  und  den  zum  Bischof 
ernannten  zweiten  Spanier  Antonio  Pereguez  Castilegio,  ,inquisitor 
apostolica  autoritate  subdelegatus*.  Doch  ist  es  nie  gelungen,  den 
Geist  völlig  zu  dämpfen,  welchen  Bonomo  erweckt  hatte.  ,Triest, 
schliesst  der  Verfasser,  ist  heute  wiederum  Bonomo's  Stadt:  freisinnig 
und  human,  intelligent  und  gesittet.  Wollte  Gott,  dass  auch  Bono- 
mo's evangelischer  Glaube  die  Herzen  erfüllte.* 

Es  ist  schade,  dass  der  Verfasser  die  Wirkung  seiner  Schrift 
selbst  beschränkt  hat  durch  Einflechtung  zahlreicher  italienischer 
Citate.  Sie  ist  eigentlich  nur  Lesern  wirklich  geniessbar,  welche 
des  Deutschen  und  Italienischen  gleich  mächtig  sind,  wie  die  Trie- 
stiner.  Die  wälschen  Citate  hätten  unter  den  Text  verwiesen,  ihre 
Quintessenz  in  guter  Uebersetzung  in  den  Text  verwebt  werden 
sollen. 

Auf  S.  9,  wo  von  einem  ,Consens  des  Augsburger  Bekennt- 
nisses zu  Teschen*  die  Rede  ist,  muss  der  Ausdruck  Consens  offen- 
bar in  ,Consess*  verwandelt  werden.  S.  90  wird  j^die  Kirche  der 
Grigionen*  erwähnt.  Ob  wohl  jeder  Leser  wissen  wird,  was  das  für 
eine  Kirche  ist?  G.  Frank, 


Pastor  Schlegers  Chronik  von  Bensen.     Aus  dreierlei  Ueberliefe- 

rungen    zusammengestellt   von    A.  Paudler.     Herausgegeben   von 

Amand  Böhm.  Bensen  1887.  Im  Verlage  des  Herausgebers.  47  S. 

Eine  kleine,  aber  sorgfaltige,  auch  für  die  Ziele  des  Jahrbuches 

nicht  unbrauchbare  Arbeit. 

Der  erste  Chronist  der  alten  freundlichen  Polzenstadt,  welche 
noch  heut  von  Schlossruinen  überragt  ist  und  ortsgeschichtliche  Er- 
innerungen topographisch  pflegt,  war  der  protestantische  Pfarrer 
Schlegel  (f  1579),  mit  gewissenhafter  Benutzung  von  Urkunden  und 
besonderer  Obacht  auf  die  culturellen  Wichtigkeiten. 


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56 

Ein  strenger  Katholik  des  i8.  Jahrhunderts,  der  Weis^erber 
Sierich  (f  I7S9),  hat  Schlegels  Chronik,  welche  nicht  nur  längst 
vergessen,  sondern  auch  schon  äusserlich  viel  gelitten,  erhalten,  sie 
zweimal  seiner  eigenen  Chronik  eingefügt  in  zwei  etwas  verschie- 
denen Recensionen,  wobei  er  leider,  wie  das  auch  sonst  geschehen 
ist,  die  Nachrichten  über  evangelische  Pfarr-  und  Schulangel^en- 
heiten  kürzte.  Professor  Paudler  in  B.-Leipa  hat  eine  möglichst  voll- 
ständige Wiederherstellung  und  getreue  Wiedergabe  des  Originals 
unternommen.  Die  Schlegel'schen  Notizen  reichen  von  1203 — 1571. 
Anno  15 17  heisst  es:  das  Evangelium  heriiirbracht  durch  Doctor 
Martin  Luthem  wieder  den  Tetzell.  1523  ist  der  erste  evangelische 
Pfarrer  Micael  Celius  in  Bensen  eingezogen.  Zu  1553  wird  lakonisch 
bemerkt:  Alles  lutterisch.  Im  Jahre  darauf  wurde  der  Bau  der 
Kirche  vollendet. 

Die  Scheu  vor  erklärenden  Anmerkungen  scheint  etwas  zu  weit 
getrieben.  G.  Loesche. 

Wien. 


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IV. 
Bibliographie. 

Xrautenberger  Gustav,  Kurzgefasste  Geschichte  der  evang.  Kirche 
in  Oesterreich.  2.  Ausgabe.  Wien,  Verlag  des  österr.  Haupt- 
vereins der  evang.  G.-A  .-Stiftung.  1886.  108  S.  gr.  8.  Pr.  60  kr. 

Derselbe,  Ein  Vierteljahrhundert  unter  dem  G.-A  .-Banner.  1862  bis 
1887.  25  Jahre  österr.  Protestantengeschichte.  Wien  1887.  Im 
Selbstverlage  des  Wiener  Hauptv.  der  G.-A.-Stiftung.  94  S. 
gr.  8.    Preis  30  kr. 

Charv6riat  E.,  Les  affaires  religieuses  en  Boheme  au  XVI.  sitele. 
Paris  1886.  8. 

Otto  Karl  R.  von,  Evangelischer  Gottesdienst  in  Wien  vor  der 
Toleranzzeit.  Wien,  W.  Braumüller.   1886.  gr.  8. 

Lrandenberger  Albert,  Joseph  Schaidberger.  Eine  Erzählung  aus 
den  Tagen  der  Salzburger  Auswanderung.  Buchh.  der  Evang. 
Gesellschaft  in  Stuttgart.  1887.  64  SS.  Geb.  40  Pf. 

Witz  C.  A.,  Das  evangelische  Wien.  Wien,  Hartleben  1887.  III.  u. 
86  S.  16. 

Venetianer  A.,  Die  evang.-reformirte  Kirche  Cristo  Salvatore  (vor- 
mals S.  Silvestro)  zu  Triest.  Beitrag  zur  Geschichte  des  Evan- 
geliums in  Triest.  Triest  u.  Leipzig.  Verlag  von  Jul.  Dase.  1887. 
115  S.  8. 

Färber  K.,  Der  Herr  denkt  an  uns  und  segnet  uns.  Zur  Erinnerung 
an  W.  F.  Frhn.  v.  Riese-Stallburg.  Prag  1887.  13  S.  gr.  8. 

Pastor  Schlegers  Chronik  von  Bensen.  Aus  dreierlei  Ueberlieferungen 
zusammengestellt  von  A.  Paudler.  Herausgegeben  von  Amand 
Böhm,  Bensen  1887.  Im  Verlage  des  Herausgebers.  47  S. 


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58 

Rezek  Ant.,  Döjiny  prostonärodnftio  hnutf  näboiensk^ho  v  Cechäch 
od  vydäni  toleranönfho  patentu  a2  na  naSe  öasy.  [Geschichte  der 
national  -  religiösen  Bewegung  in  Böhmen  seit  dem  Erscheinen 
des  Toleranzpatentes  bis  auf  unsere  Tage.]  Th.  I.  Prag,  in 
Comm.  b.  Fr.  Rivnäö.   1887.  156  S.  gr.  8.  Preis  3  Mark. 

Hahn  G.,  Die  Zillerthaler  im  Riesengebirge.  Was  ist  aus  den  hier 
eingewanderten  Z.  geworden?  Schmiedeberg  1887.  8.  Pr.  i  fl.  24 kr. 

Aus  Zeitschriften. 

Wolkan  R.,  Leipa  zur  Zeit  der  Reformation:  Mittheilungen  des 
Vereines  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen.  XXTV.  Jahr- 
gang. Prag  1885.  S.  33—73. 

Bilek  Thomas,  Das  nordwestliche  Böhmen  und  der  Aufstand  im 
J.  1618:  a.  a.  O.  S.  155—185  u.  233—303. 

Penn  H.,  Der  slovenische  Luther  [Pr.  Trüber] :  Magaz.  L  d.  Liter. 
des  In-  u.  Auslands.  1886.  Nr.  30  f. 

Krebs  Julius,  Beiträge  zur  Geschichte  des  böhmischen  Aufstandes 
von  161 8:  Mittheilungen  des  Vereines  f.  Gesch.  d.  Deutschen 
in  Böhmen.  XXVI.  Jahrg.  1887.  S.  171— 197. 

Grisar  H.,  Vaticanische  Berichte  über  die  Prptestantisirung  und  die 
katholische  Restauration  in  Böhmen  zur  Zeit  Ferdinands  11.: 
Zeitschr.  f  kathol.  Theologie.  Redigirt  von  J.  Wieser  u.  H,  Grisar. 
X.  Band.  Innsbr.  1886.  S.  722  ff. 

.  .  .,  ,Dr.  Ritter  von  Otto*  (Leben  und  Schriften):  Evang. Kirchen- 
Zeitung  für  Oesterreich,  herausg.  von  F.  Schur.  Bielitz  1887. 
Nr.  23.  —  Auszug:  Prot.  K.-Z.  (Berl.)  1887.  Nr.  47.  —  Damach 
und  nach  den  Conv.-Lexx.  ist  das  »Biogr.  Lex.  d.  Kaiserthums 
Oesterreich*  XXI,   138  f,  510  zu  berichtigen. 


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V. 

Dritte  Generalversammlung  der   Gesellschaft  für  die 
Geschichte  des  Protestantismus  in  Oesterreich.  ^) 

Am  20.  December  1887,  Abends  7  Uhr,  fand  diese  General- 
versammlung im  evangelischen  Schulgebäude  zu  Wien  (Techniker- 
strasse) statt.  Der  Präsident,  Regierungsrath  Prof.  Dr.  C.  Ritter 
von  Otto,  begrüsste  die  Erschienenen  mit  herzlichen  Worten  und 
schloss  seine  Anrede  mit  dem  Wunsche,  es  möge  unsere  Gesellschaft, 
welche  einen  guten  Anfang  gehabt,  sich  im  Interesse  ihres  hoch- 
wichtigen Zweckes  auch  eines  immer  mehr  gedeihlichen  Fortgangs 
erfreuen.  Alsbald  ersuchte  er  den  Vicepräsidenten,  Herrn  Ober- 
kirchenrath  Dr.  C.  A.  Witz,  dass  derselbe  den  Rechenschafts- 
bericht über  die  letzten  drei  Jahre  erstatte. 

Dieser  Bericht  lautete  folgendermassen : 

,Ich  kann  mich  kurz  fassen.  Ich  habe  ohnehin  nicht  viel  zu 
berichten.  Unsere  Gesellschaft  fahrt  eben  fort  in  aller  Stille  zu  arbeiten, 
ohne  Lärm,  ohne  Trommel.  Vielleicht  ist  dies  auch  mit  ein  Grund, 
warum  wir  uns  keines  erheblichen  Zuwachses  erfreuen,  keiner  allge- 
meinen Verbreitung  rühmen  dürfen.  Wir  können  uns  jedoch  nicht  ent- 
schliessen,  von  unseren  bisherigen  Grundsätzen  abzuweichen.  Unsere 
Sache  muss  sich  von  selbst  empfehlen.  Unser  Jahrbuch  niuss  durch 
sich  selbst  siegen.  Freilich  könnte  der  Inhalt  des  Jahrbuches  mitunter 
reichhaltiger,  mannigfaltiger  und  in  Folge  dessen  interessanter  sein. 
Dazu  aber  brauchten  wir  zahlreichere  Mitarbeiter  und  ein  grösseres 
Budget.  Es  wäre  unbillig,  die  längeren  Aufenthaltskosten,  welche 
da  und  dort  zum  Studium  der  Archive  nothwendig  wären/  unseren 
Mitarbeitern  zuzumuthen,  unsere  Vereinscasse  aber  sträubt  sich  noch 


1)  Uebcr  die  i.  u.  2.  GV.  vgl.  Jahrb.  i88i,  S.  92—94  u.  1884,  S.  213—219. 


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60 

gegen  solche  Auslagen.  Wir  müssen  uns  daher  bescheiden  mit  dem 
was  wir  mit  geringeren  Mitteln  erreichen  können  und  uns  einer 
besseren  Zukunft  getrösten.  Unsere  Gesellschaft  wird  sich  gewiss 
immer  mehr  und  mehr  Bahn  brechen.  Zwar  haben  sich  schon  einige 
Stimmen  dagegen  erhoben  und  mehrere  unserer  Mitglieder  sind  uns 
untreu  geworden  —  aber  wir  werden  uns  deshalb  nicht  entmuthigen 
lassen.  Das  Verständniss  fiir  unsere  Bemühungen  setzt  eben,  ab- 
gesehen von  einem  tieferen  rel^iösen  Interesse,  auch  allgemeinere 
Bildung  voraus  —  zwei  Factoren,  deren  Vereinigung  und  Zusammen- 
wirken nicht  allzu  häufig  ist.  Trotzdem  wollen  wir  ausharren.  Wir 
zweifeln  nicht,  dass  es  in  Oesterreich  noch  viele  Protestanten  gibt, 
die  Beides  mit  einander  zu  vereinigen  wissen  und  zum  Wohle  unserer 
Gesellschaft  zu  bethätigen  bereit  sind.  Die  ansehnliche  Schaar 
unserer  bisherigen  Getreuen  dient  uns  hiefiir  als  Bürgschaft.  Auch 
wissen  wir,  dass  manch'  Einer,  dem  für  seine  eigene  Person  das 
Interesse  fiir  unsere  Arbeiten  fehlt,  den  Werth  derselben  fiir  die 
allgemeine  Geschichtsforschung  zu  würdigen  versteht  und  fortfahren 
wird,  uns  nach  Kräften  zu  unterstützen.  Unter  solchen  Verhältnissen 
ist  es  heilige  Pflicht,  weiter  zu  streben. 

Was  wir  in  den  letzten  drei  Jahren  veröffentlicht  haben,  ist 
ihnen  bekannt.  Wir  heben  mit  Freuden  hervor,  dass  sich  unsere 
Arbeiten  auf  alle  Kronländer  Oesterreichs  erstreckt  haben.  Es  sind 
nämlich  erschienen: 

Ueber  Oesterreich  im  Allgemeinen: 
Aus  trüber  Zeit.  Von  G.  Wolf. 

Superintendential-Instruction  v.  J.   1785.  Von  Dr.  G.  Frank. 
Verzeichniss  der  Studirenden  aus  Oesterreich -Ungarn  auf  dem  aka- 
demischen Gymnasium  in  Hamburg.  Von  Dr.  G.  Sillem. 
Jakob  Andrea  über  Hans  Ungnad.  Von  Fr.  Preidel. 
Dr.  Martin  Luther's  400jährige  Geburtstagsfeier  In  Oesterreich  1883. 

Von  Pfr.  J.  Dödie. 
Die  erste  evang.  Kirchenverfassung  in  Oesterreich.  Von  Dr.G.  Frank. 
Josephina.  Von  G.  Wolf. 

Ueber  Niederösterreich: 
Joseph  II.  und  die  Frankfurter  reformirte  Gemeinde.  Von  Dr.  C.  A.Witz. 
Nachricht  vom  Entstehen,  Fortgang  etc.  der  Wiener  evang.  Gemeinde. 
Von  C.  W.  Hilchenbach.     Herausgegeben  von  Dr.  C.A.Witz. 
Nachtrag  zu  Tauberiana.  Von  Dr.  C.  v.  Otto. 


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61 

Evangelischer    Gottesdienst    in    Wien    vor    der   Toleranzzeit.    Von 

Dr.  C.  V.  Otto. 
Consistorial-Instruction  v.  J.  1785.  Von  Dr.  G.  Frank. 
Burg  Hohenberg.  Von  Dr.  E.  Bohl. 

Ueber  Ober-  und  Innerösterreich: 
Zur  Geschichte   der  Transmigration   aus   Ober-  und  Innerösterreich 
nach  Siebenbürgen.  Von  Dr.  Reissenberger. 
Ueber  Steiermark: 
Zur  Geschichte  der  Gegenreformation  in  Steiermark.    Von  Dr.  R. 

Leidenfrost. 
Drei  alte  Schriftstücke  aus  dem  Landes-Archiv  in  Graz.    Von  Prof. 
Dr.  Mayer. 
Ueber  Krain: 
Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  in  Krain.   Von  Aug.  Dimitz. 

Ueber  Tirol: 
Beiträge  zur  Geschichte  Tirols  in  der  Reformationszeit.  Von  Pfarrer 
Gust.  Bossert. 
Ueber  Böhmen: 
Schwarmgeister  in  Böhmen  und  Mähren.  Von  Lic.  Dr.  G.  Trauten- 
berger. 
Nachträge  zu  den  Studien  zur  Reformationsgeschichte  Nordböhmens. 

Von  Pfr.  Scheuffler. 
Zug   der  österreichischen  Geistlichen   nach   und   aus  Sachsen.    Von 

Pfr.  Scheufler. 
Die  Eheordnung    des    böhmischen   Landtages    von    1609/10.     Von 

Dr.  R.  Leidenfrost. 
Die  Execution  in  Prag  i.  J.   1624.  Von  J.U.C.  Molnar. 
Beiträge    zu    einer  Geschichte    der   Reformation    in   Böhmen.    Von 
Dr.  Wolkan. 
Ueber  Mähren: 
Der    erste    Hirtenbrief  an    die    evangelischen   Seelsorger  A.  C.    in 
Mähren.  Von  Lic.  Dr.  Trautenberger. 
Ueber  Schlesien: 
Zwei  Actenstücke  zur  Geschichte  der  Reformation  in  Oderau.  Von 
Dr.  Th.  Haase. 

Endlich  auch  über  Ungarn: 
Bericht  über  das  Martyrium  zweier  Lutheraner  im  Sohler  Comitat  1527. 
Von  Jos.  Rydel. 


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62 

Wir  können  nicht  umhin  zu  bemerken,  dass  wir  einige  dieser 
Artikel  Freunden  verdanken,  welche  weder  unserer  Kirche  noch 
unserem  engeren  Heimatlande  angehören.  Unter  den  ersteren  be- 
gfrüssen  wir  die  Herren  G.  Wolf,  Prof.  Dr.  Mayer  und  den  leider 
vor  Kurzem  verstorbenen  Aug.  Dimitz;  unter  den  letzteren  heissen 
wir  willkommen,  ausser  dem  seit  Anfang  treu  gebliebenen  Mitarbeiter 
Scheuffler,  die  Herren  G.  Boss  er  t  und  Dr.  Sillem.  Es  freut  uns 
bestätigen  zu  dürfen,  dass  unserem  Unternehmen  auch  von  fremden 
und  fernen  Kreisen  Wohlwollen  und  Sympathie  entgegengebracht 
wird.  Klingt  dies  nicht  wie  ein  Tadel  für  unsere  einheimischen 
Protestanten.^  Nicht  doch.  Es  soll  ihnen  dieses  Entgegenkommen 
nur  zur  Nachahmung  empfohlen  werden. 

Ein  freundliches  Entgegenkommen  haben  wir  auch  bei  ver- 
schiedenen historischen  Vereinen  des  In-  und  Auslandes  gefunden. 
Mit  der  ,Soci^td  de  l'histoire  du  protestantisme  en  France*  und  mit 
dem  ,  Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Alterthumskunde  in 
Jena*  stehen  wir  bereits  seit  der  ersten  Zeit  in  Schriftentausch.  Ein 
gleiches  Verhältniss  pflegen  wir  nun  auch  mit  dem  ,  Verein  für 
Reformationsgeschichte',  mit  dem  , Verein  für  sächsische  Kirchen- 
geschichte*, mit  der  ,  Historischen  Gesellschaft  für  die  Provinz 
Posen*,  mit'  dem  , Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen*. 
Ausserdem  werden  uns  der  , Theologische  Jahresbericht  von  Lipsius* 
und  die  ,  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweiz  von  Meilli*  gegen 
unser  Jahrbuch  eingesendet. 

So  sind  wir  bestrebt,  unsere  Thätigkeit  auszudehnen  und  be- 
stätigen gerne,  dass  viele  Zeitschriften  des  In-  und  Auslandes  uns 
dabei  durch  freundliche  Berichte  und  wohlwollende  Besprechungen 
behilflich  gewesen  sind. 

Auch  wird  es  Sie  interessiren  zu  erfahren,  dass  unsere  Bibliothek 
sich  um  einige  werthvoUe  und  für  die  Geschichte  des  Protestantismus 
unentbehrliche  Werke  bereichert  hat.  Wir  haben  innerhalb  der  letzten 
drei  Jahre  gekauft  : 

Radda  Karl,    Materialien    zur   Geschichte    des    Protestantismus    im 

Herzogthum  Teschen.  Teschen  1885.  gr.  8. 
Derselbe,  Urkundliche  Beiträge  zur  Geschichte  des  Protestantismus 

im    Herzogthum    Teschen    bis    zum    Toleranzpatent.     Teschen 

1882.  gr.  8. 


I 


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63 

Zwiedineck-Südenhorst  Hans  von,  Geschichte  der  religiösen  Be- 
wegung in  Innerösterreich  im  1 8.  Jahrhundert.  Wien  1875.  8. 

Ribini  Johannes,  Memorabilia  Ecclesiae  Augustanae  Confessionis  in 
regno  Hungariae  a  Ferdinando  I.  usque  ad  III.  Posonii  1787.  8. 

Barth-Barthenheim  Joh.  Ludwig  Graf  von,  Oesterreichs  geistliche 
Angelegenheiten  in  ihren  politisch-administrativen  Beziehungen. 
Wien  1841.  8. 

Derselbe,  Oesterreichs  Schul-  und  Studienwesen,  mit  besonderer 
Rücksicht  auf  die  Schul-  und  Studienanstalten  im  Erzherzog^hume 
Oesterreich  unter  der  Enns.  Wien  1843.  8. 

Christliche  Kirchen- Agenda ;  Wie  die  von  den  zweyen  Ständen 
der  Herrn  und  RitterschaflFt  im  Ertzhertzogthumb  Oesterreich 
vnter  der  Enns  gebraucht  wirdt.  [Stein]   1571.  Fol. 

Dannappel  E.,  Die  Literatur  der  Salzburger  Emigration  (1731 — 35). 
Stuttgart  1886.  8. 

Greter  Gregor,  Artickel  Auß  der  Augfpurgifchen  Confeßion  vnd 
derselben  Apologia,  deßgleichen  auß  Doctor  Luthers  Melanchthons 
vnd  anderer  jhrer  Anhänger  Büchern  und  Schrifften  gezogen  etc. 
Dilingen  1575.  4. 

Cobenzl  Jo.  Raph.,  Libellus  in  concionem  Simonis  Mann,  Lutherani 
ad  Viennae  suburbia  in  Herrenhals  verbi  min.,  ibidem  V.  Nov. 
anni  161 5  habitam.  Olomucii  161 7.  4. 

Rudolphi  II.  Rom.  Imp.  Pro  libero  exercitio  Religionis  Augustanae 
Confessionis  in  Silesia  clementiss.  Confirmatio.  o.  O.  1609.  4. 

Rudolphi  deß  Andern,  Deß  Aller  durchlauchtigsten  Fürsten  vnd 
Herrn,  .  .  .  vber  das  freye  Exercitium  Religionis,  Aufpurgifcher 
Confession,  im  Lande  Schlesien,  AUergnädigste  Confirmation, 
Im  Jahre  1609.  —  Beigebunden:  Wie  Rom.  Kais.  Maj.  den 
Dreyen  Euangelischen  Ständen  deß  Königr.  Böhmens  zugelassen, 
das  Prag.  Consistorium,  so  wie  auch  die  Academia  wieder  auff- 
zurichten.  Prag  1609.  4. 

Articul  der  Vergleichung  Aller  dreyer  Stände  des  Königreichs 
Bohemen,  das  Niderprägerische  Consistorium,  Kirchenordnung  etc. 
betreffend.  Item  derselben  Instruction.  Gedruckt  im  J.   1610.  4. 

Religions-Gravamina  articulirte  der  Evangelischen  Ständte  im  Marg- 
grafthumb  Mähren,  bey  jüngst  den  15.  Decembris  1618  Jahrs  zu 
Brin  gehaltenem  Landtage  verfaste  und  abgegebene.  Sampt  hier- 
aufF  Antwort,  o.  O.  16 19.  4. 


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64 

Confessio  Augustana  et  Antiaugustana.  Das  ist  Augfpurgifche 
Glaubens-Bekantnuß,  Vnd  dero  Gegenlehr.  In  zwey  Theyl.  Auf 
Befelch  Leopoldi  Graffen  von  KoUonitsch  Bischofen  zu  Neu- 
stadt etc.  Wienn  i68i.  4. 

Wir  werden  fortfahren  in  diesem  Sinne  weiter  zu  arbeiten  und 
erbitten,  erhoffen  von  unseren  Glaubensgenossen  zu  diesem  Zwecke 
reichliche  Unterstützung  und  kräftige  Handreichung. 

Nur  unter  dieser  Bedingung  kann  sich  erhalten,  erweitem  und 
vervollkommnen  die  , Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Protestan- 
tismus in  Oesterreich*. 

Nachdem  der  Rechenschaftsbericht  beifallig  zur  Kenntniss  ge- 
nommen, wurde  der  die  Periode  1884 — 1886  umfassende  Cassa- 
bericht  des  leider  am  Erscheinen  verhinderten  Schatzmeisters,  Herrn 
Dr.  C.  Ritter  von  Sääf,  mitgetheilt.  Die  in  jener  Periode  jährlich 
dem  Central-Ausschusse  gelegten,  von  diesem  geprüften  und  geneh- 
migten, bereits  im  Jahrbuche*  1885,  S.  49  f.,  1886,  S.  47  f.,  1887, 
S.  151  f  veröffentlichten  Cassaberichte  wurden  von  den  durch  die 
Generalversammlung  als  Revisoren  gewählten  Herren  Professor 
Dr.  Loesche  und  W.  A.  Schmidt  einer  genauen  Prüfung  unter- 
zogen :  worauf  die  Generalversammlung  über  Antrag  der  Genannten 
dem  Schatzmeister  das  Absolutorium  ertheilte. 

Schliesslich  erfolgte  die  Wahl  des  Central-Ausschusse s.  Es 
wurden  durch  Acclamation  die  seitherigen  Mitglieder  desselben 
wiedergewählt:  die  Herren  Superintendent  Bauer,  Buchhändler 
Grenser,  Reichsraths-  und  Landtagsabgeordneter  Superintendent 
Dr.  Haase,  Schriftsteller  und  Redakteur  Dr.  Lauser,  Geh.  Lega- 
tionsrath  Lumö  de  Luine,  Regierungsrath  Dr.  Ritter  von 
Otto,  Hof-  und  Gerichtsadvocat  Dr.  Ritter  von  Sääf,  Ober- 
kirchenrath  Dr.  von  Trauschenfels,  Senior  Lic.  Dr.  Trauten- 
berg er,  Oberkirchenrath  Dr.  Witz,  Consenior  Dr.  von  Zimmer- 
mann; neu  berufen  wurde  Herr  Professor  Dr.  Loesche.  —  Der 
Centralvorstand  bekam  die  Ermächtigung,  sich  eventuell  durch 
Cooptation  zu  ergänzen. 

Der  Präsident  dankte  nach  erschöpfter  Tagesordnung  den  Ver- 
sammelten flir  ihr  Erscheinen  und  erklärte  die  Versammlung  für 
geschlossen. 


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Das  „Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  O  est  er  reich",  welches  unter  der  Redaction  des  Präsidenten 
(Dr.  Karl  Ritter  von  Otto)y  der  beiden  Vicepräsidenten  (Dr.  ^//A.  Witz  VLnd  Dr.  Theodor 
Haase)  und  des  Secretärs  der  Gesellschaft  (Lic.  Dr.  Gustav  Trautenberger)  in  viertel- 
i ährigen  Heften  erscheint,  behandelt  in  längeren  Original-Artikeln,  in  Referaten,  in 
Mittheilung  von  Urkunden,  in  Besprechungen  und  Notizen  Alles,  was  sich  auf  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  bezieht. 

Dasselbe  ist  von  den  Evangelischen  überall  mit  Freude  begriisst  und  von 
der  Kritik  auf  das  Wohlwollendste  aufgenommen  worden. 

Hier  einige  Worte  aus  Recensionen: 
„Mit  dem  ersten  Doppelhefte    wird    ein    Unternehmen    eröffnet,    welches    die    leb- 
hafteste   Zustimmung   verdient Nach    dieser   Reichhaltigkeit    des  Inhalts    darf 

man  der  jungen  Zeitschrift  zu  dem  würdigen  und  verheissungsvoUen  Anfang  theilneh- 
mend  Glück  wünschen  und  einen  entsprechenden  Fortgang  unter  Gottes  .Segen  getrost 
in    Aussicht  stellen." 

„Auf  das  erste  Doppelheft  ist  alsbald  das  zweite  gefolgt  ....  Möge  das 
Jahrbuch  seinen  Weg  in  der  bisherigen  Weise  fortsetzen  und  die  Leser  in  und 
ausser  Oesterreich  ferner  durch  so  lehrreiche,  gehaltvolle  Publicationen  erfreuen." 

,Wie  der  zweite  Band  entspricht  auch  der  dritte  durch  die  Reichhaltigkeit  und 
Verschiedenheit  des  Inhalts  den  gehegten  Erwartungen.'* 

Theologisches  Litter aturblatt  (Leipzig)  i8Si.  Nr,  20  u.  sS-    'SSj.   Nr.  jj. 

„.  .  .  Zugleich  hat  die  Gesellschaft  in  zwei  Doppelheften  den  ersten  Jahrgang 
ihres  Jahrbuches  herausgegeben,  welches  eine  Fülle  interessanter  Nachrichten  über 
die  wechselvollen  Schicksale  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  enthält.  Wir 
wünschen  unsern  österreichischen  Brüdern'  Glück  zu  diesem  schönen  Anfang  und 
hoffen,  dass  die  neue  Gesellschaft  auch  im  Deutschen  Reiche  Mitglieder  und  thätige 
Freunde  gewinnen  werde.  Wirkliche  Mitglieder  sind  jene,  welche  historische 
Arbeiten  liefern  und  einen  Beitrag  von  3  fl.  jährlich  leisten,  unterstützende  Mit- 
glieder solche,  welche  wenigstens  5  fl.  jährlich,  oder  als  Grün  der  einen  einm.iligen 
Beitrag  von  wenigstens  50  fl.  zahlen." 

Neue  Evangelische  Kircheu%eitung  (Berlin)   18S1.   Nr.  22. 

jf.  .  .  Als  erfreuliche  Frucht  der  Vereinsthätigkeit  liegen  die  beiden  ersten  Doppel- 
hefte des  Jahrbuches    der  Gesellschaft    vor,    welche    eine  Reihe    zum  Theil    höchst 

interessanter  Veröffentlichungen     enthalten Wir  wünschen  dem   so  glücklich 

begonnenen  Unternehmen,  dem  unsere  volle  Sympathie  gesichert  ist,  kräftigen  Fortgang. 
Möge  dasselbe  an    seinem  Theile  zur  Stärkung   des    evangelischen  Bewusstseins    unter  • 
den  Protestanten  Oesterreichs  das  Seinige  beitragen  I" 

(Prof.  Dr.  Lipsius)   Theologische  Literaturzeitung  (Leipzig)  1881.  Nr.   /j. 

Das  Jahrbuch  „für  unsere  evang.  Brüder  in  Oesterreich  gewiss  von  grösstem 
Werth  und  Interesse    aber  auch  für  weitere  Kreise  sehr  zu  empfehlen"  u.  s.  w. 

Theologischer  Littsratur- Bericht  (Gütersloh)   18 8s.  Nr.   S. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger Redacrion 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir  .  .  .  nur  wieder- 
holen.  Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evan- 
gelische Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Prote- 
stantismus wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per- 
sönliches   imd  Allgemeines"    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Messner)  Naie  Evangelische  Kirchemeitung  (Berlin)  1883.  Nr.  40. 
„Es^  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treffliches 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoll  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen**    u.  s.   w. 

(Prof.  Dr.   Horawitz)  Deutsche  Zeitung,  Wien  i88s.  Nr.  4103. 
„.  .  .  Wir    verfehlen    nicht,    die   Freunde    reformations-historischer  Forschung  auf 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen." 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  EvangeHsche  Kirchenzeitzmg  (Greifsw.)  1883.  ^r.  48, 
„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  EhrenpHicht,  diese  erste  und  einzige  wissen- 
schaftliche Gesellschaft    unserer    evangelischen  Kirche    aufs  Kräftigste    zu   unterstützen 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern." 

Evangelische  Kirchen%eiiuug  für   Oesterreich  (Bielitz)  1884,  Nr,   /, 
,.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben''   u.  s.  w. 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweiz  (Zürich)  1886.  H.  l.  S.  61. 

„Mit  Freude   begrüssen    wir    diese    weiteren  Jahrgänge    der  verdienstvoUen  Zeit- 
schrift" u.  s.  w, 

(Prof.  S.-G.)   Theologischer  Litteraturbericht  (Gütersloh)  1887.  ^r,  4, 

Zur  Nachricht. 

Se.   Erlaucht    der    Graf  und    Herr   von    Giech    auf  Thurnau    bei    Kulmbach    in 
Bayern    hat    das    in    seinem  Besitz   befindliche    Porträt    des   berühmten    österreichischen 
Exulanten  Gallus  Freiherrn   zu  Rägknitz  (f  in  Nürnberg  1658)  dem  Central  vor- 
stände unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist   von   der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerischer 
Umrahmung.   Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften  : 
,Geh  nur  davon,  ||  Sey  fromm  für  mir,  ||  Gib  Armen  hier,  ||  Ich  bin  dein  Lohn.- 
Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  i.  Mos.   12: 
^Geh  aus  deinem  Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm. 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild. 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron." 
Der  Centralvorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,    welche   im    Archiv   unserer    Gesellschaft    (Wien,    I.    Dorotheergasse    l6)    a  i   fl 
tu  haben  ist. 


-•«8«-»- 


Druck  von  Wilhelm   Köhler.  Wien,  VI.  Mollnrdicatii«  41 

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JAHRBUCH 


der 


GesellscM  für  die  Geschichte  des  Protestantisnins 


in  Oesterreich. 


Neunter  Jahrgang. 
II.  Heft. 

April  —  Juni  1888. 


-•»skb<- 


Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klinkhardt 
1888. 


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Inhalt  von  HeftQ. 

Seit- 
6.  „Lutheranisirung  der  Gemeinde  Gnesau".     Mitgetheilt  von  Pfarrer  FriedHch 

Koch (J5 

•  7.  Der  Zug  der  österreichischen  Geistlichen   nach  und  aus  Sachsen.  Von  Pfarrer 

Scheujfler  in  Lawalde  (Sachsen).  IV.  (Fortsetzung.)    .........        Sj 

8.  Extract  der  in  materia  religionis  ergangenen  k,  k.  auf  die  Gegenreformation 
im   Teschener    Gebiete   bezüglichen   Verordnungen    1692 — 1781.     Mitgetheilt 

von  Professor  R.  Pritsche .  II.  (Fortsetzung.) 103 

9.  Noch    einmal    Martin    Philadel phus    Zamrscenus.     Mitgetheilt    von  Prof.   Dr. 
Anton  Rczck 1 1 0 

10.  Bericht  des  Central- Vorstandes  über  das  Vereinsjahr  1887 1 1  i 


Zur  Beachtung. 

Wir  ersuchen  unsere  Mitglieder,  in  ihren  Kreisen  für  die  Verbreitung  der 
Gesellschaft  thätig  zu  sein,  und  stellen  zu  diesem  Behufe  Exemplare  der  Statutfr 
in  gewünschter  Anzahl  zur  Verfügung. 

Laut  Beschlusses  des  Centralvorstandes  in  seiner  Sitzung  am  27.  Februar  18S4. 
erhalten  die  Mitarbeiteram  „Jahrbuch",  vom  fünften  Jahrgang  (1884)  an,  nach  Erscheinen 
des  betreffenden  Jahrgangs  als  Honorar  pro  Druckbogen  sechzehn  Gulden  ö.  W. 

Die  Mitarbeiter  sind  allein  verantwortlich  für  den  Inhalt  und  die  Form  cL^r 
unter  ihrem  Namen  im  Jahrbuch  erscheinenden  Artikel. 

Den  Mitarbeitern  werden  sechs  Gratis  -  Separatabzüge  ihrer  Arbeiten  nacl: 
Erscheinen  des  betreffenden  Heftes  von  der  Köhler'schen  Buchdruckerei  franco  sugesendei 
Eine  grössere  Anzahl  von  Separatabzügen  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Verständigni.L: 
der  Herren  Verfasser  mit  der  genannten  Buchdruckerei  (Wien,  VI.  Mollardgasse  4.1 . 
gegen  Erstattung  der  Druckkosten  gemacht  werden. 

Die  noch  rückständigen  Beiträge  bitten  wir  an  unsem  Cassier,  Herrn  Ho:*- 
und  Gerichts-Advocat  Dr.  Carl  Ritter  von  Sääf  (Wien,  I.  Ballgasse  6),  ehebaldig-: 
einzusenden. 

Für  das  „Jahrbuch"  bestimmte  Arbeiten,  sowie  Zuschriften  an  die  Gesellschat: 
sind  „An  das  Bureau  der  Gesellschaft,  Wien,  I.  Dorotheergasse  16*   zu  richten. 


Der   Centralvorstand 

der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Protestantismu 
in  Oesterreich. 


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VI. 

„Lutheranisirung  der  Gemeinde  Gnesau"'). 

Mitgetheilt  von  Pfarrer  FRIEDRICH  KOCH. 

Mit  dem  Anfange  des  i8.  Jahrhunderts  ist  die  lutherische  Ketzerei 
durch  Emissäre  und  Bücherhändler  von  dem  sogenannten  Corpus 
Evangelii  zu  Regensburg,  hier  in  Kärnthen  und  namentlich  in  dieser 
Gegend  eingeschmuggelt  worden,  und  hat  an  den  Gebirgen  bei 
schlecht  unterrichteten,  in  seelsorgerlicher  Hinsicht  mehr  vernach- 
lässigten und  darum  versauerten  Christen  zuerst  Freunde  gefunden 
und  sich  nach  und  nach  immer  mehr  ausgebreitet. 

Aus  dieser  Ursache  ist  schon  im  Jahre  1735  von  dieser  Pfarr- 
kirche ein  Kirchlein  und  ein  Priester-Wohnhäuslein  in  Görz  erbaut 
und  alldort  zur  besseren  Belehrung  und  Ueberwachung  der  Gebirgs- 
bewohner ein  Missionspriester  angestellt  worden,  welcher  seinen 
Unterhalt  mit  jährlich  318  fl.  aus  der  Casse  der  hiesigen  Pfarrkirche 
erhalten  hat. 

Diese  Massregel  hat  sicher  manche  Verführung  verhindert,  aber 
die  von  der  Ketzerei  Angesteckten  hat  sie  nicht  geheilt;  denn  gegen 
den  bösen  Geist  des  Hochmuthes  und  Eigensinnes  nutzen  in  der 
Regel  die  schönsten  und  eifrigsten  Lehren  wenig,  wenn  nicht  Gott 
ein    besonderes  Wunder  der  Gnade   zu   wirken    sich   bewogen   fühlt. 

So  hat  dieser  bedauernswürdige  Irrglaube  in  vielen  Herzen  sich 
festgesetzt,  besonders  da  die  Aufwiegler  und  Proselytenmacher  von 


Gnesau.  —  Gnesau  (Post  Himmclberg),  eine  im  Jahre  1783  gegründete  evangelische 
Pfarrgemeinde  im  politischen  BezirkeJUagenfurt  in  Kärnten,  hat  nach  dem  statistischen 
Ausweise  des  Jahres  1886  eine  Zahl  von  990  Seelen.  Vgl.  „Schematismus  der  evan- 
gelischen Kirche"  etc.,  Wien  1875  u,  1886.  Selbstverlag  des  k.  k.  ev.  Oberkirchen- 
rathes.  S.  37  u.  25. 

Jahrbuch  des  Protestantismus  iS88.  H.  II.  5 


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06  • 

Regensbiirg  her,  wie  die  bösen  Fliegen,  gekommen  und  das  Land 
in  allen  dürchkreutzet,  und  hier  sich  Helfer  zu  ihrem  Verführungs- 
werke  angeworben  haben.  Sie  sind  in  den  verschiedensten  Ge- 
stalten, und  zwar  als  Bauern  und  Bürger,  als  Handelsleute»  al- 
Handvverksburschen  und  al^  Bettler  im  Lande  und  besonders  in  ein- 
schichtig  gelegenen  Bauernhäusern  herum  geschlichen,  und  haben  da 
ihre  lutlierischen  Bücher  um  wohlfeiles  Geld  verkauft,  auch  verschenkt: 
unter  der  Larve  der  Wohlmeinung  ihre  b5sen  Lehren  ausgebreitet 
und  nach  und  nach  ordentliche  Versammlung  und  darinnen  Lehr- 
vorträge gehalten.  Ein  gewisser  Christian  Grundner,  dem  Anscheine 
nach  ein  Bürger  aus  Regensburg,  scheint  die  Hauptperson  dieser 
lutherischen  Propaganda  gewesen  ^u  seyn.  Ob  er  selbst  einmal  hier 
war?  ist  aus  den  vorhandenen  Schriften  nicht  zu  entnehmen;  woh: 
aber  liegen  mehrere  Briefe  von  ihm  in  Abschrift,  welche  er  unter 
der  Adresse:  ,An  Johann  Rauter  am  Drageisberg*,  an  die  in  diesen 
Gebirgen  herum  zerstreuten  Lutheraner  geschrieben  hat,  um  sie  iß 
Abtrtinnigkeit  zu  befestigen,  sie  zu  Proselytenmacherey  aufzumuntern 
seine  Bothen  zu  empfehlen  und  ihnen  Rathschläge  zu  geben,  lndess<'r. 
gingen  seine  Handlanger  eifrig  hin  und  her  mit  Büchern  und  Briefen. 
Namentlich  waren  laut  einer  Aufschreibung  des  Pfarrers  Foregger 
sub  i6. 1  vom  Jahre  1752  in  dieser  Hinsicht  besonders  thätig :  Caspar 
Fleiss  aus  Regensburg;  dieser  schon  im  Jahre  175 1  als  Bauer  ver 
kleidet,  mit  einem  Lodenrock,  in  der  letzten  Fastenwoche  mit  luthf 
Tischen  Büchern  hier  gewessen;  im  Jahre  1752  kämm  er  wrieder  vor 
dem  Schwarzsonntag  zum  Hansel  am  Drageisberg  ob  Himmel berg. 
dießmal  in  einen  dunkelblauen  herrischen  Rock»  aufgestülpten  Huth 
gekleidet  und  mit  einem  Burger*Stock  in  der  Hand,  er  kämm  ohne 
Bücher  sondern  bloß  mit  S  Briefen  ;  worin  alle  heimlichen  Lutheraner 
aufgefordert  wurden  sich  öffentlich  zu  erklären  und  zum  Lutherthunie 
einschreiben  zu  laßen;  und  zwar  darum,  damit  die  Landesbehördcti 
durch  die  grosse  Zahl  der  Abtrünnigen  geschrekt  und  zur  Nach- 
giebigkeit bewogen  würden.  Zu  diesem  Ende  ist  er  fast  das  ganz- 
Oberkärnten  dieß-  und  jenseits  der  Drau  ausgegangen, 

2.  Ein  ge wißer  Martin  Pikele,  ein  Inländer,  gebürtig  zu  Trefifen 
welcher  ehemals  als  Knecht  in  der  Teuchen  und  in  Arriach  gedien: 
dann  aber  das  Geschäft  eines  Aufwieglers  ergriefen  hat.  Er  ist  mehr- 
mals nach  Oedenburg  in  Ungarn  gereißt  und  mit  lutherischen  Büchern 
bebackt  zurück^^ekehrt.  Er  ist  in  Mülstatt  arretiert  \srorden. 


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67 

3.  Ein  gewisser  Hanßl,  Sohn  des  Schulmeisters  Anderl  zu  St.  Peter 
am  Tweng  —  hat  immer  mit  Büchern  gehandelt,  bis  er  im  Arrest 
zu  Gmünd  eine  Wohnung  fand. 

4.  Der  Raufhiesele,  welcher  immer  als  Knecht  in  Haidenbach 
und  in  Arriach  gedient,  und  nebstbey  einen  Unglaubensprediger  ge- 
spielt. Er  ist  selbst  nach  Regensburg  gewandert  und  mehrere  andere 
als  Auswanderer  mitgefuhrt;  er  ist  wieder  zurückgekommen,  um 
noch  mehrere  zu  verführen  und  zu  entfuhren.  Hatte  allzeit  brav  Geld 
bey  sich,  woher  .^ 

5.  Ein  gewißer  Hansl,  als  Bettlerkind  in  der  Pfarre  Himmelberg 
geboren,  ist  auch  öfters  nach  Ödenburg  gegangen  und  mit  Büchern 
heimgekehrt. 

6.  Ein  schwarzes  Betlmandl ;  gieng  als  Bettler  umher,  trug  aber 
in  seinem  Bettler-Bak  lutherische  Bücher,  um  sie  unter  die  Leute  zu 
verschmugeln, 

7.  Ein  gewißer  Jörgl,  ein  zu  Nöring  geborner  Weber. 

8.  Ein  kleines,  altes  Schäusterle,  welches  besonders  mit  Brief- 
schaften von  Regenspurg  hin-  und  hergegangen  seyn  soll. 

9.  Das  alte  Eggerle,  welcher  schon  vor  18  Jahren  von  der 
Obereggerhube  in  Koflach  hin  weggeführt  und  nach  Siebenbürgen 
relegiert  worden  ist.  Dieses  Männlein  hat  sich  aus  seiner  Verbanung 
herauszustellen  gewußt,  und  sich  grosentheils  hier  in  Gnesau  aufge- 
halten, wenn  er  sich  nicht  auf  seinen  Geschäftsreisen  in  lutherischer 
Glaubensangelegenheit  befunden  hat. 

10.  Jakob  Rohrer  ein  in  Treffen  gebürtiger  Deserteur,  der  sich 
meistentheils  in  St.  Margarethen  aufgehalten  und  lutherische  Bücher 
verbreitet  hat;  weßwegen  er  von  der  Polizey  verfolgt  wurde,  und 
die  Flucht  ergrif. 

1 1 .  Dahin  gehört  laut  Bericht  des  Herrn  Pfarrers  Franz  Grittner 
vom  28.  May  1752  16./1.  4  der  berichtigte  Mattheus  Neidhardt  vgö 
Bergischneider  im  Graben  gegen  Görz,  dessen  Vater  vormahls  emi- 
grirt  ist ;  dieser  hielt  sogenannte  conventicula,  in  welchen  er  sich  förm- 
lich als  lutherischer  Religionslehrer  gerierte,  durch  Vorlesen  lutherischer 
Bücher  und  Briefe  und  durch  eigenes  Ermahnen  und  Aufreitzen. 
Er  hat  auch  den  herumziehenden  Emisären  Unterkunft  gegeben, 
der  Propaganda  in  Regensburg  über  den  Vorgang  der  Religions- 
Verkehrung  Bericht  erstattet,  und  viele  in  die  Liste  der  Abgefallenen 
eingeschrieben;   bis   er   am  6  Xber  1752  auf  i  Jahr   zur   Festungs- 

5* 


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1 


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arbeit  verurtheilt  und  abgeführt  wurde.  Er  ist  am  31.  Xber  1755 
gestorben  —  (da  er  nach  überstandener  Strafzeit  wieder  zurückge- 
kehrt ist). 

12.  Laut  Bericht  des  Herrn  Pfarrer  Grittner  vom  2.  Juny  1752 
sub  16/1  6  war  ein  vorzügliches  Werkzeug  der  Proselytenmacherey 
Johann  Rauter  vgo  Dragelsberger  ob  Himmelberg  und  sein  Weib 
Margareth  Rauter;  bei  ihnen  wurden  die  meisten  Briefe  aus  Regens- 
burg abgegeben,  die  Bothen  beherberget  und  Zusammenkünfte  ge- 
halten, in  welchen  die  Kezerei  ordentlich  gepredigt  und  über  deren 
weitere  Ausbreitung  verhandelt  wurde.  Er  ist  laut  Verzeichniß  der 
abgeführten  Sektierer  sub  16/1  11  als  ein  Coripheus  ad  opera 
publica  condemniert  und  am  15.  May  1752  abgeführt,  und  am 
9.  September  1752  ist  ihm  sein  Weib  Margarethe  Rauter  nachge- 
schickt worden.  Nach  Verhaftung  dieses  Sektierers  sind  laut  obigem 
Bericht  mehrere  Briefe  aus  Regenspurg  an  den  Schneider  Matheus 
Neidhardt  eingelofen,  worin  sie  aufgefordert  wurden,  ihre  Sektiererey 
recht  eifrig  zu  betreiben  und  recht  Viele  als  zum  Lutherthum  be- 
kehrte einzuschreiben;  wie  sich  auch  wirklich  Viele  sehr  eifrig  be- 
müht haben  die  Einschreibung  zu  befördern;  unter  diesen  haben  sich, 
auser  dem  genannten  Math.  Neidhardt,  der  bey  Tag  umhergelofen. 
um  die  Leute  zu  sich  einzuladen,  des  Nachts  aber  eingeschrieben 
hat,  auser  dem  haben  sich  besonders  hervorgethan  Caspar  an  der 
Sonnleiten,  Möstl-Bauer  zu  Gnesau  und  der  Christian  am  Feld  (May- 
tratten),  dann  der  Hafner  an  der  WöIIach  ob  Himmelberg  mit  Namen 
Thomas  Zaminer,  dann  der  Petugger  an  der  Wöllach  und  der  Sieben- 
liaar  am  Klatzenberg;  welche  sämmtlich  nach  Siebenbürgen  oder  zur 
Festungsarbeit  nach  Gratz  abgeführt  worden  sind. 

13.  Gehört  dahin  auch  laut  Bericht  des  Pfarrers  Grittner  ohne 
Datum  Vincenz  Nuss,  Nussbauer  zu  Gnesau,  der  ebenfalls  in  seineir. 
Hause  die  Augspurger  und  Regenspurger  Bothen  aufgenommen  und 
sogenannte  conventicula  gehalten  hat.  Er  war  ein  besonders  wüthendei 
Disputirer,  der  Viele  überredet  und  am  4.  März  (wahrscheinlich  1752 
da  bey  ihm  Christenlehre  gehalten  wurde  den  Herrn  Missionär  (Ignat? 
Putz)  mit  harten  Worten  angefahren  und  mit  ihm  zu  disputieren  ange- 
fangen hat,  so  dass  viele  sich  darüber  geärgert  haben  und  fortge- 
gangen sind,  weil  er  dabei  wüthend  geschrieen  und  sogar  dem 
Missionär  sein  Büchl  in  das  Gesicht  geworfen  hat.  Er  wurde  am 
14.  März  1753  (wahrscheinlich  zur  Festungsarbeit)  abgeführt.  Einigt 


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69 

von  den  Briefen  der  Regenspurger  Propaganda  liegen  hier  sub  i6yi  3 
in  Abschrift  vor,  in  welchen  mit  den  gewöhnlichen  Redensarten  hin 
und  hergeworfen  und  auf  das  Pöll  nicht  vergessen  wird  und  aufge- 
fordert wird  recht  geschwind  und  allgemein  zum  Lutherthum  über- 
zutretten,  weil  die  Thüre  offenstehe  etc.  Einen  dieser  Briefe  finde 
ich  besonders  werth  per  extensum  hieher  zu  schreiben,  weil  darin 
Rathschläge  ertheilt  werden,  um  von  der  Regierung  die  Religions- 
freiheit oder  doch  eine  Duldung  zu  erlangen, 

Regenspurg  den  5.  Martii  1752. 
Gottes  Gnad  wünsch  ich  euch  allen  zum  Gruß.  Deine  Briefe 
habe  ich  richtig  empfangen  und  dem  corpus  evangelii  überreicht, 
hab  darauf  eine  Antwort  erhalten,  daß  jetzt  den  Leuten  geholfen 
könnte  werden,  wann  sie  sich  zu  der  Augsburger  Confession  be- 
kenneten ;  indeme  ^ich  jetzt  wunderlich  ereignet  und  in  allen 
4  Orten  der  Welt  Glaubensbekenner  seynd;  im  Landl  Oberöster- 
reich und  Stfeyermarkt  haben  sich  wirklich  schon  viertausend  Mann 
bekennet,  in  Salzburger  Land  haben  sich  wieder  eine  so  grosse 
Zahl  bekhennet,  daß  man  sie  noch  nicht  beschreiben  kann;  es 
seynd  auch  in  welschen  Tyrol  aus  Trient  solche  Bekehner,  aus 
der  Schweitz  seynd  auch  gar  viel;  diese  Bekhener  seynd  alle  in 
Regenspurg  ankommen,  das  corpus  evangelii  umb  Schutz  und 
Hülf  anzuflehen,  haben  auch  Vertröstung  bekommen,  daß  keiner 
wird  terfen  aus  sein  Vaterland  ziehen,  sondern  im  Land  eine  Ge- 
wißensfreyheit  haben  können,  weilen  sie  sich  öffentlich  bekhenet 
haben.  Dann  bericht  ich  Euch  meine  lieben  Glaubensgenossen, 
daß  jetzt  der  Tag  des  Heils  ist  und  Euch  die  Gnadenthür  offen 
steht,  nach  euern  Wünschen  und  Verlangen.  Ich  kanns  nicht 
unterlassen  vermög  meines  Gewissens  euch  gewisse  Nachricht  zu 
geben,  damit  ich  nicht  dermahleinst  an  jenem  Tag  vor  Gottes 
ernsthaften  und  gerechten  Gericht  eine  schwäre  Verantwortung 
habe,  ich  habe  mich  wegen  Eurer  schon  viele  Mühe  geben  bei 
denen  H,  H.  Gesandten  hin  und  wieder,  und  habe  es  mit  Freuden 
gethan,  und  thue  es  noch  mit  Freuden,  wann  ihr  nur  die  ange- 
bottene  Gnad  Gottes  mit  Freuden  aufnehmet  zu  eurer  Seelen 
Seligkeit,  und  nicht  mit  Füssen  von  Euch  stossen,  ich  habe  von 
denen  H.  H.  Gesandten  ein  Befehl,  ich  sollte  euch  hineinschreiben, 
ob  Ihr  auch  ein  Verlangen  habt  nach  der  lutherischen  Milch  des 
Evangelii,  so  sollet  ihr  Euch  nach  diesen  Exempel  richten,  wann 


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euch  sollte  geholfen  werden,  gleichwie  in  Steyermarkt  und  Ländl 
sich  haben  abgesondert  von  dem  Pell  zu  Babel  und  seinem  Gottes- 
dienst ;  sprich  ich  vom  falschen  Vertrauen,  diese  GJaubensbekenner 
haben  den  Betrug  zwischen  Christo  und  Bellial  recht  rein  gesehen, 
und  mehret  sich  die  Zahl  derer  Bekhener  noch  bis  dato  von  Tag  zu 
Tag.  Gott  sey  dafür  gelobt  und  gepreißt  in  alle  Ewigkeit.  Amen. 

Ich  berichte  euch  meine  liebste  herzinniglich  gewünschte  Brüder 
in  Christo  Jesu  unsem  Herrn  und  Heyland,  daß  das  Corpus  Evang. 
in  Regenspurg  für  gut  befunden,  daß  diese  3  Länder  Kärnten 
Steyermarkt  und  Ländl  sollen  bey  der  Königin  Eurer  allergnä- 
digsten  Fr.  Fr.  ein  Memorial  eingeben,  daß  in  lauter  Bitt  bestehe 
und  umb  ein  Gewissensfreyheit  darin  anlangen.  Wofern  dieses  nicht 
geschieht,  so  kann  die  Sach  nicht  vollzogen  werden;  indem  die 
Königin  dem  Corpus  Evang.  bis  dato  diose  Antwort  giebt,  Es 
seynd  in  Kärnthen  keine  solchen  Leut,  weil  sich  noch  niemand 
hat  angemeldet  umb  eine  Gewissensfreyheit;  aber  dieses  Memorial 
wird  nur  in  Klagenfurth  eingeben  bey  der  königlichen  Repraesen- 
tation,  die  Abschrift  darzue  muß  herausgeschickt  werden  und  allda 
bey  dem  königl.  H.  Abgesandten  eingehändigt  werden. 

Nun  wäre  Zeit,  das  beste  Theil  zu  erwählen ;  ihr  müsst  aber 
zum  Gebet  greiffen  und  Gott  in  die  Hand  fallen,  daß  Er  Eure 
Herzen  nicht  verstocke  wie  dem  König  Pharao  in  Egypten;  es 
ist  im  Himmel  auf  Erden  nichts  kräftiger  als  ein  ernstlich  eifriges 
Gebeth,  denn  Gott  hat  aller  Menschen  Herzen  in  seiner  Gewalt 
und  kann  sie  lenken  wie  die  Wasserbäch;  er  kann  eure  größten 
Freund  zu  Feind  machen ;  in  Gott  seynd  alle  Ding  möglich,  ja 
denen  die  Gott  lieben  müssen  alle  Ding  zum  Besten  dienen,  der 
Teufel  Selbsten. 

Ach  herzgeliebte  Glaubensgenossen  lasset  uns  miteinander 
betrachten,  daß  wir  alle  geladene  Hochzeitsgäst  seynd  zu  der 
grossen  Herrlichkeit  erscheinen  ewig  frohlockendt  himmlischen 
Hochzeit,  da  werden  wir  uns  mit  allen  Auserwählten  die  unaus- 
sprechliche, unaufhörliche  ewige  Hochzeit  halten,  da  wird  uns  kein 
Nahrungsmangel  mehr  plagen,  da  wird  uns  kein  Leid  mehr  an- 
rühren därfen,  da  wird  kein  Kreutz  oder  Verfolgung  mehr  se)Ti 
Ach  da  wird  ewige  Freud  und  Fried  über  unser  Haup  seyn. 

Ach  mein  Herz  das  Himmelreich  ist  nahe  herbeygekommen. 
die  Büß   die   Gnadenzeit   kann   bald    vorbey   seyn;    wehe  dir  du 


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Unbußfertigkeit,  auch  ewig  wehe,  wann  du  versäumet  hast,  hie 
alle  Sünden  vergeben  werden,  dorten  keine  Sünden  vergeben 
werden.  Das  Himmelreich  ist  nahe  herbeygekommen,  wer  da 
hineinkommen  will,  der  säume  sich  nicht  lang,  ist  die  Thür  ein- 
mahl verschlossen,  so  hilft  kein  Anklopfen  mehr. 
Mit  Gottes  Befelch 

Christian  Grunder. 

Am  24.  Aprill  schrieb  der  nehmliche  Grunder: 

Gott  zum  Gruß!  Ich  bericht  euch,  daß  mir  die  Mühe  hab 
geben  wegen  Euer,  dem  Corpus  Evang.  hab  ich  grose  Bit  einge- 
legt wegen  eurer  Trübsal  und  habe  die  Ehre  gehabt  solches  alles 
mündlich  vorzubringen,  ich  habe  vorgestellt,  daß  Euch  die  welt- 
liche und  geistliche  Obrigkeit  bedrohet  hat  Hab  und  Gut  zu 
nehmen  und  ins  Elend  zu  verschieben,  wie  wir  solche  viel  Exempel 
haben  und  selbst  ein  solcher  Zeug  bin,  so  hab  ich  ein  und  ander 
Wort  bekommen  von  dem  Corpus  Evang.,  wann  sich  nur  eine 
große  Zahl  bekennen  thuet,  so  haben  sie  sich  nicht  zu  fürchten, 
daß  ein  Mann  aus  d'em  Lande  tärfe  ziehen,  wann  sie  beständig 
bey  der  Bekanntnuß  bleiben  und  ihr  sollt  euch  nit  schreken  lassen 
mit  Bedrohung  und  Gefängnusen,  das  seynd  nur  Zeichen,  damit 
sie  euch  binden  und  abschrökhen,  ich  ermahne  euch,  1.  Christen, 
als  ein  treuer  Bruder  gegen  euch,  weichet  nur  kein  Haar  breit 
von  dem  Wort  Gottes.  Sehet  nur  die  Exempel  an,  die  schon 
wirklich  am  Tag  seyn,  so  müßt  ihr  ja  erkennen,  daß  Gott  der 
allmächtige  absonderlich  eine  Zeit  hat  auserkohren  seines  Namens 
Ehr  zu  rotten,  wann  ihr  euch  nur  darin  wollt  schicken  in  die 
Zeit,  das  Maß  der  Gottlosen  wird  einmal  voll  seyn,  daß  Gott 
nimmer  länger  kann  zusehen.  Gott  wird  der  Bedrängten  Seufzer 
ergötzen,  und  der  Wahrheit  ein  Kränzlein  aufsetzen,  ich  sollte 
solches  nit  ausreden,  noch  viel  wöniger  schreiben,  nur  kann  ich 
es  wahrhaftig  nit  unterlassen,  daß  ich  euch  sollte  zu  wißen  machen, 
daß  alle  evangelische  Potentaten  zusammenstimmen,  die  Sach  bey 
dem  k.  k.  Hof  auszumachen;  wir  sollen  in  diesen  Umständen 
fleißig  beten,  daß  Gott  gedejen  und  seinen  segen  darzu  möcht 
geben;  —  denn  mit  Gott  fang  Alles  an,  wann  es  soll  gelingen, 
sey  nicht  ein  vermeßner  Mann  —  in  solchen  schwären  Dingen. 
Es  ist  heraus  im  Reich  bey  der  evangel.  Gemein  ein  ordentliches 


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Gebet  gerichtet  auf  die  neuen  Bekenner,  daß  sie  Gott  möge  be- 
ständig erhalten  in  ihrer  Anfechtung.  Singe  bett  und  geh  auf 
Gottes  Wegen  —  verriebt  das  Deine  nur  getreu  —  traue  nur 
des  Himmels  reichen  Sögen  —  so  wird  Gott  bei  dir  werden  neu 
—  denn  wer  auf  Gott  sein  Zuversicht  —  setzt  den  verlaßt  er  nicht. 

Christian  Grundtner. 

In  Folge  dieser   erhaltenen  Weisungen  haben   die  lutherischen 
Bekenner  unter  24.  März  1752  eingereichet  folgendes 

M  e  m  o  r  i  a  1  e. 
AUerdurchlauchtigste,  großmächtigste  Kaiserin  und  Königin 

Allergnädigste  Frau,  Frau! 
Vor  Euer  kais.  und  königl.  Mayestät  geheiligten  allerhöchsten 
Person  wirft  ein  groser  Theil  dero  Ihren  gehorsamsten  unterthanen 
in  Kärnten  sich  in  aller  submissesten  Demuth  fußfälligst  nieder  und 
unterwindet  sich  in  aller  tiefster  unterthänigkeit  gehorsamst  vorzu- 
tragen, welcher  gestalt  wir  durch  Antrieb  unseres  Gewissens  ur.d 
fleißiges  suchen  und  forschen  in  h.  göttlicher  schrift  uns  entschlossen 
abnun  an  unser  Leben  und  Wandel  Einig  und  allein  nach  den  ge- 
offenbarten wahren  Wort  Gottes  und  der  unveränderten  Augspurger 
Confession  einzurichten  und  solches  bis  an  unser  Lebensend  frey  zu 
bekennen.  Wann  nun  aber  umb  solch  aufrichtigen  Bekanntnuß  willen 
wir  mit  Gefangnuß,  Bande  und  Verschikung  an  Orte,  wo  wir  das 
Tageslicht  nicht  mehr  sehen  sollen,  auf  das  hörtist  bedrohet  werden, 
ja  einige  unserer  Mitbrüder  mit  dergleichen  schon  allbereits  belegt 
worden :  so  nehmen  in  dieser  höchst  bedrängten  und  unserer  Seelen 
ewiges  Heil  betrefenden  umständen  Euer  k.  k.  Majestät  allerunter- 
thänigste  Unterthanen  zu  dero  geheiligten  Thron  ihre  Zuflucht  mit 
der  fussfälligen  Bitte  nach  dem  Exempel  dero  glorwürdigsten  Vor- 
fahren allergnädigst  zu  erlauben,  daß  wir  durch  nach  der  unbetrig- 
lichen  Richtschnur  des  Wort  Gottes  und  der  Augsb.  Confess.  ein- 
gerichteten Gottesdienst  Gott  derfen  geben  was  Gottes  ist,  und 
wenigstens  bei  Euer  kais.  kön.  Majestät  hierinnen  weitere  Verfügung 
zu  treffen  allergnädigst  geruhen,  dem  gewaltsamen  Begögnussen  mit 
Gefangnuß  und  Banden,  auch  fernem  dergleichen  würklichen  Thättig- 
keiten  und  harten  Bestrafung  und  Bedrohung  uns  unser  Haabe  und 
Güter  zu  entziehen,  allergerechtesten  Einhalt  zu  thun,  da  wir  die  be- 
reitwilligsten seynd  Leben  und  Leib,  Gut  und  Bluth  für  Euer   kais. 


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73 

kgl.  Majestät  den  Glanz  dero  glorgeheiligte  Person  und  Thron  aufzu- 
opfern zu  vermehren,  allso  Eur  k.  k,  Majestät  würdigsten  Regierung 
auch  noch  dadurch,  daß  diejenigen,  so  den  König  auf  dem  Berg 
Zion  fiir  einziges  geistl.  Haupt,  sein  blutiges  Versöhnopfer  für  den 
einzigen  Grundt  ihrer  Seligkeit,  und  sein  unbetrügliches  Wort  für 
die  einzige  Richtschnur  ihres  Glaubens  und  Lebens  halten,  unter 
schatten  dero  allerhuldreichsten  Scepters  Ein  geruhiges  und  stilles 
Leben  fuhren  mögen. 

Dieses  ist  die  allerdemüthigste  und  fußfälligste  Bitte,  umb  dero 
allergnädigste  Erhörung  in  Namen  ihrer  mitunterthanen  flehend- 
lichste Bitt 

Euer  kais.  u.  kön.  Majestät 

allergetreueste  im  Namen  aller 
Christian    Egger;    Niclas    Stieger;    Christian    Puchreiter,    Johannes 
Rauter,    Georg   Fischer,    Urban   Raner,    Adam    Köstinger,    Mathias 
Löbackh,   Thomas  Zamminer,   Lucas  Patzer,  Veit  Wiggeser,   Lucas 

Pichler, 
bezeigen  anjezo  ein  unbeschreibliches  großes  Theil  der  inclassificirten. 

Memoriale  an  Titl.  H.  H.  Kreishauptmann : 
Ihre  Excellenz 
Hochwohlgeborener   Reichs-Freyherr,   gnädig'  hochgebietender  Herr 

Landeshauptmann. 
Ihro  Hochfryherrlich  Excellenz  überreichen  Endesunterschriebene 
im  Namen  ihrer  mitunterthanen  in  Kärnten  gegenwärtige  allerunter- 
thänigste  Suplic  mit  sondersgehorsamster  Bitte,  solche  mit  dem 
Ehesten,  als  es  geschehen  kann,  an  Ihro  k.  k.  Majestät  unser  gnä- 
digste Frau  allerunterthänigst  einzusenden,  auch  solche  mittels  dero 
eigenen  vielvermögenden  Vorspruch  dahin  zu  unterstützen,  daß  dennen 
bißherigen  harten  Bedrohungen,  auch  andern  würklichen  Thätigkeiten 
bis  zu  weiterer  allergnädigster  Verfügung  gebührenter  Inhalt  geschehen 
möge,  die  wir  übrigens  mit  aller  schuldigen  Treue  und  Gehorsamb 
lebenslang  verbleiben 

Euer  Hochfreyherrl.  Excellenz 
Christian  Egger,  Niclas  Stieger,  Christian  Buchreiter,  Johann  Rauter, 
Georg  Fischer,   Urban  Rainer,   Adam  Köstinger,   Mathias  Läbackh, 
Thomas   Zaminer,   Lucas  Patzer    oder   Siebenhaar,    Veit   Wiggiser, 

Lucas  Pichler. 


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Diese  Unterschriebenen  waren  alle  eifrige  Proselitenmacher  aus 
der  Pfarre  Tiffer,  Himmelberg  und  Gnesau;  und  es  sind  gerade  12, 
wahrscheinlich  haben  sie  sich  für  die  12  Apostel  gehalten. 

Mittlerweile  als  die  vorstehenden  Einlagen  gemacht  und  im 
diplomatischen  Wege  sich  von  Regensburg  aus  für  die  Lutheraner 
Kärntens  verwendet  wurde,  ist  das  sub  16/1  ohne  Datum  hier  vor- 
liegende Religions-Edikt  Ihrer  Majestät  der  gnädigsten  Kaiserin 
Maria  Theresia  erflossen,  welches  ich  hier  per  extensum  folgen  lasse: 

Principia  generalia. 

1.  Wollen  Ihro  k.  k.  Majestät  als  eine  wahre  Landesmutter 
gleichwie  vor  das  zeitliche  allso  auch  vor  das  Seelenheil  ihrer  Unter- 
thanen  Sorge  tragen;  mithin  kein  Emigration  verstatten,  wodurch 
die  Seel  sammt  dem  Unterthan  verloren  geht,  ja  nicht  einmahl  zu- 
geben, daß  man  sich  dieses  Wortes  der  Emigration  oder  des  freyen 
Abzuges  gebrauche,  allermassen  Allerhöchstdieselbe  in  ihren  teutschen 
Erblanden  eine  ungebundene  freye  Hand  haben,  das  Religionswessen 
nach  Wohlgefallen  zu  reguliren,  und  die  sich  einschleichende 
Glaubens-Irrthume  durch  gutfindende  Anordnung  zu  vertilgen. 

2.  Zumahlen  die  Irrlehre  noch  von  denen  älteren  Zeiten  ab- 
stammet und  sich  seithero  mit  deme  ausgebreitet  hat,  daß  man  das 
Uebel  zu  wönig  geachtet,  keine  standhafte  Remedia  vorgekehret, 
sondern  das  Unkraut  immerfort  wachsen  lassen.  Allso.  geht  die  aller- 
höchste Gesinnung  dahin,  daß  man  ohne  Zeitverlust  alle  geistl.  und 
weltl.  Hilfsmittel  ergreife  umb  all  ferneren  An  wachs  einhält  zu  thun. 
und  die  schon  angestökte  Heerde  nach  und  nach  durch  die  sanftesten 
Wege  anwiederumb  auf  die  Strasse  ihres  Heils  zu  fuhren. 

3.  Da  bey  dem  mehrsten  Volk  der  leichtsinnige  Glaubensabfall 
von  der  Unwissenheit  entspringet,  indem  sie  von  der  katholischen 
Religion  wönig  Begrif,  und  auch  in  der  lutherischen  keinen  festen 
Grund  haben,  über  dieses  an  gar  vielen  Orten  von  ihren  Seelenhirten 
sehr  weit  entfernet  seynd,  folgbar  dem  Gottesdienst  selten  beywohnen 
und  daher  das  Gift  aus  denen  un katholischen  Büchern  gar  leicht  in 
sich  saugen ;  allso  ist  quoad  media  spiritualia  das  allernothwendigste 
durch  den  apostolischen  Eifer  frommer  Missionarien  diese  Quelle  der 
Unwissenheit  zu  verstopfen,  die  Jugend  gründlich  zu  unterweisen, 
die  noch  gut  Katholischen  zu  befestigen  und  eine  mehrere  Andachts- 
liebe allenthalben  einzupflanzen. 


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75 

4.  Da  nun  alle  Ordensklöster  zur  Aufnahme  der  katholischen 
Religion  ursprünglich  eingesetzt  worden;  allso  ist  ihrem  Beruf  und 
ihrer  Schuldigkeit  gemäss,  daß  sie  zur  Ausrottung  dieses  Unwessens 
mit  vereinigten  Kräften  zusammen  greifen  und  sich  andurch  bey  Gott 
und  der  Welt  verdienstlich  machen.  Ihre  zeitl.  Wohlfahrt  selbsten 
hanget  daran,  indem  aus  denen  Geschichten  mehr  dann  bekannt  ist, 
dass  fast  alle  Unruhen,  so  aus  der  Religions-Spaltung  erwachsen, 
auf  die  Ordens  Klöster  am  ersten  losgebrochen  und  daß  derley 
Feuer,  wann  es  einmal  aufflammet,  gar  schwär  mehr  zu  löschen  sey. 
Dahero  Ihro  k.  k.  Majestät  sich  ganz  ungezweifelt  versehen,  es 
werden  die  genannten  Herrn  Praelaten  und  Ordensvorsteher  bey  so 
andringender  Gefahr  das  Äusserste  thun  und  dem  Uebel  mit  Freuden 
entgegengehen,  folgbar  ihre  tichtigste  Subjecta  erkiesen,  umb  an 
denen  Orten,  wo  man  es  nöthig  findet,  als  Missionarii  angestellt  zu 
werden.  Die  Erfahrung  hat  vielfältig  bewiesen,  daß  dieses  das  alleinige 
Mittel  seye  umb  diesen  Zustand  zu  heilen,  und  ein  Land,  so  mit  der 
Irrlehre  beflecket  ist,  nach  und  nach  wieder  rein  zu  machen. 

5.  Es  steht  aber  sothaner  Missions  Frucht  änderst  nicht  als  mit  der 
Zeit  zu  hoffen,  absonderlich  bei  verstockten  Gemüthern  und  solchen 
Personen,  wo  die  Irrlehre  tiefere  Wurzeln  gefaßt  hat ;  und  ist  demnach 
vor  allen  darauf  zu  sehen,  dass  die  gemeine  Ruhe  unverletzt  bleibe 
und  allen  wiedrigen  Beginnungen  der  ernstliche  feinhalt  beschehe,  auch 
zu  solchen  Ende  vor  allen  Seiten  ein  obsichtiges  Auge  bestellt  werde. 

6.  In  gleicher  Absicht  ist  denen  erklärten  Lutheranern  Zeit  und 
Raum  zu  gönnen,  damit  sie  von  denen  Missionariis  erleuchtet  werden 
und  ihren  Irrthum  erkennen  mögen.  Nur  allein  ist  Schärfe  darauf  zu 
halten,  damit  sie  keinen  Muthwillen  treiben,  die  Geistlichkeit  nicht 
verachten  noch  auch  sich  bestreben  ihre  Kinder  und  Dienstbothen 
oder  auch  andere  auf  gleiche  Irrwege  zu  verleiten. 

7.  Sollte  sich  nun  einer  finden,  so  de  seductione  vel  de  conci- 
tatione  schwär  bezuchtiget  wäre,  hat  ihn  das  Landgericht  sogleich 
in  Verhaft  zu  nehmen,  das  angeschuldete  Verbrechen  summariter 
jedoch  rechtskräftig  zu  untersuchen  und  folgends  die  acta  an  den 
Religions-consessus  einzuschicken,  all  wo  der  Inquisitus  nach  Be- 
schaffenheit der  Umstände  mit  einer  erspiegelnden  Bestraffung  in 
terrore  reliquorum  anzusehen  ist. 

8.  Eine  gleiche  Beschaffenheit  hat  es,  wann  man  fremde  luthe- 
rische Emissarios,    welche  die  Leut   in   ihren  Irrthum   stossen,    oder 


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auch  solche  Personen  betretten,  welche  luther.  Bücher  einschleppen, 
dieselben  an  das  Bauern- Volk  verkauffen  und  andurch  die  irrlehre 
ausstreuen,  wie  ingleichen,  wann  sich  Jemand  vermesset  verbotene 
conventicula  oder  sogenannte  Andachtsversammlungen  zu  halten, 
als  welche  der  Religion  und  dem  gemeinen  Wessen  höchst  ge- 
fährlich sind. 

9.  Wann  sich  aber  begibt,  daß  einige  Unterthanen  nicht  nur 
auf  ihren  Irrglauben  halsstarrig  verbleiben,  keine  geistliche  Instruction 
annehmen  und  dahero  der  ganzen  umliegenden  Gegend  zum  Aerger- 
nuß  seynd,  sondern  zugleich  die  Merkmale  von  sich  geben,  daß  sie 
andere  aufwiklen,  ihren  Anhang  zu  verstärken  suchen,  mithin  die 
gemeine  Ruhe  und  den  Religionsstand  stören  und  aus  dieser  Ursach 
ohne  groser  Infectionsgefahr  und  besorglichen  schwären  Unheil  im 
Land  nicht  geduldet  werden  können,  sondern  als  räudige  unheilbare 
Schafe  von  der  gesunden  Herde  hindan  gesondert  werden  müssen; 
so  solle  ein  solcher  anfangs  dem  Rel.  consessui,  von  diesem  aber 
nacher  Hof  angezeigt  werden,  damit  man  sonderlich  jene,  die  bey 
ihren  übrigen  Glaubensgenossen  in  Ansehen  stehen,  nacher  Hungarn 
abschicke  und  anmit  ein  Aufsehen  im  Land  mache. 

IG.  Im  Fall  ein  erklärter  Lutheraner  mit  Tod  abgeht,  ist  die 
Vorsehung  dahin  zu  machen,  damit  alles  Leichengepräng  vermieden 
bleibe,  und  der  verbli<!hene  Körper  in  Geheim  in  ein  abseitiges  Ort 
(auser  dem  geweihten  Freithof)  nach  Anordnung  des  Pfarrers  be- 
graben werde,  massen  kein  privatum  viel  weniger  ein  publicum  RcH- 
gions  Exercitium  diesen  Leuten  zu  gestatten  ist. 

11.  Der  hauptsächlichste  Nutzen  aber  ist  in  der  nachwachsenden 
Jugend  zu  suchen  und  haben  dahero  die  Missionarii  ihre  geflissenste 
Bemühung  anzuwenden,  daß  sie  die  lehrfähigen  Kinder  im  Glauben 
und  gutten  Sitten  gründlich  unterrichten  und  durch  alle  Mittel  ihre 
Lieb  und  das  Vertrauen  erwerben,  sonderlich  aber  durch  einen 
frommen  auferbaulichen  Wandel  sich  den  Wog  bahnen  auch  bey 
den  Eltern  nach  und  nach  ein  günstiges  Gehör  zu  finden. 

12.  Wo  eine  Pfarr  allzu  weitläufig  ist  und  aus  solcher  Ursach 
vieles  Volk  des  Wort  Gottes  beraubt,  die  arme  Jugend  verwahrloset 
und  die  Kranken  an  denen  h.  h.  Sacramenten  öfters  verkürzt  werden, 
hat  der  Rel.  consessus  solche  Beschafenheit  dem  Ordinariat  mit  Nach- 
druck vorzustellen  und  aut  die  Anstellung  eines  Localvicarii  zu  drin- 
gen,  darzu   auch   ihres  Orts   allen   möglichen  Vorschub  beyzulegen. 


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13-  Weilen  es  auch  an  vielen  Orten  an  den  Schulmeistern  ge- 
bricht und  eben  derohalben  die  Jugend  in  so  groser  Unwissenheit 
aufwachset,  als  wäre  denen  Herrschaften  und  Gemeinden  sothane 
Nothwendigkeit  vor  Augen  zu  legen  und  selbe  dahin  zu  vermögen, 
daß  sie  entweder  mehrere  Schulmeister ,  bestöUen  oder  doch  eine 
solche  Anordnung  trefen,  damit  die  Jugend  durch  andere  fromme 
Leuth  an  denen  Sonn-  und  Feyertagen  unterwiesen  werden,  als 
wozu  das  Institutum  catecheticae  gar  dienlich  ist. 

14.  Erfordert  die  Natur  der  Sache,  daß  wo  eine  unkatholische 
Wittib  Kinder  hat,  solche  Kinder  ob  periculum  perversionis  ihr  keines- 
wegs beygelassen,  sondern  anderweit  und  zwar  in  weiter  Entfernung 
zu  gut  katholischen  Leuten  in  die  Erziehung  verdungen  w^erden, 
damit  man  auf  solche  Weis   die  nachwachsende  Irrlehrs-Brut  erstike. 

15.  Ist  in  allen  Ländern,  wo  die  Rel.  Seuche  eingerissen,  eine 
höchst  erwünschliche  Sache,  daß  man  eigene  Conversions-Häuser  er- 
richte und  darinnen  solche  Personen  unterweise,  von  welchen  ohne 
derley  totaler  Separation  und  anhaltenden  mühsamen  Fleiß  einige 
Seelenfrucht  nicht  wohl  anzuhoffen  ist.  Insonderheit  aber  ist  es  vor 
die  erwachsenen  Kinder  nöthig,  welche  von  der  verkehrten  Glaubens- 
lehre alschon  eingenommen  und  in  dem  Haus  ihrer  unkatholischen 
Eltern  darvon  nicht  wohl  abzubringen  seynd. 

16.  In  allen  diesen  Anordnungen  wird  ein  besonderer  Religions- 
fundus ohnumgänglich  erfordert,  theils  umb  gut  katholische  Bücher 
auflegen  zu  laßen  und  die  ausgesetzten  Missionarios  damit  zu  ver- 
sehen, theils  aber  umb  armen  Kindern,  so  man  den  Eltern  entzieht, 
die  nothdürftige  Verpflegung  zu  raichen  und  viele  Kosten  zu  be- 
streitten,  so  das  Missionsgeschäft,  wann  es  anders  die  abzielende 
Wirkung  haben  soll,  fast  alltäglich  erheischet. 

17.  Denen  Missionariis  ist  eine  wohlgefaßte  Instruction  circa 
modum  operandi  mitzuo^eben,  damit  sie  ihren  Eifer  behörig  mäßigen, 
viel  Geduld  und  Sanftmuth  gebrauchen,  sich  nach  der  Gesinnung 
des  Volkes  richten,  und  durch  strenges  Leben  und  liebreichen  Um- 
gang die  Herzen  gewinnen,  folgbar  nach  und  nach  das  vorgestekte 
Zill  erraichen.  Sie  haben  sich  in  die  pfarrlichen  Verrichtungen  nicht 
zu  mischen,  sondern  lediglich  zu  bemühen,  damit  sie  die  dareine 
Glaubenslehre  vertilgen,  Spuren  des  Irrgeistes  entdeken  und  auf 
solche  Weis  ein  gut  katholisches  Volk  aller  orts  erzigeln. 

18.  Ist  bishero  von  den  Grundherrschaften  wönig  Sorg  getragen 
worden,    ob    wohl  die  Unterthanen,  so  Häuser   an   sich   kaufen,  der 


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katholischen  Religion  zugethan  oder  des  Wiedrigen  nicht  beargwöhnt 
seyen?  und  lernet  ebendahero  die  Erfahrung,  daß  durch  eben  diese 
Unterlassung  sehr  zahlreiche  Häuser  an  unkatholische  Familien  ge- 
diehen, ja  die  Kühnheit  der  Irrgläubigen,  da  sie  nirgends  einen 
Wiederstand  gefunden,  umsomehr  gestiegen  seye. 

Es  scheint  daher  so  nothig  als  vorträglich  zu  seyn,  daß  keiner 
zu  einem  Haus-  oder  Huben-Kauf  zugelassen  oder  auch  sonst  zum 
Unterthan  angenommen  werde,  wann  er  nicht  ehevor  eine  beglaubigte 
Zeug^nuß,  daß  er  und  sein  Weib  eines  gut  katholischen  Wesens  seynd, 
von  dem  Pfarrer  bey gebracht  hat. 

19.  Eine  gleiche  Vorsehung  ist  erforderlich  umb  zu  verhüthen, 
daß  nicht  gut  katholische  Leut  durch  Lesung  lutherischer  Bücher 
verfuhrt  werden,  worzu  nichts  dienlicher  seyn  kann,  als  wann  in 
denen  beyden  Vierteln  des  Lands  generaliter  verordnet  wird,  daß 
jedermann  seine  geistlichen  Andachtsbücher  in  certo  termino  dem 
Pfarrer  vorweisen,  dieser  aber  dieselben,  wann  er  nichts  verdächtiges 
darinnen  findet,   mit  Handschrift   und  Petschaft  unterzeichnen   solle. 

Alle  übrigen  Vorsehungen  seynd  nach  eines  jeden  Landts  be- 
sonderen Umbständen  so  abzumessen,  damit  einerseits  die  gute  Zucht 
und  Ehrbarkeit  immer  mehreres  blühe,  anderseits  aber  allen  deme 
der  ernsthafte  Einhalt  geschehe,  was  den  Irrglauben  befördern,  oder 
aber  dem  abzielenden  Missions-Nutzen  im  geringsten  hemmen  kann. 

Nach  Vorschrift  dieses  k.  k.  Edictes  ist  am  24.  25.  und  26.  July 
1752  sub  Praesidio  excellentissimi  domini  comitis  a  Sobeck  eine  soge- 
nannte Religions-Commission  gehalten  und  folgendes  ProtocoU  auf- 
genommen und  in  Vollzug  gebracht  worden. 

Protocollum 
commissionis  Repraesentationis  et  camerae  Carinthiae  de  dato  24.  25. 

et  26.  Julii  1752. 
Praesentes:  Sr.  fiirstl.  Gnaden  Bischof  von  Lavant, 
Frhr.  von  Doblhofen  k.  k.  Commissär 
Baron  von  Rehbach 

Graf  von  Lodron  Herr  Erzpriester  von  Friesach  Safran 

Graf  von  Wagensperg  Stadtpfarrer  allhier 

Graf  von  Heister  v.  Rampichl 

von  Kulmer  P.  Rector  collegii  S.  J.  Ludovicus 

von  Biber  Pestaluzzi. 

von  Ohrigs 
von  Kaihammer 


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Bei  vorbenannt  hochlöbl.  Religions  consessu  wurde  von  dem 
k.  k.  Herrn  Commissario  v.  Doblhoffen  die  von  ihme  nach  vorge- 
nommener Untersuchung  bey  Feldkirchen  und  St.  Paternion  verfaßte 
Anmerkung  über  das  Religionswesen  in  Kärnten  und  durch  welcherley 
Verordnungen  dasselbe  zu  verbessern  sey  vorgetragen. 

Ob  nun  schon  von  dem  anwesenden  Fürsten  und  Bischof  zu 
Lavant  wieder  die  Anstellung  deren  Missionäre  in  der  Person  deren 
Ordens  Geistlichkeit  verschiedene  Einwendungen,  besonders  ratione 
subordinationis  beschehen,  so  hat  man  doch  diese  von  keiner  solchen 
Erheblichkeit  zu  seyn  befunden,  derentwegen  von  dem  gedachten 
k.  k.  commissario  committiert  und  festgestellten  Plan  sub  A,  wo  man 
die  geistl.  Missiones  theils  in  weltlichen  Priestern  theils  in  Ordens- 
leuten bestehent  anzustellen  gedenke,  umb  so  wäniger  abzugehen, 
als  die  Erfahrenheit  lehret,  daß  bißhero  die  Missiones  in  der  Person 
der  Ordensgeistlichen  in  andern  Ländern,  insonderheit  im  Land  ob 
der  Ens  und  Steyer  gute  Wirkung  gethan  und  die  Intention  ohne 
deme  dahin  geht,  diese  an  die  Missions  Superiores,  welche  größten- 
theils  in  weltlichen  Priestern  bestehen,  anzuweisen,  folglich  der  Um- 
stand respectu  subordinationis  genugsam  gehoben  zu  seyn  scheint. 
Dann  kommt  noch  bey,  dass  man  darnach  mit  der  erforderlichen 
Anzahl  weltlicher  Priester,  die  ad  Missiones  tauglich  und  geschickt 
seyen,  schwärlich  oder  gar  nicht  aufkommen  dürfte,  deren  allfällige 
Anstellung  auch  viele  Unkosten,  wozu  der  zeit  kein  fundus  vorhanden 
ist,  erfordern  würde;  wohingegen  man  bey  den  Ordensgeistlichen 
die  Wahl  hat,  und  die  Abänderung  ein  so  andern  patris,  der  sich 
zur  Mission  nicht  schiket,  sogleich  zu  bewirken  steht,  die  Verpflegung 
und  Unterhaltung  auch  theils  aus  denen  Stift  und  Klöstern,  von 
welchen  die  Ordensgeistlichen  seyn  werden,  theils  aus  andern  aus- 
findig gemachten  Mitteln  beschehen  wird,  wie  solches  nebst  mehr 
andern  erhöblichen  Umbständen  aus  denen  hieroben  allegierten  An- 
merkungen ausführlich  zu  entnehmen  ist. 

Und  gleichwie  die  allerhöchste  Intention  des  k.  k.  H.  Commis- 
sarii  dahin  lautet,  dasjenige  was  zur  Steyerung  des  immer  mehr  und 
mehr  umb  sich  greifenden  Religions-Uibels  in  Kärnthen  immer  dien- 
lich zu  seyn  erachtet  wird,  ohne  weitere  Anfrag  in  das  Werk  zu 
setzen,  allso  ist  auch  deme  zu  folge  mit  AnstöUung  derjenigen 
Missionen,  für  die  das  Unterkommen  und  die  Unterhaltung  bereits 
vorhanden  ist  und  ausgemacht,  ohne  Anstand  vorzugehen. 


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80 

Ansonsten  wird  i*??  der  Fürst  und  Bischof  zu  Gurgg  wegen 
Erbauung  eines  neuen  Pfarrhofes  in  der  Ebene  (Reichenau)  allwohin 
der  dermahh'ge  Pfarrer  zu  St.  Lorenzen  in  der  Reichenau,  einer 
seinigen  Pfarr-Filial  transferiert  werden  soll  Selbst  den  Augenschein 
nehmen ;  wo  indessen  und  bis  zur  besseren  Zeit  mit  Er\veiterung 
dieser  Filial-Kirchen  zuzuwarten  ist  —  und  da 

2^°  dahin  angetragen  wird  zu  Görz  in  der  Gnessa  ein  hospitium 
von  4  Capuciner  mit  einem  Lajco  aufzustöUen ;  zu  dem  Ende  die 
daselbst  abgebrunnene  Kirchen  Ehestens  wiederumb  erheben,  auch 
die  nöthige  Wohnung  für  gedachte  Patres  zu  errichten  zu  laßen. 

Allso  ist  dem  Vogteyverwalter  der  Herrschaft  Himmelberg  auf- 
zutragen, daß  er  gewiß  seiner  an  die  ohnlängst  zu  Feldkirchen,  so- 
dann auch  in  Oberkärnten  geweßte  k.  k.  Hof-Commission  abgegebenen 
Erklärung  darob  seyn  solle,  auf  daß 

1.  Von  Sr  Hochgräfl.  das  benöthigte  Bauholz  von  dem  soge- 
nannten Moschwald  verabfolgt  und 

2.  durch  die  Unterthanen  von  der  Kirchen  Gnessa  sothanes 
Bauholz,  soweit  ihr  Fuhrwesen  erkleket,  mittelst  der  Roboth  herbey- 
geführt,  auch  andere  Pfarrkinder  zu  gleichmässigen  Pferd-  oder  Hand- 
robothconcurenz  mit  guter  Arth  disponiert  werden;  sonderlich  in 
der  Zeit,  wo  sie  an  ihrer  Feldarbeit  nichts  verabsäumen. 

3.  Sey  von  ihme  Vogt  Verwalter  Sorg  zu  tragen,  daß  der  Kalch 
ohne  Verschub  gebrennet  und  noch  vor  einfallenden  Winter  abge- 
löscht, wie  ingleichen,  daß  die  rechte  Zeit  zum  Holzschlag  beob- 
achtet und  mit  Bröchung  der  Steine  sogleich  angefangen  werde, 
damit  die  Pfarrkinder  alle  diese  Materialien  mit  Gelegenheit  abführen 
mögen  und  im  Frühjahr  der  Hauptbau  vor  sich  gehen  möge;  aller- 
massen  in  dieser  Gögend  das  Missions-Haus  weit  fiiglicher  mit  Steinen 
als  mit  Holz  zu  erbauen  seye. 

4.  Weilen  das  Missionshaus  vor  4  Priestern  und  einen  Lajcum 
dienen  müsse,  hätte  man  den  beyl.  Grundriß  entwerfen  lassen,  nach 
welchen  der  Bau  zu  vollführen  seye. 

5.  Da  die  Kirchen  in  der  Gnessa  für  den  ehemaligen  Kaplan 
zu  Görz  ohne  den  gestifteten  Messen  jährlich  130  fl.  abgeraichet, 
von  Zeit  des  Brandes  aber  eben  diese  Summe  ersparet  hätte,  so 
sey  billich,  daß  diese  130  fl.  zum  Kalchbrennen  und  Steinbröchen 
allsogleich  verwendet  werden. 


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Allermassen  dann  auch  kein  Bedenken  obwalte,  jene  310  fl.  zu 
diesem  Kirchenbau  zu  bestimmen,  so  eben  dieses  Gotteshaus  in  der 
Gnessa  bei  der  Kärntnerischen  Laal.  anliegend  hätte  und  welche  in 
den  Abschnitt  verfallen  wären,  bey  solcherley  Umständen  aber  mit 
nächsten  werden  mobill  gemacht  werden,  wie  dann  diesertwegen  das 
erforderliche  an  die  contributl.  Abschnitts  Cassa  unter  einstens  zu 
erlassen  ist. 

Es  könnte  auch  zu  diesem  Gebäu  die  Pfarrkirchen  in  der  Teuchen 
mit  600  fl.  beytretten,  indem  bey  selber  von  einer  heimbgefallenen 
Hüben  800  fl.  bar  vorräthig  liegen  und  dieses  Gotteshaus  zu  denen 
Current-Ausgaben  mit  einlänglichen  Mitteln  versehen  ist. 

6.  Was  nun  über  sothane  440  fl.  und  600  fl.,  zusammen  1040  fl. 
noch  weiter  erforderlich  seyn  möchte,  wird  von  Seiten  der  Religions- 
cassa  bestritten  werden. 

7.  Wollte  man  die  Aufsicht  über  sothanes  Gebäu  ihme  Vogt- 
verwalter mit  Beziehung  des  Pfarrers  zu  St.  Margarethen  in  der 
Gnessa  aufgetragen  haben  und  ihme  alle  mögliche  Beschleunigung 
wie  zu  seiner  Zeit  des  Holzschlages,  allso  derzeit  das  Prennen  und 
Ablöschung  des  erforderlichen  Kalkes,  dann  auch  die  genaue  Ver- 
rechnung derer  aus  obbenannt  dermahl.  schon  vorhandenen  fundo 
hierzu  aufwrendenden  Unkosten  eingebunden  haben. 

Sovill  hiemächst  3  ?!?  den  schon  von  nun  an  nacher  Himmelberg 
selbst  gewidmeten  und  alldort  in  nächsten  Tagen  eintrefenden  Mi- 
sionarium  anbelangt,  da  ist  ihme  Vogtverwalter  unter  einem  mitzu- 
geben, gedachten  Misionarium  das  benöthigte  unterkhomen  und  die 
geziemende  Wohnung  in  der  Kobalter  Keuschen  gegen  denen  be- 
dungenen jährlichen  12  fl.,  so  ex  cassa  Religionis  ersetzt  werden 
sollen,  zu  verschaffen. 

Und  nachdem  4^  nicht  minder  in  dem  Winkel  beym  Grundner 
in  der  Pfarre  Teuchen  ein  Hospitium  für  4  Hieronimitaner  anzulegen 
und  daselbst  eine  neue  Kirche,  ingleichen  auch  die  erforderliche 
Wohnung  nach  obangezogenen  Grundriß  erbauen  zu  lassen  ange- 
tragen wird,  so  ist  ihme  Vogtverwalter  weiters  anzufiegen,  daß  er 
die  Herrschaft  Himmelberg,  damit  selbe  auch  mit  dem  erforderlichen 
Holz  sich  herbeylasse,  zu  disponieren  trachten  und  ohnverlängert 
einen  Uiberschlag  deren  dießfälligen  Bauunkosten  formieren,  sodann 
diesen  samt  der  von  seiner  hohen  Herrschaft  erfolgten  Erklärung 
zur  weiteren  Entschliessung  anhero  einsenden  solle. 

Jahrbuch  de«  Protestantismus  x888.  H.  II.  Q 


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1 


82 

In  diesem  nemlichen  Comissionsbeschlusse  wurde  auch  ange- 
ordnet, daß  die  alte  Pfarre  S.  Joseph  an  der  Tratten  von  dem 
Benediktinerstifte  Ossiach  wieder  besetzt  werde;  daß  man  mit  dem 
Vermögen  der  Kirche  zu  Treffen  in  Buchholz  ein  Missionshaus 
bauen;  daß  man  mit  der  Rästlhofischen  Stiftung  das  Beneficiathaus 
zu  Nöring  erbauen  und  ein  solches  zu  Plassnitz  bei  Gmünd  er- 
richten solle;  so  zwar  daß  vom  Ertrag  der  Rästlhofischen  Stiftung 
per  350  fl.  jährlich  der  Vikar  zu  Nöring  250  fl. ;  jener  zu  Plassnitz 
aber  100  fl.  empfangen  sollen,  während  der  Stadtptarrer  zu  Gmünd 
Ihm  ebenfalls  100  fl.  zu  geben  versprochen  hat.  Ingleichen  wurde 
auch  beantragt  zu  Krems  im  Katschthale  einen  Vikar  anzustellen; 
zu  dessen  Unterhalt  die  Herrschaft  Gmünd  150  fl. ;  die  Kirche  50  fl. 
und  der  Pfarrer  (zu  St.  Peter  im  Katschthale)  20  fl.  jährlich  beyzu- 
tragen  versprochen  haben.  Ebenso  sind  vom  Jesuitenconvent  in 
Millstatt  die  zwey  curatien  zu  Trefling  und  zu  Kaning  errichtet  und 
besetzt  worden;  sowie  auch  nach  Freysach  zwei  Missionspriester 
abgeordnet  worden  sind. 

Mit  §  13  wird  in  nehmlichem  Beschluse  verordnet:  daß  auch 
kein  Dienstbothe  ohne  attestato  von  dem  Parocho  loci,  wie  er  sich 
aufluhre,  in  den  Diensten  angenommen  und  die  bey  denen  ver- 
bothenen  conventiculis  betrettende  ledige  Pursche  der  Millitz  als 
Recruten  übergeben  werden  sollen  etc. 

(Schluss  folgt.) 


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VII. 

Der  Zug  der  österreichischen  Geistlichen  nach  und 

aus  Sachsen. 

Von  Pfarrer  SCHEUFFLER  in  Lawalde  (Sachsen). 

IV.    (Fortsetiung.)  *) 

LIL  Gaja,  Stadt  im  südöstlichen  Mähren. 
i6i.  Dr.  th.  Paul  Rudolf  Be r au nsky,  geboren  1602  als  Sohn 
des  hiesigen  Bürgermeisters,  römischer  Priester,  1649  Dr.  theol.  in 
Prag  geworden,  trat  1653  in  Wittenberg  zur  evang.-lutherischen 
Kirche  über  und  wurde  1654  Pfarrer  zu  Johnsbach  bei  Glashütte  im 
sächsischen  Erzgebirge,  wo  er  bis  an  seinen  Tod  1667  wirkte.  (Kr.  223. 
KG.  IV,  88:   ,ein  Conversus  aus  Mähren*.) 

LI  IL  Gayn  in  Böhmen. 
162.  Valentin  Fried  oder  Paceus  (Pacäus),  —  Sohn  des  gleich- 
namigen Vaters,  der  unstet  an  verschiedenen  Orten,  in  Leisnig,  Querfurt, 
Lützen,  Leipzig,  als  evangelischer  Geistlicher  gewirkt  hatte,  1552 
von  Kurfürst  Moritz  als  evangelischer  Abgesandter  zur  Kirchenver- 
sammlung nach  Trient  geschickt  wurde,  freilich  gleich  den  Andern 
nur  bis  Nürnberg  gelangte,  trotzdem  1557.  als  Professor  an  die  Uni- 
versität Dillingen  berufen,  zur  römischen  Kirche  übertrat,  aber  ,als 
ein  abtrünniger  Mameluck*  .schon  1558  von  einem  räuberischen  Sol- 
daten ermordet  wurde.  (Kr.  290.  Albr.  I,  132  f.)  Wo  bei  des  Vaters 
unstetem  Leben  der  Sohn  geboren,  ist  nicht  bekannt;  er  ward,  etwa 
1539  geboren,  auf  der  Schule  zu  Pforta  1553  aufgenommen,  nach 
1572  Diakonus  zu  Adorf  im  Vogtlande  und  1577  Pfarrer  zu  Gayn 
in  Böhmen.  Weiteres  ist  nicht  bekannt,  (Kr.  2.  KG.  XI.   168.) 

1)  Vgl.  Jahrb.  1885,  S.  127— 140;    1886,  S.  188—202;  1887,  S.  95— 112. 

6» 


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LIV,   St,  Georgen  in  Ungarn,  Comitat  Pressburg. 

163.  Daniel  Klesch,  geb.  22.  Februar  1624  zu  Iglo  in  der 
Zips,  als  Sohn  des  Rathsherm  und  Bergrichters  Christoph  K.,  wurde 
Rector  des  Gymnasiums  zu  Oedenburg,  1659  Oberpfarrer  zu  Graz  (?) 
in  Ungarn,  später  Pfarrer  zu  St.  Georgen  —  wo  er  1664  die 
Verwüstung  durch  die  Türken  erlebte  — ,  1665  als  Superintendent 
der  ^Ephorie  der  XXIV.  regalium  Pastorum*  in  der  Zips  berufen  — 
ich  weiss  nicht,  mit  welchem  Amtssitze.  Die  Glaubensverfolgung 
brachte  auch  ihm  1673  siebenmonatliche  Gefangenschaft  und  dann 
Verbannung.  Nach  mannigfachem  Umherwandem  und  vielen  Gefahren 
Hess  er  sich  in  Sachsen  nieder.  Er  wurde  1676  Rector  der  Stadt- 
schule in  Jena,  später  Professor  am  Gymnasium  zu  Weissenfeis,  Hof- 
prediger und  Beichtvater  der  verw.  Herzogin  Qiarlotte  von  Sachsen 
(Landgräfin  von  Hessen-Kassel,  Wittwe  August's  von  Sachsen- Weissen- 
fels,  seit  1679  Gräfin  von  Bentheim-Tecklenburg),  dann  (1683  bis  1690) 
Superintendent  zu  Heldrungen,  jetzt  in  Meiningen,  und  starb  1697 
als  Emeritus  in  Berlin.  (Dietmann,  Sächsische  Priesterschaft,  III,  8  ff.) 

LV,     Georgenthal  im   nördlichen   Böhmen,    Parochie    Rum  bürg. 

164.  Georg  Pitzschmann  (Pitschmann),  —  1616  Pfarrer 
in  Georgenthal,  seit  161 6  in  Seidenberg  in  der  Oberlausitz  (seit  181 5 
preussisch),  s.  P.  GR.  II,  87.  480.  Jahrb.  V,  138.  Seine  Nachkommen 
sind  mindestens  drei  Generationen  hindurch  —  z.  Th.  mit  der  Namens- 
form Pietzschmann  —  oberlausitzer  und  schlesische  Pastoren 
gewesen. 

165.  Joachim  Schönfelder  oder  Schönfeld,  wie  es  scheint, 
nach  161 6  hier  Pfarrer  — ,  ging  nach  Zittau  als  Exulant  (Jahrb.  V, 
138);  seine  Tochter  Elisabeth  traute  er  noch  in  Georgenthal  13.  Oct. 
1620  mit  Pfarrer  Johann  May  (Majus)  aus  dem  nahen  Niedergrund, 
der  damals  in  Berzdorf  amtirte:  (s.  Nr.  XIII,  32.  Jahrb.  VI,  137.) 
Zwei  Zittauer  Geistliche,  die  beide  Namensformen  führen,  stammen 
vielleicht  von  ihm  ab. 

166.  Der  letzte  hiesige  Geistliche  scheint  der  Pfarrer  Kinder- 
mann gewesen  zu  sein,  der  nach  P.  GR.  II,  481.  Exul.  74.  Jahrb.  V, 
138  auf  dem  Frauenkirchhofe  zu  Zittau  begraben  liegt  und  seinen 
Grabstein  hat.  Christian  Kindermann,  169O — 1695  Pfarrer  zu 
Oberseifersdorf,  1704  zu  Reichenau  in  der  Oberlausitz  (Kr.  374.  424.) 
ist  vielleicht  sein  Nachkomme. 


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LVL     Georgswalde  im  nördlichen  Böhmen, 

ebenfalls   im   Gebiete   der   Rumburger   Pfarrgemeinde,   sah   seine 
beiden  letzten  Geistlichen  in  die  Verbannung  gehen. 

167.  Michael  Baude  —  auch  Bauden  (Baudenius),  Bude, 
Buder  —  1615  Pfarrer  in  Schluckenau.  etwa  1620  Pfarrer  allhier  — 
ging  herüber  nach  Sachsen.  (Jahrb.  V,  136.)  Er  war  Pfarrerssohn 
aus   Schluckenau,    Glied    einer    nordböhmischen   Pastorenfamilie. 

168.  Matthäus  Schulze  (Scultetus),  ebenfalls  ein  Schlucke- 
nauer  —  geboren  daselbst  29.  Januar  1591  —  und  daselbst  1619 
Schulmeister,  war  jedenfalls  sein  Nachfolger  im  Georgswalder  Pfarr- 
amte. Er  'hielt  sich  in  demselben  bis  1627,  ging  dann  in  die  Lausitz. 
Er  war  163 1  Pfarrer  in  Krostau  bei  Schirgiswalde,  1632  noch  ein- 
mal Pfarrer  in  Böhmen,  nämlich  in  seiner  Vaterstadt,  aber  nur  kurze 
Zeit,  so  lange  die  Macht  Kursachsens  ihn  decken  konnte.  Er  suchte 
und  fand  wieder  eine  Wirksamkeit,  und  zwar  in  der  nahen  Lausitz: 
von  1635  an  hat  er  in  Oppach,  von  1639  an  in  Sohland  a.  S.  amtirt, 
und  ist  an  letztgenanntem  Orte  22.  März/i.  April  1642  verstorben. 
(Kr.  80.  Jahrb.  V,   138.  KG.  Oberl.  220.  250.  217.) 

169.  Von  Michael  Baude's  (Nr.  167)  Söhnen  kommt  hier  in 
Betracht  Rudolf,  1620  in  Georgswalde  geboren,  der  sich  Buder 
nannte.  Er  war  von  1641  Kantor  zu  Altstadt  -  Brandenburg,  von 
1646  bis  zum  I.Juli  1693,  seinem  Todestage,  Pfarrer  zu  Friedersdorf 
bei  Zittau.    (Kr.  151.  Jahrb.  V,  138.  P.  Exul.  84.) 

LVIL  Gerssa  oder  Gerschaii  in  Oesterreich  —  vielleicht  Garsch 
bei  Hom  in  Niederösterreich,  oder  Geras  ebenda? 

170.  Hier  ist  Konrad  Degen  aus  Weissensee  in  Thüringen, 
1597  Pförtner  Fürstenschüler,  zu  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  Pfarrer 
gewesen  —   wie  Kr.  mir   auf  Grund   des  Pförtner-Albums  mittheilt. 

LVIIl.  Gitschin  im  nördlichen  Böhmen, 
bekannt  als  Wallenstein 's  Residenz  (seit  1627)  und  anfängliche 
Begräbnissstätte  (s.  1636)  — ,  war  bis  zur  Gegenreformation  eine 
Stätte  evangelischen  Bekenntnisses.  In  Nr.  X,  24  (Jahrb.  VI,  135) 
haben  wir  einen  der  letzten,  wenn  nicht  den  letzten  hiesigen  evan- 
gelischen Pfarrer  Wenzel  Galli  besprochen.    Von  hier  stammte 

171.  Franz  Rühr,  —  Sohn  des  katholischen  Stadtrichters,  ge- 
boren 1659.  Seine  Eltern  waren  heimliche  Bibelleser  geblieben,  auch 


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da  sie,  der  Gewalt  weichend,  äusserlich  zur  römischen  Kirche  zurück- 
kehrten. Wohl  war  er  eine  Zeit  lang  in  seiner  Vaterstadt  und  in 
Hohenelbe  Jesuitenschüler  gewesen.  Dann  aber  flüchtete  seine  —  wie 
es  scheint,  inzwischen  verwittwete  —  Mutter  mit  ihm  nach  Zittau, 
wo  er  das  Gymnasium  besuchte.  Er  bildete  sich  zum  evangelischen 
Geistlichen  aus.  Dass  er  jedoch  um  1683  ein  solcher  in  Prag,  wenn 
auch  in  grösster  Heimlichkeit,  gewesen,  erscheint  höchst  zweifelhaft. 
Von  1686  bis  an  seinen  1734  erfolgten  Tod  war  er  Prediger  der 
böhmischen  Exulanten  zu  Dresden.  Zeitweilig,  von  1717  bis  1723, 
war  sein  Sohn  M.  Johann  Jacob  ihm  zur  Hilfe  beigegeben;  derselbe 
starb  vor  dem  Vater  1731  als  Pfarrer  zu  Thaliwitz  bei  Würzen. 
(Kr.  114.  P.  GR.  II,  S18.) 

Noch  ein  Convertit  war  in  Gitschin  geboren: 

172.  Chudy,  Jesuit,  1749— 1754,  wo  er  starb,  Lehrer  der 
böhmischen  Exulantengemeinde  in  Zittau  — ,  ein  gelehrter,  sprach- 
kundiger Mann.  (KG.  XI,  196.) 

LIX,    Glawe  in  Ungarn  (wo?) 
Hier   war    1639  Kantor   der   Nr.  XV,   135,  Jahrb.  VI,   138   ge- 
nannte Stephan  Pilarik,  bis  er  vertrieben  wurde. 

LX,     Gmunden   in   Oberösterreich,   seit   20.  März  1870   wieder 

Pfarrgemeinde. 
Bereits  1550  bis  30.  October  1624   bestand   hier  eine  blühende 
Gemeinde.  Einer  ihrer  Geistlichen  war 

173.  Johann  Mautius  (wol  =  Mauz),  der  hier  bis  1599  amtirte. 
Vielleicht  vertrieb  ihn  die  am  18.  Januar  erfolgte  Wegnahme  der 
Kirche,  in  welcher  nach  40  Jahren  die  erste  Messe  wieder  gelesen 
wurde.  In  genanntem  Jahre  wurde  er  Pfarrer  zu  Ruppersdorf  in  der 
Oberlausitz,  was  er  bis  an  seinen  Tod,  bis  1637  blieb.  (Kr.  451.  KG. 
Oberl.  321.)  Uebrigens  bauten  sich  die  Evangelischen  1599  eine  neue 
Kirche,  um  sie  nach  25  Jahren  wieder  zu  verlieren. 

LXL  Göllersdorf  \n  Nieder  Österreich,  bei  Ober-HoUabrunn, 
unter  dem  Schutze  der  eifrig  lutherischen  Freiherren  v.  Puchheim 
eine  Stätte  evangelischen  Lebens.  Unter  den  hiesigen  evangelischen 

Pfarrern  ragt  hervor 

174.  Dr.  Polykarp  Leyser,  18.  Nov.  1552  zu  Winnenden  in 
Württemberg  als  Sohn  des  dortigen  Superintendenten  geboren.  Als 


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ein  frühreifer  Jüngling  bezog  er  schon  im  15.  Jahre  1566  die  Ui¥- 
versität  Tübingen,  wo  er  bis  1570  Theologie  studirte.  Bereits  2ijährig 
wurde  er  nach  GöUersdorf  berufen  1573  (nicht  1570,  wie  Kr.  S.  101 
will),  und  wirkte  mit  Segen  und  Treue  auch  hier,  wie  in  seinen 
späteren  Aemtem.  Lange  war  freilich  hier  seines  Bleibens  nicht. 
Es  war  wohl  sein  berühmter  Landsmann  Kanzler  Jacob  Andrea, 
welcher  den  auf  sein  Urtheil  so  viel  gebenden  Kurfürsten  August 
von  Sachsen  auf  den  jungen  österreichischen  Pastor  aufmerksam 
machte.  Derselbe  berief  ihn  zum  General-Superintendenten  und  Pro- 
fessor nach  Wittenberg  —  und  soll  ihn  nach  Altmann's  Hist.  eccL 
Zittav.  174  Jacob  Andrea  schon  3.  Februar  1575  zu  Wittenberg  ,in- 
vestirt*  haben.  Allein  er  ist  noch  bis  1577  zu  GöUersdorf  verblieben 
und  hat  sein  hochwichtiges  neues  Amt  erst  2 5 jährig  angetreten.  Mit 
einer  Unterbrechung  von  1587 — 1593,  wo  er,  den  damaligen  ,cal- 
vinistisch*  gesinnten  Machthabem  Sachsens  unbequem,  nach  Braun- 
schweig entlassen  war,  wirkte  er  als  , milder  Lutheraner*  bis  an 
seinen  Tod  22.  Februar  1610  in  Kursachsen  —  seit  1594  als  erster 
Hofprediger  in  Dresden.  Tholuck  in  den  ,  Lebenszeugen  der  luthe- 
rischen Kirche*  S.  254  ff.  charakterisirt  ihn  als  eine  , durchaus  ehr- 
würdige und  fleckenlose  theologische  Persönlichkeit*.  Hervorzuheben 
ist  hier,  dass  er  1607  in  Begleitung  des  Kurfürsten  Christian  II. 
von  Sachsen  in  Prag  weilte  und  längere  Unterredungen  über  die 
Duldung  der  Evangelischen  mit  Kaiser  Rudolf  II.  pflog,  der  ihm 
sogar  einen  Adelsbrief  verlieh.  Ja  nach  Pescheck  (GR.  I,  181)  war 
ci*  noch  einmal,  im  Jahre  vor  seinem  Tode,  auf  Wunsch  der  Defen- 
soren  in  Angelegenheiten  der  durch  den  Majestätsbrief  1609  reor- 
ganisirten  Universität  in  Prag,  bei  welcher  Gelegenheit  er  sogar 
im  Dome  eine  später  gedruckte  Predigt  gehalten  habe.  (Kr.  loi. 
Jahrb.  V,  195.) 

LXIL  Görkau  im  nördlichen  Böhmen,  seit  27.  Februar  1858  wieder 
evangelisch-lutherische  Pfarrgemeinde. 

Hier  bestand  vor  der  Gegenreformation  bereits  eine  blühende 
evangelische  Gemeinde,  von  deren  Geistlichen  hier  zwei  in  Betracht 
kommen. 

175.  Abel  Held,  Pfarrerssohn  aus  Lausigk  in  Sachsen,  1549 
geboren,  trat  nach  1570  seine  Wirksamkeit  in  Görkau  an.  Er  weilte 
hier  bis  1580,    wo  er,    zunächst  als  Diakonus  in  Penig,  nach  seinem 


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Vaterlande  zurückkehrte;  von  1589  bis  an  seinen  Tod  1617  war  er 
als  seines  Vaters  Nachfolger  Pfarrer  in  Burgstädt.  (Kr.  396,  KG.  X,  123.) 
176.  Sein  (freilich  nicht  unmittelbarer)  Nachfolger  war  M.  Johann 
Kunad  (Cundius),  1545  in  Dresden  geboren,  1560  bis  1566  Afraner. 
Von  1577  an  war  er  an  verschiedenen  Orten  Geistlicher:  zuerst  Pferrer 
in  Eibau  in  der  Oberlausitz,  1 5 79  Pfarrer  zuDittersbach:  —  welches 
der  drei  in  Sachsen  und  ob  überhaupt  eines  hier  gemeint,  ist  zweifel- 
haft; in  Dittersbach  a/E.  bei  Bemstadt  kann  er  nicht  Pfarrer  ge- 
wesen sein,  weil  es  damals  dort  noch  einen  katholischen  Pfarrer  gab, 
neben  diesem  vielleicht  einen  von  den  evangelisch  gesinnten  Ge- 
meindegliedern angenommenen  Prediger,  aber  auch  dies  ist  unwahr- 
scheinlich. D.  v.  Zobel,  Das  Leben  und  Wirken  der  Pfarrer  und 
Superintendenten  in  Borna  etc.  S.  16  nennt  den  Ort  Zittersbach, 
welcher  Ortsname  jedoch  in  Sachsen  nirgends  vorkommt.  Am  wahr- 
scheinlichsten ist  noch  immer  Dittersbach  in  der  Ephorie  Pirna,  wie 
auch  KG.  Oberl.  113  gesagt  ist.  Von  1584 — 1588  war  Kunad  Pfarrer 
zu  Kirchhain  bei  Dobrilugk  in  der  Niederlausitz.  Und  nun  war  er 
hier  in  Görkau  Pfarrer  von  1588 — 1590.  Sein  letztes  Lebensjahr  ver- 
brachte er  als  Superintendent  zu  Borna  in  Sachsen.  Seine  Bomaische 
Wirksamkeit  hat  kein  rühmliches  Andenken  hinterlassen.  Er  zeigte 
sich  als  einen  gar  eifrigen  ,Calvinisten* ;  man  erzählt,  ein  Schuhmacher 
habe  ihm  in  der  Predigt  laut  widersprochen,  die  Zuhörer  aber  die 
Kirche  verlassen.  Am  25.  September  1591  starb  Kurfürst  Christian  L, 
der  Gönner  der  ,Calvinisten*,  und  schon  am  folgenden  Tage  folgte 
ihm  Sup.  M.  Cundius  nach.  Er  sei  —  erzählt  man  —  an  einem 
fetten  Hasen  gestorben,  der  ihm  nach  dem  Gottesdienste  entgegen- 
gelaufen sei  und  der  Gift  in  sich  enthalten  habe.  Ja,  man  nahm  an, 
dieser  Hase  sei  von  einem  bösen  Geiste  besessen  gewesen.  Richard, 
Der  Kurf.  Sachs.  Kanzler  Dr.  Nicolaus  Krell  (Dresden  1859)  theilt 
(I,  348)  aus  einem  1592  erschienenen  Spottliede  folgende  bezügliche 
Stelle  mit: 

„Der  alte  schelmische  Calvioist 

Der  neulich  zu  Born  gestorben  ist 

Hat  sich  zu  Tod  an  einem  Hasen  gefressen 

Dabei  hat  auch  ein  Magister  gesessen 

Mich  dünkt  sein  Nam  ist  David  genannt 

Trägt  allezeit  ein  Calvinisch  Buch  in  der  Hand.^ 

Ist   unter    diesem   Tischgenossen    sein    Amtsgenosse   M.   David 
H  e  n  n  i  g  k,  Archidiakonus  in  Borna,  gemeint,  so  hat  diesem  wenig- 


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stens  der  Hase  nichts  geschadet,  denn  er  ist  nach  KG.  VI,  1 1 2  erst 
lO.  Januar  1597  gestorben,  wohl  aber  seine  theologische  Richtung, 
denn  er  scheint  schon  1591  einen  Nachfolger  bekommen  und  daher 
die  Absetzung  erlitten  zu  haben.  Ueber  Cundius  s.  Kr.  120.  KG.  VI, 
III.  AA.  29  und  die  bereits  angeführten  Stellen. 
Aus  Görkau  stammte 

177.  Lorenz  Dresser  —  hier  10.  August  1526  geboren,  1553 
Pfarrer  in  Böhmisch-Kamnitz,  1576  nach  Bautzen  berufen  als  Gehilfe 
des  erkrankten  Pfarrers  Nicolaus  Bohemus,  nach  dessen  1579  erfolgten 
Tode  sein  Nachfolger  bis  an  seinen  eigenen  Tod  19.  Januar  1595. 
(Kr.  23.  Dietmann  30.  Grosser  Laus.  Merkw.  II,  22.  53;  in  demDiet- 
mann  1.  1.  mitgetheilten  lateinischen  Gedichte  wird  seine  Vaterstadt 
Girca  genannt.) 

LXIIL     Gottesgabe  im  nördlichen  Böhmen. 

178.  M.  Kaspar  Eberhard,  geb.  1532  in  Schneeberg,  Bacca- 
laureus  in  seiner  Vaterstadt,  amtirte  eine  Zeit  lang  in  Böhmen,  erst 
als  Rector  in  Joachimsthal,  dann  als  —  vielleicht  erster  —  evan- 
gelischer Pfarrer  in  Gottesgabe.  Aber  bereits  1558  wurde  er  nach 
Sachsen  zurückberufen.  Er  ward  zunächst  Pfarrer  in  Wolkenstein, 
1564  Superintendent  in  Meissen,  1574  General-Superintendent  in 
Wittenberg  und  Professor  an  der  dasigen  theologischen  Facultät, 
welche  ihm  bereits  1570  das  Doctor-Diplom  ertheilt  hatte;  er  starb 
aber  schon  im  Jahre  1575.  Weitere  hiesige  evangelische  Geistliche 
sind  uns  nicht  bekannt,  ausser  Johann  Aquilejus  aus  Nordheim 
seit  December  1572  (seit  Mai  dess.  J.  Diakonus  in  Platten,  FranckeS.  10). 
Die  Gegenreformation  1624  ff.,  dann  1650  berührte,  wie  Dr.  Francke 
Zur  Gründungsgeschichte  von  Johanngeorgenstadt  S.  10.  15.  16.  mit- 
theilt, auch  Gottesgabe;  viele  Bewohner  wanderten  aus  und  halfen 
Johanngeorgenstadt  gründen ;  aber  da  die  Kirchenbücher  von  Gottes- 
gabe verbrannt  sind,  so  ist  von  dortigen  Geistlichen  nichts  weiter  be- 
kannt. (Kr.  547.) 

LXIV.    Gräbern,    Städtchen  bei   Auscha  im  nördlichen   Böhmen. 

Hier  soll  der  Jahrbuch  1886,  S.  191  unter  Nr.  XVII,  70  ge- 
nannte David  Rivius  1640  Pfarrer  geworden  sein,  was  aus  nahe- 
liegenden Gründen  zweifelhaft  erscheint.  Dagegen  war  hier  (und  auf 
Schloss  Bürgstein)  letzter  Pfarrer 


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179-  Johann  Kellner  (Keiner),  geboren  etwa  1552.  Pfarrer 
etwa  seit  1580;  er  flüchtete  1624  nach  Zittau,  wo  er  13.  Sept«nber 
1629  verstarb,  bald  nach  ihm  seine  Gattin.  Solches  giebt  sein  noch 
vorhandener  Grabstein  an,  mit  einem  Kelche  und  der  Inschrift:  1629. 
13.  Sept.  ist  selig  verschieden  der  ehrwürdige,  achtbare,  wohlgelahrte 
Herr  Johann  Keiner  zu  Burgstein  und  Kräbern  in  Böhmen,  47  Jahre, 
in  exilio  5  Vi  Jahr,  seines  Alters  47.  (GR.  II,  490.)  Wenn  auch  ein 
Thomas  Keiner  ebenda  II,  227.  294.  480  als  dortiger  Pfarrer  ge- 
nannt wird,  so  war  dies  vielleicht  sein  Sohn  oder  Verwandter,  der 
ihm  zur  Seite  stand,  nach  ebenda  S.  481  20.  October  1648  ver- 
storben. 

LXV,  Grafenstein  bei  Reichenberg  in  Nordböhmen. 
Dieses  bis  1562  den  Burggrafen  von  Dohna,  zur  Zeit  der  Gegen- 
reformation den  Herren  von  Tschirnhausen,  jetzt  dem  Grafen  Ciam- 
Gallas  gehörige  Schloss  war  im  30jährigen  Kriege  von  1645  bis  165 1 
von  den  Schweden  besetzt,  die  hier  einen  evangelischen  Gamison- 
prediger  hielten.    Dieser  war 

180.  M.  Johann  Kübel  —  der  beim  Abzüge  der  Schweden 
165 1  Schloss  Grafenstein  mit  ihnen  verliess  und  Pfarrer  zu  Bertsdorf 
bei  Zittau  wurde,  als  welcher  er  1665  verstarb.  Auch  seine  Gattin 
Sabine  war  als  Tochter  des  Leipaer  Rathsherrn  Johann  Germiii  im 
Kindesalter  exilirt.   (S.  Kr.  34.  KG.  Oberl.  24.  Tob.  35.  Exul.  83.) 

LXVL   GrasUtz  im  nordwestlichen  Böhmen  —  einst  auch  Greßlaß 
genannt,  auch  —  wie  es  scheint  —  Größel. 

Wie  Francke  S.  11.  42  erzählt,  sahen  sich  auch  viele  Bewohner 
von  Graslitz  veranlasst,  um  dem  Glaubensdrucke  zu  entgehen, 
nach  Sachsen  auszuwandern,  wie  sich  denn  auch  mehrere  in  Johann- 
georgenstadt  1654  anbauten.  Als  im  September  1628  trotz  Verwen- 
dung der  evangelischen  Grundherren,  der  Herren  von  Schönburg, 
der  Pfarrer  , abgeschafft*  wurde,  genehmigte  auf  deren  Verwendung 
am  25.  October  1628  der  Kurfürst,  dass  dieser  Geistliche  —  dessen 
Name  Uns  unbekannt  ist  —  von  Klingenthal  in  Sachsen  aus  seine 
Gemeinde  versorge.  Vielleicht  war  es  einer  der  zwei  Brüder  Benjamin 
und  Josua  Reiche,  welche  noch  im  December  1628  den  neuen 
Gottesacker  zu  Klingenthal  mit  den  Leichen  ihrer  daselbst  ver- 
storbenen Söhne  einweihten.  (KG.  XI,   144.) 


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i8i.  Michael  Schönfeld,  1589  zu  Penig  geboren,  ward  hier 
(in  ,Greßiaß*)  Schulcollaborator,  kehrte  aber  schon  1625  in  seine 
Vaterstadt  zurück  als  Diakonus,  war  von  1633  bis  zu  seinem  1657 
erfolgten  Tode  Archidiakonus.  (Kr.  396.  KG.  X,  122  f.) 

Von  hier  stammten: 

182.  Johann  Brendel,  »aus  Größel  in  Böhmen*,  1649 — 51 
Pf.  zu  Posseck  im  Vogtlande  (Kr,  410)  und 

183.  Christoph  Herold  (Heroldt),  welcher  1645  Rector  in 
Eibenstock,  1648  Diakonus  in  Lichtenstein  und  Pfarrer  in  Rödlitz, 
1654  Pfarrer  in  Bernsdorf,  1670  in  Langenchursdorf —  alles  im  Schön- 
burgischen —  wurde   und    1679   verstarb.     (Kr.  299.   KG.  Xu,  76.) 

LXVII.   Gratz,  Hauptstadt  von  Steiermark,  seit  16.  Februar  1856 
wieder  Pfarrgemeinde. 

Hier  bestand  im  16.  Jahrhundert  eine  fast  die  ganze  Bevölkerung 
umfassende  blühende  Gemeinde,  bis  Ferdinand  II.  von  1598  an  in 
seiner  Residenz  die  Gegenreformation  auf's  Gründlichste  durchführte. 

Der  alten  Gemeinde  Gratz  gehörten  an 

184.  M.  Erasmus  Scherer  (Sarcerius)  aus  Annaberg.  1501 
als  Sohn  eines  reichen  Bürgers  und  Grubenbesitzers  geboren.  Der- 
selbe hat,  nach  tüchtigen  eigenen  Studien  in  seiner  Vaterstadt  und  zu 
Freiberg,  in  Leipzig  und  Wittenberg  als  Schulmann  wie  als  Theolog 
viel  für  das  Evangelium  gethan  und  gelitten,  wie  er  denn  der  ,  Refor- 
mator von  Nassau*  genannt  wird.  Als  Schulmann  hat  er  in  Lübeck, 
Rostock,  dann  in  Wien  und  endlich  in  unserm  Gratz  das  Rectorat 
verwaltet  —  zwischen  1530  und  1536  —  und  zwar  in  evangelischem 
Sinne  und  Geiste.  Er  ging  von  hier  noch  einmal  nach  Lübeck,  von 
wo  man  ihn  schon  einmal  um  seines  evangelischen  Bekenntnisses 
willen  vertrieben  hatte,  um  die  dortige  Schule  wiederum  zu  über- 
nehmen; dann,  seit  1536.  leitete  er  die  Schule  in  dem  damals 
Nassauischen  Siegen.  Seine  Wirksamkeit  zu  Dillen  bürg  als  Pfarrer 
und  Superintendent,  die  er  1541  begann  und  die  Nassau  zu  einem 
evangelischen  Lande  machte,  fand  ihr  Ende  durch  das  Augsburger 
Interim  von  1547,  das  er  nicht  annehmen  wollte.  Er  kehrte  daher 
1548  in  seine  Vaterstadt  zurück.  Im  Jahre  1549  fand  er  an  der 
St.  Thomaskirche  zu  Leipzig  wieder  eine  Anstellung  als  Pfarrer. 
Hier  blieb  er  bis  1554;  Superintendent  zu  Eisleben  war  er  bis  1559, 
wo  er  Pfarrer   an    der  Johanniskirche    zu   Magdeburg   ward   und  als 


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solcher  noch  im  selben  Jahre  starb,  am  28.  November,  nachdem  er 
in  Magdeburg  nur  vier  Predigten  gehalten  hatte.  Auch  er  war,  wie 
der  unter  Nr.  LUI,  162  genannte  Fried,  von  Kurfürst  Moritz  zur 
Tridentiner  Kirchenversammlung  abgesandt  worden.  (Kr.  265.  Albr. 
Sachs.  Kirchen-  u.  Prediger-Geschichte  I,  303  ff.  Böttcher  Germania 
Sacra  1347  u.  ö.) 

185.  M.  Paul  Odontius  (Zahn),  geb.  1570  zu  Werdau  in 
Sachsen,  kam  1595  nach  Gratz  in  das  Haus  des  Pfarrers  D.  Wilhelm 
Zimmermann,  wo  er  die  Aufsicht  über  drei  junge,  in  dessen  Hause 
erzogene  Edelleute  führte :  die  Freiherren  Max  und  Johann  Andreas 
von  Trautmannsdorf  und  Johann  Nicolaus  Popel  von  Lobkowitz.  In 
dieser  Zeit  predigte  er  auch  fleissig  in  der  Stiftskirche  zu  Gratz.  Im 
Jahre  1598  wurde  er  Schlossprediger  zu  Waldstein,  der  verw. 
Freiin  Hippolyta  von  Windischgrätz,  geb.  Gräfin  Schlick  gehörig, 
auch  in  Steiermark  gelegen,  von  wo  ihn  die  Gegenreformation  ver- 
trieb. Am  20.  April  1602  wurde  er  daselbst  gefangen  genommen, 
nach  Gratz  geschafft  und,  da  er  seinen  Glauben  standhaft  bekannte, 
nach  iowöchentlicher  Gefangenschaft  erst  zum  Tode,  dann  zur  Ga- 
leerenstrafe verurtheilt.  Auf  dem  Transporte  nach  Triest  entfloh  er 
am  5.  August  auf  wunderbare  Weise  zu  Senosetsch  in  Krain,  3  Meilen 
vor  Triest,  und  entkam  unter  vielen  Fährlichkeiten  glücklich  in  sein 
Vaterland,  wurde  April  1603  Pfarrer  zu  Oederan,  zwischen  Chem- 
nitz und  Freiberg  gelegen,  starb  aber  schon  im  December  1605 
—  wohl  mit  in  Folge  der  ausgestandenen  Gefängnisspein  und  Todes- 
angst. Hinter  dem  Altare  der  Kirche  ist  sein  Denkstein  noch  zu  sehen. 
Und  wenn  am  14.  August  163a  die  Holkeschen  Scharen  Oederan 
besonders  grausam  behandelten,  so  wird  dies  nicht  blos  dem  tapferen 
Widerstände  zugeschrieben,  den  die  Bewohner  des  Städtchens  dem 
feindlichen  Angriffe  entgegenstellten,  sondern  auch  der  Aufnahme, 
die  der  vom  Kaiser  zum  Tode  verurtheilte  Odontius  hier  gefunden 
habe.  (Kr.  377.  KG.  II,  190.  Saxonia  IV,  50,  namentlich  Jahrb.  VI, 
51  ff.,  und  Bote  des  ev.  Vereins  der  G.-A.-St.   1845,  S.  81  ff.) 

186.  M.  Raimund  Friedrich  Rudolf  Janicke,  geb.  1660  zu 
Gratz  als  Sohn  eines  ^ Herrendieners*,  ist  ein  Beweis  dafür,  dass  es 
doch  damals  noch  evangelische  Regungen  muss  in  Gratz  gegeben 
haben.  Er  war  Gymnasiast  in  Halle,  wurde  1687  Diakonus  in  Hai- 
nichen;  von  1695 — 1727,  wo  er  verstarb,  stand  er  zu  Freiberg  in 
verschiedenen  geistlichen  Aemtern.   (Kr.   199.) 


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Auch  die  Gegenwart  fuhrt  von  Gratz  nach  Freiberg; 

187.  Gustav  Bernhard  Walter,  geb.  1831  zu  Nürtingen  in 
"Württemberg,  wurde  1856  Lehrer  und  Hilfsprediger  bei  der  eben 
damals  selbstständig  werdenden  ev.-luth.  Gemeinde  Gratz.  Von  1860 
bis  1863  Aushilfeprediger  für  die  ev.-luth.  Gemeinden  in  Oberöster- 
reich, wirkte]  er  vom  17.  Januar  1863  bis  zum  i.  Februar  1865  ^^^ 
erster  Pfarrer  der  neu  entstandenen  ev.-luth.  Gemeinde  Reichenberg 
und  ist  seitdem  als  Pfarrer  zu  St.  Petri  in  Freiberg  angestellt. 
(Kr.  146.) 

LXVIIL    Graz  in  Ungarn  (wo?) 
Unter  Nr.  LIV,  163  ist  bereits  Daniel  Klesch  genannt,  welcher 
von  1659  an  hier    als  , Oberpfarrer*    gewirkt  haben  soll.     Vielleicht 
war  sein  Vorgänger 

188.  Daniel  Müller  aus  Plauen  im  Vogtlande,  etwa  1594  geboren, 
1608  Portenser  Schüler,  welcher  als  , Pfarrer  in  Graz*  1656  gestorben 
sein  soll,  da  ja  für  ihn  eine  geistliche  Wirksamkeit  in  der  steirischen 
Hauptstadt  ausgeschlossen  ist.  (Briefliche  Mittheilung  von  Kr.  auf 
Grund  des  Portenser-Albums.) 

LXIX,     Graupen  in  Böhmen  (bei  Teplitz). 
Einer  der  letzten  hiesigen  Pfarrer  war 

189.  Jacob  Sattler,  1586  als  Sohn  eines  Geistlichen  in  Frei- 
berg geboren;  er  wurde  hier  161 1  Cantor,  16 14  Pfarrer,  kehrte  jedoch 
1618  in  sein  Vaterland  zurück;  er  wurde  161 8  Pfarrer  zu  Tuttendorf 
in  der  Nähe  seiner  Vaterstadt,  1632  in  dieser  selbst  Geistlicher  in 
verschiedenen  Aemtem,  f  1657.   (Kr.  518.) 

Wie  unser  Mitarbeiter  Dr.  Wolkan  Jahrb.  VIII,  S.  63  mittheilt, 
wurde  sein  Nachfolger 

190.  Schedler  von  dem  Rathe  und  der  Bürgerschaft  im 
September  (1621,  wie  es  scheint)  gebeten,  die  Stadt  zu  verlassen 
und  vom  sächsischen  Zinnwald  aus  sie  auch  ferner  zu  versorgen, 
und  es  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass  er  dies  gethan  hat,  da  sich  bis 
1628  noch  viele  Evangelische  in  Graupen  erhalten  haben.  Seine 
weiteren  Schicksale  kennen  wir  nicht. 

191.  Christian  Dröschel  aus  Graupen  studirte  auf  dem  Frei- 
berger  Gymnasium,  war  1625 — 39  als  Pfarrer  zu  Lomnitz  in  der 
Radeberger  Ephorie ;  was  dann  aus  ihm  geworden,  wissen  wir  nicht. 
(Kr.  312.) 


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[LäX,    GrosS'Laukow  in  Böhmen,  bei  Gitschin. 
Hier  war  1617 — 1623  Pfarrer  der  schon  Jahrb.  VI,  S.  135,  Nr.  X. 
23  genannte  M.  Paul  Cruppius. 

LXXL     Grattau    in    Böhmen,    seit    5.    December  1880   Filial    von 

Reichenberg. 

Hier  bestand  bis  zur  Gegenreformation  eine  blühende  evange- 
lische Gemeinde.   (Tob.  20  ff.) 

Bereits  der  2.  Pastor  findet  hier  seine  Stelle: 

192.  Johann  Kolberg,  Sohn  des  gleichnamigen  Bürgers  von 
Schluckenau,  wurde  25.  November  1556  zu  Wittenberg  von  Bugen- 
hagen, Melanchthon,  Georg  Major,  Sebastian  Fröschel  (nicht  Hesthu- 
sius,  wie  Tobias  jedenfalls  falsch  gelesen  hat)  und  Lukas  Hetzer  für 
Taubenheim  in  der  Oberlausitz  ordinirt,  auch  dem  Bautzner  Pfarrer 
Nikolaus  —  nämlich  Bohemus  —  als  Amtsnachbar  empfohlen :  denn 
Tilemann  Hesshusen  lebte  an  genanntem  Tage  bereits  als  Professor 
in  Rostock,  war  schon  seit  1552  nicht  mehr  Professor  in  Wittenberg, 
während  auf  andern  Wittenberger  Ordinationsdiplomen  —  so  auch 
auf  dem  vom  Jahre  1556,  für  meinen  Amtsvorfahr  Wolfgang  Engel- 
mann ausgefertigt,  der  (aus  Leipzig  vertriebene)  Wittenberger  Geist- 
liche Sebastian  Fröschel  sich  findet.  (Dietmann  854.)  Kolberg  wurde 
1564  Pfarrer  zu  Pankratz  mit  Schönbach,  und  1569  am  13.  Mai  von 
Dr.  Georg  Mehl  von  Strölitz,  kaiserlichem  Vicekanzler  —  einem  der 
Urheber  des  bekannten  Ober  lausitzer  ,Pönfalls*  (des  Strafgerichtes 
Ferdinand  I.  über  die  angeblich  Kurfürst  Johann  Friedrich  von  Sachsen 
begünstigenden  Sechsstädte)  — ,  der  seit  1562  die  Herrschaft  Grafen- 
stein (Nr.  LXV)  besass,  als  Pfarrer  nach  Grottau  vocirt.  Er  starb 
im  hiesigen  Pfarramte  1585.  Sein  (in  Pankratz  1565  geborener)  Sohn 
Martin,  der  uns  noch  begegnen  wird,  wie  auch  dessen  Sohn  Hiero- 
nymus  waren  Geistliche  in  Böhmen  und  in  der  Lausitz.  Sie  schrieben 
sich  Kolberger.  (Kr.  504.) 

Ihm  folgte 

193.  M.  Georg  Grünwald  aus  Guben  bis  etwa  1609.  (Tob.  19.  21.' 
Wir  finden  später  in  der  Lausitz  5  Geistliche  d.  N.,  deren  einige  viel- 
leicht mit  ihm  zusammenhängen. 

Aus  Sachsen  stammte  sein  Nachfolger 

194.  Henning  Arndt,  der  1612  (nicht  1620  Tob.  19,  nach  S.  20 
Druckfehler)  nach  Kratzau  berufen  wurde,    nach  I2jährigem  Wirken 


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am  15.  December  1624  in  die  Verbannung  ging.  Er  wurde  etwa 
1625  Pfarrer  in  Marklissa  und  wirkte  daselbst  bis  zu  seinem  26.  Fe- 
bruar 1645  erfolgten  Tode.  (Exulant.  150,  wo  er  schon  1624  als 
Marklissaer  Pfarrer  genannt  wird,  was  nicht  gut  möglich  ist.) 

195.  Der  letzte  Pfarrer  Georg  Lange  flüchtete  nach  Görlitz, 
wo  sich  1629  seine  Tochter  Anna  mit  David  Steinis  verheiratete. 
Er   scheint   kein    neues  Amt   angenommen   zu   haben.    (Exul.  148.) 

196.  Auch  der  Schulmeister  Hieronymus  Schubert  um  1586 
war  ein  Sachse,  er  stammte  aus  Annaberg.  (Tob.  19.  21.) 

LXXIL  Giickmiro-Neusiedel  mit  Filial  Gerersdorf  in  Ungarn, 
(Comitat  Oedenburg  oder  Wieselburg),  gegenwärtig  keine  Gemeinde. 

Hier  war  Pfarrer  von  1665  bis  zu  seiner  Vertreibung  1672 

197.  M.  Christoph  Richter  — ,  geb.  1642  zu  Rosswein  in 
Sachsen,  Freiberger  Gymnasiast  und  Wittenberger  Student.  Im 
Jahre  1664  wurde  er  als  Rector  in  die  königliche  Frdstadt  Güns 
berufen,  nach  einem  halben  Jahre  nach  Guckmiro  (Guckmir).  Wie  er 
selbst  erzählt,  wurde  er  nach  7  Jahren  vertrieben,  floh,  unter  Zurück- 
lassung seiner  Habe,  mit  Gattin  und  zwei  Kindern  nach  Sachsen. 
Nachdem  er  zwei  Jahre  lang  Feldprediger  gewesen,  wurde  er  1675 
Pfarrer  zu  Niederstriegis,  nahe  seiner  Heimat,  1695  zu  Greifendorf, 
wo  er  1723  im  Alter  von  71  Jahren  verstarb.  Während  er  als  Mär- 
tyrer des  evangelischen  Glaubens  achtungswerth  dasteht,  erscheint 
sein  etwa  1675  zu  Niederstriegis  geborner  Sohn  M.  Ephraim  Richter 
leider  in  einem  ganz  andern  Lichte.  Obgleich  er  1703 — 1709,  also 
6  Jahre  lang,  unter  seines  Vaters  Augen  als  dessen  Substitut  mit 
ihm  zu  Greifendorf,  dann  10  Jahre  lang,  von  1709 — 1790  in  seinem 
Geburtsorte  gewirkt  hatte,  musste  er  wenige  Jahre  nach  seines  Vaters 
Tode,  der  solches  zum  Glück  nicht  erlebte,  1726  wegen  Abfalls  vom 
evangelischen  Glauben  seines  inzwischen  angetretenen  Pfarramtes  zu 
Flöha  entsetzt  werden.  Er  hatte  sich  vom  Prior  eines  böhmischen 
Klosters  durch  die  Aussicht  auf  den  einträglichen  Posten  als  Kloster- 
bibliothekar verblenden  lassen,  Amt  und  Famüie  zu  verlassen.  Wohl 
trieb  ihn  der  Umstand,  dass  er  den  Prior  nicht  mehr  am  Leben 
antraf,  zur  schleunigen  Rückkehr  nach  Flöha.  Allein  es  war  zu  spät; 
ein  an  ihn  gerichteter  Brief  hatte  bereits  der  verlassenen  Gattin  die 
Augen   geöffnet   und   den  Superintendenten   D.  Green   zu  Chemnitz 


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veranlasst,  seine  Absetzung  zu  bewirken.  Drei  Jahre  lang  hatte  er 
privatisirt,  da  ward  er  aus  Mitleid  wieder  zu  Gnaden  angenoaimen 
und  in 's  geistliche  Amt  wieder  eingesetzt :  erst  1729  in  das  sehr  gering 
dotirte  Diakonat  zu  Pausa  im  Vogtlande,  dann  1733  in*s  Pfarramt 
zu  Lichtenhain  bei  Sebnitz,  nahe  der  böhmischen  Grenze.  Hier  trat 
abermals  die  Versuchung  zum  Abfalle  an  ihn  heran;  er  veriiess 
nochmals  seine  Gattin  mit  6  unerzogenen  Kindern  und  ward  Secretär 
des  Bischofs  zu  Leitmeritz.  Als  solcher  starb  er  1743  (Kr.  362.  KG.  V. 
162.  Vin,  172.  IV,  122.  AA.  199.) 

LXXIIL    Güns   in    Ungarn,   Comitat  Eisen  bürg,   Königliche  Frei- 
stadt, —  Sitz  einer  zahlreichen  Gemeinde. 
Neben   deren   eben   erwähntem  Rector   1664 — 1665    finden    wir 
um  1670 

198.  Georg  Wislicenus  (Witschel),  Pfarrerssohn  aus  Pucho, 
Comitat  Trentschin,  erst  Pfarrer  zu  Petersdorf,  dann  zu  Neu -Güns. 
Von  hier  1674  vertrieben,  zog  er  sich  nach  Sachsen  zurück.  Er 
ward  noch  1674  Pfarrer  zu  Schönburg  bei  Naumburg.  10.  September 
1671  Pfarrer  zu  Härtensdorf  und  zugleich  erster  Hofprediger  in 
Wildenfels,  1681  Pfarrer  zu  St.  Moritz  in  Naumburg,  als  welcher  er 
1709  verstarb.  (Kr.  199,  KG,  VIII,  96.) 

LXXIV.  Haber  in  Böhmen  bei  Auscha,  Pfarrgemeinde  seit  1784. 
lange  Zeit   die   einzige   deutsch-lutherische  Gemeinde  im  nördlichen 

Böhmen. 
Von  ihren  Geistlichen  gehören  drei  hierher: 

199.  Johann  Baptist  Borott,  1757  zu  Bösing  in  Ungarn,  Comitat 
Pressburg,  geboren,  1784  erster  Pfarrer  zu  Haber,  was  er  bis  1791 
blieb  (bis  1786  unter  Mitverwaltung  des  damaligen  Filials  Kowanetz), 
worauf  er  an  die  böhmisch-lutherische  Gemeinde  Krabschitz  —  jetzt 
Lipkowitz  —  versetzt  wurde.  Seit  1789  war  er  zugleich  Superinten- 
dent über  die  lutherischen  Gemeinden  im  Königreiche  Böhmen  — 
mit  Ausnahme  der  Grafschaft  Asch.  Im  Jahre  1793  wurde  er  als 
böhmischer  Prediger  nach  Zittau  berufen,  als  Nachfolger  des  Jahrb.  VI, 
131  f.  unter  Nr.  VI,  7  genannten  Johann  Czaplovics,  und  starb 
4.  März  1832  als  letzter  böhmischer  Prediger  jener  Stadt,  ohne  einen 
Nachfolger  zu  bekommen.  Er  war  ein  sehr  fleissiger  Schriftsteller 
(Kr.  562.    GR.  II,  424.    KG.  XI,  196).    gab   z.  B.   1803    auf  Grund 


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einer  gleichzeitigen  vidimirten  Abschrift  in  der  .Zittauer  Stadtbibliothek 
den  Majestätsbrief  von  1609  heraus.'. 
Einer  seiner  Nachfolger  .war.: 

200.  Johann  Gottfried  Klinger,<  geb.  1774  in  dem  damals 
böhmischen,  seit  1849  sächsischen  Dorfe  Niederleutersdorf  in  der 
Lausitz.  Er  war  Pfarrer  in  Haber  von  1805 — 1808,  dann  bis  an  sein 
Ende  iS-October  1841  zu  Dittersbach  »auf  dem  Eigen.*,  bei  Bern- 
stadt in  der. Oberlausitz.    (Kr.  87.) 

Diesem  folgte'  18Ö9 

201.  Martin  Stephan,  13.  August  1777  zu  Stramberg  bei  Neu- 
titschein in  Mähren  geboren.  Ursprünglich  Weber,  ward  er  vorge- 
bildet zu. Breslau  (EUisabeth-Gymnasium,  1802 — 1804]  und  auf  den 
Universitäten  zu  Halle  und  Leipzig  (bis  1806  und  1809).  Bereits  1810 
wurde  er  an  d je  böhmische  Kirche  nach  Dresden  berufen  und  galt 
lange  Zeit  für  eine  Säule  der  Rechtgläubigkeit.  Als  er  1837  suspen- 
dirt  wurde,  1838  sein  Amt  niederlegte  und  nach  Amerika  auswan- 
derte, weil  in  Sachsen  für  ein  echtes  Lutherthum  kein  Raum  sei, 
da  folgten  ihm  Viele,  namentlich  auch  fünf  Geistliche,  mehrere  Lehrer 
und  viele  G^meindeglieder  aus  dem  Muldenthale  mit  vollstem  Ver- 
trauen als  ihrem  Bischof  über  den  Ocean.  Es  war  das  Verdienst 
Walther's,  des  erst  7.  Mai  1887  zu  St.  Louis  verstorbenen  späteren 
Professors  und  Präses  der  Missouri-Synode  —  einst  Pfarrers  zu 
Bräunsdorf  in  Sachsen  — ,  dass  er  Stephan's  Unlauterkeit  und  Un: 
Sittlichkeit  erkannte  und  ihn  ausstiess.  Aus  den  ,Stephanisten*  sind 
die  , Missourier*  geworden,  Stephan  aber  ist,  1846  zur  katholischen 
Kirche  übergetreten,    im  Elende  gestorben.    (Kr.  114.    GR.  II,  519.) 

LXXV,  Habstein  —  früher  Habichtstein  —  bei  Böhmisch-Leipa 
im  nördlichen  Böhmen. 

202.  Pf  Nicolaus  Schramm  aus  Leipa  wurde  von  hier  ver- 
trieben und  lebte  seitdem  in  Zittau,  ohne,  wie  es  scheint,  wieder  eine 
Anstellung  zu  suchen  oder  zu  finden.  (Exul.  74.  GR.  II,  227.  480.) 
Er  war  ein  guter  lateinischer  Dichter. 

LXXVL  Haindorf  h€\  Friedland  in  Böhmen  —  bekannt  durch 

sein  Kloster. 

203.  Ignaz  Bernhard  Maudry,  geb.  17.  October  1838  zu  Joslo- 
witz  in  Mähren  von  katholischen  Eltern,  1867  katholischer  Hilfs- 
g-eistlicher  in  Prag,  wurde  1869  erster  Cooperator  an  hiesiger  Pfarre, 

Jahrbuch  des  Protestantismus  1888.  H.  Tl.  7 


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98 

wiir<le  6iraiigdisch*li]tiieriich,  1873  HU&gdstlieher  zq  Petterwite  bd 
Dresden,  1874  Pfarrer  zu  RautenkraiiE  im  Vogtlande,  starb  la  Februar 
1877  zu  Zwickau  in  Folge  einer  Opcratioa« 

LXXVIL    Haimpach  im  nördlichen  Böhmen  —  jetzt  zur  Parochie 

Rumburg  gehörig. 

Hier  war  seit  1553  Plarrer 

204.  Adam  Kotmayr,  1539  Diakonus  zu  Neustadt  bei  Stolpen, 
1546  Pfarrer  in  Böhmen,  wie  aus  den  von  Pf.  Görner  in  Hohii^tein 
veröffentlichten  Visitationsacten  der  Ephorie  Pirna  sich  eigibt.  (Ein- 
fuhrung d.  Ref.  u.  s.  w.  S.  58.) 

LXXVIIL    Hämdun   ^   wohl    bd   Kathariaeaberg   im   nördlldien 

Böhmen. 

205.  Valentin  Metzler  schdnt  1580  als  Sohn  des  hiesigen 
P&rrers  Johann  Metzler  —  der  wahrscheinlich  später  nach  Kadiarinen- 
berg  versetzt  wurde  —  allhier  geboren  zu  sdn.  Er  besuchte  die 
Landesschule  zu  Pforta  sdt  1595,  wurde  1611  Diakonus,  1636  Pfarrer 
zu  Marienberg  und  starb  als  solcher  22.  Juni  1642.  Wenn  er  auch  als 
»aus  Buchholz*  gebürtig  bezdchnet  wird,  so  scheint  eine  Verwedis- 
lung  des  »St.  Katharinenberg  im  Buchholz'  mit  dem  böhmischen 
Städtchen  gl.  N.  vorzuliegen,  wo  er  seine  Jugend  verlebt  hat. 
(Kr.  319.  KG.  XII,  S.  47.  226.) 

LXXIX,  Hayd  bei  Tachau  im  westlichen  Böhmen,  jetzt  asu  Pilsen 

gehörig. 
20(5.  Hier  wirkte  seit  1620  als  Diakonus,  seit  1623  als  Pfarrer 
Christoph  Dorf  fei  —  geb.  1596  als  Sohn  des  Pf.  Nikolaus  Dörffcl 
im  nahen  Schönewalde  und  selbst  seit  1618  Pfarrer  zu  Neundorf, 
ebenfalls  bei  Tachau.  Er  erlebte  1624  im  vollen  Masse  die  Schrecken 
der  Gegenreformation:  während  der  Predigt  drangen  die  Cpmmissäre, 
von  Musketieren  begleitet,  in  die  Kirche,  schleppten  ihn  fort  und  ge- 
boten ihm,  binnen  sechs  Tagen  Stadt  und  Land  zu  meiden.  Er  gincr 
mit  Weib  und  Kindern  nach  Vohenstrauss,  das,  obwohl  inmitten 
der  Oberpfalz  gelegen,  dem.  eifrig  lutherischen  Pfalzgrafen  August 
zu  Sulzbach  gehörte.  (Hier  war  12.  März  1753  der  grosse  Reinhard 
als  Pfarrerssohn  geboren.)  Erst  1630  fand  er  wieder  eine  Anstellung: 
1630  als  Diakonus,  1633  als  Superintendent  zu  Oelanitz  im  Vogt- 
lande,   als    welcher    er  1661   verstarb,    als   Stammvater   einer   ange- 


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99 

sehenen,  viele  Pastoren  u.  a.  Gelehrte  zählenden  Familie.  (Kr.  379. 
GR.  n,  226.) 

207.  Auch  einer  seiner  Söhne*  ist  hier  geboren  —  etwa  1621  — 
Georg  Christoph,  der  163$  nach  Schnlpforta  kam  —  von  Oelsnitz 
aus,  und  von  1642  bis  an  seinen  schon  1668  erfolgten  Tod  an  zwei 
vogtländischen  Kirchen  als  Pfarrer  wirkte;  zu  Schwand,  seit  1653 
zu  Geilsdorf.  (Kr.  471.  KG.  XI,  11.  91.) 

LXXX.   Neinersdor/ hei  Fr ie dl a,nd. 

208.  Pfarrer  Joseph  Ethinger  oder  Ethner  ward  1558  nach 
Lauban  als  Diakonus  berufen,  ward  1560  Archidiakonus  daselbst;  er 
zog  im  December  1561  nach  Köntgshain  bei  Görlitz.  (Tob.  S.  17. 
Dietmann  590  f.) 

209.  P&rrer  Daniel  Bursche,  musste  1624  von  hier  weichen 
und  zog  nach  Görlitz.  (Tob.  S.  17.) 

LXXXL     Heinrichsgrün  bei  Eger  in  Böhmen,   zwischen  Falkenau 

und  Graslitz. 
Hier  war  1620  geboren 

210.  Johannes  Seh  roll.  Derselbe  wurde  1654  Diakonus,  1662 
Pfarrer  zu  Staucha  bei  Döbeln,  als  welcher  er  25.  October  1700 
verstarb.  (Kr.  488.  KG.  III,  102.)  Er  war  ein  guter  lateinischer  Dichter. 

LXXXIL    Herman-Miestetz  bei  Chrudim  in  Böhmen. 

Als  in  der  Gegenreformation  der  greise  Bürgermeister  und  die 
andern  Rathsberren  durch  Gefängniss  und  Marter  zur  Rückkehr  in 
die  katholische  Kirche  gezwungen  wurden,  da  ahnte  Niemand,  dass 
von  hier  einst  ein  evangelischer  Geistlicher  stammen  würde. 

2U.  Hier  war  i.  September  1809  Hermann  Hlina  geboren, 
der  Anfangs  als  Augustiner-Mönch  dem  römischen  Clerus  angehörte, 
zu  Prag  lebte,  durch  Ammon's  Predigten,  die  er  wiederholt  in  Dresden 
angehört,  gewonnen,  1841  in  Gotha  zur  lutherischen  Kirche  übertrat, 
zu  Leipzig  Theologie  studirte,  1844  Lehrer  zu  Markranstädt,  1845 
Pfarrer  zu  Rückmarsdorf  mit  Lindnaundorf  wurde.  Er  trat  1882  in 
den  Ruhestand  und  starb  7.  Januar  1884  zu  Reudnitz  bei  Leipzig. 
(Kr.   449.  Böttcher  Germ.  Sacra  1433.) 

LXXXIII.  Hirschberg  am  B  ö  s  i  g,  im  nördlichen  Böhmen,  bei  Leipa. 
2-12.    Der  hiesige  Pfarrer  Jonas  S  c  u  1 1  e  t  u  s  (Schulze)  zog  als 
Exulant  nach  Zittau.  (GR.  II,  227.  Exul.  74.) 


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100 

LXXXIV,    Horaiitz  im  Kreise  Eger  im  nördlichen  Böhmen. 
Hier  war  von  1613 — 1623  Pfarrer 

213.  Johannes   Kirchner,   etwa  1588   in  Annaberg    geboren. 
Nach  seiner  Vertreibung  wurde   er  1633  Pfarrer  zu  Herrmannsdorf,  • 
in   der  Nähe    seiner    Vaterstadt,   wo    er  1648   verstarb.     (Kr.   206. 
KG.  XII,  64.) 

Hier  war  auch  (etwa  1617)  dessen  Sohn  ^ 

214.  M.  Johann  Theodor  Kirchner  geboren:  1631  Afraner, 
26.  Januar  1653  als  Pfarrer  zu  Mildenau  bei  Annaberg  verstorben, 
wo  er  seit  1647  amtirte.  (Kr.  329.  AA.  132,  KG.  Xu,  191.) 

LXXXV,     Hörn   in   Niederösterreich,   nördlich   der  Donau  bei 

Krems. 
Das  der  Familie  Puchheimer   gehörige  Schloss   und   überhaupt 
die  Stadt  Hom   war  längere  Zeit  ein  Mittelpunkt   des   niederöster- 
reichischen Protestantismus,  weshalb  die  Kirchenvisitation  des  Rostoker 
Professors  Lukas  Bacmeister  im  J.  1580  von  hier  ihren  Anfang  nahm. 

215.  Jakob  Stiber  aus  Stolpen,  1568  Portenser,  soll  später 
Prediger  in  Oesterreich  bei  den  Herren  von  Hörn,  also  wohl  Pre- 
diger der  Puchheimer  auf  Hörn,  gewesen  §ein.  (Kr.  briefliche  Mit- 
theilung auf  Grund  des  PfÖrtner-Albums.) 

LXXXVI.  Hostau  im  westlichen  Böhmen,  Stadt  im  Kreise  Pil  sen. 

216.  Von  hier  stammte  Christoph  Flachs  (Flaxius),  1654 
als  Pfarrer  zu  Teichwolframsdorf  bei  Weida  gestorben,  wo  er  seit 
1610   amtirte.     (Dietmann,    Kursächsische   Priesterschaft    HI,   1266.) 

LXXXVII,    Hostromirz  in  Böhmen,  Kreis  Budweis. 

217.  Der  hiesige  letzte  Pfarrer  Johann  Frazi  ging  nach  Zittau, 
wo  er  1631  verstarb.    (Exul.   136.) 

LXXXVIIL     Hünerwasser  bei  Leipa  im  nördlichen  Böhmen. 

218.  Der  hiesige  letzte  Pfarrer  Kaspar  Zedlitz  wurde  1624 
zu  Görlitz  —  wohin  er  sich  gewendet  hatte  —  unterstützt.  (Exul.  148."^ 

LXXXIX,   Jägerndorf  in  Oeste rreichisch-Schlesien,  seit  1872 
Filial  von  Klein-Bressel,  seit  1874  von  Troppau. 
Hier  ist  die  Gegenreformation  schon   1629  durchgeführt  und  das 
von  Georg  von  Brandenburg,  dem  Augsburger  Bekenner,  angezündete 
Licht  ausgelöscht  worden.    Trotzdem  soll 


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lÖl 

219.  Renatus  Friedrich  Longolius  etwa  1650  als  Sohn  eines 
dortigen  Pfarrers  geboren  sein.  Derselbe  hat  von  1676  bis  1698  als 
sächsischer  Pfarroi:  gelebt:  in  Rückersdorf  bei  Stolpen,  seit  1689  zu 
Taubenhdm,  seit  1693  zu  Sohland  a/S.  (Kr.  448.  KG.  VII,  iii. 
Oberl.  280.) 

XC,  Idensbojen  —  wie  es  scheint,   in  Niederösterreich.    {Der 
Name  scheint  enstellt  zu  sein.) 

Hier  war  von  1612 — 1616  Pfarrer 

220.  M.  Johann  Jentzsch,  geb.  1585  zu  Mügeln  in  Sachsen 
als  Sohn  eines  Rathsherrn,  1599 — 1604  Grimmenser;  er  studirte  in 
Wittenberg,  wo  er  1608  Magister  wurde.  Im  Jahre  1611  zog  er 
nach  Niederösterreich,  zunächst  als  Schlossprediger  nach  Inzersdorf. 
Von  Idensbojen  kam  er  1616  als  Pfarrer  nach  Pressburg.  Von  hier 
vertrieben  1635,  fand  er  von  1638 — 1662  als  Superintendent  zu 
Oschatz  einen  gesegneten  Wirkungskreis  in  seinem  Vaterlande  und 
starb  17.  Januar  1662    77jährig.  (Kr.  383.  GA.  81.  KG.  III,  134.) 

XCL     Jechnitz  bei  Saaz  im  nördlichen  Böhmen. 

Hier  wirkte  bis  zu  seiner  Exilirung  1624  der  bereits  Jahrb.  VII, 
194  f.  unter  XXIV,  78  aufgeführte  Viktorin  Facilides  als  Pfarrer. 

XCIL    Iglau   in   Mähren,    seit  1824  Filial  —  erst  von  Briinn.   seit 
10.  März  1878  von  Znaim. 

Hier  finde  ich  zwei  Austro-Sachsen : 

221.  M.  Johann  Georg  Fi  ekler,  geboren  1612  zu  Jglau  als 
Sohn  des  gleichnamigen  dortigen  Rectors  —  besuchte,  jedenfalls 
mit  seinem  Vater  exilirt,  vom  21.  September  1626 — 1632  die  Meissner 
Fürstenschule,  studirte  zu  Wittenberg  bis  1637,  wo  er  Magister  wurde. 
Er  ward  1642  als  Tertius  am  Freiberger  Gymnasium,  1652  als  Pfarrer 
im  benachbarten  Berthelsdorf  angestellt  und  ist  dort  1671  verstorben. 
(Kr.  33.  AA.  126.) 

222.  Sein  Landsmann  Joachim  Rauscher  wurde  1639  Cantor 
in  Werdau,  1643  Pfarrer  im  benachbarten  Oberalbertsdorf,  wo  er 
1663  verstarb.    (Kr.  365.) 


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102 

XCIII.    Jglo  in  Ungarn,  in  der  Zips, 
eine  der  i6  Zipser  Kronstädte  — ,  1412 — 1772   mit  12    derselben  an 
Polen  verpfändet,  während  dieser  Zeit  mannig&ch  geprüft. 

Hier  war  der  unter  Nr.   UV,  163   genannte   Daniel   Kl e seh 
geboren. 

XCIV,  Illyrien  (vielleicht  Istrien,  woAlbona  liegt,  der  Geburtsort 
von  Matthias  Flacius  Illyricus)  wird  angegeben  als  Vaterland  des 
223.    Georg  Scharff,   der  von  1560  an  eine  Zeit  lang  Pfarrer 
zu  Briessnitz  bei  Dresden  war.    (Kr.  53.) 

XCV,     Inzersdoff  in  Niederösterreich,    südlich   von  Wien  (am 
Wienerberge)  —  in  der  Nähe  der  , Spinnerin  am  Kreuze*. 
Hier    war    von    1611 — 1612    Schlossprediger    der    schon    unter 

Nr.  XC,  220  genannte  M.  Johann  Jentzsch.    Der  Ort,  den   eifrig 

evangelischen  Freiherren   von    Geyer  gehörig,  war   lange   ein  Sitz 

evangelischen  Gottesdienstes. 


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VIII. 

,^£xtract    derer    in    Materia    RdigiMus    ergangenen 

sowohl   Kaiser^'    und   K&nigHchen   -^    als   KönigHcb 

Ober^'Anifliehen  —  datin  Königlichen,  Amts--  —  wie 

auch  Königlichen  Repraesentations-  und  Cammer- 

Rescripten  ab  Anno  1692/' 

Uk^etheih  rcn  ProfesMr  ttfCfiAftD  FRlTSCtf£. 
II«   (FötMokuaf.)^) 

VerordnuDgen  gegen  die  ApotUten. 

1709,  den  3.  Juni,  K*  O.  A.  R»:  da0  diejenigen  Lande»-Iii* 
wohner»  weQ  Condition  oder  Standes  sie  immer  sein  mögen,  so  ent* 
weder  kathoUscb  gebohren  oder  erzogen  and  sich  zn  der  Augsb. 
Confession  gewendet  oder  welche  von  ermeldter  Aagsb.  Conf.  zur 
kathoL  Religion  getreten  und  davon  wiederum  abgefallen^  die  ver- 
lassene katholische  Religion  binnen  einer  sechswochentücben  Frist 
ohnfehlbar  annehmen,  oder  im  widrigen  nicht  nur  mit  ewiger  Landes- 
verweisung* sondern  auch  mit  Confiscirung  ihres  gegenwärtigen  und 
künftigen  Vermögens  bestrafet  werden  sollen. 

17 10,  den  18.  Mertz:  allergnädigster  Befehl  um  Einsendung 
einer  Speciiication  von  der  Apostatarum  confisdrtem  Vermögen. 

17x0,  den  27.  Juni:  K.  R. :  daß  denen  resipiscirten  Apostaten 
ihr  confiscirtes  Vermögen  zu  restituiren  seye. 

17 IG,  den  7.  Juli.  K«  R. :  daß  diejenigen  Apostaten,  welche 
zwar  revertiret,  aber  suum  errorem  cum  pertinacia  tuiren,  zu  Re- 
crouten  gegeben,  oder  wann  sie  darzu  untauglich  sind,  wider  aus 
dem  Lande  verwiesen  werden  sollen. 

17 17,  den  30«  April.  K.  K.  R.:  daß  denen  Biehtzer  Apostaten 
eine  sechswöchige  Frist  ad  resipiscendum  verliehen  und  nach  deren 

»)  Vgl.  S.  ^9-53 


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104 

fruchtloser  Verflüßung  sodann  wider  selbe  mit  der  wider  dergleichen 
abgefallene  in  dem  emanirten  Poenal-Patent  vom  3.  Juni  1709  auß- 
gesetzten  Strafe  ohnnachläßlich  verfahren  werden  solle. 

17 17,  den  30.  Juli.  K.  O.  A.  I.,  daß  wider  derley  Apostaten, 
wann  sie  nach  der  wiederholten  Relegation,  und  vorher  abge- 
schworenen Urphede  das  dritte  mabl  revertiren,  mit  der  in  denen 
Rechten  außgemessenen  Strafe  des  Maynayds  imnachbleiblich  ver- 
fahren, auch  dergleichen  Casus  mit  Anzeigung:  ob  der  reversiis  zum 
ersten  mahl  oder  iterato  praestitä  Urp}ied9-  r^legiret  worden;  gehörig 
einberichtet  werden  solle,,  wo  sonach  die  benothigte  Außmessung  er- 
folgen wird.  .,J». 

17 19,  den  17.  August.  K.  O.  A.  R.  in  puncto  der  von  dem 
Herrn  Johann  Leopold  von  Zemetsky*  begahgenen  Apostasie  und 
Criminis  falsi,  weßwegen  er  Zemetzky  durch  den  hiesigen  königlichen 
Fiscum  in  Anspruch  zu  nehmen  und  sofort  nach  Befund  zur  verdienten 
Strafe  zu  ziehen,  auch  auf  den  Fall  des  periculum  fugae  versichert 
würde. 

17 19,  den  21.  August.  K.  O.  A.  I.,  daß  die  Obrigkeiten  und 
Domini  Jurisdictionis,  welche  die  Apostaten  wissentlich  und  vörsetz- 
lich  auf  ihrem  Grund  und  Boden  latitiren  lassen  und  zu  ihrem  Auf- 
enthalt allen  Vorschub  geben,  die  zu  Bestrafung  derley  Apostaten 
erforderlichen  Unkosten  fiirohin  zu  ertragen  schuldig  seyn  sollen. 

1720,  den  11.  May.  K.  O.  A.  V.:  womit  die  Apostaten,  falls 
bey  ihnen  keine  Resipiscenz  zu  bewürcken  wäre,  mit  der  von  Ihro 
Kays.  Majestät  außgesetzten  Strafe  irremissibiliter  angesehen,  wie 
nicht  weniger  jene  Kinder,  so  von  der  Religion  des  katholischen 
Theils,  sonderlich  dem  Geschlecht  nach,  abgewendet  werden  wollen, 
zu  Annahme  und  Beybehaltung  des  allein  seelig  machenden  Glaubens 
mit  allem  Nachdruck  angewiesen  werden  möchten. 

1722,  den  4.  May.  K.  O.  A.  R.:  daß  die  Relegation  derer 
Apostaten  aus  denen  gesammten  Kays.  Erb-Ländern  deren  von 
katholischen  Eltern  erzeigten  und  Lutherisch  erzogenen  auch  nicht 
resipisciren  wollenden  Kindern  aber  nur  aus  dem  gantzen  Fürsten- 
thum  zu  verstehen  seye.  Solte  hingegen  jemand,  der  aus  dem 
gantzen  Fürstenthum  oder  einer  benachbarten  Herrschaft  geschaffet 
worden,  in  ludibrium  der  Amts- Verfugung  sich  etwa  nahe  an  dessen 
Gräntzen  niederlassen  und  dadurch  zu  einem  besonderen  Scandalo 
Anlas  geben,    so   ist  solchenfalls  die  benachbarte  Herrschaft,    damit 


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105 

einem  fiolchen  verwegenen  Renitenten  kein  Unter komriien  verstattet 
werde,  zu  reqniriren,  oder  der  Casus  an  das  König!.  Ober- Amt  ein- 
zuberichten.  •  ...:.-' 

1722,  den  17.  July.  K.  CK  A.  R.,'äaÖ  das  von  dem  P.  Gawinsky 
ertheilte  Attestatum  in  puncto  des  apostatirteil  ?olwarczny'  denen 
andern  Zeugen  vorzuziehen  und  selbter  aus  dem  gantzen  Fürsten- 
thume  zu  relegiren  seye. 

1724,  den  13.  Juny.  K.  O.  A.  R.  besagende  i)  daß  diejenigen, 
welche  von  differenter  Religions-Eltern  gebohren  sind  und  das  20.  Jahr 
schon  überschritten  haben  und  wo  keine  Hoffnung  der  Reduction 
wie  auch  kein  Verdacht  der  Apostasie  vorhanden,  connivendo  un- 
angeferttigter  gelassen,  hingegen  2)  die  übrigen,  so  unter  diesem 
Alter  und  etwa  im  15.  16.  oder  17.  Jahre  seynd,  zur  Annehmung 
des  katholischen  Glaubens  juxta  sexum  partis  catholicae  quovis  modo 
angehalten,  nicht  minder  3)  jene  Abtrinnige,  so  von  beiderseits  katho- 
lischen Eltern  entsprossen,  absque  discrimine.  aetatis  et  sexus,  in 
Entstehung  der  Resipiscenz  aus  dem  Lande  cum  effectu  abge- 
schaffet,  und  endlich  4)  diejenigen  katholischen  Eltern,  so  noch 
beym  Leben  und  durch  eine  so  gewissenloße  Cönnivenz  der  Ver- 
fuhrung ihrer  Kinder  sträflich  zugesehen,  nach  Beschaffenheit  der 
Persohn.  Alters  und  Vermögens,  oder  anderer  derley  aggravirenden 
Umständen,  besonders  aber  die  katholischen  Vätter  wohl  empfündlich 
und  exemplariter,  es  seye  an  Leib  in  opere  publico  oder  an  Geld 
ad  pias  causas  abgestrafet  werden  sollen. 

1727,  den  13.  Jan.  K.  O.  A.  R.  wegen  der  als  Apostaten  an- 
gegebenen Ehe-Leuthe  Pasterwer  von  Gureck. 

1734,  den  10.  Mertz.  K.  O.  A.  V.:  daß  die  in  der  Apostasie 
verharrende  Anna  Glaitzar  aus  dem  gantzen  Lande  zu  relegiren  seye. 

1738,  den  14.  Juny.  K.  O.  A.  R.  wegen  einer  in  Bielitz  be- 
fundlichen Apostatin  Anna  Steffek,  um  derselben  halber  das  nöthige 
vorzukehren. 

1751.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  die  bereits  einmahl  relegirte  und 
hinwiederum  revertirte  Apostatrix  Anna  Czyi  nunmehro  cum  urpheda 
praescribiret  werden  solle. 

175 1,  den  28.  Aug.  K.  K.  Repraes.  R.  ratione  des  Thomas 
Bujock  von  Weichsel  und  Paul  Sykorischen  Eheweibs  von  Karpentna 
relegirte  Apostatin  pro  restitutione  reversionis  um  Bericht. 


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106 

1752,  .K.  K.  Repr.  R.  vom  i.  July,  daß  künftighisi  denen 
Männern  wegen  ihren  apostasirenden  Wetbem  die  tertia  conjugaUs 
bei  lebzeiten  jener  nicht  benommen,  sondern  nur  versichert,  mithin 
dem  Paul  Sykora  von  Karpentna  und  Jakob  Hetzko  von  Koscharczik 
die  benommene  tertia  conjugalis  restituiret  werden  solle. 

1753,  den  28.  Aug.  K,  K.  Repr.  R,,  daß  mit  dem  Ehe- Weibe 
des  verstorbenen  Paul  Wowreczka  und  des  Johann  Wrubels  Ehe- 
Weibe  als  apostatinen  von  Grodischt  nach  denen  Generalien  ver- 
fahren werden  solle. 

1754,  den  20.  April.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  die  bey  der  Rele- 
gation derer  apostaten  sich  ereignende  Gerichtsunkosten  aus  dem 
confiscirenden  Vermögen  der  proscribirenden  Apostaten  lauth  der 
Joseph.  Peynl.  Gerichtsordnung  zu  bestreithen,  wann  aber  solche 
unbemittelt,   so  solle  sothane  malefiz  Spesen  das  Dominium  tragen. 

1754,  den  25.  Juny.  K,  K.  Repr.  R.,  daß  die  ex  apostasia 
angeferttigten  Persohnen  sogleich  vorgeladen,  nach  deren  Überführung 
denenselben  die  öwochentliche  Bedenckzeit  ad  resipisceiidum  gegeben 
und  binnen  denen  6  Wochen  gefänglich  aufbehalten  werden  sollen, 
weilen  selbe  für  criminal  anzusehen. 

1756,  den  IG.  April.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  weilen  wider  den 
de  Apostasia  überführten  Paul  Bailaß  seines  hohen  Alters  und 
schwächlichen  Kräften  halber  mit  der  Uebersetzung  nacher  Sieben- 
bürgen nicht  wohl  fiirgegangen  werden  kan,  selbter  zwar  im  Lande 
belassen,  dahingegen  auf  ein  anderes  von  Puntzau  genugsam  ent- 
ferntes der  Teschner  Cammeral-Jurisdiction  untergebenes  Orth  zu 
emem  kath.  Würth  in  die  Armen- Verpflegung  gegeben  werden  solle. 

1764,  den  6.  Nov.  K.  K.  A.  R.,  daß  die  revertirte  Apostatin 
Anwa  KurÄok  auf  ein  anderes  von  Weichsel  entferntes  Camcral  Dorf 
zu  einem  kath.  Würth  in  die  armen  Verpflegung  gegeben  werden  solle. 

1764,  den  18.  Dec.  K.  K.  A.  R.  wegen  Entlassung  der  ex 
capite  Apostasiae  im  hiesigen  Stock-HaaB  sitzenden  Anna  Polak 
gegen  Caution  von  100  Ducaten. 

1765,  den  K).  April.  K,  K.  A.  I.,  daß  der  Andreas  Kintzel, 
dann  die  Marina  Frohnin  von  Br^ezuwka  und  die  Marina  Tiemalm 
von  Godischau  als  convincirte  Apostaten  nach  Maaß  höchster  An- 
ordnung de  Anno  1755  nacher  Siebenbürgen  abzuschicken  und 
welchergestalten  mit  des  Andreas  Kintzel  seinen  Söhnen  zu  ver- 
fahren seye. 


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107 

176s,  den  19.  Nov.  K  K.  A.  I.  der  allerhöchsten  K.  K.  Re- 
solution wegen  der  arrestirlich  insitzenden  Apostaten  und  deren  Ver- 
absendung  halber  nacher  Hungam. 

1766,  den  26.  Mertz.  K.  K.  A.  L  in  Betreff  der  Bestrafung 
derer  in  dem  Teschnischen  Stock-Haufl  einsitzenden  drei  Apostaten. 

1766,  den  24.  Nov.  K.  K.  A.  I.,  dafl  die  in  dem  Teschnischen 
Stock-Hauß  insitzenden  drey  Apostaten  benanntlich  Andres  Kintzei 
von  Nieder-^ukau ,  Marina  Fruhnin  von  Briezuwka  und  Marine 
Tiemalin  von  Godischau  dchleinig  nach  Wien  abgesendet,  von  da 
aber  nach  Siebenbürgen  abgeflihret  werden  sollen. 

1769,  den  19.  Sept.  K,  K.  A.  R.  wegen  Relegirung  der  Apo- 
statin Anna  Suniek  und  Confiscirung  des  Vermögens,  dann  wegen 
Arretirung  ihrer  entwichenen  zwey  Töchter  Susanna  und  Marina. 

1769,  den  IG.  Octob.  K.  K.  A.  R.,  was  maßen  der  de  apo- 
stasia  überwüsene  Georg  Smolon  als  Recrout,  wann  er  hiezu  tauglich 
ist,  gestellet,  im  widrigen  aber  außer  Landes  geschadet  werden  solle. 

1774,  den  22.  Nov.  K.  K.  A.  R.  wegen  Ablieferung  des  de 
apostasia  bereits  überwiesenen  Andres  Pilch  von  Weichsel  in  die 
hierortige  Frohn  Veste. 

1777.  den  13.  May.  K.  K.  A.  R.,  daß  die  Apostatin  Anna 
Sikora,  wann  sie  sich  nicht  bekehret,  in  das  Troppauer  Commercial- 
Arbeiths-Hauß  unter  sicherem  Geleite  eingeliefert  werden  solle,  wo* 
selbst  sie  bis  zur  Wieder-Aufnahm  des  kath.  Glaubens  aufbehalten 
werden  wird. 

1781,  den  6.  Mertz.     K.  K.  A.  L,   daß  Ihro  K.  K.  Majestät 
über  die  von   hier   eingeschickte  General- Verzeichnüß  und  Ausweiß 
der   zum    katholischen   Glauben    bekehrten    Persohnen   Dero    Aller* 
höchstes  Wohlgefallen  zu  erkennen  zu  geben  geruhet. 
Verordnungen  gegen  die  Malsstarrigen. 

1719,  den  14.  August.  K.  O.  A.  R.,  daß  der  von  Beedersciths 
katholischen  Eltern  entsproßene  und  ad  Religionem  catholicam  sich 
nicht  bequemen  wollende  fünfzehnjährige  Knabe  Georg  Gaß  unter 
das  militare  gegeben  und  des  Johann  Zagitz  Tochter  Eva,  wenn 
die  Mutter  katholisch  gewesen,  auf  des  Vaters  Unkosten  in  ein 
Jungfrauen-Kloster,  bis  sich  selbe  zum  katholischen  Glauben  bequemt, 
gebracht  werden  solle. 

1720,  den  3.  Mertz.  K.  O.  A.  R.  Die  Reduction  derer  zum 
Theil   von    katholischen,    zum   Theil   aber  von    zweyerley   Religion 


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1Q8 

Eltern-  enisprössenen  Kindef  betreffend,  womit  diejenigen  Eltern,  so 
entweder  wider  <fie  gdeisteteh  Stipülationes  handeln,  od^  sonsten 
ratione  sexus  ihre  Kinder  katholisch  zu  erziehen,'  so  schuldig  als  be- 
rechtiget sind;  und' Solches'  dennoch  unveraht wortlich  und  zä  Ihrem 
Selbst  dgeiien  Verderb  unterlassen,  mit '  wohlverdienter  und' in  die 
Augen  leichterider  Bestrafung. angesehen  werden  itiögeft. 

1720,  den  12.  Juni.  K.  O.  A.  R; :  daß  die  als  zu  halsstarrig 
sich  bezeigenden  Knaben,  deren  VäteV  katholisch,  wenn  sie  zwischen 
14  und  16  Jahren  seyndt,  selbe  unter  die  Militz  zu  Drummel-Schlägem 
gegeben,  die  erwachsenen  aber  zu  Recrduten  gemacht,  oder  auch 
aus  deni  Landie,  weilen  doch  die  von  der  Religion  ihrer  katholischen 
Eltern  abgewichenen  Kinder  denen  wahren  Apostaten  nicht  viel  un- 
gleich zu  sein  scheinen,  abgeschaffet,  nicht  minder  unter  einem  die 
katholischen  Väter,  welche  durch  ihre  strafbare  Lauigkeit  zu  Er- 
greifung derley  verdrüßüchen  Extremitaeten  Anlas  gegeben,  mit 
einer  wohl  empfündlichen  Animädversion  es  seye  dui-ch  Gefängnus 
oder  Anstrengung  ad  opus  publicum,  andern  zur  künftigen  Wahr- 
nigung,  und  um  mehrere  üble  Sequelen  kräftig  vorzubeugen,  ange- 
sehen werden  könnten.  Ferners,  daß  die  Casus  specifici,  oder  die 
Individua,  welche  denen  Kayserlicbeh  Befehlen  sich  nicht  unterziehen 
wollen,  nebst  Eröffnung  derer  Obstaculörum,  so  sich  darbey  hervor- 
thun,  anzuzeigen  sind. 

1720,  den  3.  July.  K.  O.  A.  V. :  daß  die  zwei  älteren  von 
einem  katholischen  Vater  erzeugten  Czyanischen  Söhne  unter  die 
Militz  gegeben,  der  Väter  aber  in  einem  sechswochentlichen  engen 
Arrest  aufbehalten  und  da  er  binner  solcher  Zeit  zur  Resipiscenz 
obgedachter  Knaben  cum  Effectu  zu  concurriren  sich  weigern  sollte, 
sodann  gleichfalls  unter  die  Militz  gegeben  werden  möge. 

1724,  den  4.  Febr.  K.  O.  A.  R.-  wegen  der  Orlauer  Kinder 
Bekehrung,  dann  ratione  der  ihren  kaitsinnig  und  gewissenloßen 
Eltern  ad  opus  publicum  andictirten  Acht  und  respective  Sechzehn 
wöchentlicher  Strafe. 

1724,  den  16.  October.  K.  O.  A.  R. :  daß  die  von  beyder- 
seiths  katholischen  Eltern  gebohrenen.  Lutherisch  aber  erzogenen 
Kinder,  so  nicht  resipisciren  wollen,  aus  dem  gantzen  L^nde  zu 
relegiren  und  wider  die  Eltern,  welche  hieran  Schuld  tragen,  mit 
empfiindlicher  Strafe  zu  verfahren  seye,  auch  die  Geld-Bußen  in 
Usus  Religionis  anzuwenden  sind. 


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109 

1732,  <ien  27;  Mertz,  K.  =0.  A.,R.,:. womit  der  von  einem.: 
katholischen  Vater  erzeugt^  Mathias  Holexsi,  daiin;  dar  MOn  ;Beeder- 
seiths  katholischen  Eltern  h^r^tan^mende  Johani)-  Jasio(wsky«  B^ede 
zum  Luth^rthum  verführte  ,  Cammpr-Untefthan.^  ;  zu;  Usjtrön  izui 
Amplectirung  der  wahren  katholischen  Religion  per  arQtiora:  ange- 
halten werden  tsollen.  :    r    .    -  .     ;-    :.:..•     ;• 

1754,  den  2j.  Sept.  K..:K.  Repr.  R.,  daß  der  Johann  Martinek.' 
und  Adam  Boczek,   welche   sich  denen  zu  Gestellung  «der  Elisabeth  " 
Martjnek  abgeschickten  2  Högern  widersetzten,  miteinemlö  Wochentl. 
opere  publico  Dominieali  in  Ey^en  und'Banden.  zu ! bestrafen,  seynd. 
2)  Sind  von  denen  jenigen  Persohnen,  so  die  luth.  Prcsdigenirequen- . 
tiret,  des  Johann  Schlauer  Eheweih  und  George  Lassota  wegen  ihrer" 
bezeigten  Hartnäckigkeit  durch  8,  Tage  zur  Säuberung  der  Wendriner 
Kirchen  und  Kirchhofs  condemniret,  zugleich  aber  sojle  nicht  alleiti  . 
diese   sondern   alle   übrige   diesfalls   angeschuldigte. .  Individua   durch : 
3  Monath  alle  Sonn-  und  Feyertäge  in  ^dem  kath.  Gottesidienst.sich  . 
ohnfehlbar  einfiinden  und   bey   dem  Pfarrer   persöhnlich  zu  meldea  • 
haben,   dieser   aber   dahin   angewiesen  >yerden  solle,   auf  diese  Per- 
sohnen  ein  wachtsam.es  Auge  zu  tragen.  '     ,   ' 

1768,  den  9.  Aug.  K.,  K.  A.  R„  daß  der  Johann  Tientiala 
von  Wendrin  aus  dem  Schloß-Arreste  in  die  Stadt  Teschenische 
Frohn-Veste  übersetzet  und  mit  einem  2  Monathl.  opere  publico 
beleget  werden  solle. 

1768,  den  27.  Sept.  K.  K.  A.  R.,  daß  die  Anna  Podgoyskin 
von  Roppitz,  dann  der  Michael  Schlauer  von  Puntzau  und  der  Jakob 
Zienteck  von  Oldriichowitz  mit  einem  6  wöchentlichen  opere  Domini- 
eali in  Eysen  und  Banden  bei  der  Stadt  Teschen  beleget  werden 
sollen. 

1769,  den  15.  April.  K.  K.  A.  R.  wegen  Bestrafung  der  drey 
halßstärrigen  Eltern  Georg  Turon,  Johann  Marosch  und  Mathes  Sto- 
navsky  mit  einem  sechs  wöchentlichen  opere  publico  in  Eysen  bei 
der  Stadt  Teschen. 

1770,  den  13.  Febr.  K.  K.  A.  R.,  daß  dem  Bernhard  Primus 
aus  Tierlitzko  die  Bezahlung  40  fr.  Kost-Geldes  vor  seine  bey  den 
Elisabethinerinnen  befündliche  Tochter  auferleget  worden  seye,  dann 
noch  wegen  auf  Kleidung  und  Wesche  jährlich  abzureichenden  40  fr. 

1770,  den  24.  März.  K.  K.  A.  R.  wegen  Bestrafung  der  Vero- 
nicae   des   Adam   Kischa   aus   Ellgoth    übel    erzogenen   Ehe-Weibes 


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mit  einem  sechs  wöchentlichen  opere  publice  in  Eysen  zu  Teschen, 
und  wienach  selbe  bd  nicht  erfolgender  Gestellung  ihrer  altem  drey 
Töchter  zur  Glaubens  Unterweisung  btnner  dieser  Straf-Zeit  sodann 
nach  Troppau  auf  Ihre  Unkosten  zu  langem  opere  publico  gebradit 
werden  solle. 

1774,  den  23.  Nov.  K.  K.  A.  R.,  daß  die  beyden  halßstarrigen 
Vätter  AdMn  C^asldlo  und  Johann  Kischa  von  Ellgoth,  falls  sie 
binnen  3  Tagen  ihre  dem  Anspruch  unterliegenden  Kinder  zum 
kath.  Unterricht  nicht  gestrileten  mk  emem  sechswochentlichen 
opere  pubUoo  in  Eysen  xmd  Banden  bey  hiesiger  Stadt  beleget  und 
falls  diese  Züchtigung  nichts  verfangete,  mit  anderweithiger  Öfent* 
licher  Arbeitb  beleget  werden  sollen. 

1781,  den  a8.  Aug.  K.  K.  A.  R.,  da0  der  Gcwg  Janik  von 
Grudek,  so  nach  Anzeige  des  hies^en  Herzogl.  Kammeral  Ober- 
Regenten  dem  Wendriner  Rewier-Jäger  Thomas  Wistuba  bey  Ab- 
hoUung  sehies  Knabens  sum  kath.  Unterricht  mtt  Schlägen  übel 
tractiret  hat,  noch  zuvor  über  seine  sträfliche  Widersetzlichkeit  zur 
Verantwortung  zu  stehen  und  falls  sich  das  Factum  angezeigter 
maßen  verhielte,  derselbe  nebst  aner  scharfen  Wamigung  pro  fiituro 
mit  einem  I4tägigen  opere  DominicaH  in  Eisen  zu  seiner  verdienten 
Strafe  andern  zum  Beyspiel  zu  belegen  seye. 

Verordnungen  gegen  die  Entwichenen  und  Venchickten. 

1719,  den  25.  August.  K.  O.  A.  I.,  daß  dem  Herrn  Bernhard 
Freyherm  von  Marddowsky  seine  in  Gestellung  seines  Sohnes  bis- 
hero  gebrauchten  verschiedenen  Tergiversationes  scharf  verwiesen, 
hernach  aber  der  auf  sein  Vermögen  gethane  Beschlag  aufgehoben 
und  dessen  Sohn  zwar  auf  freyen  Fuß  gestellet,  jedoch  seibter  nidit 
außer  Landes  gelassen  und  educirt  werden  solle. 

1751,  den  18.  Dec.  K.  K.  Repraes.  R.:  daß  die  kath.  zu  erziehen 
kommenden  Kinder  ohne  Vorwissen  des  kath.  Pfarrers  extra  oder 
intra  Provinciam  bey  arbitrarischer  Strafe  nicht  verschicket  werden 
sollen. 

1754,  den  I.  July.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  die  Eltern,  welche  an 
der  Entfernung  ihrer  Kinder  Theil  haben,  so  lange  diese  ad  Locinn 
unde  nicht  zurückgesteilet  werden,  arrestirlich  angehalten,  falls  aber 
die  ZurücksteHung  nicht  mehr  in  ihrer  Macht  stünde,  mit  einer  andern 
Strafe  nach  den  Umständen  angesehen  werden  sollen. 


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1755»  <lwi  3.  May.  Extract  eines  K.  K.  Repr.  R.  respectu  der- 
jenigea  EHern,  «o  am  der  Entfernung  ihrer  Kinder  Schuld  tragen, 
die  Facultates  genau  zu  erforschen,  folgl.  hirüber  auch  die  (Ör  efai 
oder  die  andere  milstireode  erschiverend  oder  lindernde  Betchaffen- 
heit  ein  separirter  Bericht  tnnexo  parere  zu  erstatten,  wie  selbte 
entweder  in  «ere  oder  pelle  zu  beatraüsn  tetn  dürften. 

1755,  den  2U  Juny.  K.  K.  Repr.  R.,  daA  die  Eltern,  so  ihre 
Kinder  aufier  Landes  gesehtcket,  benamtd.  Jaicob  Syicora  mit  einer 
Geld  Strafi»  von  30  fr*  für  das  Ustioner  Waysen-Haus  beleget,  die 
übrigen  aber  als  der  George  TuroQ,  Michael  Ticby,  Andres  LanU 
und  des  Paul  Ttntiala  Ehewdb  Susanna  mit  einem  z  Monatbl.  opere 
dominicali  in  Eysen  und  Banden  bestrafet,  fiihrabin  aber  in  derley 
Fällen  das  Juramentum  purgatorium  nicht  mehr  deferirat  werden  solle* 

1755.  dca  16.  ScpUf  K.  K.  Repr.  JL,  daO  die  Marina  Cbmiel 
so  lang  mit  persobnlicben  Arrest  zu  belegen,  bis  sie  ihre  Tochter 
ad  hoQWi  unde  zurückgestellet  haben  wird. 

1756,  den  17'  Jan,  K-  K.  Repr.  R.,  welcher  gestalten  der  Eigen* 
sinn  des  Johann  Filatzek  in  Troppau  in  opere  pubüco  zu  züchtigen, 
dessen  aber  derselbe  nicht  ehender  zu  befreyen«  bis  er  die  Wider- 
gestellung  seines  Sohnes  befolget  haben  wird. 

1765.  den  5.  Febr.  K.  K.  A.  R.,  daß  der  Paul  Pszczolka  von 
Ogrodzon  w^en  seines  übel  erzogenen  und  ins  Preußische  verschickten 
Sohnes  mit  zwei  Monathl.  opere  Dominicali  in  Eisen  und  Banden  be- 
leget —  auch  ihme  der  so  lang  erduldende  Arrest  in  poenam  im- 
putiret  werden  solle. 

1768,  den  31.  May.  K.  K.  A.  R.  wegen  Bestrafung  des  George 
Niedoba  von  Zeißlowitz  mit  zwey  Monath.  opere  pubüco  in  Eysen 
und  Banden  ratione  der  entweichung  seiner  3  Söhne  in  Preußisch 
Schlesien. 

1770;  den  30.  Octob.  K.  K.  A.  I.,  daß  der  Mathes  Liberda 
nacher  Troppau  ad  opus  publicum  abgeliefert  und  allda  so  lang  auf 
behalten  werden  solle,  bis  er  seine  außer  Landes  geschickten  Kinder 
zu  dem  kath.  Unterricht  gestellet  haben  wird. 

1772,  den  25.  April.  K.  K.  A.  R.,  daß  des  Bernhard  Primus 
von  Tierlitzko  sein  Ehe-Weib  wiederholt  in  Arrest  genommen  und 
allda  in  so  lang  aufbehalten  werden  solle,  bis  sie  ihre  zur  kath. 
Religion  bereits  adjudicirte  zwey  Töchter  aus  dem  Preußischen  zu- 
rückgeschafet  haben  wird,  wo  so  dann  beede  diese  Kinder  entweder 


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112 

in  das  Ustroner  Waysen-Hauß  oder  sonst  in  gute  Verwahrung  ge- 
geben werden  soUqn,  dann  wegen.  Reassumirung  der  .Sequestration 
des  Primusseben. Frey-Guths.  :  .    j. 

.  1772,  den  6,  Octob.  K.  K.  A.  I.,  daß  die  Anna  Primu»  faUs 
sie  binnen  drei  Tagen,  ihre  ansprüchigen  Kinder  :  nicht  gestellen 
würde,  mit  einem  .scchswochentlichen  opere  public©  •  in  Ejrsen  auf 
ihre  Kosten  zu  belegen  und  :  überhaupt  in  so  lang  zu  ^  züchtigen 
seye,  bis  sie  ihre  Töchter  wieder  ins  Land  gisstellet  haben  wird. 

1772,  den  t2.  Dec.  K.  K.  A.  R.,  was  maßien'  die  Helena 
Matlöchin  clermahlen  verehligte  Malisch  mit  ihrem  Gesuch'  um  Frey- 
las^ung  ihrer  Töchter  von  allem  Religions- Anspruch*  gäntzlich  ab- 
und  dahin  anzuweisen  seye,  daß  sie  ihre  ins  Preußfsche  Verschickte 
18jährige  Tochter,  die  sie  aus  dem 'Ustroner  Waysen-Haüße  weg- 
geschafft, binnen  4  Wochen  bei  Strafe  ■  persöhnlichen  Arrestes  abso- 
lute in  besagtes  Waysen-Hauß  zurückgestellen  solle. 

1773,  den  14.  Nov.  K.  K.  A.  R.,  worinnen  die  Zufriedenheit 
über  die  von  der  verwittibten  Anna  Primus  A.  C.  befolgte  zurück- 
schafung  ihrer  zwey  Töchter  aus  Preußisch  Schlesien  und  in  An- 
sehung derer  geschehenen  Angelobung  in  das  Ustroner  Waysen- 
Hauß  bezeiget,  zugleich  auch  die  Arrest-Entlassung  der  Mutter  und 
was  wieder  die  Entführer  dieser  zwey  Töchter  von  dem  Criminal- 
Gerichte  zu  Teschen  erkennet  worden. 

1776,  den  9.  Nov.  K.  K.  A.  V.,  daß  der  wegen  Entführung 
ihrer  Tochter  ins  Preußische  in  hiesigen  Stock-Hauß  insitzenden 
Anna  Raschka  annoch  ein  3  tagiger  Tehrmin  zu  Gestellung  ihrer 
Tochter  ad  Locum  unde  und  dem  Orths  Pfarrer  zum  kath.  Unter- 
richt anberaumet,  nach  dessen  fruchtlosen  Verstreichung  aber  die- 
selbe mit  einem  öwochentl.  opere  publico  allhier  beleget  und  wann 
dieses  auch  nichts  verfünge  auf  eigene  Kosten  in  das  Troppauer 
Commercial  Arbeiths-Hauß  abgeliefert  und  darinnen  bis  zu  ge- 
schehener Sistirung  ihrer  Tochter  aufbehalten  werden  solle. 

1781,  den  21.  April.  K.  K.  A.  R.  i)  in  Betref  der  Marina 
Czy2  und  der  Anna  Bonka,  ihrer  Bestrafung  halber.  2)  respectu  der 
entwichenen  Männer  obgesagter  zwey  Weiber.  3)  um  die  nöthige 
Vorkehrung  zu  treffen,  auf  daß  die  entwichenen  Czyz  und  Bonkische 
Töchter  ausgeforschet  und  in  das  Ustroner  Waisen-Haus  abgegeben 
werden  möchten. 


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Verocdnuai^cn  über  die  znr  Inttructioii  in  Articulis  Pidei  Safvificfie  zu  Stellenden. 

1721,  den  23.  August.  K.  O.  A.  V.:  wasmafien  die  consignirteo 
von  zweyerlei  Rdigion^ElCern  entsprossenen  Kinder  aus  ZiwotHz 
und  Nieder-Bludowitz  dem  da$igen  Pfarrer  zur  Instruction  in  Arti- 
culis Fidei  salvificae  eingeantwortet  und  hierinnfalls  erzogen,  respectti 
dererjenigen  katholischen  Väter,  so  ihre  Söhne  im  Lutberthum  edu- 
ciren  lassen,  auf  eine  in  die  Augen  leichtende  Bestrafung  rcflectiret 
und  darmit  cum  £(fectu  verfahren,  auch  die  Herrschaften,  welche 
an  derley  Verführung  Theri  nehmen,  mit  einer  wohl  empfündlicheo 
Ge(d-Strafe  beleget  werden  sollen. 

1725,  den  26.  November.  K.  O.  A.  R.:  wegen  des  Pruch- 
nauer  Kretschmers  seiner  zwey  katholisch  zu  erziehen  kommenden 
Töchter. 

1737,  den  2.  De'c.  Kays.  R.,  daß  die  Eltern  jener  Kinder, 
welche  in  der  katholischen  Religion  zu  erziehen  kommen,  in  denen 
Örthem,  wo  Kathoiische  Kirchen  sind,  in  sothane  Kirchen,  in  jenen 
Orthen  hingegen,  wo  keine  katholischen  Kirchen  vorhanden,  in  der 
von  denen  Pfarrern  daselbst  destinirte  besondere  HäuOer,  und  in 
dem  von  Ihnen  Pfarrern  vorhero  angezeigten  Tag  und  Stund  obo- 
fehlbar  zu  schicken  verbunden,  auch  damit  solches  desto  verlässiger 
geschehe,  die  Obrigkeiten,  wessen  Religion  sie  seyn  mögen,  gehalten 
seyn  sollen,  die  Eltern  zu  Schkrkung  gedacht  ihrer  katholisch  zu  er- 
ziehen kommenden  Kindern  an  die  katholischen  Kinder-Lehrer  um 
so  gewisser  anzuhalten,  als  im  widrigen,  wenn  nemlich  der  katho- 
lische Pfarrer  bei  einer  Obrigkeit  die  diesfällige  Assistenz  in  Gegen- 
wart  eines  Zeugens  zu  dreymahlen  ansuchete  und  solche  dennoch 
nicht  würcklich  geschehete,  sothane  Obrigkeit  auf  die  von  deai 
Pfarrer  hierüber  an  das  König!.  Ober- Amt  geschehene  verlässige 
Anzeige  mit  einer  arbitrarischen  Strafe  zu  belegen,  auch  sofort  auf 
die  erfolgende  würckliche  Assistenz-Leistung  schärfer  anzudringen  seye. 

1738,  den  10.  May.  K.  O.  A.  R.,  daß  die  Schniegonißchen 
Kinder  zur  GtaubensJnstruction  nacher  Teschen  zu  gesteilen  und 
über  den  Erfolg  der  Bericht  abzustatten  seye. 

1738,  den  28.  Juny.  K.  O.  A.  R.,  daO  der  Andres  Tichy  von 
Grodischt  non  obstante  der  erreichten  20  Jahre  qua  male  educatus 
ad  Instructionem  Parochi  durch  8  Wochen  gestellet  und  wann  solche 
nichts  verfangen  sollte,  in  der  Luthrischen  Religion  connivendo  ge- 
lassen, jedoch  vom  katholischen  Parocho  getrauet  werden  solle. 

Jahrbuch  des  Proteataotumu«  1888.  H.  II.  3 


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114 

1739.  den  31.  Jan.  K.  O.  A.  R.,  damit  die  Anna  Juraschkowa, 
um  von  allen  lutherischen  Persohnen  abgesondert  und  im  katholischen 
Glauben  unterrichtet  zu  werden,  zu  dem  Herrn  Ober-Regenten  auf 
ein  paar  Monathe  in  die  Dienste  gegeben  und  der  Erfolg  einbe- 
richtet werde. 

1740,  den  5.  Aug.  K.  O.  A.  R.  wegen  ad  instruendum  in  fide 
catholica  von  Grodischt  successive  gestellender  Kinder. 

1746,  den  2.  Mertz.  K.  O.  A.  R.  um  ratione  der  Mariannae 
Cieslar,  ob  selbte  zur  Instruction  gefordert  und  hierzu  von  ihrer 
Herrschaft  angehalten  worden,  dann  wegen  ihres  Alters  die  Aus- 
kunft zu  erstatten. 

175 1,  den  4.  Juny.  K.  K.  Repraes.  R.,  dafl  der  Vogt  von 
Bystritz  Paul  Raschka  zu  Gestellung  seiner  zweyen  Söhnen  ad  In- 
structionem  Parochialem  ernstens  angehalten  werde. 

1752,  den  I.  July.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  die  Anna  Tieplik 
vor  eine  male  educata  allerhöchsten  Orths  erkannt  und  resolviret 
worden  seye,  selbte  auch  durch  bescheidene  Wege  und  gutte  In- 
struirung  des  Parochi  Loci  zu  der  kath.  Religion  zu  bewegen,  ihren 
Vatter  aber  anzubefehlen  bey  schwerer  Strafe,  daß  sie  weder  die 
Luth.  Kirche  frequentiren,    noch   auch   aus  dem  Lande  gehen  solle. 

1752,  den  24.  Oct.  K.  K.  Repr.  R.,  damit  dem  Herrn  von 
Logau  die  Sistirung  derer  im  kath.  Glauben  zu  erziehen  kommenden 
Kindern  unter  einer  Geld-Strafe  auferleget  wurde. 

1754,  den  4.  May.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  die  Dominia  Locorum 
nach  Proportion  ihrer  facultaten  und  circumstantzien  zu  sistirung 
derer  instruendorum  unter  einer  Straf  von  50.  IQO.  oder  auch  mehr 
Ducaten  angehalten  werden  sollen. 

1754,  den  12.  Aug.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  Ihro  K.  K.  Mayestät 
die  Elisabeth  Ditzius  von  Bielitz  mit  ihrem  unbefugten  Gesuch,  ihre 
Tochter  luth.  erziehen  zu  können  abzuweisen  geruhet. 

1757,  den  11.  Jan.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  die  George  Slowik 
und  George  Hallamische  Kinder  aus  Grodischt  zur  kath.  Unter- 
weisung von  ihrer  Obrigkeit  anzuverlangen  sind. 

1766,  den  15.  April.  K.  K.  A.  I.,  damit  die  Anna  Brzezinin. 
dann  der  George  Kania  und  George  Slowik,  falls  ihre  Kinder  binnen 
3  Tagen  zu  dem  kath.  Unterricht  nicht  gestellet  wurden,  über  den 
Bericht  ausgestandenen  Arrest  mit  einem  6  Wöchentlichen  Opere 
Dominieali  zu  Teschen  beleget  werden  sollen. 


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115 

1766,  den  15.  April.  K.  K.  A.  R.  wegen  des  George  Sykora 
von  Pruchna  und  seiner  Gestellung  nacher  Teschen  in  Arrest,  dann 
in  Ansehung  der  Sistirung  seiner  zvvey  Töchter  zur  kath.  Instruction. 

1768,  den  17.  May.  K.  K.  A.  R.,  daß  die  Gebrüder  Johann 
und  Andres  Mamitza  von  Konskau  mit  ihrem  bei  Ihro  K.  K.  Mayestät 
allerunterthänigst  eingereichten  Gesuch,  deren  Kinder  in  der  prote- 
stantischen Religion  erziehen  zu  können  ab  und  zur  Gestellung  ihrer 
Kinder  in  die  kath.  Lehre  angewiesen  sind. 

1770,  den  25.  Aug.  K.  K.  A.  J.,  daß  die  Anna  des  verstorbenen 
Andres  Mychnik  aus  Zywotitz  Ehe  Leibl.  Tochter  zu  fleißiger  Ge- 
stellung in  der  kath.  Lehre  anzuhalten,  und  da  sie  erst  17  Jahr  ist, 
mit  deren  Copulation  noch  zurückzuhalten  seye. 

1773,  den  7.  Dec.  K.  K.  A.  L,  daß  der  Johann  Twardzik, 
Acker-Bauer  in  Kurtzwald  mit  seinem  Seiner  Mayestät  selbsten  ein- 
gereichten Gesuch  ab-  und  zu  Gestellung  seiner  Kinder  zu  dem  kathol. 
Unterricht  angewiesen  werden  solle. 

^775»  den  i.  July.  K.  K.  A.  I.,  daß  der  Bielitzer  Handelsmann 
Gottlob  Barte!  mus  zu  Gestellung  seiner  Tochter  Eleonora  Susanna 
dem  Bielitzer  Ertz-Priester  zu  Erlangung  des  kath.  Unterrichts  zu 
verhalten  seye. 

1777,  den  II.  Febr.  K.  K.  A.  L,  daß  die  Tochter  des  Bielitzer 
Luth.  Kauf-  und  Handelsmannes  Gottlob  Bartelmus  bei  ihrem  in  Wien 
befundlichen  Groß-Vatter  Ludwig  Seelkopf,  wohin  sie  per  Diligence 
gebracht  worden,  zur  Erziehung  belassen  und  von  ihrem  Vater  auf 
Kost  und  Kleidung  jährl.  150  fr.  an  besagten  Ludwig  Seelkopf  in 
halbjährigen  Ratis  anticipate  richtig  abgeführet  werden  sollen. 

1777,  den  26.  July.  K.  K.  A.  R.,  daß  wider  die  in  Gestellung 
ihrer  18jährigen  Tochter  Marina  zum  katholischen  Unterricht  hart- 
näckige Eva  Gomolin  von  Lomna  mit  einem  6  wöchentlichen  opere 
publico  zu  verfahren  seye. 

1781,  den  3.  July.  K.  K.  A.  R.,  betreffend  die  von  dem  Golle- 
schauer  Pfarrer  specificirten  von  ihren  Eltern  zum  kath.  Unterricht 
nicht  gestellende  Kinder  alle  aus  Weichsel. 

(Schluss  folgt). 


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IX. 
Noch  einmal  Martin  Philadelphus  Zamrscesius. 

Mitgetheilt  von  Prof.  Dr.  Anton  REZEK. 

Zoin  ÄufsstjE«  des  Herrn  Siipevintendentefn  Dr.  Haase  über  den  Troppftaer 
protestantischen  Prediger  Martinus  Philadelphus  (Jahrbuch  III.  S.  103  ff.)  erlaube  ich 
m)r  Folgendes  zu  bemerken. 

Martinus  Philadelphus  gehört  zu  den  bedeutendsten  Vertretefn  des  Lutheranismus 
in  der  böhmischen  Literatur,  und  die  von  ihm  verfasste,  von  Herrn  Superintendenten 
Dr.  Haase  beschriebene  Postille  zu  den  werthvollsten  Büchern  des  XVI.  und 
XVII.  Jahrhunderts.  Diese  Postille  hat  auch  ihre  eigene  Geschichte,  die  ich  in  aller 
Kürze  berühren  will,  weil  sie  zugleich  einen  charakteruitischen  Beitrag  «ur  Geschichte 
des  Lutherthums  in  den  böhmischen  Ländern  bietet. 

In  dem  von  mir  herausgegebenen  historischen  Jahrbuche  (Sbornik  Historicky) 
hat  C.  Zibrt  (Band  IV  S.  77  ff.)  eine  erschöpfende,  in  Bezug  auf  die  dargebrachten 
Resultate  ganz  zuverlässige  Studie  über  Martin  Philadelphus  veröffentlicht  und  auf 
diese  Arbeit  stütze  Ich  mich  im  Nachfolgenden.  *) 

Martinus  Philadelphus  ist  nicht  irgendwo  in  der  ungarischen  Slowakei,  sondern 
in  Zämrsk  bei  Hohenmauth  (in  Böhmen)  geboren  und  zwar  im  Jahre  1550.  Uebcr 
seine  Jugend  und  Studien  sind  wir  gar  nicht  unterrichtet.  Gegen  das  Jahr  1579  oder 
1580  finden  wir  ihn  in  Mähren  und  zwar  als  einen  hervorragenden  Vertreter  der 
Augsburger  Confession.  In  der  Gegend  von  Alt-  und  Neutitschein  war  bis  zum  Jahre 
1578  in  derselben  Richtung  Jacobus  Künewald  oder  Kunwaldsk^  thätig,  der  sich  — 
sonderbar  genug  —  einer  besonderen  Gunst  des  berühmten  UnitätsangehÖrigen  Carl 
von  2erotfn  erfreute.  Auch  Kunewald  war  schriftstellerisch  thätig.  Wir  besitzen  von 
ihm  drei  Sammlungen  geistlicher  Lieder  und  Gesänge.  «)  Bald  nach  seinem  im  Jahre 
1578  erfolgten  Tode  nahm  Martinus  Philadelphus  seine  Stelle  an  und  zwar  so,  dass 
er  in  der  ersten  Zeit  kein  festes  Amt  bekleidete,  sondern  nur  mehr  im  Geheimen  den 
Anhängern  des  lutherischen  Bekenntnisses  in  der  Neutitscheiner  Gegend  predigte  und 
das  Abendmahl  darreichte.  Sein  Muth  und  seine  Beredsamkeit  stärkten  die  Lutheraner; 
im  Jahre  1581,  12.  Juli,  fassten  die  Neutitscheiner  den  allerdings  gewagten  Beschluss, 
Martin  Philadelphus  in  ihre  Stadt  zu  berufen  und  ihn  als  „böhmischen"  Prediger  an- 
zustellen. Und  so  geschah  es  auch.  Martinus  kam  und  wurde  bald  noch  mehr  berühmt 
und  beliebt,    wovon    die  Art  und  Weise,    wie   ihn  die  Neutitscheiner  mit  Geschenken 


»)  Zu  vergleichen  wäre  noch  J.  Jirecek  Rukov^e  k  dejindm  literatury  c«sk<    (Handbuch  xur 
Gesch.  der  böhm.  Literaiur)  II.  Artikel:  Philadelphus. 
>)  J.  Jirecek,  Rukovef  I.  433. 


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117 

entlohnten,  der  beste  Beweis  zu  sein  scheint.  Aber  diese  HerrHchkeit  war  von  kurzer 
Dauer.  Schon  am  I3,  Januar  15S2  kam  nach  Nentitachein  der  Landesunterkämmerer 
Nicolans  von  Hridek  und  im  Auftrage  des  Kaisers  bciahl  er,  den  böhmischen  Prediger 
sofort  zu  entlassen.  Die  Neutitscheiner  sträubten  sich,  aber  endlich  mussten  sie  —  als 
königliche  Stadt  •—  nachgeben.  Zu  Ehren  des  beliebten  Martinus  wurde  ein  grosser 
Abschiedsschmaus  veranstaltet  und  Philadeipbus  ging  dann  (9.  Febr.  1582)  nach  Weiss* 
kirchcn,  wo  er  bei  seinem  Freunde  Christoph  Slansky  (von  Schlan?)  Zuflucht  fand. 
Aber  bald  darauf  nahm  sich  seiner  Carl  von  ^erotin  an,  und  berief  ihn  nach  AU- 
titschein,  wo  er  unter  dem  Schutze  dieses  mächtigen  Herrn  längere  Zeit  ruhig  verlebte. 
Im  Jahre  1584  finden  wir  ihn  schon  inTroppau  als  böhmischen  Prediger  an  der 
Georgskirche.  Hier  heiratete  er  auch;  aber  die  Ehe  blieb  kinderlos. 

Seine  lieben  Nentitscheiner  besuchte  er  von  Troppau  aus  öfters  und  predigte 
ihnen  j^ls  Gast*'.  Seine  Predigten  und  Erbauungsreden  haben  damals  schon  eine  seltene 
Rühmlichkeit  erlangt.  In  Abschriften  circulirten  einzelne  Proben  ,,in  Böhmen,  Mähren, 
Schlesien  und  in  der  Slowakei''.  Martin  meinte  zwar  von  sich  selbst  recht  gering- 
schätzig, er  sei  ^einer  der  allerletzten  Hauer  auf  dem  Weinberge  des  Herm^  (»jeden 
a£  nejzadnöjäi  kopd£  na  vinici  Pdn^'*),  aber  die  allseitige  Anerkennung  seiner  Leistungen 
wirkte  doch  so  weit  auf  ihn,  dass  er  sich  vornahm,  seine  ganze  pastorale  Thätigkeit 
in  einer  Postille  zusammenzufassen.  Das  Werk  ist  gross  angelegt;  die  erste  Auflage 
zählt  1247  Seiten.  Im  Jahre  1590  war  das  Buch  fertig  und  die  sehr  anschauliche  aber 
langathmige  Vorrede  (XXXVI  Seiten)  am  15.  Juni  dieses  Jahres  unterschrieben.  Ein 
Verleger  fand  sich  bald  und  zwar  in  der  Person  des  hochmögenden  Herrn  Hynek  von 
Würben  und  auf  Freudenthal,  damals  Landeshauptmann  von  Mähren.  Dieser  Mann 
war  ein  eifriger  Anbänger  der  Augsburgischen  Confession  und  Hess  sich  sehr  angelegen 
sein,  dem  Lutherthnm  mehr  Eingang  und  Ruhe  in  Mähren  zu  verschaffen.  Martinus 
Philadelphus  rühmt  diesen  Eifer  mit  beredten  Worten.  Herr  von  Würben  Hess  auf 
seinem  Schlosse  Freudenthal  eine  Druckerei  herrichten  und  dort  wurde  Philadelphus' 
Werk  im  Jahre  1592  fertiggestellt.  Aber  der  Verfasser  erlebte  diese  Ausgabe  seines 
Baches  nicht,  denn  er  starb  kurz  vorher,  9.  März  1592,  beweint  und  betrauert  von 
Allen  die  ihn  kannten.  Gewidmet  ist  die  Postille  dem  Herrn  von  Würben,  als  dem 
grössten  Förderer  dieses  Werkes. 

Den  Inhalt  und  die  Vorzüge  der  Philadelph'schen  Postille  hat  bereits  Herr 
Superintendent  Dr.  Haase  so  klar  und  erschöpfend  dargelegt,  dass  ich  wohl  auf  eine 
Wiederholung  des  dort  Gesagten  verzichten  kann.  Eines  muss  jedoch  hervorgehoben 
werden.  Martinus  Philadelphus  Zamrscenus  war  nämlich  ein  gewaltiger  Sitten- 
prediger, und  in  dieser  Beziehung  hat  seine  Postille  einen  hervorragenden  Werth 
für  die  Beurtheilung  der  Lebensweise  damaHger  Zeiten.  In  kraftvoller,  manchmal  auch 
derber,  aber  immer  sehr  reiner  und  correcter  Sprache  geiselt  er  die  Gebrechen  seiner 
Zeitgenossen,  die  Missbräuche  des  menschlichen  Geschlechtes  von  der  Geburt  des 
Kindes  bis  zum  Tode  des  Greises.  Man  findet  bei  Philadelphus  Schilderungen,  die 
lebhaft  an  die  grossen  Sittenprediger  Böhmens  im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  erinnern. 

Aber  seine  Postille  hatte  mannigfache  Schicksale  zu  überleben.  Gleich  noch  im 
Jahre  1592  verklagte  der  OlmÜtzer  Bischof  Stanislaw  Pawlowsky  den  mährischen 
Landeshauptmann  beim  Kaiser,  dass  er  eine  vom  akathoHschen  Prediger  verfasste 
Postille  drucken  Hess  und  befahl  aus  eigener  Machtvollkommenheit  das  Buch  zu  confisciren. 
Dies  geschah  sogleich.  Und  da  die  Auflage  ohnehin  eine  ziemlich  kleine  war,  gehörten 


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Exemplare  der  PliUadelph'schen  Postilfe  setir  bnld  tu.  den  grössten  5ieIt«rTiheiteii.  Die 
Nachfrage  war  nber  groüs.  Dir  Anhänger  de^  Augsburgischen  Bekenn  In  isses  bemühter» 
sich  also  um  tine  neue  Auflage  und  verbandehen  darüber  mit  dem  Prager  Buchdmtker 
Daniel  ScdManskJ,  Dieser  aber  hehalf  stich  mit  der  Ausrede,  dass  er  mit  andcrcft 
Sachen  in  seiner  Druckerei  sehr  he,'ichMftigt  aei  und  somit  Pbiladelph*s  Postille  nlcli! 
Hbernehrnen  könne.  Ich  glatibe^  «■>  gcscbtih  dies  aus  Furcht  vor  den  Ma^sregelungcn 
der  Regierung,  die  es  scharf  ahndete^  wenn  in  den  Itoniglichen  Städten  etwds  gedruckt 
wurde,  was  nicht  katholisch  oder  altutraquistisch  war.  Man  fand  ako  ein  anderem 
Auskiinftsniitteb  Dnniel  RedlöanskJ  liess  im  Jahre  Itjoa  die  zweite  Auflage  der  PcKtilEe 
bei  Ifieronymus  SchUx,  Buchdrucker  in  Dresderij  herstellen.  Die  Druckkoslen  wwden 
von  vier  vornehmen  Herren  und  eifrigen  FfirJercm  des  Luthertburas  in  Bobmcn 
bestritten:  von  Stephnn  von  Sternherg,  Sigmund  von  Smtf-ic,  Johnnti  TrCka  laid 
Caspttr  Kaplif^  von  Sulewic.  Der  letite  dieser  Männer  ist  bekannt  durch  seinen  tragischen 
Tod  am  Alistädter  Ring  am  £1.  Juni  162I,  Diese  zweite  Auflage  iit  j,aus  Dankbarkeit 
gewidmet  von  den  evangelischen  Predigern  im  Königreiche  Bobmen  und  der  Mark- 
grafschnft  Mähren  dem  wohl  edlen  Herrn  Chrislian   IL  Kurfürsten  von  Sachsen*', 

Noch  im  selben  Jahre  (ibol)  stellte  sich  die  Noth wendigkeit  einer  dritte» 
Auflage  von  Philadelplius'  Postille  heraus.  Den  Druck  vermittelte  der  Präger  Buchdrucker 
Georg  Da^icky  in  der  Druckerei  des  Michael  Knpjhorsky  zu  Ijeipzig,  Dte  Kosten 
wurden  von  xwei  Brüdern  aus  dem  böhmischen  Rittergeschl echte  der  Wcncelfk  rrm 
Sarabi c  bestritten, 

Das  Buch  musstc  ungeheures  Aufsehen  erregen,  denn  die  gerade  im  Jahre  lööi 
beim  kaiserlichen  Hofe  sich  besonders  stark  geltend  machende  katholische  Partei  West 
nichts  an  versucht,  um  Diejenigen  zur  Strafe  ku  ziehen,  die  sieb  nuf  irgend  eine  Weise 
bei  der  Ausgabe  bclheiligten.  An  den  Personen  des  Herren-  und  Ritterstandes,  welche 
die  Druckkosten  deckten,  konnte  man  sich  aber  unmöglich  vergreifen.  Es  wurden  ilso 
die  beiden  Prager  Buchdrucker  SedlÄansky  und  DaftickJ,  die  den  Druck  in  Dresden 
beziehungsweise  in  Leipzig  vermittelt  hatten^  verhaftet  und  büssten  ihre  That  mit 
einer  iMngeren  fiefängnissstrafe.  —  In  der  grossen  Beschwerdeschfift  *)t  welche  die 
evatigeli sehen  Stände  mr  Zeit  der  Verhtuidlungen  um  den  Majestätsbrief  (1^9)  denn 
Kaiser  vorgelegt  hatten,  befindet  sich  auch  (als  23.  Punkt)  eine  Klage  über  diese 
Gewattmassregel,  die  sich  uicbl  einmal  mit  Berufung  auf  Irgend  ein  formelles  Recht 
beschönigen  liess. 

Sonderbar  genüge  hat  man  die  der  Po^^tille  beigegebenen  Lieder  im  Jahre  1607  ia 
Prag  als  „Pisnf  na  evangelia**  (EvangelienliederJ  anstandslos  neudrucken  Ijisseti. 


*)  Gvdruckl  b«  SI«VKiaj  Fvnfd  (Sl*«Ktft'i  DvqkwdinliffkfliEefi)  f.   ff|o. 


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X. 

Bericht  des  Central- Vorstandes  über  das  Vereins- 
jahr 1887. 

Nachdem  in  der  dritten  Generalversammlung  unserer  Gesell- 
schaft am  20.  December  1887  (vgl.  Jahrb.  9.  Jahrg.  S.  59-— 64)  die 
Wahl  des  Central-Vorstandes  stattgefunden,  wurden  von  dem- 
selben die  bisherigen  Functionäre,  Regierungsrath  Dr.  Ritter  von 
Otto  als  Präsident,  Oberkirchenrath  Dr.  Witz  und  Superintendent 
Dr.  Haase  als  Vicepräsidenten,  Senior  Lic.  Dr.  Trautenberger  als 
Secretär,  Hof-  und  Gerichtsadvocat  Dr.  Ritter  von  Sääfals  Cassier, 
Buchhändler  Grenser  als  Archivar  wiedergewählt. 

In  der  Versammlung  des  Central-Vorstandes  am  15.  März  1888 
erstattete  Herr  Dr.  Ritter  von  Sääf  den  Cassabericht  über  das 
abgelaufene  Vereinsjahr  1887  unter  gleichzeitiger  Vorlage  der  Belege. 

I.  Einnahmen. 

A.  Saldo  vom  Jahre  1886 1537  fl.  71  kr. 

B.  Gründerbeitrag  von  der  evg.  Gemeinde  Teschen      SO  ,     —     , 

C.  Eingegangene  Mitgliederbeiträge: 
a)  Rückstände  bis  inclusive  1886: 


37  Beiträge  ä  5  fl. 

. 

= 

185   fl.  —  kr. 

24         ,          ä  3    , 

. 

= 

72   ,    —   , 

b)  Beiträge  pro  1887: 

76  Beiträge  a  5   fl. 

. 

= 

380  .    -   , 

16          ,         ä  3   , 

= 

48   .    -   , 

I  Beitrag     ä  3   , 

60  kr. 

= 

3   ,    60  » 

\        ,          ä  6  , 

14    > 

= 

6  .     14  , 

c)  Beiträge  pro  1888: 

2  Beiträge  ä  5  fl. 

. 

= 

10  ,    — 

I  Beitrag     ä  3   , 

. 

^~" 

3   ,    —       707  »    74   , 

Fürtrag     .     229s   fl.  47  kr. 

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4/6, 

75 

> 

2527  fl. 

8 

kr- 

384  fl- 

SO 

kr. 

282  , 

50 

> 

120 

Uebertrag.   .     2295  fl.  47  kr. 

D.  Einnahme  durch  den  Verkauf  des  Jahrbuchs  von 

der    Manz 'sehen     (Klinkhardt 'sehen)    Buch- 
handlung    pro     1885/6     laut     Abrechnung 

Nr.  1 89  fl.  82  kr. 

pro  1886/7  laut  Abrechnung 

Nr.  2 95  ,      4    ,        184  ^    96     , 

E.  An  Interessen  von  den  Einlagen  bei  der  Allge- 

meinen Depositenbank: 

a)  Buch  Nr.  21047       •     •     •     •     u  fl-  93  kr. 

b)  ,         ,    266g6       ....     34  ^    82    , 

Gesammteinnahme 

II.  Ansgaben. 

A.  Druckkosten  der  vier  Hefte  des  ^Jahrbuches* 

Jahrg.  1887  und  Versendung 

B.  Honorare  an  die  Mitarbeiter  am  ^Jahrbuch*    . 

C.  Diverse: 

a)  Schreibereien  und  Aufbewahrung  des  Mobi- 
liarvermögens der  Gesellschaft  für  die  Zeit 
vom  I.  October  1886  bis  Ende  December  1887 
(fünf  Quartale) 

b)  Bücheranschaffungen  und  Buchbinder    . 

c)  Eincassiren  der  Mitgliederbeiträge     .     .     . 

d)  Copiaturen,    Porti,  Stempel   u.  s.  w.     .     . 

Gesammtausgabe 
Stellt  man  den  Einnahmen  per  2527  fl.     8  kr. 
entgegen  die  Ausgaben       ,      820  ,    72    , 
so  ergibt  sich  Ende  December  1887 

ein  Vermögenstand    von    1706  fl.  36  kr. 
Hievon  waren  am  31.  December  1887  bei  der  All- 
gemeinen Depositenbank  laut 

Einlagebuch  Nr.  21047 347  A-  29  kr. 

,  ,     26696 1104  »    28     , 

und  in  Händen  des  Rechnungslegers       ....         254  »    79    , 

Zusammen  1706  fl.  36  kr. 

Dem  Herrn  Cassier    wurde    das  Absolutorium    ertheilt  und  für 
seine  Mühewaltung  der  gebührende  Dank  ausgesprochen. 


75  , 

> 

20  , 

»3  » 

30  , 

> 

28 . 

59  » 

820  fl. 

72  kr 

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Das  „Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  Oesterreich'S  welches  unter  der  Redaclion  des  Präsidenten 
(Dr.  Karl  RitUr  von  Otto),  der  beiden  Vicepräsidenten  (Dr.  A^Ä.  Witz  yxM^ldx,  Theodor 
Haase)  und  des  Secretärs  der  Gesellschaft  (Lic.  Dr.  Gustav  Trautenberger)  in  viertel- 
jährigen Heften  erscheint,  behandelt  in  längeren  Original-Artikeln,  in  Referaten,  in 
Mittheilung  von  Urkunden,  in  Besprechungen  und  Noti/en  Alles,  was  sich  auf  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  bezieht. 

Dasselbe  ist  von  den  Evangelischen  überall  mit  Freude  begrüsst  und  von 
der  Kritik  auf  das  Wohlwollendste  aufgenommen  worden. 

Hier  einige  Worte  aus  Recensionen : 
„Mit  dem  ersten  Doppelhefte    wird    ein    Unternehmen    eröffnet,    welches    die    leb- 
hafteste   Zustimmung    verdient Nach    dieser    Reichhaltigkeit    des  Inhalts    darf 

man  der  jungen  Zeitschrift  zu  dem  würdigen  und  verheissungsvollen  Anfang  theilneh- 
mend  Glück  wünschen  und  einen  entsprechenden  Fortgang  unter  Gottes  Segen  getrost 
in    Aussicht  stellen." 

„Auf  das  erste  Doppelheft  ist  alsbald  das  zweite  gefolgt  ....  Möge  das 
Jahrbuch  seinen  Weg  in  der  bisherigen  Weise  fortsetzen  und  die  Leser  in  und 
ausser  Oesterreich  ferner  durch  so  lehrreiche,  gehaltvolle  Publicationen  erfreuen." 

^Wie  der  zweite  Band  entspricht  auch  der  dritte  durch  die  Reichhaltigkeit  und 
Verschiedenheit  des  Inhalts  den  gehegten  Ei-wartungen." 

Theologisches  Litteratttrblatt  (Leipzig)  1881.  Nr.  20  u.  sj.    iSSj.  Nr.  sS- 

„.  .  .  Zugleich  hat  die  Gesellschaft  in  zwei  Doppelheften  den  ersten  Jahrgang 
ihres  Jahrbuches  herausgegeben,  welches  eine  Fülle  interessanter  Nachrichten  über 
die  wechselvollen  Schicksale  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  enthält.  Wir 
wünschen  unsern  österreichischen  Brüdern  Glück  zu  diesem  schönen  Anfang  und 
hoffen,  dass  die  neue  Gesellschaft  auch  im  Deutschen  Reiche  Mitglieder  und  thätige 
Freunde  gewinnen  werde.  Wirkliche  Mitglieder  sind  jene,  welche  historische 
Arbeiten  liefern  und  einen  Beitrag  von  3  fl.  jährlich  leisten,  unterstützende  Mit- 
glieder solche,  welche  wenigstens  5  fl.  jährlich,  oder  als  G  rün  der  einen  einmaligen 
Beitrag  von  wenigstens  50   fl.  zahlen." 

Neue  Evangelische  Kirchenzeitung  (Berlin)  1881.  Nr.  22. 

y,.  .  .  Als  erfreuliche  Frucht  der  Vereinsthätigkeit  liegen  die  beiden  ersten  Doppel- 
hefte des  Jahrbuches    der  Gesellschaft    vor,    welche    eine  Reihe    zum  Theil    höchst 

interessanter  Veröffentlichungen     enthalten Wir  wünschen  dem   so  glücklich 

begonnenen  Unternehmen,  dem  unsere  volle  Sympathie  gesichert  ist,  kräftigen  Fortgang, 
Möge  dasselbe  an  seinem  Theile  zur  Stärkung  des  evangelischen  Bewusstseins  unter 
den  Protestanten  Oesterreichs  das  Seinige  beitragen!" 

(Prof.  Dr.  Lipsius)    Theologische  Literaturzeitung  (Leipzig)  1881.  Nr.  ij. 

Das  Jahrbuch  „für  unsere  evang.  Brüder  in  Oesterreich  gewiss  von  grösstem 
Wcrth  und  Interesse    aber  auch  für  weitere  Kreise  sehr  zu  empfehlen"  u.  s.  w. 

Theologischer  Lüteratur- Bericht  (Gütersloh)  1883.  Nr.   8. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüclitiger  Redactioij 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir  .  .  .  nur  wiefler 
holen.  Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evar.- 
gelische  Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Prote- 
stantismus wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per 
sönliches   und  Allgemeines"    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Messner)  Neue  Evangelische  Kirchenzeitung  (Berlin)   iSSj.  Nr.  40. 

pEs  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treffliche- 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jeden 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoll  sini 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen^    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.   Horawitz)  Deutsche  Zeitung^  Wien  i88j.  Nr,   4103. 

p.  .  .  Wir  verfehlen  nicht,  die  Freunde  reformations-historischer  Forschung  auf 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen.** 

(Prof.   Dr.  ZÖckler)  Evangelische  Kirchenzeitung  (Greifs w.)  i88j.  Nr.  48. 

„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenj^flicht,  diese  erste  und  einzige  wissen 
schaftliche  Gesellschaft  unserer  evangelischen  Kirche  aufs  Kräftigste  zu  unterstützer. 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern." 

Evangelische  Kirch enzeitung  für   Oesterreich  (Bielitz)  1884.  Nr.  J. 
„.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben*   n.  s.  w. 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schzueiz  (Zürich)  1886.  H.  I.  S.  öl. 
„Mit  Freude    begrüssen    wir    diese    weiteren  Jahrgänge    der  verdienstvollen  Zeit- 
schrift** u.  s.  w. 

(Prof.  S.-G.)    Theologischer  Litt  er  aturbe  rieht  (Gütersloh)  1887.  Nr.  4, 

Zur  Nachricht. 

Se.  Erlaucht    der    Graf  und    Herr   von    Giech    auf   Thurnau    bei    Kulmbach    in 
Bayern   hat    das    in   seinem  Besitz   befindliche    Porträt    des   berühmten   österreichischer. 
Exulanten  Gallus  Freiherrn   zu  Rägknitz  (f  in   Nürnberg  1658)  dem  Centralvor 
Stande  unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von  der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerischer 
Umrahmung.  Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften  • 
„Geh  nur  davon,  ||  Sey  fromm  für  mir,  {|  Gib  Armen  hier,  |{  Ich  bin  dein  L^hn.^ 
Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  l.   Mos.  12 
„Geh  aus  deinem  Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
.  Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm; 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild, 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron.* 
Der  Centralvorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,    welche    im    Archiv   unserer    Gesellschaft    (Wien,    I.    Dorotheergasse    16)    a  l  fi- 
zu  haben  ist. 


Druok  von  Wilhelm  Köhler,  Wien,  ri<  Mollardgnsse  il. 


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JAHRBUCH 


der 


GesellscMt  für  die  Gescbicbte  des  Protestantisniüs 


in  Oesterreich. 


Neunter  Jahrgang. 
III.  Heft. 

Juli  —  September  1888. 


--"»SmB.-' 


Wien  und  Leipzig. 

Julius    KHnkhardt. 
1888. 


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Inhalt  von  Heft  III. 

Sc 

11.  pLutheranisirung  der  Gemeinde  Gnesau".     Mitgetheilt  von   Pfarrer  Friedrich 
Koch,  (Schluss.) i:: 

12.  Extract  der  in  materia  religionis  ergangenen  k.  k.  auf  die   Gegenieforraation 
im   Teschener    Gebiete    bezüglichen    Verordnungen    1692 — 1781,      Mitgetheilt 

von  Professor  R.  Pritsche,  III.  (Schluss.) ij- 

13.  Die    mährischen    evangel.    Kirchengemeinden    und     ihre    Seelsorger    in     der 
Reformationszeit.    Mitgetheilt  von   George  Deutsch ,...15 


Zur  Beachtung. 

Wir  ersuchen  unsere  Mitglieder,    in    ihren  Kreisen    für    die   V^erbreiiung    J -.  • 
Gesellschaft  thätig  zu  sein,  und  stellen  zu  diesem  Behufe  Exemplare  der  Statu*- 
in  gewünschter  Anzahl  zur  Verfügung. 

Laut  Beschlusses  des  Centralvorstandes  in  seiner  Sitzung  am  27.  Februar  iSS, 
erhalten  die  Mitarbeiter  am  „Jahrbuch",  vom  fünften  Jahrgang  (18S4)  an,  nach  Erscheint,  r 
des  betreffenden  Jahrgangs  als  Honorar  pro  Druckbogen  sechzehn  Gulden    ü.  W. 

Die  Mitarbeiter    sind   allein    verantwortlich    für    den   Inhalt    und    die  Form    ;;- 
unter  ihrem  Namen  im  Jahrbuch  erscheinenden  Artikel. 

Den  Mitarbeitern  w^erden  sechs  Gratis  •  Separatabzüge  ihrer  Arbeiten  n... 
Erscheinen  des  betreffenden  Heftes  von  der  Köhler'schen  Buchdruckerei  franco  zuge^en  Je. 
Eine  grössere  Anzahl  von  Separatabzügen  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Verständig!.  _ 
der  Herren  Verfasser  mit  der  genannten  Buchdruckerei  (Wien,  VI.  Mollardga<>j:  ^i 
gegen  Erstattung  der  Druckkosten  gemacht  werden. 

Die  noch  rückständigen  Beiträge  bitten  wir  an  unsern  Cassier,  Herrn  11  • 
und  Gerichts-Advocat  Dr.  Carl  Ritler  von  Säaf  (Wien,  'l.  Ballgasse  6),  ehebaldig;  " 
einzusenden. 

Für  das  „Jahrbuch"    bestimmte  Arbeiten,    sowie  Zuschriften    an   die   Gesel;:.^..^ 
sind   „An  das  Bureau  der  Gesellschaft,  Wien,  I.  Dorotheergasse   16"   zu   richten 

De?'   Ce)Ltraivorsta7id 

der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des   Prote^tanii-r 
in  Oesterreich.^fc 


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XL 
„Lutheranisirung  der  Gemeinde  Gnesau.*' 

Mitgetheilt  von,  Pfarrer  FRIEDRICH  KOCH. 

(Schluss.)') 

In  Folge  des  vorstehenden  Religions-Edictes  und  dieses  Commis- 
sions-Beschluses  ist  mit  mehr  Eifer  und  Nachdruck  nach  verführe- 
rischen Büchern  und  nach  dem  Glauben  der  Pfarrs-Insassen  geforscht 
und  es  sind  bloß  in  der  Pfarre  Gnesau  samt  Zedlitzdorf  laut  Ver- 
zeichniß  von  1752  sub  16/1  9  viele  hundert  schlechte  Bücher  gefunden 
und  abgenommen  und  mit  guten  katholischen  Büchern  vertauscht 
worden.  Es  waren  wönige  Häuser,  *)  in  denen  nicht  solche  Bücher 
gefunden  worden  wären.  Es  ist  daher  auch  nicht  zum  wundern,  daß 
die  meisten  Pfarrs-Insassen  vom  Lutherthume  sehr  stark  angefressen 
waren  und  nur  wönige  ihren  katholischen  Glauben  rein  erhalten  haben. 

Es  hat  sich  bey  dieser  Gelegenheit  erwiesen,  daß  laut  Bericht 
sub  16/1  4  durch  die  Agitation  des  Schneider  M.  Neidhardt  die  meisten 
Bauern  zu  Meytratten,  als  Christian,  Zaminner,  Pichler,  Jaggl,  Glatz, 
Saliterer,  Neidhardt  Steinacher  und  Schreiber;  dann  der  Caspar. 
Schwab,  Ranner,  Möstl  an  der  Sonnleiten;  dann  der  Kalchgruber, 
der  Nager,  Nuß,  Burger,  Payr  untern  Holz,  die  beiden  Burgstaller 
zu  Gnesau  mit  sammt  ihren  Familien  und  den  meisten  ihrer  Haus- 
genossen lutherisch  geworden  sind. 

In  der  damaligen  Zedlitzdorfer  Pfarrsgemeinde  sah  es  noch 
schlimmer  aus,  weil  sie  weiter  von  der  Kirche  entfernt  und  folglich 
der  Verführung  noch  zugänglicher  waren.  Es  waren  dort  wönige 
noch  aufrichtig  katholisch.  Besonders  halsstarrig  haben  sich  laut 
Bericht  vom  Jahre  1753  sub  16  i  12  Georg  Eder,  Peter  Pränter,  Bauern 

1)  Vgl.  S.  65—82. 

*)  Der  ursprüngliche  Text  lautete:  „es  war  kein  Haus,  in  deme  nicht  solche 
Bücher  gefunden  worden  wären." 

Jahrbuch  des  Protestantismus  1888.  H.  III.  9 


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122 

in  Haidenbach,  erwiesen,  da  sie  ihre  Kinder  nicht  mehr  wollten 
taufen  lassen,  wenn  ihnen  nicht  lutherische  Taufpathen  zugelassen 
würden,  denn  sie  gaben  vor:  die  Kinder  seyen  schon  nothgetauft. 
und  das  sey  genug,  und  wann  sie  auch  erst  später  einmahl  getauft 
werden,  so  seye  es  auch  recht,  denn  es  ist  Christus  der  Herr  auch 
schon  30  Jahre  alt  gewesen,  als  er  getauft  wurde.  Man  sieht  die 
lutherischen  Grundsätze  sind  schon  ziemlich  tief  in  ihren  Köpfen 
gesessen. 

Besonders  eifrig  hat  man  dut  Glaubensverkehrung  in  der  Um- 
gebung dieser  Pfarre  betrieben,  so  daß  die  Ortschaften  WöUach. 
Drageisberg,  Zedlitzberg.  Tiebel  und  Hochegg  in  der  Pfarre  Himmel- 
berg, dann  die  Teuchen  und  die  Pfarre  Arriach  fast  ganz  dem 
Lutherthume  verfallen  sind. 

Für  jene  Gegenden  ist  die  Verführung  durch  die  Regenspurger 
Emisäre  hauptsächlich  vom  Dragelsberger,  von  der  Grundnerin  in 
der  Teuchen  und  vom  Krammer  in  der  Statt  ausgegangen  und 
eifrig  verbreitet  worden. 

Indessen  hat  man  von  Seite  der  k.  k.  Regierung  durch  die 
Religions  -  Commisionen  aufzuräumen  angefangen,  und  es  sind  die 
eifrigsten  Verführer  und  Agitatoren  theils  nach  Ungarn  verbannt, 
theils  aber  zum  Festungsbau  abgeführt  worden.  Aus  der  Pfarre 
Gnesau  sind  am  17.  Dezbr.  1752  der  Schneider  und  Hauptagent 
Mathias  Neidhardt  und  sein  Weib  Ursula  auf  i  Jahr  zur  Festungs- 
arbeit verurtheilt  worden;  dann  1753  der  Bauer  Kaspar  Sonnleitner 
sammt  Weib  und  Kindern ;  der  Ambros  Obermühlbacher  vgo  Nager 
mit  seinem  Weibe  Johanna;  der  Lorenz  Glatz  vgö  Möstl  sammt 
Weib  und  2  Kindern  auf  2  Jahre  zur  Festungsarbeit ;  dann  Balthasar 
Glatz  vgo  Payr  untern  Holz;  Jakob  Köffeler,  Bauer  in  Zedlitzdorf 
sammt  Weib  und  4  Kindern  auf  i  Jahr  zur  Festungsarbeit;  dann 
der  Vincenz  Nuss  vgo  Nuß  samt  Weib  und  drey  Söhnen ;  und  der 
Christian  Pichler,  Bauer,  samt  Weib  und  6  Kindern. 

1753.  Am  14  May  1753  wurde  abgeführt  der  Bauer  Ruep 
Kobalter  in  Görzwinkel  mit  seinem  18jährigen  Sohn  Josef,  während 
sein  Weib  mit  4  Kindern  zurückgeblieben  ist.  Dann  die  73  Jahre 
alte  Witib  Anastasia  Payerin,  und  ein  gewiser  Peter  Nuß.  Am 
17  July  1753  wurde  abgeRihrt  Mathias  Santer,  Webermeister  zu 
Gnesau,  samt  seinem  Weibe  und  3  Kindern;  dann  der  ledige 
Andreas  Sonnleitner  und  die  60  Jahre  alte  Wittwe  Agnes  Brugger, 


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123 

wie  auch  der  Schneider  Hans  Kalchgruber  mit  seinem  Weibe  und 
einem  Kinde  und  ein  Knecht  des  Eder  in  Haidenbach,  Namens 
Josef  Rauter. 

1754.  Am  10  Juny  1754  traf  die  Reihe  den  schon  genannten 
hartnäckigen  Protestanten  Georg  Eder,  Bauer  in  Haidenbach,  welcher 
samt  seinem  Weibe  Ursula  und  4  Kindern,  wahrscheinlich  nach 
Hermannstadt  in  Siebenbürgen  zur  öffentlichen  Arbeit  befördert 
wurde,  sowie  auch  am  23  July  1754  Johann  Obermühlbacher,  dann 
sein  Weib  und  zwei  Kinder  dorthin  gewandert  sind.  —  Am  5.  August 
des  neml.  J.  wurde  der  Christian  an  derZamin  (Maytratten)  mit  seinem 
Weibe  und  zwey  Kindern,  dann  der  Adam  Schreiber  sammt  Weib 
und  einem  Sohn  und  die  Bäuerin  Elisabeth  Raner  zur  Strafe  ent- 
fernt. —  Am  19*«"  August  1754  traf  die  nemliche  Straffe  die  ver- 
wittwete  Biernwirthin  zu  Gnesau  Namens  Anna  Payer,  welche  ihre 
3  Kinder  zurücklassen  mußte,  dann  die  ledige  Ursula  Pacher  und 
den  Zimmermeister  Christian  Laßner  samt  Weib  und  Sohn.  Am 
2.  Dezember  1754  wurden  deportiert  Veit  Müller;  dann  Jakob 
Pränter,  sowie  auch  Gregor  Glatz  lediger  Schreiber-Bauers  Sohn, 
sammt  seinen  2  Schwestern  Margareth  und  Katharina. 

1755.  Am  18.  April  1755  traf  die  nehmliche  Straffe  den  Lucas 
Glatz  Bauer  an  der  Maytratten  sammt  Weib  und  zwey  Töchtern 
während  2  Kinder  zurückgeblieben  sind. 

Am  12  Juny  1755  wurden  abgeführt  die  ledigen  Burschen 
Lorenz  Dolzner  und  Matthias  Staudacher;  dann  am  11  July  folgende 
ledige  Personen:  als  Magdalena  Platzer,  Maria  Romm,  Maria  Dolzner, 
Klement  Krammer,  Ruep  Prandter  und  Katharina  Rauter;  dann 
Peter  Zahre,  Niklas  ThuU,  Math.  Graff,  Christian  Ranner  und  Simon 
Kaunzer  sammt  seinem  Weib  Eva.  Dann  am  14  July  Christian 
Tschrinter;  und  am  25.  July  Urban  Burger,  Gertraud  Rom  und 
Christian  Dolzer.  Dann  am  20.  August  Simon  Mayer  vgo  Winklbauer 
samt  seinem  Weibe  Maria  und  seiner  Schwester  Maria ;  dann  Susanna 
Gangl,  Ursula  Moser  und  Christian  Moser;  sowie  auch  Kaspar  Pil- 
gram,  Georg  Stampfer,  Nicolaus  Huber,  Brigitta  Schuster,  Mathias 
Wegscheider  mit  Hinterlasung  dreyer  Kinder;  dann  Jakob  und 
Lorentz  Glatz,  der  Bauer  Gregor  Burger,  dem  sein  Weib  Rosina 
samt  2  Kindern  nachgeschickt  wurde;  dann  Georg  Burger,  Georg 
Krammer,  Joseph  Oberrisser  und  Bartlmä  Schnitter.  Am  23  August 
Gregor  Mooser,  Bauer   an   der   Eben   mit  Weib  und  Tochter,  samt 

9* 


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124 

seinem  Weibe  Regina  und  der  Tochter  Maria;  dann  der  Ulrich 
Glatz,  Bauer  in  Mitteregg  sammt  seinem  Weibe  Kunigund,  während 
seine  30  Jahre  alte  Tochter  Rosina  zurückgeblieben  ist.  Dann  die 
Bäuerin  Kunigund  Fritz  in  Haidenbach  sammt  2  Kindern.  So  auch 
Elisabeth  Praenter  Bäuerin  in  Haidenbach  sammt  4  Kindern. 

1756.  Am  19  April  1756  traf  das  Loos  der  Deportation  folgende 
Personen:  Lorentz  Glatz,  Mathias  Nieschier,  Jakob  Pichler,  Ursula 
Pluech,  Christina  Feichter,  Maria  Kräuter,  Maria  Priss,  Susanna 
Krueg  und  Elisabeth  Mayer  vgö  Kotzin,  Elisabeth  Gimpl,  Bruggerin 
ist  heimlich  entwichen. 

Von  dieser  Zeit  an  gab  es  in  der  Glaubensverkehrung  einen 
Stillstand,  indem  viele  wieder  durch  Ablegung  des  Glaubensbekennt- 
nisses in  den  Schoos  der  h.  kathol.  Kirche  zurückgekehrt  sind ;  die 
andern  aber  sich  wönigstens  aus  Furcht  und  Vorsicht  ruhig  ver- 
halten haben. 

Indessen  hat  das  unlautere  Feuer  unter  der  Asche  noch  fort- 
gegloßt,  und  es  sind  bey  mehrmals  wiederholten  Untersuchungen 
offenbar  schlechte  und  verdächtige  Bücher  gefunden  und  abgenommen 
worden.  So  berichtet  Herr  Pfr.  Lorenz  Foregger  am  15.  May  1767 
sub  16/1  23  ,1.  Obschon  in  diesen  Vicariat  dermahlen  keine  öffentl. 
Ketzer  befindlich,  2.  so  könnten  doch  heimliche  Verführer  in  der 
Gemeinde  seyn  —  welche  aber  nicht  bemerkt  werden  können.  — 
Verdächtige  Gleißner  giebt  es  3.  aber  viele,  die  sich  katholisch  be- 
kennen —  und  doch  von  lutherischen  Büchern  nicht  ablassen  wollen. 
Erkennbare  Emisäre  sind  4.  zwar  keine  gesehen  worden,  jedoch 
gehen  abgedankte  Soldaten,  Störgier,  Abdekerleut  und  dergleichen 
verdächtige  Bettler  ungehindert  umher,  welche  bei  den  einschichtigen 
Häusern  im  Gebirge  die  besten  Geschäfte  machen.  5.  und  6.  Weil 
dermahlen  keine  offenbaren  Ketzer  da  sind,  so  hat  dieß  Jahr  auch 
niemand  das  Glaubensbekenntniß  abgelegt,  die  es  aber  im  vor.  Jahre 
abgelegt  haben  —  sind  meistens  laue  Christen  und  verdekte  Gleißner. 
Von  verdächtigen  Zusammenkünften  hört  man  nichts. 

16.  Von  langer  Zeit  her  sind  keine,  und  zwar  seyt  der  letzten 
Visitation  vor  4  Jahren  sind  keine  ketzerischen  Bücher  eingebracht 
worden,  da  aber  in  Himmelberg  ungefähr  einige  angetrofen  wurden 
und  die  Untersuchung  geschehen,  da  hat  sich  gezeigt,  daß  sich  der 
Tauschhandel  in  die  Gnesau  und  besonders  in  Haidenbach  ausgedehnt 
hat;    da   nehmlich  während   der  Osterbeichtzeit   den  4.  April  durch 


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125 

den  Gerichtschreiber  bei  Maria  Fritz,  Bäuerin  in  Haidenbach  5  solche 
Bücher  gefunden  und  abgenommen  wurden;  nehmlich  i.  Andächtiger 
Better,  2.  Habermann,  3.  Psalmbuch,  4.  Nürnberg.  Handbuch, 
5.  Trost-  und  ChristenschuU.  Dann  bekannte  sie  über  weitere  Ur- 
gierung  ein  Paradeisgartl  des  Arnt  dem  Arter  Knecht  Berti  Huber 
geliehen  zu  haben,  welcher  gleichfalls  mit  drey  solchen  Büchern  ver- 
sehen war,  und  nebst  denselben  eine  Postille  vom  Ederknecht  Thomas 
Hassenberger  zu  leihen  empfangen  hat.  Mithin  ist  auch  dieser  ohne 
Verzug  aufgesucht  worden,  welcher  bekannte,  nebst  vorigen  noch 
zwey  andere  Bücher  von  seinem  zu  Gmünd  verstorbenen  Vater  über- 
nommen zu  haben,  welcher  ihm  dieselben  sehr  empfohlen  hat.  — 
Nun  sind  diese  2  Knecht  gleich  am  nächsten  Tag  zu  dem  P.  Carme- 
liter  Praeses  zur  Beicht  gekommen  und  weil  unbekannt  als  katholisch 
angenommen  worden.* 

So  fuhrt  einem  der  Teufel  von  einem  Verbrechen  zum  andern. 

,Die  genannte  Bäuerin  Maria  Fritz  geborne  Arter,  des  Lesens 
kundig  und  immer  verdächtig,  da  sie  noch  bey  Lebzeiten  ihrer,  dem 
Scheine  nach,  katholischen  Eltern  sich  zur  Augsb.  Confession  schreiben 
ließ,  aber  als  angehende  Braut  am  26.  Octob.  1755  wieder  öffentl. 
das  Glaubensbekenntniß  abgelegt  und  dadurch  wahrscheinlich  nicht 
den  Glauben  sondern  nur  den  Namen  geändert  hat.  Ihr  Ehemann, 
welcher  des  Lessens  unkundig  war  und  für  gut  gehalten  wurde,  ist 
als  Mitwiser  schuldig.  —  Er  bath  sie  Beide  zur  h.  Beichte  anzu- 
nehmen, allein  sie  blieben  einstweilen  von  den  h.  Sakramenten  aus- 
geschlossen. — 

21.  Der  Gottesdienst  wird  an  Sonntagen  im  Winter  um  9  Uhr, 
im  Sommer  um  8  Uhr  gehalten  mit  einer  cathetischen  oder  pole- 
mischen Predigt.* 

Ein  anderer  Bericht  des  vorgenannten  Pfarrers  vom  26.  Septbr. 
1771   16/1   24  an  das  F.  B.  Salzb.  General  Vicariat  zu  Lavant  lautet: 

Da  Sf  Hochfürstl.  Gnaden  als  gnädigste  Salzburger  Generalvicario 
zu  wissen  beliebet,  welche  von  anno  1767  bishero  a  censuris  loßge- 
sprochen,  und  hierüber  ein  genaues  Verzeichniß  abverlangt  wurde; 
diene  unterthänigst :  daß  in  meinem  Vicariat  Gnesau,  wegen  zurück- 
behaltenen und  gerichtlich  abgenommenen-  sectischen  Büchern,  fol- 
gende sonst  katholisch  sich  benennende,  mit  gnädigster  Erlaubniß 
wieder  angenommen,  und  nach  öffentlich  abgenommenen  Glaubens- 
bekenntniß von  mir  Endesbenannten  absolviert  worden:  als  anno  1767 


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den  2.  August  Sebastian  Flath  vgö  Fritzbauer  in  Haidenbach  als  Mit- 
wisser. Dessen  Eheweib  Maria  Pilgram  als  recidiva.  Thomas  Hasscn- 
berger  von  Nöring,  p.  t.  Knecht  bey  Eder  in  Haidenbach,  wegen 
einigen  ererbten  und  behaltenen  Schriften.  Anno  1768  den  12  Juny 
wurden  mit  auferlegten,  öffentlichen  Rosenlcranzgebette  vor  der  Pro* 
cession  folgende  14  auch  sonst  katholisch  sich  benennende,  wegen 
verbothenen  Büchern  betrettene,  absolviert :  Matthias  Dallnig,  Weber 
und  Keuschler  in  Weissenbach,  von  Teuchen.  Simon  Lieschnig 
60  Jahre  alter  lediger  Knecht.  Christian  Kranner,  Bauer  am  Görz- 
berg.  Georg  Schinder  vgö  Winkelbauer.  Georg  an  der  Mauer,  Bauer 
in  Zedlitzdorf.  Philipp  Steinacher  Bauer  am  Bergl  als  Mitwisser. 
Dessen  Eheweib  Gertraud  Hölbling.  Lorenz  Gastinger  Bauer  an  der 
Eben.  Maria  Gastinger  Witib  alldort.  Matthias  Zahre,  Bauer  allda, 
des  Lesens  unkundig.  Christian  Möstl,  Weber  und  Keuschler  am 
Moos.  Dessen  Eheweib  Gertraud  Jainig.  Georg  Müller  Weberknecht 
alldort.  Michael  Tilli  Knecht  bei  Brugger. 

Anno  1769  den  16  7^  Matthias  Neidhardt  Bauer  an  der  May- 
tratten,  wegen  fremden  aufbehaltenen  Büchern. 

Anno  1770  den  20.  März  tempore  jubilei  Georg  Tschrieter  Bauer 
am  Görzberg.  Den  7.  Aprill  Gregor  Demon  ein  70  Jahr  alter  Inwohner 
aus  Teichen  recidivus  wegen  Büchern,  wird  wegen  seiner  Mühselig- 
keit angenommen. 

Von    dieser  Zeit   an   ist   nichts   mehr  Wiedriges  vorgekommen. 

J.  L.  Foregger  von  Greifenturn.* 

So  standen  die  Sachen  betrefs  des  Protestantismuß,  als  Weiland 
Sl  Majestät  Kaiser  Josef  II  unter  13  October  1781  das  unheilvolle 
Tolleranz-Patent  publicieren  ließ.  Es  fand  ein  unter  der  Asche 
glimmendes  Feuer,  welches  jetzt  wegen  günstigen  Luftzuge  hellauf 
loderte ;  denn  die  bisherigen  Heuchler  warfen  nun  freudig  ihre  Lan*en 
ab  und  mit  verdoppelten  Eifer  arbeiteten  sie  um  recht  viele  Prose- 
Hten  zu  machen,  was  ihnen  auch  nur  zu  gut  gelungen  ist.  Denn 
leichtsinnige,  nach  den  Fleischtöpfen  Egyptens  lüsterne,  gleichmütige, 
unwissende  und  angefaulte  Katholiken  gab  es  damals  genug,  welche 
sich  gerne  bereden  ließen  den  Selbstüberwindung  und  Demuth  des 
Herzens  fordernden  katholischen  Glauben  gegen  ein  dem  mensch- 
lichen Hochmuthe  schmeichelndes,  der  Sinnlichkeit  nachgebendes 
und  allseitig  commodes  Religiönlein  zu  vertauschen,  wo  der  Glaube 


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127 

aliein  selig  macht  und  keine  Werke  erfordert  werden.  Daher  haben 
sich  auch,  nach  der  Publikation  des  obigen  Patentes  eine  unver- 
muthet  grose  Menge  als  Protestanten  erklärt  und  einschreiben  lassen, 
so  daß  sich  die  erforderlichen  Familien  bald  zusammen  gefunden 
haben,  welche  erforderlich  waren  um  ein  Betthaus  zu  bauen  und  ein 
Pastorat  samt  Schule  zu  errichten;  besonders  da  sie  zum  Huben- 
ankauf  und  zu  allen  Meisterrechten  berechtigt  wurden. 

Zwar  sind  viele  rein  überredet  worden  diesen  verderblichen 
Schritt  zu  thun  und  darum  sind  auch  nachträglich,  anno  1783,  43  Per- 
sonen dem  Pfarrer  allhier  und  43  den  P.  P.  Carmelitern  in  Zedlitz- 
dorf  zum  öwöchentlichen  Religionsunterricht  übergeben  worden,  als: 
Philipp  Sonnleitner,  Weber,  Ursula  Sonnleitner  Krammerin  in  Graben 
mit  2  Töchtern,  Ursula  Hofifer,  Magd;  Eva  Berger,  Magd;  Leopold 
Löchner,  Schneider;  dessen  Weib  Gertraud;  Christina  Löchner  und 
ihre  Tochter  Eva;  Anton  Laboisnig  Schneider  gesell;  Jakob  Hölbling 
Unterwirth,  mit  3  Kindern;  dann  Jacob  Grundner,  Knecht,  Jacob 
Granig,  Knecht;  Johann  Papst,  Knecht;  Michel  Staudacher,  Knecht; 
Binder  Matthl  und  dessen  Eheweib;  die  alte  Glatzin  zu  Maytratten; 
Thoman  an  der  Eden  samt  seinem  Weibe  und  seiner  Stiefmutter 
und  seiner  Schwester;  Matthias  Kobalter  Gast  in  der  Zaminner- 
keusche;  Maria  Baumgartner  beym  Pichler;  und  Simon  Meinhart 
beym  Bauer  am  Bach.  Dann  der  Haberl  Bauer,  dessen  Weib,  Mutter 
und  Bruder;  Bärtl  am  Bichl  sammt  seinem  Weibe;  die  Magd 
Christina  Haßlerin;  Rupert  Grundtnig,  Knecht  beim  Michl;  Kristian 
Mülbacher  Knecht  ebendort  sowie  auch  die  Mutter  des  Bauers  Eva 
Sonnleitner;  Georg  Schintler  Bauer,  dessen  Knecht  Loren?  Klein- 
dienst und  dessen  Magd  Maria  Mayerl  und  Thomas  Rainer,  Ober- 
lukenkeischler. 

Laut  Anmerkung  sub  16/1  21  befanden  sich  damahls  d.  i. 
19.  July   1783   lOi   erklärte  Lutheraner  in  der  Pfarre  Gnesau. 

Ob  die  obgenannten  zum  öwöchentlichen  Unterricht  verwiesenen 
sowie  auch  die  43  von  den  Carmelitern  unterrichteten  Personen 
wirklich  lutherisch  geworden,  oder  zum  Katholizismus  sich  gewendet 
haben,  ist  nicht  gesagt;  wahrscheinlich  sind  die  Meisten  dem  Luther- 
thum  verfallen. 

Indessen  in  dem  Verzeichnisse  der  vom  24.  July  bis  6.  Nov. 
1783  Abgefallenen  ddo.  24  9^  1783  kommen  nur  folgende  22  Per- 
sonen  vor:    Susanna   Schury   Magd   beim  Schintler  in   der  Gnesau. 


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Karl  Tillitz,  Gast  in  der  Ahrterkeische  samt  Weib  und  2  Töchtern, 
Michael  Flath  Gast  in  der  Payrkaische,  Peter  Sturm  ein  Fremder 
aus  Prün,  Ursula  Burgstaller  Bäurin  zu  Gnesau,  Eva  Wiesneger 
beim  Hauser  am  Feld  (zu  Maytratten),  Maria  Pibernig  beim  Kristl 
in  der  Kläm,  Gertraud  Winkler  Gästin  bei  Flath,  Maria  Kobalt  er 
beim  Glasser  an  der  Maytratten,  Jakob  Hoffer  Knecht  beim  Siegl 
in  Zedlitzdorf,  Gregor  Weinberger  Knecht  beim  Siegl  in  Zedlitzdorf, 
Maria  Rainer  Oberluken-Keuschlerin,  Maria  Schintler  alte  Bäurin  an 
der  Schintlerhube,  Maria  Flath  und  ihr  Sohn  Vincenz  beym  Schintler 
in  Gnesau,  Eva  Bernthaler  Gästin  beym  Brugger,  Regina  Mader 
Bacherin  an  der  Maytratten,  Lucia  Adelbrecht  beym  Payr  untern 
Holz,  Johann  Gurgger  Weber  beym  Bruggern-Jagl  (Zedlitzdorf). 

Laut  einem  zweyten  Bericht  ohne  Datum  wahrscheinlich  vom 
Jahre  1783  sind  am  24.  Xber  abgefallen  folgende  5  Individuen: 
Johann  Galler,  Blasi  Grunwald,  Rosina  Lakner,  Maria  Leeb  und  Anna 
Oberdorfer. 

Laut  Bericht  vom  letzten  Juny  1784  sind  in  der  ersten  Hälfte 
desselben  Jahres  vom  katholischen  Glauben  abgefallen  folgende 
IG  Personen:  Leonhard  Marktl  bey  Michl  an  der  Sonnleiten  am 
25.  März,  Peter  Adelbrecht  bey  Krammer  im  Graben  am  25.  März, 
Maria  Hölbling  Bauers  (Steinacher)  tochter  am  8.  Aprill,  Matthias 
Fächer,  Schustergesell  in  Zedlitzdorf  am  8.  May,  Ulrich  Krameter 
bey  Kalchgruber  in  Gnesau  am  11.  April,  Anna  Mitterer  bey  Toff 
in  Mitteregg  am  15.  May,  Magdalene  Dalnig  bey  Hois  am  Kofel 
am  22.  May,  Anna  Pabst  bei  Prugger  in  Gnesau  am  22.  May, 
Maria  Huber  bey  Glatz  an  der  Maytratten  am  6.  Juny,  Josef 
Kötterer  beym  Flath  in  Görz  am  19.  Juny.  Dann  laut  Bericht  voai 
30.  Aprill  1785  sind  von  i.  Jänner  bis  letzten  Aprill  desselben 
Jahres  aus  der  Pfarre  Gnesau  zum  Lutherthum  gerathen,  folgende 
6  Personen: 

Johann  Schuri  vgö  Plörgbauer  in  Gnesau  am  i.  Febr.,  Sebastian 
Glatz  Knecht  beym  obigen,  Georg  Köchl  Knecht  bey  Schreiber  zu 
Maytratten  am  19.  März,  Matthias  Glatz  vgo  Payr  untern  Holz  am 
2.  Aprill,  Veit  Glatz  des  obigen  Sohn  und  Besitzes  Nachfolger  am 
2.  Aprill,  Rupert  Marktl  Bauerssohn  und  Zimmermeister  am  19.  April, 
Dieser  soll  seinen  Abfall  oft  bereuet  haben,  hatte  aber  nicht  den 
Muth,  zur  Kirche  zurückzukehren. 


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Pastorat.  In  Verbindung  mit  den  in  den  Pfarren  Himmelberg, 
Feldkirchen  und  Tififen  befindlichen  Lutheranern  ist  ohne  Zweifel 
schon  am  Ende  des  Jahres  1782,  längstens  aber  1783,  in  Gnesau 
ein  Pastorat  errichtet  worden,  dem  die  Lutheraner  von  Sirnitz  und 
jene  am  Kraigerberg  als  Filialen-Gemeinden  mit  eigenen  Bethäusern 
beigegeben  worden  sind,  sowie  auch  alle  in  Unterkärnten  zerstreuten 
Protestanten. 

Betthaus.  Ein  Betthaus  hat  bey  Errichtung  eines  Pastorates 
noch  nicht  bestanden,  sondern  sie  haben  anfangs  ihren  sogenannten 
Gottesdienst  im  Stadl  des  Michl  oder  Sonnleitner  an  der  Sonnleiten 
gehalten. 

Mittlerweile .  hat  man  auf  Errichtung  eines  Bethauses  gearbeitet. 
Allein  es  handelte  sich  jetzt  um  einen  geeigneten  Bauplatz.  Anfangs 
wollte  man  denselben  an  der  Maytratten  auf  dem  Grunde  des  Neid- 
hardtbauers  gefunden  haben,  weil  dort  (vide  pag.  121)  die  meisten 
Bauern  von  der  Ketzerey  angestekt  oder  wegen  früher  stattgehabter 
Anstekung  noch  immer  verdächtig  und  wankelmüthig  waren.  Allein 
der  Neidhardtbauer  ist  in  den  Schooß  der  h.  katholischen  Kirche 
zurückgekehrt  und  hat  die  Erbauung  des  Bethauses  auf  seinem 
Grunde  nicht  bewilliget.  Dann  wollte  man  den  Tempel  sammt  Pa- 
storat und  Schulhaus  auf  dem  Felde  des  Brugger  zu  Gnesau  errichten, 
denn  dieser  Bauer  Adam  Schintler  ist  so  wie  sein  Bruder  der  Schintler- 
Bauer  lutherisch  geworden,  während  ihre  Weiber  katholisch  geblieben 
sind;  da  hat  sich  aber  die  brave  Bäuerin  Maria  geborne  Winkler 
diesem  Vorhaben  mit  aller  Kraft  eines  würdigen  Weibes  widersetzt 
und  zwar  mit  dem  Bedeuten,  daß  sie  den  Tempel  des  Unglaubens 
in  Brand  steken  und  sein  Bestehen  niemahls  dulden  werde. 

So  ist  die  nächste  Umgebung  der  Kirche  von  der  Errichtung 
des  Bethauses  verschont  worden. 

So  wurde  der  Versammlungsort  der  Abgefallenen  in  Weisen- 
bach, beyläufig  1 500  Schritte  von  der  Kirche  entfernt,  erbaut,  wozu 
den  Platz  ein  Katholik,  nemlich  der  Pratschbaurer  hergegeben  hat, 
dem  sie  noch  heute  einen  jährlichen  Pacht  zahlen  müssen.  So  be- 
richten es  alte  Leute,    welche  es  von   ihren  Eltern   erfahren  haben. 

Anfangs  war  dieser  Tempel  •  nur  aus  Brettern  zusammen- 
geschlagen sowie  auch  Pastors-Haus  eine  armselige  Hüthe  war.  Im 
Jahr  1803  beyläufig  wurde  das  sogenannte  Bethaus  gemauert,  so 
wie  es  gegenwärtig  ist.  Das  Pastorathaus  aber  wurde  erst  im  Jahre 


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1849  überbaut  und  zwar  grosentheils  aus  Ziegeln  gemauert,  so  daß 
jetzt  ein  schönes  und  geräumiges  Haus  dasteht,  deren  Bezahlung 
viele  Schwierigkeiten  erzeigt  hat,  die  noch  nicht  gehoben  sind. 

Pastoren. 

Am  30  Dezbr  1782  steht  im  Tauf  buche  der  erste  Pastor  als 
Taufender  und  zwar  nur  einmahl  eingeschrieben:  Johann  Hagen*). 
Ob  er  aber  wirklich  hier  angestellt  war,  ist  ungewiß ;  wahrscheinlich 
war  er  nur  Pastor  zu  Arriach  und  hat  dort  ein  Kind  vom  Görz- 
winkel  getauft. 

Nach   dieser  Vermuthung   wäre   der   erste  Pastor  von  Gnesau: 

1.  Christoph  Sigmund,  welcher  am  13.  August  1783  das  erste 
Mal  als  Taufender  eingeschrieben  erscheint;  aber  schon  im  Jänner 
1784  erscheint  als  Pastor 

2.  Gabriel  Wucherer,  welcher  am  27.  May  1801  zu  Klagen- 
furth  86  (?)  Jahre  alt  gestorben  und  am  30.  desselben  Monates  hier 
beerdiget  wurde.  Er  soll  ein  sehr  frommer  und  ruhiger  Mann  gewessen 
sein,  war  aber  bey  seiner  Gemeinde  nicht  beliebt  und  geachtet,  ja 
er  soll  arg  verfolgt  worden  seyn,  weil  er  zu  wönig  lutherisch  war 
—  bey  seinem  Tode  will  man  einen  Rosenkranz  an  seinem  Halse 
hängend  gefunden  haben.  Ist  das  richtig  so,  so  giebt  dieser  Um- 
stand hinlänglich  Zeugniß,  daß  er  nur  aus  Brodsorge  Pastor  war 
und  nicht  den  Muth  hatte  seinen  Glauben  zu  bekennen  aus  Furcht 
vor  dem  Hungerleiden  *). 

3.  Johann  Christian  Lederer  erscheint  zuerst  am  31.  Dezbr  1801 
bis  zum  Jahre  1816,   wo  er  am  22  9^  noch  da  war. 

4.  Paul  Laitner  erscheint  zuerst  am  23.  Dezbr  18 16  und  zum 
letzten  Male  am  8.  August   1820'). 

5.  Daniel  Langius  erscheint  zum  ersten  Male  am  30.  November 
1820   und   zum   letzten  Male   am  24.  August  1823.     Er  war    nicht 

1)  Vgl.  Waldau,  Geschichte  der  Protestanten  in  Oesterrcich,  2.  Bd.,  S.  528. 
J.  Hagen  war  seit  1782  Prediger  zu  Arriach. 

*)  Es  dürften  in  Oberösterreich  wenige  evangelische  Geistliche  gestorben  oder 
auf  andere  Stellen  in  die  Ferne  gezogen  sein,  über  welche  nicht  gleiche  oder  ähnliche 
Gerüchte  in  Umlauf  gesetzt  worden  wären.  Das  ist  hierzulande  ein  alter  und  bis  in 
die  neueste  Zeit  geübter  Brauch. 

•)  Im  Jahre  1824  wurde  Laitner  Professor  der  Moral  und  Pastoraltbcologie  an 
dem  „protestantisch-theologischen  Studium"  in  Wien,  gest.  1855.  Vgl.  Frank,  Die  k.  k. 
ev.-theol.  Facultät  in  Wien,  S.  31  f.  Taufrath,  Nachrichten  über  die  k.  k.  cv.-theol. 
Facultät  in  Wien  (2.  Aufl.),  S.  14. 


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beliebt,  weil  er  zu  wönig  lutherisch  war.  Er  ist  von  da  als  Pastor 
nach  Fresach  überwandert  und  von  dort  nach  Hermahnstadt  in 
Siebenbürgen,  wo  er  eine  Tabak-Krämmerey  betreiben  soll. 

6.  Christian  Posnik  erscheint  zuerst  am  14.  Febr  1824  und  das 
letzte  Mal  am  20.  Juny  1832,    Er  ist  nach  Ungarn  übersiedelt.  .  .  . 

7.  Jakob  Traninger  aus  Bleyberg;  erscheint  zuerst  als  Pastor 
hier  am  27.  November  1832  und  zum  letzten  Mahle  am  24.  Aug. 
1845,  obwohl  er  noch  längere  Zeit  darnach  hier  geblieben  ist,  weil 
er  mit  der  Gemeinde  in  Betref  seiner  Dienstesentsetzung  und  Pen- 
sion einen  Prozeß  geführt  hat.  Er  war  ein  ordnungsliebender  Mann, 
aber  nach  dem  Urtheile  der  Gemeinde  zu  wönig  lutherisch,  daher 
nicht  beliebt 

Es  wurde  ihm  in  der  Person  des  Christian  Raschke  ein  Vikar 
heygegeben,  wodurch  die  Lage  des  guten  Pastors  noch  schlimmer 
wurde,  denn  dieser  Vicar  wollte  selbst  Pastor  werden  und  die  Ge- 
meinde hatte  ihn  zu  ihrem  Hirten  gewünscht Indessen  wurde 

diese  Angelegenheit  durch  eine  gemischte  Commission,  bestehend 
aus  dem  Superintendenten  Pauer  in  Wien  und  einem  politischen 
Beamten,  untersucht,  wovon  das  Ende  war,  daß  die  Gemeinde  dem 
abtretenden  Pastor  200  fl  jährliche  Pension  zahlen  und  den  Vikar 
Raschke  entfernen  mußte.  Dieser  ist  jetzt  Pastor  in  Trebesing.  Ihm 
folgte  nach : 

Karl  Babiräth  ein  Ungar,  Anfangs  Juny  1847,  der  noch  gegen- 
wärtig da  ist.     Dieser  hat  sich  bisher   in  seinem  Amte  zu  erhalten 

verstanden,  obwohl  allgemein  und  laut  über  ihn  geschimpft  wird 

Im  Jahre  1848  hat  er  sich  auch  als  eifrigen  Lutheraner  erwiesen, 
da  er  mehrere  Kinder  aus  gemischten  Ehen  der  katholischen  Schule 
entwendet  und  dem  Protestantismus  einverleibt  hat 

J.  Baumgartner  Pfarrer. 

Obiger  Karl  Babiräth  ist  am  10.  Oktober  1856  nach  Ramsau 
Amtsbezirk  Schladming  in  Obersteyer  überwandert  und  an  dessen 
Stelle  hier  ist  nach  einem  Zwischenräume  von  6  Monathen  am 
27.  März   1857  eingetreten  Herr  Schmidt. 


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XII. 

,,Extract    derer     in    Materia     Religionis    ergangenen 

sowohl    Kaiser-    und    Königlichen    —    als    Königlich 

Ober-Amtlichen  —  dann   Königlichen  Amts-  —   wie 

auch  Königlichen  Repraesentations-  und  Cammer- 

Rescripten  ab  Anno  1692/' 

Mitgetheilt  von  Professor  RICHARD  PRITSCHE. 
III.    (Schlu8$.)*) 

Verordnungen  gegen  die  dem  Religionsanspruch  Unterliegenden. 

1756,  den  2.  Oct.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  der  erfolgten  aller- 
höchsten Resolution  in  puncto  der  angesprochenen  Johann  Fol- 
warcznischen  Tochter  von  Bludowitz. 

1766,  den  30.  Sept.  K.  K.  A.  R.  wegen  abweißlicher  Vor- 
bescheidung des  Andres  Kischa  von  Smilowitz  A.  C.  mit  seinem 
eingereichten  Gesuch  von  dem  Anspruch  malae  educationis  befreyet 
zu  werden. 

1766,  den  13.  Dec.  K.  K.  A.  R.  um  Anzeigung  der  Umstände 
in  Ansehung  der  von  verschiedenen  Oldrzichowitzer  Unterthanen 
bei  Ihro  Mayestät  allerunterthänigst  eingebrachten  Beschwerde  wider 
den  Trzitiescher  Pfarrer  wegen  des  von  ihme  entgegen  ihre  Kinder 
zur  Ungebühr  machen  sollenden  Religions-Anspruchs. 

1769,  den  I.  April.  K.  K.  A.  R.  um  Gutachten  über  das  von 
dem  Bernhard  Primus  in  Tierlitzko  wegen  seinen  ansprüchigen 
Kindern  höchstens  Orths  eingereichte  allerunterthänigste  Gesuch, 

1769,  den  II.  April.  K.  K.  A.  R.,  daß  der  Anna  Fyrkin  von 
Gutty  Tochter  Maria  Anna  von  all  ferneren  Religions-Anspruch 
gäntzlich  befreyet  worden  seye. 

1771,  den  21.  Sept.  K.  K.  A.  C.  Das  K.  K.  Amt  commu- 
nicirt  die  Anzeige  der  Frey  in  von  Skrbensky  auf  Grodzischtz  wegen 

*)  Vgl.  S.  39—53  und  S.   103— 115. 

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133 

der  von  dem  Müller  Johann  Kottula  nebst  seinem  Weibe  und 
8  Kindern  intendirenden  Revertirung  aus  dem  Preußisch  Schlesien, 
wann  er  von  dem  Religions-Anspruch  befreyet  wurde. 

1771,  den  8.  Oct.  K.  K.  A.  R.,  daß  des  Grodetzer  Müller 
Johann  Kottula  seine  Kinder  vom  künftigen  Anspruch  frey  sein 
sollen. 

1773,  den  2.  Jan.  K.  K.  A.  R.  um  Erstattung  eines  Berichtes 
über  das  Gesuch  des  Johann  Wladniczny  von  Ellgoth  wegen  Be- 
freyung  seiner  ins  Preußische  emigrirten  und  zurückkehren  wollenden 
zwey  Töchtern  von  allem  Religions-Anspruch. 

^771^  den  20.  April.  K.  K.  A.  R.,  daß  der  Johann  Pindur 
von  Gutty,  weilen  er  seine  von  ihme  zur  kath.  Religion  verspro- 
chene zwey  Söhne  Andres  und  Adam  in  die  christliche  Lehre  nicht 
abschicken  will,  auf  6  Wochen  ad  opus  publicum  bey  der  Stadt 
Teschen  angestellet  und  wann  solches  bei  ihme  nichts  verfangen 
möchte,  er  hernach  auf  seine  eigenen  Unkosten  nacher  Troppau 
überbracht  und  allda  so  lang  in  opere  publico  weithers  zu  arbeithen 
angestellet  werden  würde,  bis  er  seine  zwey  Buben  werde  gestellet 
haben. 

1773,  den  II.  Dec.  K.  K.  A.  R.,  wie  nach  dem  Adam  Niem- 
czyk  von  Ober  Trzanowitz  ernstlich  zu  bedeutten  seye,  daß,  wofern 
derselbe  binnen  3  Tagen  seinen  dem  Anspruch  unterliegenden  dritt- 
gebohrnen  Sohn  Johann  nicht  zurück  gesteilen  und  dem  katholischen 
Unterricht  übergeben  wird,  er  sodann  mit  mehrerem  Nachdruck 
und  Schärfe  hierzu  angehalten  einfolglich  mit  einem  6  wöchentlichen 
opere  publico  bey  der  Stadt  Teschen  geschlossener  beleget  und  da- 
durch zu  Gestellung  seines  Sohnes  verhalten  werden  würde. 

1774,  den  I.  Mertz.  K.  K.  A.  V.,  daß  die  Susanna  Krzemien 
und  Susanna  Kischa,  wann  sie  ihre  angeferttigten  Kinder  binnen 
3  Tagen  ihren  Pfarrern  zum  kath.  Unterricht  nicht  stellen  würden, 
mit  einem  6  wöchentlichen  opere  publico  bey  der  Stadt  Teschen 
beleget  und  falls  diese  Züchtigung  nichts  fruchten  sollte,  gedachte 
zwey  renitente  Mütter  nacher  Troppau  zu  Verrichtung  einer  ander- 
weithigen  öfentlichen  Arbeit  gebracht  werden  sollen. 

1774,  den  3.  May.  K.  K.  A.  L,  daß  die  Anna  Pindurin  mit 
dem  Gesuche  ihre  Kinder  Männlichen  Geschlechts  bey  der  Vätter- 
lichen  Religion  in  Ruhe  zu  belassen,  nicht  nur  ab  sondern  sie  auch 
und   ihr  Ehemann    zu    fernerer   Gestellung    ihrer  Söhne    zum   kath. 


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134 

Unterricht  unter  Bedrohung  der  schärfesten  Zwangs-Mittel  ange- 
wiesen und  Beeden  all  weithere  Behelligung  des  höchsten  Hofes  mit 
gleichfalls  schärfster  Bedrohung  untersaget  werden  solle. 

1780.,  den  19.  Febr.  K.  K.  A.  R.,  kraft  welchen  der  Georg 
Raschka  aus  Wendrin  von  dem  auf  seine  Kinder  Männl.  Geschlechts 
gemachten  Anspruchs  gänzlich  entbunden  und  frey  gesprochen  wird. 

Verordnungen  über  das  Ustroner  Waysen-HauD. 

1749,  den  9.  S ep  t.  K.  R.  betreffend  das  von  Ihro  Kays.  Mayestät 
dem  Lippowetzer  Waysen-Hauße  jährlich  Allergnädigst  resolvirten 
1200  fr.,  wohin  auch  das  confiscirte  Vermögen  der  relegirten  Apo- 
staten zum  Theil  gehörig. 

1750  K.  K.  Repraes.  R.  vom  9.  Juny  um  Bericht,  ob  nicht  das 
Lippowetzer  Waysen-Hauß  nacher  Ustron  transferiret  und  daselbst 
ein  standhaftes  Hospital  errichtet  werden  möge. 

1753,  den  13.  Oct.  Extract  eines  K.  K.  Repr.  R.,  wienach 
Ihro  K.  K.  Mayestät  dem  Ustroner  Orphanotrophio  bloD  300  fr. 
zum  jährlichen  Unterhalt  verwilliget  haben. 

1753,  den  20.  Oct.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  der  aus  dem  arrest 
entwichenen  4  Söhnen  des  apostatirten  George  Buchtschick,  dann 
was  respectu  seines  Vermögens  vorzukehren  und  daß  hinkünftig  alle 
pro  male  educatis  erkannten  Kinder  nach  dem  7.  und  8.  Jahr  in 
das  Orphanotrophium  gegeben  werden  sollen,  jedoch  mit  dem  Ver- 
stände: daß  wann  deren  Eltern  ihnen  die  Media  alimentationis  zu 
verschaffen  in  dem  Stande  seynd,  seibete  auch  allerdings  hirzu  an- 
zuweisen, wo  aber  diese  unvermögend,  solche  Kinder  von  dem  Fun- 
dations-Instituto  zu  unterhalten  seyn  würden. 

1753»  den  27.  Oct.  Extract  eines  K.  K.  Repr.  R.,  womach 
auch  angeferttigte  von  18  Jahren  wie  des  Paul  Sytko  Tochter  auf 
drey  Monath  an  das  Orphanotrophium  zu  Ustron  zu  geben  seyn. 

1753»  den  II.  Dec.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  die  Eltern  derjenig-en 
Kindern,  welche  als  male  educati  zu  ihrer  Reduction  in  das  Ustroner 
Orphanotrophium  übergeben  werden,  des  Jahres  hindurch  30  fr.  und 
zwar  quartaliter  anticipato  7  fr.  30  kr.  abzureichen,  jene  hingeg^en, 
welche  mit  derley  baarer  Bezahlung  nicht  aufkommen  könnten,  flir 
ihre  Kinder  an  Victualien  quartaliter  eben  so  viel  nach  dem  Tesch- 
nischen  Marck-Preyß  abzugeben  verbunden  seyn  sollen  und  womit 
die  Eltern    zu    heimlichen   Unterredungen    mit    ihren    in    Orphano- 


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135 

trophio  befündlichen  Kindern  nicht  zugelassen  würden,  sondern 
solchen  entweder  der  P.  Missionarius  oder  Instructor  beywohnen 
möchte. 

1753»  ^^"  29.  Dec.  Extract  eines  K.  K.  Repr.  R.  respectu 
der  übel  erzogenen  Kindern  des  George  Niemietz,  die,  wann  keine 
Frucht  der  kath.  Instruction  anzuhoffen,  in  das  Orphanotrophium 
gegeben  werden  sollen. 

1754,  den  23.  Febr.  K.  K.  Repraes.  R.,  kraft  welchem  die 
facultates  der  Relegirten  confisciret  und  dem  Orphanotrophio  zuge- 
wendet werden  sollen. 

1754,  den  8.  Juny.  K.  K.  Repr.  R.,  damit  bei  dem  P.  Missio- 
nario  in  ipsis  aedibus  Orphanotrophii  Niemanden  außer  denen  Waysen 
Einkehr  oder  Wohnung  unter  dessen  Verantworthung  gestattet  würde. 

1754,  den  25.  Juny.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  weilen  dies  Orpha- 
notrophium vi  Instituti  für  die  orphanos  et  orphanas  destiniret  ist, 
andere  nicht  ehender  hinein  zu  geben,  als  wenn  die  Reduction  durch 
die  parochos  nicht  füglich  zu  erreichen  ist. 

1754,  den  23.  Sept.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  die  aus  dem  Orpha- 
notrophio dimittirten  Kinder  de  casu  in  casum  gegen  Bescheinigung 
ihren  Gründen  Obrigkeiten  eingeantwortet  werden  sollen,  welche  sie 
denen  Eltern,  oder,  in  defectu  eorum  zu  kath.  Würthen  in  Dienste 
zu  übergeben  und  daß  selbe  nicht  die  Flucht  ergreifen. 

1755,  den  9.  Dec.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  dem  Teschnischen 
Cammer  Ober-Regenten  die  zu  dem  Ustroner  Waysen-Hauß  gewid- 
mete Gurschdorfer  Geistl.  Verlassenschafts-  und  Groß-Herrlitzer  Straf- 
Gelder  zusammen  614  fr.  15  kr.  mit  nächster  Gelegenheit  zugesendet 
werden  sollen. 

1756,  den  24.  July.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  Promovirung  des 
Simon  Sliwkischen  Sohns  ad  Orphanotrophium. 

1757,  den  5.  Mertz.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  der  Gestellung 
des  Johann  Krania'  Sohns  Johann  und  des  Mathes  Krania  von  Orlau 
ad  Orphanotrophium. 

1759?  dc^  27.  Oct.  K.  K.  Repr.  R.,  vermöge  welchem  dem 
Heinrich  Semball  die  Praeceptor- Stelle  bei  dem  Ustroner -Waysen 
Hauß  conferiret  werden  mag. 

1760,  den  13.  April.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  Annehmung  des 
nach  Absterben  ihrer  Mutter  Pasternack  hinterlassenen  Madeis  in 
das  Ustroner  Waysen-Hauß. 


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_136_ 

1760,  den  21.  Oct.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  Ernennung  des 
P.  Paul  Stocklossa  zur  Aufsicht  und  Instruction  der  in  dem  Waysen- 
Hauß  zu  Ustron  befündlichen  Jugend. 

1761,  den  15.  Dec.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  Bestättiguiig  des 
P.  Georgii  Kubitza  zu  der  Ustroner  Waysen-Hauß  Inspection. 

1762,  den  24.  April.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  des  Bielitzer  Bürger 
Andres  Bittner  seine  jüngere  Tochter  in  das  Ustroner  Orphanotro- 
phium  zur  Erziehung  im  kath.  Glauben  abgegeben  werden  solle. 

1763,  den  26.  Febr.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  Ablieferung  der 
5  übrigen  Bittnerischen  Töchtern  in  das  Ustroner  Waysen-Hauß 
auf  Unkosten  ihres  Vatters. 

1763,  den  19.  April.  K.  K.  Repr.  R.  wegen  Bestrafung  des 
Andres  Bittner  von  Bielitz  mit  100  fr.  pro  Orphanotrophio  ex  causa 
weilen  er  seine  ältere  der  kath.  Religion  adjudicirte  Tochter  nacher 
Pleß  zur  Luth.  Lehre  und  Abendmahl  gefuhret. 

1763,  den  7.  Juny.  K.  K.  Repr.  R.,  um  binnen  8  Tagen  die 
Auskunft  wegen  der  geschehenen  Entweichung  des  Andres  Bittner 
von  Bielitz   samt   seinem  Weibe  und   saugenden  Kind  zu  erstatten. 

1763,  den  10.  Dec.  K.  K.  Repr.  R. :  wegen  des  Bielitzer  Bürgers 
Andres  Bittner,  dann  seines  Eheweibes  und  seiner  in  Ustron  befünd- 
lichen 5  Töchtern,  um  erstere  nach  Bielitz  zurückzulocken  und  über 
den  Ausschlag  der  Sache  zu  relationiren. 

1764,  den  8.  Febr.  K.  K.  A.  R.  in  Betreff  der  Bittnerischen 
Ehe-Leuthe  und  Kinder,  damit  jenen  diese  bei  ihrer  Rückkehr  nebst 
dem  hinterlassenen  Vermögen  retradiret  und  der  Erfolg  einberichtet 
werde. 

1765,  den  2.  Jan.  K.  K.  A.  R.  wegen  Approbation  des  zum 
Ustroner  Waysen-Hauß  Praeceptor  in  Vorschlag  gebrachten  P.  Franc. 
Conv.  Anton  Ephrem  und  Amovirung  des  Heinrich  Semball. 

1765,  den  26.  Nov.  K.  K:  A.  I.  wegen  des  vor  2  Jahren  ge- 
tauften Sohns  des  Friedecker  Judens  Baruch  Munck  und  dessen 
Abgebung  in  das  Ustroner  Waysen-Hauß  zum  Unterricht  und  Er- 
ziehung im  kath.  Glauben. 

1766,  den  15.  April,  K.  K.  A.  R.  wegen  des  Adam  Polok 
älteren  Tochter  Marina,  daß  selbe  denen  Eltern  abgenommen  und 
in  das  Ustroner  Waysen-Hauß  abgegeben  werden  solle. 

1766,  den  21.  Oct.  K.  K.  A.  R.  um  guttachtlichen  Bericht, 
wie   mit  Abkürzung   des  Unterrichtes    bei   denen   in   dem  Ustroner 


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Waysen  Hauße  befündlichen  Kindern  dieselben  zu  denen  erübri- 
genden Nebenstunden  zu  Manufactur-Arbeithen  angehalten  werden 
könnten. 

1766,  den  10.  Febr.  K.  K.  A.  R.  wegen  Absetzung  des  Prae- 
ceptoris  in  dem  Orphanotrophio  Anton  Ephrem  und  Anstellung  des 
Johann  Maday  statt  seiner. 

1767,  den  17.  Mertz.  K.  K.  A.  I.,  daß  die  Jugend  in  dem 
Ustroner  Waysen  Hauße  bei  der  daselbst  eingeführten  Flachs- Spin- 
nerey  ferners  erhalten  werden  solle. 

1768,  den  27.  July.  K.  O.  A.  R.  wegen  Arrestirung  des  Mathes 
Liberda  und  Paul  Rudzky  von  Oldrzichowitz  in  so  lang  bis  sie  ihre 
Kinder  in  das  Ustroner  Waysen-Hauß  werden  gebracht  haben. 

1768,  den  13.  Dec.  K.  K.  A.  R.  um  eine  Äuserung  über  das 
dem  Ustroner  Waysen-Hauß  von  Weyl.  Herrn  Carl  Freyh.  von 
Pfütschner  a  Palude  gewesten  würcklich  geheimen  Raths  durch  Sub- 
stitution nunmehro  'zugefallene  Verlassenschafts-Vermögen. 

1770,  den  13.  Jan.  K.  K.  A.  R.  wegen  Aufnahm  der  drey 
Kinder  der  vom  Judenthum  zum  Christlichen  Glauben  bekehrten 
Franciscae  Gottwillin  in  das  Ustroner  Waysen-Hauß. 

1770,  den  22.  Dec.  K.  K.  A.  I.  in  Betreff  der  von  dem  Freyh. 
von  Pfütschner  a  Palude  dem  Ustroner  Waysen-Hauß  zugedachten 
mit  Zuschlag  der  Interessen  nunmehro  auf  25000  fr.  sich  erstrecken- 
den Fundationes. 

1773,  den  20.  Mertz.  K.  K.  A.  I.  wegen  der  dem  P.  Sylvester 
Geyer  allergnädigst  verliehenen  Inspectorat-Stelle  in  dem  Ustroner 
Waysen-Hauße. 

1773,  den  16.  Nov.  K.  K.  A.  R.,  damit  des  getauften  Juden 
Dominik  Bobretzky  Brandwein  Pachters  zu  Bobreck  hinterbliebenen 
zwey  getauften  Kinder  Leopold  und  Mariana  in  das  Ustroner  Waysen- 
Hauß  an-  und  aufgenohmen  auch  unterhalten  und  von  allen  Nach- 
stellungen wohl  verwahret  werden  möchten. 

1776,  den  20.  April.  K.  K.  A.  R.  wegen  zu  veranlassender 
An-  und  Einnahm  des  von  einem  zum  kath.  Glauben  von  dem  cal- 
vinischen Irrthum  convertirten  und  von  Schwarz- Wasser  außer  Landes 
sich  begebenen  Taglöhners  daselbst  hinterlassenen  Mägdels  in  das 
Ustroner  Waysen-Hauß. 

1776,  den  23.  April,  Inhalts  dessen  des  Bielitzer  Bürgl.  Sattler- 
Meysters  Andreas   Schauderma   jüngere   Tochter  Dorothea    in    das 

Jahrbuch  des  Protenantismus  xS88.  H    III.  "[Q 


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Ustroner  Waysen-Hauß  gegeben  werden  solle,  deren  Eltern  aber 
wegen  nicht  erfolgter  Gestellung  dieser  ihrer  Tochter  zum  kath. 
Unterricht  mit  einem  24  stündigen  Stockhaus  Arreste  bei  Wasser 
und  Brodt  bestrafet  werden  sollen. 

1781,  den  15.  April.  K.  K.  A.  I,  daß  Seine  K.  K.  Apol.  Maje- 
stät den  Pater  Franz  Entzendorfer  zum  Vorsteher  des  Ustroner 
Waisen-Hauses  zu  ernennen  allermildest  geruhet. 

Verordnungen  über  die  Copulation  cum  promissione  prolium  ad  8.  fidem 

Catholicam. 

1727,  den  24.  Mertz.  K.  O.  A.  R.  wegen  des  Heinrich  Zima 
mit  der  Marina  Maroschowa  gegen  freywilliger  Stipulation  circa  edu- 
cationem  prolium  vollzogenen  Trauung,  mithin  des  Dechants  Er- 
ledigung. 

1728,  den  7.  Octob.  K.  O.  A.  R.:  daß  der  Kretschmer  als 
male  educatus  mit  seiner  Lutherischen  Brauth  erga  stipulationem  de 
educandis  prolibus  in  fide  salvifica  und  pracstirten  Caution  de  non 
emigrando  ehelich  zusammen  gegeben  werden  können. 

1729,  den  15.  J  u  l  y,  Bischof liches  Administrations-Schreiben 
wegen  drey  copulirenden  Grodischtscher  Unterthanen  Paul  Herock. 
Andres  Wawreczky  und  Thomas  Kania  gegen  Amtlicher  Stipulation 
de  educandis  prolibus  utriusque  sexus  in  fide  catholica. 

1729,  den  24.  Nov.  K.  O.  A.  R.,  daß  die  Marina  Kluzowa 
von  GoUeschau,  falls  sie  zu  der  katholischen  Religion  bono  modo 
nicht  zu  bringen  wäre,  selbte  an  den  Paul  Kubick  verehliget  werden 
möge,  sofern  die  Verlobten,  daß  sie  die  aus  sothaner  Ehe  erzeigende 
Kinder  katholisch  erziehen  lassen  wollen,  stipuliren  würden. 

1755,  den  20.  Sept.  K.  K.  Repr.  R.:  wegen  denen  meistens 
aus  Ursache  der  verweigerten  Copulation  von  den  Cammeral-Dorf- 
schaften  ausgetrethenen  127  Persohnen,  und  wie  nach  solche  ver- 
weigerte Copulationes  denen  betreffenden  Pfarrern  in  Geheim  zu 
verhöben,  und  daß  derley  Casus  denegatae  copulationis  ohnverlangt 
anzuzeigen. 

1775,  den  28.  Mertz.  K.K.  A.I.  in  Ansehung  der  derMariannae 
Catharinae  Korniassowey  ertheilten  Erlaubnus  zur  Verehligung  mit 
dem  hiesigen  Bürgert.  Schneidermeister  Johann  Figna  erga  appr«>- 
missionem  de  educandis   prolibus   utriusque  sexus   in   fide   catholica. 


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Verordnungen  gegen  clandestine  CopuUtionen. 

1750,  den  18.  Aug.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  der  Schönhofer 
Schmied  Johann  Mixa  nebst  seiner  außer  Landes  angetrauten  Brauth 
mit  3  Monathl.  opere  dominicali  bestrafet,  ihre  erzeigenden  Kinder 
secundum  Generah'a  kathol.  erzogen,  künftig  hin  aber  derley  aus- 
ländische Copulationes  fiir  null  und  nichtig  gehalten,  die  dergestalten 
copulirte  als  Concubinarii  bestrafet,  auch  die  erziehlte  Kinder  für 
unehlich  angesehen  werden  sollen. 

1753»  «len  12.  May.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  in  Hungam  verbothen 
seye,  denen  dahin  flüchtenden  male  educatis  die  Trauung  zu  er- 
theilen. 

1761,  den  26.  May.  K.  K.  Repr.  R.  in  Betreff  des  Andreas 
Pilch  und  der  Ewa  Walach,  dann  des  Michael  Bujok  und  Ewa  Czyl, 
welche  sich  in  Preussisch  Schlesien  zusammen  geben  lassen,  weß- 
halben  sie  mit  Arrest  bestrafet  und  recopuliret  werden  sollen. 

1767,  den  21.  Jan.  K.  K.  A.  R.,  daß  in  Betreff  des  clandestine 
copuiirten  Ehe-Paares  Andres  Pindur  und  Veronica  Brzezinin  ihrer 
Bestrafung  halber  bei  Ihro  Mayestät  favorabiliter  eingeschritten 
werden  wolle. 

1771,  den  12.  Mertz.  K.  K.  A.  I.,  daß  dem  mit  der  Ewa 
Müllerin  clandestine  copuiirten  Johann  Biaiek,  weilen  er  die  Ver- 
sicherung von  sich  geben,  seine  künftigen  Kinder  Männlichen  Ge- 
schlechts in  dem  kath.  Glauben  erziehen  zu  lassen,  die  ausgemessene 
Strafe  gäntzlich  nachzusehen  seye. 

1773,  den  20.  Nov.  K.  K.  A.  R.,  daß  der  Adam  Skandera 
von  Gutty  mit  der  Ewa  verwittibten  Brudny  aus  Willamowitz,  weilen 
sich  selbe  in  Preußisch  Schlesien  clandestine  copuliren  lassen,  mit 
einem  3  Monathl.  opere  publico  beleget  werden  sollen. 

1775,  den  jS.  April.  K.  K.  A.  I.,  daß  dem  wegen  der  clande- 
stinen  Copulation  mit  der  Christina  Rosina  Neser  in  der  Bielitzer 
Frohn-Veste  insitzenden  Bürgl.  Tuchmacher  Paul  Niedetzky  A.  C. 
der  erlittene  Arrest  zwar  zur  Strafe  angerechnet,  jedoch  auch  ein 
Versuch  zur  Erlangung  der  Versicherung  de  educandis  prolibus 
utriusque  sexus  in  fide  catholica  gemacht  werden  solle. 

1776,  den  12.  Octob.     K.  K.  A.  R.,    vermöge    welchen  Paul 

Kluß    und   Susanna  Wantulokin   von  Lippowetz   wegen   clandestiner 

Copulation  in   Preußisch   Schlesien   mit   einem   drey  Monathl.  opere 

publico  beleget  werden  sollen. 

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1780,  den  24.  Oct.  K.  K.  A.  I.  betreffend  die  Bestrafung  des 
Michael  Stebel  und  Marina  Balon  aus  Weichsel  wegen  ihrer  im  jen- 
seitigen Landes-Antheile  erfolgten  heimlichen  Trauung  mit  einem 
I4.tägigen  opere  Dominieali. 

Verordnungen  über  das  Bürgerrecht  der  Augsburgischen  Confessions- Verwandten. 

1722,  den  14.  December.  K.  O.  A.  R.  um  Bericht:  ob  einige 
Persohnen,  so  den  Lutherischen  Glauben  profitiren,  zum  Burger-Recht 
und    per   consequens    in    die  Handwerks-Zunften   admittiret   worden. 

1726.  den  28.  Mertz.  K.  O.  A.  V.:  daß  dafeme  die  Augsbur- 
gischen Confessions- Verwandten  wider  das  Hertzogliche,  von  Ihro 
Kays,  und  Königl.  Mayestät  allergnädigst  confirmirte  Religions-Privi- 
legium  *)  einiges  Burger-Recht  oder  fundum  in  der  Stadt  Teschen 
erworben  hätten,  ex  nunc  zu  cassiren  und  in  vorigen  Stand  zu  setzen, 
auch  hirob  gutachtlichen  Bericht  zu  erstatten. 

1726,  den  II.  July.  K.  O.  A.  R.  wegen  ex  nunc  zu  cassirenden 
Lutherischen  Burgern  und  zu  verkaufenden  Liebischen  und  Baron 
Skrbenskyschen  Häußern. 

1773,  den  16.  Mertz.  K.  K.  A.  R.,  daß  diejenigen  Augsb. 
Conf.  Verwandten,  so  in  der  Vorstadt  zu  Teschen  Bürgerliche  Häußer 
und  Gründe  besitzen,  zur  Veräuserung  derselben  unter  einer  Jahres 
Frist  angehalten  werden,  das  Teschnische  Fürstl.  Amt  aber  in  Zu- 
kunft den  Magistrat  zu  derley  Confirmationen  nicht  mehr  an- 
weisen solle. 

1773,  den  24.  April.  K.  K.  A.  R.,  was  maßen  Ihro  K.  K. 
Mayestät  die  denen  Augsb.  Conf.  Verwandten,  so  in  der  Teschnischen 
Vorstadt  Gründe  besitzen,  zu  Verkaufung  dererselben  bestimmte 
Jahres  Frist  auf  drey  Jahre  zu  verlängern  geruhet  haben. 

177s.  den  I.  Jan.  K.  K.  A.  R.  occasione  des  von  dem  Erd- 
mann von  Radotzky  wider  die  allerhöchsten  Satzungen  unternom- 
menen Hauß-Kaufs  und  dessen  Ahndung. 

Verordnungen  über  die  Vybrantzen-Assxstenz. 
1726,  den  6.  Mertz.    K.  O.  A.  R.  um  Bericht:  wie  die  lauen 
Eltern  abgestrafet  werden,  dann  wegen  der  denen  F.  P.  Missionariis 
gebender   Vybrantzen-Assistenz    und    bestellender   katholischer   Vor- 
münder. 

^)  Der  Herzogin  Elisabeth  Lucretia  vom  Jahre   1629. 


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141 

'75 5»  ^^^  4-  Nov.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  bey  nicht  verfangender 
3  mahliger  Requisition  des  Cammer  Ober- Regenten  Amts,  so  gut 
wie  von  anderen  die  Assistenz  verweigernden  Dominus  die  ohnfehl- 
bare  Anzeige  zu  machen  seye,  um  in  dieser  häcklichen  Angelegen- 
heit pro  pessimo  exemplo  keine  Dissimulationes  zu  gestatten,  sondern 
denenselben  in  tempore  gehörig  vorbeigen  zu  können. 

1767,  den  14.  April.  K.  K.  A.  C:  wegen  der  von  dem  hiesigen 
Cammer  Ober -Regenten  über  die  Beschuldigung  wegen  nicht  ge- 
nugsam geleisteter  Assistenz  wider  die  Luth.  Dorf -Vögte  zu  Sisti- 
rung  derer  ansprüchigen  Kindern  und  anderen  Persohnen  einge- 
brachten Verantwortung  um  sich  himach  zu  richten  und  das  nöthige 
zum  besten  der  Religion  an  die  Hand  zu  geben  wiessen. 

1768,  den  15.  Nov.  K.  K.  A.  R.  wegen  geschehener  Anweisung 
des  allhiesigen  K.  K.  Landes  Eltesten  zur  Gestellung  der  Anna 
Primuß  und  anderer  derley  frey  Leuthe  auf  allmahliges  Verlangen 
die  erforderliche  Assistenz   durch   die   Landes  Dragoner   zu   leisten. 

1770,  den  16.  Oct.  K.  K.  A.  R.,  wodurch  eine  an  den  Cammer 
Ober-Regenten  erlassene  Verfügung  der  ernstlichen  Assistenz  halber 
wider  die  drey  Dorf  Vögte  zu  Weichsel,  EUgoth  und  Oldrzichowitz 
communiciret  wird. 

Verordnungen  gegen  scandalöse  Bücher. 

17 14,  den  10.  Juli,  K.  K.  R. :  wegen  einigen  von  dem  bey 
der  Augsb.  Conf.  Verwandten  Schule  zu  Teschen  bestelten  CoUega 
August  Mevius  aus  Leipzig  verschriebenen  lasterhaften  Büchern, 
um  solche  zu  verbrennen  und  gedachten  Schul-Collegam  seines 
Dienstes  zu  entsetzen. 

1746,  K.  A.  R.  vom  18.  Oct  ob.,  damit  von  denen  durch  das 
Jablunkaische  Zohl-Amt  in  Commissum  gezogenen  recht  skandalösen 
fünf  Ballen  Büchern  einige  Exemplarien  an  das  Königl.  Amt  einge- 
schicket,  hinführo  aber  auf  Einschleppung  dergleichen  ärgerlichen 
Bücher  genau  invigiliret  werden  solle. 

1752,  den  26.  Febr.  K.  K.  Repraes.  R.  um  g^ttachtlichen 
Bericht  wegen  der  in  Bielitz  in  Verhaft  gezogenen  Luth.  Eheleuten 
und  von  dem  daselbstigen  Patre  Missionario  Joanne  Braun  einge- 
zogenen zwey  Evangelischen  Predig-Büchern. 


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142 

1752,  den  2.  Mertz.  K.  K.  Repraes.  R.,  daß  die  von  dem 
P.  Missionario  Bilicensi  eingezogenen  zwcy  Luth.  Bücher  nacher 
Troppau  ad  Censuram  überschicket  werden  sollen. 

1752,  den  24.  July.  K.  K.  Repr.  R.  in  puncto  des  von  dem 
Johann  Bujok  zu  Freystadt  vorgelehnten  skandalösen  Buches. 

1752,  den  II.  July.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  die  dem  Bielitzer 
P.  Missionario  eingestandene  Revision  der  daselbstigen  Herrschaft- 
lichen Bibliothec  hinvviderum  ex  nunc  sistiret  werden  solle. 

1752,  den  2.  Oct.  K.  K.  Repr.  R.,  daß  die  betroffenen  Luth. 
Bücher  durch  die  K.  K.  Religions-Commission  mit  Vernehmung  des 
P.  Missionarii  ante  confiscationem  censuriret  werden  sollen. 

i7S3f  den  17.  April.  K.  K.  Repr.  R.:  umb  Bericht,  was  es 
mit  denen  Samuel  Trautmannischen  Büchern  für  eine  Beschaffen- 
heit habe. 

1753,  den  6.  Oct.  K.  K.  Repr.  R.,  wienach  Ihro  K  K.  Mayestät 
die  in  der  inliegenden  Specification  bemerckten  Luth.  Bücher  confis- 
ciret  und  deren  weithere  Einfur  sub  Confiscatione  und  einer  ander- 
weithigen  Strafe  verbothen  haben. 

1776,  den  21.  Sept.  K.  K.  A.  R..  wienach  i)  das  bey  dem 
Freyh.  v.  Calisch  auf  Drahomischl  fiirgefundene  und  in  Beschlag 
genommene  Luth.  PredigBuch  dem  Eigenthümer  keines  Weges 
zurückzustellen,  sondern  zu  confisciren,  dann  2)  daß  die  in  hier- 
orthiger  Verwahrung  annoch  befündliche  gesamte  Exemplarien 
sothanen  Buches  mit  gutter  Gelegenheit  dahineinzusenden  seye.  Wobey 
auch  3)  dasjenige  communicieret  wird,  was  in  Betref  dieses  Buchs  von 
dem   hiesigen  Königl.  Landes-Eltesten  annoch  erhoben  werden  solle. 

1777,  den  3.  April.  K.  K.  A.  R.  Inhalts  dessen  die  bey  dem 
Freyherrn  von  Calisch  in  Drahomischel  fürgefundene  45  Exemplarien 
eines  sehr  ärgerlichen  Predig-Buchs  sogleich  zu  vertillgen  und  nicht 
nur  erstbesagten  Freyh.  von  Calisch  die  unterlassene  Vertilgung 
der  die  kath.  Religion  lästernden  Bücher  zu  verheben,  sondern  auch 
dessen  Rendmeister,  welcher  solche  in  Verwahrung  gehabt,  zu  be- 
drohen seye,  daß  bei  einer  ferneren  Betrettung  wieder  ihn  eine 
scherfere  Ahndung  verhänget  werden  würde. 

Verordnungen  gegen  die  Pietisten. 

1722,  den  6.  August.  K.  O.  A.  V.:  womit  die  von  denen 
Lutherischen   Praedicanten  exercirende  Winckel-Lehre  bey   ICX)  Du- 


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caten  Strafe  untersaget,  wegen  des  angemaßten  Pietismi  aber  auf 
den  Wortsdiener  Sassadium  noch  mehrere  Indicia  angezeiget  werden 
selten. 

1722,  den  15.  November.  K.  O.  A.  V.:  daß  denen  Luthe- 
rischen Wortsdienern  ihre  angemaßten  Conventlcula  und  Winckel- 
Lehre  mit  empfiindlicher  Animadversion  von  nun  an  untersaget 
werden  sollen. 

1727,  den  4.  Dec.  K.  O.  A.  I.:  daß  Ihro  Kays.  Mayestät  die 
drey  Worts-Diener  zu  Teschen  Steinmetz,  Muthmann  und  Sassadium 
mit  ihrem  allerunterthänigsten  Recurs  wider  das  zwischen  ihnen  als 
Beklagten  und  dem  Königl.  Fisco  als  Klägern  in  puncto  der  von 
ihnen  gehaltenen  Conventiculorum  und  Winckel-Lehren  von  dem 
Teschnischen  Landes  Amte  ergangene  Interlocut  ratione  der  Beklagter 
Seits  producirt  —  hingegen  nicht  admittirten  vier  Zeugen  abge- 
wiesen haben. 

1728',  den  18.  Jan.  K.  O.  A.  R.  wegen  der  in  der  Augsb. 
Sacristey  verbothenen  Winckel -Lehre. 

Mildere  Verordnungen. 

1727,  den  3.  Jan.  K.  O.  A.  R  :  daß  der  Martin  Sabinsky  nebst 
seinen  zwey  Söhnen  von  Freystadt  gegen  der  geleisteten  Caution 
mit  fernerer  Persöhnlicher  Verhaftung  verschonet  bleiben  könne, 
doch  wäre  gutachtlich  einzuberichten,  mit  was  vor  einer  Geld- Strafe 
er  Martin  Sabinsky  wegen  vernachleßigter  Education  seiner  zwey 
Söhne  in  der  katholischen  Religion  anzusehen  seye.^  Dann  wegen 
des  an  dem  Sabinsky  von  den  Raubern  erlittenen  Schadens  und 
dessen  Ersetzung  halber. 

17SS1  <^d  30.  Dec.  K.  K.  Repr.  R.,  wienach  mit  dem  de 
Apostasia  überwiesenen  Mathes  Skowrunek  aus  Bystrzitz  und  des 
Johann  Niedoba  Eheweib  Anna  als  beeden  alten  Persohnen  ihrer 
dermahligen  üblen  Gesundheit  halber  nichts  vorgenommen,  sondern 
deren  Genesung  abgewartet,  auch  das  geringe  Vermögen  des  ersteren 
seinem  2jährigen  Sohn  zugewendet  werden  solle. 

1771,  den  14.  May.  K.  K.  A.  R.,  daß  vermöge  eines  einge- 
langten Höchsten  Hof-Decrets  die  in  beyliegenden  Beschwerden 
unterschriebenen  Querelanten  und  alle  übrigen,  so  wegen  des  An- 
spruchs ihrer  Kinder  dermahlen  in  Arrest  sich  befunden,  sogleich 
frey  entlassen  und  bis  zu  wegen  Mäßigung   der.  in  Religions-Sachen 


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bestehenden  Generalien  erfolgenden  allerhöchsten  Resolution  keine 
andern  derley  Leuthe  mit  Arrest  beleget  werden  sollen. 

1771,  den  17.  Sept.  K.  K.  A.  I.,  daß  diejenigen  Luth.  Kinder, 
die  das  20.  Jahr  erreichet,  von  dem  Anspruch  frey  geworden  seyn 
und  wenn  sie  sich  sodann  an  Luth.  Weiber  verehligen,  ihre  Kinder 
von  allem  Anspruch  frey  gelassen  werden  sollen,  es  sey  denn,  daß 
sie  sie  freywillig  in  der  kath.  Religion  erziehen  lassen. 

1776,  den  28.  May.  K.  K.  A.  R.,  daß  es  dermahlen  von  der 
Anno  1773  angeordneten  Veräußerung  der  von  denen  Acatholicis 
in  der  hiesigen  Vor-Stadt  bereits  vor  mehreren  Jahren  erkauften 
und  besitzenden  Häußern  gänzlich  abkomme. 

1781,  den  II.  July.  K.  K.  A.  L,  daß  von  nun  an  jedes  ein- 
geführte Religions-Patent  aufgehoben  und  zwischen  Katholischen 
und  Protestantischen  Unterthanen  kein  Unterschied  mehr  zu  machen 
ist,  als  daß  diese  kein  freyes  Religions-Exercitium  haben,  die  Auf 
hätzer  und  Verführer  aber  nach  den  Politischen  Grundsätzen  zu 
bestrafen  seien. 


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XIII. 

Die  mährischen   evangeU  Kirchengemeinden  und  ihre 
Seelsorger  in  der  Reformationszeit. 

Mitgetheilt  von  GEORGE  DEUTSCH. 

In  dem  mährischen  Landesarchive  zu  Brunn  erliegt  eine  Hand- 
schrift des  ausgezeichneten  Geschichtsforschers  und  unermüdlichen 
Sammlers,  des  mährisch-schlesischen  Gubemialsecretärs  Johann 
Peter  Cerroni,  welche  ein  Verzeichniss  der  evang.  Kirchen- 
gemeinden und  ihrer  Seelsorger  in  Mähren  enthält.  Ich  theile  hier 
die  bisher  ungedruckt  gebliebene  Arbeit  mit,  jedoch  habe  ich  die- 
selbe durch  zahlreiche  Zusätze  und  Berichtigungen  ergänzt,  die  jch 
den  Sammlungen  zweier  ebenfalls  schon  längst  in  das  Jenseits  hin- 
übergegangenen mährischen  Gelehrten  entlehnte,  des  Landesarchivars 
Anton  Boczek  und  des  Raigener  Benediktiners  Gregor  Wolny. 
Die  bei  jedem  Orte  eingeklammerte  Bezeichnung  nennt  die  katho- 
lische Diöcese,  zu  welcher  er  gehört. 

Die  in  der  Reformationszeit  bestandenen  nichtkatholischen 
Kirchengemeinden  waren  folgende : 

Allerheiligen  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  1562 
und  1563;  Wolf  gang,  früher  Prämonstratenser  in  Brück,  1570  und 
1574;  Paul  1600;  Jakob  Zeidel  1609;  Georg  Nolens  16  .  . 

Altstadt  bei  Goldenstein  (Olmütz),  lutherisch ;  Johann  A  pp e  1 
1561,  geb.  zu  Frankenstein  in  Schlesien. 

Altstadt  bei  Mährisch-Trübau  (Olmütz),  lutherisch;  Jakob 
Pallio  oder  Pellio  1603,  noch  1612;  Christof  Fritscher,  1616, 
noch  1621. 

Alt-Titschein  (Olmütz),  Jakob  Kunwaldsky  1572,  noch 
1578;  Mathias  Brodsky  1580  und  1584;  Peter  Hembert 
1600 — 1605,  geb.  zu  Fulnek;  Philipp  Lemonica  1610;  Magister 
Martin  Öembersky  1611—1613;  Valentin  Arnoldus  1614—1624, 


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146 

gest.  12.  März  1624;  Paul  Salter  1627;  Simon  Nitzko  1629,  geb. 
zu  Czeleg  in  Ungarn. 

Aschmeritz  (Brunn),  lutherisch;  Tobias  Dürbart  1619. 

Auerschitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Paul  Wolf  zwischen 
1592  und  1596;  Thomas  Nicolaides  1616;  Thomas  Simonides 

1619,  gest.  als  Private  1627. 

Augezd  bei  Klobauk  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann 
Hodowinsky  1565. 

Augezd-Ober  bei  TrebitscK  (Brunn),  Böhmische  Brüder; 
Burian  1555;  Georg  Stinsky  1557,  nach  PoCatek  in  Böhmen 
übersiedelt  1557 ;  Johann  Strakonicky  1557  und  1562;  Thomas 
1562;  Blasius  1572. 

A  u  s  s  e  e  (Olmütz),  Böhmische  Brüder ;  Wenzel  P  i  s  e  c  k  y  1560, 
nach  Bystritz  bei  Pernstein  übersiedelt  1562;  Mathäus  1562, 
nach  Loschitz  übersiedelt  1587. 

Auspitz  (Brunn),  lutherisch;  Johann  Mankovicenus  1620, 
geboren   zu  Liptau   in  Ungarn,  ausgewiesen  1624. 

'  Austerlitz  (Brunn) ,  böhmische  Brüder ;  I  s  a  i  a  s  1 506,  Consensior 
dei:  Gemeinde,  geb.  zu  Austi  in  Böhmen,  gest.  1526;  Johann 
Taborsky  1563;  Jakob  Klusak  1572,  geb.  zu  Austerlitz  1525, 
gest.  1585;  Daniel  Boreas  1589,  geb.  zu  Trebitsch,  gest.  1592; 
Benedikt  Polenus  1592,  geb.  zu  Pacow  in  Böhmen,  Schullehrer 
daselbst  1588,  nach  Reznowic  übersiedelt  1594;  Adam  Felinus 
1594,  gest.  an  der  Pest  1598;  Samuel  Bene,  Consenior.  gest.  1601; 
Mathias  Pauli  1601,  geb.  zu  Nimburg  in  Böhmen;  Wenzel  Ar  am 
1586,    geb.   zu  Netolic    in   Böhmen;   Johann   Heraus    1613,    noch 

1620,  geb.  zu  Meseritsch;  Diakone:  Christof  Plor an tius,  ge- 
borener Ungar,   1601. 

Barn  (Olmütz),  lutherisch;  Samuel  Henzner,  geb.  zu  Berg- 
stadt, gest.  1617;  Michael  Kristein  1619—1622,  geb.  zu  Brieg  in 
Schlesien  1592. 

Bergstadt  (Olmütz),  lutherisch;  Christof  Gerstenberg  1563. 
geb.  zu  Leuben  in  Schlesien. 

Alt-Biela  (Olmütz),  lutherisch;  Georg  Wartsky  1567. 

Bilkau  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Georg  1579 — 1589,  nach 
Datschitz  übersiedelt  1589. 

Biharzowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Krum- 
lowsky    1563,   nach  Lipnik   übersiedelt    1566;    Niklas    1573  und 


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1576;   Georg   1575;   Niklas    1576;     Jakob  Jaromificky  1576 
und  1578;  Georg  Reggia  zwischen  1606  und  1616. 

Bisenz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  N.  Rudiny,  oder 
Rudinsky,  um  1610. 

Biskupitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Hofepnicky 
1548 — 1550;  abermals  1558;  Johann  Slawiöek  1599  und  1560; 
Johann  1566. 

Bist  ritz  unter  dem  Hostein  (Olmütz),  Böhmische  Brüder; 
Tobias  Zaworka  1593,  geb.  zu  Leipnik;  Johann  Pofica  1606; 
Georg  Borowsky  1611,  geb.  zu  Stfelitz;  sein  Gehilfe  Jakob  der 
ältere  Petrocelinus  1612;  Wenzel  Woititius  1620,  erschossen 
von  Kosaken  5.  Februar  1620. 

Bistritz  bei  Pernstein  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Martin 
1528 — 1538,  früher  Pastor  zu  Sezemitz  in  Böhmen;  Wenzl  1540; 
Johann  Dalenzie  1544;  Wenzl  Pisecky  1562,  früher  in  Aussee; 
Georg  Wartsky  von  Risberg  1569,  früher  Pastor  zu  Biela  in 
Böhmen;  Philipp  1569  und  1572;  Christof  1575,  früher  in  Blansko; 
Martin  1576;  Laurenz  Dukat  1580,  früher  in  Littentschitz,  wurde 
wegen  seiner  Unverträglichkeit  vom  Stadtrath  entlassen  1581;  Georg 
Borowsky  1586.  früher  in  Oels,  nach  Boskowitz  übersiedelt  1594 
Johann  Bochdanowsky  1594;  Wratislaw  15  .  .  ;  Andreas  15  . 

Gross-Bitesch   (Brunn),    Böhmische   Brüder;     Philipp  1555 
nannte     sich    Dechant     des    Bitescher    Bezirkes;     Johann     1561 
Blasius    1565;    Georg    1567;    Kaspar    Fabritius    1570,    nannte 
sich     Dechant     des     Bitescher     Bezirkes,      gest.     18.     Juni     1574 
Johann  Meytsky  1579;   Samuel   Benediktus,   ordinirt    1601,   gest 
1605;  Daniel  Sofron,  Senior  der  Brüder,  gest.  1605;  Josef  Alfreus 
1612,    ordinirt    1594;    Daniel   Straznicky    1612;    Adam    Calinius 
Hj07;    Cornelius   Meytsky,    Sohn   des    oben   Genannten,    mit    ihm 
Wenzl   Blank,   Elias  Bram   und   Adam   Kfiz   1612;   N.   Klement 
1614;   Tobias   Balsam    1619;   Adam  Pisecky  1620;  Johann  Zed- 
niöek  1622;  Johann  Chodnitius  1624;  Adalbert  Wrablitius  1624. 

Bladensdorf  (Olmütz),  lutherisch;  Hanns  Pilz  1563,  geb.  zu 
Dresden,  ordinirt  zu  Wittenberg  3.  März  1563. 

Bladowitz  (Olmütz),  lutherisch;  Melchior  Maudrius  1607,  geb. 
zu  Sternberg. 

Blansko  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  1560;  Christof 
1576;  Johann  Polnicky  1599;  Thomas  1607. 


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148 

Bochdalau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Pfenicka 
1620. 

Bochdalitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Peter  um  1567; 
Andreas  Launsky  1577  und  1578;  Georg  Solosinsky  1581  und 
1583;  Veit  Cech  1590,  aus  Iglau. 

Bohuslawitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Martin  Trunkat 
1589  und  1572. 

Bohutin  (Olmütz),  lutherisch;  Wolfgang  Schulweiss  1562, 
geb.  zu  Zwickau,  ordinirt  zu  Wittenberg.. 

Bojanowitz,  Unter-  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Stefan 
Pfihradny  von  Mosovec  1580;  Simon  Strumersky  um  1592. 

Boikowitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Paul  1571,  früher 
katholischer  Pfarrer  in  Mährisch-Neustadt ;    Johann  Sitinsky  1591. 

B ölten  (Olmütz),   lutherisch;  Daniel  Junius  1623. 

Borstendorf  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Jakob  Antropas 
Kaufimsky  1580;  Peter  Kozel  1582,  geb.  zu  Teltsch;  Simon 
Zdiarsky  1591;  Jakob  Melchiorides  1600,  gest.  1610. 

Boskowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Wiwieta  15  .  .  ; 
Wenzl  Towacowsky  1561  und  1562,  früher  in  Leipnik;  Georg 
Friscianus  1559,  geb.  zu  Thurocz  in  Ungarn,  ordinirt  zu  Witten- 
berg 18.  Juli  1569;  Jacob  Antropas  1581,  geb.  zu  Kaufim  in 
Böhmen;  Georg  Borowsky,  von  Bistritz  bei  Pernstein  hierher  be- 
rufen 1594. 

Boschowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Kuöera  1593. 

Bothenwald  (Olmütz),  lutherisch;  Jakob  Lotge  1584; 
Valentin  Calcearius  1619—1624. 

Braunseifen  (Olmütz),  lutherisch;  Johann  Krauswitz  1580; 
Tobias  Stegmann  1589,  geb.  zu  Jägerndorf;  Johann  Gabriel  1595. 
geb.  zu  Habeischwert,  gest.  im  September  1620;  Tobias  Hof- 
mann 1621,  geb.  zu  Jägemdorf,  ausgewiesen  1625. 

Bfeznik  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Stanislaus  1520; 
Johann  1522. 

Ungarisch-Brod  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Gallus  1531, 
geb.  zu  Horazdiowitz  in  Böhmen,  ordinirt  1526,  gest.  1535;  Veit 
Michaletius  15..,  Baccalaureus,  gest.  zu  Leitomischl  1536; 
Wenzl  Planconitius  um  1550,  gest.  zu  Prerau  1564;  Lukas 
Johann  1564,  geb.  zu  Wodnian  in  Böhmen,  ordinirt  zu  Witten- 
berg   12.    April    1564;     Niklas    Marci    1574,     geborener    Ungar, 


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149 

ordinirt  zu  Wittenberg  17.  November  1574;  Paul  Kirchmezer 
oder  Kirchmesser  1578,  ordinirt  zu  Krakau;  Johann  Aquila 
(Wodiöka)  1578;  Paul  Pressius  1580,  gewesener  Professor  der 
Theologie,  Doctor  und  deutscher  Prediger  zu  Kuttenberg  seit  1575, 
gest.  7.  März  1586;  wieder  Johann  Aquila  1586,  gest.  1591; 
Martin  Malobicky  1588,  geb.  zu  Brod,  dann  Rector  der  reformirten 
Schule  und  Baccalaureus  in  Prag;  Samuel  Silinsky  1611;  Paul 
Dubinus,  Senior,  1619,  gest.  1623;  Johann  Hermon,  Consenior, 
gest.  28.  Juli  1636;  Diakone:  Johann  Pelargi  1588,  geborener 
Ungar,  ordinirt  zu  Wittenberg  7.  Juli  1588,  früher  Rector  der  hiesigen 
Schule;  Niklas  Wrbowsky  1607,  geborener  Ungar,  ordinirt  zu 
Wittenberg  3.  März  1607,  früher  Rector  der  hiesigen  Schule; 
Peter  Berger  1608,  geborener  Ungar,  gest.  1610. 

Brumow  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Viktorin  Pfibislawsky 
um  1576,  noch  1579. 

Brunn,  lutherische  Geistliche  bei  St.  Jakob,  10.  April  1619  bis 
8.  Februar  1621;  Adam  Windhofer,  Pastor,  seit  1608  Pastor  zu 
Stein  in  Niederösterreich ;  Magister  Elias  Kogter,  Helfer;  Thomas, 
böhmischer  Prediger;  Caspar  Burek,  Ecclesiastes. 

Budwitz,  Mährisch-  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Peter  Vischer 
1533;  Jacob  Petrozellin,  geb.  zu  Kunstadt  1571,  ordinirt  zu 
Wittenberg  1592,  Pastor  1601—1604,  nach  Trebitsch  übersiedelt 
1604;  Bartholomäus  Ja worsky  1606;  Georg  Polom  1667,  geb.  zu 
Kremsier;  Johann  Tykalides,  geb.  zu  Skuß  in  Böhmen;  Pastor 
1612;  Wenzl  Olirius  1612,  Rector  der  Schule  zu  Trebitsch  1611; 
Johann  Jurowec  1614,  geb.  zu  Neu-Wessely;  abermals  Georg 
Tykalides  1619;  Jakob  Petrozellin  162.,  Sohn  des  oben  Ge- 
nannten, Magister  in  Prag  geworden  1619,  Prediger  zu  Neu-Lhota 
in  Böhmen  1624. 

Butschowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Florian  1564, 
früher  katholischer  Geistlicher,  Jakob  Gallina  1588,  geb.  zu  Zamost 
im  Szolnoker  Comitate :  Gehilfe:  Mathäus  Andrea,  aus  Trentschin 
in  Ungarn  berufen  1599. 

Charwat  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Georg  Hobides  1557. 

Chropin  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Skalicius, 
Senior,  1565,  gest.  15.  December  1568;  Johann  Jothan,  ordinirt 
1560,  gest.  1592. 


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Chwalkowitz  bei  Butschowitz,  Böhmische  Brüder;  Georg 
Zlinsky  1584. 

Cebin  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Elias  öerwenka,  gest.  um 
1595;  Laurenz  Curtius  Brodsky  1605. 

Öastohotitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Niklas  1569,  nach 
Biharzowitz  übersiedelt  1573;  Laurenz  Wolsky  1576;  Johann  von 
Tismic,  gest.  1586;  JohannBubacek  1601,  geb.  zu  Hof  ic  in  Böhmen. 

Czech  (Olmütz),    Böhmische   Brüder;  Johann   Polnicky  1567. 

Czeikowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Simon  Ädiarsky  1593. 

Czernin  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Paul  Matausek  Zurawsky 
aus  Zerawic  1606. 

Czettechowitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Gallus  Czellach 
1622. 

Czuczitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Lednicky 
1567,  gest.  um  1597. 

Dambofitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Paul  Jaromeficky 
1575  und  1577. 

Dannowitz  Unter-  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Efron 
Hornicky  1613;  Stanislaw   Humelius  1617. 

Datschitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Georg  Vicius  1550, 
Mitältester  der  böhmischen  Brüdergemeinde,  gest.  1551;  Georg 
1580,  Georg  1589;  Andreas  Hawljk  15..,  geb.  zu  Raudnitz  in 
Böhmen;  Laurenz  Rusky  1601;  Samuel   1613;  Adam  1617. 

Daubrawnik  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Tobias  Zaworka 
1597  und  1603;  Tobias  Pfikersky  1599;  Daniel  Pfihradny  1603. 
Caplan;  Mathias  Lipensky  1612;  Franz  Öperka,  gest.  61jährig 
26.  Jänner  16  .  .  . 

Dobromielitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Wenzl  1571: 
Adam  1588;  Georg  Seratorius  1598;  Michael  Chmelowsky  1601. 

Domstadtl  (Olmütz),  lutherisch;  Michael  Kirstein  1617. 

Döschen  (Brunn),  lutherisch;  Wolfgang  Lotter  1621  und  1629. 

Drahanowitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Urban  1560  und 
1572;  Niklas  Prazsky  1574  und  1576;  Peter  Tfebochowsky 
zwischen  1588  und  1592. 

Drahotusch  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Viktorin  1585: 
Niklas  Drabitius  1620,  geb.  zu  Strassnitz  1586,  ordinirt  zu 
Äerawic  1616,  nach  Ungarn  übersiedelt  1624,  enthauptet  zu  Press- 
burg 1630. 


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151 

Dfewohostitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Jelec, 
auch  Felecius  genannt,  Visitator  der  Brüder-Bethäuser  in  Polen, 
ordinirt  1543,  gest.  1555;  Heinrich  Schwarz  von  Semonina  1588, 
Liebling  des  Carl,  von  Zierotin,  ordinirt  1560,  gest.  zu  Rossitz  1611; 
Johann  Nemßansky,  Senior  der  Brüder  in  Böhmen  und  Mähren, 
geb.  zu  Ungarisch-Brod  1522,  gest.  1588. 

Dfinow  (Olmütz),  Böhmische  Brüder ;  Paul  Accantides  1599, 
geb.  zu  Horazdiowitz  in  Böhmen. 

Dubitzko  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Lukas  Polak  nach 
1537,  früher  Chorherr  des  Augustinerstiftes  zu  Sternberg,  zur 
katholischen  Kirche  wieder  zurückgekehrt  1561;  Samuel  Tfebowsky 
15.  .;  Rafael  Kaukai  1613. 

Ober-Dubnian  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Georg  Basti 
1584,  nach  Hunkowitz  bei  Selowitz  übersiedelt  1588;  Florian 
Kozmanek  1589;  Michael  Zdiarsky  1591  und  1592. 

Dum  holz  (Brunn),  lutherisch;  Paul  Radek;  Magister  N.  Kug- 
1er;  Balthasar  Bretius  1598,  geb.  zu  Breslau. 

Eibenschitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Martin  Slama,  ge- 
nannt Niger,  1540,  Consenior  der  Brüder,  geb.  zu  Prossnitz,  gest. 
1549;  Jakob  Sidlarius,  Consenior  1551,  im  nahen  Eichenwald  von 
Räubern  erschlagen  29.  October  1552;  Urban  1553;  Johann  Bla- 
hoslaw,  Brüderbischof  nach  Johann  Augusta  1557,  gest.  zu  Krumau 
24.  November  1571;  sein  Gehilfe  Paul  Rasowsky;  Peter  Her- 
bert, Consepior  1571,  gest.  1.  October  1571;  Andreas  Stephan 
1571,  geb.  Prossnitz,  früher  Prediger  zu  Prerau,  Senior  und  Vor- 
steher des  Eibenschitzer  BrüdercoUegiums  1575,  gest.  zu  Jaromief 
in  Böhmen  in  der  Badecur  21.  Juni  1577;  Johann  Aeneas  1588, 
geb.  zu  Jungbunzlau  in  Böhmen,  früher  Pastor  zu  Trebitsch,  gest. 
5.  Februar  1594;  Paul  Jesen  1594,  geb.  zu  Ungarisch-Brod,  Senior 
der  Brüderunität  seit  1589,  gest.  zu  Bezuchow  24.  Mai  1594;  sein 
Gehilfe  Elias  von  Cebin  noch  1595;  Johann  Narciss  1599,  Senior 
seit  1594,  gest.  zu  Brandeis  in  Böhmen  1611;  seine  Gehilfen  Wenzl 
Kopecky  und  Johann  Cruciger;  Daniel  Marchel  1605,  ging  ab 
1606;  Zacharias  Ariston  1606,  Senior,  gest.  8.  Februar  1608; 
Timotheus  Erithräus  1609,  ordinirt  zu  Wittenberg;  Johann  Morawa 
1609,  seine  Gehilfen  Adam  Holeßin  und  Felix  Antropius;  Mathäus 
Seh  midi,  geb.  zu  Iglau,  deutscher  Diakon,  deutscher  Prediger  seit 
1612;     Georg   Erastus    1615,     Senior    und    durch    vierzehn  Jahre 


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152 

Präses  der  Brüderunität ;  Georg  Öermak  1616,  Gehilfe  der  Brüder: 
Sigmund  Heger,  deutscher  Pastor  1620;  sein  Gehilfe  Simon  Seiker: 
Wenzl  Viktorin,  ausgewiesen  1624. 

Eichhorn-Bitischka  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Abraham 
1608;  Gabriel  1619;  Daniel  1620;  Johann  1622;  Georg 
26.  August  1628;  Peter  1636. 

Eisenberg  (Olmütz),  lutherisch;  Fabian  Hofmann  1563,  geb. 
zu  Freistadt  in  Schlesien,  ordinirt  zu  Wittenberg  19.  Septem- 
ber 1563. 

Eisgrub  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Melchior  Gans,  über- 
siedelt nach  Ranzern  bei  Iglau  1554;  Christof  Mänkl  1574,  noch  1580. 

Erdberg  (Brunn),  lutherisch;  Andreas  Janitius  1590. 

Frain  (Brunn),  lutherisch;  Anton  Dörflinger  1617. 

Freistadtl  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Paul  Zalud  1565, 
gest.  9.  Februar  1574;  Johann  Jawor,  gest.  1588. 

Fröllersdorf  (Brunn)  lutherisch;  Johann  Laterowic  1595. 

Fulnek  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Elias  15..; 
Michael  Weise  1536,  früher  zu  Landskron  in  Böhmen;  Georg 
Erastus  1557,  gest.  zu  Lesna  in  Polen  1613;  Peter  Herbert,  gest. 
1571;  wieder  ein  Georg  Erastus  1581,  geb.  zu  Meseritsch.  ordinirt 
1580,  gest.  schon  1581;  Wenzl  Pontanus  1618;  Johann  Arnos 
Comenius  1618—24. 

Füllstein  (Olmütz),  lutherisch;  Martin  Pittich  1622. 

Gaya  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Isaias  1528;, Paul  Aquilin 
Hradecky  1560  und  1565;  Veit  um  1578;  Johann  Albitius  1579: 
Veit  Aquilinus  Hradecky  1580;  Paul  Aquilinus,  auch  Worlicky 
genannt,  1589,  geb.  zu  Königgrätz,  Corrector  an  der  Druckerei  der 
Brüder  zu  Prossnitz  1548,  Rector  der  Schule  daselbst  1555. 

Geppersdorf  (Olmütz),  lutherisch;  Johann  Clericus,  aus- 
gewiesen 1625. 

Gerlsdorf  (Olmütz),  lutherisch;  Zacharias  Richter  1590. 

Ge witsch  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Thomas  Petrozelin 
1563;  Calixtin  um  1565,  ordinirt  in  Wittenberg;  Laurenz  Rwa- 
eowsky  1576  und  1577;  Laurenz  Hradecky  1594;  Caspar  Albin 
Hoiepnicky  1595. 

Gnadlersdorf  (Znaim),  lutherisch;  Philipp  Jakob  Ferber  1616. 
früher  Hofprediger  zu  Heidenreichstein  in  Oesterreich,  gest.  zu  Znaim 
6.  September  1620. 


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153 

Göding  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Isaias  1560;  Nathanel, 
dessen  Sohn,  1568;  Niklas  Dobromir  1590,  Consenior,  gest. 
1.  Jänner  1590;  Georg  Caspar ides  Kfizan  1593;  Tobias  Bal- 
samus  1607;  Paul  Dubinus  1609. 

Grosse  (Olmütz),  lutherisch;  Burkhardt  Hertwik  1560. 

Grussbach  (Brunn).  lutherisch;  Jakob  Walker  1588;  Bal- 
thasar Hulner  1595;  Johann  Sculteti  1612;  Valentin  Tapenzer 
1G14;  Johann  Gärtner  1615;  Peter  Sculteti  1617. 

Gurdau  (Brunn),  lutherisch;  Bartholomäus  Henrici  1620. 

Gurein  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Boeme  1603, 
geb.  zu  Banowic  in  Ungarn,  ordinirt  zu  Wittenberg  1603. 

Hannsdorf  (Olmütz),  lutherisch;  Caspar  Siegler  1561,  geb. 
zu  Striegau  in  Schlesien. 

Heidenpiltsch  (Olmütz),  lutherisch;  Daniel  Obern dorf  oder 
Olbendorf  1608  und  1609;  Michael  Kristein  1616,  nach  Dom- 
stadtl  übersiedelt  1617. 

Hennersdorf  (Olmütz),  lutherisch;  Martin  Vincenti  1584, 
geb.  zu  Steinau  in  Schlesien;  Martin  Marquard  1601,  geb.  zu 
Sagan  in  Schlesien;  Michael  Linke  1627,  geb.  zu  Liebenthal. 

Heraltitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Niclas  Pika  1601 
geb.  zu  Hohenmauth  in  Böhmen. 

Hermannsschlag  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Johann  Swie- 
chinus  1552. 

Hlinsko  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Daniel  Joannides 
1619,  geb.  zu  Skotschau  in  Schlesien. 

Hluk  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Samuel  Sitinus  1606, 
geb.  zu  Jumikowa. 

Hof  (Olmütz),  lutherisch;  Johann  Teufel,  auchAngelus  ge- 
nannt, 1534;  Adam  Seh  wem  1580;  Jakob  Plombe rius  1608 
und  1609;  Adam  Heumann  1627. 

Höflein  (Brunn),  lutherisch;  Alex  1579;  Alex.  Schwarz  1581; 
Bartholomäus  Heumann  1615. 

Hohenstadt  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Bartholomäus 
15..;  Peter  Cramplitius,  ordinirt  1541,  gest.  1551;  Mathias 
Paterculus,  ordinirt  1542,  gest.  1562;  Paul  Dubinus  1610;  Tho- 
mas Dubinus  16.  .,  geb.  zu  Gross-Meseritsch ;  Zacharias  Albus, 
geb.  zu  Trebitsch;  Johann  Fotan,  geb.  zu  Setin, 

Jahrbuch  des  Protestantismus  1888.  H.  III.  1  { 


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154 

Holleschau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Aquila 
1558,  ordinirt  1557,  früher  in  Preussen,  dann  kurze  Zeit  in  Strass- 
nitz,  geb.  zu  Gross-Meseritsch  22.  Jänner  1561 ;  Mathias  Piscator 
(Fischer),  Consenior,  gest.  22.  November  1570;  Peter  Bendinus 
1573,  früher  in  Ungarn;  Martin  Holecius  1573,  früher  in  Ungarn, 
ordinirt  zu  Wittenberg;  Niklas  Dobromjr  1575  und  noch  1584; 
Georg  Andronicus  1585,  früher  Diakon,  gest.  1585;  Martin 
Boleslawsky  1593  und  1595;  Mathias  Plorantius  1595,  früher 
in  Ungarn,  Diakon  1594,  ordinirt  zu  Wittenberg;  Daniel  Hra- 
betius  1606,  geborner  Ungar,  ordinirt  zu  Wittenberg;  Matthäus 
Kapsander  1613,  nannte  sich  Dechant,  geendet  durch  Selbstmord 
20.  December  1613;  Johann  Vita  1613—16. 

Hoschtitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Georg  Trnawsky 
zwischen  1589  und  1592;  Martin  Pfelaucky  1592—94;  Wenzl 
Romenec,  aus  der  Prager  Neustadt,   1616  und  1617. 

Hosterlitz  (Brunn),  lutherisch;  Mathias  1530;  Georg  153<>; 
Martin  Schwarzenberg  oder  Schwarzenberger  1566;  Johann 
Gärtner  1612,  gest.  um  1617. 

Hosting  (Brunn),  lutherisch  ;  Thomas  von  Hradec  1521 ;  Georg 
Tausek  1560;  Jakob  1560  und  1563;  Johann  von  Tismic  1570 
und  1571;  Johann  Sibiladelphus  1582—83. 

Hotzendorf  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Elias  Horny  1588; 
Bartholomäus   1600;  Jakob  Archesius  Polnicky  1614. 

Hotzenplotz  (Olmütz),  lutherisch;  Christof  Reus  1558; 
trat  zur  katholischen  Kirche  über,  wurde  Abt  des  Prämonstratenser- 
stiftes  St.  Vincenz  in  Breslau,  gest.   1588. 

Ho  woran  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Lukas  Marti  n- 
kowsky   1581. 

Ungarisch-Hradisch  (Olmütz),  lutherisch;  Kaspar  155i^ 
Hieronymus  1562;  Peter  1570;  Martin  Sklenicka,  ausge- 
wiesen 1573;  Daniel  Verga  1573;  Simon  1577;  Gregor  Phila- 
ret  1579,  geb.  zu  Karpfen  in  Ungarn,  ordinirt  zu  Wittenberg 
1579 ;  Jakob  Kozogedsky  1595,  geb.  zu  Bechin  in  Böhmen, 
ordinirt  zu  Wittenberg  1595;  Sebastian  Pierius  1609,  auch 
Consenior,  gest.   1604;  Augustin  N.  1619—21. 

Hunkowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Georg  Basti  1587, 
noch  1594,  geb.  zu  Mährisch-Budwitz. 


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155 

Hustopetsch  (Olmütz),  Böhmische  Brüder ;  Mathias  Mezeficky 
vor  1580;  Mathias  Lipnicky  1588,  früher  in  Neutitschein. 

Jaispitz  (Brunn),  lutherisch;  Georg  äkopec  1620,  Rector 
der  Schule  zu  Vielgut  bei  Oels  in  Schlesien  1631. 

Jakobau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Jakob  Öen- 
kowsky  1569. 

Jarmeritz  (Brunn),  a)  Böhniische  Brüder;  Wenzl  1560  und 
1561;  Balthasar  1564  und  1567;.  Blasius  1568—1570;  Johann 
Mestecky  1571  und  1572;  Laurenz  Rwaöowsky  1573  und  1574; 
Andreas  Sofronius  Pardubsky  1576,  geb.  zu  Pardubitz  in  Böhmen, 
gest.  21.  Juni  1577;  Wenzl  Zdiarsky  1581,  geb.  zu  Saar,  gest. 
1581;  Niklas  Peldfimowsky  1587,  geb.  zu  Nachod  in  Böhmen; 
Johann  Porphyrides  1601  und  1613,  geb.  zu  Reichenau  in 
Böhmen.'—  b)  lutherisch;  N.  Most  1613;  Wenzl  Olirius  1617. 
geb.  zu  Skuö  in  Böhmen;  früher  Schullehrer  zu  Trebitsch;  Johann 
Semonius  1619;  David  Richter  1620;  Simon  Ovalides  1623, 
geb.  Jarmeritz,  trat  zur  katholischen  Kirche  über  1630;  Laurenz 
Lehmann  1623—25. 

Deutsch-Jassnik  (Olmütz),  lutherisch;  Mathäus  Salz  er 
1611;  David  Richtr  1619  und  1620;  Laurenz  Lehmann  1622. 
geb.  zu  Zahne  in  Sachsen. 

Jedownitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Seynoch 
Murnowsky  1583. 

Jeneschau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Hofepnicky 
1558,  nach  Biskupitz  übersiedelt  1560;  Johann  1560  und  1566; 
Bartholomäus  1572;  Mathias  Turnowsky  1573  und  1578; 
Johann  Fidinus,  alias  Hudba  1580;  Jakob  Pandulsky  1589 
und  1590;  Mathias  Puöowsky  1598. 

J  e  sc  how  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Hradecky  1574. 

Ig  lau  (Brunn),  lutherisch;  Paul  Sperat  1520—22;  Christof 
Arwitz  1522;  Simon  Schneeweiss  1525;  Albert  Cr ucig er,  aus 
Wittenberg  berufen  1556,  auf  königlichen  Befehl  ausgewiesen 
1556,  abermals  berufen  1566;  Max  Stralitzer,  Hans  Struninger, 
Simon  Schönwald,  Esaias  Tribauer,  geb.  zu  Iglau  1530,  früher 
Schulmann,  dann  Pastor  in  Preussen;  alle  Genannten  1560;  Magister 
Mathias  Eberhard  1572,  geb.  zu  Iglau,  studierte  als  Stipendist 
dieser  Stadt  in  Wittenberg,  wurde  Superintendent  zu  Schemnitz 
in  Ungarn    1574;    Dr.   Johann    Heidenreich,    oder   Hedericus, 

11* 


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156 

1575—86,  geb.  zu  Löwenberg  in  Schlesien  1542,  Professor  der 
Theologie  zu  Frankfurt  an  der  Oder  1573,  wurde  Superintendent 
zu  Braunschweig  1586;  neben  ihm  zweiter  Pastor  Simon  Schön- 
wald, gest.  als  Prediger  1591;  Dr.  Caspar  Stolzhagen  1587—94. 
geb.  zu  Bernau  in  der  Mark  Brandenburg  1550;  Mathäus  Marchart 
1594,  früher  Diakon  zu  Startsch ;  Magister  Michael  Gruber  und 
Daniel  Grässel  1598;  Andreas  Bistfitzer  1614,  gest.  1.  April 
1621;  Magister  Paul  Pauspärtel  1615,  geb.  Iglau.  gest.  1.  Sep- 
tember 1622;  Paul  Schubert,  geb.  Iglau,  zweiter  Pastor  1615. 
Prediger  1622,  ausgewiesen  2.  October  1622,  Pastor  in  Oedenburg 
1624;  Magister  Augustin  Pauspärtl,  Diakon,  ausgewiesen  2.  Octo- 
ber 1624. 

Ingrowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Caspar  1591;  Sebastian 
Gemnicky  (lutherisch),  1602;  Adam  1609. 

Joslowitz  (Brunn),  lutherisch;  Jakob  Strauch  mann  1600, 
geb.  zu  Neisse  in  Schlesien. 

Kaltenlautsch  (Olmütz),  lutherisch;  Paul  Halmann,  geb.  zu 
Friedland  bei  Schweidnitz  in  Schlesien  1593,  nach  Rause  übersiedelt 
1620,  gest.  zu  Steinau  in  Schlesien  1653. 

Kamenitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Georg  1553  und  1558: 
Johann  1560  und  1562  ;  Sixtusl568;  Caspar  Albert  Hof epni cky 
1581;  Mathias  Posthumus  1585;  Mathäus  1612. 

Kanitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Hofepnicky 
1563;  Peter  Nicolaides  15  .  .;  geb.  zu  Sobieslau  in  Böhmen,  gest. 
1612 ;  sein  Stellvertreter  Kaspar  1588  ;  Andreas  Paulinus  Bezdecky 
1607;  Mathias  Dukat  16  .  .,  ging  nach  Somotule  in  Polen;  Zacharias 
Zabfesky  1613;  Peter  1615—17. 

Kaunitz,  Ober-  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Kar- 
nowsky  1573;  Wenzl  Posensky  1581  und  1582. 

Kinitz,  Deutsch-  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Enoch  Äerawsky 
von  Zerawic  1567. 

Kirchau  (Brunn),  Laurenz  Rwaßowsky  1575,  früher  in  Jar- 
meritz;  Johann  Tykalides  1607,  geb.  zu  Sku6  in  Böhmen,  Bacca- 
laureus  der  Philosophie  in  Prag  1601,  dann  Rektor  der  Schule  in 
Prag  und  bei  St.  Niklas  in  Leitmeritz,  in  gleicher  Stellung  zu 
Banowec  in  Ungarn, .  wurde  Ecclesiastes  zu  Mährisch-Budwitz  1613; 
Bartholomäus  Jaworsky  1621. 


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157 

Kirchwiedern  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Felix  Antropius 
Chotuborsky  1612. 

Kornitz  (Olmütz),  lutherisch;  Egidius  Teschner,  gest.  1593; 
Johann  Melchner  1593;  Mathäus  Freudenreich  1593  und  noch 
1608,  geb.  zu  Brieg  in  Schlesien;  Melchior  Hassendorfer,  geb.  zu 
Mährisch-Trübau,  gest.  1617;  David  Frobenius,  ausgewiesen  1622. 

Kosti  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Daniel  So phron,  Consenior, 
gest.  1606;  Wenzl  Erastus,  Consenior,  gest.  1611;  Johann, 
nannte  sich  Bischof  der  Brüder;  gest.  1626. 

Kostelletz  bei  Prossnitz  (Olmütz);  Mathias  Sutorius,  22.  Oc- 
tober  1595,  geb.  zu  Oslowan,  ordinirt  zu  Wittenberg;  Mathias 
Ulicky  16  .  .;  Jonas  Fabricius,  Senior  der  Kirchen  des  Olmützer 
Kreises.  1606. 

Kralitz  bei  Namiest (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Isaias  Cäpola 
1578,  gest.  1582;  Martin  Dadan,  gest.  3.  Februar  1584;  Zacharias 
Solinus,  ordinirt  1560,  gest.  1596;  Samuel  Sylvesti,  gest. 
25.  November  1605;  Wenzl  Elam  1615,  wurde  Vorsteher  der 
Druckerei  zu  Namiest  1622;  Johann  Lanecius,  gest.  1626. 

Kretin  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathäus  Turnowsky  1574. 

Kfizanau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Nikolaus  Slanius, 
um  1540,  ordinirt  1537,  gest.  1542;  Mathias  aus  Beraun  um 
1543;  Johann  Nowomussky  um  1560,  gest.  1563;  Martin 
Richovsky  um  1590,  kam  nach  Gross-Meseritsch  1591. 

Kromau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Bob uslaw,  geb. 
zu  Prerau,  gest.  1571;  Georg  Medek  1590  und  1595;  Georg 
Hlauska  1626. 

Krönau  bei  Mährisch-Trübau  (Olmütz),  lutherisch;  Mathias 
Mischko,  ausgewiesen  1622. 

Kunstadt  (Brunn),  a)  Böhmische  Brüder;  Thomas  Petroce- 
linus  1571;  Michael  Leporius  1605,  geb.  zu  Banya  in  Ungarn; 
Georg  Zaworka  1606,  nach  Sebranitz  übersiedelt  1606;  b)  luthe- 
risch: Elias  Spaltholz  1589,  geb.  zu  Stolpen. 

Kunzendorf  beiHof  (Olmütz),  lutherisch;  Adam  Seifert  1607. 

Kurlupp  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Konecny,  ordi- 
nirt  1560,  gest.  1621. 

Kwassitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Aorgus  1603. 

Landshut  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Schleefisch, 
geb.  zu  Hodrawitz  in  Ungarn  1555,  ordinirt  zu  Neutra  in  Ungarn  1580. 


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158 

Lauczka,  Unter-  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Kaspar  Ludwig 
Stodsky  1617. 

Lautschitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Andreas  1582;  Jo- 
hann 1596;  Thomas  1614;  Georg  Breyer  1615;  Josef  1615  und 
1618;  Georg  1620  und  1621. 

Leipertitz  (Brunn),  lutherisch;  Johann  Schluder  1581;  Bar- 
tholomäus Henrici  1617. 

Leipnik  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Kunwaldsky, 
Senior,  gest.  1500;  Wenzl  Towacowsky,  nach  Boskowitz  über- 
siedelt 1561;  Valentin  Tragunsky,  gest.  1588;  Georg  Facilides 
1593;  Paul  Javornicius,  ordinirt  1561,  gest.  1601;  Georg  Weli(5 
1603,  geborener  Ungar,  früher  Schullehrer,  dann  Diakon,  ordinirt 
zu  Wittenberg  1603;  Daniel  Ruchirides  1606,  geb.  zu  Bielitz: 
Mathias  Floren tius  1609  und  1618,  geborener  Ungar,  Lehrer  der 
Söhne  des  Carl  von  Zierotin,  ordinirt  zu  Wittenberg,  Diakon  zu 
HoHeschau  1604;  Pastor  zu  Lipow  bei  Strassnitz  1607;  Johann 
Zahora  1622,  gest.  1622. 

Lettowitz  (Brunn),  aj  Böhmische  Brüder;  Johann  Kalenec 
1543;  bj  lutherisch;  Johann  Hoffmann  1550,  entlassen  1564;  Bar- 
tholomäus Kügler  1564,  ordinirt  zu  Wittenberg  4.  April  1564; 
Johann  1567 — 69;  Simon  1574  und  1575;  Johann  Reindler 
1583—87;  Andreas  Prokopec  1604;  Erasmus  Melzer  1608  und 
1610;  Jakob  Skop  1611  und  1619;  Caplan:  Magister  Andreas  Handl 
1583,  früher  Schulrector. 

Liebenthal  (Olmütz),  lutherisch;  Johann  Friedek,  gest.  1616: 
Joachim  Bayer,  geb.  zu  Ziegenhals  in  Schlesien,  gest.  1620;  An- 
dreas Richter  1620  und  1623;  Martin  Blesäl,  gest.  1628;  Martin 
Lichtblau,  geboren  zu  Liebenthal,  gest.   1632. 

Lideczko  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Adalbert  Skfinsky 
1594,  früher  katholischer  Curat  zu  Topolan. 

Lidhersch  (Brunn),  lutherisch;  Methud  Forcht  1550. 

Lippau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Mathäus  Plorantius 
oder  Placko  1604,  ordinirt  zu  Wittenberg  1604,  Lehrer  der  Söhne 
des  Carl  von  Zierotin,  nach  Leipnik  übersiedelt  1609;  berief  als 
Diakon  den  Schlesier  Adam  Swesch  1607;  den  Ungar  Melchior 
Sartorius  1609. 

Lippau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Georg  von  Bojnic  1552: 
Johann   Francisci    1596,    ordinirt    zu  Wittenberg,    früher    Rector 


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159 

der  Schule  zu  Senitz  in  Ungarn;  Martin  Moncoricenus  1598,  ge- 
borener Ungar,  ordinirt  zu  Wittenberg,  wurde  Schulrector  zu 
Trentschin  1612,  später  Hofprediger  des  Grafen  lUyeshazy,  gest.  1624. 

Lipnik  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Adam  Swetelsky  1558, 
früher  in  Trebitsch;  Mathias  1560  und  1561;  Johann  1566,  früher 
in  Biskupitz. 

Lispitz  (Brunn),  hitherisch;  Simon  Press ius  1580;  Johann 
von  Tismic  1582;  Jakob  Cernohorsky  1597. 

Lissitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Andreas  Cruciger  Pof  icky 
1598  und  noch  1600. 

Littau  (Olmütz),  lutherisch;  Magister  Andreas  Handels  1561, 
geb.  zu  Ratibor,  gest.  18.  Juli  1573;  Magister  Erasmus  Melzer  1573, 
gest.  1.  Jänner  1581;  Magister  Ambros  Oswald  1581,  geb.  zu  Prag, 
gest.  1590;  Dr.  Philipp  Bar  bat  us  1590,  geb.  zu  Badenheim  in  der 
Unter-Pfalz,  gest.  23.  August  1599;  Magister  Jeremias  Getterus  1600, 
geb.  zu  Neustadtl  in  Böhmen,  gest.  12.  Jänner  1606;  Dr.  Peter 
Calamini  1606,  geb.  zu  Teschen,  wurde  Superintendent  daselbst 
1616;  Magister  Daniel  Kranich  1610,  geb.  zu  Kralitz,  wurde  Pastor 
zu  Passek  bei  Eulenberg  1618;  Magister  Daniel  Johann  Benischy 
1619,  geb.  zu  Pösing  in  Ungarn,  gest.  24.  November  1624;  Johann 
Richter  1624,  geb.  zu  Freudenthal,  früher  Pastor  zu  Ratibor,  wurde 
ausgewiesen,  erlangte  jedoch  die  Stelle  des  Archidiakon  zu  Schemnitz 
in  Ungarn. 

Lösch  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Tarnowsky  1584; 
Philipp  Rhau  1608. 

Loschitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Albrecht  1560;  Veit 
Mestecky  1562;  Paul  Daufey  1576;  Sylvius  Huberinus  um  1586; 
Mathäus  1587,  früher  Prediger  in  Aussee;  Mathäus  Semelius  1597, 
geborener  Ungar,  von  der  Stelle  entfernt  1618,  gest.  1624. 

Löschna  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Andreas  Reussius 
zwischen  1620  und  1623. 

Lowtschitz,  Klein-  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Georg  Hra- 
decky  1580;  Friedrich  Nowomöstky  1592  und  1593. 

Lugau  (Brunn),  lutherisch;  Paul  Stessberger  zwischen  1574 
und  1584,  geb.  zu  Iglau. 

Lukau  (Brunn),  Georg  Forster  1598. 

Lundenburg  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Hieronymus  1561. 


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160  _ 

Maispitz- Gross  (Brunn),  lutherisch;  Laurenz  Streicher 
1580 — 86,  geb.  zu  Iglau;  David  Mylius  1603,  geb.  zu  Dresden. 

Mallenowitz  (Ol mutz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Hranicky 
1569. 

Malspitz  (Brunn),  lutherisch;  David  Mylius  1603,  geb.  zu 
Dresden,  nannte  sich  ,pastor  ecclesiae  MalspicensisMarcomannonim*. 

Mautnitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Adam  von  Mstowa 
1595  und  1596;  Niklas  Dietrich,  gest.  zu  Znaim  6.  December  1620. 

Gross-Meseritsch  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Siron  15  .  .; 
Benedikt  1522  und  1524;  Johann  Spissus  1543  und  1544;  Niklas 
1544;  Wenzl  aus  Böhmen  1546,  Consenior,  gest.  1546;  Simon 
Haliläus  1555,  geb.  zu  Saar;  Niklas  Panthammer  1558  und  1562, 
geb.  zu  Ledeö  in  Böhmen;  Mathias  Aquila,  Ordinirt  1557.  gest. 
22.  Jänner  1561;  Georg  Solnicky  aus  Prag  1562;  Johann  Turek 
1572;  N.  Jehnatko  15  .  .;  Wenzl  von  St  rasch  kau  15  .  .;  Wenzl  Le- 
decky  15  .  .;  Simon  Zdiarsky  und  Jakob  Kamenicky  1574; 
Joachim  Pistorius  158  .,  Doctor  an  der  Hochschule  zu  Frankfurt 
an  der  Oder,  früher  Rector  der  Schule  zu  Iglau;  Mathias  Käme* 
nitzky,  genannt  Taborsky,  geboren  zu  Tabor  in  Böhmen,  früher 
Pastor  zu  Kamenitz,  gest.  1591;  Martin  Richnowsky  1591  und 
1594,  früher  zu  Kfizanau;  Thomas  Laurenz  Zandawsky.  früher 
katholischer  Priester;  Andreas  Fabritius  1595,  gest.   1597. 

Walachisch-Meseritsch(Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Stephan 
um  1450;  Wenzl  aus  Böhmen,  auch  Consenior,  gest.  1550;  Mathias 
Aquila,  gest.  1561;  Andreas  Schindler  1577,  geb.  zu  Liptau  in 
Ungarn;  Georg  Cruciger  1580;  Erasmus  1590;  Georg  Erzinger 
1591;  Jakob  Stephanides  Pfibislawsky  159.,  geb.  zu  Pf ibislawitz ; 
Lucas  Gallus  16  .  .,  ging  nach  Lednitz  in  Ungarn;  Florian  Theo- 
philactus  1606;  Daniel  Hrabovvsky  1616;  Georg  Tfanowsky 
1616,  früher  Rector  der  Schule,  ausgewiesen  1622. 

Mikultschitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Anton  Jan- 
kowsky  1586. 

Mislitz  (Brunn),  lutherisch;  Hanns  Pairi  1581. 

Misloschowitz  (Olmütz),  lutherisch;  Jakob  Delffin  1580. 

Modes  (Brunn),  lutherisch;  Johann  Ekeswyter  1567;  Jakob 
1588. 

Mödlau  (Brunn),  lutherisch;  Daniel  Agricola  1610 — 17;  früher 
katholischer  Priester. 


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161 

Mohelno  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  N.  Sedulius  1617. 

Mönitz  (Brunn),  a)  Böhmische  Brüder;  Viktorin  1562;  Wenzl 
Wodniansky,  gest.  1598;  b)  lutherisch;  Simon  Jahn  1614,  ent- 
lassen 1616. 

Morbes  (Brunn),  lutherisch;  Florian  Pinta  1557. 

Morkovvitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Wercholitius 
1615  und  1616. 

Müglitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Gallus  1557  und  1560, 
früher  katholischer  Priester. 

Namiescht  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Augustin  1560, 
früher  katholischer  Priester. 

Namiest  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Benedikt  Optat,  geb.  zu 
Teltsch,  ordinirt  1520;  Paul  Timon,  Veit  Gallus;  Daniel  Streyc; 
Paul  Hronowsky  1621;  Wenzl  Elam,  gest.  1622;  Mathäus  Theodor 
Krokocinsky  1627;  Julian  Poniatowius  1628. 

Napagedl  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Jakob  Bjlek,  ordinirt 
1560,  gest.  im  Kerker  zu  Prag  1580;  Paul  Capito,  ordinirt  1560, 
gestorben  an  den  Folgen  einer  schweren  Verwundung  durch  Kosaken 
6.  Februar  1620. 

Nettin  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Niklas  1557;  Simon  1562; 
Peter  Chlumecky  1567;  Viktorin  Agrikola  1608;  Wenzl  Cur- 
tius  1621. 

Neusiedl  (Brunn),  lutherisch;  Paul  Naderk  1588. 

Mährisch-Neustadt  (Olmütz),  lutherisch;  Wolfgang  Gräcelius 
1590,  geb.  zu  Brück  in  Steiermark,  gest.  als  Sollicitator  in  Olmütz 
um  1599. 

Neustadtl  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Joachim  von  Zwo  la  1561; 
Andreas  1568;  Wenzl  Pisecky  1569;  Georg  Nosalowsky  von 
Zlonitz  1576;  Johann  Wisota  zwischen  1581  und  1586;  Mathias 
Chytreus  1588 — 96;  Georg  Prokop  Boleslawsky  zwischen  1597 
und  1608;  Wenzl  Duranius  1609,  gest.  1616;  Niklas  Heliades 
Netolicki  1616—21. 

Neustift  (Brunn),  lutherisch;  Paul  Ostermann  1541;  Jakob 
Werl  1567;  Conrad  Höss  1613. 

Neutitschein  (Olmütz),  lutherisch;  a)  Deutsche  Prediger: 
Jakob  Lotge  1584,  gest.  1604:  Valentin  Calcnarius  1604—17; 
Georg  Blumy,  Diakon  1604,  Pastor  in  Odrau  1606;  Jakob  Choy 
von  Kirchdorf,  Diakon  1610;  Johann  Böhm  1617  und  1618;  David 


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162 

Hartmann  1619  und  1620  ;  Magister  Johann  N  o  n  b  ü  b  e  1 
1621—23,  früher  Rektor,  gest.  1623;  Johann  Hublius  1624,  aus- 
gewiesen 1624;  b)  Böhmische  Prediger:  Martin  Philadelphus 
Zamrsky  1581  und  1582;  Johann  Korinsky  1583  und  1584: 
Georg  Philo  1584  und  1585;  Johann  Postius  1586  und  1587; 
Wenzl  L  a  r  i  n  i  u  s  1587 ;  Martin  L  i  p  n i  c  k  y  von  Raitz  1588 ;  Simon 
Archesius  von  Saar  1589 — 92;  Melchior  Delung  von  Jägem- 
dorf  1593  und  1597;  Simon  Sartorius  aus  Liptau  1598  und  1600: 
Wenzl  Fabricius  aus  Deutsch-Brod  1600  und  1601;  Johann  Ur- 
banides  Ratiboiky  1601  und  1602;  Bartholomäus  Pochwat 
von  Schwarzvvasser  1602  und  1603,  gest.  1603;  Martin  Koöi,  geb. 
aus  der  Zips,  1623. 

Nezdenitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder ;  Tobias  H e n z e  1 1595 : 
früher  Schullehrer  zu  Ostra,  ordinirt  zu  Wittenberg  24.  October 
1595. 

Niemtschitz  (Olmütz),  Böhmi.sche  Brüder;  Daniel  Pf ihradny 
1600,  geb.  zu  Banow. 

Gross-Niemtschitz  (Brunn),  a)  Böhmische  Brüder;  Daniel 
Pf  ihradny  1606,  geboren  zu  Banow;  b)  lutherisch;  Valentin  Vi- 
gilius  aus  Mannsfeld  1603. 

Nikolsburg  (Brunn),  lutherisch;  Oswald  Glaidt  1527;  Jo- 
hann Spitalmayer  1528;  ein  Unbenannter  1582:  Johann 
Kuchowsky  1592;  Wenzl  Patzarius  1G26. 

Nikoltschitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Hradecky 
1571  und  1572;  Daniel  Pfichodny  1612. 

Nuslau  (Brunn),  a^  Böhmische  Brüder ;  Philipp  1571  und  1572: 
Johann  Teotimus  1586  und  1587;  Jakob  Zamost  1617  und  1622: 
b)  lutherisch;  Valentin  Vigel  oder  Vigelius  1603 — 7. 

Oels  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Albus  Hof  ick  y 
1581;  Georg  Borowsky  oder  Stfezicky  1586. 

Olschy  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Andreas  Laurenz  1579; 
Wenzl  Pisecky  1591;  Tobias  Zaworka  1592,  nach  Bistfitz  am 
Hostein  übersiedelt  1593. 

Oppatowitz (Olmütz), BöhmischeBrüder;  LinhartDoldius  1591. 

Gross-Ofechau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Dalibor  1Ö57: 
Johann  um  1560.  noch  1563. 

Ossek  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Polnicky  15'^S 
und   1.^90;  Johann  Hoffmann  1612  und   1613. 


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163 

Oslawan  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Georg  Zenker  1587; 
Georg  Sartor  lus  1588,  geborener  Ungar,  ordinirt  zu  Wittenberg 
20.  October  1588. 

Ungarisch-Ostra  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Martin  Malo- 
bicky  1592,  geborener  Ungar;  Emerik  Frondator  Ende  1592, 
ordinirt  zu  Wittenberg  1592;  Peter  Periscelides  1622. 

Ostrau  bei  Obicztau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  aus 
Tysmys  1581;  Michek  1581;  Mathias  Turnowsky  1581 — 86. 

Ottaslawitz  (Olmütz),  lutherisch;  Johann  Meytsky  1579; 
Sebastian  Archelaus  Gcmnicky  1693. 

Ottnitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathäus  Pauli  Palecius 
1607,  geb.  zu  Nimburg  in  Böhmen;  Marcus  Marcellus  2diarsky 
1621. 

Paskau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Thomas  1583. 

Pailenz  (Brunn),    lutherisch;    Viktorin  Agricola,   gest.   1583. 

Passe k  (Olmütz),  lutherisch;  Magister  Daniel  Kranich  1618 
bis  1621 ;  früher  in  Littau. 

Pausram  (Brunn),  lutherisch;  Mathäus  Schmidt  zwischen  1616 
und  1622,  ausgewiesen  1622. 

Pawlowitz  bei  Prerau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Zybfid 
1564;  Florian  Theophilaktus  1574;  Johann  Polnicky  1574; 
Mathäus  Meäeficky  1588;  Michael  um  1590;  Johann  Rafanides 
1611,  geb.  zu  Melnik  in  Böhmen. 

Gross-Petersdorf  (Olmütz),  lutherisch;  Georg  Lukas  1620, 
Mathias  Antorp,   1620  und  1623. 

Pirnitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Ladislaw  Corvinus  1580, 
geborener  Ungar,  früher  Prediger  zu  Neu-Wessely  bei  Saar ;  Samuel 
Sitinsky  1591 7  Johann  Adelphus  1592,  geb.  zu  Hefmanmiestec 
in  Böhmen,  früher  Pastor  zu  Prossnitz,  gest.  1593;  Mathias  Chyträus 
(lutherisch)  1594;  Stefan  Corvinus,  geborener  Ungar,  ordinirt  zu 
Wittenberg  1608;  Jakob  Colidius  1613,  geb.  zu  Trebitsch,  früher 
SchulcoUega  daselbst. 

Pittin  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Samuel  Sitinsky  1592. 

Plumenau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Thomas  1588. 

Pohrlitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathias  1590;  Johann 
Fabricius  1619. 

Pohofelitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Laurenz  1585. 

Poppitz  (Brunn),  lutherisch;  Peter  Müder  1621  und  1622. 


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164 

Poslowitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Stefan  Okrutsky 
zwischen  1599  und  1603. 

Posofitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Peter  Opawsky  1560: 
Blasius  1561;  Gregor  1562;  Johann  Hradecky  1573,  früher  in 
Nikoltschitz ;  Martin  Smutny  1583;  Andreas  1593;  Linhard 
Czaban  1610. 

Pralitz  (Brunn),  lutherisch;  Johann  Hofmann  1596;  Daniel 
Morhiter  1609. 

Prerau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann,  Senior,  geb.  zu 
Cheläc  in  Böhmen,  gest.  1484;  Elias  Kfenowsky,  Senior,  ordinirt 
1499,  gest.  6.  September  1503;  Paul  Kronowsky,  gest.  1507; 
Thomas,  Senior,  gest.  23.  Februar  1517;  Martin  Ökoda,  Senior, 
gest.  1532;  Paul  aus  Mähren.  Consenior,  gest.  1549;  Wolfgang, 
Consenior  1548,  gest.  1550;  Mathias  Öerwenka,  oder  Erythräus. 
Senior  1555;  Johann  Walausek,  ordinirt  1543,  gest.  1556;  Andreas 
Stefan,  Senior,  nach  Eibenschitz  übersiedelt  1572;  Johann  Abdias. 
Senior,  ordinirt  1587,  gest.  24.  Jänner  1588;  Georg  Sartorius, 
geborener  Ungar,  gest.  12.  Juni  1597;  Christof  1599;  Georg 
Erastus,  Senior,  vierzehn  Jahre  Präses  der  Brüdergemeinden,  geb. 
zu  Lesna  in  Polen;  Bartholomäus  Lortius  1602,  geb.  zu  Rosen- 
berg in  Böhmen;  Paul  Schumberger  162.;  Paul  Hronovius 
162.;  Johann  Laneci US  162.,  Senior,  fünf  Jahre  Präses,  gest.  zu 
Kralitz  1626;  Georg  Theophilus  162.;  Jacob  Drazdius,  nach 
Ungarn  übersiedelt  1620;  Johann  Zachora,  gest.  1622;  Andreas 
Michaelis,  geborener  Ungar,  ausgewiesen  1624;  Peter  Costitius. 
Senior,  ordinirt   1604,  gest.   1626. 

Pf  edmost  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  1540;  Johann 
Prostejowsky  1588  und  1593. 

Pribitz  (Brunn),    Böhmische  Brüder;    Wenzl  Sandinu  1616. 

Prossmeritz  (Brunn),  lutherisch;  Valentin  Hagen  1577 — 86. 
früher  katholischer  Priester. 

Prossnitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Georg  von  Brodna 
1451;  Gabriel  1466;  Elias  Crenovius,  oder  Kfenowsky, 
ordinirt  1499,  gest.  1503;  Martin  Skoda,  Wenzl  Wranecky. 
Daniel  Hranecky,  Senioren,  1528;  Zacharias  1558;  Martin 
Michaletz  1540,  Senior,  geb.  1504,  ordinirt  1537,  gest.  im  Jänner 
1547;  Johann  Tutko;  Wolfgang  N.  1550,  Consenior,  ordinirt  1549, 
gest.    1551;     Wenzl    Wrautetius,    Consenior,    einer    der    ersten 


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165 

Gründer  der  Brüdergemeinde,  ordinirt  1516,  gestorben  90jährig 
1552;  Johann  Zahradka,  gest.  1558;  Jacob  Wolinus  1562,  geb. 
zu  Wollein,  ordinirt  zu  Wittenberg:  Gallus  Dfewnius,  Prager 
Baccalaureus,  Senior,  gest.  22.  November  1562;  Johann  Husita, 
1569,  studierte  unter  Luther  zu  Wittenberg,  gest.  als 
Consenior  zu  Branders  in  Böhmen  1670;  Mathäus  Brodsky  1564 
und  1573;  Johann  Adelfus  Mustecky  1580—83,  gest.  als 
Pastor  zu  Pirnitz  im  October  1593;  Martin  Richnowsky,  oder 
Wiänowsky  1595,  früher  Pastor  zu  Kfizanau  und  Gross- 
Meseritsch;  Georg  Di  käst  us  1608,  wurde  Pastor  an  der  Stefans- 
kirche in  Prag  1612,  der  Theinkirche  daselbst  1619,  Administrator  des 
Consistoriums ,  krönte  die  Gemahlin  des  Winterkönigs,  gest.  zu 
Zittau  in  der  Lausitz;  Andreas  Dubenius  1613;  Martin  Swor- 
nicius  1614,  geb.  zu  Reichenau  in  Böhmen. 

Przno  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Postius,  nach 
Neutitschein  übersiedelt  1587. 

Prussinowitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Jonas  F ab ritius 
1588;  Peter  1590. 

Rauchowan  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Lukas  Hansel 
1607,  geb.  zu  Lissitz;  Johann,  Sohn  des  Wenzl  Canon,  1609. 

Radost  in  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Kraupa  1554; 
Martin  Sperocius  1576;  Michek  1581;  Johann,  zwischen  1590 
und  1594. 

Ranzern  bei  Iglau  (Brunn),  lutherisch;  Adrian  G  ose  hei 
1527;  Gregor  1528;  Albin  Galliculus  1550,  früher  Schullehrer 
in  Iglau;  Marcus  Krumm  1551;  Melchior  Gans,  früher  in  Eisgrub  ; 
Johann  1556;  Andreas  Kupitz  1556;  Laurenz  Streicher 
1563 — 76,  geb.  zu  Iglau,  ordinirt  zu  Wittenberg  3.  October 
1563,  nach  Böhmen  abgegangen  1576;  Andreas  Lylkho  1577; 
Thomas  Mader  15  .  .  ;  Joachim  Pistorius  1577,  früher  Rektor 
der  Schule  in  Iglau;  abermals  Marcus  Krumm  um  1580,  bisher 
Prediger  in  Iglau,  wurde  Pastor  in  Wilenz  1607;  Gabriel  Lam- 
bert us  1612,  ausgewiesen  1623. 

Rattai  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Andreas  1561;  Niklas 
Paldfimonsky  1571;  Viktoria  Pfebislawsky  1572  und  1576; 
Wenzl  1599;  Laurenz  Slanina  1603. 

Rautka  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Jacob  Andrea  1596, 
ordinirt  zu  Wittenberg  1596. 


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166 

fteckowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Severin  1522;  Gregor 
1547;  Johann  Milota  um  1557;  Johann  StmiStie  Plsensky  um 
1575;  Johann  Hradecky  1577;  Alex  Thomann  1610. 

Reichenau  (Olmütz),  lutherisch;  Friedrich  Schäffer  1550. 
geb.  zu  Rottenburg  an  der  Tauber  in  Würtemberg,  ordinirt  zu 
Wittenberg  1550;  Johann  Flederwisch  1616. 

Reitendorf  (Olmütz),  lutherisch;  Balthasar  Zwiker  oder 
Seh  wicker  von  Auerbach  zwischen  1550  utid  1560;  Mathias  Freu- 
denreich 1583,  geb.  zu  Brieg  in  Schlesien;  Paul  Keil  1613,  geb. 
zu  Lichtenwalde  in  Schlesien,  nach  Ullersdorf  übersiedelt  1618: 
Martin  Gast  1618—25. 

Äeznowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Sedlejowsky 
1581;  Johann  Albin  1590,  gest.  1591;  Johann  Lomnicky  1591, 
früher  Pastor  in  Zbraslau ;  Benedikt  Polenius,  gest.  1596;  Stefan 
Mi  Sek  1601,  geb.  zu  Saar;  Sebastian  Mnisek  1603. 

Rimnitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Ezechiel  1624. 

Rohatetz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Paul  Urbanides. 
zwischen  1600  und  1614,  Vorstand  der  Brüder. 

Rohle  (Olmütz),  lutherisch;  Johann  Reindler  1572;  Nikolaus 
Kaukai,  nach  Mährisch-Neustadt  übersiedelt  14.  August  1619. 

Roketnitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Kraupa,  aus- 
gewiesen 1553. 

Römerstadt  (Olmütz),  lutherisch;  Christof  Raschko  1563; 
Andreas  Flacius  1597;  Rafael  Aichler  und  sein  Diakon  Caspar 
Lambert  1616;  Martin  Raimann  1617,  geb.  zu  Strehlen  in  Schle- 
sien, gest.  nach  sechswöchentlicher  Amtsführung;  Diakon  Mathäus 
Gebhard,  Administrator  bis  Ende  November  1617,  geb.  zu  Frank- 
furt an  der  Oder;  Magister  Thomas  Scholz,  geb.  zu  Freudenthal 
und  Diakon  Peter  Zürch,  geb.  zu  Elbogen,  Beide  1617,  aus- 
gewiesen 1625. 

Rossitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  1555;  Johann 
Mrawek  1596,  weggegangen  1609;  Georg  Streyc  1605;  Johann 
Malina  1G09,  abgegangen  1612;  Heinrich  Schwarz,  gest.  70jährig 
1611;  Georg,  gest.  1625. 

Rossoch  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  BrictiusSkalawsky  1571. 

Rosswald  (Olmütz),  lutherisch;  Magister  Johann  Zindler 
1608,  geb.  zu  Leobschütz  1584,  lutherischer  Prediger  in  Olmütz 
1613—25. 


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167 

Roth mü hl  (Brunn),  lutherisch;  Elias  Spaltholz  1599  j^ kaiser- 
lich belorberter  Poet*,  nach  Kunstadt  übersiedelt  1610. 

Rowetschin  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Adam 
Krapiski  1581. 

Rozna  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Niklas  öaslawsky  1575; 
Veit  Stanicky  1591;  Jakob  Petrozelin,  nach  Strutz  über- 
siedelt 1600. 

Roznau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  AdamRyöansky  1580. 

Saitz  (Brunn),  lutherisch;  Mathias  Laib  hart  1591,  ausge- 
wiesen  1592. 

Schaffa  (Brunn),  lutherisch;  Christofor  Regulus,  geb.  zu 
Lauben  in  der  Lausitz,  gest.  16.  September  1619;  David  Sigismund 
Lehmann,  geb.  zu  Breslau,  ausgewiesen  1631. 

Schönau  (Olmütz),  lutherisch;  Mathias  Boksbart  1587  und 
1588;  ordinirt  zu  Wittenberg  1587;  Melchior  Faschank  1613, 
geb.  zu  Neutitschein,  ausgewandert  um  1627. 

Schönberg  (Olmütz),  lutherisch;  Fabian  Saukenjk  1564; 
Gregor  Lagus.  ^pastor  primarius*  1620,  geb.  zu  Köslin  in  Pom- 
mern 1585,  ausgewiesen  1623,  gest.  als  Pastor  zu  Colberg  in  Pom- 
mern 1652. 

Schumitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Augustin  Mospacy 
1619. 

Sebranitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Johann K 1  e m e a 1 1603 ; 
Georg  Zaworka  zwischen  1606  und  1612. 

Selowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Bartholomäus  Conrad 
1572,  früher  Schulrector  zu  Stannern,  geb.  zu  Leutschau  in  Ungarn; 
(Teorg  St r eye,  Consenior  1590,  gest.  25.  Jänner  1599;  Georg 
Streyc,  Sohn  des  eben  Genannten,  ordinirt  1560,  gest.  25.  No- 
vember 1605;  Tobias  Junius  16  .  . ;  Abraham  Rufin ius  1611, 
geb.  zu  Nowyhrad;  Paul  Streyc,  zweiter  Sohn  des  Obigen,  gest. 
1622. 

Senft leben  (Olmütz),  lutherisch;  Valentin  Beldichen  1570; 
Daniel  Mellinsky  1580,  geb.  zu  Bielitz;  Valentin  Laubmer  1610, 
geb.  zu  Breslau:  Magister  Johann  Schütz  1618;  Valentin  Arnold 
1620—25. 

Sla  witsch  in  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Slaninka, 
auch  Lardiu3  genannt,  1570,  nach  Ungarn  abgegangen  1572. 


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168 

Slizan  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Magister  Johann  Aeneas, 
Pastor,  eine  ausgezeichnete  Zierde  der  Brüderunität,  gest.  5.  Februar 
1590;  Wenzl  Kiovius,  Prediger,  gest.  noch  jung  1619. 

Sponau  (Olmütz),  lutherisch;  Johann  Sterabirsky  1612. 

Staliek  (Brunn),  lutherisch;  Georg  Hermann  1620,  gest.  zu 
Znaim  1620. 

Stannern  (Briinn),  lutherisch;  Nikolaus  1536,  noch  1539; 
Georg  Beham,  entfernt  1558:  Ulrich  1560;  Johann  Mo  Her  Ende 
1560;  Mathias  Dobianer,  gest.  1572;  Augustin  Grassl  1572, 
gest.  29.  Juli  1595;  Daniel  Grassei,  gest.  1595;  Lukas  Nisch- 
bauer 1599,  studirte  als  Iglauer  Stipendist  zu  Witten- 
berg, gest.  1.  Februar  1606;  Caspar  Palargus  1610,  früher  Schul- 
rector  in  Iglau;  Johann  Fi  kl  er  1617,  früher  ebenfalls  Schulrector 
in  Iglau,  gest.  13.  April  1622;    Georg  Rudlof  1623,   ausgewiesen. 

Startsch  (Brunn),  lutherisch;  Andreas  Marchard,  Diakon 
1560;  Mathias  Marchard  15  .  .;  Ladislaw  Corvinus  1570,   gest. 

12.  November  1608;  Benedikt  Mikus  1610,  geb.  zu  Bilin  in  Böh- 
men, nannte  sich  ^Dechant  der  lutherischen  Geistlichkeit  im  oberen 
Theile  des  Brünner  Kreises*. 

Steinitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Meitensis  1530, 
gest.  1532;  Johann  Beranek,  getödtet  von  Kosaken  17.  März  1622. 

Sternberg  (Olmütz),  lutherisch  ;  Johann  T e c  1  e r u s  1556 : 
Johann  Lang  15  .  .;  Johann  Henzn er  1569 — 79,  geb.  zu  Namslau 
in  Schlesien;  Tobias  Faber  1597,  geb.  zu  Neustadt  in  Schlesien, 
gest.  60jährig  1614;  Johann  Feyerbrand  1616,  geb.  zu  Namslau 
in  Schlesien,  ausgewiesen  1625. 

Stignitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Kuchowsky 
1584 ;  Johann  Q  u  a  1 1  e  r  u  s,  früher  katholischer  Priester,  abgeschafft  1586. 

Stramberg  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Niklas  1582,  geb. 
zu  Fulnek;  Georg  1584;  Markus  Koczi  1614. 

Straschkau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Wenzl  Jehnota. 
Schuhmacher  daselbst,  zwischen  1570  und  1591. 

Strassnitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Peter  von  Pilsen 
1550;    Mathäus   Streyc,    Consenior,    beredt,    ordinirt    1532,    gest. 

13.  Mai  1555;  Mathias  Orel  1557,  ordinirt  1557,  später  Prediger 
zu  Holleschau,  Tobitschau  und  Meseritsch,  gest.  im  letztgenannten 
Orte  22.  Jänner  1561;  Niklas  Mosowsky  1674,  geb.  zu  Ungarisch- 
Hradisch;    Johann    Molotinsky    1586    und    1593,    sein     Diakon 


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169 

Michael  Petrowic,  geborener  Ungar,  seit  1590;  Paul  Sperat, 
Conseniof,  gest.  1601;  Johann  Albin  1605;  Johann  Orion,  Con- 
senior,  gest.  öOjährig  1615;  Johann  Ephron  Hranicky,  Diakon 
1617,  geb.  zu  Weisskirchen,  früher  Schullehrer  zu  Fulnek,  Pastor 
1620,  gest.  als  Ausgewiesener  in  Ungarn;  Martin  Hoficka  1619, 
geborener  Ungar,  früher  Rector  der  Schule  in  Ungarisch-Brod,  gest. 
als  Ausgewiesener  in  Ungarn;  Daniel  Miliwensky  1620,  geb.  zu 
Pardubitz  in  Böhmen. 

Strutz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Holomucky 
1574;  Jakob  der  ältere  Petrozelinus  noch  1600,  kam  später  nach 
Mährisch-Budwitz, 

Swolla  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Joachim  zwischen  1561 
und  1565, 

Gross-Tajax  (Brunn),  lutherisdi;  Jacob  Tanzar  1546,  geb. 
zu  Budweis  in  Böhmen,  ordinirt  zu  Wittenberg  1545;  Sebastian 
Taraler  1591;  Georg  Albinus  1610;  Johann  BermüUer  1616. 

Tassau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Kraupa  1553; 
Wenzl  Tabor  1556  und  1588;  Caspar  Fabricius  1569,  nach 
Gross- Bitesch  übersiedelt  1570;  Mathias  Stuhl  er  1580  und  1585; 
Valentin  Micius  1586,  geborener  Ungar,  ordinirt  zu  Wittenberg 
1583;  Martin  Holecius  159  .  ;  Johann  Schmidt  Pfesticky  1598 
und  noch  1610. 

Tattenitz  (Olmütz).  lutherisch;  Andreas  Pfalzgraf  1571—90; 
Daniel  Kranich  1591;  Johann  Frigius  1617. 

Telnitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Friedrich  Felix  Nowo- 
meftky  1600. 

Teltsch  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Johann  Leczdar  1586. 

Teschitz  (Olmütz),  Bömische  Brüder;  Jacob  Matericky  1600; 

Tetschowitz  bei  Mallenowitz  (Olmütz),  Bömische  Brüder; 
Jacob  Del  ff  in,  zwischen  1575  und  1580,  ging  nach  Misloschowitz 
1580;  Gregor  Phil ar et  1580;  Lukas  Jaworsky  1583;  Georg 
Zlinsky  1603. 

Tischnowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Johann  Hradecky 
1567  und  1569;  Johann  von  Tismic  1570,  nach  Ostrau  über- 
siedelt 1580;  Peter  Mohelnicky  1580  und  1582. 

Tieschnowitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Lukas  Polak, 
früher  Chorherr  des  Augustinerstiftes  zu  Sternberg,  1557;  Michael, 
zwischen  1570  und  1576. 

Jahrbuch  des  Protestantismus  z888.  H.  III.  12 


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170 

Tischtih  (Olmütz),  Böhmische  Brüder ;  Martin  Holecius  1613. 

Tlumatschau  (Olmütz),  hussitisch;  Benedict,  auf  einen 
Reise  gefangen  genommen  und  in  Brunn  verbrannt  um  1460. 

Tobitschau  (Olmütz),  a)  hussitisch;  Simon  von  Tisnow 
1416,  wieder  zur  katholischen  Kirche  zurückgekehrt  1419;  b)  Böhmi- 
sche Brüder;  Martin  Arator  1527,  gest.  1544;  Johann  Patrobius 
1547,  gest.  6.  Jänner  1551 ;  Johann  Laurenz  1555,  geb.  zuGaya, 
ein  Schüler  Luther's  und  Melanchthon's,  gest.  zu  Ostrorog 
in  Polen  1587;  Mathias  Orel,  oder  Aquila  155.,  gest.  zu  Mese- 
ritsch  1561;  Elias  Joram  1560;  Wenzl  Holy  um  1561,  gest. 
1566;  Mathias  Clämpirius,  Consenior  1566,  ordinirt  1555,  gest. 
3.  Februar  1566;  Georg  Witkowsky  1607,  geborener  Ungar, 
früher  Rector  der  Schule,  dann  Diakon,  ordinirt  zu  Wittenberg  1607. 

Trebitsch  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  B 1  a s i u s  1550 ;  Adam 
Swötelsky  1555  und  1557;  Samuel  1561  und  1564;  N.  So- 
pauch  1566;  Martin  Stephanides  aus  Nuslau  1569;  Andreas 
(lutherisch)  1571  und  1574,  geb.  zu  Pardubitz  in  Böhmen;  Blasius 
1575  und  1577,  geb.  zuPüsen;  Mathias  Mathesius  1578,  geb.  zu 
Skuö  in  Böhmen;  Johann  Latus  1590,  geb.  zu  Öaslau  in  Böhmen 
1545,  ordinirt  zu  Wittenberg  1572,  gest.  1595;  Paul  Rassovius 
15  . .  ,  ordinirt  1572,  gest,  10.  Augu.st  1572;  Johann  Aeneas  Boles- 
lowsky  (lutherisch)  1572,  Magister  zu  Wittenberg;  Paul 
Cedron  (lutherisch)  15..,  geb.  zu  Bistfitz;  Johann  Capito  1588 
und  1589,  gest.  1.  Jänner  1590,  Johann  Aeneas  1588 — 94,  gest. 
5.  Februar  1594;  Georg  Lotis  und  Daniel  Borras  1592;  Jacob 
Kment  1597;  Samuel  Raudnicius  1601;  Samuel  Benedictus 
1603,  ordinirt  1601,  gest.  1605;  Jacob  P et rocelinus,  Senior  1601 
und  1613;  Wenzl  Aram,  Diakon,  oder  Minister,  1607  und  1611: 
Laurenz  Justin  1613,  geb.  in  Ungarn  1570;  sein  Diakon  1614 
Wenzl  Ostirius,  geb.  zu  Skuc  in  Böhmen;  Niklas  Heliades, 
geb.  zu  Netolic  in  Böhmen,  gest.  3.  November  1624;  gleichzeitig 
als  Prediger  MathäusAita,  geb.  zu  Taus  in  Böhmen,  gest.  10.  No- 
vember 1624;  seitdem  nochmals  Jacob  Petrocelinus,  geb.  zu 
Kunstadt  in  Mähren,  gest.  als  Ausgewiesener  zu  Breslau  14.  Octo- 
ber  1633. 

Treskowitz  (Brunn),  lutherisch;  Johann  Schinder  1582; 
Balthasar  Lyra  1604;  Augustin  Gambertus  1610,  gest.  zu  Znaim 
17.  Jänner  1617. 


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171 

Triesch  (Briinn),  Böhmische  Brüder;  Simon  Brantl  1588; 
Caspar  Rhodius  1601,  ordim'rt  zu  Wittenberg  3.  Mai  1601; 
Melchior  Luzicky  Ende  1601;  Jeremias,  ausgewiesen  1624. 

Mährisch-Trübau  (Olmütz),  lutherisch;  Johann  Satbogen 
1550,  geb.  zu  Trübau,  studirte  zu  Wittenberg,  früher  Schulrector, 
gest.  20.  November  1573;  Christian  Charbat  1573  und  noch  1582, 
geb.  zu  Iglau;  Elias  Spaltholz  1587;  Andreas  Junicelli  1590, 
geb.  zu  Mühlberg,  gest.  1599;  Diakon  Niklas  Waiden;  Andreas 
Feinkikoll  1600,  gest.  1601;  Martin  Zimmermann  1603,  gest. 
1612:  Diakon  Christoph  Friedrich,  geb.  zu  Habeischwert;  Bar- 
tholomäus Hengk  1613,  gest.  1617;  Diakon  Hieronymus  Reich el; 
Georg  Riemer  1617,  auch  ,Dechant*  genannt,  gest.  1622. 

Ullersdorf-Gross  (Olmütz),  lutherisch;  Georg  Fontan  1600 
und  1614;  Paul  Keil  1618. 

Urbanau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Prokop  15.. 

Vöttau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Dyonis  1562. 

Weimislitz  (Brunn),  lutherisch;  Johann  Zakal  1582;  Johann 
Hodelsky  1606. 

Weisskirchen  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Simon  1500, 
gest.  1511;  Wenzl  Kowacowsky  1566,  geb.  zu  Prag;  Georg 
St r eye  zwischen  1574  und  1578,  geb.  zu  Zabfech  in  Böhmen,  or- 
dinirt  zu  Prerau  1567,  gest.  zu  Selowitz  25.  Jänner  1599;  Georg 
Philo  1584;    Wenzl  Fabricius  1601;  Johann   Hoffmann  1620. 

Welka  (Olmütz),  Böhmische  Brüder ;  nach  einander  Georg  Götz 
und  Georg  M  i  c  h  a  1  o  w  i  c  1588,  geborener  Ungar,  ordinirt  zu  W  i  1 1  e  n- 
berg  27.  Mai  1588. 

Wessely  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Isaias  1536;  Bar- 
tholomäus 1544;  Zacharias  Zablowsky  1622. 

Wessely-Neu  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Ladislaus  Cor- 
vinus  1579,  nach  Pirnitz  übersiedelt  1580;  Georg  Bakowsky 
1606;  Johann  Jurowec  1614;   Paul  Matausek  Czerawsky  1616. 

Wiese  (Brunn),  lutherisch;  Blasius  1526;  Martin  1583; 
Veit  Jemnicky  1587. 

Wiesenberg  (Olmütz),  lutherisch;  Paul  Braun  1580. 

Wilenz  (Brunn),  lutherisch;  Thomas  Schenermann  1556 
und  1558;  Wölfgang  R u b e i n  1558;  Mathias  Marchard  1559  und 
noch    1591;  Johann   Faber  1592,    gest.    18.  Jänner    1606:    Marcus 

12* 


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172 

Krum  1606,  früher  in  Ranzern,  gest.  3.  October  1608;   N.  Eber- 
hart el,  gest.  1608;  Andreas  Lewald  1609,  gest.  7.  December  1623. 

Wisch enau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  1564;  Ma- 
thias Karnowsky  1573;  Absolon  1579;  Johann  von  Tismic 
1583;  Markus  Chyträus  1617. 

Wisternitz,  Gross-  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Veit  Aquilin 
Hradecky  1571,  nach  Kralitz  übersiedelt  1574. 

Wlachovvitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Äydansky 
1570  und  1573. 

Wladislau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Mathäus  1568  und 
1573;  Johann  Korinsky  1584;  Niklas  Heliades  1613. 

Woikowitz  (Brunn),  lutherisch;  Stanislaw  1564;  Magister 
Johann  Leuchammer  1563,  geb.  zu  Ronnenberg  im  Voigtlande, 
gest.  15.  November  1585;  Leopold  Lachenger  1590;  Joachim 
Mylis  1596;  Michael  Krautundfleisch  1615;  Michael  Lacho- 
nosor  1620. 

Wolfirsch  (Brunn),  lutherisch;  Gallus  vor  1526;  Gallus  Hoz- 
linger  1588. 

Wollein  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Viktorin  1571;  Ma- 
thäus Taborsky  1584;  Johann  Sebatsky  oder  §ebatecky  1592 
und  1601,  geb.  zu  Prag;  Georg  Posthumius  1614;  Daniel  Os- 
lansky  1619. 

Wolframs  (Brunn),  lutherisch;  Georg  Schild  15..;  Samuel 
N.  1563;  Georg  Popitzer  1563,  geb.  zu  Iglau,  ordinirt  zu  Witten- 
berg 30.  Juni  1563;  Hanns  Gast  156.^,  geb.  zu  Iglau,  nach  Ungarn 
übersiedelt  1567;  Johann  Faber  1573;  Paul  F  er  mann  1586, 
später  Diakon  zu  Iglau;  Mathäus  Marchart  1590,  geb.  zu  Iglau. 
wurde  Diakon  zu  Startsch:  Georg  Lentzer  15..;  Martin  Liebe- 
zeit 1592,  geb.  zu  Bischofswerda  in  Meissen,  war  früher  Caplan  zu 
Iglau,  wurde  1617  Pastor  zu  Scherles  in  Böhmen;  Johann  Cardinal 
l(K)o;  Johann  Fuchs  16  . . ,  früher  Schuldiener  in  Iglau,  ausgewiesen 
6.  September  1623. 

Wolframskirchen  (Brunn),  lutherisch;  Jakob  1564;  Bar- 
tholomäus 1570  und  1572;  Hieronymus  1574  und  1580; 
Thomas  1580;  Johann  Albinus  1581;  Johann  Woda  z  Wody 
1590;  Andreas  Gallus  1600;  Georg  Förster  1603. 

Wostitz  (Brunn),  lutherisch;  Jakob  Melzer  1586;  Jakob  Mezig 
1588;  Timotheus  Erithreus  1614. 


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173 

Wsetin  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Michael  1579,  früher 
kathoHscher  Priester;  Martin  Lipnicky  1586,  nach  Neutitschein 
übersiedelt  1588. 

Zahorowitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  A.  K  oh  au  t  um  1600. 

Z aschau  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Christoph  Pocza- 
nowsky  1580. 

Z au chtel  (Olmütz),  lutherisch;  Peter  Julius,  zwischen  1620 
und   162S. 

Zbraslau  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  Purkrabek 
1550  und  noch  1556;  Johann  1577;  Johann  Lomnicki  1582—91; 
Nikolaus  Baccinius  1592  und  1593;  P.  Klement  1598;  Severin 
N.  1628. 

Zdaunek  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  Möstecky 
1574  und  1575;  Thomas  1583,  früher  katholischer  Pfarrer  in 
Plumenau. 

Zdiaretz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Johann  aus  Daubraw- 
nik  1571. 

Zellechowitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder;  Michael  zwischen 
1586  und  1590,  früher  katholischer  Priester. 

Äeranowitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Johann  1619. 

Ziaroschitz  (Brunn),  Böhmische  Brüder ;  Michael  Trnawsky 
1549;  Jakob  Wisocky  1557. 

Zierawitz  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Mathias  Sionsky 
1548;  Wenzl  Aram,  Diakon  zwischen  1604  und  1607;  Johann 
Alb  in  und  Jakob  Alphäus,  gest.  1621. 

Zittow  (Olmütz),  Böhmische  Brüder ;  Georg  M arte ni des  1611. 

Zlabings  (Brunn),  lutherisch;  Gabriel  Weidenbach  1620; 
Conrad  Hirn  1620. 

Zlin  (Olmütz),  Böhmische  Brüder ;  Johann  Stitnowsky  1563, 
früher  Cisterzienser  in  Wellehrad;  Wenzl  Bojan  1568;  Tobias 
Gregory  1606. 

Znaim  (Brunn),  lutherisch ;  Johann  Rohrbacher  1542;  Hanns 
Waigel  1543,  beide  ausgewiesen  durch  einen  kaiserlichen  Befehl 
11.  September  1543;  Magister  Johann  Stumpf  1519;  Wolfgang 
Erasmus  nach  1543;  Christian  1550;  Conrad  1550;  Johann 
von  Miksnic  1 550 — 52 ;  Johann  F  r  i  n  k  1 55 1 ;  Johann  V  o  1 1  m  e  y  e  r 
1555;  Bemard  Dubniansky;  Georg  Schild  1505,  früher  berühmter 
katholischer   Prediger    in  Wien,    gest.    1590;    Merthan    Gieringer, 


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^ 


174_ 

Pfarrer,  und  Augustin  Grässl,  Prediger  ]569;  Niklas  ßber  1572: 
Goloman  Strobel  1574;  Mathias  Spasneus  1575;  Achaz  Syric 
1577,  wurde  katholisch  und  trat  in  das  Prämonstratenserstift  Brück 
ein;  Andreas  Eber  ding,-  ein  geborener  Sachse,  Pfarrer,  und  Se- 
bastian Rauscher,  Caplan  1578;  Leonard  Fichtner  1577;  Martin 
Candrodt  1578;  M.Steinweg,  Prediger  1580;  Peter  Corvinus 
1582;  Caspar  Ludwig  1589;  Felix  Wesely  1594;  Balthasar 
Hühner  1595,  Senior  1604;  Michael  Grünsperger  1595;  aber- 
mals Felix  Wesely  1597,  noch  1604;  Jobann  Fresdorf  aus  Würz- 
burg; Johann  Stumpf,  Oberpfarrer;  Magister  Franz  Arnold: 
Magister  Johann  Seger;  Gallus  Stabel,  mährischer  Prediger  — 
alle  vier  ausgewiesen  1623. 

Znorow  (Olmütz),  Böhmische  Brüder;  Paul  Urbani des  1625. 


1 


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Das  „Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  Oesterreich",  welches  unter  der  Redaction  des  Präsidenten 
(Dr.  Karl  Ritter  von  Otto),  der  beiden  Vicepräsidenten  (Dr.  ^/M.  Witz  ww^X^t.  Theodor 
Haase)  und  des'Secretärs  der  Gesellschaft  (Lic.  Dr.  Gustav  Trautetiherger)  in  viertel- 
jährigen Heften  erscheint,  behandelt  in  längeren  Original-Artikeln,  in  Referaten,  in 
Mittheilung  von  Urkunden,  in  Besprechungen  und  Notizen  Alles,  was  sich  auf  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  bezieht. 

Dasselbe  ist  von  den  Evangelischen  überall  mit  Freude  begrilsst  und  von 
der  Kritik  auf  das  Wohlwollendste  aufgenommen  worden. 

Hier  einige  Worte  aus  Recensionen : 
jjMit  dem  ersten  Doppelliefte    wird    ein    Unternehmen    eröffnet,    welches    die    leb- 
hafteste   Zustimmung    verdient Nach    dieser    Reichhaltigkeit    des  Inhalts    darf 

man  der  jungen  Zeitschrift  zu  dem  würdigen  nnd  verheissungsvoUen  Anfang  theilneh- 
raend  Glück  wünschen  und  einen  entsprechenden  Fortgang  unter  Gottes  Segen  getrost 
in   Aussicht  stellen." 

„Auf  das  erste  Doppelheft  ist  alsbald  das  zweite  gefolgt  ....  Möge  das 
Jahrbuch  seinen  Weg  in  der  bisherigen  Weise  fortsetzen  und  die  Leser  in  und 
ausser  Oesterreich  ferner  durch  so  lehrreiche,  gehaltvolle  Publicationen  erfreuen." 

,Wie  der  zweite  Band  entspricht  auch  der  dritte  durch  die  Reichhaltigkeit  und 
V'erschfedenheit  des  Inhalts  den  gehegten  Erwartungen.** 

Theologisches  Litteraturblatt  (Leipzig)  iSSi.   A'r.  20  tt.  S3-    ^^^S-  ^^'  SS' 

„,  .  .  Zugleich  hat  die  Gesellschaft  in  zwei  Doppelheften  den  ersten  Jahrgang 
ihres  Jahrbuches  herausgegeben,  welches  eine  Fülle  interessanter  Nachrichten  über 
die  wechselvollen  Schicksale  der  evangelischen  Kirclie  in  Oesterreich  enthält.  Wir 
wünschen  unsern  österreichischen  Brüdern  Glück  zu  diesem  schönen  Anfang  und 
hoffen,  dass  die  neue  Gesellschaft  auch  im  Deutschen  Reiche  Mitglieder  und  thätige 
Freunde  gewinnen  werde.  Wirkliche  Mitglieder  sind  jene,  welche  historische 
Arbeiten  liefern  und  einen  Beitrag  von  3  fl.  jährlich  leisten,  unterstützende  Mit- 
glieder solche,  welche  wenigstens  5  fl.  jährlich,  oder  als  Gr  ü  n  der  einen  einmaligen 
Beitrag  von  wenigstens  50   fl.  zahlen.** 

/Veue  EviDigelische  Kirchenzeitung  (Berlin)    rSSi.   Ar.   22. 

„.  .  .  Als  erfreuliche  P'rucht  der  Vereinsthätigkeit  liegen  die  beiden  er<ten  Doppel- 
hefte des  Jahrbuches    der  Gesellschaft    vor,    welche    eine  Reihe    zum  Theil    höchst 

interessanter  Veröffentlichungen     enthalten Wir  wünschen  dem   so  glücklich 

begonnenen  Unternehmen,  dem  unsere  volle  Sympathie  gesichert  ist,  kräftigen  Fortgang. 
Möge  dasselbe  an  seinein  Theile  zur  Stärkung  des  evangelischen  Bewus>tseins  unter 
den  Protestanten  Oesterreichs  das  Seinige  beitragen  I** 

(Prof.  Dr.  Lipsius)   Theologische  Literatuneitung  (Leipzig)   1881.   Nr.   /j. 

Das  Jahrbuch  „für  unsere  evang.  Brüder  in  Oesterreich  gewiss  von  grösstem 
Werth  und  Interesse    aber  auch  für  weitere  Kreise  sehr  zu  empfehlen**   u.  s.  w. 

Theologischer  Liiteratiir-Bcj-icht  (Gütersloh)  iSSj-   AV.   8. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger Rcdaction 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir  .  .  .  nur  wieder- 
holen. Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  evan 
gelische  Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  a\B  dem  vorigen 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Prote 
stantismus  wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  Per 
sönliches   und  Allgemeines«    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Messner)  Nene  Evangelische  Kirchemeitung  (Berlin)  1883,  Nr.  40. 

yjEs  ist  ein  ungemein  dankenswerthes  und  jeder  Unterstützung  werthes  Unter- 
nehmen, das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treffliche 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jedem 
Geschichtsfreand  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.  Denn  reichlich  und  werthvoll  sind 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen'*    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.   Horawitz)  Deutsche  Zeitung,  Wien  1883,  Nr.  410J. 
.  .  .  Wir    verfehlen    nicht,    die   Freunde    reformations-historischer  Forschung  auf 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen.** 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  Evangelische  Kirchenzeitung  (Greifsw.)  1883,  Nr,   48. 

„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wissen- 
schaftliche Gesellschaft   unserer    evangelischen  Kirche    aufs  Kräftigste   zu  unterstützen 
.und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern/ 

Evangelische  Kirchenzeitung  für   Oesterreich  (Bielitz)  1884.  Nr.   i. 

,.  .  .  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben*   u.  s.  w. 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweiz  [Zmic\i)  1886.  H.  I.   S.  61. 
„Mit  Freude   begrüssen    wir    diese    weiteren  Jahrgänge    der  verdienstvollen  Zeit- 
schrift" u.  s.  w. 

(Prof.  S.-G.)   Theologischer  Litte raturbericht  (Gütersloh)  1881,  Nr.   4, 


Zur  Nachricht. 

Se.  Erlaucht    der    Graf  und   Herr   von    Giech    auf  Thurnau    bei    Kulmback    in 
Bayern   hat    das    in    seinem  Besitz   befindliche    Porträt    des   berühmten    österreichischen 
Exulanten  Gallus  Freiherrn   zu  Rägknitz  (f  In  Nürnberg  1658)  dem  Central  vor- 
stände unserer  historischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von  der 
Meisterhand  Sandrart's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerischer 
Umrahmung.   Vier  Medaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriften 
jjGeh  nur  davon,  |{  Sey  fromm  für  mir,  ||  Gib  Armen  hier,  |{  Ich  bin  dein  Lohn.' 
Damit  correspondirend   besagt    die  Unterschrift    mit  Beziehung    auf  I.  Mos.   12  t 
,Geh  aus  deinem  Vaterland,  imd  lass  deiner  Freundschaft  Band, 
Wandle  für  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm, 
Ich,  ich  bin  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild« 
Ich  bin  dein  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron." 
Der  Centralvorstand  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertigen 
lassen,   welche   im   Archiv   unserer    Gesellschaft   (Wien,    I.   Dorotheergasse   16)  ^  i  fi. 
zu  haben  ist. 


Druck  von  Wilhelm   Köhler,  Wien,  VI.  Mollard|;u«e  41. 


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JAHRBUCH 


der 


Gesellscbaft  für  die  Geschichte  des  Protestantismas 


in  Oesterreich. 


Neunter  Jahrgang. 

IV.  Heft. 

October  —  December  1888. 


»H»R. 


Wien  und  Leipzig. 

Julius    Klinkhardt. 

1888. 


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Inhalt  von  Heft  IV. 

Seuc 

14.  Kaiser  Franz  Josef  1.  und  die  Evangelische  Kirche.  Von  D.   C.  A,    IVitz     .     175 

15.  Bücherschau:  Allgemeine  kirchliche  Chronik,  Jahrg',  34  (Loeschej    ....     242 

16.  Namenregister 243 


Zur  Beachtung. 

Wir  ersuchen  unsere  Mitglieder,  in  ihren  Kreisen  für  die  Verbreitung  der 
Gesellschaft  thätig  zu  sein,  und  stellen  zu  diesem  Behufe  Exemplare  der  Statuten 
in  gewünschter  Anzahl  zur  Verfugung. 

Laut  Beschlusses  des  Centralvorstandes  in  seiner  Sitzung  am  27.  Februar  18S4 
erhalten  die  Mitarbeiter  am  „Jahrbuch",  vom  fünften  Jahrgang  (1884)  an,  nach  Erscheinen 
des  betreffenden  Jahrgangs  als  Honorar  pro  Druckbogen  sechzehn  Gulden  ö.  W. 

Die  Mitarbeiter  sind  allein  verantwortlich  für  den  Inhalt  und  die  Form  der 
unter  ihrem  Namen  im  Jahrbuch  erscheinenden  Artikel. 

Den  Mitarbeitern  werden  sechs  Gratis  -  Separatabzüge  ihrer  Arbeiten  nach 
Erscheinendes  betreffenden  Heftes  von  der  Köhler'schen  Buchdruckerei  franco  zugesendet. 
Eine  grössere  Anzahl  von  Separatabzügen  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Verständigung 
der  Herren  Verfasser  mit  der  genannten  Buchdruckerei  (Wien,  VI.  Mollardgasse  41) 
gegen  Erstattung  der  Druckkosten  gemacht  werden. 

Die  noch  rückständigen  Beiträge  bitten  wir  an  unsem  Cassier,  Herrn  Hof- 
und  Gerichts-Advocat  Dr.  Carl  Ritter  von  Sääf  (VJien,  I.  Ballgasse  6),  chebaldig>t 
einzusenden. 

Für  das  „Jahrbuch"  bestimmte  Arbeiten,  sowie  Zuschriften  an  die  Gesellschai: 
sind   „An  das  Bureau  der  Gesellschaft,  "Wien,  I.  Dorotbeergasae  16*   zu  richten. 

Der   Cefitralvorstand 

der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Protestantism-? 
in  Oesterreich. 


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XIV. 

Kaiser  Franz  Josef  L 


und  die 

Evangelische  Kirche. 

Von 

I>.  C.  A.  Witz. 

Mit  aufrichtiger,  herzlicher  Begeisterung  feiern  die  Völker  und 
Länder  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie  in  diesem  Jahre  das 
vierzigjährige  Regierungs-Jubiläum  Sr.  Majestät  unseres  allergnädigsten 
und  vielgeliebten  Kaisers  und  Herrn,  Franz  Josef  I. 

Jubiläums-Ausstellungen,  wohlthätige  Stifhmgen,  Werke  der  barm- 
herzigen Nächstenliebe  bezeugen  —  dem  Willen  des  Kaisers  ent- 
sprechend, welcher  selbst  gewünscht,  dass  der  Dank  für  die  Segnungen 
Seiner  Regierungszeit  nicht  durch  kostspielige  Feste,  sondern  durch 
gemeinnützige  Schöpfungen  zum  Ausdrucke  gelange  —  Oesterreichs 
loyale  und  treue  Hingabe  an  seinen  erhabenen  Monarchen. 

Auch  die  Evangelischen  Oesterreichs  betheiligen  sich  an  diesen 
Kundgebungen  patriotischer  Gesinnung  und  freuen  sich,  ihren  Dank 
für  die  , Gleichberechtigung*  in  ungetrübter  Gemeinschaft  mit  allen 
andersgläubigen  Mitbürgern  bethätigen  zu  können. 

Nichtsdestoweniger  fühlen  sich  die  evangelischen  Oesterreicher 
verpflichtet,  ihre  Dankbarkeit  noch  in  besonderer  Weise  zum  Aus- 
drucke zu  bringen.  Hat  sich  doch  der  Kaiser,  während  seiner  vierzig- 
jährigen Regierungszeit,  stets  als  der  treue  Schutz-  und  Schirmherr 
der  evangelischen  Kirche  erwiesen.  Sind  uns  doch  aus  Seiner  Hand 
so  viele,  so  mannigfaltige  Segnungen  zugeflossen. 

Darum  hat  auch  der  k.  k.  evangelische  Oberkirchenrath  A.  und 
H,  B.  beschlossen,  eine  Wohlthätigkeitsstiftung  in 's  Leben  zu  rufen, 
welche  —  unter  Voraussetzung  der  Allerhöchsten  Genehmigung  — 

Jahrbuch  des  Protestantismus  1888    H.  IV.  13 


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176 

den  Namen  Sr.  k.  und  k.  Apostolischen  Majestät  fuhren  und  den 
armen  evangelischen  Gemeinden  Oesterreichs  zugute  kommen  soll. 
Darum  veröffentlicht  die  ,  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  Oesterreich*  vorliegende  Denkschrift.  Sie  möchte 
dadurch,  namentlich  den  Fernerstehenden  gegenüber,  die  Dankbarkeit 
der  Evangelischen  geschichtlich  begründen  und  deren  Berechtigung 
durch  Thatsachen  nachweisen. 

Zu  diesem  Zwecke  werden  wir  in  schlichter,  einfacher,  rein 
sachlicher  Weise  nacheinander  chronologisch  anfuhren :  1.  die  A.  h., 
die  evangelische  Kirche  berührenden,  EntSchliessungen,  Ver- 
ordnungen und  Gesetze,  welche  Se.  Majestät  erlassen  oder 
genehmigt,  2.  die  Reden  und  Ansprachen,  welche  der  Kaiser 
bei  feierlichen  Anlässen  an  die  Vertreter  der  beiden  evangelischen 
Kirchen  A.  und  H.  B.  oder  einzelner  Gemeinden  gerichtet,  und  3.  die 
Geschenke  und  Gaben,  welche  Allerhöchst  Derselbe  für  evan- 
gelische Zwecke  gespendet  hat 

Diese  Erinnerungen  werden  zur  Genüge  beweisen,  wie  sehr  wir 
als  Evangelische  berechtigt  sind,  den  j^Freudentag  des  Vaterlandes 
mitzufeiern,  nicht  allein  als  Bürger  eines  durch  seinen  Herrscher  be- 
glückten Reiches,  sondern  als  dankbare  Bekenner  unseres  Glaubens.* 

I. 

Als  Se.  Majestät  am  2.  December  1848,  in  sturmbewegter  Zeit, 
die  Zügel  der  Regierung  ergriff,  wurde  die  Thronbesteigung  allen 
Völkern  der  Monarchie  feierh'chst  durch  ein  A.  h.  Patent  verkündigt, 
welches  u.  A.  folgende  Kundgebung  enthielt: 

,Das  Bedürfniss  und  den  hohen  Werth  freier  und  zcit- 
gemässer  Institutionen  aus  eigener  Ueberzeugung  erkennend, 
betreten  Wir  mit  Zuversicht  die  Bahn,  welche  Uns  zu 
einer  heilbringenden  Umgestaltung  und  Verjüngung 
der  Gesammt-Monarchie  führen  soll. 

Auf  den  Grundlagen  der  wahren  Freiheit,  auf  den 
Grundlagen  der  Gleichberechtigung  aller  Völker  des 
Reiches  und  der  Gleichheit  aller  Staatsbürger  vor 
dem  Gesetze,  sowie  der  Theilnahme  der  Volksver- 
treter an  der  Gesetzgebung,  wird  das  Vaterland  neu 
erstehen,  in  alter  Grösse,  aber  mit  verjüngter  Kraft, 
ein    unerschütterlicher   Bau   in   den   Stürmen   der   Zeit. 


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177 

ein  geräumiges  Wohnhaus  für  die  Stämme  verschie- 
dener Zunge,  welche  unter  dem  Scepter  Unserer  Väter 
ein  brüderliches  Band  seit  Jahrhunderten  umfangen 
hält/ 

Diese  hochherzige  kaiserliche  Kundgebung  berechtigte  die  Evan- 
gelischen Oesterreichs  zu  den  kühnsten  Hoffnungen.  Die  ,  freien 
und  zeitgemässen  Institutionen*  können  ihnen  von  nun  an  nicht 
mehr  vorenthalten  werden.  -Auf  den  Grundlagen  ,der  wahren  Freiheit, 
der  Gleichheit  aller  Staatsbürger  vor  dem  Gesetze*  wird  die  evange- 
lische Kirche   fortan  sich  erbauen   und  ungehindert  sich  entwickeln. 

In  der  That.  Das  Jahr  1848  scheidet  Alt-Oesterreich  von  Neu- 
Oesterreich  besonders  in  kirchlich-politischer  Beziehung. 

Schon  der  im  Allgemeinen  nicht  beachtete  und  noch  von  keinem 
protestantischen  Geschichtsschreiber  gewürdigte  Erlass  des  Ministe- 
riums des  Innern  vom  31.  December  1848  (R.-G.-Bl.  Nr.  60)  recht- 
fertigte ihre  Zuversicht.  Dieser  Erlass  verfugte  nämlich,  dass  ^in 
Zukunft*  bei  der  Ausstellung  von  Reise-Urkunden  die  Angabe  des 
Religionsbekenntnisses  unterbleiben  solle.  Solche  Urkunden  dürfen 
fortan  nur  ,in  die  Augen  fallende  äussere  Merkmale'  enthalten,  wäh- 
rend das  »Religionsbekenntniss'  ausschliesslich  vor  ,das  innere  Forum 
der  Ueberzeugung  eines  Jeden  gehört.*  Die  Protestanten  können  also 
von  nun  an  frei  und  unbehelligt  durch  alle  österreichischen  Länder 
reisen.  Sie  haben  nicht  mehr  unter  der  Engherzigkeit  Einzelner 
noch  unter  den  Vorurtheilen  gewisser  Länder  zu  leiden.  Das  Reli- 
gionsbekenntniss  hat  aufgehört,  , äusseres*  Merkmal  eines  echten 
Oesterreichers  zu  sein.  Der  Protestantismus  schliesst  den  Patriotismus 
nicht  aus.  Das  j^innere  Forum  der  Ueberzeugung*  wird  anerkannt. 
Der  Gewissenszwang  fängt  an  zu  weichen. 

Fängt  an  zu  weichen.^  Nein.  Er  hat  bereits  das  Feld  geräumt. 
Denn  nach  der  A.  h.  EntSchliessung  vom  26.  December 
1848  —  welche  allerdings  erst  am  30.  Jänner  1849  mittelst  Erlasses 
des  Ministeriums  des  Innern  allen  Landes-Chefs  (mit  Ausnahme  der 
Lombardei  und  Venedigs)  bekannt  gegeben  wurde  (R.-G.-Bl.  Nr.  107) 
—  hat  Se.  Majestät,  eingedenk  der  Grundlagen  der  wahren  Freiheit, 
zu  Gunsten  der  Evangelischen,  folgende  provisorische  Verfügung 
getroffen : 

r.  Die  beiden  unter  der  Bezeichnung  , akatholisch*  begriffenen 
protestantischen   Confessionsverwandten   in  Oesterreich   sind   künftig 

13* 


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178 

in  amtlicher  Beziehung  mit  dem  Namen:    »Evangelische   der  Augs- 
burger oder  Evangelische  der  helvetischen  Confession*  zu  bezeichnen. 

II.  Der  Uebertritt  von  einem  christlichen  Bekenntnisse  zu  einem 
anderen  steht  Jedermann  frei,  der  das  achtzehnte  Jahr  zurückgelegt 
hat,  nur  ist  Folgendes  zu  beobachten: 

Derjenige,  der  überzutreten  wünscht,  ist  gehalten,  diese  seine 
Absicht  vor  dem  Seelsorger  der  Kirchengemeinde,  zu  welcher  er 
bisher  gehörte,  in  Gegenwart  zweier  selbstgewählter  Zeugen  zu  er- 
öffnen und  vier  Wochen  nach  dieser  Eröffnung  abermals  vor  dem 
Seelsorger  derselben  Kirchengemeinde  in  Gegenwart  derselben  oder 
zweier  anderer,  ebenfalls  selbstgewählter  2^ugen,  die  Erklärung  abzu- 
geben, dass  er  bei  seiner  Absicht  beharre. 

Ueber  jede  dieser  Erklärungen  ist  der  Seelsorger  verpflichtet, 
dem  den  Uebertritt  Beabsichtigenden  ein  Zeugniss  auszustellen. 

Sollte  dasselbe  aus  was  immer  für  einer  Ursache  verweigert 
werden,  so  sind  die  Zeugen  berechtigt,  es  auszustellen. 

Diese  beiden  Zeugnisse  hat  der  Uebertretende  dem  Seelsorger 
der  Kirchengemeinde,  zu  welcher  er  übertritt,  vorzuweisen,  wodurch 
der  Act  des  Uebertrittes  vollkommen  abgeschlossen  ist. 

Alle  anderen  bisherigen  Vorschriften  bezüglich  des  Uebertrittes 
werden  ausser  Wirksamkeit  gesetzt. 

III.  Die  Tauf-,  Trauungs-  und  Sterbebücher  werden  von  den 
Seelsorgern  evangelisch-augsburgischer  oder  evangelisch-helvetischer 
Kirchengemeinden  über  die  von  ihnen  vorgenommenen  kirchUchen 
Acte  ebenso  geführt  und  aus  denselben  von  ihnen  Auszüge  unter 
ihrer  Fertigung  mit  derselben  Rechtswirksamkeit  erfolgt,  wie  dieses 
bei  den  katholischen  Seelsorgern  der  Fall  ist. 

IV.  Stolgebühren  und  andere  Giebigkeiten  an  Geld  und  Natu- 
ralien für  kirchliche  Amtshandlungen  von  Seite  evangelisch-augs- 
burgischer oder  evangelisch-helvetischer  Confessionsverwandten  an 
die  katholischen  Geistlichen  sind,  insofern  sie  nicht  fiir  Amtshand- 
lungen gefordert  werden,  welche  der  katholische  Seelsorger  wirklich 
verrichtet,  und  insofern  sie  nicht  dingliche,  auf  dem  Realbesitze 
haftende  Abgaben  sind,  aufgehoben. 

Dasselbe  gilt  von  den  an  den  Messner  zu  entrichtenden  Leistungen. 

V.  Die  an  manchen  Orten  üblichen  Abgaben  evangelisch-augs- 
burgischer und  evangelisch-helvetischer  Confessionsverwandten  an 
katholische  SchuUehrer  haben  dort,  wo  dieselben  ihre  eigenen  Schulen 


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179 

haben  und  ihre  Kinder  nicht   in  katholische  Schulen  schicken,    auf- 
zuhören. 

VI.  Bei  Ehen  zwischen  nicht  katholischen  christlichen  Religions- 
genossen hat  das  Aufgebot  nur  in  den  gottesdienstlichen  Versamm- 
lungen der  Brautleute,  bei  Ehen  zwischen  katholischen  und  nicht 
katholischen  Religionsgenossen  in  der  Kirche  eines  Jeden  derselben 
zu  geschehen,  und  wird  diesfalls  der  §  71  des  bürgerlichen  Gesetz- 
buches ausser  Wirksamkeit  gesetzt. 


Damit  wurde  zum  grössten  Theile  in  hochherziger  Weise  den 
Wünschen  entsprochen,  welche  die  j^Conferenz  evangelischer  Geist- 
licher und  Weltlicher*  vom  Augast  1848  zum  Ausdrucke  gebracht 
hatte  und  ^^dem  Geist  der  Zeit,  wie  dem  dringenden  Bedürfnisse, 
Rechnung  getragen*. 

Zunächst  sind  die  Evangelischen  nicht  mehr  ^Akatholiken*.  Die 
verirrten  Schafe  der  einen  alleinseligmachenden  Kirche  gelten  von 
.  mui  an  als  selbstständige  Bekenner  des  Evangeliums.  Die  richtige 
Bezeichnung  wird  bereits  zur  thatsächlichen  Anerkennung.  ,Die  Be- 
nennung mit  dem  rechten  Namen*,  sagt  treffend  Carl  Kuzmany*), 
,ist  die  Anerkennung  der  gebührenden  Achtung  und  somit  Gewähr- 
leistung der  politischen  Ehre.  Selbst  wenn  diese  nicht  gerade  aus 
feindseliger  Gesinnung  verweigert  wird,  so  ist's  doch  kränkend  und 
eine  Unbill*. 

Se.  Majestät  hat  diese  Kränkung,  diese  Unbill  beseitigt. 

Nicht  minder  werthvoU  sind  die  übrigen  Rechte  und  Freiheiten. 
Der  Uebertritt  von  einem  christlichen  Bekenntnisse  zum  andern  ist 
frei.  Der  zur  evangelischen  Kirche  Uebertretende  braucht  sich  nicht 
niehr  einem  sechswöchentlichen  Unterricht  der  katholischen  Geist- 
lichen zu  unterziehen.  Alle  Hindernisse,  welche  der  Zelotismus  dem 
Uebertretenden  in  den  Weg  zu  legen  wusste,  sind  beseitigt.  Die 
Matrikeliuhrung  der  evangelischen  Seelsorger  hat  von  nun  an  rechts- 
kräftige Geltung.  Das  »Vidi*  der  katholischen  Pfarrer  ist  überflüssig. 
Die  Stolgebühren  an  katholische  Geistliche,  die  Abgaben  an  katho- 
lische Schullehrer  sind  aufgehoben.  Beim  Aufgebote  ist  das  Be- 
kenntniss  entscheidend. 


>)  Lehrbuch    des   allgemeinen    und    österreichischen  evangelisch  -  protestantischen 
Kirchenrechtes.  Wien  1856.  W.  Braumüller.  Band  I,  pag.  432. 


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180 

Das  waren  wichtige  Zugeständnisse,  herrliche  Errungenschaften. 

Mit  dieser  A.  h.  Entschliessung  ist  die  Selbstständigkeit  der 
evangelischen  Kirche  jinerkannt.  Bis  dahin  war  sie  gewissermassen 
eine  Filiale  der  katholischen  Kirche,  jetzt  ist  sie  Muttergemeinde 
geworden.  Bis  dahin  war  sie  der  katholischen  Kirche  untergeordnet, 
jetzt  ist  sie  ihr  nebengeordnet,  coordinirt.  Bis  dahin  war  sie  tribut- 
pflichtig, jetzt  ist  sie  unabhängig. 

Die  ^Conferenz  ^)*  hatte  freilich  noch  verlangt,  dass  Kinder  aus 
gemischten  Ehen  der  Religion  des  Vaters  folgen,  wenn  die  Eltern, 
denen  hierüber  das  freie  Uebereinkommensrecht  eingeräumt  wird, 
nicht  etwas  Anderes  bestimmten,  und  dass  bei  Mischehen  nach  freier 
Wahl  der  Brautleute,  die  Eheschliessung  und  Einsegnung  von  dem 
evangelischen  Pfarrer  so  gut  wie  von  dem '  katholischen  vollzogen 
werden  könne  —  und  diese  Wünsche  waren  unberücksichtigt  ge- 
blieben; allein  die  Evangelischen  hatten  nichtsdestoweniger  Grund 
genug,  Sr.  Majestät  fiir  obige  Zugeständnisse  von  Herzen  zu  danken. 
Sie  können  zweifelsohne  mit  froher  Zuversicht  die  weitere  Entwick- 
lung der  Dinge  abwarten.  Es  weht  ein  Geist  der  Freiheit,  der 
Fortschritt  ist  unverkennbar.  Das  Ziel  wird  erreicht  werden. 

Eine  neue  Bürgschaft  hiefiir  gewährte  das  kaiserliche  Patent 
vom  4.  März  1849.  Dieses  Patent  verordnete  ,in  Anerkennung 
und  zum  Schutze  der  den  Bewohnern  Oesterreichs  durch  die  von 
Sr.  Majestät  angenommene  constitutionelle  Staatsform  gewährleisteten 
politischen  Rechte*  u.  A.,  wie  folgt: 

§  1.  Die  volle  Glaubensfreiheit,  das  Recht  der  häuslichen  Aus- 
übung des  Religionsbekenntnisses  ist  Jedermann  gewährleistet.  Der 
Genuss  der  bürgerlichen  und  politischen  Rechte  ist  von  dem  Reli- 
gionsbekenntnisse unabhängig,  doch  darf  den  staatsbürgerlichen 
Pflichten    durch   das  Religionsbekenntniss   kein  Abbruch   geschehen. 

§  2.  Jede  gesetzlich  anerkannte  Kirche  und  Religionsgesell- 
schaft hat  das  Recht  der  gemeinsamen  öffentlichen  Religionsübung, 
ordnet  und  verwaltet  ihre  Angelegenheiten  selbstständig,  bleibt  im 
Besitze  und  Genüsse  der  für  ihre  Cultus-,  Unterrichts-  und  Wohl- 
thätigkeitszwecke  bestimmten  Anstalten,  Stiftungen  und  Fonde,  ist 
aber  wie  jede  Gesellschaft  den  allgemeinen  Staatsgesetzen  unterworfen. 

*)  Dr.  G.  Trautenberger:  Kurzgefasste  Geschichte  der  evangelischen  Kirche 
in  Oesterreich.  Zweite  Ausgabe.  Wien  1886.  Verlag  des  österr.  Hauptvereines  der 
Gustav-Adolf-Stiftung,  pag.  76. 


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181 

Die  freiheitliche  Entwicklung  wird  aufs  Neue  sichergestellt.  Die 
Evangelischen  nähern  sich  dem  Ziele. 

Die  Einzelnen  unter  den  Evangelischen  A.  und  H.  B.  sind  nicht 
mehr,  beschränkt  in  dem  Genüsse  bürgerlicher  Rechte:  sie  haben 
jetzt  die  volle  bürgerliche  und  politische  Gleichberechtigung  und  mit 
ihr,  durch  sie,  ohne  ,Dispensationes*  das  Niederlassungsrecht,  die 
Besitzfähigkeit  beweglicher  und  unbeweglicher  Güter,  Gewerbe-  und 
Handelsfiihrung,  Benützung  aller  allgemeinen  öffentlichen  Staatsanstal- 
ten, Privat-  und  Staatsdienstfahigkeit  und  Gleichheit  vor  dem  Gesetze. 

Den  evangelischen  Gemeinden  A.  und  H.  B.  ist  das  Recht 
der  gemeinsamen  öffentlichen  Religionsübung  gewährleistet.  Die 
Toleranzbethäuser,  welche  bis  jetzt  ^nach  aussen  abgesperrt,  nach 
oben  verstümmelt*  *)  waren,  dürfen  fortan  als  Kirchen  sich  kenn- 
zeichnen durch  ,  Geläute,  Glocken,  Thürme  und  öffentliche  Eingänge 
von  der  Gasse,  so  eine  Kirche  vorstellen*. 

Zugleich  mit  dem  j^Oeffentlichkeitsrecht*  sind  sie  in  den  Besitz 
der  selbstständigen  Ordnung  und  Verwaltung  gelangt  —  und  können 
nunmehr  eine  dem  Geiste  der  evangelischen  Kirche  entsprechende 
Verfassung  vorbereiten. 

Das  waren  unstreitig  Zusagen  von  der  grössten  Tragweite.  Sie 
fanden  auch  überall  die  begeistertste  Aufnahme,  die  dankbarste 
Würdigung.  Unbeschreiblicher  Jubel  ging,  nach  Dr.  G.  Trauten- 
berger*),  durch  die  evangelischen  Gemeinden  und  fast  allenthalben 
wurden  festliche  Dankgottesdienste  veranstaltet,  wo  beim  Orgelton 
die  Worte  des  einheiniischen  Dichters  voller  Begeisterung  von  den 
Lippen  der  Versammelten  klangen: 

Geh'  auf,  du  heller  Freudenschein,  Du  sprachst,  o  Herr,  es  werde  Licht! 

Der  Herr  will  seine  Kirch*  emeu'n.  Da  strahlt  von  Deinem  Angesicht 

Ihr  Hoffen  ist  geschehen!  Der  Aufgang  besserer  Zeiten! 

Was  uns'rer  Väter  Sehnen  war  Vor  Deiner  Herrlichkeit  und  Macht 

In  schwerer  Drangsal  und  Gefahr  Muss  schwinden  aller  Schatten  Nacht, 

Und  konnten  es  nicht  sehen :  Wenn  Du  willst  Weg  bereiten ! 

Freiheit!  Freiheit  Neue  Treue, 
Von  den  Banden,  die  umwanden  die  Ge-       Hilf  uns  üben.    Dich  zu   lieben  sonder 

wissen,  Wanken, 

Sollen  wir  hinfort  geniessen !  Heile  alle  Glaubenskranken! 


*)  Dr.  C.  A.  Witz:  Die  Herrlichkeit  unseres  Gotteshauses.  Festrede.  Wien  1887. 
W.  Frick,  k.  k.  Hofbuchhandlung. 

•)  Kurzgefasste  Geschichte  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich.  pag.  83. 


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182 

Die  Evangelischen  athmeten  auf.  Es  ging  ihnen  wie  den  Ge- 
fangenen  Zions,  welche  Gott  ^ wiedergebracht^  hatte:  ihr  Mund 
war  voll  Lachens  und  ihre  Zunge  voll  Jauchzens.  (Ps.  126/2.)  Jede 
Verzagtheit  verschwand:  der  Freude  gleich  war  die  Zuversicht,  mit 
welcher  sie  die  weitere  Erfüllung  ihrer  berechtigten  Wünsche  er- 
warteten. 

Zumal  sie  in  ihren  Hoffnungen  bekräftigt  wurden,  als  das  hohe 
Ministerium  des  Innern  unter'm  27.  Juni  1849  sämmtliche  Superinten- 
denten A.  und  H.  B.  mit  Vertrauensmännern  auf  den  29.  Juli  1849 
in  der  wohlthuendsten  Form  nach  Wien  berief,  um  sich  zur  Durch- 
führung des  Patents  vom  4.  März  mit  den  gesetzlichen  Vorständen 
der  evangelischen  Kirche  in  unmittelbaren  Verkehr  zu  setzen  und 
deren  Gutachten  einzuholen. 

Leider  fand  das  Gutachten  dieser  ,  Versammlung  der  öster- 
reichischen Superintendenten  und  ihrer  Vertrauensmänner*,  w^elches 
am  18.  August  1849  dem  damaligen  Minister  für  Cultus  und  Unter- 
richt, Grafen  Leo  Thun,  überreicht  wurde,  nicht  die  erhoffte  rasche 
Erledigung.  Die  österreichischen  Protestanten  sollten  sich  wieder  ein- 
mal in  der  Geduld  üben. 

Ihre  Geduld  aber  wurde  nicht  zu  Schanden.  Bei  allem  Wechsel 
der  Zeiten  erwies  sich  unwandelbar  die  Huld  des  Kaisers.  Trotzdem 
die  Verfassungsurkunde  vom  2.  März  1849  aufgehoben  wurde,  blieben 
die  Rechte  und  Freiheiten   der  evangelischen   Kirche   unangetastet. 

Das  kaiserliche  Patent  vom  31.  December  1851  erklärte  , aus- 
drücklich*, dass  Se.  Majestät  »jede  gesetzlich  anerkannte  Kirche 
und  Religionsgesellschaft  in  dem  Rechte  der  gemeinsamen  öffent- 
lichen Religionsübung,  dann  in  der  selbstständigen  Verwaltung  ihrer 
Angelegenheiten,  ferner  im  Besitze  und  Genüsse  der  für  ihre  Cultus-, 
Unterrichts-  und  Wohlthätigkeitszwecke  bestimmten  Anstalten,  Stif- 
tungen und  Fonde  erhalten  und  schützen  wollen*. 

Weiter  erfolgten  die  A.  h.  EntSchliessungen:  1.  vom  11.  August 
1859,  durch  welche  den  Evangelischen  die  Erlaubniss  ertheilt  wurde, 
in  den  Gemeinden  der  deutsch-slavischen  Kronländer  Oesterreichs 
Sammlungen  für  den  Gustav- Adolf- Verein  zu  veranstalten;  2.  vom 
1.  September  1859,  durch  welche  der  Minister  für  Cultus  und  Unter- 
richt den  Auftrag  erhielt,  die  geeigneten  Einleitungen  zu  treffen, 
damit  auch  in  dem  Kirchenregimente  A.  und  H.  B.  jene  Verbesse- 
rungen   eingeführt   werden,    welche    anerkannten   Bedürfnissen    ent- 


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183 

sprechen,  und  zugleich  angeordnet  wurde,  dass  den  Vorsitz  in  den 
Consistorien  fortan  nur  ein  Evangelischer  führen  solle;  3.  vom 
11.  Mai  1860,  nach  welcher  den  Evangelischen  beider  Bekenntnisse 
bleibende  Unterstützungen  zu  ihren  kirchlichen  Zwecken  und 
Anstalten  aus  dem  Staatsschatze  bewilligt  wurden. 

Femer  wurden  die  inneren  staatsrechtlichen  Verhältnisse  der 
Monarchie  durch  das  A.  h.  Diplom  vom  20.  October  1860  ge- 
regelt unter  der  ,  ausdrücklichen  Berücksichtigung,  dass  die  Elemente 
gemeinsamer  organischer  Einrichtungen  und  einträchtigen  Zusammen- 
wirkens durch  die  Gleichheit  unserer  Unterthanen  vor  dem  Gesetze, 
die  Allen  verbürgte  freie  Religionsübung  etc.  etc.  sich  erweitert 
und  gekräftigt  haben.* 

Endlich  erschien  das  kaiserliche  Patent  vom  8.  April 
1861,  womit  die  Angelegenheiten  der  evangelischen  Kirche  A.  und 
H.  B.  geregelt  wurden.  Durch  dieses  glorreiche  Patent  soll  den 
evangelischen  Unterthanen  ,fur  immerwährende  Zeiten*  die  princi- 
pielle  Gleichheit  vor  dem  Gesetze  auch  hinsichtlich 
der  Beziehungen  ihrer  Kirche  zum  Staate  in  unzi^reifel- 
hafter  Weise  gewährleistet  und  der  Grundsatz  der  Gleichberech- 
tigung aller  anerkannten  Confessionen  nach  sämmtlichen  Rich- 
tungen des  bürgerlichen  und  politischen  Lebens  bei  «den  protestan- 
tischen Unterthanen  zur  thatsächlichen  vollen  Geltung  ge* 
bracht  werden. 

Dieses  denkwürdige  Patent  ist  der  Rechtsboden  der  evangelischen 
Kirche  Oesterreichs.  Es  ist  unsere  ,  Magna  charta*.  Es  verdient 
daher  seinem  ganzen  Wortlaute  nach  hier  abgedruckt  und  allen  un- 
seren Glaubensgenossen  in  Erinnerung  gebracht  zu  werden. 

Es  lautet  wie  folgt: 

Kaiserliches  Patent  vom  8.  April  1861, 

Nr.  41  des  Reichs-Gesetz-Blattes, 

womit  die  Angelegenheiten  der  evangelischen  Kirche  augsburgischen 
und  helvetischen  Bekenntnisses,  insbesondere  die  staatsrechtlichen 
Beziehungen  derselben  in  dem  Erzherzogthume  Oesterreich  ob  und 
unter  der  Enns,  dem  Herzogthume  Salzburg,  dem  Herzogthume 
Steiermark,  den  Herzogthümem  Kärnten  und  Krain,  der  gefiirsteten 
Grafschaft  Görz  und  Gradisca,  der  Markgrafschaft  Istrien  und  der 
Stadt  Triest  mit  ihrem  Gebiete,   in  der  gefiirsteten  Grafschaft  Tirol 


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184 

und  Vorarlberg,  dem  Kön^reiche  Böhmen,  der  Markgrafschaft 
Mähren,  dem  Herzogthume  Ober-  und  Nieder-Schlesien,  den  König- 
reichen Galizien  und  Lodomerien  mit  den  Herzogthümem  Auschwitz 
und  Zator,  dem  Grossherzogthume  Krakau  und  dem  Herzogthume 
Bukowina  geregelt  werden. 

Wir  Franz  Josef  der  Erste^  von  Qottes  Qnaden  Kaiser  von  Oester- 

reich,  König  von  Hongam  xmd  Böhmen  etc.  etc., 
finden  in  der  Absicht,  um  Unseren  evangelischen  Unterthanen  des 
augsburgischen  und  helvetischen  Bekenntnisses  in  den  nachbenannten 
Ländern,  als:  dem  Erzherzogthume  Oesterreich  ob  und  unter  der 
Enns,  dem  Herzogthume  Salzburg,  dem  Herzogthume  Steiermark, 
den  Herzogthümern  Kärnten  und  Krain,  der  gefursteten  Grafschaft 
Görz  und  Gradisca,  der  Markgrafschaft  Istrien  und  der  Stadt  Triest 
mit  ihrem  Gebiete,  in  der  gefursteten  Grafschaft  Tirol  und  Vorarlberg, 
dem  Königreiche  Böhmen,  der  Markgrafschaft  Mähren,  dem  Herzog- 
thume Ober-  und  Niederschlesien,  den  Königreichen  Galizien  und 
Lodomerien  mit  den  Herzogthümern  Auschwitz  und  Zator,  dem 
Grossherzogthume  Krakau  und  dem  Herzogthume  Bukowina,  die 
ihnen  bereits  vordem,  insbesondere  durch  Unsere  Entschliessung  vom 
26.  December.  1848,  Nr.  107  R.-G.-Bl.,  sowie  in  Unserem  Patente 
vom  31.  December  1851,  Nr.  3  R.-G.-Bl.  für  1852,  zuerkannte  und 
in  Unserem  Diplome  vom  20.  October  1860,  Nr.  225  R.-G.-Bl. 
neuerdings  zugesicherte  principielle  Gleichheit  vor  dem  Gesetze  auch 
hinsichtlich  der  Beziehungen  ihrer  Kirche  zum  Staate 
in  unzweifelhafter  Weise  zu  gewährleisten,  und  um  den 
Grundsatz  der  Gleichberechtigung  aller  anerkannten  Confessionen 
nach  sämmtlichen  Richtungen  des  bürgerlichen  und 
politischen  Lebens  bei  Unseren  protestantischen  Unterthanen 
in  den  vorher  benannten  Ländern  zur  thatsächlichen  vollen 
Geltung  zu  bringen,  nach  Anhörung  Unseres  Ministerrathes 
zu  verordnen,  wie  folgt: 

§  1.  Die  Evangelischen  des  augsburgischen  und  helvetischen 
Bekenntnisses  sind  berechtigt,  ihre  kirchlichen  Angelegenheiten  selbst- 
ständig zu  ordnen,  zu  verwalten  und  zu  leiten. 

§  2.  Die  volle  Freiheit  des  evangelischen  Glaubensbekenntnisses, 
sowie  das  Recht  der  gemeinsamen  öffentlichen  Religionsübung  ist 
ihnen  für  immerwährende  Zeiten  von  Uns  zugesichert. 


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185 

Es  werden  daher  alle  früher  bestandenen  Beschränkungen  in 
Absicht  auf  die  Errichtung  von  Kirchen  mit  oder  ohne  Thurm  und 
Glocken,  auf  die  Begehung  aller  religiösen  Feierlichkeiten,  welche 
ihrer  Glaubenslehre  entsprechen,  auf  die  Ausübung  der  Seelsorge, 
insoweit  diese  Beschränkungen  noch  in  Uebung  sein  sollten,  hiermit 
ausser  Kraft  und  Wirksamkeit  gesetzt  und  für  null  und  nichtig 
erklärt. 

Evangelische,  welche  keine  eigene  (Mutter-  oder  Tochter-)  Ge- 
meinde bilden,  gehören  zu  der  ihnen  am  nächsten  liegenden  Gemeinde 
ihres  Bekenntnisses. 

Ferner  ist  den  Evangelischen  der  Bezug  und  Gebrauch  evan- 
gelisch-religiöser und  theologischer  Bücher,  insbesondere  der  heiligen 
Schrift  oder  der  Bekenntnissschriften,  unverwehrt. 

§  3.  Die  Vertretung  und  Verwaltung  der  evangelischen  Kirche, 
sowohl  augsburgischen  als  helvetischen  Bekenntnisses  gliedert  sich 
nach  den  vier  Abstufungen: 

der  Pfarrgemeinde  (Ortsgemeinde); 

des  Seniorates  (Bezirksgemeinde); 

der  Superintendenz  (Landesgemeinde) 
und    der  Gesammtgemeinde   der   evangelischen   Christen   des   einen 
oder  des  anderen  Bekenntnisses. 

§  4.  Die  Organe  des  Kirchenregiments  sind: 

A)  für  die  Pfarrgemeinde,  deren  räumlicher  Umfang  den  Pfarr- 
sprengel bildet: 

1.  das  Presbyterium, 

2.  die  grössere  Gemeindevertretung; 

BJ  für  die  Bezirksgemeinde,  deren  räumlicher  Umfang  den  Seniorats- 
sprengel  bildet: 

1.  der  Senior, 

2.  die  Senioratsvertretung  (Bezirksversammlung); 

C)  für  die  Superintendenz,  deren  räumlichen .  Umfang  die  einem 
Superintendenten  zugewiesenen  Seniorats-  und  Pfarrsprengel 
bilden : 

1.  der  Superintendent, 

2.  die    Vertretung    der    Superintendenz    (Superinten* 
dentialversammlung,  Superintendentialconvent) ; 


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186 

D)  für  die  Gesammtheit  sämmtlicher  Superintendenzen : 

1.  der  k.  k.  evangelische  Oberkirchenrath  (die  Consi- 
storien  des  augsburgischen  und  des  helvetischen  Bekennt- 
nisses), 

2.  die  Generalsynode. 

§  5.  Jede  kirchliche  Gemeinde  (die  der  Pfarre,  des  Seniorats 
und  der  Superintendenz,  wie  die  Gesammtgemeinde)  ordnet  und  ver- 
waltet ihre  besonderen  Kirchen-,  Unterrichts-  und  Wohlthätigkeits- 
angelegenheiten  und  die  dazu  bestimmten  Anstalten,  Stiftungen  und 
Fonde  durch  ihre  gesetzmässigen  Vertreter,  insofeme  dadurch  nicht 
den  allgemeinen  Vorschriften  oder  den  gesetzmässigen  Anordnungen 
der  ihr  vorgesetzten  Behörden  entgegen  gehandelt  wird. 

§  6.  Die  Evangelischen  beider  Bekenntnisse  sind  berechtigt,  ihre 
Seelsorger,  Senioren  und  Superintendenten,  dann  ihreKirchencuratoren 
jeder  Kategorie  unter  Beobachtung  der  näher  festzustellenden  Moda- 
litäten frei  zu  wählen. 

§  7.  Der  zum  Superintendenten  Erwählte  bedarf  vor  der  Ein- 
führung in  sein  Amt  Unserer  landesftirstlichen  Bestätigung. 

§  8.  Die  bisher  bestandenen  evangelischen  Consistorien  beider 
Bekenntnisse  in  Wien,  deren  Vorsitz  gemäss  Unserer  EntSchliessung 
vom  1.  September  1859  nur  von  einem  Manne  zu  fuhren  ist,  welcher 
einem  dieser  Bekenntnisse  angehört,  haben  fortan  die  Bezeichnung 
,k.  k.  evangelischer  Oberkirchenrath*  zu  führen,  und  haben  ihren 
Amtssitz  auch  ftir  die  Zukunft  in  Wien. 

Der  Vorsitzende  und  die  Räthe  des  k.  k.  evangelischen  Ober- 
Idrchenrathes  werden  von  Uns  ernannt. 

§  9.  Die*  von  der  Generalsynode  beschlossenen  Kirchengesetze 
bedürfen  zu  ihrer  Gesetzeskraft  Unserer  landesftirstlichen  Bestätigung, 
welche  Unser  Ministerium  bei  Uns  einholen  wird. 

§  10.  Zum  Vollzuge  der  in  gesetzlicher  Weise  von  evangelischen 
Gemeinden  und  kirchlichen  Behörden  getroffenen  Verfügungen  und 
nach  ordnungsmässigem  Vorgange  gefällten  Erkenntnisse,  sowie  zur 
Einbringung  der  den  Dienern  und  Beamten  der  Kirche  und  Schule 
gebührenden  Einkünfte  und  solcher  Umlagen,  welche  zur  Erhaltung 
evangelischer  Cultus-,  Unterrichts-  und  Wohlthätigkeitsanstalten  mit 
Genehmigung  der  Landesstelle  auferlegt  werden,  kann  der  Schutz 
und  der  Beistand  der  weltlichen  Behörden  in  Anspruch  genommen 
werden.  Die  weltlichen  Behörden  haben  im  Falle  der  Verweigerung 


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187 

dieses  Beistandes  ihre  Gründe  dem  Requirenten  ohne  Verzug  schrift- 
lich zuzustellen,  wogegen  demselben  das  Recht  der  Beschwerde- 
führung bei  der  höheren  politischen  Behörde  im  Wege  der  vorge- 
setzten Kirchenbehörde  —  des  Seniorats,  der  Superintendenz  und 
des  Oberldrchenrathes  —  zusteht. 

§  11.  Es  steht  den  Evangelischen  beider  Bekenntnisse  frei,  auf 
gesetzlich  zulässige  Weise  an  jedem  Orte  nach  eigenem  Ermessen 
Schulen  zu  errichten,  an  dieselben  mit  Beachtung  der  gesetzlichen 
Vorschriften  Lehrer  und  Professoren  zu  berufen  und  den  Umfang 
und  die  Methode  des  Religionsunterrichtes  selbst  zu  bestimmen. 

Der  Unterricht  in  weltlichen  Gegenständen  ist  an  den  evan- 
gelischen Schulen  in  gleichem  Masse,  wie  es  bezüglich  der  katho- 
lischen Schulen  der  Fall  ist,  gemäss  der  allgemeinen  Unterrichts- 
gesetzgebung zu  ertheilen,  jedoch  mit  vollständiger  Wahrung  des 
confessionellen  Charakters. 

Für  den  Schul-  und  Kirchendienst  können  mit  Genehmigung 
Unseres  zuständigen  Ministeriums  Ausländer,  insbesondere  Ange- 
hörige der  deutschen  Bundesstaaten,  berufen  werden. 

§  12.  Die  nähere  Regelung  des  evangelischen  Volksschulwesens 
vom  kirchlichen  Standpunkte  bleibt  der  kirchlichen  Gesetz- 
gebung vorbehalten. 

§  13.  Die  evangelischen  Glaubensgenossen  können  nicht  ver- 
halten werden,  zu  Cultus-  und  Unterrichtszwecken  oder  Wohlthätig- 
keitsanstalten  einer  anderen  Kirche  Beiträge  zu  leisten. 

Stolgebühren  und  ähnliche  Leistungen  an  Geld,  Naturalien  und 
Arbeit  von  Seite  der  Evangelischen  an  katholische  Geistliche,  Messner 
und  Schullehrer  oder  für  Zwecke  des  katholischen  Cultus  sind  und 
bleiben  aufgehoben. 

Ausnahmen  von  dieser  Befreiung  treten  nur  ein,  wenn  Evan- 
gelischen die  Pflichten  des  dinglichen  Patronates  obliegen,  oder  wenn 
es  sich  um  Giebigkeiten  handelt,  welche  grundbücherlich  sicher- 
gestellt sind,  oder  kraft  einer  besonderen  Gemeindeverbindlichkeit 
auf  dem  Realbesitze  haften,  oder  endlich  wenn  die  Evangelischen 
freiwül^  die  Functionen  eines  nicht  evangelischen  Seelsorgers,  oder 
die  Dienste  eines  nicht  evangelischen  Messners  in  Anspruch  nehmen, 
oder  den  Unterricht  einer  nicht  evangelischen  Lehranstalt  geniessen, 
für  welche  Leistungen  eine  durch  Vorschrift  oder  Uebung  bestimmte 
Entlohnung  zu  entrichten  ist. 


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188 

§  14.  Für  die  Evangelischen  beider  Bekenntnisse  sind  bei  der 
Regelung  und  Handhabung  ihrer  kirchlichen  Angelegenheiten  ohne 
Ausnahme  lediglich  und  ausschliesslich  die  Grundsätze  ihrer  eigenen 
Kirche  massgebend. 

In  Ehesachen  haben  vorläufig  die  Bestimmungen  des  allgemeinen 
bürgerlichen  Gesetzbuches  über  Ehehindernisse  und  Eheverbote  in 
Wirksamkeit  zu  bleiben. 

Nach  Feststellung  des  materiellen  und  formellen  protestantischen 
Eherechts  und  nach  Kundmachung  der  Uebergangsbestimmungen, 
welche  Wir  zu  erlassen  Uns  vorbehalten,  soll  die  Gerichts- 
barkeit über  evangelische  Eheangelegenheiten  ausschliessend  von 
evangelisch-kirchlichen  Gerichtsbehörden  ausgeübt  werden. 

§  15.  Geistliche  unterstehen  in  Disciplinarangelegenheiten  den 
kirchlichen  Gerichtsbehörden. 

Ueber  weltliche  Rechtssachen  der  Geistlichen,  wie  Verträge, 
Schulden,  Erbschaften,  entscheidet  das  weltliche  Gericht. 

Wenn  Geistliche  wegen  Verbrechen,  Vergehen  oder  Ueber- 
tretungen  von  dem  weltlichen  Gerichte  in  Untersuchung  gezogen 
werden,  so  liegt  es  diesem  ob,  hievon  die  betreffende  Superintendenz 
ohne  Verzug  in  Keiintniss  zu  setzen. 

Ebenso  ist  von  dem  gefällten  Urtheile  und  den  Beweggründen 
desselben  der  Superintendenz  ungesäumt  Mittheilung  zu  machen. 
Bei  Verhaftuftg  und  Festhaltung  eines  Geistlichen  sind  jene  Rück- 
sichten zu  beobachten,  welche  die  seinem  Berufe  gebührende  Achtung 
erheischt. 

§  16.  Unser  landesfiirstHches  Oberaufsichts-  und  Verwahrungsrecht 
über  die  evangelische  Kirche  wird  —  die  Unserer  eigenen  Beschluss- 
nahme  vorbehaltenen  Fälle  ausgenommen  —  in  höchster  Instanz  durch 
Unser  Ministerium,  in  welchem  für  die  evangelischen  Unterrichts- 
und Cultusangelegenheiten  eine  eigene,  aus  evangelischen  Glaubens- 
genossen gebildete  Abtheilung  fortbestehen  wird,  nach  den  in  diesem 
Patente  festgestellten  Grundsätzen  ausgeübt  werden. 

Die  Leitung  der  evangelischen  Schulen  und  die  Ausübung  der 
obersten  staatlichen  Aufsicht  über  dieselben  kann  nur  Männern  an- 
vertraut werden,  die  dem  einen  oder  dem  anderen  evangelischen 
Glaubensbekenntnisse  zugethan  sind. 

§  17.  Die  Verschiedenheit  des  christlichen  Glaubensbekenntnisses 
kann  in  jenen  Ländern,  für  welche  dieses  Patent  erfassen  ist,  keinen 


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189 

Unterschied  in  dem  Genüsse  der  bürgerlichen  und  politischen  Rechte 
begründen. 

Es  haben  daher  alle  Beschränkungen  oder  Dispensertheilungen, 
welche  in  Absicht  der  Ausübung  dieser  Rechte  durch  die  Evange- 
lischen beider  Bekenntnisse,  sowie  ihres  Zutrittes  zu  öffentlichen 
Aemtern  in  der  Staatsverwaltung,  bei  den  Gerichtsstellen,  Gemeinde- 
behörden u.  s.  w.  bestanden  haben  oder  vorgeschrieben  waren,  inso- 
weit dieselben  noch  in  Uebung  sein  sollten,  hiemit  ausser  Kraft  und 
Wirksamkeit  zu  treten.  —  Die  Nothwendigkeit  einer  Dispensation  ent- 
fallt auch  bei  Erlangung  akademischer  Grade  und  Würden,  insoweit  in 
letzterer  Beziehung  nicht  stiftungsmässige  Bestimmungen  im  Wege 
stehen.  Als  Staatsbürger,  dann  als  Angehörige  einer  politischen 
Gemeinde  haben  sie  volle  Berechtigung  zum  Mitgenusse  des  Gemeinde- 
vermögens und  der  Vortheile  aller  derjenigen  nicht  stiftungsmässig 
confessionellen  Anstalten  der  Wohlthätigkeit,  der  bürgerlichen  und 
militärischen  Erziehung,  sowie  des  Volks-  und  wissenschaftlichen  Unter- 
richtes, welche  der  Staat  oder  das  Kronland,  welchem  sie  angehören, 
oder  die  bürgerliche  Gemeinde,  deren  Mitglieder  sie  sind,  ganz  oder 
theilweise  unterhält. 

§  18.  Die  evangelischen  Kirchengemeinden  (Pfarren,  Seniorate 
und  Superintendenzen)  sind  berechtigt,  Eigenthum  auf  jede  gesetz- 
liche Weise  zu  erwerben. 

§  19.  Der  Besitz  und  Genuss  der  für  ihre  Kirchen-,  Unterrichts- 
und Wohlthätigkeitszwecke  bestimmten  Anstalten,  Stiftungen  und 
Fonde  ist  ihnen  gewährleistet. 

Stiftungen  für  evangelische  Kirchen-,  Schul-  und  Wohlthätigkeits- 
anstalten   dürfen  nur  ihrer  Bestimmung   gemäss   verwendet  werden. 

Streitigkeiten  über  die  Bestimmung  und  Verwendung  von  Kirchen-, 
Schul-  und  Stiftungsvermögen  werden  von  den  kirchlichen  Gerichts- 
behörden entschieden. 

§  20.  Die  Evangelischen  beider  Bekenntnisse  werden  zur  Be- 
streitung ihrer  kirchlichen  Bedürfnisse,  abgesehen  von  demjenigen, 
was  bisher  schon  aus  Staatsmitteln  für  evangelische  Unterrichts-  und 
Cultuszwecke  geleistet  worden  ist,  jährliche  Beiträge  aus  dem 
Staatsschatze  erhalten,  wie  Wir  dies  bereits  mit  Unserer  Entschlies- 
sung  vom  11.  Mai  1860  ausgesprochen  haben. 

§  21.  An  evangelischen  Lehranstalten,  welche  aus  Staatsmitteln 
errichtet    wurden,    und    gemäss    Unserer   Absicht    künftig    errichtet 


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190 

werden  sollen,  können  nur  Angehörige  des  einen  oder  des  anderen 
evangelischen  Bekenntnisses  angestellt  werden. 

§  22.  Evangelischen  ist  es  gestattet,  Lehranstalten  des  evan- 
gelischen Auslandes  unter  Beobachtung  der  allgemeinen  gesetzlichen 
Vorschriften  frei  und  —  ungehindert  zu  besuchen. 

§  23.  Zur  Förderung  ihrer  kirchlichen  und  Unterrichtszwecke 
können  die  Evangelischen,  mit  Beachtung  der  gesetzlichen  Bestim- 
mungen, im  Inlande  Vereine  bilden,  und  mit  gleichartigen,  evan- 
gelischen Vereinen  des  Auslandes  in  Verbindung  treten. 

§  24.  Alle  in  diesem  Patente  nicht  ausdrücklich  hervorgehobenen, 
die  staatsrechtliche  Stellung  der  Evangelischen  des  augsburgischen 
und  helvetischen  Bekenntnisses  in  den  Eingangs  benannten  Ländern 
berührenden  Angelegenheiten  sind  nach  dem  Grundsatze  der,  allen 
gesetzlich  anerkannten  Kirchen-  und  Religionsgesellschaften  zuge- 
sicherten, Selbstständigkeit  in  Ordnung  und  Verwaltung  ihrer  con- 
fessionellen  Angelegenheiten  zu  beurtheilen  und  zu  behandeln,  und 
sind  alle  Verordnungen  und  Vorschriften,  welche  mit  diesem  Grund- 
satze und  mit  den  vorangelassenen  Bestimmungen  nicht  im  Einklänge 
stehen,  und  deren  Beschaffung  nicht  von  der  Art  ist,  dass  die  Mög- 
lichkeit ihrer  Beseitigung  erst  von  der  Festsetzung  neuer  sofort  im 
zuständigen  Wege  einzuleitender  Bestimmungen  abhängig  ist,  als 
ohne  weiteres  entfallen  und  aufgehoben  zu  betrachten. 

§  25.  Dagegen  darf  bei  der  Ausführung  dieser  Bestimmungen 
weder  Unseren  Majestätsrechten,  welche  wir  hiedurch  für  immer- 
währende Zeiten  ausdrücklich  gewahrt  wissen  wollen,  Eintrag  ge- 
schehen, noch  den  gesetzlich  anerkannten  Rechten  einer  anderen 
Kirche  oder  Confession  innerhalb  ihrer  eigenen  Sphäre  nahe  ge^ 
treten  werden. 

Gegeben  in  Unserer  Haupt-  und  Residenzstadt  Wien  am  achten 
April  im  Eintausend  Achthundert  ein  und  sechzigsten,  Unserer  Re- 
gierung im  dreizehnten  Jahre. 

Franz  Josef  m.  p. 

(L.  S.)  Erzherzog  Rainer  m.  p. 

Schmerling  m.  p.,  Degenfeld  m.  p. 

Auf  Allerhöchste  Anordnung: 
Freih.  v.  Ransonnet  m.  p. 


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19]i 

Lange  hatten  die  Protestanten  gewartet,  reichlich  wurden  sie 
entschädigt.  Die  Höhe  des  Lohnes  entsprach  der  Grösse  ihrer 
Geduld. 

Denn  aufgehoben  sind  nunmehr  ,für  immerwährende  Zeiten* 
alle  früher  bestandenen  Einschränkungen  in  Absicht  auf  die  Errich- 
tung von  Kirchen  mit  oder  ohne  Thurm  und  Glo<iken,  auf  die  Begehung 
aller  religiösen  Festlichkeiten,  welche  ihrer  Glaubenslehre  entsprechen, 
auf  die  Ausübung  der  Seelsorge ;  aufgehoben  die  Beitragsleistungen  zu 
Cultus-  und  Unterrichtszwecken  oder  Wohlthätigkeits-Anstalten  einer 
anderen  Kirche,  die  Zahlungen  von  Stolgebühren  und  ähnlichen  Lei- 
stungen an  Geld,  Naturalien  und  Arbeit  vonSeitp  der  Evangelischen  an 
katholische  Geistliche,  Messner  und  Schullehrer;  aufgehoben  alle  Be- 
schränkungen und  Dispensertheilungen,  welche  in  Absicht  der  Aus- 
übung der  bürgerlichen  und  politischen  Rechte  durch  die  Evangelischen 
beider  Bekenntnisse,  sowie  ihres  Zutrittes  zu  öffentlichen  Aemtern 
in  der  Staatsverwaltung,  bei  den  Gerichtsstellen,  Gemeindebehörden 
und  der  Erlangung  akademischer  Grade  und  Würden  u.  s.  w.  be- 
standen haben  oder  vorgeschrieben  waren.  Zugesichert  ist  der 
Schutz  und  Beistand  der  weltlichen  Behörden  zum  Vollzuge  der  in 
gesetzlicher  Weise  von  den  evangelischen  Gemeinden  und  kirchlichen 
Behörden  getroffenen  Verfugungen  und  nach  ordnungsmässigem  Vor- 
gange gefällten  Erkenntnisse,  sowie  zur  Einbringung  der  den  Dienern 
und  Beamten  der  Kirche  und  Schule  gebührenden  Einkünfte  und 
solcher  Umlagen,  welche  zur  Erhaltung  evangelischer  Cultus-,  Unter- 
richts- und  Wohlthätigkeits-Anstalten  mit  Genehmigung  der  Landes- 
stellen auferlegt  werden.  Als  massgebend  bei  der  Regelung  und 
Handhabung  der  kirchlichen  Angelegenheiten  ohne  Ausnahme  werden 
lediglich  und  ausschliessend  die  Grundsätze  der  evangelischen  Kirche 
anerkannt.  Die  aus  Staatsmitteln  für  evangelische  Unterrichts-  und 
Cultuszwecke  bereits  geleisteten  jährlichen  Beiträge  werden  auf's  Neue 
zugesagt. 

Frei  ist  —  wie  natürlich  unter  Wahrung  aller  Majestätsrechte 
—  die  selbstständige  Ordnung,  Verwaltung  und  Leitung  aller  kirch- 
lichen Angelegenheiten ;  frei  das  evangelische  Glaubensbekennt- 
niss,  das  Recht  der  gemeinsamen  öffentlichen  Religionsübung,  der 
Bezug  und  Gebrauch  evangelisch-religiöser  Bücher,  insbesondere  der 
heiligen  Schrift  oder  der  Bekenntniss-Schriften;  frei  die  Ausübung 
der  bürgerlichen  und  politischen  Rechte ;  frei  der  gesetzliche  Erwerb 

Jahrbuch  des  Protestantiimui  1888.  H.  IV.  |4 


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192 

des  Eigenthums  seitens  der  evangelischen  Kirchengemeinden;  frei 
der  Besitz  und  Genuss  der  für  ihre  Kirchen-,  Unterrichts-  und  Wohl- 
thätigkeitszwecke  bestimmten  Anstalten,  Stiftungen  und  Fonde;  frei 
der  Besuch  der  evangelischen  Lehranstalten  des  Auslandes;  frei, 
unter  Beachtung  der  gesetzlichen  Bestimmungen,  die  zur  Förderung 
der  kirchlichen  und  Unterrichtszwecke  nöthige  Vereinsbildung  im  In* 
lande  und  die  Verbindung  mit  gleichartigen  evangelischen  Vereinen 
des  Auslandes.  Sämmth'che  die  staatsrechtliche  Stellung  der  Evan- 
gelischen A.  und  H.  B.  berührenden  Angelegenheiten  sind  nach  dem 
Grundsatze  der  allen  gesetzlich  anerkannten  Kirchen-  und  Religionsgesell- 
schaften  zugesicherten  Selbstständigkeit  in  Ordnung  und  Verwaltung 
ihrer  confessionellen  Angelegenheit  zu  beurtheilen  und  zu  behandeln, 
und  alle  Verordnungen  und  Vorschriften,  welche  mit  diesem  Grund- 
satze nicht  im  Einklänge  stehen  und  deren  Beschaffenheit  nicht  von  der 
Art  ist,  dass  die  Möglichkeit  ihrer  Beseitigung  erst  von  der  Festsetzung 
einer  sofort  im  zuständigen  Wege  einzuleitenden  Bestimmung  abhängig 
ist,   sind  als  ohneweiters  entfallen   und  aufgehoben   zu  betrachten^). 

Somit  sind  der  evangelischen  Kirche  die  ^Grundlagen  der 
wahren  Freiheit*  gesichert. 

Dieser  Gnadenact  wird  gewiss  für  , immerwährende  Zeiten* 
einen  herrlichen  Markstein  in  der  Geschichte  des  österreichischen 
Protestantismus  bilden. 

,Der  k.  k.  evangelischen  Kirchenbehörde  —  schreibt  daher  der 
k.  k.  evangelische  Oberkirchenrath  in  seinem  Erlass  vom  24.  April 
1861  an  sämmtliche  evangelische  Kirchengemeinden  A.  und  H.  B.  — 
hat  es  stets  die  grösste  Freude  bereitet,  wenn  dieselbe  willkommenen 
Anlass  fand,  sich  an  die  evangelischen  Kirchengemeinden  unmittelbar 
zu  wenden.  Niemals  aber  ist  ihre  Freude  eine  so  gerechte,  von 
glaubensinnigem  Danke  gegen  die  göttliche  Vorsehung,  die  in  ihrer 
Gnade  so  Grosses  hat  geschehen  lassen,  erfüllte  gewesen,  als  in  dem 
gegenwärtigen  Augenblicke,  wo  diese  oberste  Kirchenbehörde  daran 
geht,  den  ihrer  Leitung  anvertrauten  Kirchengemeinden  die  frohe 
Botschaft  einer  weltgeschichtlichen  That  der  hohen  kaiserlichen 
Regierung  zu  bringen 

,Wir  stehen  damit*  —  erklärt  die  Kirchenbehörde  —  ,an  einem 
grossartigen    Zeitabschnitte,    auf   den  unsere  Väter  vergeblich   hin- 

1)  Dr.  C.  A.  Witz:  Zur  fiinfundzwanzigjährigen  Jubelfeier  der  Erlassung  des 
A.  h.  Protestanten-Patentes  vom  8.  April  1861.  J.  Heyn  in  Klagenfiirt,  1886. 


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gesehen,  und  für  den  wir  Alle  betend  und  arbeitend  ~  je  nach 
unserem  besonderen  Berufe  —  immer  aber  vertrauend  und  hoffend 
eingestanden ;  wir  stehen  -an  einem  bedeutungsvollen  Wendepunkte, 
von  dem  aus  es  sich  vor  aller  Welt  offenbaren  wird,  dass  die  evange- 
lische Kirche  Oesterreichs  für  diese  ihre  Stellung  nach  Aussen  und 
Innen  reif  und  dass  sie  ihrer  würdig  ist. 

,  Hochbeglückt  begrüssten  unsere  Vorfahren  nach  Zeiten  schwerer 
Verfolgung  und  harten  Druckes  die  Toleranz,  die  ein  edler 
Menschenfreund  auf  dem  Throne  gegeben,  und  freuten  sich  in  dem 
Herrn,  dass  es  ihnen  vergönnt  wurde,  nach  ihrer  Väter  Weise  Gott 
in  Chiisto  im  Geist  und  in  der  Wahrheit  zu  verehren  und  auf  dem 
Einigen  Grunde  unseres  allerheiligsten  Glaubens  in  Gemeinschaft  mit 
ihren  gleichgesinnten  Brüdern  und  Schwestern  immer  fester  und 
geeigneter  auferbaut  zu  werden.  Sie  freuten  sich  in  dem  Herrn  der 
gesetzlichen  Anerkennung  ihres  Glaubensbekenntnisses  auch  unter  der 
Form  der  Duldung  und  unter  grossen  und  vielfachen  Beschränkungen. 

,Uns,  ihren  Nachfolgern,  ist  ungleich  Grösseres  und  Herrlicheres 
zu  Theil  geworden  durch  Seine  k.  k.  Apostolische  Majestät,  unsern 
allergnädigsten  Kaiser  und  Herrn,  der  sich  am  8.  April  1861  als 
oberster  Schatz-  und  Schirmherr  der  evangelischen  Kirche  Oester- 
reichs seinen  allezeit  getreuen  evangelischen  Unterthanen  unauslösch- 
lich in  die  Herzen  geschrieben  hat* 

Der  k.  k.  evangelische  Oberkirchenrath  war  somit  wohl  be- 
rechtigt, den  Ausdruck  dieses  Dankes,  im  Namen  der  evangelischen 
Kirche,  unter  kräftiger  Betonung  der  hohen  Bedeutung  des  kaiser- 
lichen Patentes,  zu  wiederholten  Malen,  an  den  Stufen  des  Thrones 
niederzulegen. 

Die  Sr.  Majestät,  bei  feierlichen  Anlässen,  überreichten  Adressen 
verdolmetschen  die  Gefühle  aller  protestantischen  Glaubensgenossen. 

,In  der  That  —  lesen  wir  in  der  Adresse  vom  2.  December  1873 
—  es  war  schon  ein  Grosses,  der  Schritt  zur  Duldung.  Dennoch,  dass 
sie  eben  nur  geduldet  waren,  es  musste  im  Verlaufe  der  Zeit  die  Evan- 
gelischen schmerzlich  berühren,  umsomehr,  «je  treuer  sie  an  ihrem 
Oesterreich  hingen.  Diesen  Schmerz  —  betont  der  k.  k.  Oberkirchen- 
rath —  haben  Eure  Majestät  von  ihnen  genommen.  Unsere  bis  dahin 
nur  tolerirte  Kirche  ist  eine  gesetzlich  anerkannte  geworden  und  sie 
verehrt  in  Eurer  Majestät  ihren  erhabenen  Schutz-  und  Schirmherrn. 
Die  volle  Freiheit  des  evangelischen  Bekenntnisses   und  die  bürger- 

14* 


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liehe  und  politische  Gleichberechtigung  seiner  Bekenner,  sie  sind 
für  alle  Zeiten  gewährleistet  durch  das  Allerhöchste  Patent  vom 
8.  April  1861,  die  hochgehaltene  Magna  charta  des  Protestantismus 
in  diesem  Lande.  Nun  erst  konnte  unsere  evangelische  Kirche  nach 
Massgabe  ihrer  Grundsätze  in  einer  Verfassung  sich  ausgestalten,  sie 
konnte  es  —  mit  gerechtem  Hochgefühle  sprechen  wir  es  aus  —  in 
Folge  jenes  Patentes  selbst  früher  und  freier  thun,  als  manche  ihrer 
auswärtigen  Schwesterkirchen.* 

»Die  Jahrbücher  der  evangelischen  Kirche  beider  Bekenntnisse* 
—  bemerkt  die  Adresse  vom  23.  April  1879  —  , verzeichnen  für 
ewige  Zeiten  zur  dankbaren  Erinnerung  für  die  kommenden  Ge- 
schlechter die  grosseThat,  wodurch  Eure  Majestät,  ihr  erhabener 
Schutz-  und  Schirmherr,  dieser  Kirche  den  Rechtsboden  für  ihre 
Stellung  im  Staate  und  ihr  Verhältniss  zu  den  anderen  anerkannten 
Confessionen  geschaffen  haben  —  einen  Rechtsboden,  auf  dem  sie 
sich  aufbaut  zur  Ehre  Gottes,  zum  Segen  ihrer  Glaubensgenossen 
und  zum  Wohle  des  Staates,  dem  sie  gottesfurchtige  und  nützliche 
Bürger  zu  erziehen  gewissenhaft  bestrebt  ist.* 

,Der  belebende  und  beseelende  Sonnenstrahl  der  vollen  Freiheit 
ihres  Bekenntnisses  und  der  bürgerlichen  und  politischen  Gleichberech- 
tigung ihrer  Glaubensgenossen  ist  der  evangelischen  Kirche  in  Oester- 
reich  —  bekräftigt  die  Adresse  vom  14.  October  1881  —  erst  mit 
der  glorreichen  Regierung  Eurer  k.  und  k,  apostolischen  Majestät 
aufgegangen.* 

»Das  kaiserliche  Patent  vom  8.  April  1861  gewährleistet  den 
Evangelischen  des  Augsburger  und  Helvetischen  Bekenntnisses  die 
principielle  Gleichheit  vor  dem  Gesetze  auch  hinsichtlich  der  Bezie- 
hungen ihrer  Kirche  zum  Staate  in  unzweifelhafter  Weise  und  bringt 
den  Grundsatz  der  Gleichberechtigung  aller  anerkannten  Confes- 
sionen nach  sämmtlichen  Richtungen  des  bürgerlichen  und  politischen 
Lebens  auch  für  die  Glaubensgenossen  der  evangelischen  Kirche 
beider  Bekenntnisse  zur  thatsächlichen  vollen  Geltung.* 

, Unter  den  zahlreiGhen  Beweisen  kaiserlicher  Huld,  durch  welche 
sich  die  evangelischen  Glaubensgenossen  des  Augsburger  und  des  hel- 
vetischen Bekenntnisses  zu  immerwährender  tiefster  Dankbarkeit 
gegen  Eure  Majestät  verpflichtet  wissen  —  wiederholt  die  Adresse 
vom  8.  April  1886  —  ragt  leuchtend  hervor  die  Allergnädigste 
Erlassung  des  Allerhöchsten  Patentes  vom  8.  April  1861 * 


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195 

• 

,  Das»  Toleranzpatent  Eurer  Majestät  in  Gott  ruhenden  Ahnherrn 
Kaiser  Josefs  II.  war  die  Morgenröthe  einer  besseren  Zeit ;  mit  dem 
Patente  Eurer  Majestät  vom  8.  April  1861  ist  über  den  evangelischen 
Kirchen  Oesterreichs  das  gesegnete  Licht  des  Tages  aufgegangen; 
dieses  Patent  ist  ein  glänzender  Edelstein  in  der  Krone  Eurer  Ma- 
jestät; es  bleibt  die  hochgehaltene  Magna  charta  der  evange- 
lischen Kirche  in  Oesterreich;  mit  ihm  beginnt  eine  neue  Periode 
ihrer  Geschichte.  So  lange  evangelische  Christen  in  unserem  geliebten 
Vaterlande  gefaltete  Hände  zum  Himmel  erheben,  so  lange  wird 
ruhmvoll  gepriesen  werden  Eurer  Majestät  erhabener  Name.* 

Wahrlich,  die  Evangelischen  Oesterreichs  werden^  niemals  ver- 
gessen, was  .sie  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  Franz  Josef  I.  zu  verdanken 
haben.  Zumal  mit  jenem  ,  epochalen  Zeugnisse  der  Allerhöchsten 
Muld  und  Gnade  ^r«  Majestät*  die  Fülle  des  kaiserlichen  Wohl- 
wollens noch  lange  nicht  erschöpft  war. 

Gleich  nach  dem  kaiserlichen  Patente  vom  8.  April  1861  folgte 
bereits  ein  neuer  Beweis  der  väterlichen  Fürsorge  des  Kaisers.  Es 
wurde  nämlich  den  beiden  evangelischen  Kirchen  A.  und  H.  B.  auf 
Grund  einer  A.  h.  EntSchliessung  vom  8.  April  1861,  durch  Mini- 
sterial- Verordnung  vom  9.  April  1861,  eine  provisorische  Kirchen- 
verfassung verliehen  ^lediglich  zu  dem  Zwecke,  damit  der  evange- 
lischen Kirche  des  augsburgischen  und  helvetischen  Bekenntnisses 
der  Uebergang  von  der  bisherigen  Verfassung  zu  den  beantragten 
presbyterialen  Einrichtungen,  und,  in  weiterer  Folge,  die  Wahl  ihrer 
Abgeordneten  zur  ersten  Generalsynode  organisch  ermöglicht  und 
auf  dieser  Synode  die  Gelegenheit  gegeben  werde,  mit  freier  Be- 
nützung des  in  der  Verordnung  gebotenen  Materiales,  die  zur  defini- 
tiven Feststellung,  Vervollständigung  und  Einführung  der  Kirchen- 
verfassung geeignet  erachteten  Gesetzentwürfe  zu  formuliren  und 
Sr.  Majestät  zur  Allerhöchsten  Beschlussfassung  vorzulegen*. 

Ferner  erfolgte  mit  A.  h.  Entschliessung  vom  6.  Jänner  1866 
die  Genehmigung  der  von  der  evangelischen  Generalsynode  A.  und 
H.  B.  im  Jahre  1864  auf  presbyterianisch-synodaler  Grundlage  be- 
schlossenen —  in  einigen  Punkten  zwar  von  der  Regierung  abge- 
änderten —  Kirchenverfassung.  Dann  bestätigte  der  Kaiser  auf's 
Neue  in  dem  Staatsgrundgesetze  vom  21.  December  1867 
—  über  die  allgemeinen  Rechte  der  Staatsbürger  für  die  im  Reichsrathe 
vertretenen  Königreiche  und  Länder  —  die  Gleichheit  vor  dem  Gesetze, 


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die  ZugängHchkeit  zu  allen  Aemtern,  die  Freiheit  der  Person,  <las  Recht, 
sich  zu  versammeln  und  Vereine  zu  bilden,  die  volle  Glaubens-  und  Ge- 
wissensfreiheit ;  für  jede  gesetzlich  anerkannte  Kirchen-  und  Religions- 
gesellschaft das  Recht  der  gemeinsamen  öflFentlichen  Religionsübung,  die 
selbstständige  Ordnung  und  Verwaltung  ihrer  inneren  Angelegenheiten; 
die  häusliche  Religionsübung  für  die  Anhänger  eines  gesetzlich  nicht 
anerkannten  Religionsbekenntnisses,  die  Freiheit  der  Wissenschaft 
und  Lehre  etc.  etc.  Endlich  wurden  die  Gesetze  vom  Jahre  1868 
genehmigt,  durch  welche,  nach  dem  Berichte  des  k.  k.  evangelischen 
Oberkirchenrathes  A.  und  H.  B.  an  die  zweite  Generalsynode  A.  und 
H.  B.  vom  J|ihre  1871,  »die  interconfessionelle  Frage  ihrer  »Lösung 
näher  geführt  wurde  und  der  weitaus  grösseren  Zahl  der  An- 
liegen der  evangelischen  Kirche  beider  Bekenntnisse  im  Bereich  des 
Oberkirchenrathes  in  einer  der  wichtigsten  Lebensfrage  dieser  Kirche 
Abhilfe  zu  Theil  geworden*. 

Durch  diese  Gesetze  wurden  1.  die  Vorschriften  des  zweiten 
Hauptstückes  des  allgemeinen  bürgerlichen  Gesetzbuches  über  das 
Eherecht  für  die  Katholiken  wieder  hergestellt,  die  Gerichtsbarkeit 
in  Ehesachen  der  Katholiken  den  weltlichen  Gerichtsbehörden  über- 
wiesen und  Bestimmungen  über  die  bedingte  Zulässigkeit  der  Ehe- 
schliessung vor  weltlichen  Behörden  (25.  Mai  1868,  R.-G.-Bl.  Nr.  47) 
sowie  2.  grundsätzliche  Bestimmungen  über  das  Verhältniss  der 
Schule  zur  Kirche  erlassen  (25.  Mai  1868,  R.-G.-Bl.  Nr.  48),  3.  die 
interconfessionellen  Verhältnisse  der.Staatsbürger  in  den  darin  ange- 
gebenen Beziehungen  (25.  Mai  1868,  R.-G.-Bl.  Nr.  49),  4.  die  Ver- 
söhnungsversuche vor  gerichtlichen  Ehescheidungen  (31!  Mai  1868, 
R.-G.-B1.  Nr.  3  ex  1869)  und  endlich  5.  die  Eheschliessung  zwischen 
Angehörigen  verschiedener  christlicher  Confessionen  geregelt  (31.  De- 
cember  1868,  R.-G.-Bl.  Nr.  4  ex  1869). 

,Was  zunächst  die  confession eilen  Verhältnisse  der  Staatsbürger 
anbelangt,  so  haben  dieselben  in  den  darin  angegebenen  Beziehungen 
eine  für  die  Minderheit  der  Evangelischen  gikistige  Regelung  gefunden. 

Das  Gesetz  verordnet  nämlich: 
/.  In  Beziehung  auf  das  Religionsbekenntniss  der  Kinder, 

Artikel  1. 
Eheliche    oder    den    ehelichen    gleichgehaltene    Kinder    folgen, 
soferne  beide  Eltern  demselben  Bekenntnisse  angehören,  der  Religion 
ihrer  Eltern. 


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Bei  gemischten  Ehen  folgen  die  Söhne  der  Religion  des  Vaters, 
die  Töchter  der  Religion  der  Mutter.  Doch  können  die  Ehegatten 
vor  oder  nach  Abschluss  der  Ehe  durch  Vertrag  festsetzen,  dass 
das  umgekehrte  Verhältniss  stattfinden  solle,  oder  dass  alle  Kinder 
der  Religion  des  Vaters  oder  alle  der  Mutter  folgen  sollen. 

Uneheliche  Kinder  folgen  der  Religiojn  der  Mutter. 

Im  Falle  keine  der  obigen  Bestimmungen  platzgreift,  hat  Der- 
jenige, welchem  das  Recht  der  Erziehung  bezüglich  eines  Kindes 
zusteht,  das  Religionsbekenntniss  für  solches  zu  bestimmen. 

Reverse  an  Vorsteher  oder  Diener  einer  Kirche  oder  Religions- 
Genossenschaft,  oder  an  andere  Personen  über  das  Religionsbekennt- 
niss, in  welchem  Kinder  erzogen  und  unterrichtet  werden  sollen, 
sind  wirkungslos. 

Artikel  2. 

Das  nach  dem  vorhergehenden  Artikel  für  ein  Kind  bestimmte 
Religionsbekenntniss  darf  in  der  Regel  so  lange  nicht  verändert 
werden,  bis  dasselbe  aus  eigener  freier  Wahl  eine  solche 'Verände- 
rung vornimmt.  Es  können  jedoch  Eltern,*  welche  nach  «Artikel  1 
das  Religionsbekenntniss  der  Kinder  vertragsmässig  zu  bestimmen 
berechtigt  sind,  dasselbe  bezüglich  jener  Kinder  ändern,  welche  noch 
nicht  das  siebente  Lebensjahr  zurückgelegt  haben. 

Im  Falle  eines  Religionswechsels  eines  oder  beider  Elterntheile, 
beziehungsweise  der  unehelichen  Mutter,  sind  jedoch  die  vorhandenen 
Kinder,  welche  das  siebente  Lebensjahr  noch  nicht  vollendet  haben, 
in  Betreff  des  Religionsbekenntnisses  ohne  Rücksicht  auf  einen  vor 
dem  Religionswechsel  abgeschlossenen  Vertrag  so  zu  behandeln,  als 
'Wären  sie  erst  nach  dem  Religionswechsel  der  Eltern,  beziehungs- 
weise der  unehelichen  Mutter,  geboren  worden. 

Wird  ein  Kind  vor  zurückgelegtem  siebenten  Jahre  legitimirt, 
so  ist  es  in  Betreff  des  Religionsbekenntnisses  nach  Artikel  1  zu 
behandeln. 

Artikel  3. 

Die  Eltern  und  Vormünder,  sowie  die  Religionsdiener  sind  für 
die  genaue  Befolgung  der  vorstehenden  Vorschriften  verantwortlich 

Für  den  Fall  der  Verletzung  derselben  steht  den  nächsten  Ver- 
wandten ebenso  wie  den  Oberen  der  Kirchen  und  Religions-Ge 
nossenschaften  das  Recht  zu,  die  Hilfe  der  Behörden  anzurufen 
welche  die  Sache  zu  untersuchen  und  das  Gesetzliche  zu  verfugen  haben 


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198 

//.    In  Beziehung  auf  den  Uebertritt  von  einer  Kirche  oder  Religions- 
Genossenschaft  zur  anderen, 

Artikel  4. 

Nach  vollendetem  14.  Lebensjahre  hat  Jedermann  ohne  Unter- 
schied des  Geschlechtes  die  freie  Wahl  des  Religionsbekenntnisses 
nach  seiner  eigenen  Ueberzeugung  und  ist  in  dieser  freien  Wahl 
nöthigenfalls  von  der  Behörde  zu  schützen. 

Derselbe  darC  sich  jedoch  zur  Zeit  der  Wahl  nicht  in  einem 
Geistes- oder  Gemüthszustande  befinden,  welcher  die  eigene 
freie  Ueberzeugung  ausschliesst. 

Artikel  5. 
Durch  die  Religionsveränderung  gehen  alle  genossenschaftlichen 
Rechte  der  verlassenen  Kirche  oder  Religions-Genossenschaft  an  den 
Ausgetretenen,   ebenso  wie  die  Ansprüche   dieses  an  jene  verloren. 

Artikel  6. 

Damit  jedoch  der  Austritt  aus  einer  Kirche  oder  Religions- 
Genossenschaft  seine  gesetzliche  Wirkung  habe,  muss  der  Aus- 
tretende denselben  der  politischen  Behörde  melden,  welche  dem 
Vorsteher  oder  Seelsorger  der  verlassenen  Kirche  oder  Religions- 
Genossenschaft  die  Anzeige  übermittelt. 

Den  Eintritt  in  die  neu  gewählte  Kirche  oder  Religions-Ge- 
nossenschaft muss  der  Eintretende  dem  betreffenden  Vorsteher 
oder  Seelsorger  persönlich  erklären. 

Artikel  7. 

Die  Bestimmung  des  §  768  lit.  a)  allg.  bürgerl.  Gesetzbuches, 
vermöge  welcher  der  Abfall  vom  Christenthume  als  Grund  der  Ent- 
erbung erklärt  wird,  dann  die  Verfügungen  des  §  122  lit.  c)  und  d, 
Strafgesetzes,  womit  Derjenige,  welcher  einen  Christen  zum  Abfalle 
vom  Christenthume  zu  verleiten  oder  eine  der  christlichen  Religion 
widerstrebende  Irrlehre  auszustreuen  sucht,  eines  Verbrechens  schuldig 
erklärt  wird,  sind  aufgehoben. 

Es  ist  jedoch  jeder  Religionspartei  untersagt,  die  Genossen  einer 
anderen  durch  Zwang  oder  List  zum  Uebergang  zu  be- 
stimmen. Die  näheren  Bestimmungen  des  gesetzlichen  Schutzes 
hingegen,  soweit  er  nicht  durch  die  Strafgesetze  gegeben  ist,  bleiben 
einem  besonderen  Gesetze  vorbehalten. 


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IlL  In  Beziehung  auf  Functionen  des  Gottesdienstes  und  der  Seelsorge. 

Artikel  8. 

Die  Vorsteher,  Diener  oder  Angehörigen  einer  Kirche  oder 
Religions-Genossenschaft  haben  sich  der  von  den  berechtigten 
Personen  nicht  angesuchten  Vornahme  von  Functionen 
des  Gottesdienstes  und  der  Seelsorge  an  den  Angehörigen  einer  an- 
deren Kirche  oder  Religions-Genossenschaft  zu  enthalten. 

Eine  Ausnahme  kann  nur  für  jene  einzelnen  Fälle  eintreten,  in 
welchen  durch  die  betreffenden  Seelsorger  oder  Diener  der  anderen 
Kirche  oder  Religions-Genossenschaft  um  die  Vornahme  eines  dieser 
zustehenden  Actes  das  Ansuchen  gestellt  wird,  oder  die  Satzungen 
und  Vorschriften  dieser  letzteren  die  Vornahme  des  Actes  gestatten. 

Ausser  diesen  Fällen  ist  der  bezügliche  Act  als  rechtlich  un- 
wirksam anzusehen,  und  es  haben  die  Behörden  auf  Ansuchen  der 
beeinträchtigten  Privatperson  oder  Religions-Genossenschaft  die  ge- 
eignete Abhilfe  zu  gewähren. 

IV.  In  Beziehung  auf  Beiträge  imd  Leistungen, 

Artikel  9. 

Angehörige  einer  Kirche  oder  Religions-Genossenschaft  können 
zu  Beiträgen  an  Geld  und  Naturalien  oder  zu  Leistungen  an  Arbeit 
für  Cultus-  und  Wohlthätigkeitszwecke  einer  anderen  nur  dann  ver- 
halten werden,  wenn  ihnen  die  Pflichten  des  dinglichen  Patronates 
obliegen,  oder  wenn  die  Verpflichtung  zu  solchen  Leistungen  auf 
privatrechtlichen,  durch  Urkunden  nachweisbaren  Gründen  beruht, 
oder  wenn  sie  grundbücherlich  sichergestellt  ist. 

Kein  Seelsorger  kann  von  Angehörigen  einer  ihm  fremden  Con- 
fession  Taxen,  Stolgebühren  u.  dgl.  fordern,  ausser  für  auf  deren 
Verlangen  wirklich  gerichtete  Functionen,  und  zwar  nur  nach  dem 
gesetzlichen  Ausmasse. 

Artikel  10. 
Die  Bestimmungen  des  vorhergehenden  Artikels  9  finden  auch 
auf  Beiträge  und  Leistungen  für  Unterrichtszwecke  volle  Anwendung, 
ausser  wenn  die  Angehörigen  einer  Kirche  oder  Religions-Genossen- 
schaft mit  Angehörigen  einer  anderen  vermöge  der  gesetzlichen  Ein- 
schulung Eine  Schulgemeinde  bilden,  in  welchem  Falle  die  Ein- 
geschulten ohne  Unterschied  der  Confession  die  zur  Errichtung  und 


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200 

Erhaltung  der  gemeinschaftlichen  Schule  und  zur  Besoldung  der  an 
derselben  angestellten  Lehrer  erforderlichen  Kosten,  jedoch  mit 
Ausschluss  der  Kosten  für  den  Religionsunterricht  der  einer  anderen 
Confession  Angehörigen,  zu  tragefi  haben. 

Eine  zwangsweise  Einschulung  in  die  Schule  einer  anderen  Con- 
fession findet  nicht  statt. 

Artikel  11. 

Alle  in  den  Bestimmungen  der  vorstehenden  Artikel  9  und  10 
nicht  begründeten  Ansprüche  der  Geistlichen,  Messner,  Organisten 
und  Schullehrer,  dann  der  Cultus-,  Unterrichts-  und  Wohlthätigkeits- 
Anstalten  einer  Kirche  oder  Religions-Genossenschaft  auf  Beitrage 
und  Leistungen  von  Seite  der  Angehörigen  einer  anderen  sind  als 
erloschen  zu  betrachten. 

V.   In  Beziehung  auf  Begräbnisse. 
Artikel  12. 
Keine  Religionsgemeinde  kann  der  Leiche  eines  ihr  nicht  Ange- 
hörigen die  anständige  ßeerdigung  auf  ihrem  Friedhofe  verweigern: 

1.  wenn  es  sich  um  die  Bestattung  in  einem  Familiengrabe 
handelt,  oder  wenn 

2.  da,  wo  der  Todesfall  eintrat  oder  die  Leiche  gefunden  ward. 
im  Umkreis  der  Ortsgemeinde  ein  für  Genossen  der 
Kirche  oder  Religions-Genossenschaft  des  Verstorbenen 
bestimmter  Friedhofsich  nicht  befindet. 

VL   In  Ansehung  der  Feier-  und  Festtage. 

Artikel  13. 

Niemand  kann  genöthigt  werden,  sich  an  den  Feier-  und  Fest- 
tagen einer  ihm  fremden  Kirche  oder  Religions-Gesellschaft  der  Arbeit 
zu  enthalten. 

An  Sonntagen  ist  jedoch  während  des  Gottesdienstes  jede  nicht 
dringend  nothwendige  öffentliche  Arbeit  einzustellen. 

Femer  muss  an  den  Festtagen  was  immer  für  einer  Kirche 
oder  Religions-Genossenschaft  während  des  Hauptgottesdienstes  in 
der  Nähe  des  Gotteshauses  Alles  unterlassen  werden,  was  eine 
Störung  oder  Beeinträchtigung   der  Feier  zur  Folge   haben  könnte. 

Dasselbe  ist  bei  den  herkömmlichen  feierlichen  Processionen  auf 
den  Plätzen  und  in  den  Strassen  zu  beobachten,  durch  welche  sich 
der  Zug  bewegt. 


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201 

Artikel  14. 
Keine    Religionsgemeinde    kann    genöthigt    werden,    sich    des 
Glockengeläutes  an  Tagen  zu  enthalten,   an   welchen  dasselbe  nach 
den  Satzungen   einer   anderen  Kirche  oder  Religions-Gesellschaft  zu 
unterbleiben  hgit. 

Artikel  15. 
In  Schulen,  welche  von  Angehörigen  *  verschiedener  Kirchen 
oder  Rcligions-Gesellschaften  besucht  werden,  soll,  soweit  es  aus- 
führbar ist  dem  Unterricht  eine  solche  Eintheilung  gegeben  werden, 
bei  welcher  auch  der  Minderheit  die  Erfüllung  ihrer  religiösen  Pflichten 
ermöglicht  wird.' 

VIL  Schlussbestintmungen. 

Artikel  16. 

Alle  diesen  Vorschriften  widerstreitenden  Bestimmungen  der  bis- 
herigen Gesetze  und  Verordnungen,  auf  welcher  Grundlage  sie  be- 
ruhen und  in  welcher  Form  sie  erlassen  sein  mögen,  ebenso  wie 
allfällige  entgegenstehende  Gepflogenheiten  sind,  auch  insoferne  sie 
hier  nicht  ausdrücklich  aufgehoben  wurden,  fernerhin  nicht  mehr  zur 
Anwendung  zu  bringen. 

Dies  gilt  insbesondere  auch  von  den  Vorschriften  über  die  reli- 
giöse Erziehung  der  in  öffentliche  Pflege  genommenen  Kinder. 

Artikel  17. 
Das    gegenwärtige    Gesetz    tritt    mit    dem   Tage  seiner   Kund- 
machung in  Wirksamkeit. 

Artikel  18. 
Mit  dem  Vollzüge  des  gegenwärtigen  Gesetzes  sind  der  Minister 
des  Cultus  und  Unterrichtes,  sowie  die  übrigen  Minister,  in  deren 
Wirkungskreis  die  Vorschriften  desselben  zur  Anwendung  kommen, 
beauftragt,  und  haben  sie  die  zu  solchem  Vollzuge  erforderlichen 
Verordnungen  zu  erlassen. 


Es  ist  gewiss  unnöthig,  die  günstigen  Bestimmungen  dieses  Ge- 
setzes besonders  zu  beleuchten.  Dennoch  glauben  wir  auf  die  Artikel 
1,  2,  4,  7,  8  und  12  aufmerksam  machen  zu  sollen. 


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202 

Bei  gemischten  Ehen  steht  es  also  den  Eltern  frei,  das  Religions- 
bekenntniss  der  Kinder  durch  Vertrag  festzusetzen :  es  ist  nicht  noth- 
wendig,  dass  die  Söhne  der  Religion  des  Vaters,  die  Töchter  der 
Religion  der  Mutter  folgen.  Auch  sind  die  Reverse,  durch  welche 
ein  gemischtes  Ehepaar,  vor  der  Verehelichung,  sich  verpflichtet,  die 
Kinder  z.  B.  in  der  katholischen  Kirche  erziehen  und  unterrichten 
zu  lassen,  wirkungslos.  ^  Wer  als  Evangelischer  solche  Reverse  aus- 
stellt, versündigt  sich  nicht  blos  an  seiner  Kirche,  sondern  auch  an 
dem  Gesetze.  Wo  jedoch  eine  solche  Schwachheit  bereut  wird,  ist 
die  Möglichkeit  geboten,  das  Religionsbekenntniss  bezüglich  jener 
Kinder  zu  ändern,  welche  das  siebente  Lebensjahr  noch  nicht  zurück- 
gelegt haben.  Nach  vollendetem  14.  Lebensjahre  ist  der  Uebertritt 
frei  und  nöthigenfalls  die  freie  Wahl  von  der  Behörde  zu  schützen, 
sofern  der  Geistes-  oder  Gemüthszustand  die  eigene  Ueberzeugung 
nicht  ausschliesst.  Dieser  Nachsatz  ist  von  grosser  Bedeutung.  Er 
verbietet  die  Propaganda  namentlich  bei  Kranken  und  sichert  die 
Gewissensruhe  der  Armen,  welche  der  Pflege  Andersgläubiger  be- 
dürfen. Die  Propaganda  durch  Zwang  oder  List  wird  ausdrücklich 
verboten,  und  die  Vorsteher,  Diener  oder  Angehörigen  einer  Kirche 
oder  Religionsgenossenschaft  haben  sich  der  von  den  berechtigten 
Personen  nicht  angesuchten  Vornahme  von  Functionen  des  Gottes- 
dienstes und  der  Seelsorge  an  den  Angehörigen  einer  anderen  Kirche 
oder  Religionsgenossenschaft  zu  enthalten.  Endlich  wird  der  Orts- 
friedhof für  gemeinsam,  für  interconfessionell  erklärt,  sobald  es  sich 
um  die  Bestattung  in  einem  Familiengrabe  handelt  oder  im  Umkreise 
der  Ortsgemeinde  ein  für  Genossen  der  Kirche  oder  Religionsgenossen- 
schaft des  Verstorbenen  bestimmter  Friedhof  sich  nicht  befindet. 

Alle  diese  Bestimmungen  machten  gar  manchen  Plackereien  für 
immer  ein  Ende  und  sichern  der  gefährdeten  Minorität  das  Recht 
zu,  die  Hülfe  der  Behörde  gegen  etwaige  Uebergrifte  anzurufen. 

Bezüglich  des  Verhältnisses  der  Schule  zur  Kirche  wurden 
folgende  grundsätzliche  Bestimmungen  erlassen: 

§  1. 

Die  oberste  Leitung  und  Aufsicht  über  das  gesammte  Unter- 
richts- und  Erziehungswesen  steht  dem  Staate  zu  und  wird  durch 
die  hiezu  gesetzlich  berufenen  Organe  ausgeübt. 


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203 

§2. 

Unbeschadet  dieses  Aufsichtsrechtes  bleibt  die  Besorgung,  Leitung 
und  unmittelbare  Beaufsichtigung  des  Religionsunterrichtes  und  der 
Relig^onsübungen  für  die  verschiedenen  Glaubensgenossen  in  den 
Volks-  und  Mittelschulen  der  betreffenden  Kirche  oder  Religions- 
Gesellschaft  überlassen. 

Der  Unterricht  in  den  übrigen  Lehrgegenständen  in  diesen 
Schulen  ist  unabhängig  von  dem  Einflüsse  jeder  Kirche  oder  Reli- 
gions-Geselischaft . 

§3. 

Die  vom  Staate,  von  einem  Lande  oder  von  Gemeinden  ganz 
oder  theilweise  gegründeten  oder  erhaltenen  Schulen  und  Erziehungs- 
anstalten sind  allen  Staatsbürgern  ohne  Unterschied  des  Glaubens- 
bekenntnisses zugänglich. 

§4. 

Es  steht  jeder  Kirche  oder  Religions-Gesellschaft  frei,  aus  ihren 
Mitteln  Schulen  für  den  Unterricht  der  Jugend  von  bestimmten 
Glaubensbekenntnissen  zu  errichten  und  zu  erhalten. 

Dieselben  sind  jedoch  den  Gesetzen  für  das  Unterrichtswesen 
unterworfen  und  können  die  Zuerkennung  der  Rechte  einer  öffent- 
lichen Lehranstalt  nur  dann  in  Anspruch  nehmen,  wenn  allen  gesetz- 
hchen  Bedingungen  für  die  Erwerbung  dieser  Rechte  entsprochen  wird. 

§5. 
Die  Benützung  von  Schulen  und  Erziehungsanstalten  für  bestimmte 
Glaubensgenossen  ist  Mitgliedern  einer  anderen  Religions-Gesellschaft 
durch  das  Gesetz  nicht  untersagt. 

§6. 

Die  Lehrämter  an  den  im  §  3  bezeichneten  Schulen  und  Er- 
ziehungsanstalten sind  für  alle  Staatsbürger  gleichmässig  zugänglich, 
welche  ihre  Befähigung  hiezu  in  gesetzlicher  Weise  nachgewiesen 
haben. 

Als  Religionslehrer  dürfen  nur  Diejenigen  angestellt  werden, 
welche  die  betreffende  confessionelle  Oberbehörde  als  hiezu  befähigt 
erklärt  hat. 

Bei  anderen  Schulen  und  Erziehungsanstalten  (§  4)  ist  diesfalls 
das  Errichtungsstatut  massgebend. 


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20^ 

Die  Wahl  der  Erzieher  und  Lehrer  für  den  Privatunterricht  ist 
durch  keine  Rücksicht  auf  das  Religionsbekenntniss  beschränkt. 

§  7. 

Die  Lehrbücher  für  den  Gebrauch  in  den  Volks«  und  Mittel- 
schulen, sowie  in  den  Lehrerbildungs-Anstalten  bedürfen  nur  der 
Genehmigung  der  durch  dieses  Gesetz  zur  Leitung  und  Beaufsichti- 
gung des  Unterrichtswesens  berufenen  Organe. 

Religionslehrbücher  können  jedoch  erst  dann  diese  Genehnügung 
erhalten,  wenn  sie  von  der  bezüglichen  confessionellen  Oberbehörde 
für  zulässig  erklärt  worden  sind. 

§8. 
Das  Einkommen  der  Normalschulfonde,    des  Studienfondes  und 
sonstiger  Stiftungen  für  Unterrichtszwecke  ist  ohne  Rücksicht  auf  das 
Glaubensbekenntniss   zu   verwenden,    insoweit  es   nicht   nachweisbar 
für  gewisse  Glaubensgenossen  gewidmet  ist. 

§9- 
Der   Staat   übt  die  oberste  Leitung  und  Aufsicht  über  das  ge- 
sammte  Unterrichts-   und  Erziehungsweseh    durch   das   Unterrichts- 
Ministerium  aus. 

§  10. 
Zur  Leitung  und  Aufsicht  über  das  Erziehungswesen,  dann  über 
die   Volksschulen    und    Lehrerbildungs-Anstalten    werden    in   jedem 
Königreiche  und  Lande 

a)  ein  Landesschulrath  als  oberste  Landesschulbehörde, 
bj  ein  Bezirksschulrath  für  jeden  Schulbezirk, 
cj  ein  Ortsschulrath  für  jede  Schulgemeinde  bestellt. 
Die  Eintheilung   des  Landes  in  Schulbezirke   erfolgt   durch  die 
Landesgesetzgebung. 

§11. 

Der  bisherige  Wirkungskreis  der  geistlichen  und  weltfa'chen  Schul- 
bchörden,  und  zwar: 

a)  der  Landesstelle,  der  kirchlichen  Oberbehörden  und  Schul-Ober- 
aufseher, 

b)  der  politischen  Bezirksbehörde  und  der  Schuläistricts-Aufs^Kr, 
cJ  der  Ortsseelsorger  und  Ortsschul- Aufseher  hat,  unbeschadet  der 

Bestimmung  des  §  2,   an  die  im  §   10   bezeichneten  Organe 
überzugehen. 


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206 

§  12. 

In  den  Landesschulrath  sind  unter  dem  Vorsitze  des  Statthalters 
(Landeschefe)  oder  seines  Stellvertreters  Mitglieder  der  politischen 
Landesstelle,  Abgeordnete  des  Landes-Ausschusses,  Geistliche  aus 
den  im  Lande  bestehenden  Confessionen  und  Fachmänner  im  Lehr- 
wesen zu  berufen. 

Die  Zusammensetzung  der  im  §  10  lit.  b)  und  c)  bezeichneten 
Bezirks-  und  Ortsschulräthe  wird  durch  die  Landesgesetzgebung  fest- 
gestellt. 

§  13. 

Durch  die  Landesgesetzgebung  sind  die  näheren  Bestimmungen 
in  Betreff  der  Zusammensetzimg  und  Einrichtung  des  Landes-,  Be- 
zirks- und  Ortsschulrathes,  dann  die  gegenseitige  Abgrenzung  des 
Wirkungskreises  derselben,  ferner  die  näheren  Bestimmungen  rück- 
sichtlich des  Ueberganges  des  Wirkungskreises  der  bisherigen  geist- 
lichen und  weltlichen  Schulbehörden  an  den  Landes-,  Bezirks-  und 
Ortsschulrath  festzustellen. 

Ebenso  ist  durch  das  Landesgesetz  zu  bestimmen,  ob  und  wie- 
feme  ausnahmsweise  auch  Abgeordnete  von  bedeutenden  Gemeinden 
in  den  Landesschulrath  einzutreten  haben. 

§  14. 
Die  §§  1,  2,  3,  4,  5,  6,  8  und  9  treten  mit  dem  Tage  der 
Kundmachung  dieses  Gesetzes  in  Wirksamkeit  und  werden  alle  mit 
diesen  Paragraphen  im  Widerspruche  stehenden,  bisher  giltigen  Ge- 
setze und  Anordnungen  ausser  Kraft  gesetzt.  Das  mit  Allerhöchster 
EntSchliessung  vom  25.  Juni  1867  genehmigte  Regulativ,  betreffend 
die  Einsetzung  eines  Landesschulrathes  fiir  die  Königreiche  Galizien, 
Lodomerien  und  das  Grossherzogthum  Krakau,  bleibt  unberührt. 


Durch  dieses  Gesetz  wurde  die  Unabhängigkeit  der  Schule  von 
der  Kirche  definirt.  Seine  Bestimmungen,  wornach  die  oberste 
Leitung  und  Aufsicht  über  das  gesammte  Unterrichts-  und  Erziehungs- 
wesen dem  Staate,  die  Besorgung,  Leitung  und  unmittelbare  Beauf- 
sichtigung des  Religionsunterrichtes  und  der  Religionsübungen  der 
betreffenden  Kirche  zusteht;  jede  Kirche  oder  Religionsgesellschaft 
aus  ihren  Mitteln  confessionelie  Schulen  errichten  und  erhalten  darf, 


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206 

deren  Benützung  jedoch  den  Mitgliedern  einer  anderen  Confession 
durch  das  Gesetz  nicht  untersagt  wird ;  die  Lehrämter,  mit  Aus- 
nahme jener  für  den  Religionsunterricht,  allen  Staatsbürgern  zugäng- 
lich sind;  die  Lehrbücher  behufs  ihrer  Einführung  in  den  Schulen 
nur  der  Genehmigung  der  zur  Leitung  und  Beaufsichtigung  berufenen 
Organe  bedürfen ;  das  Einkommen  der  Normalschulfonds,  der  Studien- 
fonds und  sonstiger  Stiftungen  für  Unterrichtszwecke,  ohne  Rücksicht 
auf  das  Glaubensbekenntniss,  zu  verwenden  ist;  zur  Leituog  und 
Aufsicht  über  das  Schulwesen  der  Local-,  Bezirks-  und  Landesschul- 
rath  bestellt  ist  und  in  jedem,  namentlich  in  dem  letzten  dieser 
Organe  der  Staat,  die  Kirche,  die  Schule  und  die  Familie  ihre  Ver- 
tretung gefunden  hat  und  die  alten  beengenden  Schranken  der  poli- 
tischen Schulverfassung  beseitigt  werden :  —  diese  Bestimmungen  — 
so  lesen  wir  in  der  die  evangelische  Schule  betreffenden  Denkschrift 
der  Generalsynode  A.  C.  vom  18.  Juli  1871  an  das  k.  k.  Ministerium 
für  Cultus  und  Unterricht  ^)  —  wurden  von  den  Evangelischen  mit 
der  grössten  Freude  begrüsst,  denn  sie  wurzeln  ja  alle  in  protestan- 
tischen Anschauungen,  sie  haben  fast  durchweg  eine  richtige,  ge- 
sunde, pädagogische  Grundlage,  sie  waren,  obgleich  ohne  Rücksicht 
auf  die  evangelische  Kirchenverfassung  gearbeitet,  dennoch  in  die- 
selbe leicht  einzufügen,  es  schien  unserem  Schulwesen  keine  Schädi- 
gung zu  drohen,  und  wenn  wir  die  Vorzüge  desselben  nun  auch 
den  übrigen,  nichtevangelischen  Staatsbürgern  zugute  kommend  uns 
dachten  und  für  die  Zukunft  die  Aussicht  auf  einen  edlen  Wetteifer 
zwischen  den  Katholiken  und  der  zwar  geringen,  aber  immerhin 
beachtenswerthen  Minorität  der  Evangelischen  auf  dem  Gebiete  der 
Schule  sich  eröffnete,  so  erscheint  es  begreiflich,  dass  das  Gesetz 
vom  25.  Mai  1868  mit  aufrichtiger  Sympathie  von  der  evangelischen 
Kirche  begrüsst  wurde. 

Leider  wurde  diese  Freudigkeit  bald  darauf  nicht  wenig  getrübt. 
Es  kam  nämlich  das  Reichsvolksschulgesetz  vom  14.  Mai  1869. 
Zwar  haben  die  Protestanten  dieses  freiheitliche  Gesetz  in  seiner 
Totalität  niemals  als  ein  Unglück  empfunden.  ,Die  Bestimmungen 
desselben,  Paragraph  für  Paragraph,  Alinea  für  Alinea,  waren  ihnen 
herzlich   willkommen,    soweit  sie   das  innere  Leben   der  Schule   an- 


1)  Die  zweite  Generalsynode  der  evangelischen  Kirche  A.  B.  etc.,  heraasgegeben 
von  Dr.  B.  Czerwcnka.  Wien  1872,  pag.  227. 


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207 

gingen,  und  freudig  haben  sie  dieselben  cingewoben  in  ihre  Sch'ul- 
organismen  ")*.  Allein  die  Existenz  der  evangelischen  Confessions- 
schulen  wurde  dadurch  aufs  Aergste  bedroht.  Während  —  nach 
obiger  Denkschrift  —  1868  es  noch  zweifelhaft  sein  konnte,  ob  das 
Gesetz  die  Orts-  oder  die  Schulgemeinde  postulire,  kennt  das  Reichs^ 
Schulgesetz  vom  14.  Mai  1869  die  Schulgemeinde  gar  nicht  mehr, 
sondern  stellt  sich  klar  und  rein  auf  die  Ortsgemeinde,  also  auf  einen 
politischen  Organismus.  Jede  Volksschule  —  bestimmt  nämlich  der 
§  2  —  zu  deren  Gründung  oder  Erhaltung  der  Staat,  das  Land  oder 
die  Ortsgemeinde  die  Kosten  ganz  oder  theilweise  beiträgt,  ist  eine 
öffentliche  Anstalt  und  als  solche  der  Jugend  ohne  Unterschied  des 
Glaubensbekenntnisses  zugänglich.  Die  in  anderer  Weise  gegründeten 
und  erhaltenen  Volksschulen  sind  Privatanstalten.  Bei  strenger  Durch- 
fuhrung des  Gesetzes  musste  nunmehr  das  so  blühende  Schulwesen 
der  Evangelischen  entweder  fallen  oder  in  die  öffentliche,  »intercon- 
fessionelle*,  Gemeindeschule  aufgehen,  oder  unter  Darbringung  un- 
übersehbarer, in  den  meisten  Fällen  unerschwinglicher  Opfer  unter 
dem  Titel  von  , Privatschulen*  sein  Dasein  fristen.  Wozu  die  meisten 
Gemeinden  durch  die  Noth  gezwungen  wurden,  zeigt  folgende  Statistik: 

Die  evangelische  Kirche  A.  C.  zählt  heute  172  evangelische  Schulen 
,  »  ,       H.  C.      »  »        62  ,  , 

Zusammen     234  evangelische  Schulen 

gegen  239  im  Jahre  1879 

,       285    ,       ,      1875 

,      307    »       ,      1872 

,      375    ,       ,      1869 

Die  evangelische  Kirche  A.  C.  zählt  287  evangelische  Lehrer 

*  »  ,        H.  C.      »        88  ,  , 

Zusammen     355  evangelische  Lehrer 
gegen  371  im  Jahre  1875 
,       400    .       ,      1872 
,       481    ,       ,      1869«) 
Kein  Wunder,  wenn  die  Freude,  welche  die  evangelische  Kirche 
aus  dem  Schulgesetze  vom  25.  Mai  1868   schöpfte,   sehr   gedämpft 


^)  Georg  Repp,  Die  Entwicklung  des  evangelischen  Schulwesens  in  Oesterreich 
seit  1869.  Reichenberg.  Im  Selbstverlage  1888,  pag.  11. 

*)  Georg  Repp,  Die  Entwicklung  etc.,  pag.  31  u.  32. 
Jahrbuch  des  Protestandamtu  1888.  H.  IV.  15 


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208 

und  die  Nothlage  ihrer  evangelischen  Schulen  aus  dem  Principe  her- 
geleitet wurde,  auf  welchem  die  neue  Schulgesetzgebung  fusst. 

Dennoch  hätte  vielleicht  das  Bewusstsein,  einem  Staate  anzu- 
gehören, der  bezüglich  der  allgemeinen  Verbesserung  des  Volksschul- 
wesens in  den  letzten  Jahren  so  bedeutsame  Wege  eingeschlagen,  den 
Evangelischen  die  Freudigkeit  verliehen,  im  Interesse  der  Gesammtheit 
auf  besondere  Wünsche  Verzicht  zu  leisten.  Allein  die  Schulgesetz- 
novelle vom  2.  Mai  1883  hat  auch  diese  Freudigkeit  zurückgedrängt. 
Auf  Grund  des  §  48  wird  nämlich  die  Confession  des  Schulleiters 
von  der  'Confession  der  Majorität  der  Schulkinder  abhängig  ge- 
macht. .  .  .  Den  meisten  evangelischen  Lehrern  ist  es  demnach 
unmöglich  geworden,  jemals  eine  Directorstelle  zu  erlangen.  Muss 
femer  der  Schulleiter  der  Confession  der  Majorität  der  Schulkinder 
angehören,  so  darf  mit  Fug  und  Recht  die  Frage  aufgeworfen  werden: 
wie  verhält  es  sich  nunmehr  mit  dem  »interconfessionellen*  Charakter 
der  Schule.^  Zumal  der  Schulleiter,  weit  mehr  noch  als  der  Lehrer, 
die  Seele  der  Schule  ist. 

Doch  wir  eilen  voraus.  Das  Jahr  1868  ruft  uns  zurück.  Es  hat 
noch  eine  andere  Gabe  für  uns  in  Bereitschaft :  die  Ehegesetzgebung. 

In  Ehesachen  wird  bestimmt,  dass  auch  für  die  Katholiken 
die  Vorschriften  des  von  dem  Eherechte  handelnden  zweiten  Haupt- 
stückes des  allgemeinen  bürgerlichen  Gesetzbuches  in  Kraft  treten; 
dass  das  Aufgebot  der  Ehe  durch  die  weltliche  Behörde  veranlasst 
und  die  feierliche  Erklärung  der  Einwilligung  zur  Ehe  vor  dieser 
Behörde  (Noth-Civil-Ehe)  abgegeben  werden  kann,  wenn  seitens  des 
berufenen  Seelsorgers  die  Vornahme  des  Aufgebotes  oder  die  Ent- 
gegennahme der  feierlichen  Erklärung  der  Einwilligung  zur  Ehe  aus 
einem  durch  die  Gesetzgebung  des  Staates  nicht  anerkannten  Hinde- 
rungsgrunde verweigert  wird  (Art.  II.),  ohne  dass  die  Eheleute,  welche 
ihre  Ehe  vor  der  weltlichen  Behörde  abgeschlossen  haben,  das  Recht 
verlieren,  nachträglich  auch  die  kirchliche  Einsegnung  ihrer  Ehe  von 
einem  der  Seelsorger  jener  Confession,  welcher  ein  Theil  der  Eheleute 
angehört,  zu  erwirken  (Art.  II,  §  11),  und  weiter,  dass  die  Gerichtsbar- 
keit in  Ehesachen  der  Katholiken  wie  der  übrigen  christlichen  und  nicht- 
christliclien  Confessionen  ausschliesslich  durch  die  weltlichen  Gerichte 
ausgeübt  wird  (Art.  III.  Gesetz  vom  25.  Mai  1868,  R.-G.-Bl.  Xr.  47.. 

Ferner  wird  die  Verpflichtung,  den  Entschluss  zur  Scheidung 
dem    ordentlichen    Seelsorger    zu    eröffnen,    aufgehoben.     Es  bleibt 


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209 

jedoch  den  Ehegatten  unbenommen,  diesen  Entschluss  ihrem  ordent- 
lichen Seelsorger  zu  eröffnen  und  von  diesem  ein  schriftliches  Zeug» 
niss  darüber  zu  erwirken,  dass  der  von  ihm  vorgenommene  Ver- 
söhnungsversuch vergeblich  war  (Gesetz  vom  31.  December  1868, 
R.-G.Bl.  Nr.  3  ex  1869,  §  1). 

Endlich,  betreffend  die  Eheschliessung  zwischen  Angehörigen 
verschiedener  christlicher  Confessionen,  bestimmt  das  Gesetz  vom 
31.  December  1868  (R..G.-BI.  Nr.  44,  1869). 

Artikel  I. 

Bei  Ehen  zwischen  Angehörigen  verschiedener  christlicher  Con- 
fessionen hat  das  Aufgebot  in  der  gottesdienstlichen  Versammlung 
des  Pfarrbezirkes  der  Religions-Genossenschaft  eines  jeden  der  beiden 
Brautleute  in  der  sonst  gesetdichen  Weise  zu  geschehen. 

Artikel  IL 

Die  feierliche  Erklärung  der  Einwilligung  zur  Ehe  ist  bei  der 
Verehelichung  zwischen  Angehörigen  verschiedener  christlicher  Con- 
fessionen in  Gegenwart  zweier  Zeugen  vor  dem  ordentlichen  Seelsorger 
einer  der  beiden  Brautleute  oder  vor  dessen  Stellvertreter  abzugeben. 

Dies  kann  auch  in  dem  Falle  geschehen,  wenn  das  Aufgebot 
wegen  Weigerung  eines  Seelsorgers  durch  die  politische  Behörde 
vorgenommen  wurde. 

Den  Brautleuten  steht  es  in  allen  Fällen  frei,  die  kirchliche  Ein- 
segnung ihrer  vor  dem  Seelsorger  des  einen  der  Brautleute  ge- 
schlossenen Ehe  bei  dem  Seelsorger  des  anderen  Theiles  zu  erwirken. 

Artikel  III. 
Die  §§71   und  77  des  a.  b.  G.-B.   und   alle  sonstigen,  die  ge- 
mischten Ehen   betreffenden  Gesetze  und  Verordnungen   sind,   inso- 
weit  solche  den  Bestimmungen   des    gegenwärtigen  (Jesetzes  wider- 
streiten, aufgehoben. 

Damit  ist  in  der  That  der  weitaus  grösseren  Zahl  der  Anliegen 
der  evangelischen  Kirche  Abhilfe  zu  Theil  geworden. 

In  Folge  dessen  waren  auch  alle  Herzen  voll  des  Dankes  für 
die  erweiterten  Rechte  und  Freiheiten,  welche  durch  den  Machtspruch 
Sr.  Majestät  Gesetzeskraft  erhalten  hatten.  Die  meisten  Gemeinden 
veranstalteten    Dankfeste,    in    den    meisten    Predigten    wurden   die 

15* 


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210 

wichtigen,  bedeutungsvollen  Ereignisse  gebührend  gepriesen  und  — 
erzählten  Augenzeugen  in  den  »Neuen  protestantischen  Blättern, 
Nr.  29  ex  1868*  —  wir  haben  Freudenthränen  in  den  Augen 
ergrauter  Häupter  gesehen,  so  tief  war  die  freudige  und  hoffende 
Erregung  über  die  Errungenschaften  einer  erleuchteten  Gegenwart, 
über  die  Bürgschaften  einer  besseren  Zukunft. 

Uebrigens  war  die  Freude  wohl  begründet,  denn  seitdem  durch 
das  Staatsgrundgesetz  den  Angehörigen  aller  anerkannten  Confessionen 
in  Oesterreich  gleiche  Berechtigung  gewährleistet  wurde  —  berichtet 
das  Presbyterium  der  evangelischen  Kirchengemeinde  H.  B.  in  Wien 
im  Jahre  1868  *)  —  hat  kein  Ereigniss  eine  so  hohe  Bedeutung  fiir 
das  kirchliche  Leben  unserer  evangelischen  Kirche  gehabt,  als  das 
Erscheinen  der  interconfessionellen  Gesetze,  welche  ein  ehrendes, 
dankenswerthes  Zeichen  des  redlichen*  Strebens  sind,  die  Freiheiten 
und  Gerechtsame  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  zu  befestigen, 
Gesittung  und  Intelligenz  immer  mehr  zu  erhöhen  und  zu  verbreiten. 

So  wurden  die  meisten  Fesseln  nach  und  nach  gelöst.  Der 
Geist  der  Zeit,  das  allgememe  Verlangen  nach  grösseren  Freiheiten 
hat  grosse  Dienste  dabei  geleistet,  aber  das  entscheidende  Befreiungs- 
wort blieb  stets  dem  Wohlwollen  Sr.  Majestät  vorbehalten. 

Und  diesem  Wohlwollen  haben  wir  es  auch  zu  verdanken,  dass 
trotz  allem  Widerstände  das  k.  Patent  vom  8.  April  1861  thatsäch- 
lich  volle  Geltung  und  Anwendung  auch  für  Tirol  erlangte  —  somit 
die  kirchenverfassungsgemässe  Gründung  der  beiden  evangelischen 
Gemeinden  in  Innsbruck  und  Meran  erfolgen  konnte;  —  dass  die 
Unterstützungen  für  arme  evangelische  Gemeinden  und  Schulen  A. 
und  H.  B.,  deren  Pfarrer  und  Lehrer  aus  dem  Staatspauschale 
mit  den  A.  h.  EntSchliessungen  vom  11.  Mai  1860,  14.  April  1861, 
22.  Juli  1867,  14.  Juli  1877  und  30.  October  1886  auf  41.600. 
50.000,  75.000  und  80.000  erhöht  wurden;  dass  die  durch  Kaiser 
Franz  in 's  Leben  gerufene  theologische  Bildungsstätte  durch  eine 
A.  h.  EntSchliessung  vom  30.  October  1850  mit  dem  Promotions- 
rechte ausgestattet  und  —  zum  Range  einer  Facultät  erhoben 
wurde;  dass  die  evangelische  Brüdergemeinde  (Hermhuter)  im 
Jahre  1880  die  staatliche  Anerkennui^r  erhielt  (Vcrordn.  des  Minist, 
für  C.  u.  U.  V.  30.  März  1880)  und  das  Gesetz,  betreffend  die  Eröff- 

^)  Dr.  C.  A.  Witz:  Zur  hundertjährigen  Jubelfeier  der  evang.  Kirchengemeinde 
H.  B.  in  Wien.  Wien,  k.  k.  Hofbuchhandlung  W.  Frick,  1884,  pag.  16. 


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211 

nung  eines  Nachtragscredites  für  die  Bestreitung  der  Kosten  der  im 
Jahre  1883  versammelt  gewesenen  evangelischen  Generalsynoden 
A.  und  H.  B.  unterem  7.  April  1884  genehmigt  wurde. 

Dieses  Wohlwollen  berechtigt  uns  ferner  zu  der  Hoffnung,  dass 
mit  der  Zeit  auch  unsere  billigen  Wünsche  betreffs  der  Ehegesetz- 
gebung, der  Schulen  und  der  theologischen  Facultät  Berück- 
sichtigung finden  werden. 

Für  die  Aenderung  der  §§  63  und  111  des  allg.  bürgerl. 
Gesetzbuches  haben  sich  bis  jetzt  —  leider  ohne  Erfolg  —  die 
sämmtlichen  Generalsynoden  A.  und  H.  B.  verwendet.  Der  erste 
der  genannten  Paragraphe  verbietet  Geistlichen,  welche  schon  höhere 
katholische  Weihen  empfangen,  wie  auch  Ordenspersonen  von  beiden 
Geschlechtern,  welche  feierliche  Gelübde  der  Ehelosigkeit  abgelegt, 
die  Ehe  selbst  dann,  wenn  dieselben  das  evangelische  Glaubens- 
bekenntniss  angenommen;  und  §  111  erklärt  das  eheliche  Band 
zwischen  christlichen  Personen,  wenn  zur  Zeit  der  geschlossenen  Ehe 
auch  nur  ein  Theil  der  katholischen  Religion  zugethan  war,  für 
unauflöslich. 

,Da  nun  —  beschliesst  einstimmig  die  dritte  Generalsynode  H.  B. 
v.  J.  1877  *)  —  die  Aufrechthaltung  der  Rechtsbeständigkeit  der  ge- 
nannten Paragraphe  zu  den  Artikeln  5  und  16  des  Gesetzes  über 
die  interconfessionellen  Verhältnisse  vom  21.  Mai  1868  und  zu  dem 
Staatsgrundgesetze  vom  21.  December  1867,  R.-G.-Bl.  Nr.  142,  in 
directem  Widerspruche  steht,  die  Gleichberechtigung  der  Confes- 
sionen  in  diesem  Punkte  illusorisch  macht  und  den  Staatsbürgern 
der  österreichischen  Reichshälfte  Rechte  vorenthält,  welche  die  neuere 
Gesetzgebung  der  Länder  der  ungarischen  Krone  den  dortigen  Staats- 
bürgern ausdrücklich  gewährleistet,  bleibt  es  nach  wie  vor  eine 
dringende  Aufgabe  der  Generalsynode,  für  die  Abschaffung  jener 
die  Gewissensrechte  beschränkenden  Bestimmungen  einzutreten.* 

Die  evangelische  Generalsynode  A.  B.  vom  Jahre  1883  fühlt 
sich  in  mehreren  hochwichtigen  und  ihre  vitalsten  Interessen  be- 
treffenden Fragen  schwer  bedrückt,   gedemüthigt  und  geschädigt. 

Diese  Fragen  umfassen  die  drei  oben  erwähnten  Punkte. 

Die  Generalsynode  betraute  daher  die  Superintpndenten  und 
Superintendentialcuratoren    A.    B.     mit    der    Mission,     ^einige     der 

1)  Die  dritte  Gcneralsynode  der  evang.  Kirche  H.  B.  etc.  im  Jahre  1877,  dar- 
gestellt von  J.  E.  Szalatnay,  Wien  1883,  pag.  82. 


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hervorragendsten  Beschwerden  über  Verletzungen  der  von  Sr.  Ma- 
jestät den  evangelischen  Glaubensgenossen  gewährten  Gleichberech- 
tigung an  die  Stufen  des  Allerhöchsten  Thrones  zu  bringen  und 
hierdurch  dem  Vertrauen  in  die  väterliche  Fürsorge  unseres  alier- 
gnädigsten  Kaisers  für  die  Bedürfnisse  aller  Staatsbürger,  ohne  Rück- 
sicht auf  deren  religiöses  Bekenntniss,  sowie  in  die  Gerechtigkeits- 
liebe Sr.  Majestät,  welche  nicht  wollen  kann,  dass  die  von  Sr.  Ma- 
jestät AUerhöchstdero  evangelischen  Staatsbürgern  huldvollst  gewährte 
Gleichberechtigung  beeinträchtigt  oder  verkümmert  werde,  in  tiefster 
Ehrfurcht  freimüthigen  Ausdruck  zu  verleihen.* 

Ihrer  Mission  entsprechend  arbeiteten  die  Superintendenten 
und  Superintendentialcuratoren  eine  diesbezügliche  Denkschrift  aus, 
welche  vom  10.  Mai  1883  datirt  ist  und  am  9.  Juni  1884  Sr.  Ma- 
jestät überreicht  wurde. 

Die  erste  Bitte,  welche  diese  Denkschrift  enthält,  bezieht  sich 
auf  die  Ehegesetzgebung. 

Sie  begründet  diese  Bitte  in  folgender  Weise  *)  : 

, Ungeachtet  das  Allerhöchste  Patent  vom  8.  April  1861  den 
evangelischen  Glaubensgenossen  die  Gleichberechtigung  nach  sämmt- 
lichen  Richtungen  des  bürgerlichen  und  politischen  Lebens  feier- 
lich zusichert  und  in  §  14  in  Aussicht  stellt,  dass  die  Gerichts- 
barkeit über  evangelische  Eheangelegenheiten  ausschliessend  von 
evangelisch-kirchlichen  Behörden  ausgeübt  werden  solle;  ungeachtet 
der  Artikel  XIV  des  Staatsgrundgesetzes  vom  21.  December  1867. 
R.-G.-Bl.  Nr.  142,  Jedermann  die  volle  Glaubens-  und  Gewissens- 
freiheit gewährleistet  und  den  Genuss  der  bürgerlichen  und  politischen 
Rechte  von  dem  Religionsbekenntnisse  für  unabhängig  erklärt;  un- 
geachtet endlich  das  Gesetz  vom  25.  Mai  1868,  R.-G.-BI.  Nr.  49. 
bestimmt,  dass  nach  vollendetem  14.  Lebensjahre  Jedermann,  ohne 
Unterschied  des  Geschlechtes,  die  freie  Wahl  des  Religionsbekennt- 
nisses nach  seiner  eigenen  Ueberzeugung  hat  (Art.  IV),  durch  die 
Religionsveränderung  alle  genossenschaftlichen  Rechte  der  verlassenen 
Kirche  oder  Religionsgenossenschaft  an  den  Ausgetretenen  verloren 
gehen  (Art.  V)  und  alle  den  in  diesem  Gesetze  enthaltenen  Vor- 
schriften widerstreitenden  Bestimmungen  der  bisherigen  Gesetze  und 
Verordnungen,    auf  welcher  Grundlage  sie  beruhen   und   in  welcher 

1)  Die  vierte  Generalsynode  der  evangelischen  Kirche  A.  B.  etc.  etc.  vom  Jahre 
1883,  dargestellt  von  Jthamar  Koch.  Wien  1888,  pag.  144. 


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213 

Form  sie  erlassen  sein  mögen,  fernerhin  nicht  mehr  in  Anwendung 
zu  bringen  sind  (Art.  XVI):  werden  dennoch  die  §§  63  und  111 
des  allgemeinen  bürgerlichen  Gesetzbuches  im  auffallendsten  Wider- 
spruche zu  allen  den  vorgenannten  von  Euer  Majestät  sanctionirten 
staatsgrundgesetzHchen  Bestimmungen  bei  der  Beurtheilung  von  Ehe- 
angelegenheiten evangelischer  Personen  noch  immer  in  Anwendung 
gebracht,  so  dass  es  bisweilen  scheinen  möchte,  als  ob  die  Durch- 
fuhrung der  der  evangelischen  Kirche  von  Euer  Majestät  Aller- 
gnädigst  gewährleisteten  Gleichberechtigung  in  jenen  Paragraphen 
des  allgemeinen  bürgerlichen  Gesetzbuches  auf  ein  nicht  zu  über- 
windendes Hinderniss  gestossen  wäre. 

,Wenn  evangelischen  Personen  die  ihnen  nach  den  Grundsätzen 
der  evangelischen  Kirche  erlaubte  Eheschliessung  darum  nicht  ge- 
stattet wird,  weil  dieselben  vor  dem  Eintritte  in  die  evangelische 
Kirche  einer  Religionsgenossenschaft  angehörten,  nach  deren  Grund- 
sätzen ihnen,  sei  es,  weil  sie  dem  geistlichen  Stande  angehörten  oder 
weil  sie  sich  von  ihren  Ehegatten  getrennt  hatten,  die  Schliessung 
einer  giltigen  Ehe  versagt  war,  so  steht  diese  fortgesetzte  Anwen- 
dung der  Grundsätze  der  von  ihnen,  unter  Beobachtung  aller  gesetz- 
lichen Vorschriften,  verlassenen  Kirche  auf  die  dermalen  der  evan- 
gelischen Kirche  angehörigen  Personen  doch  wohl  im  auffallendsten 
Widerspruche  mit  der  citirten  staatsgrundgesetzHchen  Bestimmung, 
dass  durch  die  Religionsveränderung  alle  genossenschaftlichen  Rechte 
der  verlassenen  Kirche  oder  Religionsgenossenschaft  an  den  Aus- 
getretenen verloren  gehen. 

,Mit  tiefer  Betrübniss  müssen  wir  auf  die  Verwirrung  der  Rechts- 
begriffe  und  die  Erschütterung  des  Rechtsgefühls  hinweisen,  welche 
durch  den  Umstand  platzgreifen  muss,  dass  in  der  bezeichneten 
Richtung  nicht  nur  in  der  diesseitigen  Reichshälfte  einzelne  mit  den 
Staatsgrundgesetzen  in  offenbarem  Widerspruche  stehende  und  durch 
dieselben  ausser  Kraft  gesetzte  Normen  noch  immer  gehandhabt, 
sondern  dass  auch  in  jeder  der  beiden  Reichshälften  verschiedene 
und  mit  einander  ganz  unvereinbare  gesetzliche  Bestimmungen  in 
Anwendung  gebracht  werden,  so  dass  beispielsweise,  wie  dies  von 
Seite  des  hohen  k.  k.  Obersten  Gerichtshofes  bereits  in  mehreren 
Fällen  und  speciell  auch  in  dessen  weiter  unten  angeführten  Ent- 
scheidung ausdrücklich  sententionirt  ist,  ein  Staatsbürger  evange- 
Uscher  Religion,  welcher   nach  der  Trennung   seiner  Ehe    mit  einer 


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katholischen  Staatsbürgerin  in  Ungarn  eine  neue  dort  gesetzlich 
gütige  Ehe  eingegangen  hat,  in  jeder  der  beiden  Reichshälften,  und 
zwar  in  jeder  derselben  mit  einer  anderen  Gattin  rechtsgiltig  ver- 
ehelicht erscheint.  Nicht  minder  wollen  Eure  Majestät  AUergnädigst 
gestatten,  dass  wir  uns  allerunterthänigst  darüber  äussern,  wie 
schmerzlich  es  von  uns  empfunden  wird,  wenn  im  Gegensatze  zu 
bestimmten,  im  Namen  Euer  Majestät  proclamirten,  rechtskräftigen 
und  rechtswirksam  gewordenen  Erkenntnissen  in  Eheangelegenheiten, 
welche,  wie  das  Urtheil  des  k.  k.  Oberlandesgerichtes  Wien  vom 
26.  Jänner  1875,  Z.  19047,  sich  ausdrücklich  darauf  gründen,  ^dass 
alle  Handlungen  eines  zu  einer  anderen  Kirche  Uebergetretenen 
nach  dessen  Uebertritte  nach  der  Lehre  jener  Kirche  zu  beurtheilen 
sind,  zu  welcher  er  übertrat,  und  dass  die  Satzungen  der  von  ihm 
verlassenen  Kirche  in  Bezug  auf  ihn  in  keiner  Weise  bindend  sein 
können*,  sowie,  dass  ^^das  Gegentheil  hiervon,  ja  der  mindeste  Ab- 
bruch von  diesem  Grundsatze  eine  Verkürzung  der  gewährleisteten 
vollen  Glaubens-  und  Gewissensfreiheit*  wäre,  ganz  gleichartige  Ent- 
scheidungen von  Oberlandesgerichten,  wie  beispielsweise  des  Ober- 
landesgerichtes zu  Prag  ddo.  29.  Juli  1878,  Z.  19961,  durch  gleich- 
fialls  im  Namen  Euer  Majestät  proclarairte  Entscheidungen  des  hohen 
k.  k.  Obersten  Gerichtshofes  unter  Nichtbeachtung  jener  Grundsätze 
und  im  Widerstreite  mit  denselben  aufgehoben  werden.  Wenn  aber 
gar  eine  solche  auch  von  einem  k.  k.  Oberlandesgerichte  rechts- 
kräftig als  legal  anerkannte  Eheschliessung,  welche  nach  der  in  der 
Lehre  Jesu  Christi  und  in  der  heiligen  Schrift  begründeten  Sitten- 
lehre der  evangelischen  Kirche  als  zulässig  erscheint,  von  Euer  Ma- 
jestät Oberstem  Gerichtshofe,  wie  solches  in  dem  Erlasse  vom  6.  No- 
vember 1883,  Z.  12854,  geschieht,  als  ein  Act  bezeichnet  wird, 
welcher,  als  den  staatsbürgerlichen  Pflichten  zuwiderlaufend,  ,im 
Interesse  der  öffentlichen  Ordnung  und  Sitte*  aligemein  untersagt 
ist,  so  liegt  darin  nicht  nur  eine  Verletzung,  sondern  eine  in  der 
völligen  Verkennung  ihrer  Grundsätze  gelegene  Herabsetzung  der 
evangelischen  Kirche,  ihrer  Lehren,  ihrer  Einrichtungen,  ihrer  Moral 
und  ihrer  Bekenner,  nicht  zu  reden  davon,  dass,  was  in  Euer  Ma- 
jestät Königreich  Ungarn  der  öffentlichen  Ordnung  und  Sitte  nicht 
zuwiderläuft,  doch  wohl  auch  in  der  diesseitigen  Reichshälfte  nicht 
als  unsittlich  und  den  staatsbürgerlichen  Pflichten  zuwiderlaufend 
wird  bezeichnet  werden  dürfen. 


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215 

^Die  vierte  evangelische  Generalsynode  war  daher  auch  nur  der 
Dolmetsch  der  in  ihrem  Rechtsgefiihle  gekränkten  evangelischen 
Gesammtkirche  Oesterreichs,  wenn  dieselbe  in  ihrer  Sitzung  vom 
30.  October  1883  erklärte,  dass  es  ihr  als  eine  dringende  und  un- 
abweisbare Nothwendigkeit  und  als  ein  Gebot  ernster  Staatspflicht 
erscheine,  dass  diese  auf  dem  Gebiete  der  eherechtlichen  Fragen 
bestehende  Rechtsunsicherheit  und  Rechtsverwirrung  im  Wege  der 
Gesetzgebung  endlich  beseitigt  werde. 

^Die  Vertrauensmänner  der  Generalsynode  A.  B.  setzen  ihre 
Hoffnung  auf  die  Lösung  dieser  in  die  Interessen  der  evangelischen 
Kirche  tief  einschneidenden  Frage  auf  die  Gnade  Sr.  Majestät.* 

Wir  theilen  mit  ihnen  diese  Hoffnung  und  sehen  der  bevor- 
stehenden Revision    des  Eherechtes    mit  Zuversicht   entgegen. 

Auch  wird  sich  wohl  ein  Mittel  finden,  die  Evangelischen, 
welche  ihre  confessionellen  Gemeindeschulen  erhalten,  von  der  Bei- 
tragsleistung zur  öffentlichen  —  allerdings  der  Jugend 
ohne  Unterschied  des  Glaubens  zugänglichen*,  aber  thatsächlich 
ohne  Unterschied  beinahe  nur  von  dem  Glauben  der  Mehrheit 
beherrschten  —  Staatsschule  zu  befreien. 

Beide  Generalsynoden  vom  Jahre  1883  —  die  evangelische  A.  B. 
sowohl  als  die  evangelische  H.  B.  —  haben  sich  mit  dieser  für 
unsere  Kirche  hochwichtigen  Frage  eingehend  beschäftigt  und  beide 
haben  die  Nothlage,  in  welche  die  evangelischen  Schulen,  nament- 
lich seit  dem  Erlasse  der  neuen  Schulgesetznovelle  vom  2.  Mai  1883, 
gekommen  sind,  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  in  besonderen  Denk- 
schriften geschildert. 

Die  Denkschrift  der  Generalsynode  H.  B,  vom  3.  November 
1883  äussert  sich  folgendermassen  *) : 

»Das  Allerhöchste  Patent  vom  8.  April  1861  beschenkte  erst 
recht  eigentlich  die  Evangelischen  mit  der  genügenden  Anzahl  ihrer 
sehr  nöthigen  Schulanstalten,  indem  es  ihnen  die  volle  Freiheit  für 
Errichtung  neuer  Schulen  und  die  völlige  Entlastung  von  der  Pflicht, 
zur  Erhaltung  katholischer  Schulen  beizutragen,  gewährte.  Die  evan- 
gelischen Schulen  blühten  seit  dem  Jahre  1861  in  ungeahnter  Weise 
enifK>r.  In  der  böhmischen  Superintendenz  befanden  sich  vor  dem 
Erlasse   der   Schulgesetze   vom    14.  Mai  1869    schon  57   reformirte 

*)  Die  vierte  Generalsynode  der  evang.  Kirche  H.  B.  etc.  vom  Jahre  1883,  dar- 
gcsteUt  von  J.  E.  Szalatnay.  Wien  1888,  pag.  378. 


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Schulen;  von  diesen  sind  bereits  15  theils  aufgelassen,  theils  ihres 
confessionellen  Charakters  verlustig  gegangen.  Aber  selbst  der  Be- 
stand der  gegenwärtigen  42  confessionellen  Schulen  ist  keineswegs 
gesichert;  sie  ringen  um  ihre  Existenz.  In  der  mährischen  Super- 
intendenz  ist  der  Einfluss  der  genannten  Schulgesetze  der  denkbar 
nachtheiligste  gewesen.  Von  34  confessionellen  Schulen  ist  ein  kleiner 
Rest  von  5  Schulen  übrig  geblieben;  und  alle  übrigen  sind  allmälig 
eingegangen.  Seit  dem  Jahre  1870  beginnt  diese  traurige  Aera  des 
Niederganges  der  confessionellen  Schulen.  Diese  Aera  ist  um  so 
trauriger,  je  plötzlicher  und  unerwarteter  sie  eintrat  und  je  weniger 
die  öffentliche  Schule  im  Stande  ist,  die  eigene  evangelische  zu 
ersetzen. 

,Es  sei  uns  vergönnt,  diese  letzte  Behauptung  etwas  eingehender 
zu  begründen.  Die  damals  (vor  1869)  katholischen  Schulen  haben 
zwar  durch  das  Gesetz  vom  14.  Mai  1869  den  Namen  ^allgemeine* 
oder  , öffentliche*  Schulen  bekommen,  sie  sind  aber  in  Wirklichkeit, 
besonders  auf  dem  Lande,  in  Bezug  auf  Unterricht  und  Erziehung 
mehr  oder  weniger  katholisch  geblieben.  Es  ist  ja,  trotz  aller  gegen- 
theiligen  Behauptungen,  undenkbar,  dass  eine  neutrale  Schule,  zumal 
auf  dem  Lande,  wirklich  geschaffen  werden  könne.  Undenkbar  ist 
es,  dass  im  Unterrichte  sich  ein  juste  milieu,  das  allen  Parteien 
gerecht  wird,  herstellen  lasse,  und  wenn  es  hie  und  da  geschehen 
sollte,  dass  es  von  Dauer  sein  könnte.  Die  Majorität  der  ländlichen 
Bevölkerung  blieb  unempfindlich  für  die  Beglückungspläne  einer  neuen 
Schulgesetzgebung  und  war  gar  nicht  ungehalten,  als  nach  längerem 
Zuwarten  der  alte  Confessionalismus  zufolge  der  neuen  Gesetzes- 
novelle (§  48  vom  2.  Mai  1883)  in  den  Volksschulen  wieder  trium- 
phirte.  Er  triumphirt  aber  jetzt  nicht  so  offenkundig,  er  ward  nicht 
so  völlig  in  sein  altes  Recht  wieder  eingesetzt,  wie  vor  1869.  Gleich- 
wohl aber  kam  der  Confessionalismus  nunmehr  an  der  Hand  der 
Staatsgesetzgebung  wieder  zur  vollsten  Geltung,  indem  die  Gesetzes- 
novelle (§  48)  bestimmte:  dass  die  Schulleiter  der  Confession  der 
Majorität  der  Schüler  angehören  müssen. 

,Das  schien  nun  im  Grunde  Alles  ganz  billig  und  ganz  recht 
Wir  sind  keine  Störenfriede  und  vergönnen  unseren  katholischen 
Mitbürgern  ganz  und  gar,  dass  ihre  Kinder  unter  einem  Schulleiter 
ihrer  Confession  zu  stehen  haben.  Aber  eifersüchtig  auf  ihre  Mit- 
bürger sind   die  Evangelischen   gleichwolil    und   glauben   ein  Recht 


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zu  haben,  es  zu  sein.  Die  immense  Majorität  aller  Schulen  Oester- 
reichs  ist,  wenn  auch  nicht  unvermittelt,  so  doch  plötzlich  und  in 
ungeahnter  Ausdehnung  factisch  wiederum  , katholisch*  geworden. 
Natürlich  heisst  es  immer  noch :  unter  der  Controle  des  Staates ;  es 
heisst  immer  noch,  der  Grundsatz  ,suum  cuique*  sei  dadurch  nicht 
verletzt.  Man  will  durchaus  nicht  zugeben,  dass  Wesentliches  durch 
diesen  §  48  geändert  sei.  Und  doch  ist  sehr  viel  unter  der  Hand 
durch  diesen  Paragraphen  geändert.  Jener  Lehrer,  der,  um  Schulleiter 
zu  sein  und  um  Religionsunterricht  in  der  Volksschule  geben  zu 
können,  sein  Zeugniss  von  der  katholischen  Geistlichkeit  sich  erholen 
muss,  kann  nie  und  nimmermehr  der  Vertrauensmann  der  evange- 
lischen Gemeinden  sein.  Sie  können  nur  mit  Zagen  demselben  ihre 
Kinder  anvertrauen.  Und  dabei  wollen  wir  ja  nicht  übel  reden  von 
unsern  katholischen  Mitbürgern;  sie  thun,  was  sie  für  recht  und 
billig  halten.  Nur  so  viel  wollen  wir  sagen,  dass  wir  kein  Vertrauen 
zu  einer  solchen  Schulatmosphäre  fassen  können  und  uns  doppelt 
darnach  sehnen,  wieder  eine  Selbstständigkeit  unseres  Schulwesens 
auf  gesetzlichem  Wege  zu  erlangen. 

,  Anerkannt  muss  es  werden,  dass  seit  der  neuesten  Wandlung 
der  Schulgesetzgebung  die  Evangelischen,  welche  nur  einen  sehr 
kleinen  Bruchtheil  der  Bevölkerung  in  der  diesseitigen  Reichshälfte 
bilden,  Gäste  einer  katholischen  Majorität  werden  müssen,  Gäste 
und  Fremdlinge  in  ihren  Schulen,  wenn  man  noch  lange  zusieht, 
wie  ihre  confessionellen  Schulen  mit  dem  Tode  ringen.  Werden  sie 
aber  solche  Gäste  und  Fremdlinge,  dann  ist  der  uns  heilige  Buch- 
stabe des  Allerhöchsten  Protestantenpatentes  vom  Jahre  1861,  inso- 
ferne  derselbe  unsere  Schullage  betrifft,  auch  ausgelöscht.  Dieses 
kaiserliche  Patent,  unsere  Magna  Charta,  sagt  aber  im  §  13:  ,Die 
Evangelischen  können  nicht  verhalten  werden,  zu  UnterrichtsÄwecken 
einer  anderen  Kirche  Beiträge  zu  leisten*. 

,Fem  aber  sei  es  von  uns,  solchen  Gedanken  Raum  zu  geben. 
Wir  wissen  und  hegen  das  feste  Vertrauen,  dass  man  uns  Evangelische 
im  vollen  Genüsse  dieses  Patentes  belassen  und  nicht  gestatten  wird, 
dass  durch  die  neuerdings  wieder  beliebte  confessionelle  Exclusivität  in 
der  Anstellung  der  Schulleiter  unter  der  Hand  etwas  zur  Mehrung  der 
katholischen  Kirche  geschehen  sollte,  was  offen  in  Abrede  gestellt 
wird.  Wir  können  nicht  wünschen,  dass  indirect  durch  das  Mittel 
der  Schulen  Proselyten  gemacht  werden  für  die  Kirche  der  Majorität, 


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218 

währenddem  man  im  Offenbaren  und  direct  keine  solche  Prose- 
lytenmacherei  von  Staatswegen  befördert  oder  auch  nur  zulässig 
erachtet. 

,  Daher  hoffen  wir  auf  baldige  Abänderung  der  Gesetzgebung 
oder  auf  eine  gesetzliche  Interpretirung  der  Schulparag^aphen.  Wir 
sind  keine  Juristen  und  machen  keinerlei  bestimmte  Vorschläge ;  wir 
können  nur  des  Rechtes  der  Schwachen,  zu  bitten,  Vorstellungen 
zu  machen,  uns  bedienen.  Aber  eine  allgemein  gesetzliche  Regelung 
scheint  uns  eines  der  dringendsten  Erfordernisse,  wenn  wir  nicht  im 
zweiten  Jahrhundert  des  staatsrechtlich  anerkannten  Bestandes  der 
evangelischen  Kirchen  innerhalb  der  diesseitigen  Reichshälfte  in 
Hinsicht  auf  unsere  Schulen  alles  das  verlieren  sollen,  was  wir 
während  des  ersten  Jahrhunderts  gewonnen  haben.  Vielerlei  Wege 
lassen  sich  ja  gewiss. zur  Heilung  unserer  Schäden  einschlagen.  Aber 
wir  überlassen  die  Auffindung  des  besten  Weges  der  Weisheit 
unseres  erhabenen  Monarchen  und  seiner  Regierung.  In  einem  Staate 
wie  in  Oesterreich,  wo  so  Vieles  fiir  die  Minorität  gelhan  wird, 
wird  auch  die  zerstreut  und  vereinzelt  unter  der  Majorität  katho- 
lischer Mitbürger  wohnende  Minorität  der  Evangelischen  Sclionung 
finden,  zumal,  da  solche  Schonung  weder  den  Staatssäckel»  noch 
auch  den  Säckel  der  einzelnen  *  Communen  irgendwie  empfindlich 
benachtheiligen  würde.* 

Die  Denkschrift  der  Generalsynode  A.  B.  vom  10.  Mai  1884 
klagt  nicht  minder  über  die  ^kaum  mehr  erträgliche  Belastung  der 
evangelischen  Glaubensgenossen  zu  Schulzweckcn*. 

Ihrer  Klage  verleiht  sie  folgenden  Ausdruck  *) : 

^Hoch  erfreulich  und  geradezu  bewunderungswürdig  war  der 
mächtige  Aufschwung,  welchen  das  öffentliche  Erziehungswesen  in 
Folge  des  Reichsschulgesetzes  vom  14.  Mai  1869  nahm,  und  niemals 
haben  wir,  weil  unser  Patriotismus  stets  grösser  war  als  unsere  Selbst- 
liebe, uns  geweigert,  den  gewaltigen  Fortschritt  in  methodischer, 
didaktischer  und  organisatorischer  Beziehung  anzuerkennen,  durch 
welchen  die  österreichischen  Volksschulen  und  Lehrerbildungsanstalten 
den  Anstalten  gleicher  Kategorien  in  den  rücksichtlich  ihres  Schul- 
wesens entwickeltsten  Culturländern  Europas  ebenbürtig  zur  Seite 
gestellt  worden  sind. 

*)  Die  vierte  Generalsynode  der  evang.  Kirche  A.  B.  etc.  etc.  v.  J.  1883,  dar- 
gcsteUt  von  J.  Koch.  Wien  1888,  pag.  148. 


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219 

^  Aber  dieselbe  Reichsschulgesetzgebung,  welche  wir  im  Interesse 
des  Gesammtvaterlandes  lebhaft  begrüssen  mussten,  hat  unsere  evan- 
gelischen Gemeindeschulen,  deren  vorzügliche  Leistungen  von  den 
staatlichen  Schulaufsichtsbehörden  bezeugt  werden,  erniedrigt  und 
mit  den  Privaterziehungsanstalten  einzelner  Geschäftsuntemehmer  auf 
eine  Stufe  gestellt.  Unsere  Lehrer  wurden  zu  Privatlehrern  degradirt, 
des  Rechtes,  in  den  Bezirks-  und  Landes-Lehrerconferenzen  mitzu- 
stimmen, entkleidet  und  von  der  Dienstaltersversorgung,  sowie  von 
der  Versorgung  ihrer  Witwen  und  Waisen  aus  öffentlichen  Mitteln 
ausgeschlossen.  Den  Mitgliedern  unserer  Schulgemeinden  endlich, 
welche  um  des  Religionsunterrichtes  für  ihre  Kinder  willen,  zu  dessen 
Ertheilung  die  genügende  Anzahl  von  Seelsorgern  nicht  vorhanden 
ist  und  welcher  bei  der  grossen  Zerstreuung  der  Wohnsitze  unserer 
evangelischen  Glaubensgenossen,  auch  wenn  die  erforderlichen  Seel- 
sorger zur  Verfügung  wären,  ohne  einen  grossen  Aufwand  von  ma- 
teriellen Mitteln,  über  welche  die  Gemeinden  abermals  nicht  ver- 
fugen, nicht  ertheilt  werden  könnte,  also  um  den  Religionsunterricht 
wenigstens  durch  die  evangelischen  Lehrer  zu  ermöglichen  und  die 
heranwachsende  Jugend  nicht  der  Religionslosigkeit  preiszugeben, 
ihre  evangelischen  Schulen  forterhalten  müssen,  wurde  der  ungerechte 
Zwang  auferlegt,  ausser  den  grossen  Opfern,  welche  sie  für  die  ihnen 
unentbehrlichen  eigenen  Schulen  bringen,  auch  zur  Erhaltung  der- 
jenigen öffentlichen  Volksschulen,  welche  von  ihren  Kindern  nicht  be- 
sucht werden,  und  zu  den  Schulbauten  fiir  dieselben,  mit  beizutragen. 

y Liegt  in  dem  letzteren  Umstände  schon  an  und  für  sich  eine 
Unbilligkeit,  so  wird  in  Rücksicht  auf  den  §  48  des  Reichsschul- 
gesetzes nach  der  durch  das  Schulgesetz  vom  2.  Mai  1883  getroffenen 
Abänderung  und  im  Zusammenhalt  mit  der  Thatsache,  dass,  bei  der 
überwiegend  katholischen  Bevölkerung  des  Reiches,  der  Charakter 
der  öffentlichen  Volksschulen,  einzelne  Ausnahmen  abgerechnet,  ein 
confessioneller,  und  zwar  katholisch-confessioneller  sein  wird,  den 
evangelischen  Glaubensgenossen  durch  die  neugeschaffenen  Verhält- 
nisse die  Pflicht  aufgebürdet,  zur  Erhaltung  von  Unterrichtsanstalten 
mit  beizutragen»  welche,  wenn  auch  nicht  direct,  so  doch  indirect 
jenen  Anstalten  beigezählt  werden  müssen,  in  Bezug  auf  welche  das 
Allerhöchste  Patent  vom  8.  April  1861  erklärt:  ,die  evangelischen 
Glaubensgenossen  können  nicht  verhalten  werden,  zu  Cultus-  und 
Unterriditszwecken  . . .  einer  anderen  Kirche  Beiträge  zu  leisten*  (§  13). 


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220 

^Doch  auch  diese  Lasten  würden  wir  gern  tragen,  auch  diese 
Opfer  im  Bewusstsein,  als  österreichische  Staatsbürger  zu  den  gemein- 
samen Lasten  aller  österreichischen  Reichsangehörigen  mit  verpflichtet 
zu  sein,  mit  Freuden  bringen,  wenn  wir  es  vermöchten.  Aber  wir 
können  es  nicht!  denn  die  evangelische  Kirche  ist  arm,  sie  verfügt 
über  keine  grossen  Stiftungen,  Güter  und  Fonde,  sie  zählt  in  ihrer 
Mitte  nur  wenige  wohlhabende  Genossen,  und  die  Erhaltung  ihrer 
Kirchen  und  die  obzwar  kärgliche  Besoldung  ihrer  Geistlichen  über- 
steigt schon  so  sehr  die  ihr  zur  Verfügung  stehenden  Mittel,  dass 
in  vielen  Gemeinden  die  Aufrechterhaltung  des  geordneten  Gottes- 
dienstes und  der  ständigen  Seelsorge  nur  mit  Hilfe  des  durch  die 
Gnade  Euer  Majestät  der  evangelischen  Kirche  verwilligten  Staats- 
unterstützungspauschales möglich  ist. 

,Die  äussere  Noth  hat  auch  bereits  nahezu  die  Hälfte  der  evan- 
gelischen Schulgemeinden,  nämlich  151  von  377,  in  die  traurige 
Nothwendigkeit  versetzt,  ihre  evangelischen  Schulen,  die  Pflegestätten 
religiöser  und  patriotischer  Gesinnung  fär  ihre  Kinder,  mit  blutendem 
Herzen  aufzulassen,  und  die  noch  bestehenden  226  evangelischen 
Volksschulen  werden  früher  oder  später  demselben  beklagenswerthen 
Geschick  anheimgegeben  sein. 

,Nur  die  unerschöpfliche  Gnade  Euer  Majestät  vermöchte  unsere 
Nothlage  zu  bannen  und,  sei  es  durch  die  Anerkennung  der  evan- 
gelischen Schulgemeinden  als  selbstständige  Schulbezirke  und  durch 
die  im  Gesetzgebungswege  zu  verfugende  Entlastung  ihrer  Mitglieder 
von  den  Beiträgen  zur  Erhaltung  der  von  ihnen  nicht  mitbenutzten 
öffentlichen  Volksschulen,  sei  es  durch  die  Gewährung  eines  Rück- 
ersatzes dieser  Beiträge  aus  Reichsmitteln  und  durch  die  Schaffung 
einer  zur  Unterstützung  armer  evangelischer  Schulen  bei  der  obersten 
evangelischen  Kirchenbehörde  zu  errichtenden  Schulunterstützimgs- 
casse,  der  evangelischen  Kirche  des  Vaterlandes  die  von  uns  heiss 
ersehnte  und  allerunterthänigst  erbetene  Hilfe  darzubieten. 

,  Euer  Majestät  wollen  kein  religionsloses  Volk,  und  die  Geschichte 
belehrt  uns,  dass  die  Grundfesten  des  Staates  wanken,  wo  das  Volk 
aufhört,  in  der  Religion  seinen  Trost  zu  suchen  und  in  der  Noth 
der  Zeit  seine  Zuflucht  zu  nehmen  zu  seinem  Gott.  Darum  aus  Liebe 
zu  unserem  Glauben  und  aus  Liebe  zum  Vaterlande  und  zur  glor- 
reichen Dynastie  Allerhöchst  Euer  Majestät  wagen  wir  es  im  Auf- 
trage der  vierten  evangelischen  Generakynode  A.  B.  und  im  Namen 


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221 

der  gesammten  evangelischen  Kirche  Oesterreichs,  Euer  Majestät 
um  Allergnädigste  Beseitigung  unseres  Schulnothstandes  in  tiefster 
Ehrfurcht  anzuflehen.* 

Daraus  ersehen  wir,  wie  gross  die  Hindernisse  sind,  auf  welche 
die  Errichtung  und  das  Gedeihen  der  evangelischen  Schulen  stossen. 
Die  Generalsynoden  konnten  nicht  anders,  als  Sr.  Majestät  diese  An- 
gelegenheit an's  Herz  zu  legen.  Wir  geben  uns  aber  mit  ihnen  der 
Hoffnung  hin,  dass  ein  allergnädigstes  Wort  aus  dem  Munde  des 
Kaisers  den  Anstoss  zu  geben  vermag,  um  die  unseren  Schulen 
geschlagene  Wunde  auf  die  Dauer  zu  heilen  oder  doch  die  Verhält- 
nisse so  zu  gestalten,  dass  sie  (iir  die  evangelischen  Schulen  und 
Schulgemeinden  wenigstens  erträglich  werden,  wie  dies  in  Schlesien, 
Dank  dem  Wohlwollen  und  der  ausserordentlichen  Munificenz  des 
dortigen  Landtages,  der  Fall  geworden  ist. 

Endlich  dürfte  auch  das  Petitum  betreffs  der  k.  k.  evangelisch- 
theologischen Facultät  die  sehnlichst  erwünschte  Erledigung 
finden.  Bereits  im  Jahre  1848  wurde  die  Einverleibung  der  theologischen 
Lehranstalt  in  den  Organismus  der  Universität  in  Aussicht  gestellt.  Der 
Entwurf  der  Grundzüge  des  öffentlichen  Unterrichtswesens  in  Oester- 
reich  —  bekanntgegeben  in  der  ,  Wiener  Zeitung*  am  21.  Juli  1848 
—  stellte  in  §  63  fest,  dass  das  protestantische  theologische  Studium 
zu  Wien  die  zweite  Abtheilung  der  theologischen  Facultät  bilden  soll  ^). 

Das  war  sicherlich  ein  schöner,  wenn  auch  —  für  Oesterreich 
wenigstens  —  etwas  kühner  Gedanke.  Es  wird  Niemanden  wundern, 
dass  derselbe  keine  Verwirklichung  gefunden.  Hingegen  wird  es 
jeder  Unbefangene  billigen,  dass  wir  wünschen,  die  evangelisch- 
theologische Facultät  möge  doch  einmal  eine  eigene  Abtheilung  der 
gesammten  Universität  bilden. 

,Man  ist  zwar  —  so  hat  sich  Professor  Dr.  Bohl  in  der  vierten 
Generalsynode  H.  B.  vom  Jahre  1883  geäussert*)  —  in  seinen 
Wünschen  zuletzt  herabgegangen  bis  zur  örtlichen  Vereinigung  der 
Facultät  mit  der  Universität,  um  nur  etwas  von  allen  einst  gehegten 
schönen  Hoffnungen  zu  retten.  Aber  auch  die  Erfüllung  dieses  letzten 
Restes   unserer  Hoffnungen   ist   durch   eine  neuerliche  Entscheidung 


*■)  Dr.  G.  Frank,  Die  k.  k.  evang.-theolog.  Facultät  in  Wien  von  ihrer  Grün- 
dung bis  zur  Gegenwart.  Wien  1871.  W.  Braumüller,  pag.  45. 

*)  Die  vierte  Generalsynode  der  evang.  Kirche  H.  B.  etc.  etc.  v.  J.  1888,  dar- 
gestellt von  J.  E.  Szalatnay.  W^ien  1888,  pag.  119. 


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222 

seitens  des  h.  Ministeriums  fiir  Cultus  und  Unterricht  abermals  in 
weite  Ferne  gerückt.  Denn  es  heisst  in  der  an  den  Oberkirchenrath 
herabgelangten  Eröffnung  des  h.  Ministeriums  vom  30.  April  1883, 
Z.  6507,  dass  in  Betreff  der  Unterbringung  der  Facultät  im  neuen 
Universitätsgebäude,  solange  dieselbe  einen  Bestandtheil  der  k.  k. 
Universität  nicht  bilde,  eine  definitive  Verfügung  nicht  getroflTen 
werden  könne.  Durch  die  Clausel  aber,  wonach  die  definitive  Ver- 
fügung von  vorausgegangener  Einverleibung  der  Facultät  abhängig 
gemacht  wird,  muss  freilich  die  an  und  für  sich  so  erfreuliche  hohe 
ministerielle  Zusage,  wonach  die  Localitäten  gleichwohl  der  Facultät 
in  dem  neuen  Universitätsgebäude  reservirt  bleiben,  als  erheblich 
abgeschwächt  erscheinen. 

^Die  traurige  Aussicht  erhebt  sich  also  vor  den  Augen  der  evan- 
gelischen Kirche  beider  Bekenntnisse,  dass  die  so  wichtige  Bildungs- 
anstalt für  die  zukünftigen  Diener  am  Worte  so  lange  vor  der  k.  k. 
Universität  wird  warten  müssen,  bis  der  Berg  jener  Schwierigkeiten, 
der  sich  seit  der  Eröffnung  dieser  Controverse  aufgethürmt  hat,  weg- 
geräumt sein  wird.  Und  nicht  ohne  Berechtigung  war  die  seufzende 
Frage,  die  sich  die  Alten  sowohl  als  die  Jüngeren  gestellt:  Wer 
wird  leben,  wenn  das  geschehen  wird? 

,Der  Nutzen  einer  wenn  auch  nur  äusserlichen  Verbindung  ist 
ein  handgreiflicher.  Es  ist  ja  auch  einem  hohen  Ministerium  nicht 
verborgen  geblieben,  dass  die  evangelisch-theologische  Wissenschaft, 
um  gedeihen  zu  können,  ein  Glied  der  Universitas  litterarum  zu 
bilden  habe.  Das  Ineinandergreifen  der  verschiedenen  Gebiete  der 
Wissenschaft  erfordert  solches.  Und  schon  der  Umstand,  dass  die 
Facultät  Staatsanstalt  ist  und  den  Namen,  sowie  die  Privilegien  der 
Facultät  besitzt,  gibt  ihr  die  Anwartschaft,  ein  Glied  der  Universitas 
litterarum  endlich  doch  zu  werden 

,  Einstweilen  wäre  schon  viel  gewonnen  für  den  Studiengang  und 
die  künftige  Geistesentwicklung  unserer  studirenden  Jünglinge,  wenn 
sie  zufolge  localer  Vereinigung  der  Facultät  mit  der  Universität  den 
übrigen  Studenten  näher  stünden.  Solche  Nachbarschaft  weckt  edlen 
Wetteifer  und  den  Wunsch,  hinter  den  Anderen  nicht  zurückzustehen.* 

Diese  Ausfuhrungen  fanden  ungetheilten  Beifall  und  die  vierte 
Generalsynode  H.  B.  beschloss  einstimmig  folgende  Resolution: 

,Ein  hohes  Ministerium  für  Cultus  und  Unterricht  geruhe  die 
Frage  der  localen  Vereinigung   der  Wiener  evangelisch-theologischen 


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223 

Facultät  mit  der  Universität  nochmals  in  Erwägung  zu  ziehen  und  in 
Anbetracht  des  grossen  Interesses  der  evangelischen  Kirche,  welches 
hier  auf  dem  Spiele  steht,  eine  bestimmte  Angabe  des  Termines,  bis 
wann  die  Einbeziehung  der  Facultät  in  das  Universitätsgebäude  zu 
erwarten  sei,  in  Aussicht  zu  stellen.* 

Die  gleichen  Anschauungen  theilte  auch  die  Generalsynode  A.  B. 

Die  räumliche  Einbeziehung  der  k/k.  evangelisch -theologischen 
Facultät  in  das  neue  Universitätsgebäude  gehört  ebenfalls  zu  den 
dringendsten  Wünschen  der  evangelischen  Kirche  A.  B. 

Die  früher  bereits  erwähnte  Denkschrift  vom  10.  Mai  1884  be- 
gründet diesen  Wunsch  in  folgender  Weise: 

,Die  von  der  dritten  evangelischen  Generalsynode  im  Jahre  1877 
an  die  R^erung  Euer  Majestät  gelangte  Bitte,  die  k.  k.  evangelisch- 
theologische Facultät,  wenn  dieselbe  auch  derzeit  der  Universität 
Wien  noch  nicht  organisch  eing^liedert  werden  könnte,  doch  wenig- 
stens räumlich  im  neuen  Universitätsgebäude  unterzubringen,  erfuhr 
durch  den  Ministerialerlass  vom  17.  Mai  1878,  Z.  6517,  die  von  der 
ganzen  evangelischen  Kirche  mit  lebhafter  Freude  begrüsste  gewäh- 
rende Erledigung,  dass  wegen  seinerzeitiger  Zuweisung  entsprechender 
Localitäten  für  die  k.  k.  evangelisch-theologische  Facultät  im  neuen 
Universitätsgebäude  bereits  Vorsorge  getroffen  sei. 

,Die  räumliche  Vereinigung  der  Facultät  mit  der  Universität 
würde  nicht  nur  zur  Hebung  des  Ansehens  der  ersteren,  welche  jetzt 
in  einem  Miethhause  nothdürftig  untergebracht  ist,  beitragen,  für  die 
evangelische  Kirche  und  die  Gesammtbevölkerung  des  Vaterlandes 
einen  neuen,  in  die  Augen  springenden  Beweis  für  das  ernste  Be- 
streben der  Regierung  Euer  Majestät  erbringen,  die  den  Evange- 
lischen gewährte  confessionelle  Gleichberechtigung  auch  im  praktischen 
Leben  durchzufuhren,  sondern  auch  die  Studirenden  der  evangelischen 
Theologie  in  die  Möglichkeit  versetzen,  mit  ihrem  theologischen  Studium, 
wie  es  das  Interesse  der  evangelischen  Kirche,  welche  einen  Werth 
darauf  l^t,  philosophisch  gebildete  Geistliche  zu  besitzen,  erfordert, 
auch  das  Hören  philosophischer  CoUegien  zu  verbinden. 

,Um  so  peinlicher  musste  darum  die  der  evangelischen  Kirche 
durch  den  Erlass  des  hohen  k.  k.  Ministeriums  für  Cultus  und  Unter- 
richt vom  30.  April  1883,  Z.  6507,  bereitete  Enttäuschung  sein,  als 
durch  diesen  Ministerialerlass  dem  k.  k.  evangelischen  Oberkirchen- 
rathe  eröffnet  wurde,  dass  in  Betreff  der  Unterbringung  der  evangelisch- 

Jahrbuch  des  Protestantismiu  1888.  H.  IV.  \Q 


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224 

theologischen  Facultät  im  neuen  Universitätsgebäude,  so  lange  die- 
selbe einen  Bestandtheil  der  k.  k.  Universität  nicht  bildet,  eine  de- 
finitive Verfügung  nicht  getroffen  werden  könne. 

,Hat  sich  die  hohe  Regierung  Euer  Majestät  vorher  auf  den 
Standpunkt  gestellt,  dass  zwar  die  Eingliederung  der  evangelisch- 
theologischen Facultät  in  den  Organismus  der  Wiener  Universität 
nicht  thunlich  erscheine,  jedoch  gegen  die  Unterbringung  der  Facultät 
in  den  Räumen  des  Universitätsgebäudes  kein  Anstand  obwalte,  so 
wird  neuerlich  die  Erfiillung  des  letzteren,  bereits  in  bindender  Weise 
gegebenen  Versprechens  für  insolange  verweigert,  als  nicht  die  vordem 
für  unmöglich  erklärte  Incorporirung  der  Facultät  in  die  Universität 
vollzogen  worden  wäre. 

,  Indem  wir  den  Schmerz  der  vierten  Generalsynode  über  diese 
der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  zu  Theil  gewordene  Demüthi- 
gung  vor  Euer  Majestät  kundzugeben  uns  erlauben,  wagen  wir  es, 
Namens  dieser  Kirche  Eure  Majestät  allenmterthänigst  zu  bitten.  Eure 
Majestät  geruhen  zu  befehlen,  dass  der  durch  das  Allerhöchste  Patent 
vom  8.  April  1861,  R.-G.-Bl.  Nr.  41,  zum  Staatsgesetz  erhobene 
Wille  Euer  Majestät,  Allerhöchstdero  evangelischen  Staatsbürgern  die 
principielle  Gleichheit  vor  dem  Gesetz  ^auch  hinsichtlich  der  Be- 
ziehungen ihrer  Kirche  zum  Staate  in  unzweifelhafter  Weise  zu  ge- 
währleisten*, auch  rücksichtlich  der  k.  k.  evangelisch-theologischen 
Facultät  verwirklicht  werde.* 

Die  Generalsynoden  bescheiden  sich  bereits  mit  der  localen  Ver- 
einigung ;  wir  hingegen  hoffen,  dass  ihre  Bitte  mit  der  Einverleibung 
wird  beantwortet  werden. 

Jedenfalls  legen  wir  alle  diese  Wünsche  ehrerbietig  und  zuver- 
sichtsvoll an  den  Stufen  des  Thrones  nieder.  Mögen  sich  auch  Berge 
von  Schwierigkeiten  dagegen  aufthürmen,  die  Berge  werden  weichen. 
Wir  sind  überzeugt,  dass  es  der  Weisheit  des  Kaisers  wohl  gelingen 
wird,  seinem  hochherzigen  Wohlwollen  Genüge  zu  leisten.  Die  bereits 
gewährten  Freiheiten  verbürgen  uns  die  noch  ausständigen  Gerecht- 
samen. Zumal  Se.  Majestät  wiederholt  zu  äussern  geruhte,  dass  ihm 
das  Wohl  der  evangelischen  Kirche  sehr  am  Herzen  liege. 

II. 
Die   verschiedenen  Ansprachen,   welche   Se.  Majestät   bei   feier- 
lichen Veranlassungen   an    die  Vertreter   der   evangelischen    Kirchen 


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225 

und  Gemeinden  zu  richten  geruhte,   legen  von  diesem  Allerhöchsten 
Wohlwollen  ein  beredtes  und  erfreuliches  Zeugniss  ab. 

Als  die  erste  vereinigte  Synode  A.  und  H.  B.  vom  Jahre  1864 
Sr.  Majestät  ihren  warmen  und  ehrfurchtsvollen  Dank  darbrachte 
für  Verleihung  des  A.  h.  Patentes  vom  8.  April  1861,  für  die  wohl- 
wollende Gesinnung  der  Staatsregierung  gegen  die  evangelische  Kirche 
überhaupt  und  insbesondere  für  die  huldvolle  Ermöglichung  und  Ein- 
berufung der  Synode,  drückte  Se.  Majestät  der  Kaiser  seine  Freude 
aus  über  das  Tagen  der  ersten  Generalsynode  und  erklärte,  es  sei 
sein  lebhafter  Wunsch,  dass  seine  Protestanten  die  ihnen  verliehenen 
Rechte  und  Freiheiten  ungeschmälert  geniessen  *).  . 

Die  zweite  Generalsynode  A.  B.  vom  Jahre  1871  überbrachte 
ebenfalls  Sr.  Majestät  den  Ausdruck  des  Gefühles  tiefster  Ehrfurcht, 
des  Dankes  und  der  patriotischen  Hingebung,  und  auch  diesmal  ge- 
ruhte der  Kaiser  seine  Freude  darüber  auszusprechen,  dass  die 
Glieder  der  evangelischen  Synode  A.  B.  wieder  in  Berathung  ihrer 
wichtigen  Angelegenheiten  versammelt  seien,  beglückwünschte  das 
Bestreben  der  Generalsynode  und  versicherte  die  Deputation  seiner 
Huld  für  die  evangelische  Sache*). 

In  ähnlicher  Weise  versicherte  Se.  Majestät  auch  die  Deputation 
der  Generalsynode  H.  B. ,  dass  es  ,Ihn  ganz  besonders  freuen 
werde,  wenn  Er  etwas  zum  Wohle  der  evangelischen  Kirche  thun 
könne*  •). 

Die  dritte  Generalsynode  A.  B.  vom  Jahre  1877  musste  sich 
damit  begnügen  —  da  Se.  Majestät  in  Gödöllö  residirte  —  den 
Ministerpräsidenten  zu  ersuchen,  die  patriotische  Gesinnung  der  Synode 
Sr.  Majestät  dem  Kaiser  zu  übermitteln.  Aber  auch  diese  Kund- 
gebung loyaler  und  treuergebener  Gesinnung  wurde  wohlgefällig  von 
Sr.  Majestät  zur  Kenntniss  genommen,  —  laut  Mittheilung  des  hohen 
Ministerpräsidiums  *). 


*)  Die  erste  Generalsynode    der    evang.  Kirche  A,    und   H.  B.    in   den    deutsch- 
slavischen  Ländern  Oesterreichs.  Wien  1864,  pag.  XII  u.  XIX. 

•)  Die  zweite  Generalsynode   der  evang.  Kirche  A.  B.    etc.,    herausgegeben    von 
Dr.   B.  Czerwenka.  Wien  1872,  pag.  11. 

•)  Die  zweite  Generalsynode  der  evang.  Kirche  A.  und  H.  B.  etc.,  Synodalblatt. 
C.  Helf.  Wien  1871,  pag.  163. 

*)  Die    dritte    Generalsynode     der   evang.    Kirche    A.  B.    etc.,     dargestellt     von 
Dr.  Theodor  Haase.  Wien  1880,  pag.  124. 

16» 


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226 

In  der  gleichen  Weise  wurde  der  Dank  der  Generalsynode  H.  B. 
übermittelt  und  erwidert  ^). 

Glücklicher  war  die  vierte  Generalsynode  A.  B.  vom  Jahre  1883. 
Die  Deputation  wurde  von  Sr.  Majestät  in  besonderer  Audienz  em- 
pfangen und  vernahm  als  Erwiderung  auf  die  Ansprache  des  Präsi- 
denten folgende  huld-  und  bedeutungsvolle  Worte:  ,Es  freut  Mich. 
die  Versicherung  der  Treue  und  Loyalität  der  Synode  und  durch 
diese  sämmtlicher  Staatsbürger  evangelischen  Bekenntnisses  entgegen- 
zunehmen. Die  evangelische  Kirche  mag,  wie  bisher,  so  auch  ferner- 
hin Meines  väterlichen  Schutzes  gewiss  sein*  *). 

Die  Deputation  der  Generalsynode  H.  B.  konnte  erst  nach 
Schluss  der  Synodal-Sitzungen  den  Ausdruck  unverbrüchlicher  Treue 
und  aufrichtiger  Anhänglichkeit  an  den  Kaiser  und  das  Kaiserhaus 
an  den  Stufen  des  Thrones  niederlegen  und  wurde  ebenfalls  äusserst 
huldvoll  von  Sr.  Majestät  empfangen  *). 

Einen  kräftigeren  und  nachhaltigeren  Wiederhall  fanden  in  den 
Herzen  aller  Protestanten  Oesterreichs  die  denkwürdigen  Worte,  mit 
welchen  Se.  Majestät,  zu  wiederholten  Malen,  den  k.  k.  evangelischen 
Oberkirchenrath  A.  und  H.  B.  erfreut  hat. 

Aus  Anlass  des  25jährigen  Regierungsjubiläums  wurde  dem 
Kaiser  eine  Huldigungsadresse  des  k.  k.  evangelischen  Oberkirchen- 
rathes  A.  und  H.  B.  im  Wege  des  k.  k.  Ministeriums  für  Cultus  und 
Unterricht  übermittelt.  Diese  loyale  Kundgebung  geruhte  Se.  Majestät 
mit  , besonderer  Befriedigung  zur  Kenntniss  zu  nehmen*.  (Erlass  des 
k.  k.  Ministeriums  vom  30.  D.ecember  1873.) 

Im  Jahre  1878  konnte  der  k.  k.  Oberkirchenrath  in  einer  Privat- 
audienz Sr.  Majestät  die  innigste  und  aufrichtigste  Theilnahme  an  dem 
schweren,  ja  unersetzlichen  Verluste,  der  Se.  Majestät  durch  den 
Tod  A.  h.  seines  erlauchten  Herrn  Vaters,  Sr.  k.  und  k.  Hoheit  des 
Herrn  Erzherzogs  Franz  Carl,  getroffen  hat,  kundgeben.  Der 
Kaiser  geruhte  ,  unter  den  zahlreichen  Beweisen  von  Theilnahme. 
die   ihm    in    den   letzten   Tagen    geworden,    auch   diese    als    wohl- 


*)  Die  dritte  Generalsynode  der  evang.  Kirche  H.  B.  etc.,  dargestellt  von  J,  E, 
Szalatnay.  Wien  1883,  pag.  12. 

")  Die  vierte  Generalsynode  der  evang.  Kirche  H.  B.  etc.,  dargestellt  von  J.  Koch. 
Wien  1888,  pag.  12. 

■)  Die  vierte  General"5ynode  der  evang.  Kirche  H.  B.  etc.,  dargestellt  von  J.  E. 
Szalatnay.  Wien  1888,  pag.   15. 


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227 

thuend  für  sein  Herz  zu  bezeichnen  und  dafür  dankend  die  Ueber- 
zeugung  auszusprechen,  dass  et  in  bösen  und  guten  Tagen  auf  seine 
evangelischen  Unterthanen  zählen  könne*  *). 

Anlässlich  der  silbernen  Vermählungsfeier  im  Jahre  1879  durfte 
der  k.  k.  Oberkirchenrath  mit  den  Obmännern  der  Synodal-Aus- 
schüsse  A.  und  H.  B.  in  einer  allerunterthänigsten  Huldigungs-  und 
Beglückwünschungsadresse  bleibenden  Ausdruck  verleihen  ,den  Ge- 
fühlen der  Freude,  des  Dankes  und  der  unverbrüchlichen  Treue,  die 
am  Jubelfeste  des  25.  Jahrestages  der  Vermählung  Ihrer  Majestäten 
die  Brust  aller  Evangelischen  bewegen  und  in  heissen  Gebeten  für 
das  Wohlergehen  Ihrer  Majestäten  zu  Gott  emporsteigen*. 

Diese  Adresse  wurde  von  Sr.  Majestät  mit  einer  herzgewinnen- 
den Huld  und  bedeutungsvollen  Anerkennung  für  die  evangelischen 
Gemeinden  und  Corporationen  erwidert. 

Seine  k.  und  k.  apostolische  Majestät  sprach: 

,Mit  Wohlgefallen  nehme  Ich  und  die  Kaiserin  die  Glückwünsche 
auf,  welche  der  Oberkirchenrath  als  Vertreter  beider  Confessionen 
der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich  zur  Feier  Unserer  silbernen 
Hochzeit  mit  dem  Ausdrucke  seiner  treuen  Ergebenheit  Uns  darbringt. 

Die  evangelischen  Gemeinden  und  Corporationen,  Ich  erkenne 
es  gerne  an,  haben  immer  treu  zu.  Mir  und  zum  Reiche  gestanden 
und  ihre  patriotische  Gesinnung  vielfach  in  sprechendster  Weise  an 
den  Tag  gelegt. 

Nehmen  Sie,  geehrte  Herren,  Meinen  und  der  Kaiserin  Dank 
für  Ihre  herzlichen  Wünsche  zu  Unserem  Familienfeste*).* 

In  gleicher  Weise  wurde  Sr.  Majestät  im  Jahre  1881  anlässlich 
der  100jährigen  Jubelfeier  des  Toleranzpatentes  eine  Huldigungs- 
adresse überreicht. 

Damals  erwiderte  der  Kaiser: 

,Mit  Wohlgefallen  nehme  Ich  die  Versicherungen  des  Dankes 
und  der  unverbrüchlichen  Treue  auf,  welche  Sie,  als  Vertreter  der 
evangelischen  Kirche  und  namens  aller  evangelischen  Glaubens- 
genossen A.  und  H.  B.,  aus  Anlass  der  Säcularfeier  des  Toleranz- 
patentes, zum  Ausdrucke  gebracht  haben. 

1)  Sammlung  der  allgemeinen  kirchlichen  Verordnungen  des  k.  k.  evang.  Ober- 
kirchenrathes.  1878.  Jahrgang  V,  Heft  I,  Nr.  29,  pag.  43. 

*)  Sammlung  der  allgem.  kirchl.  Verordnungen  des  k.  k.  evang.  Oberkirchen- 
rathes  A.  und  H.  B.  1879.  Jahrg.  VI,  Heft  I,  Nr.  68,  pag.  119. 


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228 

Ich  bin  überzeugt,  dass  die  evangelische  Kirche,  deren  Wohl 
Mir  sehr  am  Herzen  liegt,  ihre  Anhänglichkeit  an  Mich  und 
Mein  Haus,  wie  bisher,  auch  jederzeit  bewahren  wird. 

Empfangen  Sie,  geehrte  Herren,  für  Ihre  loyale  Kundgebung 
Meinen  herzlichen  Dank  und  entbieten  Sie  Ihren  Glaubensgenossen 
Meinen  kaiserlichen  Gruss*).* 

Gleiche  Gefühle  der  Freude  und  des  Dankes  erweckten  bei  allen 
Evangelischen  auch  die  Worte,  mit  welchen  Se.  Majestät  die  Depu- 
tation vom  Jahre  1886  beglückte.  In  Erwiderung  auf  die  anlässlich 
der  25jährigen  Jubelfeier  des  Protestanten-Patentes  überreichte  Adresse 
sprach  der  erhabene  Schutz-  und  Schirmherr  unserer  evangelischen 
Kirche : 

,Mit  Wohlgefallen  nehme  Ich  den  Ausdruck  unerschütterlicher 
Treue  und  Anhänglichkeit  von  Ihnen,  als  den  legalen  Vertretern  der 
evangelischen  Kirche  Augsburgischer  und  Helvetischer  Confession, 
entgegen. 

Es  gereicht  Mir  zur  besonderen  Befriedigung,  bei  diesem  Anlasse 
der  stets  loyalen,  massvollen  Haltung  anerkennend  zu  gedenken, 
durch  welche  sich  die  Angehörigen  beider  evangelischen  Bekenntnisse 
der  ihnen  gesetzlich  gewährleisteten  Rechtsgleichheit  und  Freiheit  voll- 
kommen würdig  erwiesen  haben. 

Versichern  Sie  daher  Ihre  Glaubensgenossen  Meiner  fortdauernden 
Huld  und  Fürsorge*).* 

Aelmliche  Kundgebungen  , fortdauernder  Huld  und  Fürsorge* 
verzeichnen  mit  Dankbarkeit,  nebst  der  k.  k.  evangelisch-theologischen 
Facultät,  auch  die  einzelnen  Gemeinden,  deren  Vertreter  die  Ehre 
hatten,  vor  Sr.  Majestät  zu  erscheinen. 

Anlässlich  der  Verlobung  Sr.  k.  und  k.  Hoheit  des  Kronprinzen 
Erzherzogs  Rudolf  wurde  am  8.  April  1880  eine  Deputation  der 
Facultät  behufs  Entgegennahme  der  ehrfurchtsvollen  Glückwünsche 
huldvollst  empfangen.  Der  Kaiser  erkundigte  sich  angelegentlich  über 
die  Verhältnisse  der  Facultät  und  nahm  die  Auskünfte  über  den 
theologischen  Studiengang,  die  Zahl  der  Hörer  etc.  mit  sichtlidiem 
Wohlgefallen  entgegen. 


^)  Sammlung  der  allgem.  kirchl.  Verordnungen  etc.  1881.  Jahrgang  VIII,  Heft  I, 
Nr.  13,  pag.  26. 

*)  Sammlung  der  allgem.  kirchl.  Verordnungen  etc.  1886.  Jahrgang  XIII,  Heft  l 
Nr.  2,  pag.  2. 


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229 

Bei  seiner  Anwesenheit  in  Pola  im  Jahre  1875  empfing  der 
Kaiser  auch  das  evangelische  Presbyterium  auf  das  Huldvollste  und 
versicherte  dasselbe,  dass  Er  das  Wohl  der  Gemeinde  stets  am 
Herzen  tragen  werde.  Dieselbe  Aufnahme  und  Versicherung  wurde 
dem  dortigen  Presbyterium  noch  ein  zweites  Mal  im  Jahre  1882 
zu  Theil. 

Die  evangelische  Gemeinde  von  Görz  hatte  sich  in  den  Jahren  1875 
und  1882  der  gleichen  Auszeichnung  zu  erfi-euen.  Die  kurze  Ansprache 
des  evangelischen  Pfarrers  geruhte  Se.  Majestät  1882  mit  der  erneuer- 
ten Versicherung  unabänderlicher  kaiserlicher  Huld  für  die  Gemeinde, 
wie  für  die  ganze  evangelische  Kirche  Oesterreichs,  zu  erwidern. 

Teplitz  i.  B.  hebt  dankbar  hervor,  dass  bei  mehrfacher  Anwesen- 
heit Sr.  Majestät  daselbst  und  zuletzt  im  August  des  Jahres  1878 
Pfarrer  und  Presbyter  sich  der  wohlwollendsten  Entgegennahme  ihrer 
Begrüssung  und  Segenswünsche  erfreuen  durften. 

Am  11.  Juni  1880  empfing  Se.  Majestät  in  Brunn  die  Deputation 
der  evangelischen  Gemeinde,  pries  die  Schönheit  der  Kirche,  welche 
er  1866  besichtigt  hatte,  erkundigte  sich  eingehend  über  die  Ver- 
hältnisse der  Gemeinde,  insbesondere  um  deren  Schule,  dankte  für 
den  Antheil,  welchen  die  Gemeinde  an  dem  so  überaus  herzlichen 
Empfang,  der  ihm  zu  Theil  geworden,  genommen  hatte,  und  stellte 
den  Evangelischen  Oesterreichs  das  Zeugniss  aus,  dass  sie  stets 
treu  und  loyal  zum  Kaiserhause  und  zum  österreichischen  Vater- 
lande gestanden. 

Ende  August  1880  empfing  Se.  Majestät  zu  Olmütz  im  erz- 
bischöflichen Palais  die  Vertreter  der  evangelischen  Gemeinde  und 
erkundigte  sich  eingehend  über  die  Dienstverhältnisse  des  Pfarrers,  dessen 
frühere  Anstellungen  wie  über  die  Lage  der  gesammten  Pfarrgemeinde. 

Anlässlich  der  A.  h.  Reise  durch  Schlesien,  im  Jahre  1880,  wurde 
den  Vertretern  von  mehreren  evangelischen  Gemeinden  die  Gelegen- 
heit geboten,  die  Leutseligkeit  und  das  väterliche  Wohlwollen  Sr.  Ma- 
jestät zu  bestätigen. 

In  Alexanderfeld  erkundigte  sich  Se.  Majestät  nach  dem  Zu- 
stande der  Kirchengemeinde. 

In  Bielitz  versicherte  der  Kaiser  die  evangelische  Deputatton, 
ydass  es  Ihn  freue,  die  Vertreter  einer  Gemeinde  vor  sich  zu  sehen, 
welche  stets  eine  patriotische  Gesinnung  und  aufrichtige  Loyalität 
bewiesen  habe*. 


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230 

In  Troppau  erwiderte  der  Monarch  auf  die  Ansprache  des 
Pfarrers : 

,Ich  danke  Ihnen  und  freue  Mich,  die  Herren  bei  Mir  zu  sehen. 
Sie  können  sich  Meines  kaiserlichen  Schutzes  und  steter  Fürsorge 
versichert  halten,  ebenso  wie  Ich  von  Ihrem  Patriotismus  und  Ihrer 
treuen  Hingebung  überzeugt  bin.* 

Se.  Majestät  unterhielt  sich  sodann  mit  jedem  Einzelnen  und  ent- 
liess  schliesslich  die  Deputation  mit  den  Worten:  ,Ich  bin  sehr  gern 
nach  Troppau  gekommen.  Ich  habe  Mich  über  den  herzlichen 
Empfang  sehr  gefreut.     Ich  danke  Ihnen  nochmals,    meine  Herren.* 

Die  Vertreter  der  evangelischen  Gemeinde  von  Salzburg  ver- 
sicherte Se.  Majestät  am  3.  August  1881,  dass  er  beim  Vorüber- 
fahren mit  Wohlgefallen  gesehen,  dass  die  Gemeinde  eine  schöne 
Kirche  besässe,  die  schon  ganz  vollendet  sei,  und  mit  Freuden  ver- 
nommen habe,  dass  die  Gemeinde  nicht  mehr  unter  Schuldenlasten 
seufze. 

Am  7.  August  des  gleichen  Jahres  wurden  zu  Bregenz  Pfarrer 
und  Presbyter  zum  Empfange  am  A.  h.  Hoflager  beschieden.  Der 
Monarch  erkundigte  sich  angelegentlich  über  die  Lage  der  Prote- 
stanten in  Vorarlberg,  ihrer  Kirchen  und  Schulanstalten  und  nahm  in 
der  huldvollsten  Weise  die  Bescheide  des  Presbyteriums  entgegen. 
Anlässlich  der  Vollendung  und  Eröffnung  der  Arlbergbahn  erwuchs 
am  20.  September  1884  der  Landeshauptstadt  Bregenz  abermals  die 
Freude,  den  Träger  der  Krone  in  ihren  Mauern  empfangen  zu  dürfen. 
Auch  diesmal  wurden  Pfarrer  und  Presbyter  zu  Sr.  Majestät  beschieden 
und  in  leutseliger  Weise  über  die  Fortentwicklung  der  evangelischen 
Gemeinde  befragt. 

Bei  dem  Pfarrer  von  Marburg,  welcher  am  10.  Juli  1883  im  fiirst- 
bischöflichen  Palais  von  Sr.  Majestät  empfangen  wurde,  erkundigte 
sich  Se.  Majestät  gleichfalls  über  die  Angelegenheiten  der  evange- 
lischen Gemeinde. 

In  Laibach,  wo  Se.  Majestät  am  11.  Juli  1883,  anlässlich  der 
Gedenkfeier  der  600jährigen  Vereinigung  Krains  mit  Oesterreich,  ver- 
weilte, erwiderte  der  Kaiser  die  huldigende  Ansprache  des  Pfarrers 
und  Führers  der  evangelischen  Gemeinde-Deputation  mit  folgenden 
Worten : 

,Ich  empfange  mit  Wohlgefallen  die  Huldigung  der  evangelischen 
Gemeinde  Laibach. 


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231 

, Mögen  die  Wünsche,  die  Sie  für  Mich  und  Mein  Haus  zum 
Himmel  senden,  beim  Allmächtigen  Erhöning  finden  und  auch  Sie 
und  Ihre  Gemeinde  seines  reichsten  Segens  theilhaftig  werden. 

,Mein  väterliches  Wohlwollen  wird  der  loyalen  evangelischen 
Gemeinde  Laibach  immer  gewahrt  bleiben.* 

In  Innsbruck  wurden  Pfarrer  und  Curator  1884  in  allgemeiner, 
1885  in  besonderer  Audienz  empfangen.  Beidemale  in  huldvoller  Weise. 

In  Pilsen  versicherte  Se.  Majestät  am  30.  August  1885  die  Huldi- 
gungsdeputation der  evangelischen  Gemeinde  in  warmen  Worten, 
dass  Ihm  das  Wohl  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich,  von 
deren  Loyalität  Er  vollkommen  überzeugt  sei,  sehr  am  Herzen  liege, 
erkundigte  sich  eingehend  über  die  Verhältnisse  der  Gemeinde  und 
zeichnete  jedes  Mitglied  besonders  mit  freundlichen  Worten  aus. 

Mit  derselben  Leutseligkeit  wurden  auch,  bei  dem  A.  h.  Besuche 
von  Galizien,  die  Vertreter  der  evangelischen  Gemeinde  von  Radautz, 
am  28.  Juli  dieses  Jahres,  von  Sr.  Majestät  empfangen. 

Und  nicht  blos  die  Corporationen,  auch  die  einzelnen  Würden- 
träger der  evangelischen  Kirche  erfuhren    die  gleiche  Freundlichkeit, 

Bei  den  A.  h.  Reisen  durch  die  verschiedenen  Kronländer  wurden 
regelmässig  auch  die  evangelischen  Pfarrer,  wie  z.  B.  in  Bregenz, 
Innsbruck,  Laibach,  Pilsen,  Troppau,  zur  Hoftafel  herangezogen  und 
mitunter  sogar  über  persönliche  Verhältnisse  in  der  liebenswürdigsten 
Weise  befragt. 

Charakteristisch  ist  folgende  Episode: 

Am  28.  Juni  1875  fand  auf  dem  Bahnhofperron  zu  Eger  eine 
Begegnung  statt  zwischen  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  Franz  Josef  I.  und 
weiland  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  Alexander  II.  von  Russland.  Bei 
dieser  festlichen  Gelegenheit  waren  auch  der  Pfarrer  und  der  Curator 
der  evangelischen  Gemeinde  zum  Empfange  Sr.  Majestät-  officiell  mit 
geladen.  Vor  der  Ankunft  des  russischen  Hofzuges  nahm  Se.  Majestät 
die  Vorstellung  entgegen.  Wegen  Kürze  der  Zeit  waren  Ansprachen 
nicht  gestattet.  Se.  Majestät  aber  geruhte  den  Pfarrer  nach  dem 
Stande  der  Gemeinde,  ihrer  Confession,  ihrer  Seelenzahl  und  ihrer 
sonstigen  Verhältnisse  zu  fragen  und  sagte  unter  Anderem  wörtlich: 
^Sie  grenzen  mit  Asch.  Ich  weiss,  da  wohnen  die  evangelischen 
Glaubensgenossen  A.  B.  dicht  beisammen.  Sie  haben  eine  neue 
Kirche?*  ,Ja,  Majestät,*  erwiderte  der  Pfarrer,  ,auch  ein  neues  Pfarr- 
haus,   ein  neues  Schulhaus,    und    vor   wenigen  Tagen   haben   wir   in 


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232 

Franzensbad  den  Grundstein  einer  neuen  Kirche  gelegt*.  Hierauf  be* 
merkte  Se.  Majestät:  ,Das  geht  ja  recht  vorwärts,  das  freut  mich.* 
Als  sodann  der  russische  Hofzug  eingefahren  war,  beschied  der  Kaiser 
mit  den  beiden  Vertretern  der  katholischen  Kirche  auch  den  evan- 
gelischen Pfarrer  in  seine  Nähe,  welche  Auszeichnung  nur  noch  dem 
Statthalter  von  Böhmen  und  dem  Vice-Präsidenten  der  Statthalterei 
zu  Theil  geworden  war.  Se.  Majestät  stellte  dann  die  Herren  dem 
Kaiser  von  Russland  vor  mit  den  Worten:  ,Mein  Statthalter  von 
Böhmen,  Mein  Vice-Statthalter  und  die  hochwürdige  Geistlichkeit,  die 
zu  Meiner  ßegrüssung  erschienen  ist.* 

Mit  Freuden,  mit  Dankbarkeit  verzeichnen  wir  die  verschiedenen 
Aussprüche  und  Beweise  kaiserlicher  Huld.  Sie  beleuchten  wohl 
aufs  Beste  das  väterliche  Wohlwollen,  das  lebhafte  Interesse 
Sr.  Majestät  für  die  evangelische  Sache  und  kennzeichnen  den 
Monarchen  als  treuen  Schutz-  und  Schirmherrn  der  protestantischen 
Kirche. 

Dafür  will  auch  der  Kaiser  anerkannt  werden.  Das  bezeugen 
schliesslich  sowohl  die  Besuche,  womit  Se.  Majestät  evangelische 
Kirchen  und  Schulanstalten  ausgezeichnet,  als  die  zahlreichen  Unter- 
stützungen, welche  armen  Witwen  und  Waisen  von  evangelischen 
Pfarrern  und  Lehrern,  wohlthätigen  Vereinen  und  nothleidenden  Ge- 
meinden allergnädigst  bewilligt  worden  sind. 

III. 

Den  ersten  Besuch  einer  evangelischen  Kirche  seitens  Sr.  Ma- 
jestät verzeichnet  Brunn.  Es  w^r  am  18.  October  1866.  Die  evan- 
gelische Christuskirche  —  eine  monumentale  Zierde  der  Landeshaupt- 
stadt Mährens  —  war  damals  im  Innern  noch  nicht  vollendet.  Den- 
noch geruhte  Se.  Majestät  dieselbe  zu  besuchen  und  sich  lobend  zu 
äussern  über  den  ganzen  Bau,  dessen  edle  Einfachheit,  insbesondere 
aber  über  den  mit  Fresco-Malerei  geschmückten  Altar,  sowie  über  die 
freundliche  Wirkung  der  bunten  Glasfenster.  —  Wir  haben  schon 
früher  erwähnt,  wie  lebhaft  der  Kaiser  sich  noch  im  Jahre  1880 
dieses  Besuches  erinnerte. 

Der  im  Brünner  Senioratssprengel  gelegenen  Gemeinde  Datschitz- 
Gross-Lhota  wurde  eine  andere  Auszeichnung  zu  Theil.  Das  Pres- 
byterium  hatte  im  Jahre  1877  Se.  Majestät  gebeten,  die  neuerbaute 
Kirche,  als  einen  Votivbau  errichtet,  zum  Andenken  an  die  Befreiung 


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233 

Sr.  Majestät  aus  Mörderhand  (1853)  anzunehmen,  und  Se.  Majestät 
geruhte  mit  A.  h.  EntSchliessung  vom  24.  August  ,den  Ausdruck 
der  Anhänglichkeit  der  evangelischen  Kirchengemeinde  A.  C.  zu 
Gross-Lhota  mit  Wohlgefallen  zur  Kenntniss  zu  nehmen  und  die 
angesuchte  Bewilligung  allergnädigst  zu  ertheilen*. 

Hoch  beglückt  wurden  1880  die  evangelischen  Gemeinden  von 
Lemberg,  Teschen  und  Bielitz. 

In  Lemberg  erfolgte  die  Besichtigung  der  Kirche  —  bei  Ge- 
legenheit des  Besuches  der  gegenüberliegenden  städtischen  Elisabeth- 
schule —  ganz  unerwartet,  also  wohl  in  Folge  eines  ausdrücklichen 
Befehles  Sr.  Majestät. 

In  Teschen  wurde  Se.  Majestät  vor  dem  Altare  des  schön  ge- 
schmückten und  dicht  besetzten  Gotteshauses  von  einem  der  dortigen 
Pfarrer  begrüsst,  worauf  der  Kaiser,  sichtlich  bewegt,  in  huldvollster 
Weise  antwortete. 

In  Bielitz  besichtigte  Se.  Majestät  die  evangelische  Lehrerbildungs- 
anstalt, nahm  die  Vorstellung  des  gesammten  Lehrkörpers  an  und 
erwiderte  mit  gnädigen  Worten  die  Ansprache  eines  Lehramtszög- 
lings. Auch  geruhte  Se.  Majestät  über  die  gerade  im  Umbau  begriffene 
Kirche,  welche  er  von  der  Anstalt  aus  gesehen,  verschiedene  Fragen 
zu  stellen.  Nachdem  der  Kaiser  seinen  Namen  in  das  Gedenkbuch 
der  Anstalt  eingezeichnet  hatte,  verabschiedete  er  sich  in  huldvollster 
Weise.  Zur  Erinnerung  an  diesen  Besuch  Hess  die  Gemeinde  im 
Treppenhause  eine  Gedenktafel  anbringen  mit  folgender  Inschrift  in 
goldenen  Lettern:  ,Zur  Erinnerung  an  den  Besuch  Sr.  Majestät 
des  Kaisers  Franz  Josef  I.  am  20.  October  1880/  Die  Feder,  mit 
welcher  Se.  Majestät  seinen  Namen  eingezeichnet  hatte,  wird  im 
Seminar- Archiv  aufbewahrt. 

In  Bregenz  besuchte  der  Kaiser  am  8.  August  1882  um  67«  Uhr 
Früh  die  evangelische  Kirche,  gefolgt  von  den  Hofwürdenträgern  und 
mehreren  k.  k.  höheren  Staatsbeamten.  Am  Hauptportale  wurde 
Se.  Majestät  vom  Pfarrer  und  vom  Presbyterium  empfangen  und  in 
das  Innere  der  Kirche  geleitet.  Der  Kaiser  betonte  bei  diesem  Be- 
suche den  wohlthuenden  Eindruck,  den  das  schöne  Gotteshaus  hervor- 
ruft, erkundigte  sich  des  Näheren  über  dessen  Entstehung  und  ver- 
liess  nach  einem  viertelstündigen  Aufenthalte,  sichtlich  befriedigt,  die 
geweihten  Räume,  während  die  Orgel  die  Volkshymne  spielte. 


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234 

Endlich  geruhte  Se.  Majestät  der  Trauerfeier,  welche  für  weiland 
Se.  Majestät  den  deutschen  Kaiser  Wilhelm  I.,  am  16.  März  1888,  in 
der  evangelischen  Kirche  A.  C.  von  Gumpendorf  in  Wien  stattfand, 
persönlich  beizuwohnen  und  seine  A.  h.  Befriedigung  über  die  würdige 
Feier  auszudrücken. 

Solche  Auszeichnungen  haben  ihre  grosse  Bedeutung  für  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  in  Oesterreich.  Sie  tragen  un- 
endlich viel  dazu  bei,  das  Ansehen  unserer  Kirche  zu  heben  und  die 
Vorurtheile  der  Menge  zu  bekämpfen. 

Als  der  Kaiser  das  evangelische  Gotteshaus  betrat,  um  der 
oben  erwähnten  Trauerfeier  beizuwohnen,  bemerkte  eine  schlichte 
Frau  aus  dem  Volke  in  naiver  Weise:  ,Ich  hätte  nicht  geglaubt, 
dass  der  Kaiser  die  Protestanten  so  achte.*  Wie  Viele  unserer  katho- 
lischen Mitbürger  mögen  ähnliche  Gedanken  hegen!  Des  Kaisers 
Huld  trägt  dazu  bei,  allerlei  Vorurtheile  zu  beseitigen. 

Doch  damit  ist  die  Reihe  der  A.  h.  Gnadenacte  noch  nicht  er- 
schöpft. 

Arme  Witwen  und  Waisen  von  evangelischen  Pfarrern  und  Lehrern, 
wohlthätige  Vereine  und  Anstalten,  bedrängte,  mittellose  Kirchen- 
und  Schulgemeinden  hören  nicht  auf,  die  ,  fortdauernde  Huld  und  Für- 
sorge* Sr.  Majestät  zu  rühmen. 

Es  widerstrebt  uns,  die  persönlichen  Hilfsleistungen  zu  ver- 
zeichnen. Wir  furchten  die  schuldige  Pietät  nach  oben  wie  nach 
unten  zu  verletzen. 

Was  jedoch  die  Jahresberichte  den  Vereinsmitgliedem  mittheilen, 
dürfen  wir  einem  weiteren  Leserkreise  nicht  vorenthalten.  Sie  werden 
mit  Freuden  vernehmen,  dass  dem  Kaiser  auch  unsere  Humanitäts- 
anstalten am  Herzen  liegen. 

Den  im  Dienste  der  evangelischen  Kirche  stehenden  erziehlichen 
Anstalten  von  Goisern  hat  Se.  Majestät  von  1865  bis  1887  die  Ge- 
sammtsumme  von  1395  fl.  geschenkt. 

Das  ,  Pensions-  und  Unterstützungsinstitut  für  Pfarrer  und  Lehrer 
der  evangelischen  Gemeinde  A.  C.  zu  Eger  und  ihre  Witw^en  und 
Waisen*  empfing  1871  ein  Geschenk  von  50  fl. 

Die  überwiegend  von  Evangelischen  bewohnte  Schulgemeinde 
Alexanderfeld  empfing  1879  für  den  Schulkreuzerverein  200  fl.  und 
1887  für  die  zum  Besten  armer  Schulkinder  errichtete  Suppen- 
anstalt 40  fl. 


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235 

Ausserdem  gewährte  Se.  Majestät  1882  dem  unter  evangelischer 
Leitung  stehenden  interconfessionellen  Wohlthätigkeits verein  ^Caritas* 
zu  Görz  100  fl.;  1883  dem  evangelischen  Frauenvereine  zu  Laibach 
100  fl. ;  1886  der  evangelischen  Gemeinde  Teschen  zum  Bau  eines 
evangelischen  Spitales  300  fl. ;  dem  evangelischen  Waisenversorgungs- 
vereine von  Wien  für  den  Filialbegründungsfond  300  fl.  und  1887 
für  die  laufenden  Bedürfnisse  100  fl. ;  1888  der  evangelischen  Waisen- 
anstalt von  Ustron  zur  Schuldentilgung  300  fl.  und  dem  ^evange- 
lischen Vereine  für  die  Diaconissensache*  in  Wien  —  dessen  Werk 
Se.  Majestät  als  ,ein  sehr  schönes*  bezeichnete  —  zum  Diaconissen- 
hausbaue  500  fl. 

Nicht  minder  wohlthätig  erwies    sich  der  Kaiser  gegenüber  den 

evangelischen  Gemeinden,   welche   unter  Elementarschäden   zu  leiden 

hatten. 

Es  wurden  unterstützt: 

1865  die  Filialgemeinde  Schumlau,    anlässlich    einer  Feuers- 
brunst, mit 500  fl. 

1885  die  Filialgemeinde  Rottenhan,   anlässlich   eines   Hagel- 
schlages, mit 50  3^ 

1885  die   Filialgemeinde    Makowa,    anlässlich    eines    Hagel- 
schlages, mit 50  3> 

1885  die  Colonialgemeinde  Landestreu,  anlässlich  einer  Feuers- 
brunst, mit 300  ^ 

1885  die  Evangelischen  von  Steinfels  (Pfarre  Bandrow),   an- 
lässlich eines  Hagelschlages,  mit 200  , 

Grösser  und  bedeutungsvoller  ist   die  Zahl   der  Unterstützungen 

für  evangelische  Kirchen-   und  Schulgemeinden.   Der  Kaiser  begnügt 

sich  nicht  damit,  evangelische  Kirchen  und  Schulen  zu  besuchen.   Er 

hilft  miterhalten,  mitbauen. 

Den  beiden    evangelischen  Gemeinden  A.  und  H,  B.    in  Wien  *) 

schenkte  Se.  Majestät  im  Jahre  1859  den  Baugrund  —  IV.  Techniker- 


»)  Dr.  C.  A.  Witz:  Das  evangelische  Wien.  A.  Hartleben.  Wien  1887,  pag.  23. 
Jalius  Ergenzinger:  Die  evangelische  Kirchengemeinde  A.  C.  zu  Wien  in  ihrer 
geschichtlichen  Entwicklung  von  1781 — 1881.  Herausgegeben  von  Friedrich  P  r  e  i  d  e  1. 
Sallmayer'sche  Buchhandlung.  Wien  1887,  pag.  76,  c  f.  Von  demselben  Verfasser: 
„Bis  zur  Bürgerschule.  Geschichte  der  vereinigten  evangelischen  Schulen  in  Wien  von 
1794—1870.« 


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236 

Strasse  15  —  auf  welchem  die  gemeinschaftliche  evangelische 
Schule  steht. 

Der  Gemeinde  Attersee  gewährte  die  Gnade  des  Kaisers  die 
Sicherstellung  ihrer  Lebensfähigkeit.  Se.  Majestät  geruhte  nämlich, 
laut  A.  h.  EntSchliessung  vom  3.  Mai  1863,  mit  Rücksicht  auf  die  im 
Rieder  Vertrage  vom  Jahre  1816,  Art.  X,  von  Seite  der  österreichi- 
schen Regierung  übernommene  Verbindlichkeit,  einen  jährlichen  Pfarr- 
dotationszuschuss  von  438  fl.  aus  dem  Staatsschatze  zu  bewilligen. 
Dieser  Betrag  wurde  später  auf  das  Staatspauschale  —  nach  dessen 
Erhöhung  von  50.000  auf  75.000  fl.  im  Jahre  1877  —  überwälzt. 
Aber  jene  Bewilligung  wird  heute  noch  in  der  Gemeinde  Attersee 
als  ein  Zeugniss  der  Gnade  Sr.  Majestät  dankbar  erwähnt. 

Einige  Gemeinden  verdanken  ihre  Kirchen  einzig  und  allein  der 
Gnade  des  Kaisers,  so  nancientlich  die  evangelische  Militärgemeinde 
von  Wien,  die  evangelischen  Gemeinden  von  Prag  und  Semonitz. 

Im  Herbste  1860  wurde  der  erste  evangelische  Militärgeistliche 
dir  Wien  und  das  damalige  Wiener  Generalat  ernannt.  Die  Garnisons- 
gemeinde brauchte  ein  gottesdienstliches  Local.  Der  Geistliche  erhielt 
den  Auftrag,  sich  in  der  Stiftskaserne  ein  solches  herrichten  zu  lassen.  Die 
Räumlichkeiten  aber  entsprachen  nicht.  Damals  noch  ein  Fremdling 
in  Wien,  bat  der  Garnisonsprediger  Herrn  Superintendenten  Dr.  G. 
Franz  um  Rath.  Dieser  machte  ihn  aufmerksam  auf  die  einstmalige 
Schwarzspanierkirche,  seit  1781  k.  k.  Militär-Bettenmagazin.  Rasch 
entschlossen  setzte  der  Militärseelsorger  sofort  ein  diesbezügliches 
Promemoria  auf  und  überreichte  es  persönlich,  im  Originale  dem  da- 
maligen Kriegsminister  Grafen  von  Degenfeld -Schonburg,  in  Ab- 
schrift dem  seligen  Prinzen  Wasa.  Im  grauen  Hause  am  Hofe  war 
man  unschlüssig  und  es  wurden  weitere  Nachforschungen  in  anderen 
Kasernen  angeordnet.  Da,  im  Spätherbste,  hiess  es  plötzlich :  Se.  Ma- 
jestät hat  in  Gnaden  entschieden,  das  Militär-Bettenmagazin  sei  ander- 
wärts unterzubringen  und  die  Kirche  sofort  auf  Kosten  des  Staates 
zu  adaptiren.  Diese  A.  h.  Entschliessung  rief  in  den  evangelischen 
Kreisen  grosse  Dankbarkeit,  in  allen  Schichten  der  Bevölkerung  wohl- 
thuendeUeberraschung  hervor.  Selbst  der  damals  schon  pensionirte,  einst 
vielvermögende  Feldzeugmeister  von  Kempen  beglückwünschte  den 
Militärgeistiichen  persönlich  in  seiner  Wohnung  zu  diesem  Geschenke 
Sr.  Majestät.  Als  der  später  zum  Beirath  im  Reichs-Kriegsministerium 
mit  dem  Titel  eines  Superintendenten  ernannte  Seelsorger  Dr.  J.  M. 


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Seberiny,  im  Jänner  1861,  Sr.  Majestät  den  Dank  für  diese  Kirche  in 
besonderer  Audienz  aussprechen  wollte,  trat  der  Monarch  demselben 

—  ohne  den  Dank  abzuwarten  —  mit  den  Worten  entgegen:  ,Nun, 
Sie  werden  eine  schöne  Kirche  bekommen.* 

In  Prag  befand  sich  eine  ärarische,  ausser  Gebrauch  stehende 
Kirche,  die  Salvatorkirche.  Diese  Kirche  hatten  1611  die  Evange- 
lischen A.  C.  aus  eigenen  Mitteln  erbaut.  1622  wurde  sie  ihnen  weg- 
genommen. Nachdem  sie  fast  ein  Jahrhundert  lang  leer  gestanden 
hatte,  erhielt  sie  1725  der  Paulaner-Orden  zum  Geschenke.  Nach  der 
Aufhebung  dieses  Ordens,  1785,  diente  die  Kirche  zu  verschiedenen 
Zwecken.  Vom  Jahre  1848  an  blieb  sie  unbenutzt.  Diese  Kirche 
wurde  endlich  von  Sr.  Majestät  der  evangelischen  Gemeinde  A.  C. 
in  Prag  wieder  zurückgegeben.  Als  nämlich  am  19.  September  1861 
Superintendent  Benesch  mit  einer  Deputation  bei  Sr.  Majestät  erschien, 
um  für  die  Verleihung  des  Protestanten-Patentes  zu  danken,  über- 
reichte er  dem  Kaiser  zugleich  ein  Gesuch  um  Ueberlassung  der  er- 
wähnten Kirche,  j^  Haben  Sie  auch  die  Mittel  dazu,  die  Kirche  zu 
renoviren  ?*  frug  der  Kaiser.  Ja  —  antwortete  der  Superintendent  —  zu 
diesem  Zwecke  sind  wir  freudig  bereit,  jedes  Opfer  zu  bringen.*    ,Dann 

—  erwiderte  der  Kaiser  —  lasse  Ich  die  Sache  gründlich  untersuchen, 
und  was  möglich  ist,  werde  Ich'thun.*  —  Mit  A.  h.  Entschliessung 
vom  2.  Juli  1863  wurde  die  Kirche  gegen  den  geringen  Kaufschilling 
von  15.000  fl.  überlassen. 

Als  die  Gemeinde  Semonitz,  kurz  nach  ihrer  Gründung,  zum 
Baue  der  Kirche  und  Pfarre  schreiten  wollte,  zeigte  sich,  dass  der 
Bauplatz,  der  dafür  bestimmt  war,  im  Festungsrayon  von  Josefstadt 
lag  und  somit  der  Bau  nur  unter  Demolirungsrevers  durchgeführt 
werden  dürfte.  Keine  Behörde,  nicht  einmal  das  Kriegsministerium, 
konnte  diese  Bestimmung  aufheben.  Die  Gemeinde  aber  wollte  unter 
solchen  Bedingungen  ihre  kirchlichen  Gebäude  nicht  errichten,  und  ein 
anderer  Bauplatz  war  nicht  zu  kaufen. 

Nachdem  alle  Versuche,  das  Hinderniss  zu  beseitigen,  gescheitert 
waren,  entschloss  sich  der  Pfarrer  Karl  von  Nagy,  bei  Sr.  Majestät 
persönlich  um  die  Enthebung  von  dem  Demolirungsrevers  zu  bitten. 
Derselbe  wurde  mit  noch  zwei  anderen  Gemeindegliedern,  am  25.  Fe- 
bruar 1869,  zur  erbetenen  Audienz  zugelassen.  Se.  Majestät  geruhte 
sich  sehr  eingehend  über  die  Sachlage  in  längerem  Gespräche  zu 
erkundigen,    und   als   der  Pfarrer    am  Schlüsse,    durch  die   huldvolle 


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Herablassung  und  das  bekundete  Interesse  Sr.  Majestät  ermuthigt. 
um  eine  baldige  günstige  Erledigung  zu  bitten  sich  erkühnte,  da  man 
den  Bau  in  der  schönen  Jahreszeit  beginnen  möchte,  wurde  ihm  die 
leutselige  Antwort  zu  Theil:  j^Also  Sie  eilen  mit  dem  Bau?  Nun,  so 
gehen  Sie  in  Gottes  Namen  nach  Hause  und  sagen  Sie  der  Gemeinde, 
dass  Ich  die  Angelegenheit  so  rasch  als  möglich  untersuchen  lassen 
und  nach  Thunlichkeit  Ihrer  Bitte  willfahren  werde/ 

Und,  in  der  That,  bereits  am  4.  April  1869  erfloss  von  Ofen 
aus  die  A.  h.  Entschliessung  betreffs  der  Enthebung  vom  Demo- 
lirungsrevers. 

Andere  Gemeinden  empfingen  zur  Förderung  von  Kirchenbauten 
werthvolle  Geschenke. 

Brunn  erhielt,  im  Jahre  1865,  für  die  zu  Gunsten  des  Ausbaues 
der  evangelischen  Christuskirche  veranstaltete  Effecten-Lotterie  eine 
grosse  vergoldete  Porzellanvase  mit  figuralem  Gemälde  und  zwei 
kleinere  ähnliche  Vasen  mit  Blumengemälden  —  deren  Werth  mit 
2000  fl.  angegeben  war. 

Gosau  wurde  ermächtigt,  das  zum  Bau  seiner,  im  Jahre  1869  ein- 
geweihten, Kirche  erforderliche  weiche  Holz  unentgeltlich  aus  den 
ärarischen  Forsten  zu  nehmen. 

Der  Gemeinde  Bielitz  schenkte  Se.  Majestät  1881  zur  Kirchenbau- 
Lotterie  ein  werthvolles  Kaffeeservice  aus  Silber. 

Geldbeiträge  verzeichnen  folgende  Gemeinden: 

Teplitz  1860  für  den  Kirchenbau 200  fl. 

,        1881  zum  Thurmbau 300  , 

Bolechow  1868  zum  Kirchenbau 200  , 

Ingrowitz  1868  zum  Schulhausbau 500  , 

,          1884  zur  Anschaffung  von  Kirchenglocken      .     .  100  , 

Dalina-Broczkow  1868  zum  Bet-  und  Schulhausbau     .     .     .  200  , 

Eger  1869  zum  Kirchenbau 500  , 

Jacobeny  1869  zum  Kirchen-  und  Thurmbau 800  , 

Prino  1869  zum  Kirchenbau 300  , 

Pilsen  1872  zum  Pfarrdotationsfond 1000  , 

Rottalowitz  1872  zum  Kirchenbau 300  , 

Althammer  1873  zum  Kirchenbau 300  , 

Mödling  1874  zum  Kirchenbau 300  , 

Pola  1874  zum  Bet-  und  Pfarrhausbau 500  , 


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239 


Bandrow  1875  zum  Kirchenbau 

y  1885  zum  Schulhausbau 

,         1886  zur  Anschaffung  einer  Orgel 

Franzensbad  1875  zum  Kirchenbau 

Gmunden  1875  zur  Tilgung  von  Kirchen  bauschulden  .     .     . 

(Ihre  Majestät   die  Kaiserin  Elisabeth  hatte  im  Jahre  1874 

zu  dem  gleichen  Zwecke  200  fl.  gespendet.) 

Podiebrad  1875  zum  Bethausbau 

Alexanderfeld  (eine  überwiegend  evangelische  Schulgemeinde) 

1876  zum  Schulbau 

Iglau  1876  zum  Kirchenbau 

Vöcklabruck  1876  zum  Kirchenbau 

Steinau  1876  zum  Kirchenbau 

Marburg  1877. zum  Pfarr-  und  Schulhausbau 

Ober-Zuckau  1877  zum  Schulhausbau 

Lemberg  1878  zur  Anschaffung  von  Glocken 

Ranischau  1878  zum  Pfarrhausbau 

Stanislau  1878  zum  Kirchenbau        

Hohenbruck  1879  zum  Kirchenbau 

Neustadtl  1879  zum  Kirchenbau 

Moosberg  1880  zum  Kirchenbau 

Chwaletitz  1881  zum  Kirchenbau     .     .     .     .   " 

Pozoritta-Louisenthal  1881  zum  Kirchenbau 

Salzburg  1881  zur  Tilgung  der  Kirchenbauschuld  .     .     .     . 

Czemilow  1882  zum  Kirchenbau 

Cilli  1884  zum  Pfarr-  und  Schulhausbau 

Jablunka  1884  zum  Kirchenbau 

Klobouck  1884  zum  Kirchenbau 

Neukematen  1884  zum  Thurmbau 

Troppau  1884  zum  Pfarrhaus-  und  Kirchenbau       .     .     .     . 

Dankowitz  1885  zur  Anschaffung  einer  Orgel  .     .     .     .     . 

Eisentratten  1885  zu  Bauzwecken 

Meran  1885  zum  Kirchenbau 

Weichsel  1885  zum  Kirchenbau 

Radautz  1886  zum  Kirchenbau 

Weissbriach  1886  zur  Anschaffung  von  Glocken    .     .     .     . 

Gassendorf  1887  zum  Kirchenbau 

Satulmare  1887  zum  Kirchenbau ,     .     . 

Jahrbuch  des  Protestantismus  x888.  H.  IV.  17 


300  fl. 
100  , 
100  , 
500  , 
500  . 


300 


200 
300 
100 
100 
200 
300 
100 
100 
200 
300 
300 
150 
400 
100 
300 
200 
100 
250 
300 
100 
400 
50 
100 
300 
300 
100 
200 
100 
100 


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240 

Kuttenberg  1888  zur  Tilgung  der  Bauschuld 200  fl. 

Rottenhan  1888  zum  Bethausbau 100  , 

Alle  diese  Gnadenacte  legen  beredtes  Zeugniss  ab  von  der  »fort- 
dauernden Huld  und  Fürsorge*  Sr.  Majestät  für  ^e  evangelische 
Kirche  Oesterreichs.  Die  gesetzliche  Gleichberechtigung  hat  unser 
Monarch  fiir  seine  Person  erweitert  bis  zur  freudigen  Gleichbegün- 
stigung. Was  der  Kaiser  bekräftigt,  hat  die  Geschichte  bestätigt: 
Das  Wohl  der  evangelischen  Kirche  liegt  Ihm  am  Herzen. 


,Das  Bedürfniss  und  den  hohen  Werth  freier  und  zeitgemässer 
Institutionen  aus  eigener  Ueberzeugung  erkennend,  betreten  Wir  mit 
Zuversicht  die  Bahn,  welche  uns  zu  einer  heilbringendeil  Umgestaltung 
und  Verjüngung  der  Monarchie  fuhren  soll.* 

Von  solchen  hochherzigen  Absichten  beseelt,  hat  Se.  Majestät 
vor  40  Jahren  den  Thron  der  Väter  bestiegen,  und  heute  dürfen  die 
Evangelischen  Oesterreichs  mit  inniger  Dankbarkeit  rühmen,  da^^s 
die  Bahn,  welche  der  Kaiser  betreten,  die  evangelische  Kirche  that- 
sächlich  ,zu  einer  heilbringenden  Umgestaltung  und  Verjüngung* 
geführt  hat. 

Ein  in  Goisern  (Salzkammergut)  zur  Unterdrückung  der  Evan- 
gelischen angesiedelter  schlauer  Jesuit  schreibt  1713  in  einem  geheimen 
Bericht  an  seine  Oberen  in  Traunkirchen :  j^Das  Hauptargument 
gegenüber  den  Ketzern  müsse  immer  sein,  dass  vom  Landesfiirsten 
Keiner  in  seinem  Lande  geduldet  wird,  welcher  nicht  katholisch  ist. 
Wenn  man  sie  nur  dahin  bringt,  dass  sie  dieses  festiglich  glauben, 
so  ist  der  Handel  unfehlbar  gewonnen*  *). 

Wer  möchte  es  heute  noch  wagen,  solche  ^^  Hauptargumente* 
den   , Ketzern*  gegenüber  in's  Treffen  zu  fuhren? 

Wenn  aber  die  Evangelischen  von  damals,  allen  Bedrückungen 
zum  Trotz,  für  so  patriotisch  galten,  dass  man  ihnen  zutrauen  konnte, 
sie  würden ,  dem  Landesfiirsten  zulieb ,  ihren  Glauben  abschwören 
—  wie  viel  mehr  verpflichten  uns  derzeit  die  mannigfaltigen  Beweise 
A.  h.  Huld  und  Fürsorge  zur  aufrichtigsten  Dankbarkeit,  zur  treuen, 
unerschütterlichen  Hingebung  an  Kaiser  und  Reich. 

*)  Dr.  G.  Trautenberge r:  Kurzgefasste  Geschichte  der  evangelischen  Kirchr 
in  Oesterreich  etc.,  pag.  56. 


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241 

Zumal  wir  in  diesem  Wohlwollen  eine  Bürgschaft  erblicken 
dafür,  dass  der  Kaiser  die  evangelische  Kirche  würdigt  und  werth- 
schätzt  als  ein  Glied  der  Gemeinschaft  der  Heiligen,  jener  ,aus  der 
Welt  berufenen  und  gesammelten  Gemeinde  der  Gläubigen,  welche 
den  wahren  Gott  in  Christo  dem  Heiland  durch  das  Wort  und  den 
heiligen  Geist  wahrhaft  erkennen,  recht  verehren  und  an  allen 
Gütern,  welche  in  Christo  umsonst  dargeboten  werden,  im  Glauben 
theilnehmen*  *). 

Die  Evangelischen  Oesterreichs  stimmen  daher  freudig  und  be- 
geistert mit  ein  in  den  Ruf,  welcher,  anlässlich  des  A.  h.  vierzig- 
jährigen Regierungsjubiläums,  aus  allen  Gauen  des  weitverzweigten, 
buntgemischten  Reiches,  wie  ein  Gebet  gen  Himmel  emporsteigt: 

Gott  erhalte,    Gott  beschütze,    Gott  segne  Se.  Majestät 
den  Kaiser  Franz  Josef  I. 

>)  Die  zweite  helvetische  Confession,  übersetzt  von  Dr.  C.  A.  Witz.  J.  Heyn, 
Klagenfurt  1881,  Cap.  XVII,  pag.  87. 


17» 


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XV. 
Bücherschau. 

Allgemeine  kirchliche  Chronik,  begründet  von  Carl  Matthes, 
fortgesetzt  von  D,  Friedrich  H.Brandes  zu  Göttingen.  34.  Jahr- 
gang 1887.  Dresden.  A.  Dieckmann.  1888.    V  und  283  S.   4  Mk. 

Ein  guter,  alter  Bekannter  stellt  sich  um  ein  Jahr  älter  vor.  Das  tüchtige,  wich- 
tige Buch  will  künftig  seinen  Werth  noch  erhöhen  durch  Hinzufiigung  eines  Berichtes 
über  die  Entwicklung  der  theologischen  Wissenschaften  in  dem  betreffenden  Jahre,  an 
Stelle  des  bisher  gebotenen  Bücherverzeichnisses,  das  schon  diesmal  fehlt. 

An  diesem  Orte  ist  nur  die  Chronik  von  Oesterreich  in  den  Blick  zu  fassen 
(S.  182 — 189.  266  f.).  Die  Bemerkungen  über  die  Schulverhältnisse  (S.  184)  sind  etwas 
leicht  geschürzt ;  die  Schwierigkeit  des  Problems  ist  Überhaupt  solcher  Kürze  feindlich. 

Die  Auslassung  Über  die  evangelische  Kirche  in  Mähren  (S.  186)  ist  schon  vom 
gOesterreichischen  Protestant"  (13.  Jahrg.,  Nr.  8,  S.  123)  beanstandet  worden.  Es  sei  nicht 
gesagt,  ob  beide  Kirchen  A.  und  H.  C.  gemeint  seien;  unverständlich  sei  der  Aas- 
druck :  „die  Communicanten  draussen"  ;  ein  ausserordentlicher  Irrthum,  dass  jeder  der 
50;ooo  Communicanten  in  der  Heimat  18  Mk.  für  die  äussere  Mission  beisteuere,  was 
die  Summe  von  900.000  Mk.  ergeben  würde.  Nach  der  ofHciellen  Statistik  für  1886 
zählten  die  Evangelischen  A.  C.  in  Mähreu  22.064  Communicanten  bei  einer  Seelen* 
zahl  von  22.871;  diejenigen  H.  C.  66.565  Communicanten  bei  einer  Seelenzahl  von 
40.764.  Was  die  Beiträge  dieser  meist  armen  Gemeinden  für  die  äussere  Mission 
angehe,  so  dürften  sie  schwerlich  den  tausendsten  Theil  jener  Summe  ausmachen. 

Die  Darstellung  (S.  267)  über  die  Vorgänge  bei  der  Berufung  des  Unterzeich- 
neten ist  nicht  unmissverständlich ;  doch  die  genaue  Erörterung  weder  interessant  för 
grössere  Kreise,  noch  statthaft  bei  dem  internen  Charakter  derselben.  Nur  soviel, 
dass  Dr.  Buddensieg  zugesagt  hatte  und  erst,  als  die  letzte  Entscheidung  sich  ver> 
zögerte,  einem  anderen  inzwischen  an  ihn  ergangenen  Ruf  in  der  Heimat  den  Vorzug  gab. 

Schliesslich  noch  einige  Nörgeleien:  statt  ,,Massen"  (S.  183)  zu  lesen  „lufaassen"; 
statt  »Dr.  Z.*^  (S.  185)  „Dr.  theol.  v.  Z.« ;  statt  „Gautsch«  (S.  190)  ,v.  G.« ;  statt 
„systematisiren  (S.  267)  „systemisiren« ;  statt  „Ott"  (ebd.)  „Otto«.  /(?.  Loescke^ 


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XVI. 


Namenregister. 


Abdias  Johann  164. 

Abitius  Johann  152. 

Adelbrecht  Peter  128. 

Aeneas  Johann  168. 

Agricola  Georg  25.  —  Vic- 
torin  161.  163. 

Albin  Jakob  173.  —  Johann 
169.  172.  173. 

Albus  Zacharias   153. 

Alfreus  Josef  147. 

Anderl  67. 

Andrea  Jakob  165.  —  Mat- 
thäus 149. 

Angelus,  s.  Teufel. 

Antropas  Jakob  148. 

Antropios  Felix  151. 

Appel  Johann  145. 

Aquila  Johann  149.  —  Mat- 
thias 154. 

Aquilinus  (Worlicky)  Paul  152. 
—  Veit  172. 

Aram  Wenzel  146. 

Arndt  Henning  94. 

Arwitz  Christoph  155. 

Aurogallus  8. 

Babirath  131. 

Bakowsky  Georg  171. 

Ballafi  Paul  106. 

Balon  Marina  140. 

Balsam  Tobias  147. 

Barbatus  Philipp  159. 

Bartelmus  Gottlob  115. 

Bärtl  127. 

Basti  Georg  151.   154. 


Baude     (Buder)     Michael    u. 

Rudolf  85. 
Beeß  Carl,  Frhr.  v.  51. 
Bene  Samuel  146. 
Beraunsky  Rud.  83. 
Berger  Eva  127. 
Bernthaler  128. 
Bialek  Johann  139. 
Bistfitzer  Andr.  155. 
Bittner  Andr.  136. 
Blahoslaw  Johann  151. 
Blank  Wenzel  147. 
Blasius  171. 

Bludowsky  Ernst   v.    44.  47. 
Blumy  Georg  161. 
Boczek  Adam  109. 
Bochdanowsky  Johann  147. 
Boden  I.  D.  S.  v.  50.  51. 
Boksbart  Matthias  167. 
Boleslawsky    Georg     Prokop 

161.  —  Johann  Aeneas  170. 
Bonomo  54. 
Bonka  Anna  112. 
Boreas  Adam  146. 
Borott  J.  B.  96. 
Borowsky  Georg  147.  148. 
Bosretzky  Dom.   137. 
Bram  Elias  147. 
Brendel  Johann  91. 
Brodsky  Matthias  145. 
Brudny  139, 

Brugger  Agnes  122.  124. 
Bubaöek  150. 
Bugenhagen  8. 


Bujok  Michael  139.  —  Thomas 

105. 
Burek  Kaspar  149. 
Burger  121.  123. 
Burgstaller  121.  128. 
Bunan  146. 
Bursche  Daniel  99. 
Calamini  Peter  159. 
Calcnarius  Val.  161. 
Calinitts  147. 
Calisch,  Frhr.  v.   142. 
Camerarius  Joach.  22. 
Candrodt  Martin  174. 
Capito  Johann  170.    —    Paul 

161. 
Cäxola  Isaias  157. 
Castilegio  A.  P.  55. 
Cech  Veit  148. 
Celius  Michael  56. 
Öermak  Georg  152. 
Ccrroni  Melch.  55.  —  Johann 

Peter  145. 
Öerwenka  (Erythräus)  Matthias 

164. 
Chmelowsky  Mich.   150. 
Chmiel  Marina  iii. 
Choy  Jakob  161. 
Chudy  86. 
Chyträus  Markus  172.  —  Martin 

163.  —  Matthias  161. 
Colidius  Jakob  163. 
Conrad  Barthol.  167. 
Corvinus   Ladisl.   u.  Matthias 

163.  168.  171.  —  Peter  174. 


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244 


Cranach  Lukas  15. 

Crenovius  (Krenowsky)  Elias 
164. 

Crudger  Albert  155.  —  Ka- 
spar 9. 

Crappius  Paul  94. 

Cundius,  s.  Kunad. 

Czazidlo  Adam  iio. 

Czebesto  Carl,  Frhr.  v.  45. 
48.  —  Rudolf  52. 

Ciyi  Anna  65.  —  Eva  139. 
—  Marina  112. 

Dadan  Martin  157. 

Dalenzin  Johann  147. 

Dalnig  Magdal.  128.  —  Mat- 
thias 126. 

Degen  Konrad  85. 

Dikastus  Georg  165. 

Ditzius  Elisabeth  114. 

Doblhof,  Frhr.  v.  78.  79. 

Dobromjr  Nikol.   153.  154. 

Dolzner  Christian  u.  Lorenz 
u.  Maria  123. 

Dörffel  Christoph  98. 

Drabitius  Nikol.  150. 

Dresser  Lorenz  89. 

Dfewnius  Gallus  165. 

Dröschel  Christian  93. 

Dubenius  Andreas  165. 

Dubinus  Paul  149.  153. 

Dukat  Laurenz  147. 

Dürbart  146. 

Dürer  Albrecht  6. 

Eber  Paul  3.  8.  9.  25. 

Eberding  Andreas  174. 

Eberhard  Kaspar  89.  —  Mat- 
thias 155. 

Eck  7. 

Eder  Georg  121.   123.   126. 

Egger  Christian  73. 

Eggerle  67. 

Elam  Wenzel  157. 

Entzendorfer  Franz  138.  — 
Georg  50, 

Erastus  Georg  151.  164.  — 
Wenzel  157.  I 


Ethinger  (Ethner)  Jos.  99. 
Fabricius  Johann  163.  — Jonas 

157.  165.  —  Kaspar  169.  — 

Wenzel  171. 
Facilides  Victorin  10 1. 
Felecius,  s.  Jelec. 
Felinus  Adam  146. 
Feichter  Christina  124. 
Ferber  Ph.  Jak.  152. 
Feyerbrand  Joh.  168. 
Fickler  Johann  168.  —  J.  G. 

lOI. 

Fidinus  Johann  155. 
Figna  Johann  138. 
Filatzek  Johann  iii. 
Fischer  Georg  73.  —  S.  Pis- 

cator. 
Flachs     (Flakius)     Christoph 

100. 
Flacius  Andreas  166. 
Flath  Maria  128.   —  Michael 

128.  —  Sebastian  126. 
Flederwisch  Johann  166. 
Folwarczni  Joh.  132. 
Freudenreich  Matthias  166. 
Fritscher  Christoph  145. 
Fritz  Kunigunde  124.  —  Maria 

125. 
Fyrk  Anna  132. 
Galler  Johann  128. 
Galli  Wenzel  85. 
Gallina  Jakob  149. 
Gallus  148.  161.  172. 
Gangl  Susanna  123. 
Gastinger  Lorenz  126. 
Gaß  Georg  107. 
Gebhard  Matthäus  166. 
Gemnicky  Sebastian  156. 
Germin  Johann  90. 
Gerstenberg  Christoph  146. 
Geyer  Sylvester  137. 
Gigas  Johann  3. 
Gimpl  Elisabeth  124. 
Giulio  55. 
Glaitzar  Anna  105. 
Glatz  121.   —   Balthasar  122. 


Glati  Gregor  u.  Jakob  123.  — 
Lorenz  122.  123.  124.  — 
Lukas  123.  —  Matthias  u. 
Sebastian  128.  —  Ulrich  124. 
—  Veit  128. 

Gomol  Eva  115. 

Göschel  Adrian  165. 

Gottschalkowsky,  Frhr.  ▼.  45. 
48.  49- 

Graff  Matth.  123. 

Gräcelius  Wolfg,  161. 

Granig  Jakob  127. 

Graß  Bartholomäus  54. 

Grässel  Daniel  156. 

Gregory  Tobias  173. 

Gruber  Michael  156. 

Grumbach  Argula  v.  7. 

Grund (n)er  Christian  66.  71. 
72.  81.  —  Jakob  127. 

Grunwald  Blasius  128. — Geoi^ 

94. 

Hallamisch  Georg  114. 

Hastenberger  Thom.  126. 

Hedericus  (Heidenreich)  Jo- 
hann 155. 

Heister,  Graf  78. 

Held  Abel  87. 

Hembert  Paul  145. 

Hennigk  David  88. 

Heraus  Johann  146. 

Herbert  Peter  151. 

Herman  Nikolaus  23. 

Herold(t)  Christoph  91. 

Heß  Eobanus  20. 

Hetzko  Jakob  106. 

Heumann  Adam  n.  Bartholo- 
mäus 153. 

Hlina  Hermann  99. 

Hodowinsky  150. 

Hoffer  Jakob  128.  —  Ursula 
127. 

Hölbling  127.  128. 

Holexa  Matthias  109. 

Hoi'epnicky  Johann  u.  Kasp. 
Alb.  156. 

Hofiska  Martin  169. 


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245 


Homicky  150. 

Hradec  Thom.  v.  154. 

Hradecky  Johann  162.  164. 
166.  169.  —  Georg  159.  — 
Laurenz   152.  —  P.  A.  152 

—  Veit  Aq.  172. 
Hranicky  Joh.  Eph.  169. 
Huber  Nie.  123. 
Hubmaier  7. 

Hübner  Balthasar  174. 
Husita  Johann  165. 
Jaggl  121. 
Janik  Georg  110. 
Janicke  R.  F.  R.  92. 
Javomicius  Paul  157. 
Jaworsky   Barthol.    149.    156. 

—  Lukas  169. 

Jclcc   (Felecius)   Johann   151. 
Jemnicky  Veit  171. 
Jentzsch  Johann  loi.  102. 
Jesen  Paul  151. 
Jonas  Justus  S. 
Jothan  Johann  149. 
Jurowec  Johann  171. 
Juvalta  Rud.  Ferd.  54. 
Kalchgruber  Hans    121.    123. 
Kaihammer  v.  78. 
Kania  Georg  114. 
Kapsander  Matthäus  154. 
Karwinsky  v.  47. 
Kaunzer  Simon  123. 
Kel(l)ner  Johann  90. 
Kindermann  84. 
Kintzel  Andreas  106.  107. 
Kirchmeyer  Paul   149. 
Kirchner  Joh.  u.  Joh.  Theod. 

100. 
Kischa  Adam  109.  —  Johann 

HO.    —    Andreas  132.    — 

Susanna  133. 
Kisielowsky  Adam  Wenzel  v, 

49- 
Klesch  Daniel  84. 
Klinger  Joh.  Gottfr.  97. 
Klusak  Jakob  146. 
Kluß  Paul  139. 


Kobalter  Maria  128.  —  Mat* 
thias  127.  —  Ruep  122. 

Köchl  Georg  128 

Köffeler  Jakob  122. 

Kogter  Elias  149. 

Kolberg  Johann  94. 

Kopecky  Wenzel  151. 

Korinsky  Johann  162. 

Komiassowey  138. 

Köstinger  Adam  73. 

Kotmayr  Adam  98. 

Kotschy  Gottfr.  51. 

Kötterer  128. 

Kottula  Johann  133. 

Kowaöowsky  Wenzel  171. 

Kozogedsky  Jakob   154. 

Krafft  Adam  6. 

Krameter  Ulrich  128. 

Krammer  Klement  u.  Georg 
"3. 

Kranner  Christian  126. 

Krauswitz  Joh.  148. 

Kräuter  Maria  124. 

Krautundfleisch  Mich.  172. 

Kfenowsky  Elias  164. 

Kretschmer  113.  138. 

Kronowsky  Paul   164. 

Krug  Susanna  124. 

Krumm  Markus  165. 

Krzemina  Susanna  133. 

Krjidlowsky  Friedrich   v.  51. 

Kubitza  Georg  136. 

Kübel  Jobann  90. 

Kuöera  Matth.  148. 

Kugler  N.   151. 

Kulmer  v.  78. 

Kunad  (Cundius)   Johann  88. 

Kunwaldsky  Jakob  145.  — 
Matthias  158. 

Kur^ok  Anna  106. 

Laboisnig  127. 

Lagus  Gregor  167. 

Laitner  Paul  130. 

Lakner  Rosina  128. 

Lanecius  Johann  124. 

Lange  Georg  95. 


Langius  Daniel  130. 
Lantz  Andreas  iti. 
Lassota  Georg  109. 
Laßner  Christian  123. 
Launsky  Andreas  148. 
Laurenz  Johann  170. 
Lederer   Joh.    Christian  130. 
Leeb  Maria  128. 
Lehmann  Laurenz  155. 
Lemonica  Phil.   145. 
Leyser  Polykarp  86. 
Lichtblau  Martin  158. 
Liberda  Matthes  iii.  137. 
Liebezeit  Martin  172. 
Lieschnig  Simon  126. 
Lipnicky  Martin  173. 
Löbackh  Matthias  73. 
Löchner  Christina  127. 
Lodron,  Graf  78. 
Longolitts  Friedrich  10 1. 
Lortius  Barthol.  164.      * 
Lotze*  Jakob  148.  161. 
Lotter  Wolfg.  150. 
Luther  8.  26. 
Maday  Johann  137. 
Major  Johann  20. 
Malisch  Helene  112. 
Mamitza  Andreas  115. 
Mankovicenus  Johann   146. 
Marbach  Johann  3. 
Marchard  Matthäus   156.  168. 

—  Andreas  168. 
Marcklowsky,  Freiherr  v.  47. 

HO. 

Marktl  Leonhard  128. 

Marosch  Johann  109. 

Marquard  Martin  153. 

Martinek  Johann  109. 

Mathesius  Johann  i  ff .  —  Mat- 
thias 170. 

Maudry  Bernhard  97. 

Mautitts  Johann  86. 

Mayer  Simon  123.  —  Elisabeth 
124. 

Melanthon  3. 

Metzler  Valentin  98. 


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246 


Meytsky  Cornelius  u.  Johann 

147. 
Mictts  Benedikt  168. 
Mischko  Matthias  157. 
Mitterer  128. 
Mixa  Johann  139. 
Moser  Christian  u.  Gregor  u. 

Ursula  123. 
Möstl  I2t.  126. 
Mülhacher  Christian  127. 
Mülich  9. 

Müller  Daniel  93.  —  Veit  123. 
Muthmann  143. 
Müchnik  Andreas  115. 
Mylius  David  160 
Nager  121. 
Narciß  Johann  151. 
Neidhardt  Matth.  67.  68.  121. 

122.   126. 
N&nöansky  Johann  151. 
Nierfetzky  Paul  139. 
Niedola  Georg  lii.  143. 
Niemczyk  Adam  133. 
Niemietz  Georg  135. 
Nieschier  Matthias  124. 
Nikolaides  Thomas  146. 
Nischbauer  Lukas  168. 
Nitzko  Simon -146. 
Nolens  Georg  145. 
Nostitz  Ludwig  47. 
Nuß  121.    —    Peter  122.   — 

Vincenz  68.  122. 
Nydbruk  Kaspar  3. 
Oberdorfer  Anna  128. 
Obermühlbacher  Ambros  122. 

—  Johann  123. 
Oberrisser  Josef  123. 
Odontius  (Zahn)  Paul  92. 
Ohrigs  V.  78. 
Olirius  Wenzel  149.  155. 
Orel  Matthias  168.  170. 
Osiander  Lukas  37. 
Ostermann  Paul  161. 
Ostirius  Wenzel  170. 
Ovalides  Simon  155. 
Pac(a)eus,  s.  Fried. 


Pacher  Matth.  128.  —  Ursula 

"3. 

Pallio  Jakob  145. 
Pandulsky  Jakob  155. 
Papst  Anna  128.    —    Johann 

127. 
Pardubsky    Andreas   Sophro- 

nius  155. 
Patzer  Lukas  73. 
Pauspärtel   Augustin   u.  Paul 

156. 

Payr  121.  —  Anna  123.  — 
Anastasia  122. 

Pelargus  Johann  149.  —  Ka- 
spar 168. 

Pestaluzzi  Ludwig  78. 

Petugger  68. 

Peucer  Kaspar  3. 

Philadelphus  Martin  116  fif. 

Philaret  154.  169. 

Pibernig  128. 

Pichler  Christian  122.  —  Jakob 
124.  —  Lukas  73. 

Pierius  Stephan  154. 

Pikele  Martin  66. 

Pilarik  Stephan  86. 

Pilgram  Kaspar  123.  —  Maria 
125. 

Pilz  Hanns  147. 

Pindur  Anna  133.  —  Johann 

133. 
Pirkheimer  Wilib.  6. 
Piscator  (Fischer)  Matthias  154. 
Pisecky  Wenzel  146.  147.  i6i. 
Pistorius  Joachim   160.   165. 
Pit(z)schmann  Georg  84. 
Plateanus  Peter  9. 
Platzer  Magdalena  123. 
Plorantius  Matthäus(Plorentius 

Matthias)  154.  158.  —  Chri- 

stoph  146. 
Pluech  Ursula  124. 
Polenus  Benedikt  146. 
Polnicky   Johann    147.     150. 

162. Jakob   Archesius 

154. 


Poiok  136. 
Pofica  Johann  147. 
Posnik  Christian  131. 
Prättter  121.  —  Elisabeth  124. 

—  Jakob  u.  Ruep  123. 

Pfeniöka  Matth.  148. 

Pressins  Paul  149. 

Primus  Anna  112.    —   Bern- 
hard III.  13a. 

Priss  Maria  124. 

Puchreiter  Christian  73. 

Puöowsky  Matthias  155. 

Putz  Ignaz  68. 

Radek  Paul  151. 

Radotzky  v.  47. 

Rainer  Urban    73.    —  Mana 

128. 
Ranner  (Raner)  121.  —Chri 

stian  u.  Elisabeth  123.  — 

Urban  73. 
Raphanides  Joh.  163. 
Raschke  Christian  13 1.  —  Paul 

114. 
Rasowsky  Paul   151. 
Rauscher  Joachim  loi. 
Rauter   Johann    66.    68.   73 

—  Josef  123.  —  Katharina 

«3- 
Rehbach,  Frhr.  v.  78. 
Reiche  Benj.   u.  Josua  90. 
Reichel  Hieron.  171. 
Reindler  Johann  158. 
Reus  Christoph  154. 
Richter  Christoph  u.  Ephraim 

95.  —  Johann  159. 
Rivius  David  89. 
Rohrer  Jakob  67. 
Romm  Maria  123. 
Rudiny  (Rudinsky)  147. 
Rudzky  Paul  137. 
Rühr  Franz  85. 
Rusky  Laurenz  150. 
Sabinsky  Martin  143. 
Saingenois    Georg,    Frhr.  v 

50.  51. 
Saliterer  121. 


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247 


Salter  Paul  146. 
Salzer  Matthäus  155. 
Santer  Matthias  t22. 
Sartorius  Georg  163.  164.  — 

Simon  162. 
Sassadium  143. 
Sätüer  Jakob  93. 
Schäffer  Friedrich  166. 
Scharff  Georg  102. 
Schauderma  137. 
Schedler  93. 
Scherer    (Sarcerius)    Erasmus 

Scherschnik  Leop.  39. 

Schild  Georg  173. 

Schindler  Andreas  160. 

Schintler  Adam  129.  —  Georg 
126.  127. 

Schlauer  Johann  109. 

Schlegel  55. 

Schlick,  Graf  Hieronymus  14. 
—  Joachim  10.  —  Stephan 
II.  15. 

Schneeweiß  Simon  155. 

Schnitzer  Barthol.  123. 

Schönfeld(er)  Joachim  84.  91. 

Schönwald  Simon  155.  156. 

Schramm  Nikolaus  97. 

Schreiber  Adam  123. 

Schubert  Hieron.  95. 

Schulweiß  148. 

Schulze  (Scultetus)  Matthäus 
85.  —  Jonas  99. 

Schumberger  Paul  164. 

Schury  Johann  128.  • —  Su- 
sanna 127. 

Schuster  Brigitta  123. 

Schwicker  Balthasar  166. 

Sculteti    Johann     und    Peter 

153 

Seehofer  7. 
Seelkopf  Ludwig  115. 
Seger  Johann  174. 
Semball   136. 
Sembersky  Martin  145. 
Sidlarius  Jakob   151. 


Siebenhaar  68.  73. 

Sigmund  Christoph  130. 

Sikora  Anna  107. 

Sitinsky  Johann  148.  —   Sa- 
muel 149. 

Skleni6ka  Martin  154. 

Skobensky,   Frhr.  v.    45.    51. 
52.  —  Freiin  v.  132. 

§koda  Martin  164. 

§kop  Jakob  158. 

Skopeo  Georg  155 

Slama  Martin   151. 

Slowik  Georg  114. 

Smolon  Georg  107. 

Sobeck  Rudolf,    Frhr.  v.  40. 

Sofron  Daniel  147. 

Solinus  Zacharias  157. 

Sonnleitner  Andreas  u.  Kaspar 
122.  —  Philipp  127. 

Spaltholz  Elias  157.  167.  171. 

Spens,  s.  Boden. 

Speratus  Paul  155.   169. 

Stampfer  Georg  123.    —  Mi- 
chael 127. 

Stanicky  Veit   167. 

Staniek  Anna  107. 

Staudacher  Matthias  123. 

Stebel  Michael  140. 

Steffek  Anna  105. 

Stegmann  Tobias  148. 

Steinmetz  143. 

Steinacher  121. 

Stephan   Andreas    151.    164. 
—  Martin  97. 

Steude  14.  16. 

Stiber  Jakob  100. 

Stieger  Niklas  73. 

Stinsky  Georg  146. 

Stolzhagen  Kaspar  156. 

Stonavsky  Matthes   109. 

Stoss  Veit  6. 

Strahonicky  Johann   146. 

Stralitzer  Max  145. 

Strauchmann  Jakob  156. 
I  Strainicky  Daniel   147. 
I  Streicher  Laurenz  165. 


Streyc  Daniel  161.  —  Georg 

166.  167.  171.  —Matthäus 

168.  —  Paul  167. 
Strobel  Kolomann   174. 
Stumpf  Johann  174. 
Sutorins  Matthias  157. 
Sykora  Paul  106. 
Sylvesti  Samuel  157. 
Taborsky  Johann  146. 
Teufel  (Angelus)  Joh.  153. 
Thoman   127. 
Thull  Niklas  123. 
Thusl   II. 
Tichy  Andreas  1 13.  —  Michael 

III. 
Tiemal  Marina  106.   107. 
Ti(e)ntiala  Johann   109.   ili. 
Tieplik  Anna  114. 
Tikalides  Georg  129. 
Tilli  Michael  126. 
Tismic  Johann   v.    150.   154. 

169. 
Tluck  Gottlieb  v.  48.  50. 
Towarowsky  148. 
Traninger  Jakob  131. 
Trautmann  Sam.   142. 
Tribauer  Esaias  155. 
Trüber  Primus  54. 
Trunkat  Martin  148. 
Tschrinter  Christian   123.    — 

Georg  126. 
Tubisius  9. 

Turon  Georg  109.   III. 
Twardzik  Johann  115. 
Tykalides  Johann  156. 
Urbanides  Paul  174- 
Vach  9. 

Vicius  Georg  150. 
Vischer  Paul  6. 
Volmar  9. 

Wagensperg,  Graf  78. 
Walach  Eva   139. 
Wartsky  Georg   146.   147- 
Wegscheider  Matthias  123. 
Weinberger  Gregor  128. 
Weixner  8. 


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248 


Wclid  Georg  158. 
Werl  Jakob  r6i. 
Wesely  Felix  174. 
Widmann  Peter  8. 
Wiesn^er  128. 
Wiggeser  Veit  73. 
Windhofer  Adam   149. 
Wislicenus  Georg  96. 
Wistuba  Thomas  iio. 
Witkowsky  Georg   170. 
Wladniczni  Johann   133. 
Wohlgemuth  Mich.  6. 
Woititius  Wenzel   147. 
Wolinus  Jakob  165. 
Worlicky,  s.  Aquilinus. 


Wowreczka  Paul  106. 
Wrablitius   147. 
Wrautetius  Wenzel    164. 
Wrbowsky  Nikolaus   149. 
Wrubel  Johann   106. 
Wucherer  Gabriel   130. 
Zablowsky  Zacharias  171. 
Zabresky  Zacharias  156. 
Zachora  Johann   164. 
Zagitz  Johann   107. 
Zahn,  s.  Odontius. 
Zahradka  Johann   165. 
Zahre  Matthias  126.  —  Peter 

123. 
Zaminer  Thomas  68.   73. 


Zamrsky  Martin  Philadelphns 

163. 
Zaworka  Tobias  147. 150. 162. 
Zdiarsky  Simon  148.   150. 
Zedlitz  Kaspar  100 
Zednidek  Johann  147. 
Zeidel  Jakob  145. 
Zemetsky  J.  L.  v.  104. 
Zenker  Georg  163. 
Zienteck  Jakob  109. 
Zima  Heinrich  138. 
Zuz&wsky  150. 
ZwingU  S3' 


Druck  von  Wilhelm  Köhler,  Wien,  VI.  Mollardgaue  4t. 


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INHALT. 


Seite 
I.  Johann  Mathesius.    Ein  Beitrag  zur  Reformationsgeschichte  des  nordwest- 
lichen Böhmens.    Von  Professor  Dr.  Lo^sche  in  Wien ,     .  i 

II.   „Extract    derer    in    Materia    Religionis    ergangenen    sowohl    Kaiser-    und 
Königlichen  —  als  Königlich  Ober-Amtlichen  —  dann  Königlichen  Amts- 

—  wie   auch    Königlichen    Repraesentations-  und  Cammer  -  Rescripten    ab 
Anno   1692.''   Mitgetheilt  von  Professor  Richard  Pritsche 39 

III.  Bücherschau: 

A.  Venetianer:    Die  ^vang.-reform.  Kirche  Cristo  Salvatore   zu   Triest. 

Triest   1887.  (G.  Frank)        54 

P.  Schlegel's  Chronik  von  Bensen.  Bensen   1887.  fG,  Loische)   ...       55 

IV.  Bibliographie 57 

V.  Dritte  Generalversammlung  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  Oesterreich 59 

VI.   ^Lutheranisirung  der  Gemeinde  Gnesau".  Mitgetheilt  von  Pfarrer /;iV</riV// 

Koch 65 

VII.  Der  Zug    der   österreichischen  Geistlichen    nach    und    aus    Sachsen.     Von 

Pfarrer  Scheuffler  in  Lawalde  (Sachsen).  IV.  (Fortsetzung) 83 

VIII.   „Extract    derer    in    Materia    Religionis*  ergangenen    sowohl    Kaiser-    und 
Königlichen  —  als  Königlich  Ober- Amtlichen  —  dann  Königlichen  Amts- 

—  wie   auch   Königlichen   Repraesentations-   und   Cammer  -  Rescripten  ab 

•   Anno  1692."  Mitgetheilt  von  Professor  Richard  Pritsche.  II.  (Fortsetzung)      103 
IX.  Noch  einmal  Martin  Philadelphus  Zamrscenus.     Mitgetheilt  von  Prof.  Dr. 

Anton  Rezek I16 

X.  Bericht  des  Central- Vorstandes  über  das  Vereinsjahr  1887 119 

XI.  „Lutheranisirung  der  Gemeinde  Gnesau."   Mitgetheilt  von  Pfarrer  Friedrich 

Koch.  (Schluss) 

XII.   „Extract    derer    in    Materia    Religionis    ergangenen    sowohl   Kaiser- 
Königlichen  —  als  Königlich  Ober-Amtlichen  —  dann  Köiil^;  ui;  • 

—  wie   auch  Königlichen  Repraesentations-    und   dmÄicr  •  R'»  .iiU'. 
Anno  1692.*  Mitgetheilt  von  Professor  Pi'hn       I  V\  -1  «^ 

XIII.  Die   mährischen    evangel.  Kirchengemel      ••                  r-   >..         ,.r    .::     w*        _. 
Reformationszeit.    Mitgetheilt  von   Geor^     Iju:     '\      . I45 

XIV.  Kaiser  Franz  Josef  I.  und  die  Evangelisc'  •    '..r,;.-.    \\  n  D.   C.  A.    Witz     175 
XV.  Bücherschau:  Allgemeine  kirchliche  Chrc.i  ;k,  Jahrg.   34    LoescheJ     .     .     .     242 

XVI.  Namenregister 243 


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Das  „Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des  Prote- 
stantismus in  O  esterreich",  welches  unter  der  Redaction  des  Präsidenten 
(Dr.  Karl  RitUr  von  Otto),  der  beiden  Vicepräsidenten  (Dr.  ^//A.  IVüz  und  Dr.  TTi^odor 
//aase)  und  des  Secretars  der  Gesellschaft  (Lic.  Dr.  Gttstai'  Trautenberger)  in  viertel- 
jährigen Heften  erscheint,  behandelt  in  längeren  Original-Artikeln,  in  Referaten,  in 
Mittheilung  von  Urkunden,  in  Besprecliungen  und  Notizen  Alles,  was  sich  auf  die 
Geschichte  der  evangelischen  Kirche  Oesterreichs  bezieht. 

Dasselbe  ist  von  den  Evangelischen  überall  mit  Freude  begriisst  und  von 
der   Kritik  auf  das  Wohlwollendste  aufgenommen  worden. 

Hier  einige  Worte  aus  Recensionen : 
„Mit  dem  ersten  Doppelhefte    wird    ein    Unternehmen    eröffnet,    welches    die    leb- 
hafteste   Zustimmung    verdient Nach    dieser    Reichhaltigkeit    des  Inhalts    darf 

man  der  jungen  Zeitschrift  zu  dem  würdigen  und  verheissungsvollen  Anfang  theilneh- 
mend  Glück  wünschen  und  einen  entsprechenden  Forlgang  unter  Gottes  Segen  getrost 
in    Aussicht  stellen." 

„Auf  das  erste  Doppelheft  ist  alsbald  das  zweite  gefolgt  ....  Möge  das 
Jahrbuch  seinen  Weg  in  der  bisherigen  Weise  fortsetzen  und  die  Leser  in  und 
ausser  Oesterreich  ferner  durch  so  lehrreiche,  gehaltvolle  Publicationen  erfreuen." 

,Wie  der  zweite  Band  entspricht  auch  der  dritte  durch  die  Reichhaltigkeit  und 
Verschiedenheit  des  Inhalts  den  gehegten  Erwartungen.** 

Theologisches  Litte ratiitblatt  (Leipzig)   iS8i.   Nr.   20  u.  jj.    iSSj.   Nr.  JJ. 

„.  .  .  Zugleich    hat    die  Gesellschaft    in    zwei  Doppelheften    den    ersten  Jahrgang 
ihres  Jahrbuches  herausgegeben,   welches  eine  Fülle  interessanter  Nach rfcliteÄv über  .,^. 
die    wechselvollen    Schicksale    der    evangelischen    Kirche    in    Oesterreich    enthält.    Wir  '. 
wünschen    unsern    österreichischen    Brüdern    Glück    zu    diesem    schönen    Anfang    uni 
hoffen,    dass  die  neue  Gesellschaft    auch  im  Deutschen  Reiche  Mitglieder   und    thätij^ 
Freunde    gewinnen    werde.    Wirkliche  Mitglieder  sind   jene,    welche    historis<^ 
Arbeiten  liefern  und  einen   Beitrag  von  3   fl.  jährlich  leisten,    unterstütze  nd  e  l^j^l 
glieder  solche,  welche  wenigstens  5  fl.  jährlich,  oder  als  G  r  ün  der  einen  einmati 
Beitrag  von  wenigstens  50   fl.  zahlen."  ~        v 

Neue  Evangelische  Kirchenteitung  (Berlin)  18S1.  Nr.  "jw, 


"5 


„.  .  .  Als  erfreuliche  Frucht  der  Vereinsthätigkeit  liegen  die  beiden  ersten  Doppel- 
hefte des  Jahrbuches    der  Gesellschaft    vor,    welche    eine  Reihe    zum  '^^•eil    höchst 

interessanter  Veröffentlichungen     enthalten Wir  wünschen  den    so  glücklich 

begonnenen  Unternehmen,  dem  unsere  volle  Sympathie  gesichert  ist,  kräft'  en  Fortgang. 
Möge  dasselbe  an  seinem  Theile  zur  Stärkung  des  evangelischen  Bewusstseins  unter 
den  Protestanten  Oesterreichs  das  Seinige  beitragen!" 

(Prof.   Dr.  Lipsius)    Theologische  Liieraturteitung  (Leipzig)  1S81.  Nr.  IJ. 

Das  Jahrbuch   „für    unsere  evang.  Brüder  in  Oesterreich    gewiss  von  grösstem 
Werth  und  Interesse,   aber  auch  für  weitere  Kreise  sehr  zu  empfehlen"  u.  s.  w. 

Theologischer  Utteratur- Bericht  (Gütersloh)  1883.  Nr.   8. 


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„Wir  haben  schon  vor  zwei  Jahren  dies  Jahrbuch,  das  unter  tüchtiger Redncn 
steht,  unseren  Lesern  empfohlen.  Unser  günstiges  Urtheil  können  wir.  .  .  nur  wi^^t^^r 
holen.  Es  freut  uns  aufrichtig,  dass  unsere  Brüder  in  Oesterreich  dies  wahrhaft  ev: 
gelische  Unternehmen  weiter  geführt  haben.  Auch  diese  Bändchen  aus  dem  voni;^ 
Jahre  spiegeln  in  reicher  Mannigfaltigkeit  die  Geschicke  des  österreichischen  Pi-  :. 
stantismus  wieder:  Bedrängnisse  und  Freuden,  Vergangenes  und  Gegenwärtiges,  l\-. 
sönliches   und  Allgemeines"    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Messner)  Neu^  Evangelische  Kirchenzeittmg  (Berlin)  j88s-  AV.   40 
„Es    ist  ein  ungemein    dankenswerthes    und    jeder  Unterstützung  werthes   Unter 
nehmen,  das,  aus  kleinen  Anfängen  bescheiden  sich  erhebend,  nicht  blos  ein  treti''i':l.t 
Bindemittel  der  Protestanten  in  Oesterreich  zu  werden  verspricht,  sondern  auch  jede  • 
Geschichtsfreund  aufs  Wärmste  zu  empfehlen  ist.     Denn  reichlich  und  werthvoll    ^m 
die  Beiträge  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen'*    u.  s.  w. 

(Prof.  Dr.  Ilorawitz)  Deutsche  Zeitung  (Wien)  i88j.  ATr.   410s 
„.  .  .  Wir   verfehlen    nicht,    die   Freunde    reformations -historischer  Forschung  n   ■ 
dieses  wichtige  historische  Archiv  hiermit  aufmerksam  zu  machen." 

(Prof.  Dr.  Zöckler)  Evangelische  Kirchen%eittmg  (Greifsw.)  t88s.   Nr.   4S . 
„.  .  .  Es  ist  für  uns  Oesterreicher  eine  Ehrenpflicht,  diese  erste  und  einzige  wi>>er. 
schaftliche  Gesellschaft    unserer    evangelischen  Kirche   aufs  Kräftigste   zu   unterstütze- 
und  nach  jeder  Richtung  hin  zu  fördern.'* 

Evangelische  Kirchen%eitung  für  Oesterreich  (Bielitz)  1884.  Nr.   i. 
„.  .  ,  Möge  der  Gehalt  der  einzelnen  Arbeiten  stets  ein  solcher  bleiben"    u.  s.  v 
(Fr.  Weili)  Theologische  Zeitschrift  aus  der  Schweiz  (Zürich)  1886.  H.  I.  S.  61 

„Mit  Freude   begrüssen    wir    diese   weiteren  Jahrgänge   der  verdienstvollen  Zc/ 
^    ../         \  w. 

*        (Prof.  S.-G.)   Theologischer  Utteraturbericht  (Gütersloh)  i88y,  Nr.  4, 


Zur  Nachricht. 

r^aicht    der    Graf  und    Herr   von    Giech    auf  Thumau    bei    Kulmbach    ir- 
i  •«'    in   seinem  Besitz   befindliche    Porträt    des   berühmten   österreichische»: 
;K?ns  Freiherrn   zu  Kägknitz  (f  in  Nürnberg  1658)  dem  Central  vor 
<   o'istorischen  Gesellschaft  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Porträt  ist  von  der 
Ac  'irt's  ausgeführt  und  zeigt  das  Brustbild  des  Freiherrn  in  künstlerische!- 
.   vfüedaillons  tragen  nebst  entsprechenden  Abbildungen  die  Inschriftcr. 
II  Sey  fromm  für  mir,  ||  Gib  Armen  hier,  ||  Ich  bin  dein  Lohn." 
V»   '  *  '»ondirend   besagt    die  Unterschrift   mit  Beziehung    auf  i.  Mos.  12 

.  ^.  deinem  Vaterland,  und  lass  deiner  Freundschaft  Band, 

r  mir  und  sey  fromm,  dass  mein  Segen  zu  dir  komm, 
\  n  dein  Heil  und  Schild,  weil  du  bist  den  Armen  mild, 

1'      .1  sehr  grosser  Lohn,  und  gib  dir  die  Himmelskron.'* 
Dil  jid  hat  eine  gelungene  Photographie  dieses  Porträts  anfertl^-.r 

lassen,    wt  '  .V     "   v   unserer    Gesellschaft   (Wien,    1.   Dorotheergasse    16)   a  i  H. 

zu  haben  i 


Druck  von  Wilhelm  Köhler.  Wien.  71.  MolUrdffAM«  4L 


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