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Jahrbuch
der
Goethe⸗-⸗Geſellſchaft
Im Auftrage des Vorſtandes
herausgegeben
von
Hans Gerhard Gräf
Achter Band
Weimar Verlag der Goethe⸗Geſellſchaft
1921
Wie ſchon im vorigen Bande angekündigt worden iſt, erſcheint das
Jahrbuch mit dem vorliegenden Jahrgang in einer vergrößer⸗
ten Form, ähnlich der des alten Goethe-Jahrbuchs. Die dadurch be—
| wirkte Vergrößerung des Satzſpiegels bietet im Verein mit einem
=; engeren Druck die Möglichkeit, den Inhalt weſentlich zu erweitern.
5 Auch wird die neue Größenform für die Wiedergabe bildlichen Ma⸗
5 terials günſtiger ſein als die alte. Von den dem gegenwärtigen Bande
beigefügten Tafeln bedarf nur die erſte einer kurzen Erläuterung.
Das zarte Bildchen, eine im Beſitz von Frau Dr. Malvina Buch⸗
holz in Halle, einer Enkelin Knebels, befindliche Bleiſtiftzeichnung,
ſtellt ein Selbſtporträt der Prinzeſſin Karoline von Sachſen, der
Tochter Karl Auguſts, dar, das dieſe, wie die Tradition des Knebel⸗
ſchen Hauſes berichtet, Knebel geſchenkt hat. Knebels Schweſter Hen⸗
riette war die Erzieherin und Freundin der jungen Prinzeſſin und
folgte ihr, als fie den Erbprinzen von Mecklenburg⸗Schwerin heira⸗
tete, in die neue Heimat. Zwiſchen der jungen Fürſtin und dem
Knebelſchen Geſchwiſterpaar ſpannen ſich ſchon früh zarte Fäden einer
innigen Freundſchaft, die im Laufe der Jahre, als die Prinzeſſin
heranwuchs, immer feſter wurde. In dem regen Briefwechſel zwiſchen
den beiden Geſchwiſtern, den Düntzer 1858 herausgegeben hat, ſpielt
die „Prinzeß“ eine große Rolle. Im Jahre 1811, nach der Verheira⸗
tung der Prinzeſſin, ſchreibt Knebel an ſeine Schweſter: „Ich freue
mich nur, daß ſie ihren guten Sinn und ihr Gemüt beibehält; das
iſt das wahre Hohe und Edle im Menſchen. Sie weiß Freunde zu
ſchätzen und zu erhalten, und das durch innere, wahre Teilnehmung.“
. „Ihr immer gnädiges Andenken macht mich allein glücklich und er⸗
hält mich gleichſam noch. Wie groß iſt das Glück und das Verdienſt
> echter Treue, die auf Geſinnungen gebaut iſt!“ Auch Goethe nahm
eeein lebhaftes Intereſſe an ihr, und die Erwachſene war ſpäter ein
ſtändiger Gaſt in ſeinem Hauſe, wenn er den Damen der vornehmen
Goeſellſchaft naturwiſſenſchaftliche Vorträge hielt oder ſeine Kunſt⸗
(ſchätze vorführte und erläuterte. Sie zeigte von früh an Neigung und
Talent zum Zeichnen und Malen, und Goethe ſchenkte dieſen Be⸗
mühungen gelegentlich ſeine Aufmerkſamkeit, ſo indem er ihr wieder⸗
holt eigene Zeichnungen ſandte und ihr im Jahre 1809, da ſie ſchon
IV Vorwort
das 23. Lebensjahr erreicht hatte, in dem Landſchaftsmaler Kaaz
einen Lehrer vermittelte. Der Unterricht dauerte allerdings nur einige
Monate, da Kaaz nach Dresden überſiedelte. In den Tag- und Jah⸗
resheften ſpricht er ihr einen ſchönen Sinn für landſchaftliche Zeich-
nungen und die Gabe anmutiger Ausführung zu. Es entſteht nun
die Frage, wann, wo und wie das hier vervielfältigte Selbſtporträt
entſtanden ſein kann; da ergibt ſich nun die merkwürdige Tatſache,
daß es ganz genau übereinſtimmt mit einem von dem Maler J. Roux
angefertigten Paſtellbildnis der Prinzeſſin, das im Schlafzimmer der
Herzogin Anna Amalia im Weimarer Wittumspalais hängt. Es kann
demnach kaum ein Zweifel darüber herrſchen, daß unſer Bildchen,
wenn die Tradition ſeiner Urheberſchaft ſicher iſt, eine von der Prin⸗
zeſſin angefertigte Kopie des Originals von Roup iſt, das hinter der
Figur noch einen zart angedeuteten landſchaftlichen Hintergrund mit
einem ſilbergrauen Himmel zeigt. Nun ſchreibt Henriette von Knebel
am 23. März 1808 (Briefwechſel S. 331) an ihren Bruder: „Wenn
Herr Roux [der in Jena lebte] wieder hierher kommt, ſo ſchicke ihn
nur gerade zu mir herauf, ſonſt wird es nichts.“ Und am 28. Mai
(ebenda S. 337): „An Herrn Roux habe ich nun ſelbſt alles beſorgt;
denn er befindet ſich in dieſem Augenblick bei der Prinzeß, die er noch
einmal malen ſoll, weil die Erbprinzeß das Bild, was er ſchon ge⸗
macht hat, für ſich behalten will.“ Roux hat alſo die Prinzeſſin zwei⸗
mal porträtiert, und zwiſchen den beiden Geſtaltungen hat wohl nur
ein kurzer Zeitraum gelegen. Wahrſcheinlich wurde das eine Porträt
im März, das zweite im Mai gemalt. Die Prinzeſſin war damals
22 Jahre alt.
Der Herausgeber des Jahrbuchs, Profeſſor H. G. Gräf, war durch
Krankheit verhindert, den vorliegenden Band, der im Druck ſchon
faſt beendet war, fertigzuſtellen. In ſeiner Vertretung hat dies der
Unterzeichnete getan. :
Weimar, 27. Juni 1921.
Julius Wahle.
N
Über Goethe, den kosmiſchen Menfchen
Von Gaſton Graul (Neuenahr)
Einleitung:
Bedeutung der Perſönlichkeit, kosmiſche Struktur
derſelben; der empiriſche und kosmiſche Menſch.
: Die Aufgabe.
£ (5° war im ganzen nicht meine Art, als Poet nach Verkörperung von
er etwas Abſtraktem zu ſtreben. Ich empfing in meinem Innern
Eindrücke, und zwar Eindrücke finnlicher, lebensvoller, lieblicher,
bunter, hundertfältiger Art, wie eine rege Einbildungskraft es mir
anbot; und ich hatte als Poet weiter nichts zu tun, als ſolche An-
ſchauungen und Eindrücke in mir künſtleriſch zu ründen und aus⸗
zubilden.“ Mit dieſen Worten charakteriſiert Goethe Urſprung, Ent⸗
ſtehung und das Weſenhafte ſeiner künſtleriſchen Schöpfungen, die
lebendiger Anſchauung, innerem Erleben entſpringen und ſomit
= Offenbarungen ſeiner Perſönlichkeit ſind, nicht künſtleriſche For⸗
mungen ihm fremder Ideen, abſtrakter Begriffsbildungen. Die
empirische Außenwelt gibt wohl den Reiz zum ſeeliſchen Erlebnis⸗
komplex ab, aber erſt in ihm entſteht ſpontan das künſtleriſche
Motiv, das nun zur Darſtellung gelangt. Um dieſen geſtaltgeben⸗
den Sinn ſeiner Leiſtungen, der ihnen den ae 4 das
Be kin 9 Struktur ae erfaßt werden. Nur von
dieſem Blickzentrum aus iſt ſein künſtleriſches Wollen in ſeiner
Eigenart zu verſtehen und zu würdigen. Sind ſie aber Produkte
rausgewachſen iſt aus dem Eigenen, dem Naturhaften und dem
rem - das aus der Umwelt in ihren mannigfachen eee
3 er ne chat der Perſonlichkel die Enftüſe d der Außen⸗
welt aufzunehmen. Kein Zweifel, daß bei Goethe der produktive,
. = N Charakter der Perſönlichkeit den paſſiven, rezeptiven bei
= 1*
—
4 Abhandlungen
weitem überwiegt, er wäre ja ſonſt auch nicht als ſchöpferiſche In⸗ |
dividualität aufzufaſſen. Jeder pſychiſche Akt iſt aber ferner nicht nur
Augenblick, Gegenwart, ſondern in ſich trägt er die inhalt- und form⸗
gebenden Kräfte, Tendenzen der individuellen wie genealogiſchen Ver⸗
gangenheit, die Tradition, die in jedem Erbgut liegt, und zielt auf
die Zukunft; er iſt Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft zugleich.
Die Richtung, nach der hin die pſychiſchen Kräfte ſich entwickeln,
aus welchem Gut ſie ihren Inhalt ſchöpfen, das beſtimmt die Kultur⸗
arbeit eines jeden Menſchen, gibt ihm ſein Schickſal, ſeine dynamiſche
Stellung in der Entwicklung des Lebens. Goethes Lebensarbeit war
zukunftgerichtet, deshalb iſt er ein Pionier in der geiſtigen Kultur⸗
entwicklung. Hiermit tritt ſeine Perſönlichkeit weit heraus aus den
Grenzen etwa der Literatur und Kunſt. Sein Leben gilt der ge⸗
ſamten gebildeten Menſchheit. Somit iſt es nicht nur aus Gründen
und aus der Intereſſenſphäre von Kunſt, Literatur und Wiſſenſchaft
nötig, die Eigenart ſeines Schaffens zu erkennen, die eben dieſen pro⸗
duktiven, univerſell kulturellen Gehalt in ſich hegt und hervorbringt,
ſondern dieſe Erkenntnis iſt nötig, um überhaupt das Weſen, das
Eigenſte ſeiner Perſönlichkeit in ihrer pſychiſchen Struktur zu be⸗
greifen. Aus ſeiner Perſönlichkeit heraus verſtehen wir ſeine Kultur⸗
miſſion, die Tendenz ſeiner ſo zahlreichen Werke, den Sinn ſeines
Lebens und Strebens. Dieſes Leben war bewußt, unabläſſig einer
beſtimmten Seelenformung geweiht, die er — als Reaktion gegen
gegenſätzliche Anlagen — erlangen mußte, um ſeine brünſtige Sehn⸗
ſucht nach Ausgleich, nach Harmonie befriedigen zu können.
Dieſe pſychiſchen Kräfte wurzeln nicht im logiſchen Verſtand,
deſſen Gebiet die Ordnung des Empiriſchen, der Empfindungen, der
Begriffe iſt. Sie entſpringen der transrationalen Bewußtſeins⸗
ſphäre, ſie ſind alogiſcher Natur und empfangen ihre Gültigkeit
aus ihrem Erlebtwerden, ihre Sanktion aus der richterlichen Tätig⸗
keit des Gewiſſens, aus der im Erlebnis wurzelnden Überzeugung,
die logiſch nicht bewieſen werden kann, einem Wahrheitsgefühl.
Sie werden erlebt als Außerungen einer überbewußten Sphäre, als
Erfahrungen eines tranſzendenten Weltbewußtſeins. Sie ſind kos⸗
miſcher, nicht empiriſcher Natur.
Der empiriſche Menſch iſt pſychiſch orientiert nach den Ver⸗
ſtandeskategorien, ſein Bereich iſt die logiſche Ordnung, die Ab⸗
grenzung, Syſtematiſierung des empiriſch Gegebenen. Der kosmiſche
Menſch iſt der Träger jenes unmittelbaren Wahrheitsgefühles, teil⸗
zuhaben und abhängig zu ſein von einer höheren Bewußtſeinskraft,
die als eine kosmiſche unräumlich und ewig iſt, aus der der eigent⸗
liche Sinn irdiſchen Lebens ſtrömt. Der kosmiſche Menſch fühlt
ſich als dynamiſches Glied einer kosmiſchen, dynamiſchen Totalität.
Wahres Leben iſt ihm in dieſem urſprünglichen Kosmiſchen gegeben,
nicht im zeitlich Empiriſchen. Alle logiſch-empiriſche Erkenntnis
über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 5
kann ihm nur eine relative ſein, im kosmiſchen Gefühlserlebnis
findet er abſolute Werte, die er freilich nach ſeiner kosmiſchen pfychi=
ſchen Struktur erfaſſen wird. Sollen mithin Menſchenwerke dieſem
wahren Sinn des Lebens, als einer Offenbarung des ewigen, grenzen⸗
loſen höheren Lebens, Ausdruck geben, jo müſſen ſie aus der fosmi-
ſchen Pſyche entſpringen. Die Aufgabe iſt ſomit geſtellt, den Nach⸗
weis kosmiſchen Seelengehaltes als ſchöpferiſches Prinzip zu führen
und ferner die Art und Weiſe ſeines Ausdruckes näher zu beſtimmen.
Methodik. Philoſophiſche Betrachtung. Kosmiſche Kategorien.
Es erhebt ſich dabei die Frage nach der Unterſuchungs-Methodik,
die kurz beſprochen werden muß. Von vornherein wird eine empirijch-
hiſtoriſche Betrachtungsweiſe ſeines Lebens, ſeiner Werke unmöglich
zum Ziele führen können. Aus einem Aneinanderreihen von abge⸗
grenzten Tatſachen läßt ſich ein immanentes dynamiſches Geſetz nicht
empiriſcher Natur insbeſondere niemals entdecken. Ebenſowenig wird
die empiriſch orientierte Pſychologie dazu verhelfen. Auch fie vermag
alogiſche ſeeliſche Strebungen nicht zu analyſieren, fie bewertet ſee⸗
liſche Vorgänge nicht, weiſt nur aſſoziative Verknüpfungen formali⸗
ter nach. Nur eine philoſophiſche, bezw. philoſophiſch-pſychologiſche
Unterſuchung und Methodik wird den zu ſtellenden Anforderungen
gerecht. Denn Philoſophie iſt Bewertungswiſſenſchaft und Totalitäts⸗
wiſſenſchaft. Ihre Aufgabe iſt es, alles Singuläre in und durch ein
übergeordnetes Prinzip zu faſſen, zu bewerten und zu einer organi⸗
ſchen Einheit zu bringen. Neben die Erkenntnisarbeit alles Logiſchen
tritt ihr eigentümlichſtes Gebiet, die Beziehungen zum Alogiſchen,
Tranſzendenten zu erforſchen, neben die naturwiſſenſchaftliche, prag⸗
matiſche Kauſalbetrachtung die richtunggebenden pſychiſchen geſetzli—
chen Verbindungen aufzudecken, die allem lebendigen Werden, Wan⸗
deln immanent ſind, die wir als pſychiſche Richtungskräfte, Entele⸗
chien bezeichnen. Sie ſucht den kosmiſchen Sinn des Lebens in der
Erſcheinungswelt, erklärt und deutet jede Lebenserſcheinung im fo3-
miſchen Zuſammenhang. Sie ſetzt dem Relativen in der empiriſchen
Erkenntnis, zumal wenn ſie auf dem Grund eines Senſualismus,
eines logiſchen oder naiven Realismus ſich aufbaut, kosmiſche All⸗
gemeingültigkeit (natürlich in praxi nur ſo weit, als es ſich um gleich
ſtrukturierte Pſychen handelt) entgegen. Soweit die Pſychologie nicht
pſychiſche Einzelakte beurteilt, ſondern auf Grund ausgearbeiteter pſy⸗
chiſcher Typen die Einzelfunktion als Außerung einer übergeordne⸗
ten, allgemeineren pſychologiſchen Struktur betrachtet, vermag ſie
3. T. dieſer Aufgabe zu genügen. Gegenüber aber der philoſophiſchen
Betrachtung erachte ich dieſe Typenpſychologie als etwas Sekundä—
res, ſie konſtruiert auf Grund der urſprünglicheren, a priori gegebenen,
genetiſch nicht weiter auflösbaren, darum notwendigen Grundwahr⸗
heiten, die wohl primär aus dem pſychiſchen Erlebnis ſtammen, die
6 | Abbandlungen
aber verbunden find mit pfychifchen Forderungen. Sie enthalten in
ſich die Dignität einer Vernunftordnung, fie ſtellen ſeeliſche Bezie⸗
hungen her. Dieſer ihr philoſophiſcher Wert erhebt dieſe Vernunft⸗
akte über die Tatſächlichkeit eines individuellen phyſiologiſch-pſychi⸗
ſchen Vorganges.
Dieſe Gefühlskomplexe, die elementar unſer Wollen anregen, len⸗
ken, ſind gleichſam kosmiſche Schemata oder Kategorien, Funktionen
der übergeordneten kosmiſchen Bewußtheit zur Einordnung ſeeliſcher
Vorgänge in das umfaſſende kosmiſche Prinzip, das a priori als über⸗
individuelle Vernunft gegeben iſt, wie etwa die Verſtandeskategorien
Ordnungsformen zur Ermöglichung der Verſtandeserkenntnis ſind.
Die Identität, die notwendige Einheit der einzelnen Empfindungs⸗
und Denkakte, wird durch ſynthetiſche Apperzeption des Verſtandes
bedingt. Ebenſo verfügt die Vernunft als der kosmiſch orientierte
Bewußtſeinsteil über eine ſynthetiſche Fähigkeit zur Identität des
kosmiſchen Erlebnisaktes mit dem Subjekt. Durch ſeine ſympathiſche
Einfühlung nimmt das Bewußtſein das kosmiſche Element auf und
bewertet, ordnet es als ein ethiſch-kosmiſches, religibs-kosmiſches,
künſtleriſch⸗kosmiſches. Ethik, Religion, Kunſt laſſen ſich auffaſſen
als ſpeziell geordnete kosmiſche Schemata.
Beſteht nun in Goethes geiſtiger Struktur eine beſondere Auf⸗
nahmefähigkeit für kosmiſchen Inhalt, ſo muß dieſer ſich in der Form
eines der genannten Schemata äußern, als ein kosmiſcher Inhalt im
Gewand der Ethik, der Religion oder der Kunſt. Alle drei Schemata
ſind aber Formen philoſophiſcher Art und beweiſen eine ſpezifiſch⸗
philoſophiſche Geiſtesſtruktur, die nicht nach dem Empiriſch⸗logiſchen,
ſondern eben nach dem alogiſchen, tranſzendenten Kosmiſchen orien⸗
tiert iſt.
Dieſe Unterſcheidung philoſophiſchen Denkens iſt von Wichtig⸗
keit, zumal Goethe ſich häufig dahin ausgeſprochen hat, für Philoſo⸗
phie im eigentlichen Sinne habe er kein Organ gehabt, vielmehr habe
er ſich von der Philoſophie ſtets frei gehalten.
Er denkt bei dieſer deutlichen Abſage jedoch an die ſpekulative Be⸗
griffsphiloſophie. Bekannt iſt ja, wie er im Fauſt' an verſchiedenen
Stellen über dieſelbe ſpottend urteilt. Im Gegenſatz zur Philoſophie
betont er vielmehr den Standpunkt des gefunden Menſchenverſtandes.
Syſtematik hat er nie ausgeübt. Grauen Theorien gegenüber betont
er die Wahrheit der reinen Natur, des Natürlichen. Sie irre niemals,
dagegen ſei alles verfälſcht, was uns von der Natur trennt.
Dennoch iſt Goethe eine durchaus philoſophiſche Natur, jedoch iſt
ſie auf das Kosmiſche orientiert. Seinem Geiſtesleben iſt die Rich?
tung auf das Allgemeine, auf das Synthetiſche, auf die Erfaſſung
immanenter Lebensprinzipien in den Dingen der Natur durchaus,
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und zwar in charakteriſtiſcher Weiſe, eigen. Denken, Fühlen, Streben
ringen nach Ganzheit, nach kosmiſcher Einheit. In ſeinem Welter⸗
= oftreben beſteht Ganzheit nicht im Vielwiſſen, nicht in enzy⸗
5 lopädiſcher Ausdehnung einzelner Wiſſenſchaften — obwohl er zu
denen gehört, die gleich Solon „lernend alt werden“ —, ſondern es
handelt ſich um Erweiterung, Vertiefung der geſamten kosmiſchen
Seeinsſphäre, um das Singuläre, Vergängliche, räumlich Gebundene
im Licht eines höheren Totalitätsgeſetzes zu erfaſſen, zu bewerten, um
das Einzelne als Symbol des Allgemeinen zu begreifen. Er ſucht es
einzureihen als dynamiſchen Faktor in funktioneller Wechjelbezie-
hung in das Ganze des Lebens. Das Einzelne des Objekts beſteht
nicht für ſich, er ſieht es als ein Typiſches, als die Erſcheinungsform
eines kosmiſchen Prinzipes. Die Fähigkeit und die Tendenz, im Ein⸗
zelnen das Symbol einer kosmiſchen Totalität zu ſehen, war eine
Er Grundeigenſchaft ſeiner Individualität, ihre naturbedingte Auße⸗
x rung, die ihn in Gegenſatz zur empirischen Forſchungsmethode ſtellt.
Symboliſche Auffaſſung.
Über ſeine Fähigkeit, die Gegenſtände ſymboliſch zu betrachten,
ſchreibt er z. B. an Schiller: „Symboliſch betrachtete Fälle ſind emi⸗
nente Fälle, die in einer charakteriſtiſchen Mannigfaltigkeit als Re⸗
präſentanten von vielen anderen daſtehen, eine gewiſſe Totalität in
ſich ſchließen und ... von außen wie von innen an eine gewiſſe Ein-
heit und Allheit Anſpruch machen.“ Ein bekanntes Goethe-Wort lau⸗
tet: „Alle unſere Erkenntnis iſt ſymboliſch.“ Dadurch, daß die Er⸗
kenntnis als Repräſentant des Typiſchen gewertet werden darf, wird
ſie zu einer heuriſtiſchen Theorie. In dieſem Sinn muß wohl ſein
Wort aufgefaßt werden: das Höchſte ſei, zu begreifen, daß alles Fak⸗
tiſche ſchon Theorie ſei. Theorie iſt in ſeinem Sinne Repräſentation
des Tpypiſchen in anſchaulicher Idee, im ſog. Urphänomen. Das Sym⸗
ie bol bedeutet alſo etwas Urſprünglicheres. „Ein Faktum unſeres Le⸗
bens gilt nicht, inſofern es wahr iſt, ſondern inſofern es etwas zu be⸗
deuten hat.“
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* Perſönlichkeit, Individualismus, Kollektivismus.
3 Engſtens verbunden mit der ſymboliſchen Auffaſſung alles Einzel⸗
nen iſt notwendigerweiſe ſeine Wertſchätzung der individuellen Per⸗
ſönlichkeit. Perſon fein heißt: ein Selbſtändiges, Lebendiges, Aktives
ſein gegenüber dem Kauſalabhängigen, dem Leidenden, der Sache.
Individuelle Perſönlichkeit iſt der Menſch, wenn er gegenüber ſeiner
geſamten Umwelt eine ſelbſtändige Qualitätsgröße iſt, wenn ſeine
funktionellen Beziehungen zur Umwelt den Urſprung aus einer in⸗
dividuellen Seelenkonſtitution erkennen laſſen. Goethes Auffaſſung
der Perſönlichkeit iſt eine Abweiſung jeder mechaniſchen, kauſal ge⸗
richteten naturwiſſenſchaftlichen Erfaſſung des Weltgeſchehens. Denn
= dieſe baut ein Ganzes aus der Summation abgegrenzter Teile auf.
3 Es iſt die Abweiſung einer kollektiviſtiſchen Bewertung und Deutung
8 Abhandlungen
der ſozialen Erſcheinungsformen, Verwerfung eines überragenden
Milieuſtandpunktes gegenüber dem Individuum zugunſten der dy⸗
namiſchen Totalität, die nicht ein Denkſyſtem iſt, ſondern eine leben-
dige Ganzheit aus Qualitätsgrößen, aus Perſönlichkeiten dynami⸗
ſcher Eigenart, die durch ihre pſychiſchen funktionellen Beziehungen zu⸗
einander eine lebendige Kontinuität bilden. Die Einzelformen ſtreben
alſo nicht auseinander. Totalität verlangt ſomit Individualität und
einen immanenten Kollektivismus. So muß auch Goethe neben ſei⸗
nen auf das Individuelle gerichteten Strebungen ſolche aufweiſen, die
— um der Totalität und der in ihr ruhenden Harmonie willen — den
Forderungen notwendiger Kollektivität genügen. „Im Grunde aber
ſind wir alle kollektive Weſen, wir mögen uns ſtellen, wie wir wol⸗
len, ſowohl von denen, die vor uns waren, als von denen, die mit
uns ſind. Selbſt das größte Genie würde nicht weit kommen, wenn
es alles ſeinem eigenen Innern verdanken wollte.“ Deutlich erkennt
er hier die Bedeutung von Kulturtradition, Kulturkonvention an.
Durch Anerkennung der kollektiven Notwendigkeiten lehnt er jeden
Solipſismus ab. In dieſem Sinn ſpricht er zu Eckermann: „Jeder
muß ſich eigentlich als ein beſonderes Weſen bilden, aber den Be⸗
griff zu erlangen ſuchen, was alle zuſammen find.”
Iſt die Perſon nur eine beſondere Form des kosmiſchen Lebens,
ſo iſt ſie als Lebensteil unſterblich. Goethe war überzeugt von einem
Leben nach dem Tode. „Ich zweifle nicht an unſerer Fortdauer, denn
die Natur kann die Entelechie nicht entbehren.“ Entelechie iſt gleich⸗
bedeutend mit der lebendigen Kraft der Perſönlichkeit.
Aus den bisherigen Betrachtungen erhellt der philoſophiſche Grund⸗
zug ſeiner Individualität, die nicht empiriſch, ſondern kosmiſch, uni⸗
verſell und harmoniſch orientiert war. Die höchſte Wiſſenſchaft war
ihm eine ſolche Philoſophie. Riemer gegenüber äußert er ſich: „Die
Wiſſenſchaften einzeln ſind gleichſam nur die Sinne, mit denen wir
den Gegenſtänden Face machen. Die Philoſophie oder die Wiſſen⸗
ſchaft der Wiſſenſchaften iſt der sensus communis.“
Totalitätsſinn.
Sein ganzes Wirken als Wiſſenſchaftler, Künſtler, ſein Verhältnis
zu den ſozialen Gemeinſchaftsformen, den religiöſen Fragen iſt ſomit
getragen und beſtimmt von einem philoſophiſchen Sinn, deſſen Grund⸗
tendenzen auseinandergeſetzt wurden. Aus der Totalitätsanſchauung
entſpringt ſeine naturwiſſenſchaftliche Betrachtungsweiſe, ſeine Über⸗
zeugung der biologiſchen Kontinuität, der morphologiſchen Metamor⸗
phoſe, der funktionellen Korrelationen alles Einzelnen untereinander
und zum Ganzen. Vorzugsweiſe ſetzt er die Art ſeiner Naturauffaſ⸗
ſung in der Einleitung zur Morphologie der Pflanzen auseinander.
Wir leſen da z. B.: „Jedes Lebendige iſt kein Einzelnes, ſondern eine
Mehrheit; ſelbſt inſofern es nur als Individuum erſcheint, bleibt es
über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 9
doch eine Verſammlung von lebendigen, ſelbſtändigen Weſen, die der
Idee, der Anlage nach gleich ſind, in der Erſcheinung aber gleich oder
ähnlich, ungleich oder unähnlich werden können.“ Es iſt dies die
Lehre der Homologie der Organe, daß urſprünglich gleichangelegte Or—
gane ſich morphologiſch wie funktionell verändern können (Schwimm⸗
blaſe der Fiſche, Lunge der Säugetiere z. B.). „Daß nun das, was
der Idee nach gleich iſt, in der Erfahrung entweder als gleich oder
als ähnlich, ja ſogar als völlig ungleich oder unähnlich erſcheinen
kann, darin beſteht eigentlich das bewegliche Leben der Natur.“ Leben
iſt alſo Entwicklung, Differenzierung. Aus ſeinem Totalitätsſinn er⸗
wachte als Reaktion gegen Linnés botaniſche Lehren, die feinem We⸗
ſen widerſtreiten mußten, das Bedürfnis, ſich mit Naturwiſſenſchaft
zu beſchäftigen. „Denn indem ich ſein ſcharfes, geiſtreiches Abſondern,
ſeine treffenden, zweckmäßigen, oft aber willkürlichen Geſetze in mich
aufzunehmen verſuchte, ging in meinem Innern ein Zwieſpalt vor:
das, was er mit Gewalt auseinanderzuhalten ſuchte, mußte, nach
dem innerſten Bedürfnis meines Weſens, zu Vereinigung
anſtreben.“ Der Totalitätsſinn fordert eine ſynthetiſche Naturbetrach—
tung. Am Ende der italieniſchen Reiſe, in Sizilien, leuchtet ihm
nach langem Durchdenken die urſprüngliche Identität aller
Pflanzenteile vollkommen ein.
In der Abhandlung Der Verſuch als Vermittler von Objekt und
Subjekt' ſteht: „In der lebendigen Natur geſchieht nichts, was nicht
in einer Verbindung mit dem Ganzen ſteht. Da alles in der Natur,
beſonders aber die allgemeinen Kräfte und Elemente, in einer ewigen
Wirkung und Gegenwirkung ſind, ſo kann man von einem jeden
Phänomen ſagen, daß es mit unzählig anderen in Verbindung ſtehe.“
Alſo nicht als vereinzelte, vom Ganzen losgetrennte, für ſich be=
ſtehende Erſcheinung — d. h. empiriſch — iſt ein Naturgeſchehen zu
betrachten, ſondern in ſeinem funktionellen Zuſammenhang. Aller⸗
dings trennt ihn eine ſolche Anſchauungsweiſe von der objektiven
empiriſch notwendigen Einzelforſchung, die zuerſt den Gegenſtand
analyſieren muß, bevor ſeine Betrachtung im funktionellen Zuſam⸗
menhang, in philoſophiſcher Weiſe erfolgverſprechend erſcheint. Ana⸗
luyſe und Syntheſe find notwendig je nach dem Ziel der Unterſuchung.
Goethes philoſophiſche Struktur trennt ihn im wichtigſten Punkt von
dem von ihm jo verehrten Spinoza — ich verweiſe auf ſeine An⸗
ſchauung der Kontinuität alles Lebendigen, auf ſeine Auffaſſung der
ſelbſtändigen Perſönlichkeit — und zeigt ihn im Lichte der Leibnizſchen
Weltauffaſſung, die Selbſttätigkeit, dynamischen Zuſammenhang der
Individuen, der Monaden poſtuliert.
Synthetiſche, intuitive Erkenntnis; Urphänomen.
Jede Erkenntnis drückt ſich in einer Ausſage, einer beſtimmten
Urteilsform aus, die das Subjekt über das Objekt fällt, nachdem
10 Abhandlungen
eine funktionelle Beziehung zwiſchen beiden hergeſtellt iſt. Die Er⸗ 8 E
kenntnisform muß ſomit abhängig fein von der Beziehungsart wis
ſchen beiden; wir unterſcheiden ſubjektive, objektive Ausſagen. Trotz
aller Wandlungen, die Goethes wiſſenſchaftliches Denken durhmadte,
indem er beſonders unter dem Einfluß Schillers, des methodiſchen
Denkers und Kantianers, den regulatoriſchen Kräften der Verſtandes⸗
reflexion mehr Raum gab als früher, bleibt die Tendenz ſeines wiſ⸗
ſenſchaftlichen Denkens ſtets eine ſynthetiſche, realiſtiſche und kos⸗
miſch orientierte. Bei ihm ſchrieb nicht der Verſtand den Dingen die
Geſetze vor, ſondern ſuchte ſie aus der reellen Dingwelt, im Symbol
zu erfaſſen.
Pſychologiſch war ſein Denken durchaus konkret-viſuell. „Ich
glaubte wirklich, ich ſähe meine Meinung vor Augen.“ Das Geſetz⸗
liche abſtrahiert er nicht auf Grund von abſtrakten Denkbegriffen,
ſondern erklärt es im ſog. Urphänomen, der bildlichen Idee, womit
die Grenze der Erfahrungsmöglichkeit erreicht iſt. Ein Weiteres ſolle
der Menſch nicht dahinter ſuchen. Die Idee des Urphänomens iſt aber
nicht eine theoretiſche Idee, ſondern fie iſt ihm Anſchauung, Erleb⸗
nis. In gewiſſem Sinn könnte man ſagen, daß Goethe einem naiven
Realismus huldigte, der die Objekte für das erklärt, wofür er ſie an⸗
ſchaut und vermeintlich erkennt und in der Erkenntnisdeutung den
ſubjektiven Faktor, der in jedem Denk- und Erkenntnisakt unbedingt
liegen muß, vernachläſſigt. Jedoch kann ich in voller Uneingeſchränkt⸗
heit dies nicht einräumen. Naiver Realismus iſt überhaupt kein
wiſſenſchaftliches, philoſophiſches Denken, denn dieſes ſucht Geſetz⸗
lichkeit für die Erſcheinungswelt in irgendeiner Form. Wiſſenſchaft⸗
liches Denken iſt ſtets auch ein formales Denken, das abhängig iſt
von einem formgebenden Bewußtſeinsakt. Auch Goethes Denken iſt
ein wiſſenſchaftliches, formales, ſonſt könnte er ja nicht philoſophi⸗
ſcher Natur ſein. Das Formprinzip iſt bei ihm jedoch nicht ein logiſch⸗
abſtraktes, eine abſtrakte Theorie, ſondern ein Bewußtſeinsinhalt
aus einem pſychiſchen Erlebnis, eben die im Urphänomen angeſchaute
Idee. Sie gibt ſeiner Forſchung Richtung und das Kriterium der
Wahrheit ab und zwar nach verſchiedenen Seiten hin, denn wir
hörten ja, wie ſich im Urphänomen als Entfaltung lebendiger Tota⸗
lität Kontinuität, Metamorphoſe, Korrelation, Differenzierung zur
Einheit verdichten.
Phänomenologiſcher Realismus.
Sein Realismus kann im Gegenſatz zum logiſchen Begriffsrealis⸗
mus phänomenologiſch genannt werden; gleichzeitig iſt ſeine Philo⸗
ſophie und Weltanſchauung eine Identitätsphiloſophie, denn alle
Erſcheinung iſt nur eine Objektivation eines ihr immanenten geiſtigen
Prinzipes. Materie und Pſpychiſches find in letzter Linie identiſch, ſie
find polare Erſcheinungsgegenſätze eines Abſoluten, Tranſzendenten.
5
über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 11
r.. c ( en eye
Sein Anſchauen iſt ſein wiſſenſchaftliches Denken in Form einer
intuitiven Erkenntnis. Schiller ſchreibt ihm in ſeinem berühmten
Brief vom 23. Auguſt 1794, in dem er ſich über Goethes Entwid-
lung ausſpricht: „In Ihrer richtigen Intuition liegt alles und weit
2 vollſtändiger, was die Analyſis mühſam ſucht, und nur weil es als
3 ein Ganzes in Ihnen liegt, iſt Ihnen Ihr eigener Reichtum ver⸗
RR borgen; ... Sie nehmen die ganze Natur zuſammen, um über das
5 Einzelne Licht zu bekommen; in der Allheit ihrer Erſcheinungsarten
= ſuchen Sie den Erklärungsgrund für das Individuum auf.“ In einem
ſpäteren Brief ſchreibt Schiller: „Ihr Geiſt wirkt in einem außer⸗
ordentlichen Grade intuitiv, . . . Im Grund tft dies das Höchſte,
was der Menſch aus ſich machen kann, ſobald es ihm gelingt, ſeine
Anſchauung zu generaliſieren und ſeine Empfindung geſetzgebend zu
machen.“
Naturanſchauung; Pantheismus.
Aus dem lebendigen Totalitätsſinn entſpringt ſeine pantheiſtiſche
Weltauffaſſung, die das Göttliche in jeder Naturerſcheinung ſymbo⸗
liſiert erſchaut. Natur iſt ihm nicht eine kauſal verknüpfte, empiriſche
Dingwelt, nicht die mechaniſtiſche Atomiſierung derſelben, auch nicht
eine logiſche Vernunftgeſetzlichkeit, ſondern ſie iſt eine Erlebnisform
. des Tranſzendenten, ſie iſt die Identität vom Göttlichen und dem
E Gewordenen, ſie it eine Gott⸗Natur, wo in Baum und Buſch, in Luft
3 und Waſſer unſere Brüder leben. Natur wird zu einem metaphyſi⸗
ſchen Bewußtſeinsinhalt, ſie iſt Offenbarung des Weltgeiſtes, in ihr
erkennen wir ſymboliſch die Quellen alles Lebens, an denen Himmel
und Erde hängt. Neben dem urſprünglichen Totalitätsſinn zeigt eine
ſolche Seelenſtimmung, da ſie gefühlsgetragen iſt, auch ſtarke Sym⸗
pathiebewegungen, neigt auch zum Myſtiſchen, zur Schwärmerei,
wie wir fie z. B. bei Giordano Bruno, bei Franz von Aſſiſi antref⸗
fen. Um die Stimmungsähnlichkeit mit Goethe zu charakteriſieren,
22 führe ich eine Strophe aus dem Sonnengeſang des heiligen Franzis⸗
kus an:
Geprieſen ſei, mein Herr, durch unſere Brüder, den Mond und die Sterne,
Die du haſt am Himmel gebildet ſo ſchön, ſo helle.
Geprieſen ſei, mein Herr, durch unſeren Bruder, das Feuer,
Durch das du die Nacht erhellſt,
Und er iſt ſchön und freudig und ſtark und gewaltig.
Diithyrambiſch gehoben klingt die Sprache in Goethes Aufſatz Die
. Natur', der im Jahre 1782 erſchien, überfließend iſt das urſprüng⸗
Hide Gefühl der Sympathie. Ich führe einige Sätze an:
Bi Sie ld. h. die Natur] hat keine Sprache noch Rede, aber fie ſchafft Zungen
Re und Herzen, durch die fie fühlt und Spricht. Ihre Krone ift die Liebe. Nur
g durch ſie kommt man ihr nahe. Durch ein paar Züge aus dem Becher der Liebe
hält ſie für ein Leben voll Mühe ſchadlos. Alles iſt immer da in ihr. Ver⸗
gangenheit und Zukunft kennt ſie nicht. Gegenwart iſt ihr Ewigkeit. Sie iſt
gütig. Sie iſt weiſe und ſtill.
12 Abhandlungen
Aus dieſen wenigen Sätzen erhellt die tiefe Inbrunſt, mit der
Goethe ſie erlebt, erfühlt, wie hoch die Gefühlsregungen der Einfüh⸗
lung, der Sympathie wogen, wie er ſie mit den Augen der Liebe, der
Gemeinſchaft betrachtet.
Iſt nicht der Kern der Natur
Menſchen im Herzen?
heißt ein bekannter Spruch, der hier anzuführen iſt. Entſteht ſie nicht
in ihrem Weſen im Herzen der Menſchen, liegt ſie nicht in feiner _
tiefſten Innerlichkeit, hängen Natur und Menſch nicht an einer ge⸗
meinſamen Lebensader? Ein ſolcher Pantheismus hat innerlich keine
Gemeinſchaft mit dem formalen pantheiſtiſchen Syſtem Spinozas,
das modo geometrico die Welt, die Natur erfaßt.
Gott lebt, wirkt in der Totalität.
Was wär ein Gott, der nur von außen ſtieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemts, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So daß, was in Ihm lebt und webt und iſt,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geiſt vermißt.
Solche Worte drücken klar eine Abſage jeder deiſtiſchen Gottes-
auffaſſung aus, wie ſie in der Aufklärungszeit üblich war.
Wahrheit, Harmonie.
Sein Verhältnis zur Natur iſt kosmiſcher Art. Als kosmiſche Ka⸗
tegorien führen wir an ethiſche, religiöſe, künſtleriſche. Erfüllen ſie
ihren Zweck als Kriterien? entſpricht ihnen das Reſultat der Auf-
gabe, kosmiſchen Inhalt in Goethes pſychiſcher Struktur nachzuwei⸗
ſen? Als Formen eines Prinzipes ſtehen ſie miteinander in engſter
organiſcher Verbindung und werden mit dem übergeordneten kos⸗
miſchen Prinzip durch die Tatſache innerer Wahrheit zuſammenge⸗
halten, denn Wahrheit liegt in jedem innerlich bedingten, organiſch
notwendigen unlösbaren Zuſammenhang. Wahrheit liegt im Zu⸗
ſammenhang der einzelnen Kategorien mit dem höheren formalen
Prinzip. Soll Goethes pſychiſche Struktur im Hinblick auf das Kos⸗
miſche den einzelnen Kategorien genügen, ſo muß auch in ihm ein
Wahrheitsgefühl kosmiſcher Art lebendig ſein; er muß eine „wahre“
Seelenſtimmung haben. Goethe war eine Natur der Wahrhaftigkeit.
Deshalb ſein unermüdliches Arbeiten an ſich jelbit, um dem Wahren
in ihm, was er als das Wahre erkannt hatte, Wirklichkeit zu ver⸗
ſchaffen in allen ſeinen Betätigungen in Kunſt, Wiſſenſchaft, Reli⸗
gion, in allen ethiſchen Beziehungen. Ließe ſich ihm Heuchelei nach⸗
weiſen, ſo wankte unbedingt der kosmiſche Aufbau. So feſt war aber
ſein Wahrheitsgefühl, daß er ſagen konnte: „Irrtum iſt eine Falſch⸗
heit.“
Es iſt nötig, den Wahrheitsbegriff weiter zu entwickeln. Wahrheit
iſt die Übereinſtimmung des Denkobjektes mit dem formalen Denk⸗
BL
über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 13
prinzip; ſie iſt alſo davon abhängig, in welchem Punkt, in welcher
Beziehung, in welchem Umfang eine Übereinſtimmung herrſchen ſoll.
Anders iſt die phänomenologiſche Wahrheit des Erlebniſſes, anders
die objektive logiſche Denkwahrheit, eine andere die Wahrheit des
naiven Realiſten, eine andere die des Begriffsrealiſten. Eine Wahr⸗
heit, die ſich auf das Kriterium der Zweckmäßigkeit gründet, iſt die
pragmatiſche. Verſteht man unter Zweckmäßigkeit empiriſchen Uti⸗
litarismus, ſo iſt dieſe praktiſche Wahrheit eine ſekundäre und gar
nicht mit den anderen Wahrheitsformen zu vergleichen, die in ſich,
um ihrer ſelbſt willen das Wahrheitskriterium tragen. Betrachtet man
jedoch die Zweckmäßigkeit als die jedem Geſchehen inliegende biolo-
giſche Lebenstendenz, als ein immanent Pſychiſches, jo erhält dieſe
jog. pragmatiſche Wahrheit Unmittelbarkeit, fie iſt dann eine bio-
logiſche, damit urſprüngliche, aprioriſtiſche Wahrheit. Nur in dieſem
Zuſammenhang gehört ſie ebenfalls zu der kosmiſchen Wahrheit.
Dieſe kosmiſch⸗pragmatiſche Wahrheit war auch in Goethe lebendig.
Bekannt iſt ſein Wort: „Was fruchtbar iſt, allein iſt wahr,“ oder:
„Ich habe gemerkt, daß ich den Gedanken für wahr halte, der für
mich fruchtbar iſt, ſich an mein übriges Denken anſchließt und zu⸗
gleich mich fördert. Nun iſt es nicht allein möglich, ſondern natür⸗
lich, daß ſich ein ſolcher Gedanke dem Sinn des Andern nicht an⸗
ſchließt, ihn nicht fördere, wohl gar hindere, und ſo wird er ihn für
falſch halten.“ Pragmatiſche und logiſche Wahrheit können ſich na-
türlich widerſprechen, denn ihr Kriterium iſt ein anderes, doch müſſen
ſie, da ſie kosmiſchen Urſprungs ſind, in eine übergeordnete Wahr⸗
heit ſich harmoniſch eingliedern laſſen. Pragmatiſche Wahrheiten,
die Gewiſſenskonflikte auslöſen, die in unüberbrückbarem Gegenſatz
zur Religion, Ethik ſtehen, ſind keine urſprünglichen, naturnotwen⸗
digen, ſondern empiriſche, utilitariſtiſche. Goethes Pragmatismus
iſt nicht dieſer Art. Bei der Frage nach der Fruchtbarkeit einer Er⸗
kenntnis hat er ihr Vermögen, weitere Wahrheitserkenntnis zu ver⸗
leihen, im Auge. Seine geſamte Produktivität atmet ethiſche und
religiöſe Grundſtimmung, iſt kosmiſchen Charakters. Deshalb ſtimmt
für ihn ſein Wort, daß der Irrtum, d. h. die falſche Wahrheit, eine
Falſchheit — alſo ein moraliſcher Defekt — iſt. „Auch ein nützlicher
Irrtum iſt ſchädlich.“ Dieſem Grundſatz einer pragmatiſchen Wahr⸗
heit begegnen wir auch bei Spinoza, wenn er das für gut hält, was
uns ſicher nützlich ſei, das Ideal zu erreichen.
Ein anderes wichtiges Wort zur Wahrheit lautet: „Kenne ich
mein Verhältnis zu mir ſelbſt und zur Außenwelt, ſo heiß' ich's
Wahrheit.“ Jeder Organismus ſteht in funktionellen Wechſelbezie⸗
hungen zur Umwelt. „In der lebendigen Natur geſchieht nichts, was
nicht in einer Verbindung mit dem Ganzen ſteht.“ Nie iſt der
Menſch iſoliert; aus den Gemeinſchaftsbeziehungen erwächſt ſein Le⸗
ben. Sein Verhältnis zur Außenwelt kennen, iſt eine logiſche Ein⸗
14 Abhandlungen
ſicht auf Grund biologischer Naturwahrheit. „Die Wahrheit fordert, .
daß wir uns für beſchränkt erkennen ſollen, der Irrtum ſchmeichelt
uns, wir ſeien auf ein oder die andere Weiſe unbegrenzt.“ Aber
nicht nur ſein Verhältnis zur Außenwelt gilt es zu erfaſſen, ſondern
ſein eigenes Ich. Auch dieſer Trieb entſpringt der ſynthetiſchen Auf—
faſſung, ſeinem Totalitätsſinn. Das eigene Ich muß wie jede andere
Naturerſcheinung ſymboliſch erfaßt werden, nicht nur als ein ſubjek⸗
tives Erlebtwerden, ſondern als ein typiſches, objektives. Der Menſch
muß es lernen ſich zu objektivieren, indem er „all ſein Wirken und
Leiſten nur ſymboliſch“ anſieht.
Künſtlertum.
Wir kommen zu ſeiner Betrachtung unter den Vernunftformen
der Kunſt, der Religion, der Ethik.
Durchaus war ſich Goethe ſeiner Künſtlernatur bewußt. So ſagt
er einmal: „Für uns andere, die wir doch eigentlich zu Künſtlern
geboren ſind, bleiben doch immer die Spekulation und das Studium
der elementaren Naturlehre [d. h. alſo der ſyſtematiſchen Naturlehre]
falſche Tendenzen.“ Auf ſeine künſtleriſche Struktur weiſt in erſter
Linie ſeine intuitive Erkenntnisſchau. Der Künſtler erſchaut intuitiv
in einem äußeren Vorgang, in einem Objekt ein von allem Indivi⸗
duellen, von der Raumzeitlichkeit befreites Weſenhaftes, das ihm
zum künſtleriſchen Motiv wird, ſeine Idee repräſentiert, die er im
Kunſtwerk vergegenſtändlicht. Der Künſtler iſt in der Intuition
kosmiſch orientiert, ihm erſchließt ſich in derſelben ein künſtleriſches
Phänomen, das dem auslöſenden Gegenſtand, dem äußeren Vor⸗
gang als pſychiſch kosmiſcher Anteil immanent iſt. E
Im Moment der Intuition erlebt der Künſtler das Weſenhafte
des Objektes; es muß hierzu auslöſend auf ihn wirken. Potentiell
muß das Erlebnis des Phänomens im Objekt bereitliegen; es muß
eine funktionelle Beziehbarkeit zwiſchen dem Künſtler und dem aus⸗
löſenden Motiv im Hinblick auf das phänomenale Erlebnis vorhan⸗
den ſein. Das drücken die Worte aus:
Wär' nicht das Auge ſonnenhaft,
Die Sonne könnt' es nie erblicken;
Läg' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt' uns Göttliches entzücken?
Charakteriſtiſch für Goethes Kunſtauffaſſung ſcheinen mir fo
Außerungen: „Natur und Kunſt läßt ſich nicht trennen.“ — „Die
Kunſt ſoll nicht wirklich ſein, ſondern wahr.“ — „Die Kunſt iſt
nur durch den Menſchen und für ihn.“ a
Kunſtwahrheit iſt demnach nicht Wirklichkeit, aber in ihr muß
Naturwahrheit ſtecken, denn der Künſtler ſoll die Natur ſtudieren,
ſie nachbilden und etwas hervorbringen, das ihren Erſcheinungen
ähnlich iſt. Ahnlichkeit, nicht Nachahmung der Natur. Ein abſoluter
ralismus wird hiermit verworfen, obwohl ein jolcher bei
einem Künſtler gar nicht möglich iſt. Der Künſtler ſoll dem Werk
durch deſſen geiſtige Formung, in der Kunſtidee, die, wie oben geſagt
wurde, aus der phänomenologiſchen Intuition entſteht, einen höhe—
ren Gehalt geben. In ihm müſſen ſich Idee, Wahrheit und Natur
harmoniſch ausdrücken; das geſchieht, wenn der höchſten Geſetzlichkeit,
der die Kunſt unterſteht, Genüge geleiſtet wird, der Schönheit. Denn
Schönheit iſt für Goethe durchaus nicht eine rein ſubjektive Ge-
ſchmacksbewertung, ſondern ein Typiſches, Allgemeines, Kosmiſches.
„Das Schöne iſt eine Manifeſtation geheimer Naturgeſetze, die uns
ohne deſſen Erſcheinung ewig wären verborgen geblieben.“ Potentiell
Br. liegt es als phänomenaler, kosmiſcher Gehalt in den Naturerſchei—
= nungen. Das Kunſtwerk hat dadurch eine kulturelle Aufgabe, denn
h 08 wird nicht erfchaffen, damit es da ſei, „ſondern damit es wirke,
immer wachſe und wieder werde und wieder hervorbringe.“ Hier
zeigt ſich der innere kosmiſche Zuſammenhang der Kunſt mit der
erwähnten pragmatiſchen Wahrheit. „Iſt es einmal hervorgebracht,
ſteht es in ſeiner idealen Wirklichkeit vor der Welt, ſo bringt es eine
dauernde Wirkung, es bringt die höchſte hervor; es erhebt, indem
e
b die menſchliche Geſtalt beſeelt, den Menſchen über ſich ſelbſt.
= ichließt feinen Lebens⸗ und Tatenkreis ab und vergöttert ihn für die
: Gegenwart“ (Winckelmann und ſein Jahrhundert)).
. Schönheit, Harmonie.
Br Das Mittel, das den Künſtler befähigt, feine äſthetiſche Idee zum
Ausdruck zu bringen, iſt die „Form“. Wer formlos iſt, kann nicht
künſtleriſch ſein.
Goethes Kunſtanſchauung bezeichnen wir als eine klaſſiziſtiſche,
5 idealiſtiſche. Sie erſtrebt den harmoniſchen Ausgleich von Gemüts⸗
2 ſpannungen; edle Einfalt und ſtille Größe ſoll auch bei Goethe das
8 Kunſtwerk atmen. Es iſt bekannt, daß Goethe ſein Kunſtideal unter
I Winckelmanns Einfluß bei den Griechen glaubte gefunden zu haben.
Er So ſchreibt er aus Italien: „Dieſe hohen Kunſtwerke find zugleich
als die höchſten Naturwerke von Menſchen nach wahren und natür-
lichen Geſetzen hervorgebracht; alles Willkürliche, Eingebildete fällt
zuſammen; da iſt Notwendigkeit, da iſt Gott.“ Oder der andere Aus⸗
öl „Die höchſte Schönheit iſt in Gott. Die Griechen waren wie
Gott.“ In der Kunſt erlebt er mithin die Syntheſe, die Harmonie
von Natur, Gott, Schönheit, Geſetzlichkeit.
In ihr liegt ein religiöſer Sinn, entſprechend ihrer kosmiſchen
Er; on Sie iſt ja nur ein Organ, eine Form, in der das Kos⸗
Be: miſche, das Tranſzendente, das Göttliche fich offenbart.
f Bekanat iſt Goethes Spruch:
Wer Wiſſenſchaft und Kunſt e
Hat auch Religion.
16 Abhandlungen
Freilich kann hier unter Wiſſenſchaft nicht die empirische Wiſſen⸗
ſchaft gemeint ſein, die mit Kunſt und Religion nichts zu tun hat,
da ſie das Gebiet des logiſchen Verſtandes iſt. Wiſſenſchaft heißt
philoſophiſche, kosmiſche Wiſſenſchaft.
Dieſe Überzeugung von dem kosmiſchen Innenwert der Kunſt, des
Schönen, das Sehnen nach innerer Harmonie teilt Goethe mit den
erleſenen Geiſtern des 18. Jahrhunderts, jenes philoſophiſchen Jahr⸗
hunderts, in dem die Geiſteskultur im Vergleich zu unſerer Zeit einen
Höchſtſtand einnahm. Erlangung von Harmonie mit ſich und der Ge⸗
meinſchaft, Ausbildung der edlen individuellen Perſönlichkeit, Aus⸗
bildung der im Menſchen liegenden moraliſchen und äſthetiſchen An⸗
lagen zur weiteren Vervollkommnung verdichtete ſich vornehmlich in
der Weltanſchauung der ariſtokratiſchen Perſönlichkeit Shaftesburys,
der auf Herder, Schiller, Humboldt einwirkte, nur in dem Gedanken
der Humanität. Nach ihm ſind im Menſchen die Tendenzen, Kräfte,
die nach dem Guten und Schönen ſtreben, von Natur aus vorhanden.
In der künſtleriſchen Betrachtung wird das Weſen, der Sinn der
Welt am tiefſten erfaßt, ſie iſt erfüllt vom göttlichen Geiſt.
Ethik, Religion.
Die tiefgehende Bedeutung ſeines urſprünglichen kosmiſchen Kunſt⸗
ſinnes, der innerlich engſtens verbunden iſt mit moraliſchen und reli⸗
giöſen Werten, iſt hiermit dargelegt worden. Moral und Religion
ſind koordinierte kosmiſche Werte und Kräfte. „Der Menſch, wie ſehr
ihn auch die Erde anzieht mit ihren tauſend und abertauſend Er⸗
ſcheinungen, hebt doch den Blick forſchend und ſehnend zum Himmel
auf, . . . weil er tief und klar in ſich fühlt, daß er ein Bürger jenes
geiſtigen Reiches ſei, woran wir den Glauben nicht abzulehnen noch
aufzugeben vermögen. In dieſer Ahnung liegt das Geheimnis des
ewigen Fortſtrebens nach einem unbekannten Ziele; es iſt gleichſam
der Hebel unſeres Forſchens und Sinnens, das zarte Band zwiſchen
Poeſie und Wirklichkeit.“
Die Moral iſt „ewiger Friedensvertrag zwiſchen unſeren perſön⸗
lichen Anforderungen und den Geſetzen jenes unſichtbaren Reiches“.
In dieſen Worten wird auf die kosmiſche Herkunft und Wirkſam⸗
keit der Moral hingewieſen. Wir verſtehen ja unter Moral oder Ethik
die Ordnung der mannigfachen Beziehungen des Individuums zu
ſich ſelbſt und zur Gemeinſchaft auf Grund eines in uns liegenden
überempiriſchen, überindividualiſtiſchen Regulatives, das wir Ge⸗
wiſſen nennen. Nur ſofern eine überſubjektive Gewiſſensregelung Ver⸗
hältniſſe regelt, ſprechen wir von Moral. Die Ordnung der Einzel⸗
weſen zum tranſzendenten Prinzip findet ihre Zuſammenfaſſung, ihren
Ausdruck im Religiöſen. Weſſen Inneres erfüllt iſt vom kosmiſchen
Geiſt, ſich der notwendigen Beziehungen zu ſeiner Mitwelt und zum
Göttlichen bewußt iſt, der beſitzt ethiſche und religiöſe Seelenſtruktur
über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 17
und wird auch ſein empiriſches Wirken mit dieſer Gewiſſensgeſetzlich—
keit in Einklang zu bringen ſuchen. Nur nach eigenen Geſetzen zu
leben, in fremde Kreiſe willkürlich übergreifen zu wollen, bezeichnet
Goethe als Roheit.
Die Moral hilft zur Ausbildung jener harmoniſchen Seelenitim-
mung, von der wir ſchon ſprachen.
Harmonie und Polarität.
Gegeben iſt dieſe Harmonie dem Menſchen nicht, ſie muß erſtrebt
werden, um wohl immer nur ein ſchönes Ideal zu bleiben, denn jei-
ner individuellen Natur kann der Menſch ſchließlich doch nicht ent—
fliehen. Je mehr er ſeinen inneren Hunger nach Harmonie, nach See-
lenruhe und Weltfrieden verſpürt, um ſo lebhafter müſſen in ihm die
polaren Gegenſätze, die in jedes Menſchen Natur mehr oder weniger
ausgebildet liegen, wirkſam ſein und Disharmonien auslöſen. Ihr
Vorhandenſein iſt Bürgſchaft für urſprüngliche, kosmiſche Einheit,
denn Polarität muß ſich da entfalten, wo eine Einheit zugrunde liegt.
„Das Geeinte zu entzweien, das Entzweite zu einigen, iſt das Leben
der Natur; dies iſt die ewige Syſtole und Diaſtole, die ewige Syn-
kriſis und Diakriſis, das Ein- und Ausatmen der Welt, in der wir
leben, weben und find.” Die Bejahung fordert gleichzeitig die Mög—
lichkeit der Verneinung. Auch Mephiſtopheles iſt notwendig, wenn
die bejahenden Lebenselemente wirkſam ſein ſollen; auch er iſt ein
Knecht Gottes und dient der Erreichung höherer Zwecke. So ſagt er
mit Recht von ſich, er ſei
Ein Teil von jener Kraft,
Die ſtets das Böſe will und ſtets das Gute ſchafft.
Polarität, Gegenſätzlichkeit geht durch die ganze Welt der Erſchei⸗
nung, ihre Auflöſung findet ſie im tranſzendenten, metaphyſiſchen
Begriff des Kosmiſchen. |
Polaritätserſcheinung iſt die Gegenſätzlichkeit der Individualität
zur Gemeinſchaft. Es wurde ſchon darauf hingewieſen, daß Goethe
ſtets ein energiſcher Verfechter der individuellen Perſönlichkeit war,
die ihm eine Objektivation des Kosmiſchen iſt. Ganz teilte er da die
Anſchauungen der Aufklärungszeit. Aber einſeitige Individualitäts⸗
betonung würde gegen die in der korrelativen Totalität liegenden
Harmonie gerichtet ſein. Aus dieſem Grunde verlangt jede Indivi⸗
dualität Betätigung ihres Gegenſatzes, die Anerkennung und Auf⸗
nahme der Gemeinſchaftsnotwendigkeit. Iſolierung wäre unnatürlich
und unmoraliſch. Nicht ſich von der Allgemeinheit abſchließen, ſon⸗
dern durch gegenſeitige Funktionsbeziehungen in das richtige Ver⸗
hältnis zu ihr kommen, dadurch Wahrheit über ſich ſelbſt erlangen,
iſt fittliche, kosmiſche Pflicht. Einen herriſchen Individualismus, wie
er zur Renaiſſancezeit vertreten wurde, mußte Goethe als unwahr,
unſittlich und unnatürlich ebenſo ablehnen wie die Abſorption, die
VIII 2
18 Abhandlungen
bedingungsloſe Aufnahme der Perſon durch die Gemeinſchaft. Die ar
Macht, das Vorrecht der Maſſe hat er nie anerkannt. Perſönlichkeit
zu bewahren, war ja eine Pflicht und ein Recht des Menſchen gegen⸗
über den kosmiſchen Forderungen, Perſönlichkeit barg ja in ſich Ur⸗
phänomene, Gottoffenbarungen; Perſönlichkeit iſt ihm ein heiliges
Eigengut. Er war ariſtokratiſchen Sinnes, ohne ſich von der Welt ab⸗
zuſchließen, voll ſympathiſcher ethiſcher Stellungnahme zur Mitwelt.
„Der ganze Gang unſerer Kultur, der chriſtlichen Religion ſelber
führt uns zur Mitteilung, Gemeinmachung, Unterwürfigkeit und zu
allen geſellſchaftlichen Tugenden, wo man nachgibt, gefällig iſt,
ſelbſt mit Aufopferung der Gefühle und Empfindungen, ja Rechte,
die man im rohen Naturzuſtande haben kann.“
Durch die Selbſtüberwindung egoiſtiſcher Triebe, durch die Kraft,
Entſagung üben zu können, wenn das höhere Geſetz es fordert, er⸗
reicht der Menſch Harmonie und beweiſt ſeine autonome Freiheit.
In den Lehrjahren' heißt es: „Betrachten wir uns in jeder Lage
des Lebens, ſo finden wir, daß wir äußerlich bedingt ſind, vom erſten
Atemzug bis zum letzten; daß uns aber jedoch die höchſte Freiheit ge⸗
blieben iſt, uns innerhalb unſeres Selbſt dergeſtalt auszubilden, daß
wir uns mit der ſittlichen Weltordnung in Einklang ſehen und, was
auch für Hinderniſſe ſich hervortun, dadurch mit uns ſelbſt zum Frie⸗
den kommen.“ —
In der Beſchränkung zeigt ſich erſt der Meiſter,
Und das Geſetz nur kann uns Freiheit geben.
Wer freiwillig dem Sittengeſetz, dem Gewiſſen gehorcht, ſich in Be⸗
ziehung ſtellt zur Mitwelt, Reſignation übt und ſeinen Lohn in einem
Glückgefühl innerer Seelenruhe findet, der hat keine Berührung mit
denjenigen, die das Individuelle in der ſchrankenloſen Betonung bru⸗
talen Herrenmenſchentums ſehen, deren abnorm geſteigertes Ichge⸗
fühl die Anerkennung anderer Sphären verlernt hat. Goethe bezeich⸗
nete ſolchen Einbruch in das Heiligtum des Nächſten als Roheit. Sein
Leben hindurch war Goethe eine konziliante Natur, zur Nachgiebigkeit
bereit, keine kriegeriſche Natur, die ihre Ziele über die Leichen der Geg⸗
ner erreichen will.
Sittengeſetz, Gewiſſen.
Wie für Kant liegt auch für ihn im Gewiſſen ein Sittengeſetz,
zu dem aus kosmiſchen Gründen der Menſch gelangen muß. Wer dem
Sittengeſetz zuwiderhandelt, geht innerlich zugrunde, er handelt gegen
heilige, göttliche Gebote. „Es iſt kein Produkt menſchlicher Reflexion,
ſondern es iſt angeborene und angeſchaffene ſchöne Natur.“
Sofort nun wende dich nach innen:
Das Zentrum findeſt du da drinnen,
Woran kein Edler zweifeln mag.
Wirſt keine Regel da vermiſſen:
Denn das ſelbſtändige Gewiſſen
Iſt Sonne deinem Sittentag.
über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 19
En In der Sonne des Sittentages wandeln zu können war ſein un⸗
= abläffges Bemühen. Seines langen Lebens Weisheit⸗Schluß war
* eben die Erkämpfung freiwilliger Reſignation in Anerkennung der
ſittlich⸗kosmiſchen Verpflichtung. Welch inneren Kampf mußte er
durchmachen, um ſeinem Ideal, der Stille der Seele, ſich in etwas zu
nähern! Wie wild anſtürmend, wie aufbrauſend wogten die Seelen⸗
mächte in der Jugend, als er gleich einem Prometheus ſich auflehnte
gegen die Konventionen, Traditionen der Geſellſchaft im Denken und
Fühlen, über die ſein künſtleriſches Streben hinausdrängte, glühend
das Herz, begeiſtert die Sprache, himmelſtürmend ein urſprüngliches
Naturwollen. Romantiſch, dionyſiſch geſtimmt war ſeine Natur. Und
aus den Spannungen ſeiner Seele entſteht der Werther, durchtränkt
von den Strömungen, die aus der Begeiſterung zur Natur fließen, —
Wilhelm Meiſter, Götz, Taſſo, die Wahlverwandtſchaften' und der
Fauſt, der zerriſſen iſt von den zwei Seelen, die in ſeiner Bruſt
wohnen, unerſättlich in Betätigung vollen Lebensgefühles, unſtillbar
an Durſt nach Erkenntnis, nach Erſchauung, Vereinigung mit den
wirkenden Kräften der Natur. In allen dieſen literariſchen Nieder⸗
ſchlägen der aufgepeitſchten, der Löſung harrenden Seelenkonflikte
ſiegt aber die Einſicht, daß über dem Individuum ein höheres, kos⸗
miſches Geſetz liegt, dem es ſich beugen muß, freiwillig. Denn, wenn
Gott in der Natur lebt und webt, alles Geſchehen in ihr eine Mani⸗
feſtation ſeines Wirkens iſt, dann muß ja der Menſch dem ethiſchen
Geſetz als einem Naturgeſetz unterſtehen. Wer aber die ihm von der
Natur gegebene Bahn eigenwillig verläßt, ſich in Gegenſatz ſtellt zu
den naturmoraliſchen Verpflichtungen und dadurch außerhalb der
kosmiſchen Ordnung zu ſtehen kommt, der wird moraliſch ſchuldig.
So verfällt Ottilie in den Wahlverwandtſchaften' der Schuld. Sie
erkennt dieſe mit den Worten: „Aber ich bin aus meiner Bahn ge⸗
ſchritten, ich habe meine Geſetze gebrochen, ich habe ſogar das Ge—
fühl derſelben verloren.“ Durch völlige Entſagung für die Zukunft
btkionnte fie hoffen, innerliche Befreiung zu erlangen.
nen
* 88166 a
5 en * an I 7
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“ 4
Reſignation, das Mittlere.
2 Reſignation wird zum Schutz gegen die Gefahren der Leidenſchaften,
der Willkür, wird ein Opfer zur Annäherung an den Frieden ſee⸗
2: liſcher Harmonie. Auch ein Übermaß des Guten iſt zu meiden, ſtört
die Gleichgewichtslage der Seele. An Zelter ſchreibt er: „Niemand
bedenkt leicht, daß uns Vernunft und ein tapferes Wollen gegeben
find, damit wir uns nicht nur vom Böſen, ſondern auch vom über⸗
maß des Guten zurückhalten. “Er drückt mit dieſem Wort die Ein⸗
ſicht aus in die ewige Wahrheit der ariſtoteliſchen Lehre: die Tugend
ſei das Mittlere zweier Übel, die ſowohl in der Übertreibung nach
der einen Seite, wie in der Unterlaſſung nach der anderen Seite be⸗
ſtehen. Die Moral verpflichtet zu ſteten Aufgaben, die dem Menſchen
9%
20 Abhandlungen
jederzeit erwachſen, denn für den Menſchen ſind „die Extreme Haß
und Liebe, Sieg oder Tod, Herrſchaft oder Unterwerfung“, das Mitt⸗
lere dagegen, d. h. die indifferenten Zuſtände ſind für einen Gott.
Der Menſch hat Freiheit des Willens. In ſeiner Anerkennung liegt
eine Trennung vom ſpinoziſtiſchen Pantheismus, der eine Freiheit des
Willens abweiſt. Bei ihm iſt alles Geſchehen notwendig beſtimmt
aus der unbedingten Natur und der unendlichen Macht Gottes. Nach
Spinoza iſt der Wille intellektuelle Vorſtellung, ein Modus, d. h. ein
Zuſtand der denkenden Subſtanz. Aus ſich ſelbſt kann die menſch⸗
liche Natur zu ihrem Heil und Glück nichts tun. „Solange der Menſch
ein Teil der Natur iſt, muß er den Naturgeſetzen folgen, worinnen
der Gottesdienſt beſteht, und ſolange er das tut, befindet er ſich in
ſeinem Glück.“
Sittliche Tätigkeit.
Durch den Willen muß vielmehr das im Gewiſſen zu uns ſprechende
Geſetz betätigt werden. Tätigkeit iſt ja auch eine kosmiſche Bedingung;
ſie entſpricht der biologiſchen Zielſtrebigkeit jedes Organiſchen. Für
den Menſchen wird dadurch die Tätigkeit zur ſittlichen Forderung.
Ihren Ausdruck findet dieſe ethiſche Sittenlehre in den Wander⸗
jahren', im Fauſt'.
Du im Leben nichts verſchiebe;
Sei dein Leben Tat um Tat!
heißt es in den Grundſätzen des Wanderbundes in den Wander⸗
jahren'.
Weniger bekannt find die Worte aus Palaeophron und Neoterpe’:
Die Tätigkeit iſt, was den Menſchen glücklich macht,
Die, erſt das Gute ſchaffend, bald ein Übel ſelbſt
Durch göttlich wirkende Gewalt in Gutes kehrt.
Leid wandelt ſie in Freud, aus ihr ſelbſt erwächſt das Gute, ein poſi⸗
tiver ethiſcher Zuſtand.
Da Tätigkeit ethiſchen Inhaltes iſt und ethiſche Ziele verfolgt, ſo
iſt ſie nicht Aktivität an und für ſich, ſondern ihr Wert erwächſt ihr
aus dem Geiſt, der ſie bedingt, dem Ziel, dem ſie nachſtrebt. Goethe
erweitert entſchieden den Gehalt des moraliſchen Pflichtenkreiſes der
Aufklärungszeit, die doch vornehmlich egozentriſch orientiert war,
auf die Ausbildung des edlen Menſchentums im Individuum zielte
und inhaltlich auf Erlangung des Aſthetiſch-Schönen, das in ſich das
Gute bergen ſollte, ſich erſtreckte. Das war auch das Weſentliche der
Humanitätsidee Schillers. Kants kategoriſcher Imperativ des Sitten⸗
geſetzes war anderſeits doch nur ein formaler Begriff, eine Vorſchrift,
unter welchen Vorausſetzungen ſittliches Handeln möglich iſt. Goethe
betont die ſittliche Tat, gibt ihr größeren Umfang, erweitert ihren
altruiſtiſchen Beziehungskreis. Tätigkeit als Erfüllung einer Forde⸗
rung des Tages erhält dann höhere ſittliche Weihe, wenn ſie kos⸗
ET D
*
Y N 1 1 6
3 über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 21
miſche Werte in ihrer praktiſchen Betätigung als ſoziales, altruiſtiſches
Wirken umfaßt. Nicht Tätigkeit als ſolche, um ihrer ſelbſt willen, iſt
ethiſch. Eine derartige Auffaſſung, wie fie im überſpannten Kapitalis⸗
mus, Mammonismus der heutigen Zeit als ein Arbeitsprinzip gilt,
wäre entſchieden nicht goethiſch. Die Arbeit des Menſchen ſoll sub
specie aeternitatis ſtehen. Dann erwächſt ihm aus ihr die wirkſame
Hilfe gegen Betrübniſſe, Leiden der Seele. In den Wanderjahren
heißt es (II, 11): „Seelenleiden, in die wir durch Unglück oder eigne
Fehler geraten, fie zu heilen vermag der Verſtand nichts, die Ver⸗
nunft wenig, die Zeit viel, entſchloſſene Tätigkeit hingegen alles.“
Wenn mithin Reſignation als eine Notwendigkeit für ein ſittliches
Leben genannt wurde, ſo iſt dies nicht gleichbedeutend mit der in⸗
diſchen Willensaufhebung, dem Zuſtand des Nirwana, ſondern es
heißt: die Fähigkeit erringen, ſich unter kosmiſche Forderungen frei⸗
willig zu ſtellen bei raſtloſer Tätigkeit an ſich ſelbſt und für die Ge⸗
meinſchaft.
„Ohne Sittlichkeit iſt das Wirkliche gemein“, d. h. reine Empirie,
um ihrer ſelbſt willen, iſt ſittlich verwerflich. Aus derſelben Grund⸗
ſtimmung erwächſt das Wort: „Genießen macht gemein“.
Gott.
Durch Aufnahme jedoch des kosmiſchen Geſetzes gelangt die Seele
zur Reinheit und nimmt teil am Göttlichen, erfährt die allmäch⸗
tige Liebe, die alles bildet, alles hegt. Durch die kosmiſchen Werte,
die dann des Menſchen Seele lenken, erfüllen, erkennt er Gott. Die
Ahnung, die wir von Gott haben, wird dann zur Glaubenszuverſicht.
Dieſen Grundgedanken ſpricht er im Gedicht Das Göttliche' aus:
Heil den unbekannten
Höhern Weſen,
Die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Menſch;
Sein Beiſpiel lehr' uns
Jene glauben.
Verliert der Menſch dieſen kosmiſchen Glauben, jo muß er ſtrau⸗
cheln, verſtrickt ſich in Schuld. Als angeſichts der möglichen Rettung,
in Erkenntnis der drohenden Gefahren, der ſich auftürmenden Wider-
ſtände Iphigenie aufſeufzt und verzagt in Seelenpein, im Seelen⸗
kampf von Hoffnung und Verzagung, tiefſte Trauer ihr Herz bedrückt,
da droht ihr großer, reiner Glaube an die Güte der Götter zu wan⸗
ken, er wird klein, und verzweifelnd ruft ſie aus:
Rettet mich,
Und rettet euer Bild in meiner Seele.
In den düſteren Worten des Parzenliedes gibt ſich Gram und
Hoffnungsloſigkeit kund. Doch die Glaubensſtarke überwindet durch
fittliche Kraft die Stunde der Seelenverſuchung, fie ſiegt über Zwei⸗
fel und Verzagtheit, weiſt die Lüge von ſich. Thoas erfährt die Wahr⸗
22 Abhandlungen
heit, in deſſen Skythenbruſt ein Herz voll Humanität und Edelfinnes
des 18. Jahrhunderts ſchlägt. Iphigenie iſt das aus reinſtem Su:
manitätsideal geborene Drama, wo
Alle menſchlichen Gebrechen
Sühnet reine Menſchlichkeit.
Theiſtiſch⸗chriſtliche religibſe Anſchauungen verweben ſich bei
Goethe mit dieſem Glauben an die befreiende Kraft der im Menſchen
und durch den Menſchen wirkſamen Humanität. „Die göttliche Kraft
iſt überall verbreitet und die ewige Liebe überall wirkſam“, es iſt
die Liebe, von der Chriſtus, Paulus und Johannes reden. Ein für
Goethe charakteriſtiſcher Satz iſt ſein Ausſpruch zu Eckermann: „Die
Gottheit aber iſt wirkſam im Lebendigen, aber nicht im Toten; ſie
iſt im Werdenden und ſich Wandelnden, aber nicht im Gewordenen
und Erſtarrten.“
Alles Lebendige quillt und zeugt ſomit vom Göttlichen. Daß Goe⸗
the an ein geiſtiges Fortleben nach dem Tode glaubte, wurde ſchon
erwähnt. „Die Überzeugung unſerer Fortdauer“, ſagte er zu Ecker⸗
mann, „entſpringt nur aus dem Begriff der Tätigkeit; denn wenn
ich bis an mein Ende raſtlos wirke, ſo iſt die Natur verpflichtet, mir
eine andere Form des Daſeins anzuweiſen, wenn die jetzige meinen
Geiſt nicht ferner auszuhalten vermag.“
Tätigkeit iſt Außerung des Kosmiſchen und führt zu ihm hin,
durch ſie erlangt der Geiſt die ewige Ruh in Gott, dem Herrn.
Tätigkeit im Sinne einer altruiſtiſchen Humanität, verbunden mit
der gnadenvollen Gottesliebe erlöſen Fauſt. Er, der Zerriſſene, Un⸗
erſättliche an Begier, Unbefriedigte am Wiſſen, der von der Erde
jede höchſte Luſt forderte, deſſen tiefbewegte Bruſt alle Näh' und alle
Ferne nicht befriedigte, verfällt nicht dem Reich der Verneinung, der
Seelenvernichtung. Die Engel, die Fauſtens Unſterbliches tragen,
verkünden: Gerettet iſt das edle Glied
Der Geiſterwelt vom Böſen:
„Wer immer ſtrebend ſich bemüht,
Den können wir erlöſen.“
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die ſelige Schar
Mit herzlichem Willkommen.
Der gleiche chriſtliche Glaube, der Heiligung, Erlöſung vom jünd-
haften Erdenreſt verheißt, waltet in der Ballade Der Gott und die
Bajadere’:
Es freut fich die Gottheit der reuigen Sünder;
Unſterbliche heben verlorene Kinder
Mit feurigen Armen zum Himmel empor.
Es ſteckt in Goethe ein gutes Stück pauliniſchen Glaubens und
pauliniſchen Erlöſungsdranges, Sehnens nach dem Frieden Gottes,
welcher höher iſt, denn alle Vernunft. Er war ſich ſeiner verſchiede⸗
9
Se 3 über Goethe, den kosmiſchen Nen ſchen 23
| nen Auffaſſung von Gott und Natur klar bewußt. An Jacobi ſchreibt
N = er: „Ich für mich kann bei den mannigfachen Richtungen meines
Weſens nicht an Einer Denkweiſe genug haben; als Dichter und
Künſtler bin ich Polytheiſt, Pantheiſt hingegen als Naturforſcher
und eines ſo entſchieden wie das andere. Bedarf ich eines Gottes
für meine Perſönlichkeit als ſittlicher Menſch, ſo iſt dafür auch ge⸗
ſorgt.“
Den ſeelenloſen Pantheismus des Spinoza teilte er ſomit in kei⸗
ner Weiſe. Es war die leidenſchaftsloſe Seelenruhe, die er in Spi-
nozas Ethik fand, die ihn, den leidenſchaftlich Erregten, unruhig Da-
hinſtürmenden, voll innerer Zerriſſenheiten, in der Jugend ſchon
feſſelte, beruhigte. Und auch ſpäter kehrte er zur Ethik des Spinoza
zurück, um inneren Seelenfrieden zu erlangen (ſo, als es im Jahre
1812 zum Bruch mit dem treuen Jugendfreund Heinrich Jacobi
kam); denn Spinoza wollte durch ſeine Ethik den Menſchen von der
Knechtſchaft befreien, in die er unter der Vorherrſchaft der Affekte
gerät. Durch Erkennung unſerer Affekte wächſt in uns die Liebe zu
Gott.
Chriſtentum.
Gegenüber dem dogmatiſchen Chriſtentum verhielt ſich der tief-
religidje Mann, deſſen Herz voller Ehrfurcht war, dem Frömmigkeit,
Hingabe zu Gott aus ſeiner Natur, aus dem kosmiſchen Anteil
derſelben quoll, dem Kunſt und Betätigung ſittliche Aufgaben wa⸗
ren, ablehnend mit aller Energie. Vom Dogma der Dreieinigkeit
wollte er nichts wiſſen, einen Gegenſatz von natürlicher Religion,
der Konfeſſion Rouſſeaus und der Aufklärung, und geoffenbarter
Religion wollte er nicht anerkennen. Der dogmatiſch chriſtliche Got⸗
tesglaube nahm ihm Gott aus der Natur. „Wie konnte mir“, ſchreibt
er in den Tag⸗ und Jahresheften' von 1811 über ſeine Entfremdung
mit Jacobi, „das Buch meines herzlich geliebten Freundes will-
kommen ſein, worin ich die Theſe durchgeführt ſehen ſollte: die
Natur verberge Gott. Mußte, bei meiner reinen, tiefen, angebornen
und geübten Anſchauungsweiſe, die mich Gott in der Natur, die
Natur in Gott zu ſehen unverbrüchlich gelehrt hatte, ſo daß dieſe
Vorſtellungsart den Grund meiner ganzen Exiſtenz machte, mußte
nicht ein ſo ſeltſamer, einſeitig⸗beſchränkter Ausſpruch mich dem
Geiſte nach von dem edelſten Manne . . . für ewig entfernen?“
In Verwerfung der Konfeſſionskirche für ſeine Perſon bezeichnete
er ſich gern als „alter Heide“ und nannte ſich den dezidierten Nicht-
chriſten. Voller Ehrfurcht nannte er den Namen Chriſti. Zu Ecker⸗
mann ſagt er: „Dennoch halte ich die Evangelien alle vier für durch⸗
aus echt, denn es iſt in ihnen der Abglanz einer Hoheit wirkſam,
die von der Perſon Chriſti ausging, und die ſo göttlicher Art, wie
nur je auf Erden das Göttliche erſchienen iſt. Fragt man mich: ob es
in meiner Natur ſei, ihm anbetende Ehrfurcht zu erweiſen? ſo ſage
24 Abhandlungen
ich: Durchaus! Ich beuge mich vor ihm, als der göttlichen Offenba⸗
rung des höchſten Prinzips der Sittlichkeit.“
Die chriſtliche Religion iſt über alle Philoſophie erhaben: „Die
chriſtliche Religion als ſolche iſt ein mächtiges Weſen für ſich, woran
die geſunkene und leidende Menſchheit von Zeit zu Zeit ſich immer
wieder emporgearbeitet hat, und indem man ihr dieſe Wirkung zu⸗
geſteht, iſt ſie über alle Philoſophie erhaben und bedarf von ihr keine
Stütze.“ f
Bekannt iſt ſeine hohe Wertſchätzung der Heiligen Schrift, Luthers.
Proteſtantiſches Empfinden war jederzeit mächtig in ihm.
Ehrfurcht.
Durchdrang ihn das Göttliche ſo lebhaft in ſeiner künſtleriſchen,
ethiſchen, religibſen Offenbarung, ſo mußte eine ehrfürchtige Geſin⸗
nung ihn erfüllen. In den Wanderjahren' leſen wir von Goethes
Glaubensbekenntnis über die Ehrfurcht, die den Menſchen erſt zum
wahren Menſchen bildet, ihn ſeine Stellung zum Kosmiſchen ein⸗
nehmen läßt. Auf Ehrfurcht iſt jede Art von Religion, die heidniſche
wie chriſtliche gegründet. Die höchſte Art der Ehrfurcht iſt die Ehr-
furcht vor ſich ſelbſt, d. h. die Ehrfurcht vor dem Göttlichen, Kos⸗
miſchen im Menſchen, wovon er ein Phänomen iſt.
Sehnſucht.
Dieſes Göttliche zu erfaſſen, zu betätigen, es als Kulturmiſſion
zu erfüllen, mit ihm in Einklang zu leben, das war ein Ideal, wonach
Sehnſucht ihn erfüllte. Sein Streben war ſehnſuchtgeboren. Aus
dem Empfinden der Unzulänglichkeit, aus den polaren Widerſprüchen
der eigenen Seele, aus dem Drang nach Erlöſung entſtieg ihm die
Sehnſucht, die ihm eine wirkende Seelenkraft wurde. Sehnſucht er⸗
ſchien ihm als eine Außerung des Kosmiſchen. „Der ſittliche Menſch
erregt Neigung und Liebe nur inſofern, als man Sehnſucht an ihm
gewahr wird.“ i
Die inneren Disharmonien.
Geboren wurde dieſes lebendige, dürſtende Sehnſuchtsgefühl als
ethiſche, kosmiſch bedingte Reaktion gegen leidenſchaftliche Wallun⸗
gen, die beſonders in der Jugend oft die Oberhand über ihn zu ge=
winnen drohten. Es ſteht dies im Widerſpruch mit dem Bild, das
man ſich ſo im allgemeinen vom Menſchen Goethe macht. Gilt er
doch als der Olympier, als die apolliniſche Geſtalt, deren Leben ewig
klar, ſpiegelrein und eben, zephyrleicht, als einem Menſchen voller
Harmonie, dahingefloſſen ſei. Daß es in Wirklichkeit ein Leben inne⸗
rer Stürme war, wurde ſchon erwähnt. Wohl war der Grund ſeines
Weſens eine Frohnatur, getragen von einer optimiſtiſchen Tendenz,
belebt von den lebendigen Quellen, die aus der kosmiſchen metaphy⸗
über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 25
ſiſchen Einheit ſtrömen. Aber im Kampf des Tages, im Widerſtreit
der empirischen Tages forderungen, in der naturbedingten polaren
Disharmonie ſich ſpaltender, ſich bekämpfender Seelenkräfte er—
lahmte doch oft der Lebensmut, wenn ſchwermütige Gedanken, fee-
liſche Depreſſionen, Exaltationen affektiver Momente ihn bedrängten,
erſchütterten, ihm die richtige Erkenntnis ſeines Verhältniſſes zum
großen Komplex der Umwelt, ſeiner inneren Abhängigkeit von Kon-
vention und Tradition, von der Macht des Zeitgeiſtes verdunkelten.
Die Phaſen, die Motive der Seelenkämpfe Werthers, Taſſos, des
Fauſt hatte er ſelbſt durchlebt, durchkämpft zum Sieg. Er, der kos—
miſch ſtrukturierte, ethiſch geſtimmte Goethe-Fauſt konnte gegenüber
dem Prinzip der Verneinung, dem Mephiſtopheles, die Wette nicht
verlieren. War er doch als kosmiſches Lebeweſen ein Gottesknecht,
beſeelt und getrieben vom kosmiſchen Willen und deshalb, trotz allen
dunkeln Dranges, des rechten Weges wohl bewußt. Wohl mußte er
Lebensperioden durchmachen, in denen ihm das Leben als „ekelhafte
Laſt“ erſchien, doch ſein geſunder Sinn überwand ſie als „hypochon—
driſche Fratzen“. „Unſeliges Schickſal, das mir keinen Mittelzuſtand
erlauben will“, ſchreibt er in Erkenntnis ſeines Seelenzuſtandes 1775
an Auguſte von Stolberg. Schnell war er in der Jugend zur Liebe,
zur leidenſchaftlichen Begünſtigung, doch auch ſchnell zur Abkehr be—
reit. Elementar regten ſich in der voritalieniſchen Lebensepoche fau⸗
ſtiſches Drängen und Gelüſt, geboren aus innerer Sehnſucht. Von
ſich ſelbſt ſpricht er, wenn der alte Fauſt ſagt:
Ich bin nur durch die Welt gerannt,
Ein jed' Gelüſt ergriff ich bei den Haaren,
Was nicht genügte, ließ ich fahren,
Was mir entwiſchte, ließ ich ziehn.
Ich habe nur begehrt und nur vollbracht
Und abermals gewünſcht, und ſo mit Macht
Mein Leben durchgeſtürmt.
Zu Eckermann ſagte er: „Wollte ich mich ungehindert gehen laſſen,
ſo läge es wohl in mir, mich ſelbſt und meine Umgebung zugrunde
zu richten.“
„Ich kann wohl jagen,“ äußerte er ſich im Alter, „daß ich in mei-
nen 75 Jahren keine vier Wochen eigentliches Behagen gehabt. Es
war das ewige Wälzen eines Steines, der immer von neuem gehoben
ſein wollte.“ Das Leben lehrte ihn, daß Menſch ſein gleichbedeutend
iſt mit „Kämpfer ſein“. Dieſen Kampf zu beſtehen, befähigte ihn ſo⸗
wohl die von der Mutter ererbte „Frohnatur“ als das vom Vater er⸗
erbte „ernſte Führen“, die Fähigkeit, Kritik über ſich ſelbſt ausüben,
ſich objektiv beurteilen zu können. Hierzu kommt aber der kosmiſche
Gehalt ſeines inneren Menſchen, der Wille, entſproſſen aus dem über⸗
zeugten Glauben an den göttlichen Inhalt jeder Perſönlichkeit, dieſem
kosmiſchen Gehalt zu dienen, ihn in ſich aufzunehmen. Durch die
Orientierung ſeines Ich an den kosmiſchen Wertgeſetzen verliert ſein
26 Abhandlungen
riſchen Erſcheinung, es offenbart ſich vielmehr als ein Symbol des
Ewigen, Höheren und wird zum Typus menſchlichen Empfindens,
Denkens, Wollens. Uns Deutſchen muß ſeine Weſenheit beſonders
verſtändlich, begreifbar und deshalb verehrungswürdig ſein, empfin⸗
den wir doch die Innerlichkeit, ſeine kosmiſche Einfühlung als den
Ausdruck germaniſcher Eigenart.
Sein langes Leben innerer Arbeit, raſtloſen Strebens, nach außen
nützlich und fördernd zu wirken, die Außenwelt in ſich aufzunehmen,
ihren Wahrheitsgehalt zu ergründen, ſie mit den Forderungen der
Perſönlichkeit, des Gemeinſinns harmoniſch zu verarbeiten, durch⸗
glüht vom Verlangen, reinen Herzens zu ſein, im Lichte kosmiſchen
Abglanzes zu wandeln, um eine kosmiſche Kulturmiſſion nach Kräf⸗
ten zu erfüllen, Ewigen Liebens Offenbarung,
Die zur Seligkeit entfaltet,
kennzeichnen die klaſſiſchen Verſe:
Weite Welt und breites Leben,
Langer Jahre redlich Streben,
Stets geforſcht und ſtets gegründet,
Nie geſchloſſen, oft geründet,
Alteſtes bewahrt mit Treue,
Freundlich aufgefaßtes Neue,
Heitern Sinn und reine Zwecke:
Nun! man kommt wohl eine Strecke.
„Unter allen anderen Tugenden ſtehet hier: Das beſtändige Stre⸗
ben nach oben, das Ringen mit ſich ſelbſt, das unerſättliche Ver⸗
langen nach großer Reinheit, Weisheit, Güte und Liebe.“ Wer dieſes
Strebens lebt, der lebt im Lichte des Kosmiſchen. Soweit es ihm
glückt, ſeines Lebens Arbeit als Objektivierung kosmiſchen Inhaltes
zu geſtalten, ſo weit lebt er ewig.
Leben den vergänglichen, ſubjektiven Gehalt einer flüchtigen, empi⸗ Be
— ee
k Dem
Goethe und Rußland
Bon Eugen Zabel (Berlin)
13 Zeit, da ſich an unſerm größten Dichter als Greis ſein Wort:
„Ein herzlich Anerkennen iſt des Alters zweite Jugend“ ſo reich
erfüllte, begann ſich in unſerm Vaterland auch unfern der ruſſiſchen
Grenze unter der Führung von jungen Gelehrten und Schriftſtellern
eine treu zu ihm haltende Gemeinde zu bilden. Während der berühm⸗
teſte Sohn der alten oſtpreußiſchen Krönungsſtadt am Pregel, der
Schöpfer der Kritik der reinen Vernunft', von Goethe niemals
Kenntnis genommen und ihn in ſeinen Schriften nirgends erwähnt
hat, ſuchten dieſe Männer für das Verſtändnis des Weiſen von Wei⸗
mar in immer weiteren Kreiſen zu wirken. Von der Vaterſtadt Kants,
die unter demſelben Breitengrad wie der nördliche Teil des Baikal⸗
ſees und die Nordſpitze der Inſel Sachalin liegt, meinte allerdings
in der Mark und am Rhein ſo mancher, daß dort die „Welt bereits
aufhöre“. Aber ſolche Beſtrebungen bildeten einen unwiderleglichen
Beweis dafür, daß der Geiſt Goethes immer weiter nach dem Oſten
flute, durch die blauen ruſſiſchen Grenzgendarme nicht aufzuhalten
ſei und ſich auch über die unendliche ſlawiſche Ebene auszubreiten
beginne. Mehrere von dieſen begeiſterten Anhängern Goethes waren
verdienſtvolle Förderer der Literatur, Kunſt und Wiſſenſchaft, deren
Namen die wie Rom auf ſieben Hügeln gebaute Stadt mit Stolz zu
ihren Mitbürgern und bis ins hohe Greiſenalter zu den Lehrern ihrer
Hochſchule, der Albertina, zählte.
Zu ihnen gehörte der feine Dichter und Kunſtforſcher Auguſt Ha-
gen, über deſſen Jugenddichtung Olfried und Liſena' ſich Goethe in
ſeinen Geſprächen mit Eckermann wie in ſeinen literariſchen Beſpre⸗
chungen ſo anerkennend äußerte, und der dem Unvergleichlichen als
deſſen Tiſchgaſt in Weimar noch in die Augen ſchauen und ſeine
Worte vernehmen durfte. Die Erinnerung daran verlieh Hagen, wenn
er mit kurzen, ſchnellen Schritten am alten Stadttheater vorbei durch
die Säulenhalle zur Univerſität ſchritt, für uns Studenten etwas
gradezu Verklärtes. Ihm zur Seite dürfen wir den Phyſiker Franz
Neumann nennen, der ſeiner Wiſſenſchaft ſo viel Neues zuführte, ſich
aus den Freiheitskriegen ſeine Ehrennarben holte und erſt als faſt
28 Abhandlungen
Hundertjähriger in die Ewigkeit hinüberging. Neumann gehörte je⸗
nem Kreiſe ſtudierender Jünglinge in Königsberg an, die ſich mit
neuen dichteriſchen Erzeugniſſen eifrig beſchäftigten, Goethes Ge⸗
heimniſſe' einander vorlaſen und nun den Dichter um Aufſchluß über
die darin enthaltenen Rätſel befragten, die ihnen in einem längeren
Briefe aus Weimar gedeutet wurden. Zu ihnen beiden gehört in
dieſem Zuſammenhang auch Karl Roſenkranz, der liebenswürdigſte
und friſcheſte aller Hegelianer, der einzige Künſtler aus dieſer Schule,
wie Georg Herwegh ihn genannt hat. Er las dort ein ausführliches
Kolleg über Goethe und gab über ihn 1846 ein Werk heraus, das
jetzt zwar veraltet iſt, aber nicht nur eine der erſten, ſondern fein⸗
ſinnigſten Schilderungen ihrer Art bildete. Auch an Alexander Jung
darf erinnert werden, der freilich in ſeiner ſalbungsvollen Schreib⸗
weiſe nur noch ſchwer zu leſen iſt und an den Helden einer ſeiner Ro⸗
mane, an jenen Kandidaten gemahnt, der vor lauter Uberſchwang der
Empfindung ſchließlich auf der Kanzel die Worte nicht mehr findet.
Als Goethe an ſeinem Lebensabend den jungen Eduard von Sim-
ſon, den ſpäteren Reichsgerichtspräſidenten, bei ſich empfing, der die
deutſche Kaiſerkrone nach Verſailles bringen ſollte, erkundigte er
ſich, von der Uberſchwemmung in deſſen Vaterſtadt Königsberg aus⸗
gehend, nach den Zuſtänden in Oſtpreußen überhaupt als der letzten
deutſchen Marke auf dem Wege nach Rußland, als ahnte er deſſen
Eroberung durch ſeine dichteriſchen und wiſſenſchaftlichen Schöpfun⸗
gen. Die Bemühungen um die Anerkennung Goethes, die gleich—
zeitig von den ſchöngeiſtigen Frauen in Berlin, einer Rahel und
Bettina ausgingen, haben ihre verdiente Würdigung gefunden. Aber
die ähnlichen Beſtrebungen im nordöſtlichen Winkel Preußens, die
nach St. Petersburg hinüberweiſen, ſollten dabei nicht vergeſſen
werden.
Auf dem Wege nach dem Oſten vollzog ſich übrigens mit dem
Namen des Dichters in der Ausſprache eine bemerkenswerte Verän⸗
derung. In Altpreußen und beſonders in den deutſchen Oſtſeepro⸗
vinzen verwandelte ſich der Kehllaut des „G“ in einen Klang, der
zwiſchen „J“ und „Ch“ die Mitte hält, wozu im eigentlichen Ruß⸗
land, das keinen Umlaut kennt, noch die Gepflogenheit kam, das „oe“
wie „e“ wiederzugeben. Auf dieſen Fehler machen die dortigen Sprach⸗
lehren und Wörterbücher allerdings aufmerkſam, indem ſie dafür ein
„e“ mit zwei Punkten darüber hinſetzen, was aber bei der Unter-
haltung kaum beachtet wird. Der flötende Laut des erſten Vokals
geht bei ihnen faſt immer verloren, und es bleibt trotz aller Anſtren⸗
gungen der Söhne Ruriks, die den Mund ſpitzen, bei dem „Jete“.
Ob dem Dichter dieſe Eigentümlichkeit bei der Sprechweiſe ſeiner
ruſſiſchen Freunde aufgefallen war? Er blieb bekanntlich in ſolchen
Dingen trotz ſeiner Frankfurter Ausſprache, die ihn „neige“ und
„Schmerzenreiche“ als reinen Reim empfinden ließ, ſehr empfindlich
Goethe und Rußland 29
und wurde verſtimmt bei dem allerdings geſchmackloſen Scherz Her⸗
ders, der ihm bei der Bitte um Bücher die Zeilen ſchrieb: „Der du
von Göttern ſtammſt, von Gothen oder vom Kothe, Goethe, ſende ſie
mir.“
Die Übertragung von Goethes Kunſt und Weltanſchauung nach
dem Zarenreich war allerdings mit mancherlei Umſtändlichkeiten und
Schwierigkeiten verbunden. Man denkt an die langwierige Reife Di-
derots, der dem Dichter geiſtig ſo nahe ſtand, zu ſeiner Gönnerin,
der ruſſiſchen Kaiſerin Katharina II. an den Newaſtrand. In ſeinem
Gedicht La poste entre Koenigsberg et Memel' hat er die gefährliche
Strecke geſchildert, bei der er auf der einen Seite am Ufer des furi-
ſchen Haffs in der Wüſte des Sandes zu verſinken und auf der andern
den Wellen der Oſtſee zu erliegen fürchtete. Aber das Bild der „nor=
diſchen Semiramis“ diente ihm dabei als Schutzgeiſt und er fand an
dem Ziel ſeiner Reiſe eine wahrhaft glänzende Aufnahme. Sie drückte
auch der Literatur ihres Landes den Stempel ihrer Perſönlichkeit auf.
Die Frage liegt nahe, wie ſich die Zarin in Erinnerung an ihre
deutſche Abſtammung zu den Großtaten unſeres Vaterlands auf dem
Gebiet der Dichtkunſt und insbeſondere Goethes verhielt. Die Ant⸗
wort, die darauf erfolgen muß, iſt reich an allerlei Überraſchungen
und Rätſeln.
Der berühmteſte ruſſiſche Hiſtoriker Karamſin ſchildert in ſeinen,
auch deutſch erſchienenen Briefen eines reiſenden Ruſſen (1797—
1801), ſeinen Aufenthalt in Weimar und ſchreibt im zweiten Bänd⸗
chen neben intereſſanten Bemerkungen über Herder, Wieland und
andere auch folgendes: „Goethe habe ich nur geſtern im Vorbeigehen
am Fenſter geſehen. Ich blieb ſtehen und betrachtete ihn einige Mi-
nuten. Ein wahrhaft griechiſches Geſicht! Heute morgen, da ich ihn
beſuchen wollte, fand ich ihn nicht. Er war ganz früh nach Jena
gefahren.“
Das dürfte die älteſte Bemerkung ſein, die aus Rußland über den
Dichter zu uns gekommen iſt.
Goethe hat jo alte Welt- und Kulturſtädte wie London, Paris und
Wien überhaupt nie geſehen, Berlin als jugendlicher Dichter des
Werther mit ſeinem Herzog nur auf wenige Tage, und dann nie⸗
mals wieder beſucht und ſelbſt das „ewige Rom“, wo er eine zweite
Heimat finden ſollte, erſt mit achtunddreißig Jahren kennengelernt.
Aber im vorgerückten Alter beſchäftigte ihn in ſeiner raſtloſen Phan⸗
taſie, die alles plaſtiſch ausgeſtaltete, die Entſtehung jener Stadt,
die wie auf einem ungeheuren Teller am finniſchen Meerbuſen in⸗
mitten von Urwäldern und Sümpfen unter dem 60. Breitengrad von
dem ruſſiſchen Gewaltherrſcher zu Anfang des 18. Jahrhunderts er⸗
zwungen wurde, mit ſolcher Lebhaftigkeit, daß er darüber Urteile
von wahrhaft klaſſiſcher Prägung und Treffſicherheit fällte. Im Jahre
1829 äußerte er zu Eckermann: „Die Lage von Petersburg iſt ganz
30 Abhandlungen
unverzeihlich, um ſo mehr, wenn man bedenkt, daß gleich in der Nähe =
der Boden ſich hebt, und daß der Kaiſer die eigentliche Stadt ganz
von aller Waſſersnot hätte frei halten laſſen, wenn er mit ihr ein
wenig höher hinaufgegangen wäre und bloß den Hafen der Niederung
gelaſſen hätte. Ein alter Schiffer machte ihm auch Gegenvorſtellungen
und ſagte ihm voraus, daß die Population alle ſiebzig Jahre erſau⸗
fen würde. Es ſtand auch ein alter Baum da mit verſchiedenen Spu⸗
ren eines hohen Waſſerſtandes. Aber es war alles umſonſt, der Kai⸗
ſer blieb bei ſeiner Grille und den Baum ließ er umhauen, damit
er nicht gegen ihn zeugen möchte. Sie werden geſtehen, daß in dieſem
Verfahren eines ſo großen Charakters durchaus etwas Problemati⸗
ſches liege. Aber wiſſen Sie, wie ich es mir erkläre? Der Menſch kann
ſeine Jugendeindrücke nicht loswerden und dieſes geht ſo weit, daß
ſelbſt mangelhafte Dinge, woran er ſich in ſolchen Jahren gewöhnt
und in deren Umgebung er jene glückliche Zeit gelebt hat, ihm auch
ſpäter in dem Grade lieb und wert bleiben, daß er darüber wie ver⸗
blendet iſt und er das Fehlerhafte daran nicht einſieht. So wollte
denn Peter der Große das liebe Amſterdam ſeiner Jugend in einer
Hauptſtadt am Ausfluß der Newa wiederholen, ſo wie die Holländer
immer verſucht worden ſind, in ihren entfernten Beſitzungen ein
neues Amſterdam wiederholt zu gründen.“ Mit der überſchäumenden
Jugendkraft in Hanswurſts Hochzeit' ließ Goethe den alten klapp⸗
rigen Kilian Bruſtfleck von einem Jüngling ſprechen, „der Welt be⸗
kannt, von Salz⸗ bis Petersburg genannt“ und im Alter freute er
ſich über den Abguß des größten, bisher gefundenen Goldklumpens,
der ihm vom Newaſtrande zuging.
Ebenſo ließ er das Bild der großen Kaiſerin, die ſich auf den Spu⸗
ren Peters ſtets als Vollenderin ſeines Lebenswerks fühlte, durch ſeine
Werke ziehen. Im Jahrmarktsfeſt zu Plundersweilern' ſpricht der
Marktſchreier „von der Kaiſerin aller Reußen und von Friedrich,
dem König von Preußen“. Im vierten Teil von Dichtung und
Wahrheit' nennt er Katharina „eine große Frau, die ſich ſelbſt des
Thrones würdig gehalten“ und den „tüchtigſten, hochbegünſtigten
Männern einen großen Spielraum gab, der Herrſcherin Macht im⸗
mer weiter auszubreiten“. Ihr Wunſch, die Raffaelſchen Logen durch
eine Kopie der ganzen Architektur in Petersburg wiederholen zu laj-
ſen, wird im zweiten Teil der Italieniſchen Reiſe' als beſonders
charakteriſtiſch für ſie erwähnt. In ſeinem Werk Philipp Hackert'
kommt die Aufgabe des Malers zu ausführlicher Beſprechung, die
Seeſchlacht bei Tſcheſme an der Küſte Kleinaſiens und die Verbren⸗
nung der türkiſchen Flotte in ſechs großen Gemälden, die ſich jetzt
im Schloß von Peterhof befinden, zur Ausführung zu bringen. Be⸗
kanntlich veranlaßte Alexei Orlow zu dieſem Zweck für ſeine Herr⸗
ſcherin, um dem Künſtler eine richtige Vorſtellung des Vorgangs zu
verſchaffen, daß eine im Hafen von Livorno liegende ruſſiſche Fre⸗
Zoethe und Rußland 31
a in Brand geſteckt und in die Luft geſchleudert wurde. Kathari⸗
nr a geiſtreiche, an bemerkenswerte Tagesereigniſſe anknüpfende Plau⸗
deereien, die fie in Zeitungen und Zeitſchriften veröffentlichte, und
die ganz Petersburg beſchäftigten, trugen den Titel Buili e Njebi-
lizi', was ſich ungefähr mit Wahrheit und Dichtung überſetzen läßt,
alſo an Goethes Selbſtbiographie erinnert.
Die Paralipomena aus dem zweiten Teil des Fauſt' mit dem
Spott des Mephiſtopheles über den Ruhm im Hinblick auf Fried⸗
rich den Großen und Katharina kommen uns in den Sinn:
Semiramis! hielt ſie nicht das Geſchick
Der halben Welt in Kriegs und Friedens Wage?
Und war ſie nicht ſo groß im letzten Augenblick
Als wie am erſten ihrer Herrſchertage?
Doch kaum erliegt ſie ohngefähr
Des Todes unverſehenem Streiche,
So fliegen gleich, von allen Enden her,
Skarteken tauſendfach und decken ihre Leiche.
Wer wohl verſteht, was ſo ſich ſchickt und ziemt,
Verſteht auch, ſeiner Zeit ein Kränzchen abzujagen;
Doch biſt du nur erſt hundert Jahr berühmt,
So weiß kein Menſch mehr was von dir zu ſagen.
Sit es denkbar, daß die Kaiſerin von dem Erſcheinen des Werther
und der beiſpielloſen Wirkung, die der Roman weit über die Grenzen
Deutſchlands ausübte, nichts gewußt haben ſollte? Das Buch erregte
nicht nur in unſerm Vaterland die Gemüter in einer Weiſe, wie es
bisher keinem anderen dichteriſchen Werk beſchieden war, ſondern
wurde bald nach ſeinem Erſcheinen in faſt alle europäiſchen Sprachen
überſetzt. Es entſprach nicht nur dem Begriff der Nationalliteratur,
die aus dem geheimſten Fühlen und Denken eines einzelnen Volkes
ſchöpfte und es zu deſſen bleibendem Beſitz künſtleriſch ausgeſtaltete,
ſondern legte bei uns den Grundſtein zur Weltliteratur in dem
Sinne, den Goethe im Alter als höchſte Blüte der Kultur betonte.
Meinte er doch in ſeinen Geſprächen mit Eckermann, daß niemand
eine Zeile ſchreiben ſollte, der nicht eine Million Leſer erwarte. Ein
ſolcher Erfolg war ſeinem Jugendwerk tatſächlich beſchieden. Ruß⸗
land eignete ſich den Roman allerdings am ſpäteſten an, denn die
erſte Überſetzung erſchien dort erſt 1794, faſt zwanzig Jahre nach⸗
dem man in den literariſchen Kreiſen Frankreichs, Englands und
Italiens von ſeinem Inhalt überall ſprach. Wir dürfen dabei aber
nicht vergeſſen, daß zu jener Zeit die Untertanen der Zarin noch weit
davon entfernt waren, das Ruſſiſche für eine Schriftſprache im dichte⸗
riſchen Sinne zu halten. Die Gebildeten brauchten es nur ſo weit zu
beherrſchen, um mit den Leuten aus dem Volk verkehren zu können,
während ſie unter ſich die Unterhaltung und das Leſebedürfnis fran⸗
zöſiſch oder deutſch beſtritten.
Katharina ſelbſt war nicht nur eine der unterrichtetſten Frauen
ihrer Zeit, ſondern im Sprechen, Leſen und Schreiben von einer
32 Abhandlungen
Vielſeitigkeit und Geſchicklichkeit, daß man über ihren Eifer, ſich die
geſamte Bildung ihrer Zeit anzueignen und ſelbſt ſchöpferiſch tätig
zu ſein, nicht genug ſtaunen kann.
Bei der ruſſiſchen Kaiſerin iſt es anzunehmen, daß ſie die Werther⸗
ſtimmung wohl gekannt und empfunden, aber aus äußeren Gründen
nicht zugegeben, ſondern gewaltſam unterdrückt habe. Als Beweis da⸗
für mag die Tatſache hervorgehoben werden, daß ſie Spuren dieſer
ſentimentalen Seelenverfaſſung in einem Buche fand, das ſeinerzeit
gewaltiges Aufſehen erregte, fie ſelbſt aber aufs tiefſte empörte, jo daß
ſie deſſen Verfaſſer aufs grauſamſte verfolgte und beſtrafte. Es han⸗
delt ſich um das Werk eines ebenſo edeln wie unglücklichen Menſchen,
Radiſchtſchew, der im Jahre 1790 unter dem harmlos klingenden
Titel Reife von Petersburg nach Moskau eine der furchtbarſten An⸗
klagen gegen die inneren Zuſtände Rußlands veröffentlichte, die über⸗
haupt jemals erſchienen ſind. Der Verfaſſer war ein Beamter, deſſen
Tüchtigkeit, Beſcheidenheit und Ehrenhaftigkeit von keiner Seite in
Zweifel gezogen war. Mit Unterſtützung der Regierung war er nach
Deutſchland geſchickt worden, hatte dort in Leipzig die Univerſität
beſucht und ſich das Vertrauen Gellerts erworben. Nun veröffent⸗
lichte er zur allgemeinen Empörung des offiziellen Rußlands eine noch
nicht annähernd vorhandene Verurteilung der dortigen Sklaverei und
Leibeigenſchaft in einer Reiſebeſchreibung, die nach den einzelnen
Poſtſtationen gegliedert und bei der Darſtellung der in Frage kom⸗
menden Mißſtände von rückſichtsloſer Schärfe war. Die Schrift wirkte
mit ihren fünfundzwanzig Kapiteln und einer Ode an die Freiheit
und Franklin wie eine Reihe von Brandraketen, die überall Schrecken
und Entrüſtung hervorriefen. Radiſchtſchew wurde dafür zum Tode
verurteilt, das Urteil ſelbſt zur Überführung des Sträflings nach
Sibirien gemildert. Kaiſer Paul begnadigte den bejammernswerten
Mann und Alexander J. ſtellte ihn wieder an, der ſich aber aus Furcht
vor einer neuen Verſchickung in ſeinen früheren grauenhaften Auf⸗
enthalt vergiftete. Die Ausgaben ſeines Buches wurden vernichtet
und ſelbſt ſein Name durfte unter der alten Regierung, gleichgültig
in welchem Sinne, nicht mehr erwähnt werden.
Zenſur und Polizei hatten das Buch urſprünglich gar nicht be⸗
anſtandet. Es war Katharina ſelbſt, die dies entſetzliche Strafgericht
über den Verfaſſer verhängte. Sie war nicht mehr die begeiſterte
Schülerin der franzöſiſchen Aufklärung, die Freundin Voltaires und
Diderots, ſondern eine alte, geiſtig und körperlich ſchwerfällige Dame
geworden, die das Schreckgeſpenſt der großen Revolution im Weſten
mit Angſt verfolgte. Sie witterte in der Verurteilung des flawiſchen
Bauernlebens eine Nachwirkung des aus Paris eingeſchleppten Giftes
und ſah, wie aus ihren eigenhändigen Anmerkungen hervorgeht, in
Radiſchtſchew einen Empörer wie Pugatſchew, eine furchtbare Ge⸗
fahr für Thron und Reich. Während ſie ſich mit dem Buch beſchäf⸗
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Goethe und Rußland 33
tigte, mußte ſie aber auf eine Stelle ſtoßen, in der ſein Verfaſſer das
Bekenntnis ablegte, daß ihm die Lektüre des Werther' „wonneſüße
Tränen“ erpreßt habe. Fünf Jahre nach dem Tode der Kaiſerin, 1801,
erſchien dann eine Nachahmung des Romans, der rruſſiſche Werther”.
In jedem Fall bleibt es merkwürdig, daß das dichteriſche Schaffen
unſeres größten Dichters im Leben der Kaiſerin ebenſowenig eine
Rolle geſpielt hat wie die dramatiſchen Schöpfungen Leſſings und
Schillers, während ſie für Wielands Abderiten' ſchwärmte.
Sollte ihr Goethes Jugendfreund Maximilian Klinger, der Ver—
faſſer von Sturm und Drang', der es aus wirren Verhältniſſen in
St. Petersburg zum ruſſiſchen Offiziers- und Adelsrang, zum Erzieher
ihres Sohnes, des Großfürſten Paul, zum Generalleutnant und
Kurator der Univerſität Dorpat gebracht hatte, denn gar nichts von
dem Gbtterliebling in Weimar erzählt haben? Das Drama des
„treuen, feſten, derben Kerls wie keiner“ — ſo nannte ihn Goethe dem
Kanzler von Müller gegenüber bei der Nachricht von ſeinem Tode —
wies auf einen Weg, den auch die Semiramis des Nordens in ihrem
dramatiſchen Schaffen ſelbſt eingeſchlagen hatte. Ihr Rurik' iſt eine
unverkennbare Nachahmung der Hiſtorien Shakeſpeares und in den
»Schlimmen Folgen eines Waſchkorbs' handelt es ſich um eine ver-
kürzte Nachahmung von Shakeſpeares Luſtigen Weibern von Windſor',
wobei ſich der dicke Ritter Falſtaff in den leichtſinnigen ruſſiſchen
Aufſchneider Polkadow verwandelt und die Handlung vom eng—
liſchen Königspark an die Ufer der Newa verlegt wird. Da ſie das
Genie des „ſüßen Schwans vom Avon“ zu einer Zeit erkannte, als
Friedrich der Große in deſſen Werken nur „lächerliche Farcen, der
Wilden von Kanada würdig“ ſah, muß ſie auch von dem Dichter
des Gbötz' und feinem ſtarken Bühnenerfolg in Berlin gehört haben.
Wie ſie zu unſerm größten Dichter und Weiſen ſtand, iſt leider nicht
völlig aufgeklärt, da die Ausgabe ihrer Schriften durch die Akademie
der Wiſſenſchaften in St. Petersburg beim Ausbruch des Weltkriegs
trotz der damals zwölf Bände noch immer nicht beendet war. Wenn
die Archive vollſtändig geöffnet werden, dürften wir uns vielleicht
noch auf mancherlei Neues hinſichtlich der Anſichten der Kaiſerin
über unſere Klaſſiker und beſonders über Goethe gefaßt machen.
Zu den geſchichtlich bemerkenswerten Schickſalen des Werther' in
Rußland gehört es auch, daß Napoleon ihn ſogar bei dem Rückzug
aus Moskau bei ſich trug. Ein ſchönes, in Leder gebundenes Exem⸗
plar des Romans, der ebenſo wie er die Welt erobert hatte, ging ihm
dabei verloren. Das gut erhaltene Buch ſoll nach den darin ent⸗
haltenen Angaben von einem Koſaken aus dem kaiſerlichen Schlitten
geraubt worden ſein. Es kam dann nach einer Angabe, die der
Deutſchen Petersburger Zeitung' aus Dorpat zuging, in die dortige
Univerſitätsbibliothek, wo es mancher von unſern Feldgrauen nach
der Eroberung der Stadt in Händen gehabt haben dürfte.
VIII 3
34 Abhandlungen
Beim Einzug der ruſſiſchen Garden in Dresden (1813) beobas = 5
tete der Dichter von einem Fenſter der Wohnung des Malers v. Kü-
gelgen dies Schauſpiel mit dem Kaiſer Alexander J. und König Fried⸗
rich Wilhelm III. und ſtellte, wie in den Jugenderinnerungen eines
alten Mannes' erzählt wird, mancherlei Fragen über Rußland an
die aus den Oſtſeeprovinzen ſtammende Frau ſeines Gaſtfreundes.
*
Es war kein bahnbrechender, ſchöpferiſcher Geiſt, wohl aber einer
der gebildetſten, edelſten und angeſehenſten Ruſſen ſeiner Zeit, dem
es das Schickſal vergönnte, ſich mit den Schätzen der abendländiſchen
Poeſie verſtändnisfein zu beſchäftigen, ſie in allgemein anerkannten
Übertragungen ſeinem Vaterlande anzueignen und mit Goethe in
nähere perſönliche Beziehungen zu treten, an die man ſich gern er⸗
innert. Es handelt ſich um einen Mann, von deſſen Abſtammung
Julius von Eckardt, einer der beiten Kenner des ſlawiſchen Kultur⸗
lebens, in ſeinem Werk Aus der Petersburger Geſellſchaft' mit tref⸗
fendem Humor ſagt, daß uns ſeine Abſtammung in wunderlicher
Weiſe an die Wiege alter Ziviliſation, in die Zeiten Abrahams, Sa⸗
rahs und Hagars verſetzte, und dem es doch gelang, den Weg zu den
Höhen der Menſchheit zu finden und ſeinen Namen in die Tafeln der
Geſchichte einzuprägen. Er war nichts weniger als eine Kampf- oder
Strebernatur, ſondern vielmehr eine Perſönlichkeit voll weicher, ſen⸗
timentaler Romantik, bis zu ſeinem Lebensabend, den er als halb⸗
erblindeter Greis auf deutſcher Erde, in dem badiſchen Wald⸗ und
Wieſenparadies an der Oos, immer mit ſchönen Plänen und Träu⸗
men beſchäftigt, verbrachte.
Waſſili Shukowſki (der Anlaut wird im Ruſſiſchen nicht wie „ſch“,
ſondern wie das franzöſiſche „g“ in „Genie“ ausgeſprochen) war der
Sohn eines reichen Gutsherrn im Tulaſchen Gouvernement namens
Bunin, deſſen Frau ihm elf Kinder geboren hatte, und der mit ihnen
im Herrenhauſe nach den Sitten der guten alten Zeit ſchaltete und
waltete. Gleichzeitig lebte der Herr, deſſen „Tumult im Blut“, wie
Shakeſpeare von Hamlets Mutter ſagt, noch lange nicht „zahm“
geworden war, mit einer hübſchen Türkin, die ihm nach der Erobe⸗
rung von Bender im Jahre 1771 als Kriegsbeute mitgebracht und
zum Geſchenk gemacht war, in wilder Ehe im Nebenhauſe, aus der
vier Kinder hervorgingen. Das jüngſte war Waſſili, den ein Edel⸗
mann aus der Nachbarſchaft mit der Verleihung ſeines Namens an
Kindes Statt annahm, und der mit den Angehörigen aus rechtmäßiger
Ehe erzogen wurde. Er zeigte eine beachtenswerte Frühreife nicht nur
beim Leſen und Schreiben, ſondern auch eine literariſche Begabung
beim Verſemachen und Überſetzen aus dem Franzöſiſchen, Engliſchen
und Deutſchen. Schiller und Goethe waren ſeine Lieblingsdichterr,
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Goethe und Rußland ß 35
. deren Verſe er in fließende ruſſiſche Reime zu bringen wußte. Der
Krieg gegen Napoleon, den er als Landwehroffizier mitmachte, brachte
ſein Talent dann zur weiteren Entfaltung. Seine Dichtung Der Sän⸗
1 ger im ruſſiſchen Kriegslager' fand trotz ihrer Länge eine große Ver⸗
breitung. Eine Botſchaft an den Kaiſer Alexander' nach der Einnahme
von Paris trug ihm ein anſehnliches Geldgeſchenk ein und brachte ihn
mit den Damen des Zarenhofes in Verbindung. Um das Liebesleid,
das über ihn gekommen war, zu vergeſſen, ſiedelte er nach Dorpat über,
wo er ſich mit dem deutſchen akademiſchen Leben vertraut machte.
In St. Petersburg gelang es ihm bald, in dem Kreiſe liberaler
Dichter und Schriftſteller, der ſich dort unter dem Namen „Arſamaß“
gebildet hatte, ſich zur Geltung zu bringen und Verbindungen mit der
Hofgeſellſchaft anzuknüpfen. Sowohl für die Gemahlin des Kaiſers
Alexander J., die badiſche Prinzeſſin Eliſabeth, wie für deren mit
dem Großfürſten Nikolai vermählte Schwägerin Charlotte, der
Tochter Friedrich Wilhelms III. von Preußen und Schweſter des ſpä⸗
teren Kaiſers Wilhelm I. „übernahm er das Amt eines Vorleſers und
8 Überſetzers, der auch durch ſeine eigenen hochgeſtimmten Dichtungen
in dieſem Kreiſe die Verbindung zwiſchen dem geiſtigen Leben der
beiden Länder herzuſtellen und zu pflegen wußte. Großfürſtin Char⸗
lotte, die in Berlin als „Prinzeſſin Lottchen“ und am Newaſtrande
unter ihrem ruſſiſchen Taufnamen Alexandra Feodorowna als, weiße
Roſe“ oder „blanche fleur“ wegen ihres ſanften ſentimentalen Cha⸗
rakters gefeiert wurde, ſchenkte ihrem Gatten 1818 einen Sohn, den
nachmaligen Thronerben und „Zar-Befreier“ Alexander II. Shu⸗
kowſki, der dem glücklichen Paare aus dieſem Anlaß eine ſeiner Oden
zu Füßen gelegt hatte, wurde zum Erzieher des Knaben beſtimmt und
begleitete deſſen Mutter auf einer Erholungsreiſe nach Deutſchland,
wo er in Berlin, Dresden und der Schweiz in die erſten Kreiſe ein⸗
geführt wurde und ſich mit der Eigenart deutſcher Kultur immer
mehr befreundete.
Als Shukowſki mit dem Kanzler von Müller und Reutern am
6. September 1827 Goethe in Weimar beſuchte, fanden ſie ihn nach
der Verſicherung Müllers abgeſpannt, leidend und matt, ſo daß ſie
nicht verweilten, obwohl er über die „Sucht mancher ſein wollenden
. Kenner, alle Bilder für Kopien zu erklären“, ſich launig mit den
Worten äußerte: „So haben ſie uns ja auch manche alte Pergamente
3 = wie mit dem Beſen ausgekehrt und weggefegt. Ich will immer lieber
Er: eine Kopie für ein Original gelten laſſen, als umgekehrt. Bilde ich
mich doch in jenem Glauben an dem Bilde herauf. Nun laßt ſie im⸗
merhin gewähren; Sonne, Mond und Sterne müſſen ſie uns doch
laſſen und können ſie nicht zu Kopien machen. Und daran haben wir
im Notfall genug. Wer es ernſt und fleißig treibt, wird daran genug
finden. Man laſſe ſich nur nicht irren, ſuche vielmehr das eigene Ur⸗
teil immer mehr zu beſtätigen, in ſich zu befeſtigen.“
3*
6 Abhandlungen
Von dem Abſchiedsgedicht des Ruſſen an Goethe meinte dieſer,
daß er darin zwar etwas Orientaliſches, Tiefes, Prieſterliches an—
erkenne, tadelte es aber wie die Verſe des Königs von Bayern über
Weimar als zu ſubjektiv. Es ſei gar nicht poetiſch, die Vergangenheit
ſo tragiſch zu behandeln, ſtatt reinen Genuſſes und Anerkennung der
Gegenwart, und jene erſt totzuſchlagen, um ſie beſingen zu können.
Vielmehr müſſe man die Vergangenheit ſo wie in den Römiſchen
Elegien' behandeln: „Weil die Menſchen die Gegenwart nicht zu wür⸗
digen, zu beleben wüßten, ſchmachteten fie jo nach einer beſſeren Zu—
kunft, kokettierten fie jo mit der Vergangenheit. Auch Shukowfki
hätte weit mehr aufs Objekt hingewieſen werden müſſen.“
Dieſer Bericht Müllers dürfte den Tatſachen beſſer entſprechen,
als was der erwähnte Eckardt von dem Beſuch erzählt, wobei er von
Shukowſki jagt: „Dem Habitus der großen Welt war die franzöſiſche
von allen fremden Sprachen die geläufigſte und in dieſer hatte er
ſich dem größten Lyriker des Weſtens' vorgeſtellt. Goethes etwas
unbehilfliche franzöſiſche Ausdrucksweiſe wurde Shukowſfki ſofort be⸗
merkbar, und der gute feinfühlige Weltmann glaubte nur den Wün⸗
ſchen ſeines hochverehrten neuen Bekannten zu entſprechen, wenn er
nach einiger Zeit deutſch zu reden begann. Goethe ſchien das als
Verletzung anzuſehen und zeigte ſich fortan ſo ſteif und einſilbig, daß
ſein ruſſiſcher Gaſtfrennd etwas enttäuſcht den Rückweg antrat.“
Am 7. September ſchrieb Müller an Shukowſki: „Ihre köſtlichen
ſalbungsvollen Abſchiedsworte an Goethe haben ihn hoch erfreut. Oft
gedenkt er Ihrer mit treuer Neigung und Achtung, forſcht oft bei mir
nach Kunde von Ihnen und beklagt gleich mir, deren zu entbehren.
Geiſt und Geſundheit ſind ihm friſch geblieben, in wenig Tagen
wird die dritte Lieferung ſeiner Werke erſcheinen und darin viel Neues.
Am zweiten Teil des Fauſt', der ſich in fünf Abteilungen ſpaltet,
wovon Helena' als die dritte anzuſehen iſt, arbeitet er fortwährend.
Goethe trägt mir herzlichſte Grüße auf.“ Für ſeine fürſtliche Schü⸗
lerin übertrug Shukowſki eine Reihe Balladen von Schiller, wie
Graf von Habsburg' und Ritter Toggenburg', Bürgers Lenore',
Uhlands Troſt' und andere ins Ruſſiſche. Darunter auch Goethes
Erlkönig' und zwar meiſterhaft.
Goethe ſpricht bei ſeiner Anzeige von John Bowrings Servian
popular poetry’ (London 1827) von Shukowſki: „Wir lernten auch
daraus einen Mann, der uns ſchon längſt durch Lieb' und Freundſchaft
verwandt war, Herrn Shukowſki, näher kennen und ihn, der uns
bisher in zarten Gedichten freundlich und ehrend verpflichtet hatte,
auch in der weiteren Ausdehnung ſeines poetiſchen Erzeugens lieben
und bewundern.“
Auch Alexander Koſchelew, einen der Begründer der ſlavophilen
Partei, der in Genf und Paris ſtudiert hatte, finden wir unter den
Ruſſen, die ſich im Gefolge Goethes aufhielten und ihren Lands⸗
e 3
Goethe und Rußland 37
leuten gern von den klaſſiſchen Stätten an der Ilm berichteten, um
damit ihre politiſchen Beſtrebungen der Menge ſchmackhafter zu
machen. Im Anſchluß an Männer wie M. N. Katkow, den einfluß-
reichen Herausgeber der Moskauer Zeitung' und die beiden Akſakow
war er, ein ehemaliger Branntweinbrenner und ſteinreicher Mann,
unabläſſig bemüht, mit ſeinen Schriften „die Anſicht zu verbreiten,
daß einſt alle ſlawiſchen Bäche ins ruſſiſche Meer fließen müſſen“.
Er hat uns mit beredten Worten den Eindruck geſchildert, den er
von Goethes Wohnung, von ſeiner Erſcheinung und ſeinem Intereſſe
für ruſſiſche Zuſtände ein halbes Jahr vor deſſen Tode empfing.
„Goethe begann ſofort“, heißt es in dieſer Schilderung weiter, „von
der Großfürſtin zu reden, von dem Glück Weimars, einen ſolchen
Schatz zu beherbergen und dergleichen mehr. Darauf ſprach er von
unſerem großen Kaiſer [Nikolaus J.], von der Macht Rußlands uſw.
Ich wünſchte das Geſpräch auf einen literariſchen Gegenſtand zu
leiten und erlaubte mir deshalb eine kleine Lüge, indem ich Goethe
ſagte, daß Shukowſki ihn grüßen laſſe. Ach, entgegnete Goethe, wie
glücklich iſt der wirkliche Staatsrat von Shukowſki, der die ſchmei⸗
chelhafte Aufgabe hat, die Erziehung des Thronfolgers des ruſſiſchen
Reichs zu leiten. — Das nun folgende Geſpräch hatte durchweg
einen ähnlichen Inhalt, und ich verabſchiedete mich endlich mehr
als enttäuſcht.“ Am nächſten Abend war Koſchelew mit dem Kanzler
Müller, dem Maler Meyer und noch drei oder vier Herren wieder
bei Goethe, der es beklagte, daß die Politik und der Realismus jeg⸗
liche ſchöne Literatur und Kunſt töteten, und daß dieſe letzteren,
die in unſrer gegenwärtigen Lage keine Möglichkeit hätten, weder die
Menſchen direkt zu ändern, noch ſich den zeitweiligen Forderungen
derſelben zu unterwerfen, einen höheren Standpunkt zu erringen
ſuchen müßten, daß ſie der Menſchheit eine andere neue Welt eröffnen
oder weiſen und ſie durch die Kraft neuer Ideen ſich unterjochen
müßten. g
Wir möchten bei dieſer Gelegenheit darauf hinweiſen, daß die
Vorliebe Shukowſkis für deutſches Geiſtesleben ſich auch auf ſeinen
Sohn, den ruſſiſchen Maler Paul Shukowſfki übertragen hat, der
unſerm größten Muſikdramatiker Richard Wagner in deſſen letzten
Lebensjahren auf der Villa Angri bei Neapel freundſchaftlich nahe
trat, die Entwürfe für die Dekorationen, Koſtüme und Requiſiten
bei der erſten Aufführung des Parſifal' im Auguſt 1882 in Bay⸗
reuth ausführte und zu den zwölf Getreuen gehörte, denen die Aus⸗
zeichnung zuteil wurde, den Sarg des Meiſters nach dem Eintreffen
in Bayreuth zur Grabſtätte in Wahnfried tragen zu dürfen.
85
38 Abhandlungen
Beſonders eng waren die Beziehungen zwiſchen Weimar und
Rußland geworden, ſeitdem die achtzehnjährige Enkelin der Kaiſerin
Katharina, eine Schweſter Kaiſer Alexanders J., die Großfürſtin
Maria Pawlowna ſich 1804 mit dem Erbprinzen von Sachſen⸗Wei⸗
mar, Karl Friedrich, Karl Auguſts Sohn, vermählt hatte. Goethe
nannte die junge Fürſtin in einem Schreiben an Marianne v. Eyben⸗
berg vom 26. April 1805 „ein Wunder von Anmut und Artigkeit“,
während ſie an ſeinem Schaffen wie bei allen künſtleriſchen Arbeiten
regen und verſtändnisvollen Anteil nahm. Goethe rühmte 1828 ge⸗
gen Eckermann von ihr, wie ſie „im edelſten Sinne große Mittel
verwende, um überall Leiden zu lindern und gute Keime zu wecken.
Sie iſt von jeher für das Land ein guter Engel geweſen und wird
es mehr und mehr, je länger ſie ihm verbunden iſt. Ich kenne die
Großherzogin ſeit dem Jahre 1805 und habe Gelegenheit in Menge
gehabt, ihren Geiſt und ihren Charakter zu bewundern. Sie iſt eine
der beſten und bedeutendſten Frauen unſerer Zeit und würde es ſein,
wenn ſie auch keine Fürſtin wäre. Und das iſt's eben, worauf es
ankommt, daß, wenn auch der Purpur abgelegt worden, noch ſehr
viel Großes, ja eigentlich noch das Beſte übrigbleibe.“
Im September 1827 machte, wie wir aus Goethes Tagebüchern
erſehen, Geheimrat Perowſky aus Rußland mit dem Kanzler von
Müller dem Weiſen von Weimar einen Beſuch, den er im Oktober
und November desſelben Jahres wiederholen durfte. Als er Abſchied
nahm, brachte er ſeinen Neffen, einen neunjährigen Knaben mit,
der dem Dichter ſo wohl gefiel, daß er ihn auf den Schoß nahm und
liebkoſte, als ob er fühle, daß der Kleine zeitlebens „einen Hauch
ſeines Geiſtes ſpüren“ werde. Er irrte ſich darin nicht, denn aus dem
Knaben wurde ſpäter eine Leuchte des ruſſiſchen Schrifttums, der
Graf Alexei Tolſtoi, den wir aber nicht mit dem Grafen Leo Tolſtoi,
dem noch berühmteren Verfaſſer von Krieg und Frieden', Anna
Karenina und dem Volksſtück Die Macht der Finſternis' verwechſeln
dürfen. Wie ſehr auf deſſen Namensvetter, der mit ihm in keiner
verwandtſchaftlichen Beziehung ſteht, Goethes Perſönlichkeit wirkte,
hat er in einer Anmerkung zu der autobiographiſchen Einleitung zur
Ausgabe ſeiner Werke mit einer für ſein ganzes Weſen bezeichnenden
Beſcheidenheit kurz erwähnt. Er hielt im Gegenſatz zu der natura⸗
liſtiſchen Richtung, die ſich während der vierziger Jahre in der Poeſie
ſeines Vaterlands Bahn brach, an den Idealen der deutſchen Klaſſiker
feſt, ohne das Perſönliche ſeiner Begabung durch äußerliche Nach⸗
ahmung abzuſchleifen und zu verflachen. Seine Balladen ſind ganz
von ruſſiſchem Geiſt erfüllt, den er aus ſeiner kleinruſſiſchen Heimat
einſog, und bereicherten ſein Vaterland um eine neue Dichtungsart.
Sein geſchichtlicher Roman Fürſt Sſerebränij' gehört zu den be⸗
merkenswerteſten Werken dieſer Art, und in ſeiner dramatiſchen Tri⸗
ogie Der Tod Iwans des Schrecklichen', Zar Fedor Iwanowitſch'
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Goethe und Rußland 39
und Zar Boris hat er ſeiner heimatlichen Bühne Schöpfungen von
unerſchöpflicher Lebenskraft geſchenkt. Eine ritterliche, tief humane
Natur, einen unvergeßlichen Ruſſen und ruſſiſchen Dichter hat ihn
Iwan Turgenjew genannt und den Goetheſchen Zug in ihm richtig
erkannt. x
Was ich mich auch ſonſt erfühnt,
Jeder würde froh mich lieben,
Hätt' ich treu und frei geſchrieben
All das Lob, das du verdient.
Goethes Feder aan Juli 18260 find dieſe Verſe überſchrieben,
von denen die Anmerkung zum dritten Bande der Cottaſchen Jubi—
läumsausgabe Goethes annimmt, daß ihre „Beſtimmung unbekannt“
ſei. Hingegen findet ſich in dem von Eduard von der Hellen mit
ſo vielem Fleiß und Geſchick zuſammengeſtellten Regiſterbande zu
den Werken des Dichters, allerdings mit einem Fragezeichen, der
Hinweis auf den ruſſiſchen Dichter Alexander Sergejewitſch Puſch⸗
kin als Empfänger dieſer Gabe. In den literariſchen Kreiſen unſeres
öſtlichen Nachbarlandes iſt man immer ſehr ſtolz darauf geweſen,
daß eine Verbindung zwiſchen Goethe und dem größten ruſſiſchen
Dichter in der Tat nachzuweiſen iſt.
Zu jenen im vierten Bande der Sophienausgabe abgedruckten
Verſen bemerkt der Apparat in dem 1910 erſchienenen Band 5 U
ausdrücklich, daß Madame Szymanowſka am 16/28. Juni 1828
aus St. Petersburg an den Kanzler von Müller ſchrieb: „Mr. de
Joukofsky a apporte en cadeau à Mr. Puschkin, Poète Russe, une
plume, avec laquelle Mr. de Goethe avait écrit.“ Dadurch wird, wor—
auf uns der verſtorbene ausgezeichnete Direktor des Goethe- und
Schiller-Archivs, Profeſſor Rudolf Schlöſſer aufmerkſam machte,
die von Otto Harnack in ſeinen Eſſais und Studien zur Literatur⸗
geſchichte' Seite 223 f. mitgeteilte Überlieferung von Puſchkins Bio⸗
graphen Annenkow einwandfrei beſtätigt. Der im hohen Alter 1887
in Dresden verſtorbene P. W. Annenkow war zugleich der erſte be=
rufene Herausgeber der Werke feines Lieblingsdichters, der mit
ſeiner Szene aus Fauſt' dem Olympier in Weimar 1826 ſeine Be⸗
wunderung ausgedrückt hatte.
Wo Goethes Feder geblieben iſt, die Puſchkin in einem koſtbaren
Futteral mit der Aufſchrift „Geſchenk Goethe's“ aufbewahrte und
mit Stolz ſeinen Freunden zeigte, läßt ſich übrigens nicht nach⸗
weiſen. Jedenfalls weiß man im St. Petersburger Alexander-Lyzeum,
in dem dort befindlichen Puſchkin⸗Muſeum, trotz der vielen Erinne⸗
rungen an den Dichter, der Schüler der Anſtalt war, nichts davon.
Auch der ſorgfältig hergeſtellte Katalog, der auf feinen über fünf-
hundert Seiten eine Fülle von Porträts, Anſichten und Schriß res
ben enthält, macht darüber keine ae
40 Abhandlungen
„Mütterchen Moskau“ ließ es fich als Geburtsſtadt des Dichters
nicht nehmen, ihm auf einem mit Gartenanlagen geſchmückten Platz
ihrer belebteſten Straße, der Twerſkaja, ein Bronzedenkmal zu er⸗
richten. Dort blickt Puſchkin mit entblößtem Haupt, kurzem, büſchel⸗
förmig gewelltem Haar, charakteriſtiſch geformtem Backenbart, ſtark
gebogener Naſe und ſinnlich aufgeworfenen Lippen auf ſein Volk her⸗
ab. Er ſtammte mütterlicherſeits von jenem Mohren ab, den Graf Tol⸗
ſtoi, der Botſchafter des Zaren in Konſtantinopel, als ſiebenjährigen
Knaben kaufte, und an dem der Zar, als Taufzeuge, ſo großes Ge⸗
fallen fand, daß er ihn nach ſeiner Ausbildung in Paris wegen ſei⸗
ner Anhänglichkeit und Ehrlichkeit in ſeine unmittelbare Umgebung
aufnehmen ließ. Puſchkin hat ſeinem Urgroßvater in einer ſpannen⸗
den, leider unvollendet gebliebenen Erzählung Der Mohr des Zaren’
ein Denkmal von hervorragendem literariſchen Wert errichtet. Wie
ſich ſlawiſches Blut und afrikaniſches Temperament in ihm kreuzten,
trat er auch in ſeinem dichteriſchen Schaffen zunächſt als Miſchling
auf, der die Literatur des Weſtens auf ſeine Heimat übertrug, um
ſie dort als reich aufſprießende Saat auszuſtreuen. Bald aber ent⸗
wickelte er ſich nicht nur zum Schöpfer einer noch nicht vorhandenen
poetiſchen Kunſtſprache, ſondern auch zum Dolmetſch der edelſten
Gedanken und Empfindungen als Lyriker, Epiker und Dramatiker.
Erſt neuerdings (1916) hat Theodor Commichau von ſeinem Haupt⸗
werk, der poetiſchen Erzählung: Eugen Onägin' eine würdige Über-
tragung ins Deutſche geliefert, nachdem ſelbſt ein Meiſter der Über-
ſetzungskunſt wie Bodenſtedt dabei manchmal verſagte. Beim Anhören
der Melodien Tſchaikowskys in ſeiner, auch auf unſeren Theatern oft
aufgeführten Oper wird es uns klar, von welchem Reichtum der Ge⸗
ſtaltung und welcher Tiefe der Empfindung grade dieſer Dichter er-
füllt war. Sein dichteriſches Ideal war und blieb Goethe, und die⸗
ſem Vorbild blieb er bis zu ſeinem Tode treu, als er die Worte
niederſchrieb: „Meine Seele weitet ſich, ich fühle, daß ich ſchaffen
kann.“ Wenige Monate ſpäter raffte die Kugel eines Elenden, der
ſeine häusliche Ehre beſchmutzt hatte, Rußlands größten Dichter in
ſeinem achtunddreißigſten Lebensjahre dahin. Man übertreibt kaum,
wenn man behauptet, daß ſein Denkmal in der alten Zarenſtadt zu⸗
gleich auch der Erinnerung an den größten deutſchen Dichter und
Weiſen errichtet ſei, deſſen Spuren ſich ſeitdem durch die Entwick—
lung des ſlawiſchen Schrifttums bis auf unſere Tage verfolgen laſſen.
Im Jahre 1840 erſchien in der damals eben begründeten Zeit⸗
ſchrift A. Krajewſkis Vaterländiſche Blätter ein Aufſatz Menzel der
Goethekritiker', der ſich gegen die im Namen des chriſtlichen Glaubens
und des Deutſchtums verſuchte Verunglimpfung des Dichters mit
jugendlichem Feuer erhob und die Rechte des freien Künſtlertums
beredt verteidigte. Der Verfaſſer dieſer Abhandlung war der ſchon
damals viel beachtete Wiſſarion Grigorjewitſch Belinſki, der ſich
Goethe und Rußland 41
durch ſeine feſſelnden Beſprechungen von Gogols Novellen und des
Luſtſpiels Der Reviſor im Moskauer Beobachter' und Teleſkop'
einen Namen gemacht hatte und mit ſeiner Überſiedelung von der
„weißmaurigen“ alten Zarenſtadt nach der neuen Reſidenz an der
Newa ein noch ergiebigeres Feld für ſeine bedeutungsvolle literari—
ſche Tätigkeit finden ſollte. Als Kritiker gewann er nunmehr durch
die Schärfe ſeines Urteils, mit dem er gegen die falſchen Tagesgrößen
Sturm lief und voll Begeiſterung ſich nicht nur für den kurz vorher
verſtorbenen Puſchkin, ſondern auch für alle neuen, echten Begabun⸗
gen des poetiſchen Schaffens einſetzte, einen Einfluß, wie ihn viel⸗
leicht in ganz Europa kein anderer Meiſter der Kritik aufzuweiſen
hatte. Für Deutſchland iſt Belinſki leider nicht viel mehr als ein
Name und ein Begriff geblieben, da man jeine jo überaus frucht-
bringende Arbeit nur aus einer abgeleiteten Quelle, J. P. Jordans
1846 erſchienener Geſchichte der ruſſiſchen Literatur' kennt, die ohne
Nennung des wirklichen Verfaſſers auf dem Titel die Bezeichnung
„Nach ruſſiſchen Quellen“ trägt, während ſie in Wirklichkeit eine
Ausnützung von Belinſkis Aufſätzen enthält. Belinſkis Bild als
Kritiker von beiſpielloſer Bedeutung für das geiſtige Leben ſeines
Vaterlands, ſowie feine edle, durch ſein Bruſtleiden, die ihm drohen⸗
den Nachſtellungen und ſeinen frühen Tod tragiſch verklärte Menſch⸗
lichkeit treten uns aus den Literatur- und Lebenserinnerungen' Iwan
Turgenjews mit vollſter Deutlichkeit entgegen. Man muß es dem Re⸗
clamſchen Verlag in Leipzig zum beſonderen Verdienſt anrechnen, daß
er durch feine „Univerſalbibliothek“ dieſe ausgezeichneten Schilde—
rungen auch den deutſchen Leſern zugänglich gemacht hat.
Die erwähnte Abhandlung Belinſkis über Goethe erſchien drei Jahre,
nachdem Heinrich Heine in ſeiner Schrift Über den Denunzianten’
Menzel mit ſo viel geiſtiger Überlegenheit und vernichtender Uner⸗
bittlichkeit, die ſich niemals von der Wahrheit entfernen, zur Strecke
gebracht hatte. Es iſt kaum anzunehmen, daß Belinſki von dieſer
ritterlichen Verteidigung Goethes zu ſeinen eigenen Außerungen an-
geregt wurde, die durchaus den Charakter des Perſönlichen tragen,
abgeſehen davon, daß er mit keiner fremden Sprache näher vertraut
war, ſich mit Überſetzungen und den Mitteilungen ſeiner Freunde be⸗
gnügen mußte und feine erſte Reiſe „ins Ausland“, wie man in Ruß⸗
land zu ſagen pflegt, erſt mit achtunddreißig Jahren, kurz vor ſeinem
Ableben, antrat. Für ihn war es ſelbſtverſtändlich, daß Goethe ein
welteroberndes Genie ohnegleichen war und ſeine Gegner nur als
Dummköpfe oder Heuchler in Frage kommen konnten. Daher nannte
er Menzel auch einen Menſchen, der von der Poeſie ſoviel verſtehe
wie der Blinde von der Farbe und der Taube von der Muſik. In
Wahrheit drückte ſich darin noch ein ſehr mildes Urteil aus, was
jeder zugeben wird, der dieſen Goethehaſſer und Angeber des „jungen
Deutſchlands“ bei der Regierung aus ſeinen Schriften als eine der
42 Abhandlungen
bösartigſten Früchte am Baum des deutſchen Schrifttums wirklich er
kennengelernt hat. Einem Mann wie Belinſki, der als gefährlicher
Umſtürzler im Reich des Zaren Nikolai J. galt und als Opfer der
Schwindſucht noch von ſeinem Totenbett 1848 zum Chef der ge⸗
fürchteten politiſchen Polizei entboten wurde, mußten Goethes Schaf-
fen und Perſönlichkeit unter dem Schutz Karl Auguſts in der freien
Luft Weimars in gradezu verklärender Beleuchtung erſcheinen.
Bei niemandem haben aber das Verſtändnis und die Bewunde⸗
rung deutſcher Poeſie und Kunſt, insbeſondere Goethes, in Rußland
einen wärmeren Ausdruck gefunden als bei Iwan Turgenjew, dem
Nachkommen einer alten, aus der goldenen Horde ſtammenden Adels⸗
familie, dem die Kultur des Weſtens ſchon in früher Jugend Er⸗
leuchtung und Richtſchnur für ſein ganzes Leben wurde, mit ſo in⸗
niger Liebe er auch als Dichter an ſeinem Vaterland hing. Mit neun⸗
zehn Jahren hatte er zu Schiff ſeine erſte Reiſe nach Deutſchland
angetreten, wobei der Dampfer „Nikolai J.“ kurz vor der Einfahrt
in Travemünde in Brand geriet und die Paſſagiere in Lebensgefahr
brachte. In der Friedrich- Wilhelms⸗Univerſität ſaß er zu den Füßen
von Männern wie den Philologen Boeckh und Zumpt, den Hiſto⸗
rikern Ranke und Gans, dem Philoſophen und Aſthetiker Karl Wer⸗
der und war eine Zeitlang wie alle damaligen Studenten ein be⸗
geiſterter Schüler Hegels, bis er ſeinen Lebensberuf in dichteriſchem
Schaffen erkannte. Der rieſenhaft aufgeſchoſſene junge Ruſſe mit dem
üppig wallenden Bart, den träumeriſch ſchimmernden Augen und
der ſanften, hohen Stimme beherrſchte unſere Sprache, wenn auch
mit einem fremdländiſchen Akzent, bis zur Vollendung und ſah in
Shakeſpeare und Goethe das Höchſte, was die germaniſche Poeſie
überhaupt hervorgebracht hat. In einer ſeiner ſchönſten Novellen
Fauſt ſchilderte er ſpäter den gewaltigen Eindruck, den dieſe Dichtung
auf das Seelenleben einer jungen, von Poeſie und Liebe bisher un⸗
berührten Frau hervorbringt, ſo daß ihre Phantaſie davon noch in
der Todesſtunde erfüllt iſt, mit unübertrefflicher Wahrheit und künſt⸗
leriſcher Vertiefung. Kurz vor ſeinem Tode, als ihn einer ſeiner beſten
Freunde, Ludwig Pietſch, im Frühling 1882 in Paris beſuchte,
machte er aus ſeiner Abneigung gegen die ausführlichen Detail⸗
ſchilderungen Emile Zolas in ſeinen Romanen kein Hehl. „Ich habe
in der letzten Zeit wieder viel Goethe geleſen, den Fauſt' zum, ich
weiß nicht, wieviel hundertſten Male. Junge Ruſſen, die mir jetzt
ihre literariſchen Verſuche bringen, mich um Urteil und Rat fragen,
verwies ich neulich auf eine Stelle darin. Daraus ſieht man am
beſten, was ein Dichter iſt, wie ein Dichter ein Menſchenweſen mit
Einem Worte lebendig hinſtellt, daß man es ganz und gar vor ſich
ſieht, ohne daß irgend etwas vom Ausſehen der Perſon, von ihren
Eigenſchaften erzählt oder irgendeine Reflexion voller geiſtreicher Ge⸗
danken über ſie angeſtellt wird. Ich meine die Stelle, wo Fauſt in
a
Bee *
r
*
Goethe und Rußland 43
| ſo großen Worten zu Gretchen redet, in der Gartenſzene: O, Beſte,
glaube, was man ſo verſtändig nennt, iſt oft mehr Eitelkeit und Kurz⸗
ſinn.' Was gibt fie darauf zur Antwort? Nichts ſagt fie als "Wie?
Dies Wie iſt ſublim, man ſieht und kennt das ganze Mädchen vom
Kopf zu Fuß. So macht's ein Dichter.“ Ebenſo reich an feinen Be-
merkungen iſt auch eine Abhandlung, die Turgenjew nach dem Er⸗
ſcheinen einer neuen Überſetzung des Fauſt' von Wrontſchenko ſchrieb,
die leider wenig bekannt iſt. Dieſe Kritik befindet ſich in einer von
mir 1885 herausgegebenen Sammlung ſeiner Vermiſchten Aufſätze'.
Für ein kleines Gedicht von Goethe hätte er ſeinen ganzen Welt⸗
ruhm als Meiſter der Proſaerzählung hingegeben.)
Ein ſolches Bekenntnis wollte etwas bedeuten in einem Lande, in
dem bereits einflußreiche Kritiker die künſtleriſche Phantaſiearbeit in
der Literatur für etwas Überflüſſiges und Schädliches erklärten. Der
ſchlimmſte unter ihnen war der früh verſtorbene Heißſporn Piſſarew,
der Puſchkin und Lermontow als Poeten für ſchwindſüchtige Jung⸗
frauen und ſporenklirrende Huſarenleutnants hinſtellte, Heinrich
Heine als einen charakterloſen Schreier bezeichnete und ſelbſt Shake⸗
ſpeare und Schiller anklagte, weil ſie keine „Realiſten“ ſeien. Das
Köſtlichſte hat ſich dieſer „Bazarow des Journalismus“, wie ihn
Alexander v. Reinholdt in feiner Geſchichte der ruſſiſchen Literatur’
mit Erinnerung an Turgenjews Helden in Väter und Söhne' nennt,
mit der Behauptung geleiſtet, daß Goethe nur ein „In Verſen rä⸗
ſonnierender aufgeblaſener Ariſtokrat“ ſei. Kein Wunder, da derſelbe
Piſſarew meinte, daß ein Paar Stiefel mehr wert ſeien als der ganze
Puſchkin.
Man denkt dabei an des greiſenhaften L. N. Tolſtoi, des Einſiedlers
von Jasnaja Poljana, muffiges Moskowitertum, das ihm in ſeinen
Bemerkungen Über die Kunſt und gegen die Kunſt' den Ausſpruch
eingab, daß Goethes Fauſt' ein auf Entlehnungen begründetes Werk
ſei, das keinen wahren Eindruck hervorbringen könne, weil ihm der
Hauptcharakter eines Kunſtwerks, die Einheit und tiefere Bedeutung
von Form und Inhalt fehlte. In ſeiner Jugend war übrigens Tol⸗
ſtoi, wie Raphael Löwenfeld in den Geſprächen über und mit Tolſtoi'
mitteilt, auf ſeiner Auslandsreiſe in Weimar, beſuchte das Goethe⸗
Haus, wurde mit Liſzt bekannt und bei Hofe eingeführt.
Es kann nicht überraſchen, daß ein ſo frei und hoch geſtimmter
Geiſt wie der Ruſſe Alexander Herzen, in dem wir einen der bedeu-
tendſten und einflußreichſten Publiziſten des 19. Jahrhunderts be⸗
wundern, und der von Jugend auf mit der Philoſophie und Literatur
Weſteuropas vertraut war, ſich zur Weltanſchauung Goethes hin—
gezogen fühlte. Das Blut ſeiner aus Schwaben ſtammenden Mutter
1) Auch der jüngſt verſtorbene ruſſiſche Revolutionär Peter Krapotkin ſchil⸗
dert in ſeinen Memoiren die „unermeßliche Freude“, die ihm im Petersburger
Pagenkorps die erſte Lektüre des Fauſt' in der Urſprache bereitete.
44 Abhandlungen
hatte ſeinem Gefühlsleben eine Feinheit und Wärme eingeflößt, die
ihn die ſchwere Bedrückung unter dem Kaiſer Nikolai J. als uner⸗
träglich empfinden ließ. Schon als zweiundzwanzigjähriger Student
wurde er wegen ſeiner angeblichen Beteiligung an einer Saint-Simo⸗
niſtiſchen Geſellſchaft verhaftet, ins Innere des Reichs verſetzt und
ſpäter in St. Petersburg, wo er bei der Regierung arbeitete, ſcharf
beobachtet. Nach ſeinem Ausſcheiden aus dem Staatsdienſt und dem
Erſcheinen ſeiner erſten Romane erregte er vor allem durch ſeine
Schrift Vom anderen Ufer', die Frucht gründlicher Reiſen durch
Deutſchland, Frankreich und Italien, allgemeine Beachtung und
ſchuf ſich mit feiner Zeitſchrift Kolokol' (Die Glocke) ein Inſtrument,
das er gegen die ruſſiſche Gewaltherrſchaft zu außerordentlicher Wir⸗
kung auf die öffentliche Meinung in Rußland brachte, und mit dem
er ſogar den Weg zu der Umgebung des inzwiſchen zur Regierung
gelangten Alexander II. fand. Sein Einfluß ging ſo weit, daß ihm
die fraglos echten Memoiren der Kaiſerin Katharina II. in die Hände
fielen, die er herausgab, und die ſeitdem in allen europäiſchen Spra⸗
chen erſchienen ſind. In ſeinen Reiſeſchilderungen wie in ſeinen eige⸗
nen Memoiren eines Ruſſen' verrät ſich in dem immer ſchärfer her⸗
vortretenden Revolutionär überall der Einfluß Goetheſcher Gedanken
und Ausſprüche, die er in den Überſchriften der einzelnen Kapitel
mit Vorliebe anführt, und auf die er in ſeinen eigenen Betrachtun⸗
gen und Schilderungen zurückkommt.
In dieſen Erinnerungen gedenkt er auch des ruſſiſchen Staats-
manns Sergei Semenowitſch Uwarow, eines Schülers der Göttinger
Univerſität, der ſpäter Kurator der Univerſität von St. Petersburg,
Präſident der Akademie der Wiſſenſchaften und Miniſter der Volks⸗
aufklärung wurde. Puſchkin hatte ihn in ſeinem Schreiben an Lu⸗
kullus' beſungen.
Herzen ſchildert Uwarow als einen Mann, der wegen ſeiner Sprach⸗
kenntniſſe und einer Menge anderer Dinge, die er wußte, bewundert
wurde, und ſagt von ihm: „Er war ein richtiger Kommis in dem
Kramladen der Aufklärung und bewahrte in ſeinem Gedächtnis die
Muſter aller Wiſſenſchaften ſorgfältig auf; ein Endchen von einer
jeden oder eigentlich die Anfangsgründe einer jeden . . . Er trug ge⸗
wiſſermaßen als Patent einen Brief von Goethe mit ſich in der Ta⸗
ſche herum, in dem ihm dieſer ein ſehr merkwürdiges Kompliment
machte: Sie entſchuldigen ſich ohne Grund wegen Ihrer Sprache;
Sie haben erreicht, was ich ſelbſt nicht vermochte; Sie haben die
deutſche Grammatik vergeſſen.““
Leider iſt dieſe Stelle, wie mir auch von dem Leiter des Goethe—
und Schiller-Archivs in Weimar, Profeſſor Dr. J. Wahle beſtätigt
wird, in den gedruckten Briefen weder in der Sophien-Ausgabe noch
in der Schrift Goethe und Uwarow und ihr Briefwechſel. Mit Er-
läuterungen von Dr. G. Schmid’, Petersburg 1888, zu finden, ob-
RER
Goethe und Rußland 45
wohl dieſer die im Uwarowſchen Familienarchiv zu Ponntſchje bei
Moskau aufbewahrten acht Briefe Goethes nach den Originalen ab—
gedruckt hat. Es muß daher angenommen werden, daß der Brief, der
jene Stelle enthielt, verlorengegangen iſt. Von dem ſpäter zum Gra⸗
fen ernannten Uwarowp beſitzen wir auch eine Notice sur Goethe, lue
A la séance générale de l' Academie impériale des sciences de St.
Pétersbourg' (1833).
Es kann nicht überraſchen, wenn man erfährt, daß die Zenſur
in St. Petersburg, die ſich an den edelſten Werken der heimiſchen
Dichter austobte, auch den Schöpfungen der ausländiſchen Schrift-
ſteller aus allerlei politiſchen, religibſen und moraliſchen Gründen
große Schwierigkeiten bereitete. Nicht jeder Poet fand wie Puſchkin
einen jo gnädigen Herrn an dem Zaren Nikolai l., der ihm bei ſeiner
Verbannung nach dem Süden die Hand drückte und verſicherte: „Ich
will fortan Dein eigener Zenſor ſein.“ Wie Schillers Räuber',
Fiesko' und “Tell und Leſſings Emilia Galotti' in Rußland ver-
boten wurden, jo geſchah es auch mit Goethes Egmont'. Dem ver-
dienſtvollen Leiter des Deutſchen Theaters in der Reſidenz des Zaren,
Philipp Bock, der dieſer Kunſtſtätte über vierzig Jahren angehörte
und darüber in der Zeitſchrift Deutſche Bühne? intereſſante Erinne-
rungen veröffentlicht hat, gelang es erſt 1883, Egmont' von dem
bisher beſtandenen Aufführungsverbot zu befreien. Auch koſtete es
nicht geringe Mühe, bei den Fauſt'-Aufführungen die Szene mit
Gretchens Gebet „Ach neige, du Schmerzenreiche“ vor dem Bild der
mater dolorosa durchzuſetzen, von anderen kleinlichen Maßnahmen
ähnlicher Art zu ſchweigen.
Was die Überſetzungen Goetheſcher Dichtungen ins Ruſſiſche be—
trifft, an die bereits erinnert wurde, ſo gelang es einer Reihe von
Meiſtern auf dieſem Gebiet, die Schönheit und den Reichtum der
von Puſchkin geſchaffenen Sprache in vollem Maße zur Geltung zu
bringen und Goethes Rat: „Man laſſe den Leſer nicht die beſchwer—
liche Reiſe ins fremde Land antreten, ſondern bringe dieſes zu ihm
hinüber“ zu beherzigen. Shukowſkis Übertragung des Erlkönigs',
von dem einzelne Züge auch auf Lermontows wundervolles Gedicht
»Mzyri', d. i. Kloſternovize, übergegangen zu ſein ſcheinen, iſt in die
ruſſiſchen Chreſtomathien wie die von Schafranow und Nikolitſch
aufgenommen worden. Sie beweiſt, wie farbenreich und geſchmeidig
ſich die Versſprache Goethes im Ruſſiſchen wiedergeben läßt, von
deren Reichtum, Klangzauber und maleriſchem Charakter man in
Deutſchland leider kaum eine Ahnung hat. Fjet, der Sohn einer
Deutſchen, Cholodwoſki und Huber, der liberal angehauchte Inge—
nieur von der Waſſerbaukommiſſion, haben ſich als Fauſt'-Über⸗
ſetzer in ähnlicher Weiſe hervorgetan. Fedor Iwanowitſch Tjutſchew,
der Gatte einer Deutſchen, mit Heine und Schelling bekannt, ver⸗
öffentlichte 1832 ein von Fr. Fiedler in Reclams Univerſalbibliothek
46 Abhandlungen
überſetztes ſchwungvolles Gedicht Auf Goethes Tod”. Auch fehlte es
nicht an opferfreudigen und unternehmenden Verlegern, die der⸗
gleichen Arbeiten in ein glänzendes künſtleriſches Gewand kleideten.
Vor allem verdient dabei an den verſtorbenen A. F. Marcks erinnert
zu werden, einen Deutſchen, der mit ſeiner illuſtrierten Wochenſchrift
Niwa' (Die Flur) ein Unternehmen erſten Ranges ſchuf, ihr eine
Verbreitung von gegen zweihunderttauſend Exemplaren gewann und
den Abonnenten dabei Überſetzungen älterer und neuerer deutſcher
Dichter, wie zuletzt noch Gerhart Hauptmanns, neben den Dichtern
anderer Länder als koſtenloſe Beilage zur Verfügung ſtellte. Die von
Marcks veröffentlichte Übertragung des Fauſt' mit den ſchönen Illu⸗
ſtrationen nach Seiberts ſtellt einen Prachtband dar, der an Reich⸗
tum und Geſchmack der Ausführung kaum zu übertreffen iſt. Auch die
ausgezeichneten Goethe-überſetzungen von Michael Doſtojewski, dem
Bruder des berühmten ruſſiſchen Erzählers, ſollen nicht vergeſſen ſein.
Vergegenwärtigt man ſich, welchen Eindruck Goethe als Dichter und
mit ſeiner Perſönlichkeit auf den ſlawiſchen Oſten im allgemeinen ge⸗
macht hat, ſo will es ſcheinen, daß ſich für das Leuchtende und alles
Umſpannende ſeines Geiſtes bei den Polen mehr Unmittelbarkeit des
Verſtändniſſes als bei den Ruſſen zeige. Schon im Jahre 1785, bei
dem erſten Aufenthalt des Dichters als Kurgaſt in Karlsbad, wurde
er von den „Franzoſen des Nordens“, namentlich von den ſchönen,
geiſtreichen und temperamentvollen Damen und ihren ariſtokratiſchen
Männern enthuſiaſtiſch gefeiert, und dieſe Huldigungen wiederholten
ſich im nächſten Jahre, als er mit ſeinem Herzog zum Kurgebrauch
dorthin zurückkehrte. Mit ihm zuſammen unternahm er dann eine acht⸗
tägige „Luſtfahrt“ nach den Salinen von Wieliczka, nach Krakau und
Czenſtochau, wo beide mehr Intereſſantes erlebt zu haben ſcheinen,
als ſich für die Offentlichkeit ſchickte, denn Goethe hat nur wenigen
Blättern ſeines Notizbuches einige flüchtige Erinnerungen anvertraut,
aber über Einzelheiten, die wir gern erfahren hätten, geſchwiegen.
Mit dem Fürſten Heinrich Radziwill ſchloß er eine Freundſchaft, die
in deſſen Muſik zum Fauſt' einen feſten künſtleriſchen Beſtand erhielt.
Der große Dichter Mickiewicz und ſein treuer Johannes Odyniec ge⸗
hörten zum Goetheſchen Kreiſe, und die beiden reizenden Polinnen
Maria Szymanowfkaja, die gefeierte ruſſiſche Hofpianiſtin, und ihre
Schweſter Caſimira Wolowska, eine Frau von ebenſoviel Geiſt wie
Liebreiz, wußten dem Greiſe den Seelenfrieden wiederzugeben, den
er durch ſeine Leidenſchaft für die ſechzehnjährige Ulrike von Levetzow
verloren hatte. Es begannen ganze Wallfahrtszüge von Bewunderern
ſeiner Genialität nach Weimar, und noch kurz vor ſeinem Tode er⸗
ſchien in ſeinem Salon, während er an ſeinem Schreibtiſch ſaß, ein
junger Pole in militäriſcher Uniform und der Medaille „Virtuti mi-
litari“ auf der Bruſt, der nach dem unglücklichen Aufſtand von 1831
durch Deutſchland flüchtete.
Goethe und Rußland 7
Dieſem aufflammenden Goethekultus der Polen ee haftet
der Bewunderung der Ruſſen für ihn etwas Langſames und Schwer—
fälliges an, das mehr an eine Glut unter der Aſche erinnert. Aber
niemand kann es leugnen, daß ſie ebenſo viel Licht und Wärme
verbreitet hat wie jene raſche polniſche Erregbarkeit, die mit einem
gewiſſen Modegeſchmack gemiſcht war. Bei den ruſſiſchen Dichtern,
die den Spuren der klaſſiſchen Poeſie Weimars folgten, lag die
Sache weſentlich anders. Sie erkannten die Größe Goethes mit
Recht in der Aufrichtigkeit und Wahrheit all ſeiner Gedanken und
Empfindungen, in der Darſtellung deſſen, was er in Luſt und Leid
ſelbſt erlebt hatte, und was ihm auf den Nägeln brannte. Alle
großen ruſſiſchen Dichter ſind abgeſagte Feinde alles Gemachten
und nur äußerlich Schillernden und haben dafür ihre Schöp—
fungen mit ihrem Blut genährt. Das erkannte vor allem Proſper
Merimee, der einmal zu Turgenjew ſagte: „Eure Poeſie ſucht vor
allem die Wahrheit, und dann findet ſich die Schönheit von ſelbſt;
unſere Dichter dagegen gehen einen ganz entgegengeſetzten Weg: ſie
ſorgen vor allem um den Effekt, den Scharfſinn, den Glanz, und wenn
mit dieſem ſich ihnen die Möglichkeit bietet, die Wahrſcheinlichkeit
nicht zu verletzen, jo nehmen fie auch das allenfalls mit in den Kauf.
Bei Puſchkin entfaltet ſich die Poeſie auf wunderbare Weiſe, gleich⸗
ſam von ſelbſt aus der nüchternſten Proſa.“ Merimee nannte dieſen,
offenbar übertreibend, den größten Dichter ſeiner Zeit, wußte dieſe
Behauptungen aber durch die feinſten Bemerkungen über die Gleich⸗
mäßigkeit der Form, des Inhalts, der Geſtalten und der Objekte,
das Fehlen jeglicher Auslegungen und moraliſchen Schlüſſe zu be⸗
gründen. Ebenſo äußerte ſich auch Bodenſtedt in der Vorrede zum
erſten, Puſchkin gewidmeten Bande ſeines Überſetzungswerks Ruſſiſche
Dichter': „Die geniale Überlegenheit und den höheren Flug Byrons
zugegeben, finde ich doch in Puſchkin mehr Wahrheit, Geſundheit und
Natur, weil der ruſſiſche Dichter ganz in ſeiner Heimat wurzelt ..“
Goethe hat es ſtets bedauert, daß ihm die Kenntnis der ruſſiſchen und
polniſchen Sprache verſagt blieb. Der feinfühlige Kulturſchilderer und
glänzende Stiliſt Dmitri Mereſchſkowſki nennt in ſeinem 1896 erſchie⸗
nenen Buche Ewige Gefährten’ (deutſch 1919 von Julius Eliasberg)
die Engelsworte: „Wer immer ſtrebend ſich bemüht, den können wir
erlöſen“ nicht nur, wie es deren Schöpfer meinte, den Schlüſſel zu
Fauſts Rettung, ſondern vielleicht auch den Schlüſſel zur Rettung
Weſteuropas. „Tolſtoi und Goethe“, fügt er hinzu, „ſtehen als zwei
erzgemeißelte Geſtalten, als zwei Wächter vor den Thoren der beiden
Zeitalter, der beiden Welten. Wem wird die Menſchheit ihre Herzen
ſchenken? Wem wird ſie folgen? Jedenfalls liegt für uns Ruſſen in
Tolſtoi eine ſchier unüberwindliche Verſuchung, und niemand kann
ſie in uns niederkämpfen — als Goethe.“ Und vorher meinte er, daß
für die Ruſſen das Phänomen Goethe eine ganz beſondere Bedeutung
48 Abhandlungen
habe, weil für das extreme Slawophilentum, das die ganze europäi⸗
ſche Ziviliſation zum Teufel jagen möchte, Goethe das beſte Gegen—
gift ſei. Wir erblicken Goethe in ſeinem langen Leben in nahen Be⸗
ziehungen zum Zarenreiche, von jenem, im zehnten Buch von Dich—
tung und Wahrheit' erwähnten „behaglichen Ruſſen“ namens Peglow,
einem Bekannten Herders aus Riga, der nach Ludwig Geigers For—
ſchungen ruſſiſcher Stabschirurg war, 1773 in Straßburg ſein Dok⸗
torexamen machte und ſpäter in ſeine Heimat zurückkehrte, bis zu dem
Briefwechſel, den der Dichter im höchſten Alter mit Uwarow über die
tiefſten Fragen der Wiſſenſchaft führte. Ihn beſchäftigten die Steine
aus Sibirien, die ihm zugeſchickt wurden und die er in einer Kaſſette
aus rotem Saffian aufbewahrte. Wenn er im Alter als Feinſchmecker
ſeinen Gäſten neue Speiſen vorſetzte, mit denen ſie noch nicht um⸗
zugehen wußten, ſo befand ſich darunter neben den Artiſchocken, wie
er an Charlotte von Kalb 1796 ſchreibt, als „wunderliche Speiſe“
auch der Rogen des Stör oder des Hauſen vom untern Lauf der Wolga,
der Kaviar. Gewiß hielt man, wie es bei uns noch heute geſchieht,
dieſen Namen für einen ruſſiſchen. In Wirklichkeit iſt er jedoch eine
Verſtümmelung des italieniſchen „Caviale“ für den Rogen des dor⸗
tigen Thunfiſches, während man bei den Slawen ein ſo oder ähnlich
lautendes Wort gar nicht kennt und immer nur von „ikra“ ſpricht,
was zugleich „Wade“ bedeutet.
Die Anerkennung Goethes hat ſich in der Entwicklung der ruſſi⸗
ſchen Poeſie überall bemerkbar gemacht und wirkt noch weiter nach.
Dieſen Spuren durch die furchtbaren Wirren der Gegenwart im Ein⸗
zelnen nachzugehen, bildet eine ebenſo lockende und lohnende Aufgabe
wie die Nachforſchungen nach dem Verbleib der angeblich verlorenen
Handſchrift Litteratur gegen Friedrichs des Großen Aufſatz über die
deutſche Dichtung und die Geſpräche mit Napoleon in Erfurt und
Weimar. Überall empfindet man die Wahrheit des Ausſpruchs:
„Goethe und kein Ende!“
Wetzlar in Goethes Fauſt
Von Heinrich Gloél (Wetzlar)
dethe hat in ſeinem Fauſt' mehrfach beſtimmte Grtlichkeiten als
Schauplätze angegeben, ſo Auerbachs Keller in Leipzig, den Harz
und den Brocken mit der Gegend von Schierke und Elend, die pharſa—
liſchen Gefilde, Sparta, Arkadien. Dagegen hat er Wittenberg und
Augsburg, die in der Fauſtſage vorkommen, nicht namhaft gemacht;
und die Gretchentragödie iſt weder im Ur⸗-Fauſt' noch in der ſpäte⸗
ren Ausgabe beſtimmt lokaliſiert.
Nun befindet ſich aber in Goethes Nachlaß unter den Entwürfen
zum 1. Teil folgendes, ziemlich unbeachtet gebliebenes Paralipomenon
(Werke 14, 295 Nr. 24): „Kleine Reichsſtadt. Das anmuthige be⸗
ſchränckte des bürgerlichen Zuſtands. Kirchgang. Neugetauftes Kind.
Hochzeit.“ Danach dachte ſich der Dichter als Ort des Gretchendramas
eine kleine Reichsſtadt und hatte vor, den Hintergrund zu Fauſts und
Gretchens Begegnung vor dem Dome breit auszumalen, indem er uns
einen Kindtauf⸗ und einen Hochzeitszug vorführte.
Bei der Objektivität des Denkens, die wir immer bei Goethe be—
merken, müſſen wir annehmen, daß ihm ein beſtimmtes Städtchen
vorſchwebte. Dies war m. E. Wetzlar, in dem er ſich im Sommer
1772 aufhielt, und das auch der Schauplatz von Werthers Leiden iſt.
Daß ſich der junge Dichter während jenes Aufenthaltes mit dem Fauſt'
beſchäftigte, wird durch ſeinen Briefwechſel mit Gotter bezeugt, auf
den wir unten zurückkommen. Was ſich in der Gretchentragödie an
örtlichen Beziehungen findet, läßt ſich alles auf Wetzlar beziehen.
Von kleinen Reichsſtädten kannte Goethe zwar auch Friedberg in der
Wetterau; dies kommt aber nicht in Betracht, weil ihm der Dom fehlt.
Und Frankfurt würde Goethe nicht als Kleinſtadt bezeichnet haben; es
hatte damals etwa fünfmal ſo viel Einwohner wie Wetzlar. Übri-
gens hat der Dichter, der fich für das Straßburger Münſter jo be-
geiſterte, die altehrwürdige Wetzlarer Stiftskirche, d. h. den Wetz⸗
larer Dom, der allerdings der Einheit des Stils entbehrt, ſonſt nir⸗
gends erwähnt.
Im Dom findet nach katholiſchem Brauch das Amt mit dem Chor—
geſang „Dies irae, dies illa“ ſtatt; im Ur⸗Fauſt' iſt es das Toten⸗
VIII 4
50 Abhandlungen
Rs
3
amt (die Exequien) für Gretchens Mutter. Aus der Sakriſtei flimmert
der Schein des ewigen Lämpchens. Dazu ſtimmt, daß nach der Ein⸗
führung der Reformation in Wetzlar der Chor des Doms bis auf den
heutigen Tag dem katholiſchen Gottesdienſte verblieb; das Schiff ge⸗
hört der evangeliſchen Gemeinde.
Wetzlar war mit einer hohen Stadtmauer umgeben, wie ſie Mephi⸗
ſtopheles V. 3316 erwähnt. Vor dem Silhöfer Tore befand ſich außer⸗
halb der Mauer noch ein ſog. Zwinger, d. h. ein beſonderes Vorwerk,
das wieder mit einer niedrigen Mauer umgeben war; Goethe verſteht
aber hier unter dem Zwinger den ſchmalen Gang innerhalb der
Stadt zwiſchen der Stadtmauer und den erſten Häuſern. Und die
„Mauerhöhle“, in der das von Gretchen mit Blumen geſchmückte
Andachtsbild der Mater dolorosa ſteht, iſt nicht etwa eine tiefe Höhle,
ſondern nur der in der Innenſeite der Wetzlarer Stadtmauer auf der
ganzen Strecke ausgeſparte große gotiſche Bogen.
In Wetzlar gab es zu Goethes Zeit mehrere Brunnen mit immer
fließendem Waſſer, ſo auf dem Buttermarkt (Domplatz), dem Eiſen⸗
markt, der Hofſtatt, dem Kornmarkt. Der letztere, der noch jetzt mit dem
doppelköpfigen Reichsadler geziert iſt, war faſt unmittelbar vor dem
Fenſter von Goethes Wohnung bei dem Prokurator Ludolf. Im Ur⸗
Fauſt' kommt übrigens außer dem Brunnen, an dem Gretchen mit Lies⸗
chen ſchwatzt, noch ein anderer Brunnen vor der Mater dolorosa vor.
Zu Marthes Garten ſei bemerkt, daß es wie außerhalb ſo auch
innerhalb der Stadt Wetzlar manche Gärten gab. Goethe dachte viel⸗
leicht beſonders an den Garten des reformierten Predigers Lorsbach,
bei dem ſein Freund Johann Chriſtian Keſtner, Lottens Bräutigam,
zur Miete wohnte. a
Daß Valentin Soldat iſt, paßt gut zu Wetzlar, wo zu Goethes
Zeit eine heſſen⸗darmſtädtiſche Beſatzung lag, die dem Bruder des
Amtmanns Buff, dem Major Buff, unterſtand, und außerdem ein
Kontingent des oberrheiniſchen Kreiſes, zu dem die Stadt gehörte.
Vor dem Dome war beſonders Sonntags nach der Kirche das
Stelldichein der feinen Welt. Darüber ſchrieb Auguſt Keſtner noch
am 23. Mai 1802 an ſeine Mutter Lotte nach Hannover: „Nach der
Kirche pflegen ſich hier die ſchönen Damen beſuchend auf den Straßen
ſehen zu laſſen, welches eine Verſammlung aller Praktikanten auf
dem Buttermarkt und Stiftskirchhofe zu veranlaſſen pflegt, der ich
denn auch mit Vergnügen beiwohnte.“
Häufig wurden in der Nacht den jungen Mädchen Ständchen ge⸗
bracht. So verabſchiedete ſich der wunderliche Auguſt Siegfried von
Goué am 6. Juli 1772 nach Joh. Chr. Keſtners Tagebuche „par une
musique tr&s bruyante, qui s’arr&ta devant toutes les maisons de
sa connaissance“.
Darauf lege ich keinen Wert, daß die Stadttürme in Wetzlar als
Gefängnis dienten, auch darauf nicht, daß ſich auf einer Höhe über
2 8 N 4
e
Wetzlar in Goethes Fauſt' 51
der Stadt der Rabenſtein erhob; denn dies traf wohl bei manchen
Städten zu.
Nimmt man aber alles zuſammen, was ich angeführt habe, ſo iſt
es ſehr glaubhaft, daß Goethe als Schauplatz der Gretchenhandlung
Wetzlar im Auge hatte. Daraus folgt nicht, daß die betreffenden
Szenen bereits in Wetzlar entſtanden ſeien. Nein, die örtlichen Be⸗
ziehungen können auch im Geiſte des Dichters haften geblieben und
ſpäter verwertet fein. Und wenn Gotter im Sommer 1773 in einer
an Goethe gerichteten Epiſtel ſagt:
„Schick mir dafür den Doktor Fauſt,
Sobald dein Geiſt ihn ausgebrauſt“,
ſo ſcheint daraus hervorzugehen, daß ſich in Wetzlar 1772 noch alles
in Gärung befand. Mit der Abfaſſung des Werkes wurde jedenfalls erſt
1773 begonnen, nachdem Goethe Hans Sachs kennen gelernt hatte,
dem er für den 1. Teil des Fauſt' die deutſchen Reimverſe entnahm.
Anderſeits: wenn Boie nach ſeinem Beſuch bei Goethe im Herbſt
1774 ausruft: „Sein Dr. Fauſt iſt faſt fertig und ſcheint mir das
Größte und Eigentümlichſte von allem“, ſo müſſen ihm die wichtig⸗
ſten Szenen, deren Mittelpunkt Gretchen bildet, bereits vorgelegen
haben.
4 *
Varianten zu Claudine von Villa Bella
Von Max Friedlaender (Berlin)
übe die Geſchichte der Claudine geben Otto Pniowers Anmer⸗
kungen zur Jubiläumsausgabe von Goethes ſämtlichen Werken
(Cotta, Band 8) ausführliche und zuverläſſige Auskunft. Die erſte
Geſtalt des Singſpiels war im Frühjahr 1775 entſtanden, ein Jahr
darauf erſchien es als „Schauſpiel mit Geſang“ im Druck. Goethe
ſelbſt äußerte ſich über den Charakter des Werkes in einem für Dich⸗
tung und Wahrheit (Buch 17) beſtimmten, dort aber nicht aufge⸗
nommenen Paſſus wie folgt: „Claudine' war früher fertig geworden,
als ich im Gegenſatz von den Handwerksopern [gemeint ſind Sing⸗
ſpiele wie Chr. Felix Weißes Der luſtige Schuſter', Der Dorfbar⸗
bier’, Joh. Andres Der Hufſchmied', Der Töpfer’ u. a.] romanti⸗
ſche Gegenſtände zu bearbeiten trachtete und die Verknüpfung edler
Geſinnungen mit vagabundiſchen Handlungen als ein glückliches Mo⸗
tiv für die Bühne betrachtete, das zwar in ſpaniſchen Gedichten nicht
ſelten iſt, aber uns neu war zu jener Zeit, jetzt aber oft gebraucht,
ja verbraucht worden.“
In ſeiner italieniſchen Periode dichtet Goethe das Singſpiel um,
leider nicht in glücklicher Weiſe. Er verfällt oft ins Spieleriſche und
tilgt manche der ſchönſten Stellen der früheren Verſion. Für den
Muſiker aber war die neue Bearbeitung wegen der zahlreicheren, für
die Kompoſition beſtimmten Einlagen viel geeigneter.
Gedruckt wurde dieſe veränderte Faſſung im fünften Bande von
Goethes Schriften 1788. Die Arien mit Enſembles darin erregten
ſogleich die Aufmerkſamkeit des Berliner Hofkapellmeiſters Johann
Friedrich Reichardt, der kurz vorher Erwin und Elmire' in Muſik
geſetzt hatte. Er ging unverzüglich ans Werk, und die erſte Auffüh⸗
rung ſeiner Claudine fand am 29. Juli 1789 am Berliner Hofe
ſtatt zur Feier des Geburtstages des Kronprinzen, ſpäteren Königs
Friedrich Wilhelms III., die zweite im Königlichen Nationaltheater
am 3. Auguſt 1789; bis zum 20. Februar 1799 wurde das Werk
ſechsmal gegeben, 1795 auch in Weimar; dauernden Erfolg hatte
das Singſpiel nirgends, was Goethe in einem an Reichardt gerich⸗
teten Briefe vom 29. Juli 1792 beklagte. Reichardts Hoffnung, ſeine
=
Varianten zu Claudine von Villa Bella 53
2 Rompoftion im Klavierauszug herausgeben zu können, verwirklichte
= ſich nicht; in feiner Zeitſchrift Muſikaliſches Kunſtmagazin' bot er
*
*
die geſchriebene Partitur für 20 Louisdors zum Verkaufe an, fand
aber anſcheinend keinen Käufer.
Über die erſte Aufführung ſteht ein ausführlicher Bericht im Ber⸗
liner Archiv der Zeit und ihres Geſchmacks' Band 1 (1789): „Sehr
ſelten wurde die Vorſtellung eines Stückes mit ſo vieler Spannung
und Sehnſucht erwartet, als dieſe. Das Stück und ſeine Vortrefflich—
keit waren bekannt und anerkannt, ebenſo war über die Schönheit
der Muſik nur Eine Stimme, und da auf dieſe Art der erſte Dichter
der Deutſchen mit dem erſten Komponiſten Deutſchlands ) vereinigt
war, ſo erwarteten die zahlreichen Verehrer Goethes und Reichardts
von der mimiſchen Darſtellung einen vorzüglich ſchönen Effekt, und
das feinere und gebildetere Publikum Berlins war daher an dieſem
Tage im Theater verſammelt. Man hatte die Verſe, da die Schau-
ſpieler ſie bekanntlich nicht ſprechen können, in gelungene Proſa auf⸗
gelöſt, aber das Ganze ſchlecht in Szene geſetzt. Weder Lucinde noch
Rugantino waren imſtande ihre Rollen richtig aufzufaſſen und be⸗
gingen Verſtöße über Verſtöße; nur die Unzelmann ſpielte gut, war
aber in den letzten beiden Akten unwohl. Auch die Dekorationen
waren mangelhaft.“
Vervollſtändigt wird dieſe Kritik durch eine wichtige, bisher un—
beachtet gebliebene Aufzeichnung des vorzüglichen Muſikers Karl
von Dittersdorf, die ſpäter in ſeiner Selbſtbiographie veröffentlicht
worden iſt:
„Reichardt hatte zu der bevorſtehenden Feierlichkeit die Claudine von Villa
Bella', von Göthe, komponirt. Ich hörte gleich eine Probe davon, wozu mir
der berühmte Gelehrte, Herr Profeſſor Engel ?), welcher Direktor des deutſchen
Theaters in Geſellſchaft Rammlers war, Gelegenheit verſchaffte. Die Muſik
war wirklich charmant. Während der Probe ſetzte ſich Engel zu mir ins Parterre
und folgendes Geſpräch begann unter uns, deſſen Mittheilung in gewiſſer Hin⸗
ſicht nicht ohne Intereſſe ſein dürfte.
Engel. Iſt Ihnen dieſes Stück ſchon bekannt?
Ich. Ich habe es eben geſtern von Reichardt erhalten und heute durchgeleſen.
Engel. Wenn Sie doch ſich die Mühe nehmen wollten, eine Muſik dazu
zu machen.
Ich. Das werde ich nie thun.
Engel. Warum nicht?
1) Der Kritiker dachte augenſcheinlich nicht daran, daß hinter den ſchwarz⸗
gelben Grenzpfählen Haydn und Mozart in friſcheſter Kraft wirkten. — Aus
Reichardts Claudine' habe ich im 31. Bande der Schriften der Goethe-Geſell⸗
ſchaft' unter Nr. 19 eine von Goethe ſelbſt gerühmte, ſehr geſchickt entworfene
Szene veröffentlicht. Der größere Teil des Singſpiels aber iſt ſchwach und melo⸗
diearm, und durch Reichardts Kompoſition iſt Goethes Wunſch, daß zu ſeinen
Werken „die Muſik hinzukäme, um den ganzen Begriff auszudrücken, den der
Dichter ſich vorſtellte“, nicht erfüllt worden.
) Der bekannte Philoſoph Johann Jakob Engel.
54 Abhandlungen
Ich. Aus mehreren Urſachen.
Engel. So? Wollen Sie nicht die Güte haben, ſich näher zu erklären?
Ich. Eine will ich Ihnen wohl ſagen, aber die anderen behalte ich in petto.
Ich ſchreibe nicht gern Jemanden nach, am wenigſten einem ſo renommirten
Manne wie Herrn Reichardt. Solche muſikaliſche Turniere ſind nicht nach mei⸗
nem Geſchmack, und ich ambire niemals irgend einen Komponiſten aus dem
Sattel werfen zu wollen.
Engel. Ihre Beſcheidenheit iſt lobenswürdig; aber das Publikum verliert
dabei offenbar.
Ich. Bei dieſem Stücke hier verliert das Publikum nichts; denn ich ſetze
voraus, daß meine Muſik nicht gefallen würde, und mir iſt es wahrhaftig um
5 ee und um die herrliche Muſik leid, die Herr Reichardt dabei verſchwen⸗
et hat.
Engel. Wäre etwa das Orcheſter — — — ?.
Ich. Behüte! Nein. Sie tun alle ihre Schuldigkeit.
Engel. Oder ſind es die Sänger?
Ich. Noch viel weniger.
Engel. Nun! — So kann es nichts anders fein, als Reichardts Muſik ſelbſt,
die Ihnen nicht gefällt, Sie mögen nun ſagen, was Sie wollen.
Ich. Bitte um Vergebung! Die Muſik, ich wiederhole es Ihnen, iſt ſo ſchön,
daß ich ihren Verfaſſer, wenn es anders meiner Denkungsart möglich wäre,
darum beneiden könnte.
Engel. Sollte etwa die Schuld gar auf den Dichter fallen?
Ich. (zuckte die Achſel).
Engel. Ey! Ey! — Ich glaube doch mich ſo etwas auf Dramaturgie zu
verſtehen, und habe ſeither noch keinen Fehler darin entdeckt. Vielleicht ſind
Sie ſcharfſichtiger, als ich. Sagen Sie mir doch gefällig, ob Sie einen gefunden
aben. a
Ich. Ich wünſchte, daß alle Stücke, die ich geſchrieben habe und vielleicht
noch ſchreiben werde, ſo rein wären, als dieſes iſt.
Engel. Nun, das iſt mir zu hoch. Sie loben Poeſie und Muſik; finden
weder an den Sängern noch an dem Orcheſter etwas auszuſtellen und ſcheinen
doch keinen guten Erfolg prophezeien zu wollen!
Ich. Leider! — Belieben Sie mir aber meinen Beweis wenigſtens ſo lange
zu erlaſſen, bis meine Prophezeiung eingetroffen ſein wird.“
Daß Dittersdorf letzten Endes doch der Dichtung die Schuld an |
dem Mißerfolg gibt, ſcheint mir zwiſchen den Zeilen zu ſtehen.
In der Berliner Staatsbibliothek werden zwei Exemplare der
Partituren von Reichardts Werk aufbewahrt: eine Kopiſtenabſchrift
in drei dickleibigen Bänden, außerdem aber das von Reichardt bei
den Berliner Aufführungen benutzte Handexemplar. In dieſem fand
ich zu meinem Erſtaunen nicht nur ſtarke Abweichungen von dem
gedruckten Goetheſchen Texte, ſondern noch nie gedruckte Verſe zu
eingelegten Arien Claudinens und Rugantinos. Der bequemeren
Uberſicht halber laſſe ich hier beide Lesarten nebeneinander folgen.
.
* 2 A
En
3
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— 2 N
Varianten zu Claudine von Villa Bella' 55
Goethes gedruckte Faſſung
(1788):
Alonzo:
Das haſt du wohl bereitet;
Verdienſt den beſten Lohn!
Bekränzet und begleitet,
Naht ſich Claudine ſchon.
Heut' bin ich zu beneiden,
Wie's kaum ſich denken läßt!
Ein Feſt der Vaterfreuden
Iſt wohl das ſchönſte Feſt.
Lucinde:
Ihr habt mir wohl vertrauet,
Ich habe nicht geprahlt;
Herr Onkel, ſchaut nur, ſchauet,
Hier iſt, was ihr befahlt.
Ihr habt nicht mehr getrieben,
Als ich mich ſelber trieb;
Ihr könnt die Tochter lieben,
Mir iſt die Nichte lieb.
(Zu Zwei.)
Alonzo:
Heut' bin ich zu beneiden,
Wie's kaum ſich denken läßt!
Lucinde:
Heut ſeid ihr zu beneiden,
Wie ſich's empfinden läßt.
Alonzo und Lucinde:
Ein Feſt der Vaterfreuden
Iſt wohl das größte Feſt.
Pedro (kommt):
Gewiß, ich will nicht fehlen,
Ich hab' es wohl bedacht!
Von Gold und von Juwelen
Habt ihr genug gebracht.
Die Blumen in dem Garten,
Sie waren mir zu ſtolz;
Die zärteſten zu wählen,
Ging ich durch Wieſ' und Holz.
Handſchriftliche Lesart der
Partitur Johann Friedrich
Reichardts (1788):
Sieh her, wie zierlich alles
Den ſchönen Tag geſchmückt;
Wie lieblich und wie glänzend,
Die [Wie?] alles Volk beglückt!
Alles ſei heut' vergeſſen,
Was uns ſo lang gedrückt,
Mein Glück iſt unermeſſen,
Seh' ich dies Paar beglückt!
Auch ich war hier nicht läſſig,
Ich wand die Kränze früh;
Gefallen dir die Tänze,
So dank' es meiner Müh'.
Die Schweſter liebt ich immer,
Doch nie empfand ich's ſo,
Ach, ſollt ich ſie verlieren,
Nie würd' ich wieder froh.
Alles ſei heut' vergeſſen,
Was uns ſo lang gedrückt.
Mein Glück iſt unermeſſen,
{ Seh’ ich dies Paar beglückt.
Vergönnt, daß ich mich nahe,
Ich muß fie kommen ſeh'n;
Sie ahnet nicht, die Holde,
Wohin die Schritte geh'n.
Bewegt ſtand ich von weitem,
Sah ihrer Rührung zu;
Ach, daß kein wahres Leiden
Betrüb die ſchöne Ruh.
56 Abhandlungen
(Zu Drei.)
Alonzo:
Heut’ bin ich zu beneiden.
Luecinde (zu Pedro):
Heut' iſt er zu beneiden.
Pedro (zu Alonzo):
Heut' ſeid ihr zu beneiden.
Alonzo, Lucinde, Pedro:
Wie ſich's nicht ſagen läßt!
Ein Feſt der Vaterfreuden
Iſt wohl das größte Feſt.
Fröhlicher,
Seliger,
Herrlicher Tag!
Gabſt uns Claudinen,
Biſt uns ſo glücklich,
Uns wieder erſchienen,
Fröhlicher,
Seliger,
Herrlicher Tag!
Ein Kind:
Sieh, es erſcheinen
Alle die Kleinen;
Mädchen und Bübchen
Kommen, o Liebchen,
Binden mit Bändern
Und Kränzen dich an.
Alle (außer Claudinen):
Nimm ſie, die herzlichen
Gaben, ſie an.
Alonzo:
Nur von dem Deinen
Bring' ich die Gabe:
Denn was ich habe,
Das all iſt dein.
Nimm dieſe Kleider,
Nimm die Gefäße,
Nimm die Juwelen,
Und bleibe mein.
Alle (außer Claudinen):
Sieh, wie des Tages wir
All' uns erfreun!
Alles ſei heut' vergeſſen,
Was uns ſo lang gedrückt.
Mein Glück iſt unermeſſen,
Geh’ ich dies Paar beglückt.
Wonne dir,
Segen dir,
Herrliche Braut!
Rein wie die Lilje,
Schön wie die Roſe
Vom Morgen bethaut,
Wonne dir,
Segen dir,
Herrliche Braut!
Du gabſt uns Freuden,
Du gabſt uns Spiele;
Sieh dieſe Körbchen,
Bänder und Spitzen
Bereiteten wir,
Gelehret von dir
Freu dich der Liebe,
Die alle dir weihn.
Ja, deine Tugend
Ehren wir alle,
Wie deine Jugend,
So bleibe beglückt.
Freu dich der Triebe
Edlerer Liebe
Freu' dich der Wonne
Geliebt zu ſein.
Freu dich der Wonne
Geliebt zu ſein.
N Lucinde:
DER | Roſen und Nelken
Zieren den Schleier,
Den ich zur Feier
Heute dir reiche.
Blühen erſt werden ſie,
Wenn er dich ſchmückt.
Wenn du des Tages dich
Wandelnd vergnügteſt,
Wenn du in Träumen
Die Nächte dich wiegteſt,
Hab' ich mit eigner
Hand ihn geſtickt.
Alle (außer Claudinen):
Nimm ihn und trag ihn
Und bleibe beglückt.
Pedro:
Blumen der Wieſe,
Dürfen auch dieſe
Hoffen und wähnen?
Ach, es ſind Tränen —
Noch ſind die Tränen
Des Taues daran.
Alle (außer Claudinen):
Nimm ſie, die herzlichen
Gaben, ſie an.
Claudine:
Tränen und Schweigen
Mögen euch zeigen,
Wie ich ſo fröhlich
Fühle, ſo ſelig
Alles, was alles
Ihr für mich getan.
Alle (außer Claudinen):
Nimm ſie, die Gaben,
Die herzlichen, an.
Claudine
(ihren Vater umarmend):
Könnt' ich mein Leben,
Vater, dir geben!
(zu Lucinden und den übrigen):
Varianten zu Claudine von Villa Bella’
Wie ich dich liebe,
Fühlt deine Seele
Wie ich dir danke,
Sagt keine Rede.
Deut' es dies Bildnis dir
Liebevoll an,
Sann ich der Wonne nach,
Wie du mich liebteſt
Sah ich den Glücklichen,
Wie er dich liebte,
O, dann genoß ich dein
Künftiges Glück.
Nimm es und trag es
Und ſieh ihn beglückt.
Darf ich mich nahen,
Darf ich ſie faſſen,
Halten und küſſen!
Noch miſchen Thränen,
Noch miſchen Thränen
In unſ're Jubel ſich.
Freu dich der Liebe,
Die ſie dir geweiht!
Thränen der Freude,
Thränen des Dankes
Füllen das Auge,
Engen den Buſen,
Alles, ach alles
Fühlt dies Herz ſo ganz.
Sieh, wie ſich alle
Der Liebe erfreu'n.
Könnt' ich mein Leben,
Vater, dir geben!
57
58 Abhandlungen
Könnt’ ich ohn' Schranken
Allen euch danken!
(Sie wendet ſich ſchüchtern zu Pedro):
Könnt' ich —
(Sie hält an, die Muſik macht eine
Pauſe, der Geſang fällt ein.)
Alle:
Fröhlicher,
Seliger,
Herrlicher Tag!
Claudine:
(Sie beſieht unter dem Ritornell die
Geſchenke, und tritt zuletzt mit Pedros
Strauß, den ſie die ganze Zeit in der
Hand gehalten, hervor.)
Alle Freuden, alle Gaben,
Die mir heut' gehuldigt haben,
Sind nicht dieſe Blumen wert.
Ehr' und Liebe von allen Seiten,
Kleider, Schmuck und Koſtbarkei⸗
ten,
Alles, was mein Herz begehrt;
Aber alle dieſe Gaben
Sind nicht dieſe Blumen wert.
Könnt' ich ohn' Schranken
Allen euch danken!
Könnt' ich —
Wonne dir,
Segen dir,
Herrliche Braut!
Darf ich endlich ganz mich freuen,
Dir mein ganzes Leben weihen,
Der mir lang' der Liebſte war,
Sieh im Blick ſein holdes Lächeln,
Stirne, Haar ſo ſanft gelocket;
Alles ſtellt dies Bild mir dar,
Ja, ich will mich ſeiner freuen,
Der mir lang' der Liebſte war.
Claudine:
Liebe ſchwärmt auf allen Wegen;
Treue wohnt für ſich allein.
Liebe kommt euch raſch entgegen;
Aufgeſucht will Treue ſein.
Liebe hebt mit Macht die Seelen,
Treue nur gibt ſtilles Glück.
Liebe wird den Kampf beſeelen,
Treue bringt ihn mir zurück.
NB. In Reichardts Partitur find die letzten vier Verſe Claudinens:
„Liebe ſchwärmt auf allen Wegen“, in den zweiten Akt verlegt, und
zwar zugleich mit der rechts abgedruckten Lesart: „Liebe hebt mit
Macht die Seelen“. — Im erſten Akt ſteht bei Reichardt an Stelle
von „Liebe ſchwärmt auf allen Wegen“ ein neues, in Goethes Druck
nicht vorhandenes Gedicht:
Süßes Glück wär uns verliehen,
Liebesketten abzuſtreifen,
Wenn uns Schmerz und Qual ergreifen,
Uns zu retten vor der Pein.
es
Varianten zu Claudine von Villa Bella 59
Aber nein, wir müſſen glühen,
Sehnſucht zieht das Herz zuſammen,
Ja wir lieben dieſe Flammen,
Senken willig uns hinein.
Und nach der bekannten Arie: „Mit Mädeln ſich vertragen“, findet
ſich in der Partitur noch eine längere Arie Rugantinos mit den eben-
falls nicht gedruckten Verſen:
Wie lieb' ich die Schöne,
Wie feſſelt ſie mich!
Mit ſtrenger Gewalt
Beherrſchet mich Amor.
Kann ich nicht bald
An dieſen Buſen ſie drücken,
O ſo zerſtöret
Ein inneres Feuer die Bruſt.
Meiner Meinung nach wird durch die Umgeſtaltung verſucht, den
Stil der gedruckten Faſſung, der ganz überwiegend Seeliſches in ſinn⸗
licher Gegenſtändlichkeit plaſtiſch ausdrückt, ins rein Lyriſch-Emp⸗
findſame aufzulöſen und dadurch für die Kompoſition geeigneter zu
machen. In einigen, nicht häufigen Fällen bedeutet die neue Form
eine Verbeſſerung, ſo z. B. gleich am Anfang bei den Verſen Pedros:
„Vergönnt, daß ich mich nahe.“
Es entſteht nunmehr die Frage, ob Reichardt es gewagt hat, ſelbſt
Anderungen vorzunehmen, oder ob die Varianten und neuen Verſe
von Goethe ſtammen.
Nicht lange vor der Aufführung war Reichardt nach Weimar ge-
reiſt, ſeine Briefe, welche ſich auf die Kompoſition der Claudine' be⸗
ziehen, ſind aber leider verloren gegangen, und drei Antworten Goethes
bieten keine genügende Aufklärung. Am 15. Juni 1789 wünſcht der
Dichter „zur bevorſtehenden Aufführung Claudinens' das beſte Glück;
und fährt fort: „daß Sie meine Jamben vor der proſaiſchen Fäul⸗
nis verwahrt haben, iſt mir ſehr angenehm.“ Vierzehn Tage ſpäter
aber ſchreibt er dem Komponiſten die etwas rätſelhaften Worte: „Glück
zu Claudinen'. Die Arie iſt zu dem Endzweck!) recht gut, ich getraue
mir nicht, da die Worte ſehr bedeutend ſind, andre unterzulegen.“
Welche Arie mag der Dichter gemeint haben? Er dachte wohl nur
an eines der beiden zuletzt ſtehenden Gedichte: „Süßes Glück wär
uns verliehen“ oder „Wie lieb ich die Schöne“, — Verſe, die dem⸗
nach Reichardt zuzuſprechen ſind. Bei den übrigen rechts gedruckten
handſchriftlichen Lesarten der Reichardtſchen Partitur ſcheint es je⸗
doch zweifelhaft, ob Reichardt oder Goethe ſelbſt ihr Autor iſt. Durch
bloße äſthetiſche Beurteilung wird man ſo heikle Fragen ſchwer zu
entſcheiden vermögen, denn Goethe war gerade bei den Dichtungen
1) Ergänze: der Kompoſition.
60 Abhandlungen Br
für Singſpiele bekanntlich läſſiger als ſonſt irgendwo, und er hat
gar manche leere Textverſe, gelegentlich ſogar pure Reimereien nicht
geſcheut. Für ſeine Singſpieldichtungen war es verhängnisvoll, daß
er in der Jugend ſo bedenkliche Muſter kennen gelernt hatte, wie
die am Eingang erwähnten André-Weiße-Hillerſchen Texte, und
daß er ſpäter in Italien merkte, an wie plattem Zeug die Hörer bei
Operetten Gefallen fanden. Bezeichnend dafür ſind Goethes Be⸗
kenntniſſe in zwei Briefen: an Frau von Stein vom 26. Januar
1788: „Ihr müßt immer denken, daß dieſe Stücke geſpielt und ge⸗
ſungen werden müſſen, zum Leſen, auch zum bloßen Aufführen hätte
man ſie viel beſſer machen können und müſſen,“ und an Reichardt
vom 8. November 1790: „Um fo etwas zu machen, muß man
nach dem edlen Beiſpiel der Italiener alle poetiſche Scheu,
alle poetiſche Scham aufgeben.“ — Daß Goethe dieſe Neben⸗
beſchäftigung ſeiner Muſe trotzdem von Außenſtehenden nicht leicht⸗
fertig abgetan ſehen wollte, mag man aus den folgenden wichti⸗
gen Sätzen aus einem Briefe an Seidel vom 15. März 1788 ent⸗
nehmen: „Was Claudinen' betrifft, ſo fehlen Dir einige Data, das
Stück ganz richtig zu beurteilen. Habe ich eine fette Oper gemacht,
ſo iſt mein Zweck erreicht. Du biſt eben ein proſaiſcher Deutſcher und
meinſt, ein Kunſtwerk müſſe ſich verſchlingen laſſen wie eine Auſter.
Weil Du die Verſe nicht zu leſen verſtehſt, denkſt Du, es ſolle niemand
in Verſen ſchreiben. Wäre dieſe Claudine' komponiert und vorgeſtellt,
wie ſie geſchrieben iſt, ſo ſollteſt Du anders reden. Was Muſikus,
Akteur, Dekorateur dazu tun müſſen, und was es überhaupt heißt: ein
ſolches Ganze von ſeiner Seite anzulegen, daß die übrigen mit⸗
arbeiten und mitwirken können, kann der Leſer nicht hinzutun und
glaubt doch immer, er müſſe es können, weil es geſchrieben oder ge⸗
druckt iſt. Davon mehr, wenn wir uns wiederſehen.“
Die Vorſtellung, als habe Goethe dieſe kleinen Singſpiele nur ſo
aus dem Armel geſchüttelt, wird von ihm ſelbſt in einem Briefe an
Frau von Stein (aus Rom) vom 19. Januar 1788 berichtigt: „Es
iſt ſchwer jo ein Werkchen, nach erkannten Geſetzen, mit Einſicht und
Verſtand und zugleich mit Leichtigkeit und Laune zu machen. Es geht
viel Zeit darüber hin.“
Wie gefährlich es wäre, Goethe die Autorſchaft der Varianten ein⸗
fach abzuſprechen, beweiſt auch das Beiſpiel von Erwin und Elmire;
hier liegt eine Reihe wichtigſter Liedeinlagen vom Jahre 1776 (Werke
38, 69) bekanntlich nur in der handſchriftlich erhaltenen Partitur
der Komponiſtin Herzogin Anna Amalia vor.
Vermochte dieſe kleine Arbeit auch nur wenig poſitive Ergebniſſe
zu bieten, ſo dürfte es doch gelohnt haben, die Goethe-Kenner einmal
mit dieſer Frage zu beſchäftigen. Vielleicht wird ein ſpäterer glück⸗
licher Fund uns der Löſung näher bringen.
Goethes Epigramme Grabſchrift'
und Lähmung'
Ein Beitrag zum Thema: Goethe und Schopenhauer
Von Wilhelm Hertz (Frankfurt am Main)
(Mit einer Tafel)
1
Ende 1919 kam eine Handſchrift von Goethes Epigramm Grab—
ſchrift' in meinen Beſitz. Die Verſe find ohne Überſchrift eigenhändig
mit Tinte in lateiniſchen Buchſtaben auf ein Blatt in Stammbuch⸗
format geſchrieben und lauten buchſtabengetreu:
Als Knabe verſchloſſen und truzzig,
Als Jüngling anmaslich und ſtuzzig,
Als Mann zu Thaten willig,
Als Greis leichtſinnig und grillig!
Auf deinem Grabſtein wird man leſen:
ö Das iſt fürwahr ein Menſch geweſen.
Weimar
d. 9. Jan. Goethe
1814
Die Handſchrift iſt auf einen mit allegoriſcher Malerei umrahm⸗
ten Karton aufgeklebt; unter der Malerei ſteht rechts „Allwina From⸗
mann pinx.“ und links von derſelben Frauenhand „W. Herz inv.
Berlin 1850“.
Wie Allwina Frommann in den Beſitz der Handſchrift gekommen
iſt, läßt ſich nicht mehr feſtſtellen; im Jahre 1850 ſchenkte ſie das
Blatt dem Verlagsbuchhändler Wilhelm Hertz in Berlin, der um
1840 ſeine Lehrzeit in der Frommannſchen Buchhandlung in Jena
verbracht hatte und ſeitdem der Familie Frommann eng befreundet
blieb. Von dieſem iſt es durch Erbgang und Schenkung im Familien⸗
kreiſe in meine Hände gekommen.
Die Verſe ſind zuerſt im zweiten Bande der Cottaſchen Ausgabe
von Goethes Werken 1815 in der damals neu eingerichteten Ab—
teilung Epigrammatiſch' gedruckt. Neu iſt an der Handſchrift zu⸗
nächſt, daß das Gedicht ohne Überſchrift entſtanden iſt. Dieſe iſt alſo
erſt für den Druck rein äußerlich hinzugefügt und für die Erklärung
—
—
62 Abhandlungen
der Verſe nicht zu verwenden. Neu iſt ferner das Datum. Da es fich
um eine Reinſchrift auf einem Stammbuchblatt handelt, iſt das Epi-
gramm wohl vor dieſem Tage entſtanden und zwar, wie ſich aus
dem Folgenden ergibt, vermutlich am 7. und 8. Januar 1814. Damit
iſt endgültig entſchieden, wie aus Stilgründen ſchon bisher anzu⸗
nehmen war, daß das Gedicht nicht mit der Grabſchrift 1774 iden-
tiſch iſt, die Barbara Schultheß in ihrem Verzeichnis Goethiſcher
Dichtungen aufführt (Werke 1, 366; 2, 359; Morris: Der junge
Goethe 6, 512). Neu iſt ſchließlich die, wie ſich zeigen wird, nicht
ganz bedeutungsloſe Tatſache, daß ſich die Handſchrift im Beſitz von
Allwina Frommann befand.
Das Datum iſt der Schlüſſel zu der Entſtehungsgeſchichte des Ge—
dichts. Am 7. Januar 1814 findet ſich nämlich in Goethes Tage⸗
buch die Eintragung: „v. Trebra Neujahrsbetrachtungen.“ Welche
Richtung dieſe Gedanken nahmen, ergibt ſich aus Goethes Brief an
Trebra vom 5/7. Januar 1814, wo das Symbol der Ewigkeit durch
eine ſich in einen Reif abſchließende Schlange zum Gleichnis einer
glücklichen Zeitlichkeit umgedeutet wird, da der Menſch nichts Wün⸗
ſchenswerteres erlangen könne, als durch die Dauer der Zuneigung,
des Vertrauens, der Liebe und der Freundſchaft das Ende des Lebens.
an den Anfang zu ſchließen. f
Solche Neujahrsbetrachtungen verbanden ſich nun mit Goethes
damaliger Tagesarbeit: der Redaktion ſeiner Sprüche in Reimen
und in Proſa mit Hilfe Riemers für die bevorſtehende Neuausgabe
ſeiner Werke. Dieſe Verbindung fand ihren Niederſchlag in neuen
Epigrammen; hierher können wir, außer unſerer Grabſchrift', auch
die Reimſprüche Das Alter' und Die Jahre' rechnen, die Goethe
„zu luſtiger Raumfüllung aus der Taſche des Weltlaufs“ ſeinem
Briefe an Zelter vom 22. Februar anſchloß. Sie ſind auch im erſten
Druck an der erwähnten Stelle unmittelbar neben die Grabſchrift
geſtellt. Überall handelt es ſich hier um Neujahrsbetrachtungen eines
heiteren Weiſen, der das Alter zu fühlen beginnt, über Menſchenart
und Menſchenlos. Während aber die beiden zuletzt genannten Sprüche
Betrachtungen ganz allgemeiner Art enthalten, die ſich teilweiſe an
Verſe des Horaz anſchließen, wird man in der Grabſchrift' nur der
Kennzeichnung des Knabenalters im erſten und des Mannesalters
im dritten Verſe einen derartigen allgemeinen gedanklichen Charakter
beilegen können. Der zweite Vers über das Jünglingsalter und der
vierte Vers über das Greiſenalter zeigen dagegen individuelle Züge,
die den Erlebniſſen des Dichters in den Tagen der Entſtehung des
Gedichtes ihren Urſprung verdanken.
2.
Die Bezeichnung des Greiſenalters als „leichtſinnig und grillig“
wird man nach dem Sprachgebrauch der Gegenwart durch die Worte
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Goethes Epigramme Grabſchrift' und Lähmung' 63
„luſtig und wunderlich“ (vgl. Boucke: Wort und Bedeutung in
Goethes Sprache S. 171) wiedergeben können. Dieſes Bild entſpricht
nicht der allgemeinen Erfahrung und widerſpricht auch dem Inhalt
der beiden anderen Reimſprüche, die nur von den Beſchwerden des
Alters zu melden wiſſen. Die Eigenart unſeres Verſes beruht darauf,
daß ſich in ihm im Gegenſatze zur herkömmlichen Betrachtung des
Alters das eigene Daſeinsgefühl des Dichters in jenen Tagen aus—
ſpricht. Dies beweiſt uns der aufgeräumte, muntere Ton des erwähn—
ten Briefes an Trebra. Gerade während feiner Abfaſſung muß die
Kunde von Blüchers Übergang über den Rhein bei Caub in der Neu—
jahrsnacht nach Weimar gelangt ſein, und im Hinblick darauf ſchreibt
Goethe: „Da wir den Kriegszuſtand gegenwärtig für den natürlichen
und wünſchenswerten halten müſſen, ſo entſchlagen wir uns aller
Sorgen, um frohen Mutes einen glücklichen Erfolg zu genießen.“
Dann erwähnt er den Auszug der Freiwilligen Jäger aus Weimar,
zu denen ſich auch ſein Sohn Auguſt gemeldet hatte, und ſchließt:
„Uns Überſechzigern aber bleibt nichts übrig, als den Frauen ſchön
zu tun, damit fie nicht gar verzweifeln. Wie wollen wir das an-
fangen? Mit den bejahrten ſpiele ich Karte, und die jüngeren lehre
ich irgend etwas. Vivat sequens. Gott erhalte deinen Humor! Ich
habe keine weitere Ambition, als daß man zu mir jagen möge: You
are the merriest undone man in Europe.“ Zu der allgemein auf-
ſteigenden Hoffnung auf endliche Befreiung von dem Elend des
Krieges trat für Goethe noch ein perſönlicher Grund zur Zufrieden—
heit hinzu. Es war ihm nämlich gelungen, einen Befehl des Herzogs
auszuwirken, der ſeinen Sohn in militäriſcher Verwendung in der
Heimat zurückhielt. So wußte er ihn vor Gefahren geſichert und
brauchte auch nicht für längere Zeit auf deſſen ihm gerade damals
unentbehrliche Hilfe in ſeinen geſchäftlichen Angelegenheiten zu ver—
zichten. Er ſah daher beim Jahreswechſel auch in ſeiner nächſten Um-
gebung „nichts als Gutes und Hoffnungsvolles“ (Briefe 24, 79. 83).
Mochten dieſe glücklichen Umſtände im weiteren und im engeren
Kreiſe das Aufkommen heiterer Gefühle begünſtigen, ſo hatten dieſe
ihre eigentliche Wurzel nicht in äußeren Verhältniſſen, ſondern vor⸗
nehmlich im innern Erleben des Dichters. Von ſeiner Stimmung in
jenen Tagen unterrichtet uns ein Brief des Jenaer Profeſſors der
Medizin Kieſer vom 18. Januar, der über einen Beſuch im Weima⸗
rer Goethe⸗Haus berichtet: „Unſer Goethe gefällt mir gar nicht. Er
war geſtern abend wieder ſo bewegt, ſo feierlich, ſo weich, daß mir
himmelangſt wurde. Er ſuchte alle alten Kupferſtiche zuſammen —
um ſich Geſchäfte zu machen, iſt ſehr heiter, aber auf ſo eigne Weiſe.
Ich fürchte ſehr für fein Leben“ (Erinnerungen und Leben der Ma-
lerin Louiſe Seidler, Berlin 1874, S. 136).
„Sehr heiter, aber auf ſo eigne Weiſe“ iſt nur ein anderer Aus⸗
druck für „luſtig und wunderlich“, „leichtſinnig und grillig“. Kein
64 Abhandlungen
Zweifel, der Vers über das Greiſenalter ſpricht das innere, perſn;
liche Erlebnis des Dichters, ſeinen Seelenzuſtand in dieſen Tagen
aus. Es iſt das erſte Divan⸗Jahr mit ſeinem geſteigerten Lebensge⸗
fühl, das hier in innerer Gärung ſeinen Anfang nimmt, das Morgen⸗
rot der „temporären Verjüngung“, der „wiederholten Pubertät“, von
der Goethe im Rückblick auf jene Zeit berichtet (Geſpräche 3, 495f.).
So ſchlägt unſer Vers die Stimmung des Divans' an; er bildet |
einen Auftakt, einen Vorſpruch zu deſſen Liedern. |
2
Der zweite Vers: „Als Jüngling anmaßlich und ſtutzig“ (= eigen⸗
ſinnig, widerſpenſtig) ſcheint auf den erſten Blick ganz in das Gebiet
der allgemeinen Betrachtungen des alternden Dichters zu fallen, der
ſo oft über die „Anmaßung der Jugend“ lächelt und ſchilt; das
Datum der Grabſchrift' leitet uns indeſſen auch hier zu einem per⸗
ſönlichen Erlebnis in den Tagen der Entſtehung des Gedichtes, das
dem Verſe zugrunde liegt.
Zu dieſem Erlebnis führte der Unterricht in der Farbenlehre, den
Goethe ſeit dem 7. November 1813 den Winter hindurch dem damals
ſoeben bei ſeiner Mutter in Weimar eingetroffenen fünfundzwanzig⸗
jährigen Arthur Schopenhauer erteilte. Im Verlaufe dieſes Lehrgangs
empfing Schopenhauer in den Morgenſtunden des 8. Januar 1814,
alſo am Tage vor unſerer Reinſchrift der Grabſchrift', von Goethe
die briefliche Aufforderung, ſich noch an demſelben Vormittag in
deſſen Hauſe zu optiſchen Verſuchen einzufinden. Schopenhauer iſt
dieſer Einladung gefolgt. Goethes Tagebuch, das vom 7. November
1813 bis 15. Mai 1814 eine Reihe von Zuſammenkünften mit
Schopenhauer verzeichnet, enthält zwar keinen entſprechenden Ver⸗
merk für dieſen Tag; darin liegt indeſſen kein negativer Beweis, da
Goethe die Eintragung ſolcher fortlaufenden Beſuche, wie bekannt,
auch ſonſt gelegentlich verabſäumte. Auch leuchtet ohne weiteres ein,
daß der Schüler bei ſeiner ausgeſprochenen Verehrung für den Mei⸗
ſter ſchwerlich eine Abſage erteilt haben wird. Überdies bietet ein
Brief Schopenhauers, der freilich undatiert iſt, einen poſitiven An⸗
halt für die Zuſammenkunft am 8. Januar. In dieſem Briefe fragt
Schopenhauer an, ob er dieſen Abend aufwarten dürfe, um Goethe
zu ſagen, wie es ihm „ſeit jenem lehrreichen Morgen mit der wieder
vorgenommenen Farbenlehre“ gehe (S. W. 6, 186. 217). Dieſes
Schreiben befindet ſich laut Auskunft des Goethe-Schiller- Archivs
unter den nach der Reihenfolge des Abſendungsdatums geordneten
Briefen an Goethe zwiſchen einem Schreiben von Eichſtädt, Jena
den 15. Januar, und einem Schreiben von Rehfues, Stuttgart den
1) S. W. = Schopenhauers ſämtl. Werke herausg. v. Ed. Grieſebach (Reclam)
2. Abdruck 18927.
Goethes Epigramme Grabſchrift' und Lähmung’ 65
15. Januar. Hiernach iſt anzunehmen, daß es gleichfalls im Januar
1814 geſchrieben iſt. Dies ergibt ſich auch daraus, daß im Dezember
1813 die letzte Zuſammenkunft am 18. ſtattfand. Der neue Beſuch an
jenem lehrreichen Morgen“ vom 8. Januar gab dann Schopenhauer
Veranlaſſung, die Farbenlehre nach den dreiwöchigen Weihnachtsferien
wieder vorzunehmen. Die neue briefliche Anmeldung muß alſo einen
der beiden weiteren Januarbeſuche vom 13. oder vom 26. betreffen,
die nachmittags ſtattfanden. Am 13. konnte aber Schopenhauer nicht
wohl den kurz zuvor erfolgten Beſuch vom 8. als „jenen lehrreichen
Morgen“ bezeichnen. Um ſo beſſer paßt der Ausdruck, wenn der Brief
am 26. geſchrieben iſt und nun, über den letzten Nachmittagsbeſuch
vom 13. hinweg, auf „jenen“ Morgenbeſuch vom 8. Bezug nimmt.
Mit der Datierung vom 26. Januar ſtimmt auch die Einordnung
des Schreibens in die Reihe der eingegangenen Briefe überein, da
es ja mangels eines Abſendungsdatums dort verbleiben mußte, wo
es bei ſeinem Eingang lag, nämlich vor dem etwa um dieſe Zeit aus
Stuttgart angelangten Briefe vom 15. Januar.
Iſt hiernach nicht zu bezweifeln, daß Goethe am 8. Januar den
jungen Schopenhauer in der Farbenlehre unterwies, und ſteht weiter
feſt, daß er am 9. Januar den Vers „Als Jüngling anmaßlich und
ſtutzig“ niederſchrieb, jo ergibt ſich die Frage, ob zwiſchen dieſen bei-
den Tatſachen neben dem zeitlichen ein urſächlicher Zuſammenhang
beſteht, ob dem Dichter am 8. Januar der Schüler als Repräſentant
der anmaßenden Jugend erſchien.
5 4.
Goethes Tag- und Jahres⸗Hefte 1816 ſtellen in wohlwollendem
Tone feſt, daß ſich nach anfänglicher Ubereinſtimmung eine Scheidung
beider Männer wegen widerſprechender Anſichten in der Farbenlehre
ſchließlich nicht vermeiden ließ. Der Bericht iſt indeſſen für unſere
Frage nicht verwendbar, weil er die Monate perſönlichen Umgangs
im Weimarer Winter 1813/14 und die ſpätere Zeit des brieflichen
Verkehrs nach Schopenhauers Überfiedelung nach Dresden in den
Jahren 1815 und 16 zuſammenzieht, ſo daß nicht erſichtlich iſt, in
welchem Zeitpunkte der Widerſtreit der Meinungen zuerſt aufgetreten
iſt. Einen beſtimmten Aufſchluß darüber gibt uns aber Schopen⸗
hauer ſelbſt.
Dieſer hatte in Dresden alsbald im Verfolg der in Weimar emp⸗
fangenen Anregungen die Schrift Über das Sehn und die Farben
verfaßt, die 1816 in erſter, 1854 in zweiter Auflage erſchien. In
dieſer zweiten Auflage findet ſich folgender, in der erſten Auflage feh⸗
lende Satz: „Bloß in zwei Punkten nötigt mich meine Theorie, von
Goethen abzuweichen, nämlich im Betreff der wahren Polarität der
Farben und hinſichtlich der Herſtellung des Weißen aus Farben,
welch letztere Goethe mir nie verziehen, jedoch auch nie, weder münd⸗
VIII 5
66 Abhandlungen
lich noch brieflich, nur irgendein Argument dagegen vorgebracht
hat“ (S. W. 6, 99). Schopenhauer verlegt alſo hier ſeinen Wider⸗
ipruch gegen Goethes Leugnung der Herſtellung des Weißen aus
bunten Farben, der deſſen Zorn hervorgerufen habe, bereits in die
Zeit des mündlichen Verkehrs. Ebenſo iſt der andere Streitpunkt
ſchon in dem winterlichen Lehrgang mündlich zur Sprache gekommen.
Schopenhauer ſchreibt darüber am 11. November 1815 an Goethe:
„Der zweite Widerſpruch iſt, daß nur der phyſiologiſche Gegenſatz,
nicht der phyſiſche, ein polarer ſei. Ich erinnere mich, dieſes Ew.
Exzellenz ſchon in Weimar mündlich vorgetragen zu haben“ (S. W.
6, 227). Nach dieſen Zeugniſſen hat alſo Schopenhauer ſchon bei dem
perſönlichen Unterricht im Winter 1813/14 die in feiner optiſchen
Abhandlung aufgeſtellten Widerſprüche gegen Goethes Farbenlehre
vorgebracht, und die Frage nach dem urſächlichen Zuſammenhang
zwiſchen Schopenhauers Auftreten gegen Goethe am 8. Januar und
Goethes gleichzeitigem Urteil über die anmaßende und eigenſinnig
widerſtrebende Jugend iſt demnach zu bejahen: als Goethe unſeren
Vers niederſchrieb, erſchien ihm das Jünglingsalter unter dem Bilde
ſeines beſſer wiſſenden Schülers.
5.
Dieſes Ergebnis wird durch einen auffälligen Parallelismus be⸗
ſtätigt. Wir ſtellten feſt: Am 8. Januar Beſuch Schopenhauers bei
Goethe, am 9. Januar Reinſchrift des Verſes: „Als Jüngling an⸗
maßlich und ſtutzig.“ Schreiten wir vier Tage weiter, ſo finden wir:
Am 13. Januar Beſuch Schopenhauers bei Goethe, am 14. Januar
Reinſchrift folgender Verſe: g
Was Gutes zu denken, wäre gut,
Fänd' ſich nur immer das gleiche Blut;
Dein Gutgedachtes, in fremden Adern,
Wird ſogleich mit dir ſelber hadern.
Dieſe Verſe ſprechen die Erfahrung aus, daß nur ein gleichgearteter
Geiſt eine Lehre rein aufzunehmen vermag, daß aber im anderen
Falle durch einen naturnotwendigen Prozeß das Überlieferte im Geiſte
des Hörers nach deſſen eigenen Geſetzen alsbald gemodelt und umge⸗
ſchmolzen wird, bis es ſich ſchließlich als neue Lehre feindlich gegen
den eigenen Urheber richtet. Sie ſind alſo deutlich einem Verhältnis
entnommen, wie es ſich damals zwiſchen Goethe und ſeinem eigen⸗
willigen und durch und durch originalen Schüler ausgebildet hatte.
Man wird demnach geneigt ſein, auch dieſes Epigramm wegen feines
Entſtehungstages und wegen ſeines Inhalts auf Schopenhauer zu be⸗
ziehen. Der Parallelismus zwiſchen beiden Gedichten wird noch ver⸗
ſtärkt, wenn man hinzunimmt, daß ihre Handſchriften ſich beide im
Beige von Allwina Frommann befanden, was auf ein gleiches Schick⸗
ſal und damit auf eine gewiſſe Zuſammengehörigkeit hindeutet.
l
*
Goethes Epigramme Grabſchriſt und Lähmung 67
Die Verſe „Was Gutes zu denken“ uſw. hat nun Goethe im Jahre
1815 unter der gemeinſamen Überſchrift Lähmung' mit folgendem
Reimſpruch veröffentlicht:
Trüge gern noch länger des Lehrers Bürden,
Wenn Schüler nur nicht gleich Lehrer würden.
Es iſt demnach anzunehmen, daß dieſe bei der Veröffentlichung
vereinten Zeilen auch zueinander gehören, daß ſie gleichzeitig und
aus demſelben Anlaß entſtanden find. Der letzte Zweizeiler ſpricht
das Verhältnis zwiſchen Goethe und Schopenhauer unmittelbar aus
und kann nach ſeiner Entſtehungszeit nur durch das Verhalten des
jungen Philoſophen als Schülers veranlaßt ſein.
Die Beziehung der beiden Gedichte Lähmung' auf Schopenhauer
hat man auf Grund einer früheren, die Farbenlehre betreffenden
Außerung Goethes: „Erziehe man ſich nur eine Anzahl Schüler, ſo
erzieht man ſich faſt ebenſoviel Widerſacher“ (Briefe 22, 68) und auf
Grund der erwähnten Darſtellung des Verhältniſſes in den Tag- und
Jahres⸗Heften' ſchon früher vermutet und, nach Bekanntwerden der
Tagebücher ſowie des Entſtehungstages der Verſe, durch die Daten
beſtätigt gefunden. Immerhin bildeten dieſe Gründe für ſich allein
keinen vollgültigen Beweis, und die Richtigkeit der Vermutung wird
daher neuerdings wieder in Zweifel gezogen. Dabei wird indeſſen
nicht beachtet, daß Schopenhauer ſelbſt die beiden Reimſprüche Läh⸗
mung’ auf ſich bezogen hat.
Im Jahre 1853 veröffentlichte nämlich Düntzer den Briefwechſel
zwiſchen Goethe und dem Staatsrat Schultz, der zum überwiegenden
Teil die Farbenlehre zum Gegenſtande hat. Hieraus erſah Schopen⸗
hauer, daß ihn Goethe in einem Briefe an Schultz vom 19. Juli
1816 mit Rückſicht auf die damals ſoeben erſchienene Abhandlung
Über das Sehn und die Farben? geradezu als feinen Gegner bezeich⸗
net hatte. Als er daher im Jahre 1854 die Neuauflage der Abhand⸗
lung redigierte, nahm er rückblickend die Gelegenheit wahr, in die
Einleitung einen Abſchnitt einzuſchieben, worin er der Öffentlichkeit
darlegte, wie es ſich mit ſeiner von Goethe behaupteten Gegnerſchaft
verhalte. Er bekennt ſich darin dankbar als den entſchiedenſten Ver⸗
fechter von Goethes Lehre und erklärt, er ſei nur inſofern über ſeinen
Vorgänger hinaus fortgeſchritten, als er die von dieſem erforſchten
Tatſachen theoretiſch erklärt habe. Er erwähnt darauf ſeine abwei⸗
chende Anſicht in der Herſtellung des Weißen und fährt fort: „Er
jedoch verlangte die unbedingteſte Beiſtimmung und nichts darüber,
noch darunter. Daher er, als ich durch meine Theorie einen weſent⸗
lichen Schritt über ihn hinaus getan hatte, ſeinem Unmut in Epi⸗
grammen Luft machte, wie:
Trüge gern noch länger des Lehrers Bürden,
Wenn Schüler nur nicht gleich Lehrer würden.
5 *
65 Abhandlungen
Darauf zielte auch ſchon das vorhergehende:
Dein Gutgedachtes in fremden Adern,
Wird ſogleich mit dir ſelber hadern.“ (S. W. 6, 19.)
Der Quellenwert von Schopenhauers ſpätem Bericht wird dadurch
nicht beeinträchtigt, daß er die Epigramme ausdrücklich auf ſeine Ab⸗
handlung bezieht, während ſie tatſächlich ſchon früher entſtanden ſind.
Denn da ihm das Entſtehungsdatum nicht bekannt war, konnte er
nicht wiſſen, ob ſie bereits durch ſeinen perſönlichen oder erſt ſpäter
durch ſeinen öffentlichen Widerſpruch veranlaßt waren. Es erhebt
ſich aber die Frage, wie Schopenhauer überhaupt erfuhr, daß die
Verſe ihm galten, da er den Zuſammenhang bei der ganz allgemeinen
Ausdrucksweiſe der Gedichte keinesfalls erraten haben kann. Der ein⸗
zige, der hier einen Einblick in die Werkſtatt des Dichters hatte, iſt
Riemer. Es erſcheint als ſelbſtverſtändlich, daß ihm als Vertrautem
Goethes, als Mitarbeiter an deſſen Farbenlehre, als Mitredaktor der
Epigramme und als Vermittler der Beziehungen Goethes zu Scho⸗
penhauer der Sinn der Verſe nicht verborgen bleiben konnte. Nahe⸗
liegend iſt auch, daß Riemer als vertrauter Freund des Frommann⸗
ſchen Hauſes Allwinen als Beſitzerin der Handſchrift den Kommen⸗
tar dazu geliefert hat. War aber das Geheimnis einmal verraten, ſo
konnte es auch leicht zu den Ohren Schopenhauers, den es doch zu⸗
nächſt anging, vordringen, zumal Allwina Frommann und Adele,
die Schweſter des Philoſophen, nahe Freundinnen waren. Jedenfalls
iſt nicht zu bezweifeln, daß Schopenhauer dieſe Beziehung nicht öffent⸗
lich behauptet haben würde, wenn ſie ihm nicht aus einwandfreier
Quelle bekannt geworden wäre. 5
Die voneinander unabhängigen Unterſuchungen über die Reim⸗
ſprüche Grabſchrift' und Lähmung' führen alſo zu demſelben Er⸗
gebnis: in beiden Gedichten kommt Goethes Urteil über das Verhal⸗
ten des jungen Philoſophen gegen ihn zum Ausdruck. Darüber hin⸗
aus aber beſtätigen unſere Betrachtungen ihre Ergebniſſe gegenſeitig
kraft des aufgedeckten Parallelismus der Entſtehungsgeſchichte der
Epigramme. “)
6
Es bleibt noch übrig, auf das bisher übergangene Epigramm ein⸗
zugehen, das Aber den beiden anderen Reimſprüchen unter der
gemeinſamen Überſchrift Lähmung' eingeſchoben iſt. Es lautet:
1) Ins Kapitel vom „Treppenwitz der Weltgeſchichte“ gehört es, daß Schopen⸗
hauer ſelbſt als Greis in der zumeiſt auf Selbſtbetrachtung beruhenden Abhand⸗
lung Vom Unterſchiede der Lebensalter', unverkennbar im Rückblick auf die
eigene Jugend, den Ausdruck, ſtutziges Benehmen“ vom Jünglingsalter gebraucht
(S. W. 4, 538). Gewiß hat er, dem Goethes Gedichte jo geläufig waren, bei der
Wahl dieſes ungewöhnlichen Wortes, obwohl in Unkenntnis der Beziehung auf
ſeine Perſon, an unſere Grabſchrift' gedacht.
Goethes EpigrammeGrabſchrift und Lähmung 69
Ich wär noch gern ein tätig Mann,
Will aber ruhn:
Denn ich ſoll ja noch immer tun,
Was immer ungern ich getan.
Seine Stellung zeigt an, daß es ebenfalls bei Gelegenheit von
Schopenhauers Unterricht in der Farbenlehre bei dem Dichter entſtan⸗
den iſt. Auch hierüber gibt uns der inhaltreiche Brief vom 11. No⸗
vember 1815 näheren Aufſchluß. Schopenhauer ſchreibt: „Ew. Ex⸗
zellenz ſelbſt gaben mir einmal die Lehre, man müfje ſtets poſitiv
verfahren, ſtets aufbauen und nicht ſich mit dem Niederreißen des
Fremden zu lange aufhalten“ (S. W. 6, 228). Goethes Ausſprüche,
„daß Aufbauen mehr belehrt als Einreißen“ (Werke 251, 89) und
„Es kommt nicht darauf an, daß eingeriſſen, ſondern daß etwas auf⸗
gebaut werde“ (Geſpräche 3, 164), ſowie überhaupt ſeine Lehre von
der produktiven Kritik ſind bekannt genug; hier, im optiſchen Unter⸗
richt, hat er ſie Schopenhauer gegenüber, wie der Zuſammenhang
von deſſen brieflicher Außerung beweiſt, auf ſein Verhältnis zu
Newton angewendet. Er wünſchte ſehnlich: „Wenn wir nur erſt die
Kontrovers los wären, die immer auf oder ab, dem reinen, natür⸗
lichen Vortrag ſchadet“ (Briefe 29, 260). Die Vereinigung unſeres
Spruches mit den beiden Schopenhauer-Epigrammen beweiſt aber,
daß Goethe in dieſen Verſen nicht nur ſeinem Überdruß an dem Fe⸗
derkrieg mit den Anhängern Newtons Ausdruck geben wollte, ſondern
daß er auch aus den Widerſprüchen des gegenwärtigen Schülers im
Geiſte bereits deſſen künftiges Lehrgebäude der Farbenlehre empor⸗
wachſen ſah, und daß er in ſeinem Ingrimm darüber ſich gelobte,
eher ſeine optiſchen Studien ganz aufzugeben, als auch noch den
Kampf gegen den neuen, ſelbſterzeugten Widerſacher aufzunehmen.
Mit dieſem Vorſatze ſtimmt es überein, daß er trotz dem ſtürmiſchen
Drängen Schopenhauers weder im perſönlichen Verkehr noch im Brief-
wechſel deſſen abweichende Meinungen zu widerlegen ſuchte, und daß
er auch in ſeinen ſpäteren einſchlägigen Arbeiten die vermeintliche
Irrlehre mit Stillſchweigen überging.
7.
Die unter der Überſchrift Lähmung vereinigten drei Sprüche des
Unmuts find durch eine wirkliche Begebenheit, durch ein äußeres Er⸗
lebnis veranlaßt; das innere, das Gefühlserlebnis des Dichters ge⸗
winnt aber hier nicht poetiſche Geſtalt; die ärgerliche Erfahrung ver⸗
anlaßt vielmehr Goethe zur Abſtraktion. Das Gedicht gehört zu den
„Reflexionen“; Versmaß und Reim dienen ausſchließlich der äuße⸗
ren Formgebung.
Anders die Grabſchrift. Die Entſtehungszeit und die Einordnung
des Gedichtes in die epigrammatiſche Gruppe neben die Reimſprüche
»Die Jahre und Das Alter beweiſen, daß hier an feine beſtimmte
70 Abhandlungen
Perſon gedacht iſt, daß vielmehr eine der erwähnten „Neujahrsbe⸗
trachtungen“ vorliegt. Gewiß beſtand zunächſt die Abſicht, neben
den beiden Altersſprüchen auch das ganze Leben mit den Vorſtufen
des Alters in Anlehnung an die herkömmlichen Bilder vorzuführen.
Dem entſprechen der erſte und der dritte Vers. An ſich ſelbſt hat dem⸗
nach der Dichter keinesfalls gedacht. Mögen ſich auch die beiden Ein⸗
gangsverſe durch dieſen oder jenen vereinzelten Zug aus dem Leben
des jungen Goethe belegen laſſen: wie wenig ſtimmen ſie doch im
Weſen zu dem eindrucksfähigen Knaben und zu dem die Welt mit
allen Sinnen in ſich hineinſaugenden Jüngling, wie wenig zu dem
frühen Bekenntnis:
Ich war ein Knabe warm und gut,
Als Jüngling hatt' ich friſches Blut.
Auch iſt es wohl kein Zufall, daß es im fünften Verſe nicht heißt:
auf „meinem“, ſondern auf „deinem“ Grabſtein. Die Lebensalter
ſtellen vielmehr Typen dar, wie ſie dem Dichter teils im Leben bei
gelegentlicher Beobachtung, teils in der herkömmlichen Überlieferung
entgegengetreten waren. Dabei nimmt das Jünglingsalter zwiſchen
Erlebtem und Erdachtem eine beſondere Stellung ein. Die unmittel⸗
bare einzelne Beobachtung ſtimmt hier mit dem ſchon vorher vor⸗
handenen Urteil über die anmaßliche Jugend überein, ſo daß ſie ſich
durch die Art, wie Goethe im Beſonderen das Allgemeine ſah, ohne
weiteres mit den Reflexionen des erſten und des dritten Verſes ver⸗
band. Dagegen hat beim vierten Verſe das innere Erlebnis des Dich⸗
ters das in den beiden Schweſter-Gedichten des Jahresbeginns ge⸗
zeichnete Bild des beſchwerlichen Alters verdrängt, und wir leſen an
ſeiner Statt ein Selbſtbekenntnis des ſich verjüngenden Greiſes. Auch
dieſes wird ſymboliſch aufgefaßt und gleicht ſich dadurch dem übri⸗
gen Inhalt des Gedichtes an.
Gelegentlich hat Goethe die Übereinſtimmung ſeiner dichteriſchen
Viſion und eines Modells, an dem die Viſion Geſtalt gewonnen hatte,
dadurch geſteigert, daß er Einzelzüge, die er an einem anderen Modell
beobachtete, mit dem Urbild verſchmolz. So iſt es nicht auffallend,
daß er auch hier eine Erfahrung, die er an Schopenhauer machte,
mit einer an ſich ſelbſt gemachten Erfahrung in demſelben Gedichte
verband. Der Prozeß iſt indeſſen hier keine Verſchmelzung der Bil⸗
der, ſondern ein Erheben der Einzelzüge durch ſymboliſche Anſchau⸗
ung in eine Sphäre, in der ſie ſowohl nebeneinander wie neben den
Reflexionen gleichberechtigt beſtehen. So iſt die Grabſchrift' ein reiz⸗
volles Beiſpiel dafür, wie ſich in Goethes Spruchdichtung perſön⸗
liches Erlebnis und allgemeine Betrachtung ununterſcheidbar inein⸗
ander verweben, ſo daß ſich aus den verſchiedenartigſten Beſtandteilen
ein lebensvolles Ganzes geſtaltet.
a
Goethe und die Reitkunſt
Eine Skizze von Hermann B. Müller (Leipzig)
„ch habe durch Leibesübungen viel gewonnen; ich habe viel von
meiner gewöhnlichen Verlegenheit abgelegt und ſtelle mich ſo
ziemlich dar.“ Dies ſchreibt der jugendfriſche Wilhelm Meiſter in
einem Briefe an ſeinen Freund. Goethe bezeichnet Wilhelm häufig
als ſein eignes „geliebtes dramatiſches Ebenbild“. Auch die ange:
führten Worte ſind gewiß ein Goetheſches Selbſtbekenntnis. All die
vielen, die ſo wie er erfahren haben, wieviel der Menſch durch Leibes⸗
übungen gewinnt, reizt es beim Leſen dieſer Sätze wohl, die Spuren
jenes Großen zu verfolgen und zu ſuchen, in welchem Maße Goethe
mit dem Sport in Beziehungen trat.
Bevor wir Goethe als Knaben, Studenten und Rechtsanwalt, als
Geheimen Legationsrat, Finanzminiſter und Exzellenz ſelbſt in den
Sattel ſteigen ſehen und ſeine Anſchauungen über Roß, Reiter und
Reitkunſt aus Tagebüchern, Briefen und Geſprächen kennenlernen,
wollen wir die Blicke in ſeine ſonſtigen Werke lenken. Sind doch nicht
nur, nach ſeinen eigenen Worten, alle ſeine Gedichte „Gelegenheits⸗
gedichte“, „durch die Wirklichkeit angeregt“, welche „die Veranlaſſung
und den Stoff dazu hergab“, ſondern iſt doch auch in ſeinen Dramen,
Romanen und ſonſtigen Proſawerken der Niederſchlag ſeiner augen⸗
blicklichen Lebensweiſe und ſeiner außerdichteriſchen Tätigkeit wahr⸗
zunehmen. Finden wir Worte z. B. über Ballſpiel, Eislauf, Fecht⸗
kunſt, Bogenſchießen, Schwimmen uſw., ſo können wir ſicher ſein,
daß auch hierfür die Anregung von außen, durch beſondere Erlebniſſe
daheim oder auf Reiſen, durch berufliche Arbeiten, wiſſenſchaftliche
oder Kunſtſtudien gegeben worden iſt.
Von allen Sportarten erwähnt Goethe am häufigſten in ſeinen
Dichtungen die edelſte, die Reitkunſt; denn ſie war es auch, die er
ſelbſt bis ins Alter ausübte. Schäumende jugendliche Reitersluſt atmet
des 23jährigen Capriccio', im Concerto dramatico’ (1772), Var. 3:
Geritten wie Teufel
Berg auf und Berg ab,
Galopp auf Galopp,
Gehn die Hund' nur ein Trab.
1
1
Abhandlungen
Bis Gaul wund am Kreuz is
Der Ritter am Steiß,
Frau Wirtin, ein Bett! Hol'
Der Teufel die Reiſ'!
Im folgenden Jahre, bei der Bearbeitung des Götz von Berlichin—
gen’, wendet Goethe erſtmalig einen Kunſtgriff an, den er ſpäter ähn⸗
lich öfter wiederholte. Um gewiſſe dramatiſche Geſtalten, Helden,
Edelleute uſw. ſchon vor oder ſpäteſtens bei ihrem erſten Auftreten
als ritterlich-ſympathiſche Charaktere erſcheinen zu laſſen und das
Herz des Zuſchauers für ſie voreinzunehmen, läßt er andre Perſonen
über ſie berichten, welche ſie bereits als kühne Reiter auf feurigen
Roſſen bewundert haben, oder er läßt, nicht mehr in der Expoſition,
ſondern in der Handlung ſelbſt, die Helden ſo zeitig wie möglich ihre
Paſſion für Pferde kundtun. So fleht Götzens Bube Georg ange—
ſichts des Bildes eines prächtigen Schimmels zu ſeinem Schutzpatron:
Ach, ein ſchöner Schimmel! Wenn ich einmal ſo einen hätte! .. Heili⸗
ger Georg! Mach mich groß und ſtark, gib mir ſo eine Lanze, Rüſtung und
Pferd, dann laß mir die Drachen kommen!
Ahnlich erfährt die ungeduldig fiebernde Adelheid über den ſoeben,
1 der Szene, eingetroffenen Weislingen:
Er ſaß auf einem Schimmel. Das Pferd ſcheute, wie's an die Brücke kam
„Das Volk freute ſich über des Pferdes Unart ... Mit einer angemeſſenen
Gleichgültigkeit ſaß er droben, und mit Schmeichelei und Drohen brachte er es
endlich zum Tor herein.
Um Egmonts reinen Charakter zu zeichnen und ſeine weitgehende,
tragiſche Sorgloſigkeit noch kurz vor der Kataſtrophe zu were
lichen, läßt Goethe Silva dem Alba melden: |
Den ganzen Tag von einem Pferd aufs andre, lädt Gäfte, iſt immer luſtig
und unterhaltend bei Tafel, würfelt, ſchießt, und ſchleicht nachts zum Liebchen.
Beſſer kann ein argloſes, aber leichtſinnig⸗ausgelaſſenes Reiter⸗
leben nicht geſchildert werden. Egmont bedient ſich übrigens bei der
Erklärung ſeiner politiſchen Anſichten, wie ein Volk regiert werden
müſſe, eines ihm naheliegenden Vergleiches:
Leicht kann der Hirt eine ganze Herde Schafe vor ſich hintreiben; der Stier
zieht ſeinen Pflug ohne Widerſtand; aber dem edlen Pferde, das du reiten willſt,
mußt du ſeine Gedanken ablernen, du mußt nichts Unkluges, nichts unklug von
ihm verlangen.
Egmont ahnt in trügeriſcher Ruhe die nun aufs höchſte zuſammen⸗
gezogene Gefahr ſo wenig, daß er mit den letzten Worten bei ſeiner
Gefangennahme dem Ferdinand ſelbſt, dem Überbringer des kaiſer⸗
lichen Haftbefehles, ſein prächtiges Roß zum Kaufe anbietet, das er
weggeben möchte, da er es ſchon eine Weile befikt; er reitet ſich be⸗
reits ein andres zu, dasſelbe, das Ferdinand auf dem Markte ſah .
bei der Arbeit bewunderte.
2 e
Goethe und die Reitkunſt 73
Dieſelbe edle Sinnesart und der gleiche feurige Jugendmut klingen
aus den Worten, die zu Beginn des erſten Auftritts der Knabe Elpenor
im gleichnamigen Trauerſpiel⸗Fragment (1781) jeiner Mutter Evadne
zuruft: Ein Pferd wird kommen, groß, mutig und ſchnell;
Was ich ſo lang entbehrt, das werd' ich haben,
Und eigen haben. Denn was half es mir?
Bald ritt ich dies, bald das, es war nicht mein,
Und neben her voll Angſt ein alter Diener.
Ich wollte reiten, und er wollte mich geſund
Nach Haufe haben ...
Nein, dieſes Pferd, es wird mein eigen bleiben,
Und ich will reiten, es ſoll eine Luſt ſein.
Ich hoffe, das Tier iſt jung und wild und roh;
Es ſelber zuzureiten wär' mir größte Freude.
Im weiteren Verlauf erſcheint Polymetis als Geſandter ſeines Va—
ters, ihm Ehrengaben zu überreichen und ihn heimzugeleiten. So—
bald Elpenor von den Geſchenken vernimmt, verrät er durch haſtig
hervorgeſtoßene Worte, daß er nur auf Erfüllung jenes einen einzi-
gen Herzenswunſches bedacht iſt:
Elpenor: Sag', iſt's ein ſchönes Pferd, das heut mich tragen ſoll?
Polymetis: Ein Schimmel, lebhaft, fromm und glänzend wie das Licht.
Elpenor: Ein Schimmel, ſagſt du mir! Soll ich mich dir verraten?
Soll ich's geſtehn? Ein Rappe wär' mir lieber.
Ein Pferd von dunkler Farbe greift viel feuriger
Den Boden an. Denn ſoll es je mir wert ſein,
Muß es mit Not nur hinter andern
Gehalten werden, keinen Vormann leiden,
Muß ſetzen, klettern, vor rauſchenden Fahnen,
Vor gefällten Speeren ſich nicht ſcheuen,
Und der Trompete raſch entgegenwiehern.
Als letztes Beiſpiel von Goethes Verwendung des Reitſports zu
den erwähnten Zwecken ſei das Trauerſpiel Die natürliche Tochter’
(1803) angeführt. Der Dichter hatte urſprünglich eine große Trilo-
gie gleichen Namens geplant mit durchlaufender Titelrolle, deren Trä⸗
gerin Eugenie an ihrem Schickſal und jähem Glückswechſel die Folge⸗
erſcheinungen der franzöſiſchen Revolution und Greuel der Pöbel—
herrſchaft verfinnbildlichen ſollte. Zu Beginn des Dramas iſt dem
„König“ noch nicht bekannt, daß Eugenie die natürliche Tochter des
„Herzogs“, ſeines eigenen Oheims iſt; ſie erregte jedoch bereits als
Fremde auf der Jagd ſeine Aufmerkſamkeit; es iſt jene
. . . Amazonentochter,
Die in den Fluß dem Hirſche ſich zuerſt
Auf raſchem Pferde flüchtig nachgeſtürzt.
Der Herzog eröffnet ſeine engen Beziehungen zu ihr dem Könige,
und deſſen Anteilnahme iſt nun doppelt warm. In dieſem Augen⸗
blicke meldet man, die kühne Reiterin ſei ſoeben von einer Felſen⸗
wand herabgeſtürzt; die Hunde hatten den Hirſch tief unten im Tale
geſtellt, Eugenie
74 Abhandlungen
. . nötigt
Ihr Pferd von Klipp' zu Klippe, grad herein.
Am untern ſteilen Abhang gehn dem Pferde
Die letzten, ſchmalen Klippenſtufen aus,
Es ſtürzt herunter, ſie mit ihm.
Doch ſie lebt! Der König hat ihr ritterlich Weſen nun mehr denn je
erkannt und öffnet ihr trotz ihrer verborgenen Geburt die Pforten
ſeines Hofes. Der Wunſch des Vaters nach Anerkennung ſeiner Tochter
iſt ſomit erfüllt; doch befällt ihn angeſichts der neuen Lebensverhält⸗
niſſe ſeiner Tochter ſchwere Furcht, ſein geliebtes Kind zu verlieren:
Geſteh' ich's nur! Wie öfters hat mich ſchon
Dein überkühner Mut, mit dem du dich,
Als wie ans Pferd gewachſen, voll Gefühl
Der doppelten, zentauriſchen Gewalt,
Durch Tal und Berg, durch Fluß und Graben ſchleuderſt,
Wie ſich ein Vogel durch die Lüfte wirft,
Ach öfters mehr geängſtigt als entzückt!
Der Erhöhung folgt denn auch der Sturz auf dem Fuße. Der „Graf“,
legitimer Sohn des Herzogs, will ſich die eingedrungene, erbteilſchmä⸗
lernde Halbſchweſter nicht gefallen laſſen — ſie muß beſeitigt wer⸗
den. Die Verwegenheit ihrer Reitkunſt, die ſie ja ſoeben bewieſen
hat, bietet der Intrigue willkommene Handhabe. Eugenie wird ent⸗
führt und das Gerücht verbreitet, ſie ſei auf dem Ritt zu einem alten
Lehrer vom Felſen geſtürzt und zerſchmettert:
Sie nutzte kühn
Des Morgenrittes abgemeſſne Stunden
Mit ungeheurer Schnelligkeit, zum Zweck,
Den alten, vielgeliebten Mann zu ſehn.
Ein einz'ger Reitknecht nur war im Geheimnis,
Er unterlegt ihr jedesmal das Pferd.
In herben Worten klagt ſich der unglückliche Vater an:
Ich ſollte ſtrafen die Verwegenheit,
Dem Übermut mich ſcheltend widerſetzen,
Verbieten jene Raſerei, die, ſich
Unſterblich, unverwundbar wähnend, blind,
Wetteifernd mit dem Vogel, ſich durch Wald
Und Fluß und Sträucher von dem Felſen ſtürzt
Wohl trag ich ſelbſt die Schuld und trag ſie ſchwer.
Sie überall zu ſehn als Meiſterin,
Das war mein Stolz! Zu teuer büß' ich ihn.
Zu Pferde ſollte ſie, im Wagen ſie,
Die Roſſe bändigend, als Heldin glänzen.
Ins Waſſer tauchend, ſchwimmend, ſchien ſie mir
Den Elementen göttlich zu gebieten.
So, hieß es, kann ſie jeglicher Gefahr
Dereinſt entgehen. Statt ſie zu bewahren
Gibt Übung zur Gefahr den Tod ihr nun.
So oft auf Erden der Rote Tod ein Menſchenleben in ſeine Arme
ſchloß, haben weinende Eltern alſo geklagt!
23
2
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Goethe und die Reitkunſt 75
Aus den Romanen Goethes fällt uns hier jenes freundliche Bild
in den Wanderjahren (1807 ff.) ein: Ein jugendlich ſchlankes Reiter⸗
paar am Waldrande. Felix reicht lächelnd der lieblichen Herſilie einen
prächtigen Strauß leuchtender Feldblumen hinüber, die er ſoeben auf
der abſeits gelegenen Wieſe für ſeine Begleiterin gepflückt hatte; ſeine
Stirn trägt eine weiße Binde; ſein Pferd war beim Sprung über den
Wieſengraben geſtürzt, er hatte eine leichte Kopfwunde davongetra—
gen; Herſelie greift fröhlich nach dem Büſchel blühender Kronen und
bietet ihrem Ritter ein buntes leichtes Halstuch, es gegen die verun—
ſtaltende weiße Stirnbinde zu vertauſchen.
Schließlich werden wir auch nicht an Goethes wiſſenſchaftlichen
Arbeiten vorübergehen, ohne zu beobachten, welche Sorgfalt er dort
auf Fragen der Erziehung zu körperlicher Tüchtigkeit verwendet. In
der Abhandlung zum Divan über „die älteren Perſer“ (1818) meint
Goethe, daß die Parſi⸗Religion leicht zu Beſchaulichkeit und Weich⸗
lichkeit hätte verleiten können, doch wären die Perſer durch ihre Volks⸗
ſitten und ⸗gebräuche davor beſchützt worden:
Das geſchickteſte und heftigſte Reiten war bei ihnen herkömmlich; auch ihre
Spiele, wie das mit Ballen und Schlegel, auf großen Rennbahnen, erhielten
ſie rüſtig, kräftig behend.
Die erſte und klarſte Erkenntnis von den Eigentümlichkeiten des
Orients verdankt Goethe dem Italiener Pietro della Valle; durch ſeine
Beſchreibungen des Orients fand unſer Dichter erſt den beſonderen
Grund und Boden zu feinem Divan'. Über deſſen Erziehung äußert
er ſich, wie folgt:
Sprachſtudien, Grammatik, Red: und Stilkunſt wurden gründlich behandelt
. Waffenübungen zu Fuß und zu Roß, die edle Fecht⸗ und Reitkunſt dienten
ihm zu täglicher Entwickelung körperlicher Kräfte und der damit innig verbun⸗
denen Charakterſtärke.
Schließlich teilt uns Goethe in der Divan-Abhandlung Von Diez’
den Inhalt eines alten, kulturhiſtoriſch wertvollen Buches voller Weis⸗
heiten zur Lebensführung mit, das zum Verfaſſer den hochgebildeten,
betagten König eines kleinaſiatiſchen Stammes hat. Dieſer ſelbſt
war als Kronprinz
aufs ſorgfältigſte zum N tätigſten Leben erzogen worden. Sein Vater
hatte, die körperliche Ausbildung aufs höchſte zu feige ihn einem trefflichen
Pädagogen übergeben. Dieſer brachte den Sohn zurück, geübt in allen ritter⸗
lichen Gewandtheiten: zu ſchießen, zu reiten, reitend zu ſchießen, den Speer zu
werfen, den Schlegel zu führen und damit den Ball aufs geſchickteſte zu treffen.
Ein ganzes Kapitel dieſes merkwürdigen Buches Kabus' handelt
insbeſondere von „Pferdekauf und Kennzeichen der beſten“.
Der Leſer wird ſich vielleicht noch manch andrer Stelle entſinnen,
wo Goethe die Reitkunſt zu beſonderen Zwecken in ſeinen Werken ver⸗
wendet hat, z. B. in den Wahlverwandtſchaften', Wanderjahren',
der Novelle’. Es würde jedoch ermüden, ſie alle anzuführen. Wir
76 Abhandlungen
wollen jetzt vielmehr unterſuchen, welche Rolle ſie in ſeinem eignen
Leben geſpielt hat und wollen Goethe als Reiter kennenlernen.
In Goethes Zeiten, als Reitpferde noch zu den Verkehrsmitteln
zählten, war es eine Forderung praktiſchen Lebens, daß Söhne beſ—
ſerer Stände Reitſtunde erhielten, um zu Pferde „kein ſchülerhaftes
Ausſehen“ zu haben. So ſchickt der alte Herr Rat ſeinen 14jäh⸗
rigen Wolfgang im Herbſt 1763 auf die Frankfurter Reitbahn —
und böſe Stunden hat der Knabe dort verlebt. Der Reitlehrer gab
ihm ſchlechte Pferde; er ſprach wohl dauernd von „Schluß“, erklärte
aber nicht des Wortes höhern Sinn; ſtändig ſtellte er ſeinen Schüler
bloß, verhöhnte ihn gar vor den anderen und kaſſierte für alle kleinen
Fehler Geldſtrafen ein, ſelbſt ſchon, wenn er die Gerte fallen ließ.
Zum Schmieren, wie die andern es wohl taten, ließ Wolfgang ſich
aber nicht herbei. Die modrige, kalte, feuchte oder ſtaubige Reitbahn
war ihm ſo zuwider, daß er „das ganze Geſchäft als höchſt verdrieß⸗
lich empfand, während es doch das luſtigſte von der Welt ſein ſollte“.
Er ſchreibt in Dichtung und Wahrheit' (I, 4):
Der Eindruck von jener Zeit iſt mir ſo lebhaft geblieben, daß, ob ich gleich
nachher leidenſchaftlich und verwegen zu reiten gewohnt war, auch tage: und
wochenlang kaum vom Pferde kam, daß ich bedeckte Reitbahnen ſorgfältig ver⸗
mied und höchſtens wenig Augenblicke darin verweilte.“
Anfang April des folgenden Jahres macht der junge Goethe an⸗
läßlich der Kaiſerkrönung in Frankfurt Studien, wie die hohen Her⸗
ren in ihrer altertümlichen Tracht zu Pferde ſitzen; beſonders gefällt
ihm der preußiſche Geſandte von Plotho, „ein guter Reiter und
fröhlich“.
Nicht ganz ſo elegant, wohl aber ſehr würdig ſtellte ſich der Herr
Profeſſor Chriſtian Fürchtegott Gellert als Reitersmann ihm dar,
ſeit 1765 ſein Univerſitätslehrer in Leipzig, wenn er allmorgendlich
„auf ſeinem zahmen Schimmel“ durchs Roſental ritt. Das Pferd
hatte ihm der Kurfürſt von Sachſen geſchenkt, um ihn „zu einer ſei⸗
ner Geſundheit ſo nötigen Bewegung zu verbinden“. Goethe ſelbſt
ſetzt in Leipzig das Reiten eifrig fort; am 12. Oktober 1767 ſchreibt
er jedoch an ſeine Schweſter Cornelia nach Frankfurt, er habe dem
Reiten gänzlich entſagt und ſich auch ſonſt zurückgezogen; und am
11. November berichtet er brieflich ſeinem Freunde Behriſch, daß
„neulich“ ſein Pferd mit ihm durchgegangen ſei:
Ich konnte es nicht einhalten, ich ſah meinen Tod, wenigſtens einen ſchreck—
lichen Fall vor Augen. Ich wagt' es und ſtürzte mich herunter. Da hatte ich
Herz. Ich bin vielleicht nicht der herzhafteſte, bin nur geboren, in Gefahr
herzhaft zu werden.
Nicht dieſer ſchwere Sturz allein war es, der ihn jetzt zum Auf⸗
geben des Reitens zwang; es erfolgte vielmehr um dieſe Zeit ein all⸗
gemeiner körperlicher Zuſammenbruch, der mancherlei Gründe hatte.
) Vgl. jedoch hierzu den Beſuch in Göttingen, ©. 84f.
Goethe und die Reitkunſt 77
Goethe führt ihn in erſter Linie auf eine Bruſtbänderdehnung zu—
rück, die er ſich bei Flottmachen des ſteckengebliebenen Reiſewagens
auf der Fahrt nach Leipzig im Herbſt 1765 zugezogen hatte; die
Schmerzen waren dann nach ſeinem Sturze mit dem Pferde merklich
gewachſen. Beim Atzen von Kupferplatten hatte er ſich nicht genügend
vor den giftigen Dämpfen der Atzlöſungen geſchützt; dazu trat eine
falſche Diät, das ſchwere Merſeburger Bier, ſein rückſichtsloſes Ein-
ſtürmen auf ſeinen Körper. Tagelang ſchwebte er zwiſchen Leben und
Tod. Ganz allmählich erſt kam er, von ſeinen Freunden aufs liebe—
vollſte gepflegt, wieder zu Kräften, ja, er verabredete ſogar im Som-
mer des Jahres 1768 bereits wieder eine große Reitpartie nach Deſ—
ſau und dem Wörlitzer Park —, aber ſeine alte Geſundheit erlangte
er doch erſt viel ſpäter wieder.
Zwei Jahre brauchte der Schwerkranke, bevor er ſich im Vater—
hauſe zu Frankfurt völlig erholte. Nach ſeiner Geneſung zieht er An-
fang 1770 nach Straßburg zur Vollendung ſeiner juriſtiſchen Stu-
dien. Er betreibt dieſe mit ungleich größerem Ernſte als in Leipzig,
bereitet ſich ſchon im erſten Semeſter bei einem Repetitor aufs Exa⸗
men vor, bringt aber „alle abzumüßigenden Tage und Stunden zu
Pferde und in freier Luft zu“. Reitgenoſſen waren ihm ſeine beiden
Freunde Engelbach und Weyland. Dieſer, ein geborener Elſäſſer,
führte ihn bei Freunden und Verwandten in der Umgebung ein, ſo
auch bei dem Pfarrer Brion in Seſenheim. Wie oft im Laufe der
beiden Jahre hat Goethe jene 35 Kilometer in eilendem Trab oder
ſtürmiſchem Galopp zurückgelegt, ſeit er im Spätſommer 1770 Fries
derike Brion kennengelernt und in ſein Herz geſchloſſen hatte:
Es ſchlug mein Herz: geſchwind zu Pferde!
Und fort, wild, wie ein Held zur Schlacht!
Der Abend wiegte ſchon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Den erſten zweitägigen Reitbeſuch in Seſenheim hatte Goethe einem
unglücklichen Einfall zufolge in der ihn äußerlich arg herabſetzenden
Verkleidung eines ärmlichen Studenten der Theologie unternommen.
Nachdem er den freundlichen Haus wirt und vor allem deſſen liebliche
Tochter kennengelernt hatte, ſchämte er ſich ſeines unpaſſenden Be⸗
truges:
Im Nu war mein Pferd geſattelt, und ich eilte in raſendem Unmut nach
Druſenheim, . den Ort hindurch und immer weiter. Da ich mich in Sicher:
heit glaubte, ritt ich langſamer und fühlte nun erſt, wie unendlich ungern ich
mich entfernte ... und nun beſchloß ich, ſchnell in die Stadt [Straßburg] zu
reiten, mich umzuziehen, ein gutes friſches Pferd zu nehmen; da ich denn wohl
i Er noch vor Tiſche gewiß wieder eintreffen und meine Vergebung
erbitten konnte.
Sechzig Kilometer an einem Vormittage im Sattel — es wäre ihm
nicht darauf angekommen! Er führte den Plan jedoch nicht aus, ſon⸗
78 Abhandlungen
dern borgte ſich vom Wirtsſohn in Druſenheim deſſen Sonntags: f
tracht und kehrte in ihr nach Seſenheim zurück.
Am letzten Unterrichtsmorgen vor den Oſterferien 1771 rief Prof.
Ehrmann ſeinen jungen Freunden im Klinikſaal zu: „Geben Sie
Ihrem Körper Bewegung, durchwandern Sie zu Fuß und zu Pferde
das ſchöne Land!“ Und Goethe bemerkt dazu: ;
Ich glaubte eine Stimme vom Himmel zu hören und eilte, was ich konnte,
ein Pferd zu beſtellen und mich ſauber herauszuputzen. ... Ich kam nicht jo
früh, als ich gehofft hatte. So ſtark ich auch ritt, überfiel mich doch die Nacht.
Der Weg war nicht zu verfehlen und der Mond beleuchtete mein leidenſchaft⸗
liches Unternehmen. Die Nacht war windig und ſchauervoll, ich ſprengte zu,
um nicht bis morgen früh auf ihren Anblick warten zu müſſen.
Doch zögernd nur ſetzte er den Fuß in den Bügel, wenn nach ſelig
genoſſenen Stunden die Trennung nahte:
Sein Pferd ging ziemlich langſam fort,
Und ſeine Seele nicht geſchwinder,
und über den Heimritt berichtet er:
Die Nacht war wahrlich ziemlich düſter,
Mein Falbe ſtolperte wie blind;
Und doch fand ich den Weg ſo gut, als ihn der Küſter
Des Sonntags früh zur Kirche findt.
Wem aber prägt ſich nicht für alle Zeiten unvergänglich ein Bild
ein, ein „Reiters Abſchied“-Bild, wenn er in Dichtung und Wahr⸗
heit’ vom letzten Beſuche in Seſenheim lieſt (Auguſt 1771):
Als ich ihr die Hand noch vom Pferde reichte, ſtanden ihr die Tränen in
den Augen, und mir war übel zu Mute. Nun ritt ich auf dem Fußpfade gegen
Druſenheim, und da überfiel mich eine ſonderbare Ahnung.
Er ſah ſich im Geiſte acht Jahre ſpäter denſelben Weg noch einmal
zurückreiten. Und tatſächlich ſchreibt er am 28. Sept. 1779 an Frau
von Stein, daß er drei Tage vorher die alten Freunde im Pfarrhauſe
beſucht habe!
Doch nicht nur kleine Touren in der Umgebung, ſondern auch
große Reiſen zu Pferde unternahm Goethe zur Ergänzung ſeiner ge⸗
ſchichtlichen und naturwiſſenſchaftlichen Studien und zum Genuſſe
der herrlichen Gegend. Von einer ſolchen berichtet er im 10. Buche
von Dichtung und Wahrheit'; er führte ſie mit den oben erwähnten
Freunden im Juni 1771 aus. Von den fruchtbaren Gefilden des El⸗
ſaß führte der Weg hinauf, an den ſteilen Abhängen der Vogeſen
entlang, hinüber in das rauhe Lothringen, und zurück durch den ge⸗
werbereichen Strich, der dieſes Land von der Pfalz trennt. Es lohnt
der Mühe, dieſe vierhundert Kilometer lange Reittour auf der Karte
zu verfolgen; man wird kaum alle Schönheiten der Natur und die
ſehenswerten Städte Zabern, Pfalzburg, Saargemünd, Saarbrücken,
Reichshofen, Hagenau und — Seſenheim auf geſchicktere Weiſe ver⸗
binden können.
Goethe und die Reitkunſt 79
Trennungsleid und Schmerz über Friederikens Lage beängſtigten
und bedrückten den 22 jährigen. Er ſuchte in gewohnter Weiſe Hilfe
bei der Dichtkunſt, ſeine eigentliche Jugendfriſche und Lebensfreude
aber erlangte er zurück durch körperliche Ubungen, Reiten, Fechten,
Schlittſchuhlaufen:
Das Reiten verdrängte nach und nach jene ſchlendernden, melancholiſchen,
beſchwerlichen und doch langſamen und zweckloſen Fußwanderungen; man kam
ſchneller, luſtiger und bequemer zum Zweck.
Zu Pferde verließ Goethe Straßburg Ende Auguſt 1771 und kehrte
nochmals ins Vaterhaus zurück. Dieſer Aufenthalt währte bis zum
Herbſt 1775 und wurde durch einen Sommer in Wetzlar und man—
cherlei Abweſenheit von kürzerer Dauer unterbrochen. In dieſe Frank⸗
furter Zeit fällt der Beſuch Friedrich Gottlieb Klopſtocks im Mai
1774. Klopſtock lebte als däniſcher Legationsrat a. D. in Hamburg;
er hatte ſoeben den Meſſias' vollendet, man hörte ihn aber „von poe⸗
tiſchen und literariſchen Dingen ſelten ſprechen“, wohl aber unter⸗
hielt ſich der kleine, gut gebaute, elegante Fünfziger mit dem halb
ſo alten feurigen Jüngling ausgiebig über Sport, beſonders über
ſeine Liebhaberei, den Eislauf; „auch vom Kunſtreiten und ſogar vom
Bereiten der Pferde wußte er Rechenſchaft zu geben und tat es gern“.
Der November des Jahres 17751! „Wie ein Stern ging Goethe in
Weimar auf“. Sein Wertheranzug wurde Mode, ſprudelnde Lebens-
luſt gewann ihm die Herzen aller guten Menſchen und die vertraute⸗
ſte Freundſchaft ſeines Fürſten. Dürfen wir ihn, den Einzigen, in
dem die Schöpfung eines ihrer herrlichſten Wunder vollbrachte, noch
verfolgen nach ſeinen menſchlichen Gewohnheiten und Liebhabereien,
ohne dadurch ſein Gedächtnis zu entweihen? Wir tun es getroſten
Mutes in dem Bewußtſein, daß nur der das Ewige in ihm erkennen
lernt, der dies Ewige aus dem Irdiſch-Menſchlichen entſtehen ſieht.
Thüringerland! Wohlan, Reitersmann! Streifſt du am taufriſchen
Morgen durch die duftenden Wälder und Wieſen, ſo folge dem Huf⸗
ſchlage der Roſſe, die den Mann mit den leuchtend⸗ſchauenden Augen
vor dir dahintrugen, höre den Schlag ſeines ewigen Herzens, lauſche
den rauſchenden Fittichen ſeines Geiſtes. Vierzig Jahre lang hat
Goethe „zu Wagen, Pferd und Fuß Thüringen kreuz und quer durch⸗
wandert“ (Tag- und Jahres⸗Hefte 1807) und geſteht als Greis von
73 Jahren (Aufſatz über Tiſchbeins Idyllen 1821):
Der Menſch fühlt ſich körperlich niemals freier, erhabener, begünſtigter als
zu Pferde, wo er, ein verſtändiger Reiter, die mächtigen Glieder eines ſo herr⸗
lichen Tiers, eben als wären es die eigenen, ſeinem Willen unterwirft und ſo
über die Erde hin als höheres Weſen zu wallen vermag.
In den Spätherbſt des Jahres 1777 fällt der einſame Ritt in
den Harz. Trotz drohenden Schneewetters reitet der nunmehrige Geh.
Legationsrat am 29. November „in ſcharfen Schloßen, aber reine
Ruh in der Seele“ über Sondershauſen, Nordhauſen, Ilfeld zur
80 Abhandlungen
Baumannshöhle. In den verſchneiten Wäldern, auf dem Rücken des
Pferdes, entſteht die Konzeption des Gedichtes Harzreiſe im Winter',
dort kommt der Dichter zu ſich ſelbſt und zieht er die Summe ſeines
bisherigen Lebens.
Dem Geier gleich,
Der auf Morgenſchloßen-Wolken
Mit ſanftem Fittich ruhend
Nach Beute ſchaut,
Schwebe mein Lied!
Wer noch an der Berechtigung zweifelt, Goethe insbeſondere als
Reiter und Touriſten zu betrachten, leſe ſeinen eigenen Kommentar zu
zu dieſem Gedicht in Kunſt und Altertum (1821). Die tiefſten
philoſophiſchen Betrachtungen werden ausgelöſt durch „die mut—
ſtählende und geiſterheiternde Ausführung eines bedenklichen und be⸗
ſchwerlichen Unternehmens“. „Wer ſeine Bequemlichkeiten aufopfert,
verachtet gern diejenigen, die ſich darin behagen.“ „Mühſam Reiſende
bedürfen guten Mutes, der ſich leicht zu Übermut ſteigert.“ Der Ritt
geht weiter nach Wernigerode, dem eigentlichen Reiſeziel, und am
zwölften Reiſetage ſteht der Dichter auf dem Gipfel des Brockens,
inmitten grenzenloſen Schnees, über ſich den klarſten Himmel, unter
ſich ein unbewegliches Wolkenmeer. Auf einem ziemlichen Umwege
kehrt er am 16. Dezember heim. Man leſe auch die Briefe an Frau
von Stein vom 4. bis 10. Dezember 1777:
Liebes Gold! Ich hab an keinem Orte Ruh, ich habe mich tiefer ins Gebirg
geſenkt . . . Ich war oben heute und habe auf dem Teufelaltar meinem Gott
den liebſten Dank geopfert. Ich habe ein Zeichen ins Fenſter geſchnitten
zum Zeugnis meiner Freudentränen.
Reitersmann, lies und lebe deinen Goethe! Erlebniſſe und Ein⸗
drücke dieſes Harzrittes finden auch in den zu jener Zeit entſtandenen
Lehrjahren' ihren Niederſchlag. Sahen wir früher ſchon ſein „ge⸗
liebtes Ebenbild“ Wilhelm, wie ihn ſelbſt, des öftern „zu Pferde in
die Weite geſchickt“, ſo glauben wir Goethe vor uns zu haben, wenn
er uns Wilhelm als Tourenreiter beſchreibt, „den Mantelſack hinter
ſich“, oder wenn er ihn klagen läßt: eine Reiſe zu Pferde im Ge⸗
birge ſei mit unerträglichen Beſchwerden verknüpft. Auch folgende
Epiſode ſcheint auf eigene Erfahrungen hinzuweiſen:
Wihelm vernahm nicht ohne Verdruß, daß ſein Pferd von Laertes geſtern
dergeſtalt angegriffen worden, daß es wahrſcheinlich, wie man zu ſagen pflegt,
verſchlagen!) habe, und daß der Schmied wenig Hoffnung zu ſeinem Aufkom⸗
men habe.
Vom Herbſt 1779 bis Mitte Januar 1780 unternahm Goethe
mit Karl Auguſt eine Reiſe nach Frankfurt, Straßburg (Beſuche bei
1) Ein Pferd „verſchlägt“, wenn es wegen plötzlich unterdrückter Ausdünſtung
krank wird, welche Krankheit ſich zuerſt durch eine Steife in den Füßen äußert
3 5 Adelungs Grammatiſch⸗kritiſchem Wörterbuch der hochdeutſchen Mundart,
5 Bde. 1774/86).
Goethe und die Reitkunſt 81
Friederike und Lili), Baſel, Luzern, Stuttgart. Schon früher, von
Frankfurt aus, hatte er eine Reiſe in die Schweiz ſtreckenweis zu
Pferd zurückgelegt; auch diesmal ging's von Baſel aus im Sattel
ins Gebirge. Am 3. Oktober ſtehen die Pferde in Baſel marſchbereit.
Die Reiter genießen die Schönheiten und herrlichen Ausſichten auf
das Hochgebirge vom Jura aus, den ſie über Münſter erreichen.
Von Genf ſchicken ſie die Tiere mit Begleitleuten nach St. Maurice im
oberen Rhonetale, ſie ſelbſt erreichen dieſen Ort zu Wagen und
Fuß über Chamounix am Maſſive des Mt. Blanc. Zum Beſuche von
Leukerbad an der Gemmi bedienen ſie ſich noch einmal der Pferde
und ſenden ſie von da voraus über Vevey, Lauſanne, Freiburg, Bern
nach Luzern. Sie begnügen ſich zur beſchwerlichen und in dieſer
Jahreszeit recht waghalſigen Weiterreiſe mit zwei Mietpferden und
Maultieren über die Furka zum St. Gotthard.
Wie ſchon erinnert, diente zu Goethes Zeiten das Reitpferd in
viel größerem Maße zum Verkehrsmittel, als dies heute noch der
Fall iſt. Auch Goethe ſcheint das Pferd zunächſt als Mittel zum
Zweck, benutzt“ zu haben, denn es findet fich keine Stelle aus früheren
Jahren, derzufolge er eine beſondere Neigung oder Liebe für das edle
Tier empfunden, oder worin er beſonders gute Eigenſchaften erwähnt
hätte. Das Reitpferd war ihm noch kein Individuum. Der Um⸗
ſchwung erfolgte erſt 1787 in Italien. Schon in Rom am 18. Januar,
dem St. Antonius⸗Tage, klingt aus feinem Bericht über die Pferde-
weihe ein wärmerer Ton:
St. Anton iſt Patron der vierfüßigen Geſchöpfe, ſein Feſt ein ſaturnaliſcher
Feiertag für die ſonſt belaſteten Tiere .. . . Alle Herrſchaften müſſen heute...
zu Fuße gehen ... Pferde und Maultiere, deren Mähnen und Schweife mit
Bändern ſchön, ja prächtig eingeflochten zu ſchauen, werden vor die kleine ...
Kapelle geführt, wo ein Prieſter, . .. das Weihwaſſer ... nicht ſchonend, auf
die munteren Geſchöpfe derb losſpritzt, manchmal ſogar ſchalkhaft, um ſie zu
reizen... Die Herrſchaften ſenden Almoſen und Geſchenke, damit die koſtbaren,
nützlichen Tiere ein Jahr über vor allem Unfall ſicher bleiben mögen.
Am 3. März aber ſchreibt Goethe in Neapel:
Heute, als an einem Feiertage, war die große Spazierfahrt des Adels, wo
jeder ſeine Equipagen, Sure Pferde, produziert. Man kann unmöglich
etwas Zierlicheres ſehen als dieſe Geſchöpfe hier; es iſt das erſtemal in meinem
Leben, daß mir das Herz gegen ſie aufgeht.
Aus der Italieniſchen Reife ſei im übrigen nur der gewaltige, mehr⸗
wöchige Ritt durch Sizilien vom 18. April bis 10. Mai 1787 er⸗
wähnt. Er führte den Dichter, in deſſen Seele ſich die folgenreichſten
Umwandlungen vollzogen, kreuz und quer durch die herrliche Inſel.
Man verfolge den Reiſeplan an Hand der Karte:
1. Reit⸗Tag: Palermo⸗Monreale⸗Alcamo 40 km
2. „ : Alcamo⸗Caſtel Vetrano 43 7
3. „ Caſtel Vetrano⸗Sciacca 40 „
4. „ Sciacca⸗Girgenti („ſtarke Tagreiſe“ 60 „
Aufenthalt in Girgenti 5 Tage
VIII 6
88 Abhandlungen
5. Reit ⸗ ia. Girgenti⸗Caltaniſetta
6. : Caltaniſetta⸗ Caſtrogiovanni
7 „ vunterwegs ſeit 12 Tagen, in einem neuen
Gaſthofe mit einiger Bequemlichkeit“
8. N : bis Catania
9. „ CCatania⸗ Taormina 45 „
10. „ Taormina -⸗Meſſina a 50 Ye
zuſammen 450 km
Gewiß gibt jeder Sachverſtändige ohne weiteres zu, daß dies eine
recht tüchtige ſportliche Leiſtung iſt, vor allem, wenn er die ganz
ſchlechten Wege-, Gaſthofs- und Futterverhältniſſe der damaligen
Zeit in Sizilien in Betracht zieht. Mit Pferd und Begleitmann war
der Reiſende übrigens recht zufrieden, denn er erwähnt zum Schluſſe
ausdrücklich ein „gutes Trinkgeld“.
Im Jahre 1790 reiſt Goethe mit dem Herzog zu deſſen Regimen⸗
tern nach Schleſien, die dort zur Stützung des Reichenbacher Kon⸗
greſſes eine bewaffnete Stellung beſetzt hielten. An der Seite ſeines
Fürſten, vorzüglich beritten gemacht, ſieht er dort die maleriſch⸗krie⸗
geriſche Hofhaltung und die ſchönſten Regimenter der Zeit.
Kriegeriſch reiten wir aus, beſteigen Schleſiens Höhen,
Schauen mit gierigem Blick vorwärts nach Böhmen hinein,
ſchreibt er am 21. Auguſt 1790 aus Breslau an Herder.
1791 war ein ſtilles Jahr, aber bereits im Auguſt 1792 wurde er
abermals ins Feld berufen, ins perſönliche Gefolge des Herzogs, zu
ſeinem lebhaften Mißvergnügen wieder ohne Amt, aber — „diesmal
zu ernſteren Szenen“. Er eilt im Wagen über Frankfurt, Mainz,
Trier, Luxemburg nach Longwy und Verdun, erlebt deſſen Bombarde⸗
ment und Fall (2. Sept.). Anfangs bedient er ſich zeitweilig einer
leichten Chaiſe mit vier requirierten Pferden, beim Eintreffen an der
Front werden ihm aber ſofort Reitpferde geſtellt. Zu Pferde reitet
Goethe am 3. Sept. in Verdun ein, hält auch nach Reiterfitte an bei
den „gerühmten Läden, wo der beſte Likör aller Art zu haben war,
und probierte die mancherlei Sorten durch“. Zu Pferde beteiligt er
Ach an der Verfolgung der Franzoſen in Richtung Menehould —
Chalons am 19. Sept.; er ſchließt ſich dabei nicht den Bagagen, ſon⸗
dern den Kavallerieregimentern, möglichſt der Leibſchwadron an.
Zu Pferde, ganz allein, aus langer Weile, ſucht er vorwärts Verdun
die Gefahrzone auf, „um an ſich ſelbſt die Wirkungen des Kanonen⸗
fiebers zu prüfen“. Meiſt ritt er im Gefolge des Prinzen Louis Fer⸗
dinand, des Herzogs von Weimar oder des Königs von Preußen.
Karl Auguſt befehligte als Generalmajor eine Brigade, die aus dem
preußiſchen Küraſſierregiment „Herzog von Weimar“ (Aſchersleben),
deſſen Kommandeur er war, und dem Dragonerregiment „von Lottum“
beſtand. Sie bildete meiſt die Spitze der Armee.
Im Verlaufe der Entwicklung wurde der Reichskrieg erklärt. Dem⸗
zufolge nahmen im Jahre 1793 auch weimariſche Jäger im preußi⸗
44 Zi *
r .
Goethe und die Reitfunft 83
ſchen Solde an der Belagerung von Mainz teil. Der Herzog, ganz
in ſeinem Element, führte wieder ſein Küraſſierregiment. Längſt nicht
ſo wohl fühlte ſich Goethe, der am 27. Mai wiederum, von Frank⸗
furt aus, zur Front abreitet. Am folgenden Tage meldet er ſich beim
Herzog im Lager und beſichtigt ſofort im Sattel den Blodadehalb-
kreis. Als die Franzoſen in der Nacht vom 30. zum 31. Mai bei
Marienborn einen Ausfall machen, ſetzt er ſich ſchleunig zu Pferd
und reitet weiter vor, um das Gelände ſo gut als möglich zu be⸗
obachten. Nach glücklicher Abwehr des feindlichen Angriffs wird ihm
die Ausarbeitung einer ſchriftlichen Meldung befohlen, die er auf
Grund der eigenen Wahrnehmungen während ſeines Rittes und an
Hand von Gefangenenausſagen anfertigt. Am 22. Juli erfolgte der
Waffenſtillſtand; Goethe lenkt ſein Pferd durch die Wolfsgruben hin⸗
durch bis an die äußeren Tore der Stadt Mainz und reitet um ſie
herum; am 23. Übergabe der Feſtung; am 26. reitet Goethe voll
Schauderns durch die ſtark mitgenommene Stadt — am 26. verläßt
er endlich aufatmend den Kriegsſchauplatz.
Schon in den erſten Jahren ſeines Aufenthaltes in Weimar hatte
der mit überreicher Arbeit beladene Mann dienſtlich regelmäßig in
der näheren und weiteren Umgebung der Refidenz zu tun; für feine
Beſuche in Jena, Ilmenau, Lauchſtedt uſw. hatte er ſich ſeiner Reit⸗
pferde bedient — der herzogliche Marſtall wird ſie ihm in guter Aus⸗
wahl geſtellt haben. Jetzt ſchloß er Freundſchaft mit Schiller in Jena.
Die Entfernung heträgt auf zwei guten, direkten Landſtraßen, über
Magdala und über Iſſerſtedt, 20 bis 30 Kilometer. Aus dem Brief⸗
wechſel mit Schiller geht hervor, daß er nun oft, zeitweiſe ſogar
regelmäßig hinüberritt, ſei es zum althergebrachten Beſuche der Uni⸗
verſität und ihrer Sammlungen und Inſtitute, zur Ordnung der
Muſeen, oder neuerdings eben vor allem zu Beſprechungen mit Schil⸗
ler. Häufig ſtieg er nur zu kurzer Raſt aus dem Sattel und trat noch
vor Abend den Heimritt an. f
Eine wichtige kulturhiſtoriſche Anmerkung machte Goethe in einer
großen Schilderung, die die verſchiedenen Zweige der bürgerlichen
und adminiſtrativen Tätigkeit in Weimar benutzt, um durch dieſe
Kleinwelt die geiſtige Arbeit und das Schaffen jener Zeit überhaupt
zu zeichnen. Dieſer Vortrag, 1795 in der „Freitags-Geſellſchaft“
gehalten, handelt über die zur Zeit waltenden Zuſtände in Handel
und Induſtrie, Garten-, Forſt⸗ und Parkweſen, Landwirtſchaft, Bil⸗
dungsſtätten, Wiſſenſchaft und Kunſt. Von letzterer behandelt er nach⸗
einander Bildende Künſte, Muſik, Theater und Tanz. Dieſer dient
ihm zum Übergang auf die Leibesübungen, inſonderheit auf Fecht⸗
und Reitkunſt:
Die Reitkunſt verdient um ſo mehr unſre Aufmerkſamkeit, da ſie die Ausbil⸗
dung, Erhaltung und zweckmäßige Benutzung des koſtbaren, einzigen und in
ſeiner Vollkommenheit immer ſeltener werdenden Tiers zum Zweck hat.
6*
84 Abhandlungen
Im weiteren Verlaufe des Vortrags kommt er auf die weimariſche
Pferdezucht zu ſprechen. Die herzogliche, Stuterei“ Allſtedt bei Sanger⸗
hauſen in der Goldenen Aue beſteht heute noch. Das Geſtüt wurde
1788 neu gebaut. Es hatte dem jungen Herzog ſehr am Herzen ge—
legen — verſtehen wir Goethe recht, ſogar mehr als genügend; dafür
ſprechen die Worte, die dieſer 1776 in Kochberg, als „Bäuerlein“
verkleidet, an ſeinen jugendlichen Herrn gerichtet hatte und die dem
Tone entſprachen, in dem er ihn zum Regenten zu erziehen begonnen
hatte: . Denn wir bäuriſch treues Blut
Sind doch immer Euer beſtes Gut,
Und könnt Euch mehr an uns erfreun,
Als an Pferden und Stuterei'n.
Seinen Eindrücken im Geſtüt Allſtedt entſpringen wohl auch in erſter
Linie Erfindungen für die „pädagogiſche Provinz“ in den Wander⸗
jahren’ (II, 8):
In vollem Galopp ſtürzt eine große Maſſe ſolcher edlen Tiere heran, ſie
werden durch reitende Hüter gelenkt und zuſammengehalten. An dem Wandrer
ſprengt das ungeheure Gewimmel vorbei, ein ſchöner Knabe unter den beglei⸗
tenden Hütern ſpringt ab und umarmt den Vater.
Der Sohn, Schüler in dieſer nach goetheſchen Idealen geiſtig errich⸗
teten Erziehungsanſtalt, berichtet, daß er nach ſeinem Eintritt wäh⸗
rend der erſten Prüfungszeit ſein Reitpferd recht vermißt habe, „bis er
dann zur lebhafteren Reiterei endlich befördert worden; das Geſchäft,
die Stuten und Fohlen zu hüten, ſei mitunter zwar langweilig genug,
indeſſen, wenn man ein munteres Tierchen vor ſich ſehe, das einen
vielleicht in drei, vier Jahren luſtig davontrüge, ſo ſei es doch ein
ganz andres Weſen, als ſich mit Kälbern und Ferkeln abzugeben.“
Die Stellung, welche Goethe der Reitkunſt im Lehrplane jener Muſter⸗
anſtalt zuweiſt, zeigt beredter als alles andre, welchen erzieheriſchen
Wert er ihr beimißt.
Mit Goethes zunehmendem Alter werden ſeine Tagebücher und
Briefe ſparſamer in ihren Reitberichten. Es deutet aber vieles darauf
hin, daß er, wennſchon er ſelbſt nur noch ſelten oder überhaupt nicht
mehr zu Pferde geſtiegen ſein mag!), doch noch regen Anteil nahm
an Pferdezucht und Reitkunſt. Am 5. Juni 1801 reiſt Goethe im
Wagen über Göttingen nach Pyrmont. In Göttingen bringen Stu⸗
denten dem zweiundfünfzigjährigen Dichterheros eine begeiſterte Ova⸗
tion. Einer von ihnen, der nachmalig berühmte Dichter Achim von
Arnim, und deſſen Freund Theodor Keſtner, Sohn der einſtigen
Freundin Goethes Charlotte Buff, begleiten den Gefeierten zu der
[!) Noch am 27. Auguſt 1813, alſo im Alter von 64 Jahren, hat Goethe mit
Karl Auguſt von Ilmenau aus einen ſechsſtündigen Ritt gemacht! Vgl. ſein
Tagebuch 27. Auguſt 1813 und Julius Voigt: Goethe und Ilmenau S. 285.—
Anm. d. H.]
nene
Goethe und die Reitkunſt 85
Sehenswürdigkeit der Stadt, der Reitbahn, wo er den damals be⸗
rühmten Univerſitäts⸗Stallmeiſter Gottfried Ayrer in ſeinem Wir⸗
kungskreiſe begrüßt. Wie hat ſich im Laufe der Jahrzehnte Goethes
Anſicht über die Reitbahnen geändert! Jetzt ſchreibt er:
Eine wohlbeſtellte Reitbahn hat immer etwas Impoſantes; das Pferd ſteht
als Tier ſehr hoch, doch ſeine bedeutende, weitreichende Intelligenz wird auf
eine wunderſame Weiſe durch gebundene Extremitäten beſchränkt. Ein Geſchöpf,
das bei ſo bedeutenden, ja großen Eigenſchaften ſich nur im Treten, Laufen,
Rennen zu äußern vermag, iſt ein ſeltſamer Gegenſtand für die Betrachtung,
ja, man überzeugt ſich beinahe, daß es nur zum Organ des Menſchen geſchaffen
ſei, um geſellt zu höherem Sinne und Zwecke, das Kräftigſte wie das Anmutigſte
bis zum Unmöglichen auszurichten. Warum denn auch eine Reitbahn ſo wohl⸗
tätig auf den Verſtändigen wirkt, iſt, daß man hier, vielleicht einzig in der
Welt, die zweckmäßige Beſchränkung der Tat, die Verbannung aller Willkür,
ja des Zufalls mit Augen ſchaut und mit dem Geiſte begreift. Menſch und Tier
verſchmelzen hier dergeſtalt in eins, daß man nicht zu ſagen wüßte, wer denn
eigentlich den andern erzieht.
Auf den beiden großen Rheinreiſen der Jahre 1814 und 1815
regte ſich wohl noch einmal „der tolle deutſche Burſch“ in ihm, und
noch einmal fühlte Goethe „Frühlingshauch und Sonnenbrand“ im
Herzen, aber das Alter macht ſich doch in mancherlei Beſchwerden
recht bemerkbar; er ſchreibt nur noch von kleineren und größeren, teils
ſehr heiteren Wagenfahrten und⸗Reiſen. Zum erſten Male fuhr er
1807 zur Kur nach Karlsbad, „im bequemen Wagen“, und dann
alljährlich. Während des erſten Aufenthaltes arbeitet er daſelbſt an
den Wanderjahren', vor allem an den darin eingeſtreuten Novellen.
Wenn man annehmen darf, daß im Mann von funfzig Jahren' der
Achtundfünfziger manche Züge ſeines eigenen Lebens verwendet hat,
ſo tat er es zweifellos bei Schilderung der Gewohnheiten des alten
„Majors“. So hatte auch Goethe einen alten Diener und Kutſcher,
ſeinen „treuen Weggenoſſen“ Johann Karl Wilhelm Stadelmann,
und ſo, wie er in ſpäteren Briefen ſeiner braven Dienſte dankbar ge⸗
denkt, dürfen wir wohl auch ein ehrendes Zeugnis für dieſen aus
Goethes Worten in den Wanderjahren' (II, 3) leſen:
Er hatte ſeinem alten Reitknecht, der zugleich die Stelle des Bedienten und
Kammerdieners vertrat, ſeit mehreren Jahren kein böſes Wort gegeben: denn
alles ging in der ſtrengſten Ordnung ſeinen gewöhnlichen Gang, die Pferde
waren verſorgt und die Kleidungsſtücke zu rechter Stunde gereinigt.
Erinnerungen an Jagderlebniſſe am weimariſchen Hofe klingen an
in der Novelle', die im Jahre 1826 als Proſaausführung früherer
Pläne zu einem Epos Die Jagd' entſtand; dieſe Novelle iſt voll der
ſpannendſten Augenblicke eines Reiterabenteuers, voll der feſſelndſten,
maleriſchen Bilder. Schon Eckermann erkannte dies, als Goethe ſie
ihm zum erſten Male in die Hand gab, und wünſchte, eine ſolche
Epiſode als Gemälde dargeſtellt zu ſehen. Goethe äußert hierzu:
Den Moment, wo Honorio auf dem Tiger kniet und die Fürſtin am Pferde
gegenüber ſteht, habe ich mir wohl als Bild gedacht; und das wäre zu machen.
86 Abhandlungen.
Auf die Wiedergabe des Pferdes durch die Kunſt kam Goethe ſpäter,
am 20. Oktober 1828, mit Eckermann nochmals zu ſprechen, und
zwar anläßlich des Betrachtens einer Abbildung vom Frieſe des
Apollo-Tempels von Phigalia; man fand, daß die Griechen bei Dar⸗
ſtellung von Tieren ſich nicht nach der Natur richteten, ſondern nach
einer gewiſſen Konvenienz verfuhren, fie ſteif und unförmlich ab-
bildeten. Goethe ſchränkt aber dieſen Tadel ein:
Die Engländer, die erſten Pferdekenner der Welt, müſſen doch jetzt von zwei
antiken Pferdeköpfen geſtehen, daß ſie in ihren Formen ſo vollkommen befunden
werden, wie jetzt gar keine Raſſen mehr auf der Erde exiſtieren. Es ſind dieſe
Köpfe aus der beſten griechiſchen Zeit.
Auf einem Spaziergange mit Eckermann im Frühling 1827 begegnen
ihm einige Züge Koppel-Pferde, die für die Leipziger Meſſe beſtimmt
waren, darunter mehrere ſehr ſchöne Tiere. Dies gibt Goethe Ver⸗
anlaſſung zu einer umfaſſenden Betrachtung des Schönen in der
Kunſt, im Verlaufe deren er meint:
Warum konnten wir vorhin einige der Reitpferde ſchön nennen, als eben
wegen der Zweckmäßigkeit des Baues? Es war nicht bloß das Zierliche, Leichte,
Graziöſe ihrer Bewegungen, ſondern noch etwas mehr, worüber ein guter Reiter
und Pferdekenner reden müßte, und wovon wir andern bloß den allgemeinen
Eindruck empfinden. Könnte man nicht auch, erwiderte Eckermann, einen Karren⸗
gaul ſchön nennen? Allerdings, ſagte Goethe, ein Maler fände an dem ſtark
ausgeprägten Charakter, an dem mächtigen Ausdruck von Knochen, Sehnen
und Muskeln eines ſolchen Tieres wahrſcheinlich noch ein weit mannigfaltigeres
Spiel von allerlei Schönheiten, als an dem milderen, egaleren Charakter eines
zierlichen Reitpferdes. Die Hauptſache iſt immer, daß die Raſſe rein und der
Menſch nicht ſeine verſtümmelnde Hand angelegt hat. Ein Pferd, dem Schweif
und Mähne abgeſchnitten, ein Hund mit geſtutzten Ohren, ein Baum, dem man
die mächtigſten Zweige genommen und das übrige kugelförmig geſchnitzelt hat,
und über alles eine Jungfrau, deren Leib von Jugend auf durch Schnürbrüſte
verdorben und entſtellt worden, alles dieſes ſind Dinge, von denen ſich der gute
Geſchmack abwendet, und die bloß in dem Schönheits⸗Katechismus der Philiſter
ihre Stelle haben.
Den Wunſch, das Pferd durch die bildende Kunſt darzuſtellen, äußert
Goethe häufig. Am ausführlichſten läßt er ſich im Alter von ein⸗
undachtzig Jahren hierüber aus in dem Aufſatz über die Ornamente
und Gemälde aus Pompeji. Es iſt dies zugleich das letztemal, daß
der gewaltige Geiſt Gedanken formt, die unſern beſonderen Ideen⸗
kreis als Reiter und Pferdekenner berühren, Worte, die uns wie ein
letzter Wille des Olympiers anmuten, und deren Beherzigung und
Erfüllung wir wünſchen:
Auch das Pferd, dieſes edle Geſchöpf, muß in unſern Bildkreis herangezogen
werden. Durchdringe ſich der Künſtler von den geiſtigen Gebilden, welche die
Alten ſo meiſterhaft im Centaurengeſchlecht darſtellten. Die Pferde machen ein
zweites Volk im Kriegs⸗ und Friedensweſen aus. Reitbahn, Wettrennen und
Revuen geben dem Künſtler genugſam Gelegenheit, Kraft, Macht, Zierlichkeit
und Behendigkeit dieſes Tieres kennenzulernen.
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* * „ 2 e 2 1
N > 2
Goethe und die Reitkunſt 37
Wir ſchließen unſre kurze Betrachtung. Nicht für Goetheforſcher,
kaum für Goethekenner find dieſe Zeilen geſchrieben, ſondern für fröh⸗
liche Reitersleute; und denen ſollen ſie ſagen, daß der größte Deutſche
auch ſolch fröhlicher Reitersmann war. Und wenn ſie unſern Goethe
nun noch inniger lieb gewinnen und Strahlen ſeiner ewigen Sonne
künftig ihre Reitpfade vergolden, dann Horridoh! — Schwing dich
aufs Pferd im taufeuchten Morgen, blick in die ewig junge Welt
mit ewig jungen Augen, laß ewig jung dein Herze ſchlagen, wie's
jenem Jüngling im Greiſenalter ſchlug — und lauſche auf den Huf-
ſchlag deines Roſſes: Es formt ſich ein Goetheſches Lied und um⸗
ſummt euch beide, und dein Roß wiehert, und du jubelſt hell auf:
Wir grüßen dich, Goethe!
Laßt mich nur auf meinem Sattel gelten!
Bleibt in euren Hütten, euren Zelten
Und ich reite froh in alle Ferne,
Über meiner Mütze nur die Sterne.
.
7
5
*
5
Heinrich von Kleiſt und Goethe
Von Gertrud Prellwitz (Oberhof im Thüringer Wald)!)
Au dem wundervollen Bilde der Freundſchaft Goethes und Schil—
lers ruht verehrend das Auge der Welt.
Viel näher verwandt als Schiller iſt unſerem herrlichen Olympier
ein anderer deutſcher Dichter; unter allen Sterblichen ihm am näch⸗
ſten verwandt iſt Heinrich von Kleiſt. Ganz nahe neben dem uner⸗
ſchöpflichen Born der Goetheſchen Dichtung entſpringt der goldene
Quell ſeiner naiven Dichterkraft. Die Verwandtſchaft ihrer ſeeliſchen
Veranlagung reicht über die bloße geſetzmäßige Ahnlichkeit gleich hoch
entwickelter Naturen weit hinaus und iſt eine individuelle.
Erſchauen wir in der Idee — in der Ewigkeitswelt des reinen Ge—
dankens— ihre Individualitäten nebeneinander, jo urteilen wir: Wä⸗
ren dieſe Beiden Zeitgenoſſen geweſen, vielleicht gar der eine werdend,
als der andere reif und etwas müde war, wie hätte der Jüngere mit
inbrünſtiger Verehrung dem Alten nahen müſſen, wie hätte der Alte
ſein ſchönſtes Glück darin finden müſſen, dem jungen Bruder die
Wege frei zu machen zur Betätigung ſeiner Kraft. Welch ein reiches,
menſchlich und künſtleriſch fruchtbares Aufeinanderwirken hätte zwi⸗
ſchen ihnen hin und her ſpielen müſſen!
Wie rätſelvoll iſt die Wirklichkeit! Sie waren Zeitgenoſſen, Wolf⸗
gang Goethe und Heinrich von Kleiſt. Der eine war viel jünger und
im brauſenden Werden, als der andere reif und etwas müde war.
Und wohl nahte der Junge dem Alten voll inbrünſtiger Verehrung
— aber nun, welch ein anderer Verlauf! Die Luft erzittert von heim⸗
licher Reibung, von Spannung und Druck, gewitterhaft. Unruhe und
Unficherheit iſt da. Der Alte will fördern, vergreift ſich, hemmt und
ſchädigt, wird ungeduldig und ungerecht. Der Junge, der gern dank⸗
bar ſein möchte, ſieht ſich enttäuſcht, in ſeinem heiligſten Glauben
verletzt, wird heftig, zornig und ungerecht, wird bitter, beißend und
höhnend. Der Alte verbirgt nicht mehr eine tiefe grollende Abneigung,
die mit der Kraft und Wirklichkeit des Naturereigniſſes da iſt, und
gegen die ſeine edle Natur vorher nur ſich gewehrt. Und anſtatt durch
) Geſchrieben 1910, als Einleitung zu einer geplanten Kleift= Biographie.
Heinrich von Kleiſt und Goethe 89
die Macht ſeiner beherrſchenden Stellung in der deutſchen Dichter-
welt dem jungen Bruder emporzuhelfen, wo er Luft gehabt hätte,
Herrlichſtes zu ſchaffen nach der Kraft ſeines Genius, verſperrt er
durch ungerechtes Verurteilen ihm den Weg, und Heinrich von Kleiſt
geht zugrunde.
O wehe uns Deutſchen! Einer der allergrößten unſerer Dichter
legte Hand an ſich ſelber, weil er verzweifelte — nicht an ſeinem
Schaffen, wohl aber daran, daß ihm inmitten ſeines Volkes noch
Schaffensmöglichkeit werde beſchieden ſein.
Und das geſchah, als Goethe die Herrſcherſtellung hatte in der
Welt der deutſchen Poeſie!
Und noch über das Grab hinaus folgte Heinrich von Kleiſt wie
ein Fluch die Kraft des ungerechten Goethe-Wortes: „Mir erregte
dieſer Dichter bei dem reinſten Vorſatz einer aufrichtigen Teilnahme
immer Schauder und Abſcheu, wie ein von der Natur ſchön intentio—
nierter Körper, der von einer unheilbaren Krankheit ergriffen wäre.“
Noch auf hundert Jahre war nun dieſes Dichters Bild ſeinem Volke
verzerrt, denn grade die eigenartigſten, kraftvollſten, herrlichſten Auße—
rungen ſeines Genius wurden auf dieſes Wort hin verkannt.
Wie nun nach hundert Jahren ſich die Nebel teilen und die Son-
nenkraft dieſer Dichtungen durch die ſchweren Trübungen hindurch—
bricht, und die Deutſchen endlich ihren Dichter erkennen, ſtehen ſie
zugleich vor der ſchmerzlichen Notwendigkeit, ſich zu geſtehen, daß ihr
Herrlicher, ihr Olympier, den ſie als Menſchen noch mehr faſt wie
als Dichter verehren, daß Goethe ſeinen jungen, herrlichen Bruder
ungerecht verkannt, bis in den Tod geſchädigt hat.
Aber wenn wir die Dinge aus hoher geiſtiger Schau betrachten
lernen, ſo ſpüren wir eine tiefe Notwendigkeit, eine lichtvolle Geſetz⸗
lichkeit in dem Vorgange.
Denn nicht auf das arme Ziel einer nahen, lieblichen Wirkung
für irdiſche Augen ſtellt ſich der Schritt des Schickſals ein. In gro—
ßen Dimenſionen ſchreitend, zielt ſein Wille auf weitgeſpannte Har⸗
monien, in denen Erſcheinung, Widerſpiel und Ergänzung den Reich⸗
tum des Daſeins zur Entfaltung bringen.
Um die überreichen Möglichkeiten des Daſeins auszukoſten, ſtellte
Natur die verwandteſten Dichtercharaktere in ſo verſchiedene irdiſche
Lebens bedingungen, daß ihre wirklichen Erſcheinungen als Vertreter
unvereinbar fremder Welten einander gegenübertreten.
Wolfgang Goethe erſchien als das Kind jener ſüdweſtlichen deut⸗
ſchen Gaue, in denen in Berührung mit den älteren Kulturvölkern
deutſche Kultur am früheſten ſich entfaltete. Ein verhältnismäßig
altes und reiches Geiſtesleben war hier reif geworden, zu ſchönſter
Harmonie ſich zu vollenden. Und er erſchien als der begünſtigte Nach⸗
komme des politiſchen Oberhauptes in einem kleinen, alten, wohlge⸗
ordneten, partikulariſtiſch ſich abſchließenden Staatsverbande. Man
90 Abhandlungen
ließ ihm mit Eifer jede geiſtige Ausbildung und Förderung ſeiner
künſtleriſchen Anlagen zuteil werden, und ſo wuchs er früh und all⸗
mählich und kampflos in ſeinen poetiſchen Lebensberuf hinein.
Heinrich von Kleiſt aber kam als Sohn jenes jungen, norddeut⸗
ſchen Staates, in dem eine neue politiſche Zukunft des geſamten Va⸗
terlandes, des zerſplitterten, unbewußt, zielſicher, ſchwer ringend ſich
vorbereitete. Mitten aus den Traditionen eines Geſchlechts holte ihn
Natur, das bei der gewaltigen ſtaatbildenden Schmiedearbeit jenes
Gaues einen Hauptanteil geleiſtet, — es hatte den preußiſchen Kö⸗
nigen allein ſechzehn Generäle geſtellt! — und das ganz fraglos alle
ſeine Söhne dem militäriſchen Beruf zuführte, und langſam und in
ſchwerem Kampfe mußte ſich nun ſeine tiefe, gründliche norddeutſche
Natur erſt zu dem eigenen, dem viel geiſtigeren Beruf hindurchringen.
Und es hat für Wolfgang Goethe, durch ein ganzes Leben hindurch,
Natur alle die Schwierigkeiten, die dem genialen Menſchen ſo reichlich
auf ſeinem Wege wachſen, mit beſonderer Sorgfalt hinweggeräumt.
In den gefährlichen Kriſen der Frühzeit, wenn der erwachende Genius
ſich ſtürmiſch aufmacht, die Werte alle umzuwerten — und an die
menſchliche Tradition anrennt, die die Erziehung gab: als es in des
jungen Wolfgang Seele ſo „entſetzlich durcheinander ging“, hatte er
Herder zum Führer! gewann er Geiſter wie Merck zum künſtleriſchen
Gewiſſen und objektiven Spiegel deſſen, was er ſchuf. Die ſchmerzende
innere Einſamkeit des genialen Menſchen, unter der ſeine zarte Natur
ſchwer zu leiden veranlagt war, hat er nur zu kleinerem Teil zu er⸗
fahren brauchen. Er hatte eine Mutter, die ihn verſtand! Er hatte
eine Freundin, die ihn erlebte! Und als er in reifen Jahren den Ab⸗
ſtand zwiſchen ſich und den übrigen Menſchen voll begriff, was dem
Genius immer Leiden iſt, da trat ihm Schiller entgegen und ſchenkte
ihm das Wunder ſeiner Freundſchaft! Die aufreibenden Nöte des
Lebenskampfes aber, die dem Dichter durch die ſchiefe ſoziale Lage
entſtehen, in der ſich alles originale Schaffen bei uns befindet, wur⸗
den ihm völlig erſpart. Natur, die es ſonſt in keiner Weiſe liebt, ihre
Genies aus den Häuſern der Reichen zu holen, machte bei ihm eine
Ausnahme. Ein ungeheurer Schutz für ihn! So wurde ihm die dor⸗
nenvolle Bahn von Künſtlers Erdewallen durch die Sorgfalt der
Natur, ſoweit es nur irgend in den Möglichkeiten lag, erleichtert.
Und umgekehrt hat Natur alle Schwierigkeiten und Hemmniſſe,
die nur erdenklich ſind, in Heinrich von Kleiſts Weg getürmt.
Unheilverheißender, vernichtungdrohender nicht konnte für ihn
die Konſtellation der mächtig einwirkenden Lebensbedingungen fein,
als für den Jüngling die gefährliche poetiſche Entwicklungskriſis kam,
als durch das feſte Fundament des irdiſch-intellektuellen Bewußtſeins
der Schaffensgeiſt ſich Bahn brach.
Und daß er dennoch durch all dieſe Fährniſſe hindurch zu einem
geſunden, harmoniſchen Schaffen heranreifte — nur ein ganz unge⸗
Heinrich von Kleiſt und Goethe 91
wöhnliches Maß von Geſundheit in dieſem Menſchen hat ihm dazu
hinanhelfen können.
Keinen Führer hat er, keinen Freund, der ſeine geiſtigen Dimen⸗
ſionen hätte ermeſſen können, der ihm mit kritiſchem Rat in ſeine
Notwendigkeiten hätte folgen können. Menſchlich viel geliebt, muß
er doch als Schaffender, der Austauſchbedürftige, in völliger geiſtiger
Einſamkeit ſein Leben verbringen, und er lernt ſie ertragen. Auch die
unendlich befeuernde Kraft, die der Widerhall in freudig aufneh⸗
menden Seelen, die der dankbare Beifall ſeines Volkes dem Dichter
bedeutet, er hat ſie gänzlich entbehren müſſen. Entbehren müſſen auch
die gewaltig mitſchaffende Kraft, die dem Dramatiker die letzte Ver⸗
wirklichung ſeines Kunſtwerks, die Bühnendarſtellung, gewährt. Die
Familie verkennt, mißachtet ihn. Und auch das Weib, das der dem
Myſterium des Menſchlichen in ſeinem naiven, keuſchen und ſtrengen
Gefühl ſo nah vertraute Dichter für ſich forderte und das er in im⸗
mer neuen Variationen in ſeinen Dichtungen aus ſich heraus ſtellte,
ſo wie es mit wunderbarer Klarheit in ſeinem Inneren lebte — er
hat es ſich immer nur erdichten können. So verging ſein Leben in
herber Einſamkeit, ſoviel er auch geliebt wurde, ſo innig er auch
liebte. Und ſchließlich wurde der Widerſpruch, der zwiſchen der For-
derung der genialen Natur beſteht, immer nur das Eigene, immer
das Höchſte zu leiſten, müſſe es dann auch von der Mitwelt unerkannt
bleiben, und dem blöden Brauch unſerer heutigen ſozialen Welt, auch
die Genieproduktion in die Konkurrenz des Marktes zu ſtellen —
dieſer ungeheure, lächerliche und ach! tragiſche Widerſpruch wurde
für Heinrich von Kleiſt verhängnisvoller als für irgendeinen andern.
Um der weitausgreifenden kühnen Selbſtändigkeit ſeines Schaffens
willen, und um ſeiner Mittelloſigkeit willen, bei vornehmer Abſtam⸗
mung! So hing ſich an den kühnen Flug feiner Dichtungen die ſo⸗
ziale Not als allerſchwerſte Laſt. Zuletzt aber noch mußte er, der Sohn
des alten Kriegeradels, dem Liebe und Hingabe an das Vaterland als
Lebenselement im Blute wohnten, das jammervollſte Schickſal Preu⸗
ßens, Deutſchlands, in tieffühlender Dichterſeele ertragen. Wahrlich,
alle Plagen, alle Erdenlaſten, die dem Genius den Lauf erſchweren,
hat Natur, die wiſſende Göttin, ſtreng und unerbittlich auf Heinrich
von Kleiſts Schultern gewälzt.
Goethe hätte dieſe Leiden nicht ertragen. Er hätte keine geſunde
Entfaltung dabei gewinnen können. Der großen Leidensfähigkeit
ſeiner zarten, reichen Seele entſpricht nicht eine ebenſo große Kraft
des Widerſtandes, des Darüberhinausſteigens. Große Leiden wur⸗
den ihm nicht tragiſch, ſondern ſchrecklich.
Mitten im Leiden die ewige Daſeinsluſt zu feiern, dieſe erhabene
Kraft kennt er freilich wohl — aber er ſcheut ſich doch vor dem
Erlebnis davon. Früh geht er ſolchen ſeiner Dichtungen, die einen
unglücklichen Ausgang zu nehmen drohen, aus dem Wege. Und
92 Abhandlungen
= Sg reifſten Werken bricht er noch ſpät die Spitze der Tra⸗
gik a
Goethe verſagt dem großen Leiden des Lebens ſeinen ſittlichen
Willen. Das tut er aus Selbſtbewahrung. Denn er iſt bei ſehr leicht⸗
beweglicher Seele ſeiner innerſten Kraft, auszuheilen und zu über⸗
winden, ſo ſicher nicht. An potentieller Geſundheit, das heißt: der
Fähigkeit, ſich immer wieder ins Gleichgewicht der inneren Kräfte
zu rücken, beſaß Kleiſt viel mehr als Goethe.
Es iſt gar keine Frage für den, der die Lebensäußerungen Goethes
mit Aufmerkſamkeit beobachtet, daß er unter den Lebensbedingungen
Kleiſts kein Werk von der Klarheit und Heiterkeit des Prinzen von
Homburg' hätte ſchaffen können.
Nun diente Wolfgang Goethe, ſo wie er war, der ſchaffenden Natur,
um Herrlichſtes vor das Auge der Menſchen zu ſtellen. Sie entfaltete
in ihm das edle Bild der Harmonie ruhig und gleichmäßig entwickelter
Menſchlichkeit. Sie tat es, indem ſie die großen, leidenbereitenden
Hinderniſſe ihm ſorgend aus dem Wege räumte.
Kleiſt aber, was ſollte uns Heinrich von Kleiſt? Verkörpern ſollte
ſich in ihm des jungen, werdenden, des neu ſich gebärenden Deutſch⸗
lands Spannkraft!
Wenn Goethe beſchreibt, wie der Genius, der Felſenſtrom, von
ſeinen unſichtbaren, einſamen Quellen auf Bergeshöhn zu herrlich⸗
ſtem Schaffen in der Ebene drunten mächtigwerdend hinbrauſt, ſo
läßt er ihn nicht durch Felſen brechen! „Schlangenwandelnd“ ſagt
Goethe. Sie laſſen ſich alle umgehen, ſeine Berge! Und er wurde reich
an Kraft, und trug ſeine Brüder, ſeine Schätze, ſeine Kinder dem
erwartenden Erzeuger freudebrauſend an das Herz!
Den einen Bruder freilich nicht. Deſſen einſame Kraft brauſte
durch ferne, fremde Regionen, und es gab keine Verſtändigung auf
Erden, herüber und hinüber. Dem türmten ſich Berge auf dem Wege,
die durchbrochen, verſetzt werden mußten! Der ſchreckte nicht zurück!
Dieſer Dichter führte ſeine Geſtalten bis in die tiefſten Leiden, ſeine
Wirkungen bis auf die kühnſten Gipfelhöhen weltüberwindender
Tragik. Deſſen unerſchrockene Seele ſpielte mit ſonnigem Humor über
den düſterſten Abgründen des Leidens. Aus der Verweſung Reiche
lockte er gern Blumen der Schönheit hervor, und Grauen des Schick—
ſals, und rohe Kraft ſchlichter, ſtarker Urgefühle zu leuchtender Schön⸗
heit zu verklären, iſt ſeiner weitgeſpannten Seele jauchzende Luſt!
Jeder großen Aufgabe, jedem großen Leiden iſt ſein ſittlicher Wille
bereit. Unverwirrbare Wahrhaftigkeit des Gefühls, bis zum äußerſten
gehende Konſequenz des Gedankens, unbeirrbar aufs Ziel gerichteter,
ſtraff geſpannter Wille, das iſt Heinrich von Kleiſts Individualitäts⸗
rune. Und dieſem Menſchen, was ſollte Natur ihm anderes bereiten,
als Leiden, Leiden, Leiden? Auf daß das Herrlichſte ſeiner Natur
entfaltet werde, geläutert, geſtählt, bewährt, verherrlicht! Auf daß
Heinrich von Kleiſt und Goethe 93
er in unſerem werdenden Volke daſtehe als eine unendliche Forde—
rung! Und als Kraft der Erfüllung! Es iſt ein anderes um ein
Volk — ob ſolche Worte wie dieſe Kleiſt-Worte darin geſprochen
worden ſind oder nicht: „Türme das Gefühl, das in deiner Bruſt
lebt, wie einen Felſen empor: halte dich daran und wanke nicht,
und wenn Erde und Himmel unter dir und über dir zugrunde
gingen!“ |
— ob Geſtalten darin leben von ſo geſchloſſenem ſittlichem Mut,
von jo bewußter ſittlicher Energie wie dieſer Hermann der Cherusker,
der mit der Sonnenkraft ſeines Gemütes, wenn die vielfältig wogen—
den und widerſtreitenden Vorſtellungen und Leidenſchaften das hei—
lige Ziel zu verdunkeln drohen, jede Trübung zerſtreut: „Verwirre
mein Gefühl mir nicht!“
— ob ſolch eine Forderung innigſten Vertrauens, im tiefſten In⸗
neren gegründeten, jeder Verſuchung trotzenden Vertrauens zu dem,
was man als echt erkannt, herantritt an unſer Innenleben, wie in
der Novelle Die Verlobung auf St. Domingo' die arme Toni es
fordert oder ihre glücklichere Schweſter, das liebliche Evchen im Zer—
brochnen Krug'.
Ein anderes iſt es um eines Volkes Zukunft, ob ſeine heranwachſen⸗
den Geſchlechter ſolche Worte, ſolche Gemütsart finden in der Lebens⸗
luft, die ſie atmen, die ſie bildet. 8
Es iſt uns aus der Seele dieſes ringenden Menſchen eine Über⸗
winderkraft erwachſen, die ſich unſerem Volk in kommenden Leiden
noch bewähren wird. Es iſt aus der Wahrhaftigkeit ſeines Gefühls
und der Redlichkeit ſeines Denkens ein Licht aufgegangen, das noch
manchem, der in der Wirrnis der fremden irdiſchen Einflüſſe bange
das Ewige in der eigenen Bruſt zu behaupten, zu entdecken trachtet,
wunderbar den Weg weiſt.
Ich ſprach von Kleiſts großer Verwandtſchaft mit Goethe. Ich
halte die Behauptung aufrecht, und muß ihr doch eine gegenſätzliche
als Ergänzung hinzufügen: Mit Kleiſt tritt eine neue Seelenraſſe
in Erſcheinung; eine Raſſe, die mit unendlicher Forderung an ſich
und an die Welt in die Zukunft hinausdeutet. (Hier ſcheint mir auch
das Geheimnis davon zu liegen, weshalb Kleiſt heute entdeckt wurde.
Es gibt heute unter uns Menſchen, die zu Kleiſt gehörig ſind, der
Seelenraſſe nach; die ihn unmittelbar verſtehen und die mit ihrem
Jubel die andern mitgeriſſen haben.)
Goethe iſt uns edle Erfüllung; Kleiſt ſteht als neue Forderung
vor uns.
Es konnte aber der Segen, den Heinrich von Kleiſt uns bringt,
nur Ereignis werden in einem Volk, dem die tiefe Herrlichkeit des
Goethe⸗-Weſens in ſeligem Anſchauen inneres Beſitztum geworden iſt.
Und ſo wollte es der ewige Schaffensgeiſt! Zu dieſem Ende fügte
er tiefverwandten Genien ihre irdiſchen Bedingungen ſo verſchieden
94 BER: Abhandlungen
— ob dann auch der alternde Eine den jungen Bruder im brauſen⸗
den Werden nicht verſtehen, nicht ertragen konnte, ſondern in geiftiger
Notwehr ihm vernichtendes Unrecht tat. Hat er ihm doch auch mit
dieſem Unrecht nach der Idee ſeines Lebens gedient!
Und wenn ſpäteren Geſchlechtern nun das Schmerzliche der Er⸗
ſcheinung endlich ins Bewußtſein tritt, und ſie anheben zu fragen
und anzuklagen — fo ſchaut der ſchaffende Menſchheitsgeiſt in ſeiner
lichten Sphäre ein tiefverſöhntes Ineinanderwirken unſterblicher
Geiſter — und lächelt.
c
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien
Von Abraham Suhl (Zürich)
. und Grillparzer lebten lange Zeit zuſammen in Wien. Trotz⸗
dem ſind ſie nicht in nähere Beziehungen zueinander getreten.
Sie hatten gar zu viel aneinander auszuſetzen. Von Grillparzer kann
man wohl einfach ſagen, daß er Hebbel ablehnte. Nicht ſo klar iſt das
Verhältnis Hebbels zu ſeinem älteren Konkurrenten. Die Bemer⸗
kungen darüber in Briefen und Tagebüchern ſind ſchwankend, z. T.
widerſpruchsvoll; Nebenbuhlerſchaft und Klatſch ſpielen hinein; im
ganzen iſt ſicher, daß Hebbel an Grillparzers Kunſt gar vieles un⸗
genügend fand.
Intereſſant iſt nun aber, was ſie aneinander ausſetzen. Grill⸗
parzer ſchreibt z. B. (18, 104 1): „Friedrich Hebbel. In jedem Dichter
iſt ein Denker und ein Künſtler. Hebbel iſt der denkenden Aufgabe
vollkommen gewachſen, der künſtleriſchen aber gar nicht. Oder mit
anderen Worten: Der Gedanke macht ſich bei ihm nicht im Eindruck
geltend, ſondern in der Reflexion.“
So prinzipiell iſt Hebbels Kritik nicht. Aber es iſt faſt nicht we⸗
niger charakteriſtiſch, wenn er (Brief an Eliſe Lenſing) ſich z. B. an
den beiden erſten Akten des Ottokar' begeiſtert, an den drei letzten
bedeutend ernüchtert. Jene erſten zwei Akte bringen, was Hebbel ſelbſt
erſtrebt: eine wuchtige Handlung, Schlag auf Schlag, und einen „maß⸗
loſen“, einſeitigen, mächtigen Charakter. Nun aber, wenn dieſer Cha⸗
rakter umbricht, das Drama in das Innere einer Seele ſein Schwer⸗
gewicht verlegt, wenn für Grillparzer wohl erſt das eigentlich Tra⸗
giſche zutiefſt beginnt, da folgt Hebbel nicht mehr.
Man iſt nun vielleicht raſch geneigt, ſich damit zufrieden zu geben,
den Gegenſatz zwiſchen den beiden Dichtern aus der Eigenart einer
jeden Perſönlichkeit heraus zu verſtehen und beide ſubjektiv im Recht
zu finden. Aber, wie ſchon der oben gebrachte Ausſpruch Grillparzers
andeutet, der Unterſchied zwiſchen ihnen hat eine prinzipielle Note.
Man kann ſich nicht immer für Hebbel und Grillparzer entſcheiden,
ſondern ſehr oft kann es nur heißen: Hebbel oder Grillparzer. Die
) Sämtliche Werke (20 Bände, Stuttgart 1892).
96 Abhandlungen
Vorausſetzungen für ſolche Entſcheidung ſind aber notwendig mit der
Klärung von Kunſtanſichten überhaupt verbunden. Unſer beſonderer
Fall iſt nur ein anſchauliches und intereſſantes Beiſpiel einer all-
gemeinen Frage. Es wird ſich alſo bei der folgenden Betrachtung
jenes prinzipiellen Unterſchiedes, wie er ſich in den Theorien beider
Dichter zeigt, erſt einmal nicht darum handeln können, eine Zuſam⸗
menſtellung, eine Darſtellung dieſer Theorien zu geben, die überaus
große Menge von Ausſprüchen im einzelnen zu unterſuchen, chrono⸗
logiſche Wandlungen aufzuweiſen, ſcheinbare und wirkliche Wider—
ſprüche überall aufzulöſen und zu erklären — ſondern die Aufgabe
wird ſein, aus der ganzen Maſſe dieſer Ausſprüche für jeden Dichter
das Charakteriſtiſche herauszulöſen, um es unter einem prinzipiellen
Geſichtswinkel gegeneinanderhalten und über feine Bedeutung ent-
ſcheiden zu können, wozu eben gleichzeitig die Gründe und Richt-
linien unſerer Entſcheidung jedesmal mitentwickelt werden müſſen.
Hierbei wieder wird es naheliegen, gewiſſe Theorien, die ſich bejon-
ders um Hebbel gebildet haben, auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen
und auch in dieſer Hinſicht klare Stellung zu beziehen. Bei der gan⸗
zen Auseinanderſetzung entrollt ſich eines der intereſſanteſten Ver⸗
gleichskapitel zwiſchen Hebbel und Grillparzer, und ſie ſollte inſofern
die Vorausſetzung, das bedeutſame Vorgefecht für das entſcheidende
Treffen einer vergleichenden Unterſuchung und Wertung der Werke
beider bilden, als ſie geeignet iſt, den Nebel von Argumenten und
Gegenargumenten, die aus den Theorien der Dichter gezogen werden,
einmal zu zerreißen, auf entſcheidende Punkte aufmerkſam zu machen
und einige prinzipielle Richtlinien für eine nachfolgende Wertung
ſicherzuſtellen.
J. Aufgabe der Kunſt.
Der entſcheidende Ausgangspunkt aller Kunſttheorie wird immer
die Frage nach der Aufgabe der Kunſt ſein. Denn je nachdem, was
man als Ziel ſetzt, wird ſich auch alles andere, als Mittel, be⸗
ſtimmen. Bei allen Urteilen, allen Forderungen liegt, ausgeſprochen
oder öfter unausgeſprochen, eine Entſcheidung über dieſe Frage zu⸗
grunde. Und wenn zwei vor einem Gemälde verſchiedener Meinung
ſind, der eine etwa entzückt iſt, wie „großartig naturgetreu“ der Stier
gemalt ſei, der andere eine „langweilige Naturgetreuheit“ zugibt,
aber „Gefühl in der Form“ ſucht, ſo liegt das offenber nicht ſo an
der Subjektivität des Eindrucks, als vielmehr an einer verſchiede⸗
nen Auffaſſung des Kunſtziels. So kommt unwillkürlich die Frage
nach der Aufgabe der Kunſt in den Mittelpunkt jeder Kunſtbetrach⸗
tung zu ſtehen. Natürlich auch bei Hebbel und Grillparzer — und zwar
hier vorerſt mit einem meſſenden Seitenblick nach der Philoſophie.
a) Hebbel erkennt: „Kunſt und Philoſophie haben dieſelbe Auf-
gabe, aber fie ſuchen ſie auf verſchiedene Weiſe zu löſen.“ Die Phi⸗
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 97
loſophie ſei zwar dem Mittelpunkt allen Weltenproblems ſehr nahe
gerückt, ſagt er, aber ihr ſei der Sprung in das myſteriöſe Zentrum
ſelbſt noch nicht gelungen: fie habe die innere Notwendigkeit der Ver⸗
einzelung, die Urſache des Dualismus, noch nicht erklärt; aber wenn
ſie das auch getan hätte, ſei das Drama nicht überflüſſig, es ſei die
realiſierte Philoſophie. Wir ſehen alſo: die Aufgabe der Philoſo—
phie, und ſo wohl auch der Kunſt, ſoll die Erklärung der Notwendig—
keit der Vereinzelung ſein. Der Weg der Kunſt ſoll aber ein anderer
ſein: ſie iſt realiſierte Philoſophie, etwa ſo: die nackte Idee hat eine
Realiſation, das iſt die Welt; die Philoſophie reproduziert dieſe
nackte Idee, die Realiſation dieſer Reproduktion iſt die Kunſt; das
Drama iſt ein Analogon zur Welt. Iſt nun die Aufgabe der Philo—
ſophie ſowohl als „Reproduktion der nackten Weltidee“, wie auch als
„Erklärung der Notwendigkeit der Vereinzelung“ beſtimmt, ſo müßte
beides wenigſtens ſo weit identiſch ſein, daß „Idee“ das in ſich faßt,
woraus die innere Notwendigkeit der Vereinzelung fließt, die Urſache
des Dualismus, und die Welt iſt die Realiſierung dieſer Vereinze—
lung, die Urſache in Wirkung. Wie nun die Philoſophie die Urſache
ſelbſt, ſo decke die Kunſt dieſe Urſache wirkend auf.
Das alſo ſcheint die Aufgabe der Kunſt nach Hebbel, und inſofern
iſt ſie realiſierte Philoſophie.
Hebbel faßt aber ſeine Unterſcheidung zwiſchen Philoſophie und
Kunſt auch jo: die Philoſophie habe die Idee unmittelbar zu er-
faſſen, während die Kunſt ſich beſcheide, alles, was ihr in der Erjchei-
nungswelt widerſpricht, zu vernichten. Auch hier iſt offenbar das
Unterſchiedliche, daß die Kunſt die „Idee“ wirkend geſtaltet; und
zwar wird hier angedeutet wie: „alles, was ihr in der Erſcheinungs⸗
welt widerſpricht, zu vernichten.“ Nun ſagt Hebbel jedoch: dadurch
werde der Dualismus aufgelöſt. Daraus aber geht hervor, daß hier
„Idee“ nicht im oben gemeinten Sinne (die Urſache des Dualismus
faſſend) verſtanden ſein kann. Denn das vernichten, was der Urſache
des Dualismus widerſpricht, kann nicht bedeuten: den Dualismus
vernichten. Offenbar iſt hier „Idee“ einfach platoniſch als Urbild
verſtanden. Und die Welt iſt die Realiſierung dieſes Urbildes injo-
fern, als ſie eine der ungezählten Möglichkeiten ſeines In⸗Erſchei⸗
nung⸗Tretens verwirklicht darſtellt; der Dualismus aber iſt der Zwie⸗
ſpalt zwiſchen Urbild und Erſcheinung, alſo nicht einer in, ſondern
gegenüber der Idee. Nun allerdings iſt auch der Dualismus ver-
nichtet, wenn „in der Erſcheinungswelt vernichtet wird, was der Idee
widerſpricht“. Während alſo die Philoſophie die Idee in völliger
Abſtraktion von ihrer Erſcheinung erfaſſen ſoll, hat die Kunſt ſie in
den Erſcheinungen wirkend zu zeigen, indem ſie darſtellt, wie alles,
was der Idee in der Erſcheinungswelt widerſpricht — und das iſt
st, die Erſcheinung charakteriſierende Individuelle — zugrunde
geht.
VIII 7
98 Abhandlungen
Oben gelangten wir zu dem Ergebnis: die Kunſt habe zu zeigen,
wie die Urſache der Vereinzelung wirkend wird, alſo wie das Indi—
viduelle hervortritt; hier: ſie habe darzuſtellen, wie es zugrunde geht.
Beides ſoll nach Hebbel offenbar zuſammengehen: das Drama hat
zu verkörpern, wie in der Welt das Individuelle hervortreten und
zugrunde gehen muß (Mein Wort über das Drama.’ Vorwort zur
Maria Magdalena’).t)
p) Grillparzer iſt der Anſicht: die Philoſophie ſei eine Art
Wiſſenſchaft; wenn ſie logiſch und wahr das Welträtſel löſen könnte
(und man fühlt, daß er es nicht glaubt), würde die Kunſt überwun⸗
den, nur noch Spielerei ſein. Aber in Wirklichkeit habe bisher der
klare wiſſenſchaftliche Geiſt erſt die unterſten Sproſſen der Leiter er⸗
klommen, und weiter hinauf ragen die Stangen ſproſſenlos in den
Himmel; da ſetze die Kunſt ein, nur fie könne uns eine Anſchauung
der Welt bringen, die allerdings reine Phantaſie iſt; vielleicht ein-
mal ganz kindiſch erſcheinen wird, wenn die Philoſophie die Tat⸗
ſächlichkeit enthüllt; aber bis dahin iſt die unmittelbare Anſchauung
des Alls durch das empfindende Gemüt der einzige Weg, ſich Ant⸗
wort zu verſchaffen auf die unabweisbare Frage nach den letzten
Dingen (15, 11. 61).
Was Grillparzer für die Aufgabe der Kunſt hält, läßt ſich ficht-
lich nicht ſo ganz präzis abnehmen. Nur eins iſt deutlich: daß er die
Kunſt nicht auf die Wirklichkeit bezieht, ſondern ihre Aufgabe darin
beſtehen läßt, rein in der Phantaſie, in der unmittelbaren Anſchauung
des empfindenden Gemütes ein Weltbild zu formen.
II. Schlüſſe auf die Künſtler.
Wir ſehen hierin einen grundlegenden Gegenſatz zwiſchen Hebbels
und Grillparzers Theorie, der für beide charakteriſtiſch iſt.
Grillparzer, ſcheinbar beſcheiden, weicht der Rivalität zwiſchen
Kunſt und Philoſophie aus, indem er gar keinen Anſpruch darauf
macht, daß das Drama wirklich das Rätſel der Wirklichkeit enthülle —
was er offenbar, wie Hebbel, für die Aufgabe der Philoſophie hält —,
weicht dieſer Rivalität ferner dadurch aus, daß er die Philoſophie
einfach für noch unzulänglich erklärt, und befreit ſich ſo von aller
Rückſicht auf die Wirklichkeit und auf das Denken. Grill⸗
parzer, dem anſcheinend Kants „Philoſophie der Beſcheidenheit“,
wie er ſie nennt, als eine gefällt, „die, gerade weil ſie dem Denken
ſeine Grenzen ſetzt, der Ahnung und Empfindung möglich mache,
die leer gewordenen Räume als Religion und Kunſt auszufüllen“.
Grillparzer iſt mit ſeiner Anſicht ſubjektiv ganz berechtigt, denn ihm
1) Auf die ſichtliche Inkongruenz der Definitionen gehe ich nicht ein. Uns
intereſſiert nicht das einzelne Reſultat, ſondern die prinzipielle Richtung dieſes
Kunſtdenkens.
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 99
gibt das Denken eben nicht die Möglichkeit, zum letzten Begreifen
zu kommen. Ihm iſt die Dichtkunſt, wie er ſagt: Philoſophie und
Phyſik, Geſchichte und Rechtslehre, Liebe und Neigung, Denken und
Fühlen (Briefe und Tagebücher 2, 122).
Und, was uns an dieſen Anſichten eben intereſſiert, ſie können den
Dichter nur zur völligen Selbſtändigkeit leiten. Das aber iſt das
Grunderfordernis wahrer Kunſt.
Anders Hebbel. Scheinbar ſelbſtherrlich, wie ſeine Natur ſonſt,
findet er in Philoſophie und Kunſt ebenbürtige Rivalen, aber noch
mehr: Rivalen, die einander nie ausſtechen können, ſondern, wie er
ſogar jagt, einander nötig haben (Vorwort zur Maria Magdalena’).
Ebendieſe Anſicht aber verleitet ihn, die Kunſt vom Standpunkte der
Philoſophie rechtfertigen zu wollen, und zwar der Philoſophie, wie
er ſie verſteht! Wie er nun die Philoſophie auf die Erklärung der
Wirklichkeit richtet — nämlich die Erklärung der Notwendigkeit der
Vereinzelung z. B., in unſerer wirklichen Welt doch — ſo bezieht
er auch die Kunſt auf die Wirklichkeit. Er gibt ihr eine handgreif—
liche, ich möchte ſagen wiſſenſchaftliche Aufgabe. Und dieſe Theorie
kann ſichtlich zu nichts eher verleiten als zu einer Unſelbſtändigkeit
des Dichters (der ja rein mit Gefühlen zu arbeiten hat und auf eine
ganz andre Wirklichkeit als die der relativen Welt gerichtet iſt) gegen-
über der tatſächlichen Wirklichkeit und der Philoſophie. D. h. letzten
Endes würde durch eine ſolche Theorie die ſouveräne Kunſt zu etwas
Demonſtrierendem erniedrigt und von ihrem wahren Ziele abgelenkt.
Zwar haben wir oben den Begriff „realiſierte Philoſophie“ in
einem Sinne entwickeln können, der Hebbel rechtfertigt, wenn er den
Vorwürfen verächtlich entgegentritt, die aus dieſem Begriffe Anlaß
nehmen, zu ſagen, Hebbels Theorie ſchreibe der Kunſt vor, Demon—
ſtrationspuppen für die jeweilige Philoſophie zu ſchaffen; man könnte
ihm ebenſogut vorwerfen, ſeine Theorie ſchreibe der Welt vor, eine
Demonſtration für die Weltidee zu ſein; Hebbel meint ja gar nicht
nur zu ſagen: die Kunſt ſolle ſo ſein, ſondern er glaubt, daß ſie
ſchon von ſelber und unabhängig ſo iſt und ſein muß.
So meinen wir alſo auch nicht, direkt aus Hebbels Theorie zu
folgern, ſie müſſe zum Demonſtrieren und zur Unſelbſtändigkeit
führen, ſondern wir ſchließen nur indirekt als Möglichkeit, daß eine
ſolche Theorie, die das Kunſtwerk auf Erklärung der Wirklichkeit be⸗
zieht (und zwar mit einer faſt präziſen Angabe, was im beſonderen
nachzuweiſen ſei), einen Dichter verleiten könne, auf eine nicht
dichteriſch erſt zu erringende, ſondern ſchon gedanklich
fixierte „Weltanſchauung“ hinzuarbeiten, wo dann allerdings
das Werk letzten Endes nur Demonſtration und als Kunſtwerk un-
wahr wäre.
Vor dieſer Möglichkeit müßte feine Theorie wenigſtens Grill-
parzer ſchützen, der ſich dahin äußert, „daß, da metaphyſiſche und
100 Abhandlungen
religiöſe Ideen wandelbar find, der Charakter des Schönen aber ein
unwandelbarer, ſich die Kunſt auf etwas Feſteres gründen müſſe, als
metaphyſiſche und religiöſe Ideen ſind, auf den Menſchen und die
Natur nämlich“ (16, 31); in welcher (ſchiefen) Formulierung uns
immer wieder die ſouveräne Selbſtändigkeit illuſtriert iſt.
III. Sinn und Bedeutung der Souveränität der Kunſt.
Worin liegt nun die behauptete Bedeutung dieſer Selbſtändigkeit? |
Worin liegt der Fehler, wenn auf eine „ſchon gedanklich fixierte
Weltanſchauung“ hingearbeitet wird? Sagen doch viele (und bauen
ihre ganze Kunſtanſicht darauf), daß es gerade die Aufgabe des Dich⸗
ters ſei, eine Weltanſchauung darzuſtellen, und daß der Dichter „ſeine
Weltanſchauung ins Werk lege“!
Bevor ich darauf antworte, möchte ich auf die Auffaſſung der Phi-
loſophie hinweiſen, die ſowohl Hebbel als auch Grillparzer zu haben
ſcheinen. Sie reden beide von der Aufgabe der Philoſophie in einem
Sinne, der ſie veranlaßt, ſich zu überlegen, ob die Kunſt noch Be⸗
rechtigung habe, wenn die Philoſophie die „Aufgabe gelöſt“ hat.
Und dabei präziſiert Hebbel dieſe Aufgabe auch, z. B. dahin, die Not⸗
wendigkeit der Vereinzelung zu erklären. Das wäre nun, ſagen wir,
eine Art wiſſenſchaftlicher Aufgabe. Und es wäre nicht einzuſehen,
warum in dem Moment, wo ſie gelöſt wäre, noch immer neue philo⸗
ſophiſche Syſteme geſchaffen würden. Die Löſung des Problems wäre
nun einmal da, und die Welt müßte beruhigt ſein. Nichts wäre
lächerlicher als dieſe Anſicht, die das ewige Problem in der Art einer
Rechenaufgabe faßt.
Ob nun wirklich die Aufgabe der Philoſophie ſo beſchaffen iſt,
haben wir hier nicht weiter zu behandeln. Hingegen wollen wir feſt⸗
ſtellen, daß die Aufgabe der Kunſt ſicherlich nicht von dieſer Art iſt,
wie zum mindeſten Hebbel es in Analogie zur Philoſophie aufzuſtellen
ſcheint.
In der Wiſſenſchaft, die ſich auf die Feſtſtellung der Tatſächlich⸗
keiten unſeres relativen Lebens bezieht, und deren Einzelwahrheiten
etwas ſür jeden Erlernbares und für jeden Fixiertes darſtellen, wäre
es allerdings ſehr töricht, eine einmal gefundene Tatſache immer
wieder neu unterſuchen und auffinden zu wollen. Dagegen haben
wir in der Kunſt den Fall ſo, daß jedes Werk einen Weg nur
fixiert, auf dem jeder, der ihn nachſchreiten kann, ſich ſelbſt das Re⸗
ſultat erſt erringen muß. Die Kunſt iſt etwas Nicht-Erlernbares,
Intuitives, ihr Ziel iſt über die Sphäre der Relativitäten erhoben
und läßt ſich eben nicht fixieren. Sie faßt eine ewige „Aufgabe“, die
ſich jeder ſelbſt „löſen“ muß. Das iſt kein Rechenexempel, deſſen
Reſultat man überliefern kann.
Nehmen wir nun an, daß auch die Aufgabe der Philoſophie gleicher
Art wie die der Kunſt iſt, ſo zeigt ſich, daß keins dem anderen die
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Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 101
„Löſung“ der „Aufgabe“ vorwegnehmen kann. Die da in Werten des
Gefühls zur höchſten Vernunft kommen, werden in Kunſtwerken —
und nur in ihnen ſich hinaufſchwingen, und die, denen die Abſtrak—
tionen des Verſtandes naheliegen, werden in der Philoſophie zum
höchſten Begreifen kommen.
Wer aber, entgegen unſerer Meinung, findet, daß die Philoſophie
eine anders (wiſſenſchaftlich) geartete Aufgabe hat, der kann erſt recht
nicht glauben, daß eins dem anderen die „Löſung“ wegnehmen könne.
Daß aber ferner auch ein Kunſtwerk das andere nicht überflüſſig
machen kann, folgt ebenfalls aus ſeiner Auffaſſung als Weg. Ent⸗
ſprechend der unendlichen Möglichkeit von Modulationen der einem
jeden am meiſten angepaßten -Abſtraktionen, die im letzten wohl bei
jedem Individuum variieren, werden die Menſchen auf immer neuen
Wegen dem einen Ziel zuſtreben und müſſen es auch. Darin liegt
alſo die unendliche Berechtigung und Notwendigkeit immer neuer
Kunstwerke und der Grund ihrer unaufhörlichen Erzeugung. Jahr-
tauſende hinter uns, Jahrtauſende vor uns ſind ſich darin gleich.
„Fortſchritt“, „Aufgabe“, „Löſung“ ſind ja nur kleine, allzumenſch—
liche Begriffe. Und dieſes Erhobenſein iſt nicht eine Eroberung ein
für allemal, ſondern will unaufhörlich und von den verſchiedenſten
Seiten errungen ſein. Es iſt ein Kampf in Permanenz, der nicht nur
irgendeine Teil⸗Erkenntnis bringen, ſondern den ganzen Menſchen
formen ſoll.
Weil nun aber jeder Menſch aus ſeinen Organen, aus ſeinen Mög⸗
lichkeiten, aus den ihm am nächſten liegenden Abſtraktionen ſich zum
Ziel erheben muß, muß jedes Werk als ein Syſtem beſonders gear-
teter Abſtraktionen vollkommen ſein, in ſich ſelbſt Anfang und Ende
tragen, muß der Weg fein, den ein Menſch in ſeinen beſonderen Ab⸗
ſtraktionen zur Löſung ging. Er darf und kann keine Löſung voraus⸗
ſetzen, die für ihn ja gar nicht gilt, die zu erzielen ja überhaupt der
Sinn ſeines Werkes erſt iſt. Da liegt der Fehler, wenn auf eine ſchon
gedanklich fixierte „Weltanſchauung“ hingearbeitet wird. Soll alſo
3. B. eine Dichtung zum Ziel führen — und nur dann iſt fie ja eine
wahre Dichtung — ſo muß ſie rein auf den Gefühlswerten, aus
dichteriſchen Abſtraktionen aufgebaut ſein. Darin liegt die
behauptete Bedeutung der Selbſtändigkeit des Dichters. Er darf nur
rein dichteriſche Wege verfolgen, weil es eben ſeine Eigenart und
Möglichkeit iſt, auf dichteriſchem Wege das zu erreichen, was der
Philoſoph auf philoſophiſchem (nach meiner Auffaſſung von einer
überwiſſenſchaftlichen, aufs Abſolute gehenden Philoſophie).
Anmerkung. Allerdings heißt das nicht, daß Gedanken nun ganz ausge⸗
ſchloſſen ſind. Nur ſind ſie nicht Ziel. Grillparzer ſagt: metaphyſiſche Ideen
ſeien wandelbar, und der Dichter dürfe ſich nur auf den Boden allgemein
menſchlicher Anſchauungen ſtellen, da ihn nur ihre ſubjektive und nicht ihre
objektive Berechtigung angehe; und er berührt damit die grundlegende Tat⸗
ſache, daß der Dichter, der mit Gefühlswerten arbeitet, auch Ideen, Urteile —
102 Abhandlungen
und Vorurteile — zwar gebrauchen kann, aber nur inſofern, als gewiſſe Ge⸗
fühle unter ihrer Marke kurſieren, daß fie ſelbſt aber ihm, als Künſtler, gleich-
gültig ſind oder doch ſein können. Er hat ſie nicht zu demonſtrieren oder
zurechtzuſetzen, ſondern hebt ſie ſchließlich gleicherweiſe, als relativ auf; ja
ſogar dort, wo er ſcheinbar eine Idee an die Spitze ſtellt, bedeutet ſie, ſofern er
nur wirklich dichteriſch verfährt, nichts mehr und nichts weniger als ein Sujet,
anregenden Stoff, Mittel. Im beſten Falle entſteht ein beſonderer Stil.
Hat man dies eingeſehen, ſo verſteht man auch, daß ein Unterſuchen des
Kunſtwerks auf die „großen und notwendigen Ideen“ (Hebbel und ſein Kreis)
am Weſentlichen ganz vorbeigeht. Ideen ſind wohlfeil, ſagt Grillparzer, und
die Kunſt mache das Geſtalten aus (15, 27. 33. 36. 18, 137). Das iſt aber
nicht etwa die Anſchauung eines „Technikers“. Nein, das weiſt darauf hin, daß
eben die „Ideen“ dem Dichter nicht Ziel, ſondern Sujet höchſtens ſind, alſo gar
nicht das Weſentliche. Dies liegt im „Geſtalten“, d. h. im Dichten, im Schrei⸗
ten auf dem Wege gefühlsmäßiger Abſtraktionen zum wahren Ziel, das
nur ſo erreichbar iſt. :
Insbeſondere läßt ſich nun aber weiter jagen, daß auch gedanklich
ſich eine Weltanſchauung, wie wir ſie verſtehen, nämlich nicht als
totes Wiſſen, ſondern als Erleben und Erhobenſein zum Schauen
sub specie aeternitatis, worin das Glück liegt, nicht „fixieren“ läßt,
da ſie ja erſt aus den mehr ſymboliſch zu nehmenden Einzelbegriffen
aufwächſt. Eine ſolche gedankliche Fixierung kann nur einen bloßen
Begriff treffen, alſo etwas, das nur ein Mittel zum Ziel ſein
könnte. Und ein Werk auf eine „fixierte Weltanſchauung“ beziehen,
heißt ſomit, ſtatt zum Ziel, auf ein Einzelnes, Wertloſes, Relatives
hinarbeiten. Darum iſt jedes auf eine ſchon „gedanklich fixierte Welt⸗
anſchauung“ hinarbeitende Kunſtwerk von vornherein wertlos.
Ferner „legt“ der Dichter, der eben entwickelten Anſchauung zu⸗
folge, nicht „ſeine Weltanſchauung in ſein Werk“, wie eine gewiſſe
Ideologie zu ſagen pflegt, ſondern das Werk iſt das Ringen um ſie
und das Erringen derſelben. Und wie Hebbel ſelbſt in einer Kritik
eines an Schiller gerichteten Körner-Briefes ſo richtig bemerkt: der
Maler würde nie den Pinſel ergreifen, wenn die Göttin, die er in den
Wolken ſieht, vor ihm ſchon alle Schleier abgeworfen hätte, erſt durchs
Malen erobere er ſie ſich! — d. h. nicht aus Weltanſchauung, ſon—
dern aus Sehnſucht, Ahnung zur Weltanſchauung ſchafft der Künſt⸗
ler, das Geſtalten iſt zugleich erſt das Erringen!
Zu unſerer Darlegung zurückkehrend, daß Hebbels und Grillparzers
Theorien über die Aufgabe der Kunſt uns zwar beide an und für
ſich unrichtig erſcheinen, wir aber aus ihnen eine verſchiedene Wir-
kung auf den Dichter vermuten können, nämlich, daß die Grillpar—
zers nur deſſen Selbſtändigkeit als Dichter unterſtützen, die Hebbels
ihn zur dichteriſchen Unſelbſtändigkeit, zum Hinarbeiten auf eine ſchon
gedanklich fixierte „Weltanſchauung“ (d. h. alſo auf einen Begriff)
verleiten können, ſtellen wir feſt: falls ſich dies tatſächlich in Hebbels
Werken bewahrheiten ſollte, ſo hätten wir in ihnen keine wahre Dich—
tung.
re
Hebbel und Grillparzerinihren Theorien 103
IV. Tragiſche Schuld und Verſöhnung.
Der gekennzeichnete Gegenſatz zwiſchen Hebbels und Grillparzers
Theorien von der Aufgabe der Kunſt läßt ſich auch in anderen weſent—
lichen Anſichten über Kunſt (insbeſondere Drama) verfolgen.
a) Wir haben gefunden, daß Hebbel die Kunſt, das Drama, auf
die Wirklichkeit bezieht, und zwar nach ſeinem philoſophiſchen dua—
liſtiſchen Standpunkt, und haben auch erkannt, welche grundſätzliche
Gefahr darin liegt. Ebendieſe Richtung können wir auch in der für
ihn als Dramatiker gewiß bedeutſamen Unterſuchung über tragiſche
Schuld und Verſöhnung verfolgen, wo er eigentlich nur des wei—
teren die Aufgabe der Kunſt darlegt.
Hebbel erkennt ganz objektiv das Geſetz des Dualismus im Leben,
konſtruiert aus ihm eine „Schuld“ des Lebens und eine „Verſöh—
nung“ des Lebens, überträgt dieſe als tragiſche Schuld und Ver—
ſöhnung in die Kunſt, ins Drama, und glaubt anſcheinend, daß
damit auch deſſen Ziel erfüllt wäre (das ja nicht das der Philoſophie
ſein ſoll: unmittelbar die Urſache des Dualismus zu enthüllen,
ſondern nur: dieſe Urſache wirkend darzuſtellen), indem es uns ſo
die Geſetze des Daſeins offenbart. Seine Theorie ſtellt ſich mir un⸗
gefähr ſo dar: Der Dualismus iſt, ſpeziell ausgedrückt, der zwiſchen
Weltwille und Einzelwille. Im Kampfe dieſer beiden formt ſich erſt
das Individuum. Je mehr nun das Individuum Individuum iſt,
um jo mehr muß es gegen den Weltwillen ankämpfen, um jo ſchnei—
dender wird alſo der Dualismus. Das iſt aber gerade das Weſen
des Individuums, daß es ſich als Sonderbewußtſein und Sonder—
wille aus dem All heraushebt: darin beſteht es. Das aber gerade
iſt auch, was Hebbel die „Maßloſigkeit“ nennt, das, worin die
Schuld des Individuums beſteht. Dieſe iſt alſo uranfänglich, von
dem Begriff des Menſchen nicht zu trennen und fällt kaum in ſein
Bewußtſein. Sie begleitet alle menſchlichen Handlungen, wir mögen
uns dem Guten oder Böſen zuwenden, das Maß können wir hier
wie dort überſchreiten. Aus der Maßloſigkeit folgt aber auch der
Untergang des Vereinzelten, ſo daß in ihr auch die Verſöhnung
liegt; das Individuum ſelbſt nämlich iſt die Krankheit, ſein Unter-
gang der der Krankheit, alſo die Heilung, die Verſöhnung, nämlich
der Idee.
Analog hat man bei Hebbel die tragiſche Schuld zu verſtehen:
da die Schuld nicht erſt aus der Richtung des menſchlichen Willens
entſpringt, ſondern aus dem Willen ſelbſt, aus der ſtarren eigen—
mächtigen Ausdehnung des Ichs, iſt es dramatiſch völlig gleichgültig,
ob der Held an einer vortrefflichen oder verwerflichen Beſtrebung zu—
grunde geht, ja, korrigiert ſich Hebbel ſpäter, es iſt notwendig für
das erſchütterndſte Bild, daß jenes, nicht dieſes geſchieht; da aber die
„Schuld“ etwas metaphyſiſch Konſtruiertes, Unausweichliches iſt,
104 Abhandlungen
fällt fie konſequenterweiſe auch kaum ins Bewußtſein, ſondern die
tragiſche Schuld entſteht gerade aus der unbeirrten Einſeitigkeit, der
Maßloſigkeit der Figuren (Mein Wort über das Drama'. Vorwort
zur Maria Magdalena’).
Was nun die Theorie der Verſöhnung anbetrifft, ſo iſt es viel⸗
leicht angebracht, ſie etwas näher zu verfolgen, da man gerade dem
Dualiſten Hebbel, wie man ihn nennt, die Verſöhnung abſtreiten
möchte, indem man behauptet, das Unterſchiedliche des Dualiſten
gegenüber anderen Dichtern läge darin, daß bei ihm der Zwieſpalt,
aus dem ja ſchließlich alle großen Dramen hervorwachſen, beſtehen
bleibe. Hebbel ſchreibt aber mit viel Nachdruck: „Das Drama, wie
ich es konſtruiere, ſchließt keineswegs mit der Diſſonanz.“ So ſpricht
er allerdings in der publizierten Antwort an Heiberg. Ins Tagebuch
ſchreibt er noch 1842: „Es gibt keine Verſöhnung“, 1843 aber: er
wolle die Verſöhnung und zwar der Idee, nicht des Individuums,
und erklärt in einer weiteren Notiz näher, die Verſöhnung im Tra⸗
giſchen geſchehe im Intereſſe der Geſamtheit, nicht des einzelnen,
und es ſei gar nicht nötig, obgleich beſſer (!), daß der einzelne ſelbſt
ihrer bewußt werde. Vom ſelben Jahr aber finden wir die Bemer⸗
kung: „Es iſt töricht, vom Dichter zu verlangen, was Gott ſelbſt
nicht darbietet, Verſöhnung und Ausgleichung der Diſſonanz.“ Nicht
lange nachher notiert er jedoch: „Verſöhnung im Drama: Heilung
der Wunde durch den Nachweis, daß ſie für die erhöhte Geſundheit
notwendig war.“
Dieſe Zuſammenſtellung zeigt, daß die Behauptung, Hebbel laſſe
den Zwieſpalt beſtehen, in ſeiner Theorie allerdings auf einiges ſich
berufen darf. Aus den Tagebuchnotizen wenigſtens ergibt ſich ein
ſchwankendes Bild. Die Sache liegt aber ſichtlich ſo, daß Hebbel
ſeinem metaphyſiſch konſtruierten Begriff von i die nicht
eine ins Empfinden fallende iſt, eine ebenſo konſtruierte, Verſöhnung“
entgegenſtellt, die ebenfalls nicht bewußt wird (deswegen iſt das oben
angemerkte „obgleich beſſer“ als gar nicht aus Hebbels Theorie flie⸗
ßend intereſſant); wenn er nun die Verſöhnung ablehnt, ſo meint er
offenbar die empfundene, und wo er ſie annimmt, iſt klar, daß er
von einer beſonderen, gar nicht gefühlten ſpricht. (In dieſer Abſtrakt⸗
heit, falls ſie ſich auch in Hebbels Werken finden ſollte, würde aller⸗
dings ein Unterſchied gegenüber anderen Dichtern liegen, eben weil
echte Dichtwerke in ſich ſelbſt ruhen und ſich nicht auf Abſtraktem
aufbauen. Wäre alſo Hebbel auch in ſeinen Werken ein „Dualiſt“,
ſo läge in dieſer Bezeichnung ein Vernichtungsurteil.)
Aber wir können von Hebbels Begriff der Verſöhnung noch mehr
ausſagen, als daß er abſtrakt ſei. Wie die Schuld nur eine gegenüber
dem Weltwillen, gegenüber der Idee iſt, ſo iſt auch die Verſöhnung
nur eine der Idee. Und zwar beſteht ſie darin, daß ſie die unvoll⸗
kommene Vereinzelung untergehen läßt, ſo die dualiſtiſche Form des
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 105
Seins auflöſt und die Idee von ihrer mangelhaften Form befreit.
Das alſo iſt die „Verſöhnung der Idee“. Und gerade in dieſer Ver-
ſöhnung findet Hebbel den beſonderen Weg der Kunſt, der Aufgabe
zu genügen: alles, was der Idee „in der Erſcheinungswelt wider—
ſpricht, zu vernichten“. So iſt es alſo gerade die Aufgabe des Dra—
mas nach Hebbel, die Schuld aufzuheben, wie er ſich ausdrückt, wenn
auch nicht die causa prima, den inneren Grund der Schuld zu ent—
hüllen, die Notwendigkeit der Vereinzelung.
b) Hören wir dagegen Grillparzer: „Dem geſamten Altertum wird
der Marionettendraht, die Schickſalsidee beigegeben, und Atriden
und Labdakiden mußten ſich abmartern, bloß um den breitgetretenen
Heiſcheſatz: daß niemand ſeiner Beſtimmung entgehe, beiſpielsweiſe
einzuſchärfen. . . Mit dem Schubfache der neueren Zeit ging das
nicht ſo leicht an. Daß namentlich das Tragiſche im Kampfe der
Freiheit mit der Notwendigkeit liege, darüber war man bald einig,
nur darüber nicht, ob der Freiheit oder ihrer Gegnerin der Sieg
bleiben ſolle — ein kleiner Unterſchied, wie man ſieht. Statt eines
allgemeinen Prinzips ward daher jeder einzelnen Hervorbringung
ein beſonderes zugewieſen, eine Schulidee, deren Verfinnlichung die
Aufgabe des Kunſtwerkes ſein ſollte; ein Satz, und zwar kein mora=
liſcher — worauf hingearbeitet zu haben, man den Vorgängern ſehr
übel nahm — ſondern womöglich ein theoretiſch-dogmatiſcher, was we—
niger veraltet, dafür aber bedeutend lächerlicher war.“ „Im Trauer-
ſpiel . . . wird entweder der Freiheit über die Notwendigkeit der Sieg
verſchafft oder umgekehrt. Die Neuern halten das erſte für das allein
Zuläſſige, worüber ich aber ganz der entgegengeſetzten Meinung bin.
Die Erhebung des Geiſtes, die aus dem Siege der Freiheit ent—
ſpringen ſoll, hat durchaus nichts mit dem Weſen des Tragiſchen
gemein und ſchließt nebſtdem das Trauerſpiel ſcharf ab, ohne jedes
weitere Fortſpielen im Gemüte des Zuſchauers zu begünſtigen, was
eben die eigentliche Wirkung der wahren Tragödie ausmacht. Das
Tragiſche, das Ariſtoteles nur etwas ſteif mit Erweckung von Furcht
und Mitleid bezeichnet, liegt darin, daß der Menſch das Nichtige des
Irdiſchen erkennt, die Gefahren ſieht, welchen der Beſte ausgeſetzt iſt
und oft unterliegt; daß er, für ſich ſelbſt feſt das Echte und Wahre
hütend, den ſtrauchelnden Mitmenſchen bedauere, den Fallenden nicht
aufhöre zu lieben, wenn er ihn gleich ſtraft, weil jede Störung ver-
nichtet werden muß des ewigen Rechts. Menſchenliebe, Duldſamkeit,
Selbſterkenntnis, Reinigung der Leidenſchaften durch Mit⸗
leid und Furcht wird eine ſolche Tragödie bewirken. Das Stück
wird nach dem Fallen des Vorhangs fortſpielen im Inneren des Men⸗
ſchen, und die Verherrlichung des Rechts, die Schlegel in derber An-
ſchaulichkeit auf den Brettern und in den Lumpen der Bühne ſehen
will, wird glänzend ſich herabſenken auf die ſtill zitternden Kreiſe
des aufgeregten Gemütes“ (15, 80. 87). |
106 Abhandlungen
V. Schlußfolgerungen; über die Bedeutung tragiſcher Schemata.
Grillparzer hat nicht die Abſicht, ſcheint mir, eine Theorie über
das Tragiſche aufzuſtellen; er hält das, wie auch aus anderen Stel-
len hervorgeht, für ausſichtslos und nutzlos. Er ſchreibt ganz allge—
mein; was er als tragiſch definiert, iſt empiriſch und gibt mehr eine
Schilderung der Wirkung des echt Tragiſchen, als einen Verſuch
über ſein Weſen. Er denkt ſich das Kunſtwerk als ein Mittel, gewiſſe
Erregungen ausgehen zu laſſen, und auf dieſe zielen ſeine Argu—
mente, nach dieſen mißt und verwirft er die Theorie. Hebbel dagegen
betrachtet die Geſetze des Daſeins und findet ihre Erkenntnis,
ihre Enthüllung im Drama — eben wohl, was Grillparzer ſpöt—
tiſch einen „theoretiſch-dogmatiſchen Satz“ „beiſpielsweiſe einzu-
ſchärfen“ nennt.
Wir haben das ſchon in ihren Beziehungen zur Philoſophie ein-
geſehen: Grillparzer glaubt nicht, daß das Kunſtwerk die Tatjächlich-
keit enthüllt, ſondern daß es reine Phantaſie, etwas aus der menſch—
lichen Empfindung Entſtandenes iſt: „die Geſtalten find die Ge—
danken, die Überzeugung der Beweis“, und: das Kunſtwerk will
erheben über die Nichtigkeiten; Hebbel aber findet in der Kunſt
eine Realiſation der von der Philoſophie reproduzierten Idee, und
dementsprechend ſtellt er die Ubereinſtimmung der Kunſt mit der ob-
jektiven Erkenntnis feſt; ſie iſt ihm nicht etwas (gegenüber der rela—
tiven Tatſächlichkeit) nur ſubjektiv Menſchliches.
Die ganze Unterſuchung kann ſich nur um die Frage drehen, welche
Wirkung die verſchiedenen Motive ausüben können, und darnach
zu beſtimmen, was tragiſch ſei oder nicht, denn nur auf die Wirkung
kommt es an. Darin liegt ſchon mein Urteil über Hebbels und Grill-
parzers Theorie. Ich habe gegen die letztere in ihrer Richtung nichts
einzuwenden, und gegen die erſtere bemerke ich nur, daß ſie ſich viel
mehr bemüht feſtzuſtellen, was nach metaphyſiſch orientierten Not⸗
wendigkeiten tragiſch ſei, als was tragiſch wirkt; und nur dies
darf uns intereſſieren, während jenes dichteriſch gleichgültig iſt.
Gerade weil ich aber alles auf die Wirkung bezogen haben möchte,
kann ich in der Unterſuchung tragiſcher Schemata nicht das letzte
Heil finden, da auch das beſte tragiſche Schema abſolut nicht auch
die tragiſche Wirkung verbürgt. Das Schema enthüllt im beſten
Falle nur die Möglichkeit dazu. Die Wirklichkeit des Tra-
giſchen aber wächſt aus jenem lebendig wirkſamen Geſtalten des
Dichters.
Vielleicht können das, was ich unter „Geſtalten“ hier verſtehe, einige über⸗
legungen verdeutlichen. Grillparzer ſagt z. B. über Shakeſpeare, er bringe oft
ganz plötzlich und unmotiviert ſeine Wandlungen: Romeo liebt noch Roſalinde
und plötzlich ſeine Leidenſchaft für Julia; Othello liebt ſein Weib und plötzlich
nach einigen Worten Jagos feine raſendſte Eiferſucht uſw.; Shakeſpeare ver⸗
ſtehe es aber, ſo hinreißend wahr und eindringlich die Leidenſchaft Romeos für
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 107
Julia zu ſchildern, die Worte des Jago zu ſetzen und die Eiferſucht des Mohren
zu malen, daß man vergißt, über die Motivierung nachzudenken, und glaubt,
weil es vor uns lebt. Hier iſt der „Fehler“ im Schema ganz richtig als völlig
zurücktretend charakteriſiert gegenüber dem Weſentlichen, dem Geſtalten. Und
wäre umgekehrt die Motivierung unangreifbar im Schema — das Stück wäre
trotzdem dichteriſch nichtig, wenn jenes Geſtalten fehlte, das unmittelbar dich⸗
teriſch überzeugt und hinreißt, das wir „Leben“ nennen, das aber in Wirklich⸗
keit eben jenen Weg der zielenden Gefühlsabſtraktionen bedeutet. Das Schema
iſt immer noch etwas verſtandesmäßig Feſtſtellbares, und für ſich betrachtet
iſt es ſchon etwas ganz anderes als im Organismus des Dramas, weshalb ſo
ande Reſultate aus der beliebten ſchematiſchen Betrachtung hervorgehen
müſſen.
Vielleicht noch draſtiſcher wäre ein Beiſpiel aus der bildenden Kunſt. Man
hört viel über Linie, Aufbau, Poſen antiker Skulpturen in einer Art reden,
als wenn wirklich das klaſſiziſtiſche Schema auch die Güte dieſer Skulptur ver-
bürgt. Aber wir haben Überreſte antiker Werke, Arme, Beine, Rümpfe, bei
denen von Poſe, Linie des Zuſammenhangs uſw. nicht geſprochen werden
könnte; ſie ſind herausgeriſſen aus dem Zuſammenhang und wirken doch groß;
es lebt eine Geſtaltungskraft in ihnen, die keine „Logik des Geſamtaufbaus“
erklären kann. Dieſes auch da noch wirkſame Element, das ſich nie und nimmer
erräſonnieren läßt, iſt das urſprünglich und eigentlich künſtleriſche. Das, was
ich künſtleriſche Abſtraktion nenne. Auch in der Dichtung. Von dieſer Haupt⸗
bedingung jedoch, auch für die tragiſche Wirkung, kann man theoretiſch nichts
ausmachen (wenn man ſich auch auf ſie, die Abſtraktionen, gerade unbedingt
beziehen muß). Die dichtet man eben. Wo ich im folgenden mich mit ſolchen
Schemata beſchäftige, handelt es ſich eben nur um Schemata, um Möglichkeiten.
VI. Tragiſche Charaktere und tragiſche Fabel.
Aus den verſchiedenartigen Anſichten über das Tragiſche laſſen
ſich nun auch einige Folgen einſehen oder wenigſtens vermuten in Be⸗
zug darauf, wohin unſere Dichter nach der Theorie den Schwerpunkt
im Drama legen müßten, worin bei ihnen das Tragiſche ſich aus⸗
drücken müßte (ſofern ſie tragiſch wirken wollen).
Hebbels Theorie, die eine unausweichliche geſetzmäßige Allſchuld
und daraus folgend ihr Nicht⸗ins⸗Bewußtſein⸗Fallen und unbeirrte
Einſeitigkeit der Figuren ergibt, ſchließt nämlich tragiſche Charak—
tere aus. Die unbeirrte, ſich kaum einer oder richtiger keiner Schuld
bewußte Einſeitigkeit kann tragiſche Folgen haben, d. h. ſie kann eine
tragiſche Geſchichte ermöglichen, aber in ihr ſelbſt kann nicht die
Tragödie ruhen. Ich könnte mir denken, daß Hebbel bei ſeiner Theorie
das Beiſpiel von dem Mädchen vorſchwebte, welches gerade wegen
ſeiner Schönheit und ſtandhaften Unſchuld in Leiden und Unglück
gerät und untergeht. Aber dieſes Mädchen, das nicht ſtrauchelt, das
von Anfang bis zu Ende ſich nichts vorzuwerfen, keinen Zwieſpalt
im Bewußtſein hat und bleibt, was es war, iſt keine tragiſche Figur,
ſondern ihre Geſchichte, ihr Schickſal iſt nur tragiſch. Und gerade
damit die Geſchichte tragiſch ſei, darf das Mädchen möglichjt nicht
wanken und muß an ſeiner Vortrefflichkeit zugrunde gehen, wie ja
Hebbel davon ſpricht, daß „für das erſchütterndſte Bild“ der Held
an einer vortrefflichen Beſtrebung ſcheitern muß. Und hier, für die
108 Abhandlungen
tragiſche Geſchichte, reicht Hebbels Theorie inſofern vortrefflich zu,
als ſie erlaubt, die „Schuld“ in der Schönheit und Unſchuld zu
finden, injofern ſie maßlos find; und dieſe Schuld bleibt natürlich
unbewußt.
Grillparzers Schuldbegriff dagegen, der nur mit der Wirkung
rechnet und nicht metaphyſiſch orientiert iſt, ſondern ſogar tatſäch⸗
lich eine „Verletzung des ewigen Rechts“ faßt, alſo ein Schuldbegriff,
der wirklich mit Schuld mehr oder weniger im bewußten Sinne
(wenn auch ebenfalls nicht aus dem moraliſchen Geſichtspunkte)
arbeitet, bedingt geradezu den tragiſchen Charakter. Denn ſoll hier
eine tragiſche Wirkung entſtehen, ſo kann ſie offenbar nicht in dem
Schema der Geſchichte liegen, wo Schuld und Strafe einander folgen,
was, im Schema wenigſtens, nicht tragiſch iſt, ſondern vielmehr im
Charakter. Um dem oben bei Hebbel gebrachten Beiſpiel etwas Ana⸗
loges folgen zu laſſen, komme ich etwa auf folgendes Motiv von
leicht erkennbarem Urſprung (Hero): Ein Mädchen, das durch die
zum erſtenmal erlebte Liebe im tiefſten verändert wird, in Anſchau⸗
ungen und Wünſchen, gerät durch dieſe Wandlung ihres Charakters,
ja ihres ganzen Seins, in Schuld gegenüber den Verpflichtungen,
die ſie einging, als ſie noch nicht umgeſchmolzen war und von der
Möglichkeit einer ſolchen Umſchmelzung nichts wußte und nichts
wiſſen konnte. Hier haben wir gerade den umgekehrten Fall wie oben.
Das Tragiſche beruht nicht auf der unbeirrten Einſeitigkeit, ſondern
auf der Wandlung des Charakters. Da trägt alſo der Charakter die
Tragödie.
VII. Tragiſche Notwendigkeit im beſonderen Fall
und eine allgemeine.
Die Notwendigkeit und Unentrinnbarkeit kann und braucht hier
gar nicht auf abſtrakte, metaphyſiſche Notwendigkeit zurückgeführt
zu werden. Das Tragiſche beruht gerade darauf, daß wir aus der
Wandlung des Charakters die Verkettung der gegebenen Umſtände
begreifen, ſo ſein Verfallen in Schuld einſehen und ein Unausweich⸗
liches im beſonderen Falle erkennen, was „Mitleid und Furcht“
bewirkt.
Hebbel dagegen meint eine metaphyſiſch begründete allgemeine
Notwendigkeit: in dem Untergang der Vereinzelung ſiegt die verletzte
Idee, der Weltwille, die Allgemeinheit.
Wendet ſich ja Hebbel ſogar gegen Goethe am Schluß jener Tage⸗
buchſtelle, wo er ſagt, man könne vom Dichter fordern, daß er nicht
in der Mitte zwiſchen dem Zufälligen und dem Notwendigen ſtehen⸗
bleibe, daß er zeige, wie der Untergang unvermeidlich, wie der Tod
mit der Geburt ſelbſt geſetzt iſt: „Dämmert noch die leiſeſte Mög⸗
lichkeit einer Rettung, ſo iſt der Poet ein Pfuſcher. Von dieſem Ge⸗
ſichtspunkt aus ergibt ſich dann aber auch eine viel höhere Schönheit
a
K
Sebbel und Grillparzer in ihren Theorien 109
und ein ganz anderer, zum Teil umgekehrter Weg, ihr zu genügen,
als diejenige war, die Goethe anbetete.“ Wenn ich richtig verſtehe,
ſoll die gefühlsmäßige Verſöhnung des harmoniſchen Goethe nicht
genug Notwendigkeit tragen, Goethe ſoll in der Mitte zwiſchen dem
Zufälligen und dem Notwendigen ſtehenbleiben — offenbar, weil
für ihn nur die oben ſchon bei Grillparzer gezeigte Nowendigkeit im:
beſonderen Falle beſteht.
VIII. Schlußfolgerungen und Beiſpiele.
In dieſer Forderung einer metaphyſiſchen allgemeinen Not-
wendigkeit liegt wieder ein gefährlicher Punkt der Hebbelſchen Theo—
rie. Wenn dieſe nicht erlaubt, tragiſche Charaktere zu bringen, jo
haben wir den anderen Weg erkannt, den Schwerpunkt des Dramas
in die tragiſche Geſchichte zu verlegen. Aber auch dieſe tragiſche Ge—
ſchichte kann, inſofern ſie dichteriſch bleibt, nur eine Notwendigkeit
im beſonderen Falle bilden, aus der ſich die unmittelbare tragiſche
Wirkung ergeben ſollt e. Eine metaphyſiſche Allſchuld und Allnot⸗
wendigkeit läßt ſich in ihr nur darſtellen, wenn ſie in Demonſtration
aufgelöſt wird. Übel klingt, aus dieſem Geſichtspunkt betrachtet, eine
Tagebuchnotiz von 1844: Hebbel bedauert unter dem Eindruck einer
Antigone- Aufführung in Paris, was unſere Tragödie an dem Chor
verloren hat: wenn in unſeren Stücken die Helden weggemäht ſind,
welch eine ſchwere Arbeit wird dem Geiſt, der endlich ausruhen möchte,
noch ganz zuletzt in dem Reproduzieren der nicht plaſtiſch hervor-
tretenden Idee zugemutet! Während bei den Alten der Chor als der
breite Stamm des Geſchlechts, an dem das Schickſal einzelne zu geile
Auswüchſe abſchnitt, unmittelbar alles das vergegenwärtigt, was wir
erſt auf dem Wege der Reflexion gewinnen können!
Man kann hier verfolgen, wie Hebbel ſich die Sache denken mag:
nach dem Stück müſſen wir erſt die Idee reproduzieren, auf dem Wege
der Reflexion natürlich, nämlich wohl die Idee, daß der einzelne
dadurch, daß er ſich vom „Allgemeinen“ entfernt, in Schuld gerät und
untergehen muß; während bei den Alten im Chor das Allgemeine,
der Weltwille, ſozuſagen perſonifiziert iſt, und jo die Idee „plaſtiſch“
hervortritt, wenn neben den einzelnen in Schuld Geratenen und
Untergehenden der Chor als das Allgemeine beſtehen bleibt. Da wäre
alſo zweifellos, daß Hebbel im Drama eine Demonſtration ſeiner
metaphyſiſchen Anſchauungen ſucht, ſeine Figuren nur als Beiſpiel
für Allſchuld und⸗Verſöhnung zuſammenſtellen möchte.
Ein Troſt iſt nur, daß Hebbel Sophokles meint, und mit den Neue-
ren wohl auch Shakeſpeare; da bezieht ſich die falſche Theorie wenig-
ſtens auf unzweifelhaft wahre Kunſt. Der Troſt iſt aber nur halb,
weil Hebbel dieſe Dichter falſch aufzufaſſen ſcheint und dann doch
etwas Falſches auch meint. Iſt es bei Macbeth etwa nötig und
weſentlich zu reflektieren, daß hier eine Vereinzelung in Schuld geriet
110 Abhandlungen
wider die Allgemeinheit und untergehen mußte? Wenn wir verfolgen,
wie aus Begierden und Wünſchen gegen die innere Stimme die ver—
brecheriſche Tat entſteht, wie ſie den Verbrecher zwingt, wider die
immer lauter ſchreiende Stimme des Gewiſſens immer tiefer ins
Blut hineinzuſchreiten, und wie er zuletzt daſteht, tief durchdrungen
von der Nichtigkeit aller Begierde und überhaupt alles Irdiſchen und,
innerlich ſchon dieſem Leben entrückt, den Todesſtreich empfängt, da
iſt es dem Dichter gelungen, uns durch eine reiche Skala von Gefühlen
hindurch eben auch zu einem Niveau zu erheben, das den Qualm
der Nichtigkeiten dieſer Welt überwunden fühlt. Da brauchen wir
wahrhaftig nicht zu reflektieren und irgendeine Idee zu reproduzieren.
Wir haben's gefühlt mit Allgewalt. Und alle Reflexion kann nichts
Weſentliches mehr ergeben, wie erſt gar die, welche Hebbel von uns
verlangt.
Und ebenſo will Hebbels Beiſpiel ſelbſt, die Antigone', nicht die
„Idee verdeutlichen“, daß die Vereinzelung in Schuld gerät und
geraten muß und untergeht im Widerſtreit mit der Allgemeinheit.
Wo dann der Chor als Symbol der Allgemeinheit, als Sieger her—
vorgehe. Wenn Kreon, durch den Gang der Ereigniſſe von ſeiner
Selbſtüberhebung zu Boden geſchmettert, gegen Ende ein ähnliches
Gefühl wie Macbeth in den Worten ausdrückt: „O menſchliches Be⸗
mühn, du mühſeliger Traum!“ — ſo ſcheint mir darin auch die
Wirkung der ganzen Tragödie angemerkt, die ſich ſo als gar nicht
grundſätzlich verſchieden ergibt von der des Macbeth'. Mit einem
durch das Daſein des Chors plaſtiſcheren Hervortreten der „Idee“
hat dieſe Wirkung nichts zu tun.
Gerade die Antigone' allerdings ſcheint den Konflikt der Auf-
lehnung des einzelnen wider die Allgemeinheit zu behandeln, ja ſie
ſcheint ſogar ein Schulbeiſpiel für Hebbels Theorie zu ſein, auch mit
der an einer edlen Beſtrebung zugrunde gehenden Antigone. Aber
dieſer Konflikt und dieſe Heldin ſind darum doch für Sophokles nicht
mehr als Motiv, Sujet, Mittel und nicht Beiſpiel für den all⸗
gemeinen Gang der Welt. Und nicht in ſolcher Demonſtration liegt
Ziel und Wert ſeines Werkes, ſondern in der rein gefühlsmäßigen
Wirkung, in den Erregungen, welche die dichteriſche Geſtaltung
dieſes Motivs erreicht!
Wir ſehen alſo, Hebbel hat ſeine Beiſpiele: Sophokles und Sha⸗
keſpeare wahrſcheinlich nicht durchaus einwandfrei aufgefaßt. Und
wir haben Grund zu befürchten, daß er im Drama kunſtzerſtörende
Zwecke des Demonſtrierens aufweiſen will, ſo ſehr er auch glauben
mag, nichts Neues aufzubringen.
Aber auch das iſt nicht einmal wirklich durchweg der Fall. Wenn
Hebbel behauptet: „den Widerſpruch im Zentrum ſelbſt“ ſtatt in
den Figuren zu finden, die „Dialektik unmittelbar in die Idee ſelbſt“
hineinzuwerfen, das ſei noch nach Shakeſpeare zu tun übrigge⸗
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 111
blieben; und wir dabei nicht vergeſſen, daß eben dieſes Hineinwerfen
der Dilalektik in die Idee, das Aufweiſen des Widerſpruchs im Zen—
trum ſelbſt ſtatt in den Individuen, doch nur iſt, was Hebbels oben
dargelegte Begriffe von Schuld und Verſöhnung zu wollen ſcheinen,
ſo erkennen wir, daß Hebbel entgegen ſeiner Behauptung: ſeine Theo—
rie nehme kein Moment auf, welches ſie nicht bei Sophokles und
Shakeſpeare finde, doch etwas Neues will. Daß alſo ſein Zurück—
weiſen auf Sophokles und Shakeſpeare, ſogar wenn er ſie nicht falſch
aufgefaßt hätte, ſein richtiges Meinen nicht verbürgt, weil ſeine
Theorie nunmehr zugeſtandenermaßen ſich gar nicht mit jenen decken
will. Hebbels hier vorliegenden Widerſpruch weiß ich nicht zu löſen.
Es iſt nur zu ſagen, daß tatſächlich Sophokles und Shakeſpeare direkt
und ganz Hebbels Konſtruktion auch im Schema nicht genügen, da
ſie natürlich nur Einzelſchuld und Einzelnotwendigkeit und nicht
Hebbels Allſchuld und Allnotwendigkeit bringen, was Hebbel aber
dem Schluß des Zuſchauers überlaſſen zu wollen ſchien, ſei es nun
ganz durch Reflexion, oder aus dem Daſein des Chors und ſeinen
Betrachtungen. Mir ſcheint, daß das Neue, was Hebbel noch nach
Sophokles und Shakeſpeare zu tun finden will, jenes Dritte iſt,
worauf ich am Anfang dieſes Kapitels als Gefahr der Hebbel—
ſchen „Allſchuld“- und „Allnotwendigkeits“-Theorie hinwies: daß
er über die eigentlich dichteriſchen Elemente, Fabel und Charakter,
hinausgehn, ſie auf einen metaphyſiſchen tragiſchen „Widerſpruch
in der Idee“ beziehen will, und zwar ſo, daß das eigentlich Dichte—
riſche im letzten Sinne nicht mehr in ſich ſelbſt ruhen, ſondern De—
monſtration ſein würde.
IX. Zeit und Drama.
Wir haben im obigen davon geſprochen, wie jene Auffaſſung,
die es erlaubt zu fragen, ob die Poeſie noch Berechtigung habe, wenn
die Philoſophie die „Aufgabe“ gelöſt hat, wie jene Auffaſſung der
„Aufgabe“ nicht erkennen laſſe, worin die Berechtigung immer neuer
philoſophiſcher Syſteme und künſtleriſcher Produktionen liege. Ge⸗
rade nun Hebbels Anſchauung von dem „Verhältnis der dramatiſchen
Kunſt zur Zeit“ (aus dem Untertitel des Vorwortes zur Maria
Magdalena’) und der hiſtoriſchen Aufgabe des Dramas gibt uns an,
worin Hebbel dieſe Berechtigung und Notwendigkeit erblickte und
wie er ſie ſich fürs Drama vorſtellte.
Hebbels Auffaſſung des Verhältniſſes von Drama und Geſchichte
beruht auf ſeinem Schuldbegriff und dieſer wieder auf ſeiner An-
ſchauung, „die Individuen als Glieder der ſittlichen Weltordnung,
als Monaden, worin die höchſte Idee ſich geheimnisvoll zu mani—
feſtieren ſucht“, zu betrachten. Sonſt, meint er, hätte es keinen Sinn,
von Maß und Schuld zu ſprechen. Die gegenüber „einem ſittlichen
Zentrum“ angenommene, in der „Maßloſigkeit“ liegende Schuld
112 Abhandlungen
nun ſei die den pofitiven Religionen zugrunde liegende innerfte Be.
Idee, die Erbſünde nur eine chriſtliche Modifikation. Dieſe poſitiven
Religionen aber und ihre Ideen ſeien die geheimnisvollſten Quellen
des Geſchichtsſtroms. Und ein Drama, das den Strom der Geſchichte
bis dahin verfolge, indem es in dialektiſcher Form alle Konſequenzen
dieſer Ideen an den zuerſt davon ergriffenen Individuen veranſchau⸗
licht, ein ſolches Drama werde ein „Symbolum der geſamten hiſto⸗
riſchen und geſellſchaftlichen Zuſtände aufſtellen“, die ſich im Laufe
der Jahrhunderte daraus entwickeln mußten. Ein ſolches Drama
müßte im Verhältnis des Individuellen zum Allgemeinen zugleich
das Verhältnis des Welt- und Menſchenzuſtandes zur Idee, d. h. zu
dem alles bedingenden ſittlichen Zentrum, veranſchaulichen. Alſo es
wäre eben ein Drama mit Hebbels ſchon dargelegten Schuldbegriffen.
Und rein dieſe Zurückführung trage die hiſtoriſche Bedeutung des
Dramas, indem es jo ein „Symbolum“ wird. Da der Welt- und
Menſchenzuſtand aber nicht immer der gleiche iſt, ſoll es Aufgabe
des Dramas ſein, von dem jedesmaligen Welt- und Menſchen⸗
zuſtand dies Verhältnis zur Idee, das ewig gleichbleibende, zu ver⸗
anſchaulichen.
Solange alſo der Welt- und Menſchenzuſtand derſelbe bleibt, kann
dieſes eigentliche und höchſte Drama nicht mehrmals auftreten, da
der jeweilige Zuſtand immer nur einmal die Aufgabe bietet. Dupli⸗
kate ſeien von Überfluß. Nur wenn ein neuer Zuſtand entſteht, wenn
in der Geſchichte entſcheidende Kriſen eintreten, nur dann immer ſei
dieſes höchſte Drama wieder möglich, „es iſt daher durchaus ein Pro⸗
dukt der Zeit“. Und nun kommt noch eine weitere Beſtimmung hin⸗
zu: es ſei das verbindende Mittelglied zwiſchen einer ſich ſchließen⸗
den Kette von Jahrhunderten und einer neu beginnenden. Von da
aus geht Hebbel weiter zu behaupten, die Aufgabe des Dramas ſei,
die eingetretenen Kriſen überwinden und den welthiſtoriſchen Prozeß
beendigen zu helfen. So alſo erklärt er Berechtigung und Notwendig⸗
keit des Auftretens — wenigſtens des „Gipfelpunktes der Kunſt“.
Nicht weil es das Schickſal mit dem Theater der Athener ſo gut
gemeint habe, ſeien die griechiſchen Dramatiker aufgetreten, ſondern
wegen der damals vor ſich gehenden Kriſe, und das griechiſche Drama
habe den durch die bunten Göttergeſtalten des Olympzs ſich hindurch⸗
ziehenden Nerv bloßgelegt, das Fatum. Und eine zweite Kriſe habe
das Shakeſpeareſche Drama hervorgerufen, welches ſich am Proteſtan⸗
tismus entwickelt und das Individuum emanzipiert habe. Dieſe bei⸗
den Kriſen wären alſo durch zwei Jahrtauſende getrennt. In der
neueren Zeit wird Hebbel auffallend raſcher. Wohl im Hinblick auf
die franzöſiſche Revolution ſoll Goethe den Grundſtein zu einem
neuen großen Drama gelegt haben, indem er, was nach Shakeſpeare
nur noch zu tun übrig geblieben geweſen ſei, die „Dialektik unmittel⸗
bar in die Idee ſelbſt hineingeworfen“ habe, indem er den „Wider⸗
BERNER
A
3 EN
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 113
ſpruch in dem Zentrum ſelbſt aufzuzeigen“, „den Punkt, auf den die
gerade wie die krumme Linie zurückzuführen ſchien, in zwei Hälften
zu teilen geſucht habe“. Nicht mehr im Individuum liege der Wider—
ſpruch, ſondern in der Idee, auf die es bezogen wird. — Daraus
folgt z. B. wohl die Zeichnung einſeitiger, geradliniger, in ſich ſelbſt
nicht Zwieſpalt tragender Charaktere. Was auf Goethe nicht zutrifft.
Ferner haben wir ſchon bemerkt, daß man bei dem, was da neu zu
tun geblieben ſein ſoll, höchſtwahrſcheinlich nur noch an Demon—
ſtration zu denken habe. — Nachdem darum Goethe mit ſolchen zu
demonſtrierenden Ideen belaſtet wird, muß ſich herausſtellen, daß
ſeine Produktionen, trotz des zugeſtandenen „unermeßlichen Wertes“
große innere Fehler tragen, und „man kaum ſagen könne“, daß Goe—
the den erſten Schritt auf dem neuen Weg getan hat. Goethe näm—
lich ſei in dieſer Beziehung geſtrandet, weil er ſich nicht „in gläubi—
gem Vertrauen an die Geſchichte hingeben“ konnte. Und nun öffnet
ſich offenbar die Bahn für Hebbel ſelbſt, der alſo nicht zu befürchten
braucht, Duplikate zu erzeugen, der das oben gekennzeichnete, in die
Idee den Widerſpruch verlegende, für den hiſtoriſchen Verlauf ſym—
boliſche Drama will und wohl „der alles umfaſſende Geiſt“ iſt, der
ja erſt das „höchſte Drama“ ſchaffen kann. Und was die „Kriſe“ an⸗
belangt, ſo habe ſie ſich ſeit Goethe nur verſchärft. Alſo Gelegenheit
genug. (Vorwort zur Maria Magdalena’.)
Hebbel erklärt alſo das Auftreten des Dramas aus der Zeit,
er glaubt, „die großen Taten der Kunſt ſeien noch ſeltener als die
übrigen, aus dem einfachen Grunde, weil ſie eben erſt aus dieſen
reſultieren“. Eine Auffaſſung, die Grillparzer bei Gervinus ſieht,
der das Auftreten dichteriſcher Genies aus dem Gang der Geſchichte
erklären wolle, und die Grillparzer mit dem höchſten Widerwillen
als borniert materialiſtiſch zurückweiſt. Und gerade zu der Behaup⸗
tung bei Gervinus, die franzöſiſche Revolution habe den großen Ein-
fluß hervorgebracht, bemerkt Grillparzer: Goethe habe vorher ſchon
die bedeutendſten Werke geſchaffen (18, 12). Hebbel aber iſt durch
die Aufgabe, die er dem Drama zuweiſt, auf ſolche Auffaſſung hin⸗
geleitet.
Veoon dieſer hiſtoriſchen Aufgabe wieder, der Zeit Kriſen über-
winden zu helfen, wie die Griechen durch die Geſtaltung des Fatums,
Shakeſpeare durch die Emanzipation des Individuums es getan ha⸗
ben ſollen, von dieſer Aufgabe könnte man ſo leicht glauben, ſie be⸗
ſtehe i in Geſtaltung der Zeitideen. Hebbel ſchreibt aber in einem Auf⸗
ſatz Über Literatur und Kunſt' (1840): er müſſe es rügen, „daß die
Zeit jetzt ſonderbarerweiſe die Geſtaltung dieſer [ihrer]! Ideen von
der Kunſt, ſtatt wie ſonſt, vom Leben verlangt“. Vielleicht wollte
aber Hebbel damit nur ausdrücken, was er ſpäter ſo ſagt: die Poeſie
iſt und war von jeher Spiegel des Jahrhunderts und der Bewegung
im allgemeinen, nicht aber Spiegel des Tages und der Stunde (Vor-
VIII 8
114 Abhandlungen
wort zur Maria Magdalena’). Alſo vielleicht nicht beſchränkte Zeit⸗
ideen, wohl aber das in der Form der Zeit auftretende Weſentliche,
jenes ſchon gekennzeichnete „Verhältnis zur Idee“, ſoll der Weg ſein,
auf dem das Drama ſeine hiſtoriſche Aufgabe erfülle.
Von ſeinem ganz anderen Standpunkt aus ſchreibt Grillparzer
ähnlich: der Dichter ſtehe natürlich unter dem Einfluſſe ſeiner Zeit
und werde ſo die Natur durch ihr Medium ſehen; nicht aber das
Medium, ſondern die Auffaſſung der Natur ſelbſt bleibe die Haupt-
ſache (16, 31). Nur daß Grillparzer von „Natur“ ſpricht und nicht
von „Verhältnis zur Idee“ und nicht an eine „hiſtoriſche Aufgabe
des Dramas“ denkt. Ahnlich klingt es ja auch in jenem frühen Auf-
ſatz Hebbels Über Literatur und Kunſt': „Die Zeit prägt jedem ihrer
Erzeugniſſe ihr Monogramm auf. . . Aber eben weil dies immer ge⸗
ſchieht, braucht es nicht förmlich zum Zweck erhoben zu werden.“
Doch ſtellt ſich nur der große Zug in Hebbels Theorie ſo dar.
Klarer können wir erſt ſehen, wenn wir betrachten, wie ſich Hebbel
die Sache des näheren denkt, und das lehren Stellen wie folgende
aus der Abfertigung eines äſthetiſchen Kannegießers' (1851):
„(Schmidt) meint, wir lernten in dem Stück (Trauerſpiel in Sizilien’) nicht
„die ſittliche Grundlage der Zeit“, ſondern nur einzelne unſittliche Menſchen
kennen. Nun, wodurch ſollen wir die ſittliche Grundlage der Zeit kennen lernen,
als durch einzelne unſittliche Menſchen ... verlangt Herr Schmidt, daß die
geſamte Einwohnerſchaft Siziliens im Stück auftreten ſolle? Oder ſoll er, wenn
er der Kunſt auch im Allgemeinen die Notwendigkeit der Abbreviatur zugibt,
wie er wohl muß, etwa die Richtigkeit meiner Abbreviatur anfechten? Das
dürfte nicht glücken, denn Familie und Staat repräſentieren Volk und Land, und
Familie und Staat ſind im Trauerſpiel von Sizilien repräſentiert!“
Hebbel will alſo wirklich über die Zeit etwas ausſagen, eine Er⸗
kenntnis bringen. Man ſoll in ſeinem Stück die ſittliche Grundlage
der Zeit kennenlernen. Nicht ſoll man ſeine Menſchen als Schöpfun⸗
gen der Phantaſie, auch nicht als Einzelfälle nehmen. Nein, ſie ſind
Repräſentanten, Beiſpiele. Nun kann man dann allerdings nach dem
Beweis fragen: was eigentlich zwinge, dieſe Figürchen als wirklichen
Ausdruck des allgemeinen Zuſtandes anzuerkennen? Sollte für Er-
kenntnis der Wirklichkeit nicht eine gute Statiſtik und überhaupt ſo⸗
ziale und wiſſenſchaftliche Forſchung vertrauenswürdiger und verläß-
licher ſein? Darauf antwortet Hebbels Hinweis auf die Notwendig—
keit der Abbreviatur in der Kunſt ganz unbefriedigend. Eben aus
dieſer Notwendigkeit ergibt ſich, daß die Kunſt nicht nur ſolche Auf-
gaben zu niedrig findet, ſondern ſie überhaupt nicht erfüllen kann.
Hebbels Drama will, wenn ſein letztes Ziel Zeichnung des Ver⸗
hältniſſes des Welt⸗ und Menſchenzuſtandes zur Idee iſt, dieſen
vorhandenen Menſchenzuſtand ſelbſt wirklich, der Tat⸗
ſächlichkeit gemäß, kennen lehren, will nicht nur, wie die
Aufſtellung jenes letzten Ziels noch immer als Möglichkeit offen ließe,
in ſeiner Totalität eine „ewige Wahrheit“ faſſen, ſondern, offenbar
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 115
um dieſer Aufgabe zu genügen, ſchon in den Einzelhei—
ten „ wahr“ ſein, jo daß Hebbel darüber ſtreiten kann, ob feine
Figuren wirklich der Zeit entſprechen. Während alſo Hebbels Be—
hauptung, daß das Drama jenes ewige Verhältnis zur Idee zu zeich—
nen habe, auch wegen der im letzten darin liegenden Myſtik, nicht
unbedingt und ſicher erkennen läßt, in welche Abgründe die Kunſt
dadurch treiben würde, ſo muß uns hier, wo wir ſehen, wie Hebbel
ſich ſeine Theorie konkreter geſtaltet denkt, klar werden, wie ſehr das
alles die ſouveräne Kunſt von ihrem einzigen Ziel: der erhebenden
und befreienden Wirkung auf einen Irrweg des Demonſtrierens ab—
lenken würde.
X. Das hiſtoriſche Drama.
Da Hebbel das Hiſtoriſche im Drama eben in der Zeichnung jenes
„Verhältniſſes des Weltzuſtandes zur Idee“ ſieht, iſt ihm das Drama
„ohne jede ſpezielle Tendenz“ ſchon hiſtoriſch, und die Kunſt ſchon an
und für ſich die „höchſte Geſchichtſchreibung“ (Vorwort zur Maria
Magdalena’). Sie „wird der Nachwelt den allgemeinen Gehalt der
Geſchichte in der Schale der ſpeziellen Perioden überliefern, deren
Spitze ſie in ihren verſchiedenen Gliederungen bildet“. „Der wahre
hiſtoriſche Charakter des Dramas liegt niemals im Stoffe“ (Vorwort
zur Maria Magdalena’). Auch bei dem im engeren Sinne, dem
Stoffe nach, hiſtoriſchen Drama bleibe die Geſchichte „für den Dich—
ter ein Vehikel zur Verkörperung ſeiner Anſchauungen und Ideen“,
und nicht ſei „umgekehrt der Dichter der Auferſtehungsengel der Ge-
ſchichte“. Der Dichter ſoll uns „die neroniſchen Menſchenfackeln frü—
herer Jahrhunderte, die ein grauſamer Blitz des Schickſals in Brand
ſteckte, vorführen nur wegen des düſterroten Lichts, womit ſie ein
Labyrinth, in das ſich auch unſer Fuß hineinverirren könnte, erhell—
ten“ (Vorwort zur Judith'). Dies letzte Zitat zeigt ſchon, daß es
ſich im eigentlich (auch ſtofflich) hiſtoriſchen Drama doch nicht nur
darum handeln ſoll, ſich ſelbſt darzuſtellen, auch nicht das Verhält⸗
nis des Welt⸗ und Menſchenzuſtandes, wie er zur Zeit des Dichters
beſteht, zur Idee, ſondern doch das Verhältnis eines vergangenen
Zuſtandes, ſo weit er uns über unſeren eigenen aufklärt. Und Hebbel
ſagt: die Kunſt könne „die großartigſten und bedeutendſten Lebens⸗
prozeſſe gar nicht darſtellen, ohne die entſcheidenden hiſtoriſchen Kri-
ſen, welche ſie hervorrufen und bedingen, die Auflockerung oder die
allmähliche Verdichtung der religiöſen und politiſchen Formen der
Welt, als der Hauptleiter und Träger aller Bildung, mit einem
10 1 0 die Atmoſphäre der Zeiten zugleich mit zur Anſchauung zu
ringen“.
Da iſt alſo die Kriſe jener hiſtoriſchen Zeit darzuſtellen, wenn auch
ſonſt „hiſtoriſche Treue“ nicht nötig iſt. Und Hebbel bindet Kunſt
und Geſchichtsverlauf inſofern ſehr eng, ols er für fein „ſymboliſches
Drama“ „an eine großartige Darſtellung der wenigen Charaktere, die
8 * 8
116 Abhandlungen
die Jahrhunderte, ja die Jahrtauſende, als organiſche Übergangs-
punkte vermitteln“, offenbar nur denkt, weil das die Kriſe jeiner Zeit
überwinden helfende Drama ſelbſt hiſtoriſche Kriſen darzuſtellen hat.
Vielleicht eben das verleitet Hebbel, alles bedeutſame hiſtoriſche
Geſchehen auf die wenigen „Kriſen“ zu beziehen, die er im Geſchichts⸗
verlauf annimmt. Und, was uns erſt intereſſiert, das, was ihm der
Gang der Geſchichte zu ſein ſcheint, die Motive, die er darin findet,
die Abſichten des Weltgeiſtes, ſcheint er im Drama offenbart ſehen
zu wollen. Das läßt eine Tagebuchſtelle aus der Zeit der Judith'
vermuten, wo an der Jungfrau von Orleans' gerügt wird: der Kö
nig ſei zu erbärmlich, als daß die Taten der Heldin, obwohl im Hin⸗
tergrunde auf ganz Frankreich bezogen, doch ſichtbarlich und zunächſt
für ihn geſchehen könnten, und Hebbel fährt fort: „Daß Frankreich
beſtehen bleiben, daß Gott ein Wunder tun mußte, um dies zu ver⸗
anlaſſen: dies war nötig, weil von Frankreich die Revolution
ausgehen ſollte.“
Schiller hätte wohl ſo tiefer motivieren ſollen? Das wäre jene
verhängnisvolle „Wiſſenſchaftlichkeit“, die die aufs Ewige, Abſolute
zielende Kunſt leicht auf den Sand fraglicher Relativitäten baut, wo
ſie noch vor ihnen zuſammenſtürzt. — Selbſt wenn Schiller für das
Wunderbare ſeiner Tragödie einer Motivierung bedürfte, ſo doch nur
einer innerhalb der Handlung und durch Anſchauung, nicht einer ſo
außerhalb liegenden, rein verſtandesmäßigen, grotesk dogmatiſchen,
einer für (hegelianiſche) Glaubensgenoſſen. Hebbel denkt offenbar gar
nicht an die künſtleriſche Frage, die ſich auf Dichtung bezieht, ſondern
an die metaphyſiſche, die ſich auf Tatſachen bezieht. Aber es iſt nicht
gut vorſtellbar, wie Hebbel es ſich eigentlich dachte, daß ſeine An⸗
ſicht, welche die Jungfrau von Orleans mit der großen Revolution,
jener „entſcheidenden Kriſe“ in Verbindung ſetzt, im Drama Platz
haben ſollte, wenn wir auch gehört haben, daß Hebbel ein ſolches
Drama denkt, das, auf die Quellen des Geſchichtsſtroms zurück⸗
führend, für die nachfolgenden hiſtoriſchen Zuſtände ein Symbo⸗
lum wird — aus welcher Anſchauung heraus er wohl Schiller kri⸗
tiſiert. |
Eine Tagebuchſtelle von 1837 kann vielleicht noch etwas klären:
„Ein Drama, welches Napoleon zum Gegenſtand hat, muß ſich ge⸗
wiſſermaßen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich zur
Aufgabe ſetzen, muß ihn durch die Vergangenheit motivieren und die
Zukunft durch ihn.“ Zu dem obigen Zitat dies hinzugebracht, würde
fich die Sache wohl jo darſtellen: die Taten der Jungfrau ſollen nicht
direkt aus der Zukunft motiviert werden, nichtsdeſtoweniger aber ſoll
man im Drama irgendwie ſpüren, daß die zukünftige Revolution in
dieſen ihren Taten gegründet iſt, und ſo einſehen, „daß Gott ein
Wunder tun mußte“ — alſo doch indirekt eine rückläufige, „meta⸗
phyſiſche“ Motivierung!
1 28 Du ee
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 117
Es genüge uns immer wieder, den Finger auf den wunden Punkt
zu legen, und hypothetiſch zu ſagen: Wenn Hebbel wirklich im Drama
feine Anfichten abſtrakt erkennen laſſen würde, jo könnte dies Drama
kein vollkommen dichteriſches und aufs letzte Ziel ſich richtendes
ſein, das ja über alle ſolche Anſichten hinweggehen muß!
Obenhin genommen bringt Hebbel in ſeiner Theorie über das
hiſtoriſche Drama vieles vor, was mit Grillparzer ungefähr zuſam⸗
mentrifft, welcher jagt: „. .. was iſt denn die Geſchichte anders als
die Art, wie der Geiſt des Menſchen dieſe ihm undurchdringlichen
Begebenheiten aufnimmt; das, weiß Gott ob, Zuſammengehörige
verbindet; das Unverſtändliche durch etwas Verſtändliches erſetzt,
ſeine Begriffe von Zweckmäßigkeit nach außen einem Ganzen unter⸗
ſchiebt, das wohl nur eine nach innen kennt; Abſicht findet, wo keine
war, Plan, wo an kein Vorausſehen zu denken, und wieder Zufall,
wo tauſend kleine Urſachen wirkten . ..“ Hebbel ſchreibt: „Dann
wird man aufhören, mit beſchränktem Sinn nach einer gemeinen
Identität zwiſchen Kunſt und Geſchichte zu forſchen und gegebene
und verarbeitete Situationen und Charaktere ängſtlich miteinander
zu vergleichen, denn man hat einſehen gelernt, daß dabei ja doch nur
die faſt gleichgültige Ubereinſtimmung zwiſchen dem erſten und zwei⸗
ten Porträt, nicht aber die zwiſchen Bild und Wahrheit überhaupt
herausgebracht werden kann“; das Drama ſei nicht nur in ſeiner
Totalität, ſondern ſchon in allen Elementen ſymboliſch.
Beide Dichter ſtimmen alſo darin überein, in der Geſchichte nur
eine menſchliche Auffaſſung zu ſehen, und Hebbel folgert, daß das
hiſtoriſche Drama dann nicht an die Geſchichte ſtreng gebunden iſt,
weil es ja nicht gelten kann, einer Auffaſſung zu entſprechen.
Überdies ſei das Drama ſymboliſch — etwa die überlegung: die Bühne
iſt nicht das Leben und muß darum auch ganz anders verfahren,
„wie der Maler die roten Wangen ſeiner Geſichter nicht mit Blut,
ſondern mit Zinnober malt“.
Das würde man alſo im ganzen ſo auffaſſen können, daß Hebbel
wohl das hiſtoriſche Drama ſich nach der hiſtoriſchen Wahrheit richten
laſſen will, daß er aber der Geſchichtswiſſenſchaft nicht das Beſitz⸗
monopol dafür einräumen will und ferner die Nachahmung im
anderen Stoff betont — alſo doch die Feſtſtellung der Wahrheit
und die Nachahmung ſelbſt als Ziel des Dramas gelten läßt. Nun
können wir zwar über dieſe Stelle hinaus nach dem Obigen hinzu⸗
fügen, daß dieſe Feſtſtellung der hiſtoriſchen Wahrheit und Nach⸗
ahmung überhaupt nicht nur Einzelheiten treffen will, ſondern die
Grundidee. Nichtdeſtoweniger aber bleibt es Feſtſtellung und Nach⸗
ahmung, Demonſtration.
Und da liegt der Unterſchied von Grillparzer, der die Unzuläng⸗
lichkeit der Geſchichte dartut, um überhaupt zu zeigen, daß man aus
ihr das Walten des Weltgeiſtes nicht erfahren könne, daß der als darin
118 Abhandlungen
liegend behauptete Vorzug des hiſtoriſchen Dramas ſomit ganz weg⸗
falle, ſogar wenn er einer wäre, und es völlig gleichgültig ſei, ob ein
Drama eines mit hiſtoriſchem oder mit erfundenem Stoffe iſt.
Das ergibt ſich uns ſchon daraus, daß wir einſehen, wie es nur
auf künſtleriſche Geſichtspunkte, das ſind die der Wirkung, an⸗
kommt. Jedes Ziel, das nicht rein auf dieſer Wirkung beruht, bei
aller Myſtik ſchließlich doch nur verſtandesmäßig erreichbare Er-
kenntniſſe vorſchreibt, muß das Kunſtwerk zerſtören.
So ſchreibt denn auch Grillparzer in ſeiner Selbſtbiographie: „Zu
meinem Troſte konnte ich mir übrigens ſagen, daß mein Stoff wenig⸗
ſtens jenes Erfordernis habe, das eine hiſtoriſche Tragödie allein zu⸗
läſſig macht, daß nämlich die hiſtoriſch oder ſagenhaft beglaubigten
Begebenheiten imſtande wären, eine gleiche Gemütswirkung hervor⸗
zubringen, als ob ſie eigens zu dieſem Zwecke erfunden wären.“
Klarer konnte das nicht geſagt werden.
XI. Kauſalität und Zufall.
Wir haben zu zeigen verſucht, wie Hebbel aus ſeiner allgemeinen
metaphyſiſchen Auffaſſung heraus im Drama eine Allnotwendigkeit
zu verlangen jcheint, haben weiter geſehen, daß er ſich deren Er⸗
kenntnis möglicherweiſe nur durch Reflexion aus dem Drama ge⸗
zogen denkt (Antigone'), haben aber dann geſehen, wie er im hiſto⸗
riſchen Drama (Jungfrau von Orleans') zu wünſchen ſcheint, daß
die Notwendigkeit der Ereigniſſe nicht nur eine im beſonderen Falle
ſei, aus der nachher die allgemeine Notwendigkeit reflektiert werden
kann, ſondern er ſchien uns zu verlangen, daß der Dichter geradezu
mit den „Abſichten des Weltgeiſtes“ motiviere. Welcher Widerſpruch
nun auch darin liegen möge, uns war nur intereſſant, daß in beiden
Fällen das Drama nicht nur auf ſein Ziel der Gefühlswirkung,
ſondern auf die Enthüllung irgendwelcher Teilwahrheiten gerichtet
wird.
Nun ſpricht ſich aber auch Grillparzer über den Gang der Motivie⸗
rung im Drama verſchiedentlich aus. Und wenn ich oben ſage, Grill⸗
parzer betrachte das Drama mehr von dem Standpunkte, daß es
Mittel ſei zu gewiſſen Wirkungen, ſo ſcheint das, was ich jetzt von
ſeinen Anmerkungen vorführen will, nicht immer konſequent. Auch
Grillparzer ſcheint ſtellenweiſe einer objektiven Betrachtung zu hul⸗
digen. Während er die groben Unwahrſcheinlichkeiten ſpaniſcher
Dramatiker, die „im Spiel eben nichts als Spiel ſehen“, als zu einer
durchaus poetiſchen Auffaſſung gehörend bezeichnet, betont er anderer⸗
ſeits gerade: die Tragödie habe kein höheres Geſetz als ſtrenge Kau⸗
ſalität. Die Wirklichkeit zwinge. Die Häuſer in meiner Straße ab⸗
zuleugnen, falle mir nicht ein. Wenn mir aber jemand erzähle, er
habe ein Schiff in der Luft fahren ſehen, ſo werde ich es erſt dann
glauben, wenn ich es durch Urſache und Wirkung vermittelt in den
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 119
Kreis meiner Überzeugung aufnehmen kann. Kauſalität zwinge den
Geiſt, wie das Wirkliche die Sinne. Daher verweigere auch das
Drama dem Zufall ſein Spiel (15, 75).
Man könnte alſo, ſcheint's, ſich die Sache fo denken: In der Wirf-
lichkeit beſteht zwar ſtrenge Kauſalität, aber wir können fie nicht im-
mer nachweiſen: trotzdem glauben wir der Wirklichkeit ohne weiteres.
Nicht ſo dem Drama. Deshalb muß dieſes die Kauſalität immer
nachweiſen. Und das wäre gewiß eine falſche Theorie, die ſich be—
mühte, dem Drama den Schein der Wirklichkeit zu geben — nicht
nur, wie Grillparzer merkwürdigerweiſe meint, den der Gegenwart —
alſo etwas, was Grillparzer ſelbſt ſtreng abweiſt. Gerade an der hier
herangezogenen Stelle ſagt er: „Eine unabweisbar zwingende Täu—
ſchung würde alle Kunſt von vornherein aufheben“ (15, 75). In
einer anderen Notiz verweiſt er das Häßliche von der Bühne, „weil
es durch ſeine, ich möchte ſagen: phyſiſche Wirkung auf die Nerven
ſich als ein Wirkliches darſtellt“. „Selbſt das Tragiſche müßte
von der Bühne verbannt bleiben,“ meint er, „wenn nicht das Be—
wußtſein, daß es erdichtet ſei, es immer begleiten könnte“ (15, 90).
Aber Grillparzer ſagt: der Zuſchauer müſſe das Geſetz der Kauſalität
fühlen, wenn er es auch nicht nachweiſen kann (18, 188). Alſo
auch der Dichter ſoll gar nicht nachweiſen. Aber wie zwingt er?
Durchs Gefühl! ſagt Grillparzer. Und das iſt eben der Schwerthieb
durch den gordiſchen Knoten. Denn abgeſehen davon, daß der Dichter
mit ſeinem kauſalen Nachweis ins Unendliche kommen müßte, würde
dieſer uns abſolut nicht intereſſieren; denn welches Intereſſe haben
für uns an und für ſich die Verknüpfungen von irgendwelchen Tat—
ſachen, die ſich auf irgendwelche Schemen beziehen? Das erſte Er—
fordernis iſt, daß wir, wie man ſich ausdrückt, das Leben glauben,
daß die dichteriſchen Figuren vor uns mit Atmoſphäre und in unend-
licher Belebung erſcheinen, jo erſcheinen, daß wir uns für fie inter-
eſſieren. Und dies dichteriſche Beleben, das unzertrennbar mit dem
Intereſſeerregen iſt, bedeutet ſchon ein Schreiten auf dem Weg dichte—
riſcher Abſtraktionen, die ja nur um des Zieles willen ſind. Eine
Figur wird ſcheinbar entwickelt, aber aus lauter erregenden Punkten.
Jene erforderliche Fülle den „Glauben“ erzwingender Züge zielt
ſchon. Das iſt alſo gar nicht das Leben der Wirklichkeit, wo es auf
unſer Intereſſe natürlich nicht ankommt. Wir befinden uns hier in
einem Zweckgebäude. Nicht Urſache und Wirkung — Ziel und Mittel
ſind die Zauberworte hier. Aber wenn wir uns nun auch rein im
Schema über die Verknüpfungen der Handlung im Drama unter-
halten wollten, würden wir die Frage Kauſalität und Zufall viel
komplizierter finden.
Auch das, was wir gewöhnlich Zufall nennen, kann im Drama
von logiſcher und notwendiger Bedeutung fein, da die Logik des Dra-
mas oder überhaupt der Dichtung ſich nur auf das in der Wirkung
120 Abhandlungen
liegende Ziel richtet. Und jo kommt es nur darauf an, wie der „Zu⸗
fall“ verwendet wird. Alles, was dichteriſch zum Ziel führt, hat
„Kauſalität“. Es hat überzeugt. Es war innerhalb der vorausgeſetz⸗
ten Abſtraktionen, hat ſie nicht durchbrochen, war kein „Zufall“. Was
in der Wirklichkeit zufällig iſt, kann im Drama logiſch ſein und um⸗
gekehrt. Dieſe ganze „Wahrſcheinlichkeitstheorie“ ſpricht von Dingen,
die das Drama und die Kunſt überhaupt nichts angehen.
Aber es gibt eine Geſetzmäßigkeit im Kunſtwerk. Die Richtſchnur
iſt nur die Logik des dichteriſcheu Gefühls, die ſich aus dem Ziel
der erhebenden und befreienden Gefühlswirkung herſchreibt und auch
ſtrenge, aber von der Wirklichkeit unterſchiedene Geſetze diktiert. Und
das meint Grillparzer! Man kann das am beſten gerade aus dem
ſchon gekennzeichneten Widerſpruch erkennen, der ſich auch in dieſer
Form wiederholt: daß Grillparzer, der einerſeits behauptet, der Wirk⸗
lichkeit müſſe man glauben, die Dichtkunſt aber müſſe „durch Urſache
und Wirkung vermittelt“ den Geiſt zwingen, andererſeits gerade
gegenüber den „Ideologien der Zeit“ unermüdlich auf die Natur ver⸗
weiſt und ſagt: die Wiſſenſchaft überzeuge durch Gründe, die Kunſt
aber ſolle durch ihr Daſein überzeugen, wie die Natur, wie die Wirk⸗
lichkeit (15, 29. 61). Der Widerſpruch löſt ſich nur ſo, daß Grill⸗
parzer im erſten Falle die Kunſt von der Wirklichkeit unterſcheiden,
im zweiten ſie gegenüber dem Denken charakteriſieren will: Wie die
Natur braucht die Kunſt nicht zu begründen, nämlich verſtandes⸗
mäßig, nicht wie die Natur muß die Kunſt überzeugen, näm⸗
lich gefühlsmäßig.
XII. Die Ideologie.
Dieſes gefühlsmäßig Überzeugende jedoch läßt ſich auch durch das
beſte Schema einer logiſch verknüpften Handlung nicht entfernt garan⸗
tieren, iſt aus ihm noch durch nichts beſtimmt, ſondern gerade jenes
Gefühlsmäßige hat auf das Schema beſtimmend einzuwirken. Und
ſo ſehen wir immer wieder, daß die Kunſtbetrachtung einen verſtan⸗
desmäßig⸗theoretiſch nicht auseinanderzulegenden und nur immer
an Beiſpielen zu verdeutlichenden Hauptfaktor niemals außer acht
laſſen darf. Und nur mit denen, die dieſen Hauptfaktor ſehen, läßt
ſich über Kunſt reden. Es iſt geradezu auch eine der Aufgaben ehr⸗
licher Kunſtbetrachtung, jener Art von Aſthetik und literariſcher Kri⸗
tik entgegenzutreten, die, blind für dieſen Hauptfaktor, gegenſtands⸗
loſe Begriffe bildet, in ihnen gegenſtandsloſe Probleme entwickelt,
welche ſie mit gegenſtandsloſen Definitionen löſt. Ob dieſe Ideolo⸗
gie einen Dichter bejaht oder verneint, iſt in gleicher Weiſe nichts⸗
ſagend. Ja, man darf vielleicht ſagen, ſie kompromittiert ihn, wenn
fie ihn lobt. Denn dann hat fie vielleicht ihre Ideologie in ihm wie⸗
dererkannt, und das iſt gewiß ein Todesurteil. Dieſe Ideologie pocht
auf ihre, konkrete Wiſſenſchaftlichkeit“. Aber was iſt denn das Wiſſen⸗
;
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3
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a
l
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 121
ſchaftliche? Das Wiſſenſchaftliche handelt vom allgemein Begreif-
lichen und Erlernbaren. An einem Muſikſtück iſt begreiflich und er⸗
lernbar, daß da Töne ſind, und welche, und in welcher Folge, aber
daß die Töne in dieſer Zuſammenſetzung uns aufwühlen, Gefühle,
Stimmungen, Vorſtellungen, Gedanken erregen, in einer ganz be—
ſonderen Weiſe, das iſt nicht jedem zugänglich, nicht jedem begreif—
lich und nicht erlernbar, ſondern das muß man erleben und dazu
muß man eine eigene Begabung, die Organe mitbringen. Eine wij-
ſenſchaftliche Betrachtung wird ſich alſo mit allem Außeren nur be—
ſchäftigen können, nicht mit dem, was eigentlich der Kernpunkt, das
Angeſtrebte iſt: die erhebende Erregung durchs Gemüt. Entſprechend
kann ungefähr jeder aus einem Drama, einem Roman die Inhalts-
angabe davontragen. Wir wiſſen aber, daß bei demſelben Inhalts—
ſchema verſchiedene Dichtungen ganz verſchieden wirken können, die
eine vielleicht tief erſchüttert, die andere ganz kalt läßt. Und ſicher⸗
lich nicht die gleiche Inhaltsangabe, ſondern die grundverſchiedene
Wirkung wird das Weſentliche und Entſcheidende für eine Betrach—
tung der Werke ſein. Um dieſe Wirkung aber zu ſpüren, dazu gehört
etwas Unerlernbares, die Organe ſich von poetiſchen Vorſtellungen
erregen und ſteigern zu laſſen. Die wiſſenſchaftliche Betrachtung be—
zieht ſich darum, wenn ſie konſequent iſt, auf Inhaltsangaben. Will
ſie nun weiter gehen, ſo drückt ſie aus ihnen „Ideen“ und Klaſſifi⸗
kationen heraus, und aus dieſen Ideen und Klaſſifikationen ſtellt ſie,
wenn nötig, auch Urteile zuſammen. Und hat ſo in Wirklichkeit kein
Wort von der Dichtung geſprochen. In dieſer Weiſe verfährt nun
tatſächlich auch unſere Ideologie, ſo daß man ihren Erörterungen
völlig folgen kann, wenn man die Werke nicht geleſen, ſondern nur
ihre Inhaltsangabe gehört hat.
XIII. Hebbel gegen die Ideologie.
a) „Das Schaffen aus der Idee.“ — Dieſer Ideologie ſcheint
Hebbel ganz vorzüglich zu gefallen. Sie kann ſich, als „ideal“ ge⸗
richtet, „keinen großen Dichter denken, der nicht Philoſoph ſei“. Sie
braucht das, weil ſie glaubt, der Dichter geſtalte aus ſeiner „Welt⸗
anſchauung“ — und damit meint ſie etwas Begriffliches — während
wir ja ſahen, wie der Dichter nicht aus, ſondern zu einer Weltan⸗
ſchauung geſtaltet, die er eben nicht begrifflich, ſondern dichteriſch
erlangt. Die Ideologie iſt daher erfreut, bei Hebbel ein ganzes be—
griffliches Syſtem einer Weltanſchauung in ſeinen Theorien zu fin⸗
den. Hier ſcheint ihr ganz beſonders deutlich zu verfolgen möglich,
7 der Dichter ſeine „Weltanſchauung hat“ und ſie in Werke um⸗
ſetzt.
Aber, und das iſt's, wovon wir hier reden müſſen, Hebbel ſelbſt
hat in ſeinen gelegentlichen kritiſchen und äſthetiſchen Artikeln und
auch an jo manchen Stellen in feinen größeren theoretiſchen Ar-
122 Abhandlungen
beiten genug Derartiges geſagt, was ihn vor der kompromittierenden
Bruderſchaft dieſer Ideologie ſchützen darf.
Eben jener Behauptung: der Dichter müſſe aus der Weltanſchau⸗
ung oder aus der Idee heraus ſchaffen, tritt Hebbel an manchen
Stellen deutlich genug entgegen. Er klagt darüber, daß ſogar ein-
ſichtige Männer ſich das Schaffen als ein, wenn auch „veredeltes“
Machen vorſtellen; der Dichter könne nicht willkürlich ſeine Stoffe
wählen, das empfangende Stadium ſei tief unter der Grenze des Be—
wußtſeins, gehe oft in die fernſte Kindheit zurück (wie ja auch Grill-
parzer ſchreibt: man merke ſeinen Dramen an, daß er ſich in der Ju⸗
gend an Geiſter- und Feenſtücken des Leopoldſtädter Theaters ergötzt
habe) und wenn man überhaupt von einem Vor und Nach im Schaf⸗
fensprozeß reden könne, ſo werden dem Dichter (wer ſich für einen
hält, möge ſich darnach prüfen! bemerkt Hebbel) jedenfalls eher die
Geſtalten bewußt als die Idee oder vielmehr ihr Verhältnis zur Idee
(Vorwort zur Maria Magdalena’).
Die Stelle zeigt jedenfalls ſo viel, daß er „ein Schaffen aus der
Idee, der Weltanſchauung“ als undichteriſch zurückweiſt. Ob aller⸗
dings nicht nachträglich doch etwas Verſtandesmäßiges ins Dichten
hineinkommen darf, läßt dieſe Stelle nicht mit Sicherheit verneinen.
Schon eher ließe ſich das aus einer anderen Außerung Hebbels ſchlie⸗
ßen, wo er ſich auf die eben gebrachte Stelle bezieht: „Ich ſage in
der Vorrede zur Maria Magdalena’: Das Drama ſoll den jedes⸗
maligen Welt- und Menſchenzuſtand in ſeinem Verhältnis zur Idee,
d. h. hier zu dem alles bedingenden ſittlichen Zentrum des Weltorga—
nismus veranſchaulichen und alſo im höchſten Sinne Geſchichtsſchrei⸗
bung ſein. Dabei wird ausdrücklich gegen die tendenziöſe Auffaſſung
meines Gedankenganges Verwahrung eingelegt und der Dichtungs⸗
prozeß auf eine Weiſe beleuchtet, die gar keinen Zweifel übriglaſſen
kann, daß es mir nicht von fern in den Sinn kam, ein Adjektiv,
das die reinſte Erſcheinung der Gattung charakteriſiert, in einen Im⸗
perativ für den hervorbringenden Künſtler zu verwandeln, der
eines ſolchen nach meiner eigenen Darſtellung nicht bedarf, weil
die Schöpfung unbewußt und unwillkürlich in ihm
vor ſich geht und er nur Organ iſt“ (Abfertigung eines äſthe⸗
tiſchen Kannegießers'). Scheint uns alſo auch Hebbel das Drama
als eine Demonſtration letzthin aufzufaſſen, ſo will er doch keinesfalls
den Dichter in ſolcher Abſicht ſchaffen laſſen.
Die Ideologie aber, die den Dichter von der „Idee“ ausgehen
läßt, behauptet, aus dem „Vor“ der „Weltanſchauung“ das „Nach“
der „Form“ entwickeln zu können, d. h. ſie glaubt das Rätſel des
künſtleriſchen Schaffens löſen zu können. Ja, ſie vermißt ſich ſogar,
aus der „Weltanſchauung“ und dem „Stoff“, in dem formuliert wer⸗
den ſoll, bis aufs Versmaß genau, „mit wiſſenſchaftlicher Schärfe“
nachzuweiſen, warum dieſe und keine andere Form gewählt wurde.
Hebbel und Grillparzer inihren Theorien 123
Eine Logik der Form beſteht, aber ſie fließt nicht aus einer Verſchie—
denheit der „Weltanſchauung“, ſondern etwa aus einer pſychiſchen
Verſchiedenheit, die verſchiedene Wege zum gleichen Ziel bedingt.
Dieſe Logik iſt alſo eine aus organiſcher Bedingung, nicht
eine verſtandes mäßiger Berechnung. Wir können dieſe Lo—
gik angepaßter Abſtraktionen nur nachfühlen, nicht aber etwa er—
füllen. Und Hebbel ſagt, glaube ich, einmal: jo wenig er Schiller
weiter leben könne, ſo wenig auch könne er deſſen Demetrius' weiter
dichten! Mit jenen Irrungen, die nur ganz konſequenterweiſe aus
der Anſicht eines „Schaffens aus der Idee“ folgen, hat Hebbel alſo
nichts gemein.
b) Das Begriffliche. — Hebbel ſagt, daß die abſtrakten Stellen
im Kunſtwerk ſolche ſind, wo entweder der Geiſt des Ganzen nicht
zur Form durchdrang, oder wo eine der Form nicht bedürftige Kopula
herzuſtellen war, d. h. alſo die ſchwächſten oder unbedeutendſten
Stellen; und er ſagt mit Spott: wenn die nur an Begriffe Gewöhnten
im Kunſtwerk auf einzelne Partien ſtoßen, die (ſollten's unter einem
Gemälde auch nur die Unterſchriften des Regiſtrators ſein) in der
ihnen allein geläufigen Ausdrucksweiſe des Gedankens und der Re—
flexion abgefaßt ſind, ſie dies nun für die Hauptſache hielten (Vor⸗
wort zur Maria Magdalena’). Das iſt allerdings die treffende Cha—
rakteriſtik der Ideologen, die für jedes Drama einen Begriff bereit
haben — für den “Macbeth” das Probelm des Ehrgeizes, für Die
Weber' das der ſozialen Not uff. — und die auf ihre Begriffsbeſtim—
mungsart zu einer Kritik von Schlagwörtern kommen, nicht aber der
Kunſt und Unkunſt.
c) Naivität. — Eben das Begriffliche, wie geſagt, faßt der Ideo—
loge dieſer Richtung bei Hebbel auf. Und da das Umſetzen von be—
grifflich Bewußtem in Dichtung (das wäre, was Hebbel „machen“
nennt) nicht dichteriſcher Naivität entſprechen kann, wird feſtgeſtellt,
daß Hebbel „natürlich“ kein naiver Dichter ſei. Ob Hebbel ſelbſt das
ſo ſehr „natürlich“ finden könnte? Es gebe zwei Arten von Naivität,
ſagt Hebbel, eine triviale ohne Geiſt, und eine, die nicht Geiſt und
Bewußtſein, wohl aber eine beſtimmte Form des Geiſtes: die Re—
flexion ausſchließe; dieſe echte Naivität ſei die reinſte Er⸗
ſcheinung des Genies und die einzige des vollen und
ganzen; fie beſteht darin, daß ſich das Geſetz ganz von ſelbſt in ihr
vollzieht, daß fie ſich auf dasſelbe gar nicht zu beſinnen braucht ( Wie
verhält ſich im Dichter Kraft und Erkenntnis zueinander?“).
d) „Hiſtoriſche Betrachtungsweiſe.“ — Dieſe „wiſſenſchaftliche“
Ideologie liebt es, ſich ein hiſtoriſches Mäntelchen umzuhängen, und
ſie erklärt, wenn ſie Hebbel gegen Angriffe verteidigt: Hebbel ſei aus
ſeiner Zeit und ihren Ideen zu erklären, gewiß, es habe nachher eine
Zeit gegeben, wo man ihn nicht mehr verſtand, weil man dieſe Ideen
nicht mehr kannte; Leute, die nicht denken könnten, machten ihm ſeine
124 Abhandlungen
Ideen nun zum Vorwurf. Was würde Hebbel zu dieſer Verteidigung
ſagen? Nun, er hat dazu ſchon geſprochen: „Es gibt eine doppelte
Art von Produktion, eine abſolut ſchöpferiſche, die, wie Schiller ſagt,
„in der Natur die Natur vermehrt“, weil ſie den Weg zum Brunnen
ſelbſt findet, aus dem die ewigen Bildungen aufſteigen, und eine
untergeordnete, auf die Reflexion angewieſene, die aus der zweiten
Hand lebt und den Ideengehalt der Zeit, ſei dieſer nun ein vorzugs⸗
weiſe religiöſer, philoſophiſcher oder poetiſcher, verarbeitet. Jene wird
nie überwunden ... Dieſe wird oft ſchon durch das nächſte Dezennium
überholt, denn die Stimmung der Welt, die ſie auffing und wieder⸗
gab, braucht nur zu wechſeln oder auch nur in eine neue Phaſe mit
neuen Fernſichten auf neue Verhältniſſe zu treten, und es iſt um ſie
geſchehen. Beide Arten kommen in jeder Art der Poeſie vor.. Man
braucht ih... im einzelneu Falle . .. nur einfach zu fragen, ob eine
Leiter zu dem Produkt hinaufführt oder nicht, d. h. ob es die bloße
höhere Potenz einer längſt vorhandenen Gedankenreihe iſt, oder ob
es an die Minerva erinnert, die plötzlich aus Jupiters Haupt ent⸗
ſprang“ (Zur Anthologienliteratur')). Wir ſehen: Hebbel ſelbſt macht
hier klar, daß jene obige Charakteriſtik ein Todesurteil faßt, ſtatt
ihn zu verteidigen. Hebbel vermengt nicht die (für einen beſtimmten
Eindruck) ewig geltende äſthetiſche Wertung mit der geſchicht⸗
lichen Erklärung. Ja, er ſieht ſogar ein, daß jedes Werk ur⸗
ſprünglich und ſelbſtändig dichteriſch ſein muß, und nicht nur,
daß die ewigen Werke ſo ſind, ſondern daß Werke, welche nicht ſolche
ewig gültige ſind, ſchon von Anfang an undichteriſch waren, daß alſo
mit geſchichtlichen Betrachtungen da nichts zu retten iſt; ſondern
gerade, wenn dieſe wirklich nötig ſind, es keinen ſchlagenderen Be⸗
weis für den dichteriſchen Fehler geben kann.
Wenn man behauptet, man müſſe den hiſtoriſchen Zuſammenhang
und die biographiſchen Vorausſetzungen kennen, um Werke richtig
zu beurteilen, ſo meine ich gerade umgekehrt; man muß dieſe Be⸗
dingungen übergehn können, wenn je ein Urteil möglich iſt. Was
wahr, iſt immer und unter allen Bedingungen wahr. Sonſt gibt es
keine Wahrheit. Auch nicht für unſer Urteil. Und dann auch über⸗
haupt kein Urteil. Alle Erklärung und Entwicklung aus der Zeit
würde im beſten Falle die Eigenart des Weges nur entwickeln kön⸗
nen. Das Ziel bleibt ewig dasſelbe. Wie wenig aber erſt wird unſere
Ideologie zu einem Urteil kommen können, die ganz grob Hebbel aus
Hegel, Gerhart Hauptmann aus der Sphäre des Sozialiſtengeſetzes
„verſteht“, jedem Jahrzehnt eine „Weltanſchauung“ gibt und die
Dichter aus den „Ideen ihrer Zeit“ erklärt. Sie weiß nicht, was wir
Hebbel in ſeiner Art oben ſagen hörten, daß wahre Künſtler „nicht
aus der zweiten Hand leben“, nicht „aus dem Ideengehalt der Zeit“,
ſondern „den Weg zum Brunnen ſelbſt finden, aus dem die ewigen
Bildungen aufſteigen“, und daß (nur) dieſe „nie überwunden werden“.
Hebdel und Grillparzer in ihren Theorien 125
XIV. Schlußfolgerungen.
Es ſtellt ſich heraus, daß unſere Kritik Grundzügen von Hebbels
äſthetiſcher Auffaſſung viel eher entſprechen mag, als die viel zu
niedrig ſtehende Verteidigung dieſer Ideologie. Er ſtimmt mit unſerer
Kritik überein, verteidigt ſeine metaphyſiſche Theorie aber, indem er
erklärt, ſie als charakteriſierendes Adjektiv und nicht als Imperativ
für den ſchaffenden Dichter gedacht zu haben. Wir könnten dieſe Ver-
teidigung gelten laſſen und doch ganz im Rechte ſein, wenn wir
hypothetiſch die großen Gefahren dieſer Theorie zeigen und jo er-
kennen, wie ſehr weſentlich, ja entſcheidend dieſe von Hebbel gemachte
Einſchränkung iſt. Wir erkennen dann auch jedenfalls, daß das
Verfahren der Ideologie, eine Übereinſtimmung zwiſchen
Hebbels Theorie und Praxis aufzuſuchen und damit zu—
frieden zu ſein, gar nichts für die äſthetiſche Wertung be⸗
deutet. Was Hebbel „gewollt“ hat, iſt für uns kein Grund und
kein Maß unſeres Urteils. Wir glauben, daß Hebbels Theorie, auch
als rein charakteriſierende, das Weſen der Kunſt nicht trifft. Ferner
ſahen wir, daß ſie, wenn überhaupt Dichteriſches, die tragiſche Ge—
ſchichte, nicht aber den tragiſchen Charakter meinen kann.
XV. Charaktere.
a) Nun iſt es aber gerade eine der vielen Zwieſpältigkeiten in
Hebbels Theorien, daß er die Theorie der Charaktere nach ſeiner
metaphyſiſchen Schuld⸗ und Verſöhnungstheorie ganz anders ge—
ſtalten müßte, als er ſie in ſeinen Kritiken, insbeſondere auch anläß⸗
lich des Schiller-Goethe-Problems, bildet. Wir haben oben zu zeigen
verſucht, welche Art der Charaktere aus Hebbels Theorie folgt, und
Hebbel war ſich dieſer Konſequenz ſeiner Theorie bewußt, wie folgende
Tagebuchnotiz von 1843 zur Maria Magdalena’ beweiſt: „... daß
alſo die Gebundenheit des Lebens in der Einſeitigkeit, aus der von
vornherein alles Unheil der Welt entſpringt, ſo recht ſchneidend
hervortritt, weshalb ich mich auch wohl gehütet habe, den Haupt⸗
charakter, den eiſernen Alten in dem Scheidewaſſer, das der Sekre—
tär . . gegen ihn ausſpritzt, aufgelöſt erſcheinen zu laſſen, er darf
nicht weiter kommen, als zu einer Ahnung .. .“. So, einſeitig, un-
beirrt, geradlinig, mußte Hebbel nach ſeiner tragiſchen Konſtruktion
die Figuren bringen, und doch iſt ſein Ideal der Charakterzeichnung
Goethe und Kleiſt — und Schiller rügt er.
Laſſen wir Hebbel ſelbſt ſprechen: „. . . Allein fie [Körners Cha⸗
raktere] find nun einmal, wie alle Geſchöpfe des bloßen Talents,
Pfeile, die von einer gewiſſen Sehne ab einem gewiſſen Ziele zu⸗
fliegen, und daher nur nach ihrer Abweichung von dieſer ihrer Bahn
beurteilt werden können. Hier iſt auch der Unterſchied zwiſchen Goethes
und Schillers Charakteren zu ſuchen. Schillers Charaktere find — um
126 Abhandlungen
mich eines Wortſpieles, das hier einmal das Richtige ausdrückt, zu
bedienen — dadurch ſchön, daß ſie gehalten ſind, Goethes dadurch,
daß ſie nicht gehalten ſind. Schiller zeichnet den Menſchen, der in
ſeiner Kraft abgeſchloſſen iſt, und nun wie ein Erz durch die Ver⸗
hältniſſe erprobt wird, deswegen war er im hiſtoriſchen Drama
groß. Goethe zeichnet die unendlichen Schöpfungen des Augenblicks,
die ewigen Modifikationen des Menſchen durch jeden Schritt, den
er tut, dies iſt das Zeichen des Genies . . .“ (Tagebuch). Hebbel
ſchreibt aber ſpäter in ſeinem Aufſatz Mein Wort über das Drama':
die Charaktere „dürfen in keinem Falle als fertige erſcheinen, die nur
noch allerlei Verhältniſſe durch- und abſpielen und wohl äußerlich
an Glück oder Unglück, nicht aber innerlich an Kern und Weſen—
haftigkeit verlieren und gewinnen können. Dies iſt der Tod des Dra-
mas, der Tod vor der Geburt“. Das Drama werde eben erſt lebendig,
indem es uns veranſchauliche, wie das Individuum ſeine Form ge—
winne.
Würde man dieſe beiden Stellen ganz wörtlich nehmen, dann würde
die über den Unterſchied zwiſchen Schillers und Goethes Charakteren
nicht nur, wie ſie beſagt, Schiller als Talent dem Genie Goethe unter-
legen erklären, ſondern es würde ſich die Behauptung ergeben, daß
die als in ihrer Kraft abgeſchloſſen gekennzeichneten Schillerſchen
Charaktere das Drama von vornherein töten müſſen. Aber das meint
Hebbel wohl nicht. Und das trifft auch nicht zu, weil weder der Fall
ganz extrem eintritt, noch das Drama wirklich nur von der Ent—
wicklung der Charaktere und dem Intereſſe an ihnen abhängen muß:
wohl werden die Charaktere dann nicht lebendig ſein, aber nicht
auch das Drama nicht, das feinen Schwerpunkt in die Geſchichte ver-
legen kann. Ebenſo fällt die in jenem Zitat offenbar behauptete
Sonderſtellung des hiſtoriſchen Dramas dahin.
Was uns aber an beiden Zitaten hier intereſſiert, iſt, daß ſie den
ſich entwickelnden, ſich durch jeden Schritt modifizierenden Charakter
als Ideal aufſtellen. In dieſem Sinne ſind auch Hebbels Bemer⸗
kungen über Kleiſts Prinzen von Homburg gehalten, den Hebbel
als genial bewunderte, weil er uns den Entwicklungsprozeß, die be⸗
deutſamen Umwandlungen eines Menſchen erleben läßt.
Wie läßt ſich nun dieſer Zwieſpalt bei Hebbel erklären? — Es
iſt einleuchtend, daß wir, wenn wir unſeren Blick ganz für ſich auf
die Charaktere richten, den unmeßbaren, ſich modifizierenden, ent=
wickelnden den Vorzug vor den einſeitigen, geradlinigen, auf eine
beſtimmte Bahn berechneten geben, weil nur in jenen erſteren Pro⸗
bleme liegen und geſtaltet werden können, während die der zweiten
Art, einmal im Typus erkannt, für ſich nicht mehr feſſeln und nichts
mehr entwickeln können. Denkt nun Hebbel nur an die Charaktere, ſo
wird er eher den als Charakter ſchon bedeutſamen den Vorzug geben,
als wenn er aus ſeiner Theorie heraus unterſucht.
Hebbel und Grillparzerinihren Theorien 127
b) Es iſt nicht nötig, viel von dem anzuführen, was Grillparzer
über die Frage der Charaktere äußert, da er ziemlich mit dem über—
einſtimmt, was wir eben von Hebbel hörten. Gerade aus Grillpar—
zers geſamten Anſchauungen iſt dieſe Betrachtungsart der Charaktere
höchſt folgerichtig. Und die Übereinſtimmung liegt, wie wir ſchon
ſahen, an einer Inkonſequenz Hebbels. Vielleicht das für ihn Kenn⸗
zeichnendſte hat Grillparzer darin ausgedrückt, daß er erſt die aus der
Natur gegriffenen Inkonſequenzen einem Charakterbilde Leben
geben und das Höchſte der dramatiſchen Kunſt ſein läßt (15, 102),
womit offenbar, etwas zugeſpitzt, eben das formuliert iſt, was Hebbel
mit dem Nichtgehaltenſein der Goetheſchen Charaktere, den Umwand—
lungen des Prinzen von Homburg meint.
XVI. Der Charakter von Hebbels und Grillparzers Theorien.
Gerade in der Frage der Charaktere erſehen wir, daß die Diskre—
panz in Hebbels Theorie ſich nicht vollſtändig auflöſen läßt. Wenn
Hebbel auf der einen Seite eine ganze metaphyſiſche Theorie von dem
entwirft, was das Drama zu leiſten habe, auf der anderen Seite aber
erklärt, der Künſtler ſchaffe unbewußt und unwillkürlich, ſo können
wir zugeben, daß darin noch kein Widerſpruch liegen muß. Wenn er
aber aus ſeiner Theorie heraus eine Art der Charakterzeichnung fol—
gert und folgern muß, die er dann als Kritiker und Empfindender
für inferior erklärt, ſo ſteckt darin zweifellos ein Zwieſpalt. Und ähn⸗
lich ſcheint er, etwa in ſeiner Beurteilung Goethes, ſich in einem
Zwieſpalt zu befinden. Wir haben geſehen, wie er aus ſeiner Theorie
heraus mit Goethe unzufrieden iſt, ihm ein Stehenbleiben in der
Mitte zwiſchen dem Zufälligen und Notwendigen vorzuwerfen ſcheint;
auf der anderen Seite aber, nicht als metaphyſiſcher Theoretiker,
ſondern als empfindender Kritiker, ſieht er in Goethe geradezu ein
Ideal. Und ſo ließe ſich noch vieles angeben, was zum mindeſten
widerſpruchsvoll erſcheint. Hingegen bereiten Grillparzers Theorien
keine großen Schwierigkeiten in der Geſamtrichtung.
Nichts iſt für Grillparzers Verhältnis zur Theorie der Kunſt be—
zeichnender als die Notiz, mit der er ſeine Betrachtungen beginnt:
„Ich nehme mir bei dieſen Anmerkungen vor, ohne Rückſicht auf
ein Syſtem, über jeden Gegenſtand dasjenige niederzuſchreiben, was
mir aus ſeinem eigenen Weſen zu fließen ſcheint. Die dadurch ent—
ſtehenden Widerſprüche werden ſich am Ende entweder ſelbſt geben,
oder, indem ſie nicht zu entfernen ſind, mir die Unmöglichkeit eines
Syſtems beweiſen“ (15, 9). Dieſer Dichter ſammelt Züge, gibt eine
Vielheit über einen Gegenſtand, ſucht nicht einen innern Kern⸗
punkt; man ſpürt bei ihm faſt immer das empiriſche Fundament,
er gibt ſeine Eindrücke und analyfiert fie; er bleibt dabei in der
Hauptſache real und verſtandesmäßig und entwickelt klar, wenn die
Grundlage auch, wie geſagt, der gefühlsmäßige Eindruck iſt. Betont
128 Abhandlungen
er ja jelbjt den gefunden Menſchenverſtand gegenüber der verrückten“
Philoſophie der Zeit, die den Kopf warm mache, indes nur das Herz
warm zu ſein habe. Wenn ihm aber der Gedankenknäuel zu bunt wird,
und er ſieht, daß die Theorie doch nicht ganz paſſen will, ſo kann er
auch ſeine Erörterungen abſchneiden und ausrufen: „Der Teufel hole
alle Theorien“. Dabei ſpinnt er eigentlich nur ſelten weiter aus⸗
holend etwas wie eine Theorie. Wo er ſich wirklich in tiefergehende
theoretiſche Unterſcheidungen einläßt, hat man doch gewöhnlich den
Eindruck, daß er aus der momentan gegebenen Situation heraus
entwickelt, nicht etwas völlig zu Ende Geführtes, endgültig dogmatiſch
Gemeintes geben will. Auch hier find es mehr einmalige Gedanken⸗
gänge, geſcheite Verſuche eines regſamen, über vieles denkenden Kop⸗
fes, die ſich wiederholen können, variieren und nun aber nicht etwa
nach allen Seiten auseinanderlaufen, ſondern in der Grundtendenz
dieſes originellen und in Kunſtſachen recht entſchiedenen Mannes
zuſammengehen. Meiſt aber darf man eher von Anmerkungen ſprechen,
die gewöhnlich nicht tiefer begründen, nichtsdeſtoweniger aber auch
den regen und feinen Geiſt verraten. Grillparzer iſt eben im ganzen
kein Theoretiker. Und will keiner jein. „Wenn Schiller“, ſchreibt
Grillparzer 1857, „in ſeinem Aufſatz Über das Pathetiſche' meint:
das Tragiſche liege in dem Widerſtreit der geiſtigen Kraft gegen die
ſinnliche Gewalt, jo möchte ich wiſſen, wo in Romeo und Julia
auch nur der geringſte Widerſtand gegen die Empfindung geleiſtet
wird, und doch iſt Romeo und Julia im höchſten Grade tragiſch.
Darin ſoll kein Tadel gegen Schiller liegen, ſondern gegen die philo⸗
ſophiſchen Theorien in Kunſtſachen überhaupt. Die Regel paßt nie
auf alle Fälle, und darum hat Schiller in den Jahren ſeiner Reife
ausdrücklich jede Stunde bedauert, die er mit ſolchen Spekulationen
verloren“ (15, 73). „Gewöhne dich, die Kunſt mit voller Kraft des
Gemüts, ſtatt mit dem grübelnden Verſtande aufzufaſſen, und du
wirſt einſehn lernen, daß nicht theoretiſch erwieſene, ſondern prak⸗
tiſch vorhandene Grundlagen es ſind, die das Weſen der dramatiſchen
Kunſt ausmachen, ja der Kunſt überhaupt“, ruft er einem Kritiker
der Ahnfrau (18, 168) zu. So iſt es auch nicht ſo ſehr die Abſicht,
das Weſen der Kunſt theoretiſch zu ergründen, die Grillparzer die
Feder führt, als vielmehr oft gerade die, das „Theoretiſch-Dogmati⸗
ſche“, die „Ideologien der Zeit“ abzuſchütteln. Iſt es ja überhaupt
einer der typiſchen Züge an dieſem Dichter, daß er ſozuſagen ſeine
ganze Zeit ablehnt, und vieles, was er nun niederſchreibt, iſt leicht
mißmutige Abwehrbewegung eines Einſamen, ſich dieſe Zeit vom
Leibe zu halten.
Aber Grillparzer iſt ein empfindſamer und einſichtiger Kritiker.
Und was er hauptſächlich ſehr gründlich eingeſehen hat, das iſt die
ſtrenge Selbſtändigkeit, die Souveränität der Künſte. Wie er die
Dichtung gegenüber dem Gedanklichen möglichſt frei gehalten haben
Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 129
will, ſo kann er ſich in der Muſik gar nicht genugtun in Verſpot⸗
tung der Programm-Muſik; und eben in dieſem Sinne opponiert
er energiſch Weber und Wagner, weil ſie die Muſik „poetiſieren“.
Zweifellos iſt dieſe ſeine Erkenntnis für ihn als Dichter von großem
Wert.
Anders Hebbel. Er ſucht den Kernpunkt, das allgemeine Geſetz,
und will die Erſcheinungen aus einem Syſtem heraus erklären und
zuſammenfaſſen, er zweifelt nicht an der Möglichkeit eines Syſtems;
er iſt Theoretiker und hat oft gar weit geſponnene Betrachtungen in
ſeinen Aufſätzen angeſtellt, die nicht nur begleitender Art, ſondern
von ſelbſtändigem Werte ſein wollen. Ganz im Denken will Hebbel
zu Ende kommen. Man ſpürt bei ſeinen Theorien nicht immer den em—
piriſchen Boden, verliert leicht auch den letzten Faden einer Beziehung
auf konkretes, dichteriſches Schaffen. Und das iſt auch leicht zu ver—
ſtehen. Denn er geht von ſeinen philoſophiſchen Grundanſichten aus.
Hebbel, nicht etwa wie Grillparzer ein mit ſeiner Zeit zerfallener
Einſamer, der alle Parteien gleicherweiſe ablehnt, ſondern ein echter
Sohn ſeiner Tage, ſelbſt Parteimann, entnimmt Grundvorausſetzun⸗
gen ſeiner Kunſttheorie mehr oder weniger jener von Grillparzer ge—
geißelten zeitgenöſſiſchen Philoſophie. Er möchte geradezu vom Stand-
punkte ſeiner Philoſophie die Kunſt begründen.
Dabei iſt aber auch Hebbel ein tüchtiger Kritiker.
Hebbel und Grillparzer unterſcheiden ſich jedoch in der Art ihrer
Kritik. Hebbel iſt verſtandesſcharf, er ſucht in ſeinen Kritiken ſtets
zu begründen, geht aber ſo weit, noch dort Gründe geben zu wollen,
wo nur mehr das Gefühl beſtimmt. Er vertieft ſich manchmal bis
ins Einzelne des Aufbaus; und ſind ſeine Gründe dann ſogar auch
an ſich überzeugend, ſo fühlt man doch, daß dieſe Kritik ein Werk
im Weſen nicht treffen kann. Viel öfter aber ſucht Hebbel den großen
Zuſammenhang. Und wie er da in Kürze eine Darſtellung eines gan⸗
zen Dramas in weſentlichen Linien gibt, iſt zweifellos für ſich mei⸗
ſterhaft. Nichtsdeſtoweniger aber wird eine ſolche Zuſammenfaſſung
immer ein Auf⸗ein⸗Schema⸗Bringen bedeuten, und jo gerade größte
Werke, die viele Deutungen zulaſſen, ſchon auf ein Schema aus⸗
deuten. Ferner kann auch die klaſſiſchſte Zuſammenfaſſung mit der
ſchönſten Entwicklung eines logiſchen Aufbaus eigentlich noch gar
nicht die Wirkung des Werkes faſſen, die trotz dieſes Schemas noch
eine ganz verſchiedene ſein kann. Auf die Wirkung aber kommt es
natürlich an. Dieſe jedoch läßt ſich eben im letzten nicht erklären und
begründen.
Von der Wirkung geht der Kritiker Grillparzer aus. Darum iſt
er mit Gründen ſparſam, und es kommt alles auf ſeine Empfindung
an. Nur wenn wir die gleiche Empfindung haben, werden wir ſeinen
Kritiken beipflichten. Grillparzer hat wenig für die Veröffentlichung
geſchrieben, iſt nicht ſyſtematiſch, geht ebenſo ſelten ſcharfſinnig in
VIII 9
130 Abhandlungen
die Einzelheiten des Aufbaus, als er mit Verſtandesſchärfe Zufam
menfaſſungen gibt, ſondern merkt ſich bei loſer Aufzeichnung der
Geſamthandlung die ihm auffallenden Stellen heraus, ſo daß ihn
z. B. eine „geniale Wendung“ entzücken kann, ihn die Überbrückung
einer Schwierigkeit oder das Scheitern an ihr intereſſiert, oder er
ſchlechte Stellen, unpaſſende Reden kritiſierend herausgreift. Er ver⸗
leugnet auch als Kritiker nicht den Dichter, und er ſchreibt ſeine An⸗
merkungen als Genießer von ſicherem, feinem Empfinden und leben⸗
diger Einſicht.
=
Schon wenn man die Tagebücher Hebbels und Grillparzers nur
oberflächlich durchblättert, fällt ein Unterſchied auf, deſſen Analogon
in der Theorie wir oben bereits (als Vermutung) entwickelt haben.
Hebbel nämlich ſammelt unermüdlich Anekdoten, ſeltſame Geſchich⸗
ten, Einfälle, kurz Fabelmotive, Grillparzer beſchreibt Bekannte,
ſucht ihr Charakteriſtiſches zu faſſen, zerfaſert — vor allem ſich ſelbſt,
kurz er ſucht und ſammelt pſychologiſche Motive, Charakter-
motive.
Das geſchieht bei beiden natürlich ganz unwillkürlich. Die ver⸗
ſchiedene Richtung ihres Intereſſes beruht offenbar auf der großen
Verſchiedenheit der Naturen. Aus dieſer reſultiert die Verſchieden⸗
heit ihrer Theorien. i
Aber bei all den Unterſchieden und ſtellenweiſe auch Gemeinſam⸗
keiten der Theorie iſt Hebbel und Grillparzer überhaupt ein gewiſſer
gemeinſchaftlicher Boden eigen, den man am beſten mit Grillparzers
eigenen Worten charakteriſiert: „Niemand kann ſich von der Richtung
der Zeit freihalten, in der er lebt. Selbſt den, der ſie beſtreitet, zwingt
ſie, wenn auch nicht mit ihren Waffen, doch immer auf ihrem Boden
zu kämpfen, und, wovon gar nicht die Rede ſein ſollte, davon muß
er reden, wenn er überhaupt ſprechen will“ (15, 35). Die Zeit bot
ihnen fertige Frageſtellung, fertige Formulierungen, die ſie beide ge⸗
brauchten (Grillparzer allerdings nur widerwillig), ſo daß ſie uns,
während ſie etwas ſehr Verſchiedenes meinen mögen, doch durch dieſe
Art der Formulierung in einigem ähnlich erſcheinen.
Prinzipiell aber, das hat dieſe Unterſuchung wohl gezeigt, ſind ſie
gründlich verſchieden in ihren Theorien: die Hebbels, metaphyſiſch
und dogmatiſch, iſt voller Gefahren für den Dichter, hingegen läßt
ſich die unverbindliche, empiriſche Grillparzers leicht als eine ſolche
erkennen, die von vornherein nur von dichteriſchen Vorausſetzungen
ausgeht.
Man wird ſich nun aber zu hüten haben, etwa mit der Theorie
auch den Dichter zu billigen oder zu verwerfen oder überhaupt ſich
in irgendeiner Weiſe aus der Theorie des Dichters in ſeiner Stel⸗ S 85
> a 9 der e fragen, auch 1 den verſchlungenſten
. 8 Wegen das ethiſche Ziel abzugewinnen ſuchen und nur nach dem
Mehr oder Minder oder Garnicht der Erreichung dieſes Zieles ur⸗
teilen. Dies ſoweit wir werten. Soweit wir aber erklären und ver-
ſtehen wollen, dürfte uns die Theorie auch manche Einſicht in den
7 Dichter eröffnen.
A
Goethe und Ritter
Bon Graf Carl v. Klinckowſtroem (München)
(Mit Ritters Briefen an Goethe)
elmholtz hat über den Naturforſcher Goethe das harte Urteil
H gefällt, er hätte die auf naturwiſſenſchaftliche Studien verwen-
dete Zeit lieber beſſer nutzen ſollen. Wir urteilen heute darüber an-
ders. Seine Verdienſte um die Naturwiſſenſchaft ſind heute nicht
mehr verkannt, auch nicht die um die Farbenlehre. Goethe lehnte ſo—
wohl die Newtonſche, zu ſeiner Zeit noch allgemein herrſchende kor—
puskulare Emiſſions-Lichttheorie ebenſo ab wie die heute geltende,
von Grimaldi, Huygens, Hooke und Euler bereits vertretene Undu—
lationstheorie (Goethes Beiträge zur Optik' erſchienen 1791/92,
jeine Farbenlehre' 1810). Eine eigene ſyſtematiſch durchgeführte
Theorie hat uns Goethe, dem das Verſtändnis für eine mathemati—
ſche Behandlung der Frage abging, dafür allerdings nicht geliefert.
Für ihn entſteht die Farbe, allgemein gejagt, aus der Wechſelwir—
kung zweier einander entgegengeſetzter und entgegenwirkender Kräfte,
nämlich des Lichtes und einer dieſem entgegenwirkenden Hemmung
(„trübe Mittel“). Er poſtuliert, eine Analogie zwiſchen Optik und
Akuſtik vorausſetzend, daß zwiſchen den inneren (ſubjektiven) phyfio-
logiſchen Farbenempfindungen und den dieſe hervorrufenden äußeren
Reizen (den phyſikaliſchen Farben) wie bei den Tönen eine einfache
Beziehung ſtrenger Parallelität beſtehe. Während Goethes Theorie
in ihrem phyſikaliſchen Teil, bis auf die richtige Erklärung der
Himmelsbläue und der Dämmerungserſcheinungen, als verfehlt an-
zuſehen iſt, hat ſie in ihrem phyſiologiſchen Teil nach dem Urteil
von Fachleuten wie Johannes von Müller und Rudolf Virchow bahn⸗
brechend gewirkt. |
Die meiſten Phyſiker jeiner Zeit, jo Gren ), Lichtenberg ?), Wünſch,
Prevoſt, Poſelger, Döbereiner, Schweigger (wenn auch wohlwollend),
) Gren hat Goethes Beiträge zur Optik' im 6. Bande ſeines Journals für
Phyfik', 1793, S. 3 eingehend beſprochen und die Lehre Newtons verteidigt. Goethe
klagt in einem Brief an Schiller vom 13. Januar 1798, daß „Gren das Alte
wiederholt wie einer, der ein ſymboliſches Glaubensbekenntnis abbetet, und ver⸗
ſichert, es ſei das rechte“. |
2) Bol. Erich Ebſtein: Lichtenberg und Goethe über die Theorie der Farben,
7185 für die Geſchichte der Naturwiſſenſchaften und der Technik' 3 (1910),
71/8. N
136 Mitteilungen aus dem Goethe- und Shiller-Ardiv
C. H. Pfaff; ſpäter u. a. Du Bois⸗Reymond, Bruecke, Dove, Helmholtz,
v. Bezold, lehnten Goethe ab oder ſchwiegen ihn tot!), während Phy-
ſiologen und Philoſophen wie Johannes von Müller, Purkinje, Loder,
Sömmering, Schopenhauer, Hegel, L. v. Henning (der 1822 an der
Berliner Univerſität Vorleſungen über Goethes Farbenlehre hielt)
ihm mehr Gerechtigkeit widerfahren ließen. Von dem Phyſiker Tho⸗
mas Joh. Seebeck, der Goethe bei ſeinen optiſchen Verſuchen ſeit
1806 mit Rat und Tat zur Seite ſtand, berichtet Schopenhauer in
ſeiner biſſigen Art: Seebeck habe jemandem, der ihn danach befragte,
im Jahre 1830 eingeſtanden, daß Goethe in der Tat in vielem im
Recht und Newton im Unrecht ſei, daß es aber nicht ſeine, Seebecks,
Sache ſei, der Welt das zu ſagen. „Der alte Feigling!“ ſagt Scho⸗
penhauer dazu (Sämtl. Werke 1, 12; vgl. Joh. K. Bähr: Vorträge
über Newtons und Goethes Farbenlehre, Dresden 1863, ©. 85).
Goethe hatte von Seebeck, ſeinem vieljährigen Freund und Mit⸗
arbeiter, wie er ihn nannte, viel erwartet und glaubte insbeſondere,
die von Seebeck 1813 gemachte Entdeckung der entoptiſchen Farben
würde ſeiner Theorie zum Siege verhelfen. Er drückte eine gewiſſe
Enttäuſchung über Seebeck noch 1832 in einem Briefe an Zelter
aus (vgl. Bähr, a. a. O., S. 139). Immerhin hat Seebeck Goethes
Verdienſte in gewiſſen Grenzen durchaus nicht verkannt, wie ſchon
ſein Brief an Goethe vom 25. April 1812 zeigt (ſ. Bratranek,
a. a. O. 2, 316), und hat ſich von ihm bei ſeinen eigenen optiſchen
Verſuchen in mancher Hinſicht anregen laſſen.
Entgegen dem ſarkaſtiſchen Urteil von Schopenhauer hat J. C.
Poggendorff in ſeiner Gedächtnisrede auf Seebeck (Abhandlungen der
Königl. Preuß. Akademie der Wiſſ., 1839, S. XIXff.) ausdrücklich
bezeugt, daß Seebeck auch in ſpäterer Zeit, als Berliner Akademiker,
ſeine Anſicht über Goethes Farbenlehre weder geändert noch verheim—
licht hat. Er ſagt: „In der Farbenlehre ſtand er auf Goethes Seite
und behauptete, wie dieſer, die Einfachheit des weißen Lichts“ (vgl.
auch Kuno Fiſcher: Erinnerungen an Moritz Seebeck, Heidelberg
1886, S. 19).
1) Dieſes „Totſchweigen“ iſt übrigens vielfach übertrieben worden. Th. J.
Seebeck hat ſeinem Brief an Goethe vom 25. April 1812 bereits eine Liſte von
9 Rezenſionen über die Farbenlehre' beifügen können, die allerdings faſt durch⸗
weg ablehnend lauteten (ſ. Bratranek: Goethes naturwiſſenſchaftliche Korre⸗
ſpondenz 2, 316). Wir finden hier unter den Gegnern der Goetheſchen Anſchau⸗
ung weiterhin: Chr. Sam. Weiß, Malus, Jungius, E. Th. Fiſcher, Mollweide.
Dagegen haben ſich von Naturforſchern Nees von Eſenbeck, J. Fr. Ch. Werneburg
(1817), H. Ficinus (1828), K. L. Marx und der Breslauer Chemiker N. W. Fiſcher
mehr oder weniger auf die Seite Goethes geſtellt, und auch L. F. Kämtz verhielt
ſich wohlwollend (ſ. Bratranek, a. a. O. 1, 109/10. 236). Goedekes Grundriß
(3. Aufl., IV, 3, 584) verzeichnet über Seebecks Liſte hinaus noch 11 weitere z. T.
ſehr eingehende Beſprechungen der Farbenlehre aus der Zeit. Im übrigen haben
Goethes Hypotheſen in der 2. Auflage von Gehlers Phyſikaliſchem Wörterbuch
eine naturgemäß kritiſche, aber durchaus objektive Beurteilung erfahren.
Goethe und Ritter 137
Neben Seebeck war wohl Ritter einer der wenigen Phyſiker, die
Goethes optiſche Verſuche nicht ablehnten, wenn er ſich auch über
Goethes theoretiſche Vorausſetzungen, wohl abſichtlich, nicht näher
ausgeſprochen hat.
Über Johann Wilhelm Ritter (1776/1810) kann ich mich kurz
faſſen, da ich an anderer Stelle ) über ſein Verhältnis zur Natur⸗
philoſophie und über ſeine Verdienſte als Phyſiker geſprochen habe,
und da ich ferner eine umfaſſende Bearbeitung dieſes genialen Ro—
mantikers im Rahmen einer kritiſchen Neuausgabe ſeiner Fragmente
aus dem Nachlaß eines jungen Phyſikers' (2 Bde., Heidelberg 1810)
vorbereite, wenn auch zur Veröffentlichung eines ſolchen Neudrucks
vorläufig die Ausſichten gering ſind. Die vorliegende Arbeit ſtellt
gewiſſermaßen einen erweiterten Ausſchnitt daraus dar.
Was von ſeiten der Phyſiker Ritter immer zum Vorwurf gemacht
wurde und bis vor gar nicht langer Zeit zu einer erheblichen Unter—
ſchätzung ſeiner Verdienſte geführt hat, iſt ſeine Brandmarkung als
„Naturphiloſoph“. Auch Haym behandelt ihn als einen unklaren
Kopf und unbedeutenden Schwärmer, wobei er auf dem einſeitigen
und ſtark perſönlich gefärbten Urteil von Steffens fußt, der tatjäch-
lich ein typiſcher Vertreter der naturphiloſophiſch gerichteten Natur-
forſchung war. Ich meine aber, daß man Ritter Unrecht tut, wenn
man ihn kurzerhand als Naturphiloſophen etikettiert. Gewiß hatte
ſich der Romantiker Ritter, der in Jena jenem geiſtig ſo regſamen
Kreiſe der Schlegel, Schelling, Hardenberg angehörte, manchen Schel—
lingſchen Grundgedanken, ſo den von der Allbeſeelung der Natur
und von der Einheit der Naturkräfte, zu eigen gemacht. Aber Ro—
mantik und Naturphiloſophie, ſo ſehr ſie Hand in Hand gingen und
ſich gegenſeitig befruchteten, ſind keineswegs identiſche Begriffe. Der
andere Phyſiker unter den Romantikern, Ludwig Achim v. Arnim,
hatte zu der naturphiloſophiſchen Richtung überhaupt keine Bezie—
hung, und wenn Novalis-Hardenberg Ritterſche Gedanken und Hypo—
theſen allzu phantaſtiſch ausbaute, jo kann dafür Ritter kein Vor⸗
wurf treffen. Die hervorſtechende Eigentümlichkeit der naturphiloſo—
phiſchen Denkweiſe iſt doch gerade die, unter ſouveräner Behandlung
der Einzeltatſachen deduktiv zu einem philoſophiſch vertieften Welt—
bild zu gelangen. Niemand wird heute die grandioſe Intuition des
Schellingſchen Identitätsprinzips verkennen. Ritter war jedoch vor—
wiegend der Mann des ſorgſamen Experiments. Er galt mit Recht
zu ſeiner Zeit als einer der erſten Experimentalphyſiker und hat in
der kurzen Spanne ſeines arbeits- und entbehrungsreichen Lebens
(er war noch nicht 34 Jahre, als er ſtarb) als ſolcher ganz Erſtaun⸗
liches geleiſtet. Schellings hinreißende Perſönlichkeit war ſelbſtver⸗
5 ) Johann Wilhelm Ritter und der Elektromagnetismus im Archiv f. d. Ge⸗
ſchichte der Naturwiſſenſchaften und der Technik' 20 (1921).
138 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller⸗ Archiv
ſtändlich beſonders in den erſten Jahren des Zuſammenſeins in Jena N
nicht ohne Einfluß auf Ritter, wie auch Ritters Erſtlingsſchrift
Beweis, daß ein beſtändiger Galvanismus den Lebensprozeß in
dem Tierreich begleite (Weimar 1798) auf Schelling befruchtend
gewirkt hat. Ritter hat aber deshalb doch ſein eigenes Urteil bewahrt
und der ſpekulativen Methode bewußt kritiſch gegenübergeſtanden.
Das geht unzweideutig aus dem im Anhang wiedergegebenen Briefe
Ritters an Goethe vom 25. Dezember 1800 hervor. H. F. Link, ein
Gegner der Naturphiloſophie, jagt geradezu !), Schelling habe Ritter
von ſich gewieſen, weil er das Tribunal der Erfahrung höher hielt
als die Ausſprüche des Idealismus, und habe ihm ſeine „lederne
Empirie“ vorgeworfen. Daß ſich Ritter vom Schellingſchen Einfluß
ſchon früh freigemacht hatte, bezeugt indirekt auch Henrik Steffens
(Was ich erlebte' 4, 87), der die Entfremdung zwiſchen Schelling
und Ritter allerdings auf Eiferſüchtelei des letzteren zurückführt.
Übrigens ſpürte auch Friedrich Schlegel, der damals noch mit
Schelling befreundet war, den Unterſchied zwiſchen der exakten Me⸗
thode Ritters und der ſpekulativen Schellings und ſeiner Jünger,
wenn er am 25. Auguſt 1800 an ſeinen Bruder Auguſt Wilhelm
ſchreibt: „Ritter arbeitet jetzt mit e Schnelligkeit und Sicher⸗
heit, daß ich es ſehr geraten fände, Du lüdeſt ihn gleich zu förm⸗
licher Teilnahme ein, da ſeine Gelehrſamkeit und ſein kritiſcher Über-
blick weder durch die Beiträge von Schelling noch von Steffens er⸗
ſetzt werden kann.“ 2) Noch deutlicher äußert ſich Fr. Schlegel im
1. Stück der Europa', 1803, S. 50: „Schellings Naturphiloſophie
muß bei der kraſſen Empirie, zu deren Vernichtung ſie beſtimmt war,
viel Widerſpruch finden; es ſteht aber um ſo weniger zu fürchten,
daß die Unwiſſenſchaftlichkeit und die Unwiſſenheit in dieſem Fache
den Sieg davontragen werde, da Ritter zu gleicher Zeit das Beiſpiel
einer Phyſik aufgeſtellt hat, die reine Empirie iſt, und doch durch
1) Aber Naturphiloſophie', Leipzig und Roſtock 1806, S. 122.
2 Dieſe Briefſtelle bezieht ſich auf die eventuelle Mitarbeit Ritters am Athe⸗
näum’ (1798/1800). Es iſt aber nicht dazu gekommen. Es konnte nicht fehlen,
daß ſich Ritter bei ſeiner ſtändigen Berührung mit den Dichtern der Frühroman⸗
tik auch in dichteriſcher Produktion verſuchen würde. „Ritter ſchreibt, wenn er
ſich regen und ſchwingen will, reine Jamben“ ſchreibt Fr. Schlegel einmal an
Schleiermacher (Haym S. 678). Und A. W. Schlegel ſchreibt in einem Brief an
Tieck vom 23. November 1800, Ritter habe ſich auch mit poetiſchen Studien ab⸗
gegeben, und er, Schlegel, habe ſeinen Bruder Friedrich ermahnt, Ritter väter⸗
lich anzuleiten. Wir kennen aber von Ritter außer einem auf Novalis anſpielen⸗
den Gedicht in der Einleitung zu ſeinen Fragmenten' nur ein ungedrucktes Ge⸗
dicht in den Ritteriana der Münchner Staatsbibliothek jowie ein ebendort zu fin-
dendes Diſtichon:
Blätter, Schlegel, pflückſt du, und du, Tieck, herrliche Blumen;
Aber, Schiller, nur du windeſt aus beiden den Kranz.
Wie hoch Schlegel Ritter einſchätzte, geht ferner aus der Canzone An Ritter
hervor, die er in Tiecks Poetiſchem Journal 1800 (S. 217) veröffentlicht hat.
Goethe und Ritter 139
den Rigorismus der Methode die ſtrengſten Forderungen an wiſſen—
ſchaftliche Form befriedigt. Wäre dieſer Geiſt allgemein herrſchend,
ſo würde es keine zufälligen Entdeckungen mehr geben, ſondern nur
abſichtliche Erfindungen nach einer ſicher fortſchreitenden Methode.“
Jedenfalls gründete Ritter ſeine Schlüſſe immer auf die Erfahrung.
Das erkannten auch ſeine Gegner, wie z. B. der Kieler Phyſiker
C. H. Pfaff, an. Wenn er einmal irrte, ſo z. B. in der Frage der
Waſſerzerſetzung, wer will ihm das ſo ſehr verübeln? „Es irrt der
Menſch, jo lang’ er ſtrebt.“ Und daß ihm ſeine ſchwerfälligeren Fach—
genoſſen bei ſeinem hohen Gedankenfluge nicht immer zu folgen ver—
mochten, wird auch nicht weiter wundernehmen. Was wohl ſehr da—
zu beigetragen hat, Ritter in den Ruf eines Phantaſten und Myſti—
kers zu bringen, waren ſeine Experimente mit der Wünſchelrute und
dem ſog. ſideriſchen Pendel, die er 1807/08 in München vornahm.“)
Auch hier hat er in der Deutung dieſer Phänomene — er meinte auch
hier wieder das allgemeine Polaritätsprinzip in der Natur wieder-
zufinden — geirrt. Wir ſind aber noch heute in der Klärung der
Wünſchelrutenfrage nicht ſehr viel weiter! Und heute wird man Rit-
ter das Intereſſe für dieſes annoch „okkulte“ Phänomen nicht mehr
zum Vorwurf machen, ſeitdem das Wünſchelrutenproblem zum
Gegenſtande ernſter wiſſenſchaftlicher Forſchung geworden iſt. Daß
Goethe aus dieſen Verſuchen Ritters eine Anregung gewann, die
er in ſeinen Wahlverwandtſchaften' (II, 11) verwertete, hat zuerſt
O. Brahm feſtgeſtellt.?)
Wenn Ritter in ſeinen Fragmenten' vielfach rein naturphiloſo—
phiſch anmutende Ausſprüche tut, die oft dunkel und unverſtändlich
bleiben, jo mag darauf hingewieſen werden, daß es ſich hier feineg-
wegs um eine wiſſenſchaftliche Arbeit handelt. Ritter führt uns hier,
wie er in der ſchönen Einleitung zu ſeinen Fragmenten' ſelbſt ſagt,
in die geheime Werkſtatt des Phyſikers. Er hat hier Gedanken und
Einfälle zuſammengetragen, deren Wert natürlich ſehr ungleich iſt.
Neben überraſchenden Erkenntniſſen ſtehen Ausſprüche, von denen
Heilborn mit Recht ſagen konnte: „nicht ohne Flachheit gibt ſich
dieſer Tiefſinn“ (Novalis der Romantiker', 1901). Naturphiloſo⸗
phiſch iſt in dieſem Werk Ritters das in weitgehendem Maß von ihm
angewandte Prinzip, Zuſammenhänge herzuſtellen und nach Analo—⸗
gien zu ſuchen. Er ſchießt oft über das Ziel hinaus. Aber auch hier
möchten wir, ebenſo wie in ſeiner Phyſik als Kunſt' (1806), eher
eine poetiſche und künſtleriſche als eine ausgeſprochen naturphiloſo—
phiſch gerichtete Intuition erblicken. Das iſt eben Ritters Art dichte-
riſchen Schaffens; das iſt der oft dunkle Ausdruck ſeines künſtleriſchen
i 2 Bol. darüber meine Arbeit Johann Wilhelm Ritter und die Wünſchelrute'
in Das Waſſer (Beiblatt), 1913, Nr. 32/4.
2) Zeitſchrift für deutſches Altertum 26 (1882), 194; vgl. Goethe-Jahrbuch
27 (1906), 187. N
140 Mitteilungen aus dem Goethe- und Sdiller-Ardiv
Empfindens. Ganz gewiß trifft auf Ritter Friedrich Schlegels Aus⸗
ſpruch zu, wenn er ſagt 1): „Viele der erſten Stifter der modernen
Phyſik müſſen gar nicht als Philoſophen, ſondern als Künſtler be—
trachtet werden.“
Daß Ritter auch bei ſeinen Fachgenoſſen ſich hoher Wertſchätzung
erfreute, habe ich an anderer Stelle (a. a. O.) dargelegt.
Dies mag zur Charakteriſierung, Ritters genügen. ;
Ritter veröffentlichte in Gehlens Journal für die Chemie und Phy⸗
ſik' 6 (1808), 719/29, einen an ihn gerichteten Brief Goethes vom
7. März 1801 über Herſchels thermometriſche a in den Far⸗
ben des Lichts, im Anſchluß an ſeine kritiſchen Bemerkungen über
C. E. Wünſch: Beiträge zu Herſchels Arbeit über Licht und Wärme
(Verſuche über die vermeintliche Sonderung des Lichts der Sonnen—
ſtrahlen von den Wärmeſtrahlen derſelben)'. Ritter konnte Herſchels
Verſuche im Farbenſpektrum des Prismas beſtätigen, in denen jener
feſtgeſtellt hatte, daß die Wärmewirkung nach der roten Seite zu—
nimmt und außerhalb der Grenze des ſichtbaren Farbenſpektrums
ihr Maximum erreicht, während die Erleuchtung ungefähr in der
Mitte des ſichtbaren Spektrums am intenſivſten iſt (Ritters Phy⸗
ſiſch⸗chemiſche Abhandlungen’2 [1806], 81). Ritter erkennt Herſchels
Unterſcheidung der leuchtenden und der wärmenden Sonnenſtrahlen
als richtig an und verteidigt fie gegen Wünſch, deſſen Verſuchsergeb—
niſſe, bei ſtrenger Prüfung, mit denen Herſchels nicht im Widerſpruch
ſtänden. Ritter hält es für ſeine Pflicht, bei dieſer Gelegenheit den
Brief Goethes, des „auch als Optiker wohl kaum noch ganz ver-
ſtandenen Mannes“, mitzuteilen. Er kommentiert ihn, ohne auf
Goethes theoretiſche Vorausſetzungen kritiſch einzugehen (die er als
Newtonianer naturgemäß nicht gutheißen konnte), mit Anerkennung
und bringt hiſtoriſches Material bei.?) 5
Ritter iſt, durch Herſchels Unterſuchungen angeregt, der Entdecker
der chemiſchen Dignität des Prismenſpektrums geworden, wie er
auch als erſter die reduzierende (beim Ultraviolett), bzw. oxydie⸗
rende (beim Ultrarot) Wirkung der jenſeits der Enden des ſichtbaren
Spektrums liegenden Strahlen entdeckte.) Goethe kann hingegen als
der Entdecker der Tatſache angeſehen werden, daß die Phosphoreſzenz
1) Fragment 381 im Athenäum' 1798. Vgl. Schlegels Fragmente Nr. 97
und 99 aus dem Athenäum' 1800.
2) Intereſſant iſt, daß Ritter ſpäter ſelbſt zum Zweifler an Newtons Theorie
wurde. Denn er ſchreibt am 11. Mai 1809 an Carl Erenbert Frhrn. v. Moll:
„Gelegentlich die Bemerkung, daß ſich immer mehr Gründe dafür finden, daß
Wärme und Licht in Schwingungen beſtehen, wie ſchon ſo früh behauptet wurde,
nur daß wir nicht mehr wußten, was Schwingungen eigentlich ſeien.“ (Moll,
Mitteilungen aus ſeinem Briefwechſel, 1834, 3, 626).
3) ſ. Gilberts Annalen der Phyſik 7 (1801), 527. 12 (1802), 409; Intelli⸗
genzblatt der Erlanger Lit.⸗Zeitung 1801, Nr. 16, S. 121; Ritters Beiträge
2 (1805), 213.
Goethe und, Ritter 141
durch blaue Strahlen angeregt, durch rote Strahlen ausgelöſcht wird
(1792); doch haben Al. Wilſon und M. v. Groſſer lange vor Goethe
bereits ähnliche Beobachtungen gemacht (ſ. darüber Ritter im Jour—
nal f. d. Chemie’ 6 [1808], 661).
Der Sturz der Newtonſchen Emiſſionstheorie wurde durch die
Verſuche des engliſchen Phyſikers Th. Young über die Interferenz—
erſcheinungen (1802ff.) eingeleitet. Doch iſt trotz Goethe Newtons
Lehre von der verſchiedenen Brechbarkeit verſchiedenfarbiger Licht-
arten im weſentlichen noch heute als gültig anerkannt. Die Beu—
gungserſcheinungen am Beugungsgitter haben uns den Beweis für
die Wellennatur des Lichts erbracht, während die Photographie uns
das Mittel geliefert hat, die Abhängigkeit der Farbe als Beſtandteil
des Weiß von der Wellennatur des Lichtes zu erkennen. Die in neue-
ſter Zeit aufgekommene Quanten- und Relativitätstheorie ſtellt ſich
allerdings wieder als eine Annäherung an Newtonſche Anſchauungen
dar.“)
Daß Goethe bei ſeinen phyſikaliſchen Experimenten nicht nur See—
becks und Göttlings, ſondern auch Ritters Rat und Unterſtützung
vielfach in Anſpruch nahm, iſt bisher wenig beachtet worden. Nur
Julius Schiff hat, ſoviel ich ſehe, einmal darauf hingewieſen ),
während z. B. Kurt Speyerer ?) Ritters überhaupt nicht gedenkt.
Es geht dies aus zahlreichen Eintragungen Goethes in ſeinen Tag—
und Jahresheften' ſowie aus ſeinem Briefwechſel hervor, und die
Briefe Ritters an Goethe, die das Goethe- und Schiller-Archiv be-
wahrt, zeugen von dem lebhaften Anteil, den Goethe an den For-
ſchungen und Experimenten des jungen Pyſikers nahm. Goethe wußte
Ritters Kenntniſſe und unermüdliche Arbeitskraft wohl zu ſchätzen.
So nennt er Ritter in ſeinem Briefe an Schiller vom 28. September
1800 eine „Erſcheinung zum Erſtaunen, einen wahren Wiſſenshim—
1) Aus der reichen Literatur über Goethes Farbenlehre ſei hier nur noch eini⸗
ger neuerer Arbeiten gedacht: Max Geitel: Entlegene Spuren Goethes, München⸗
Berlin 1911, S. 140; Walter König: Goethes optiſche Studien, Frankfurt a. M.
1899; Ernſt Lange: Über Goethes Farbenlehre vom Standpunkte der Wiſſen⸗
ſchaftstheorie und Aſthetik. Göttinger Diſſ. Berlin 1882; Edm. O. v. Lippmann:
Goethes Farbenlehre. Stuttgart 1901 (S.⸗ A. a. d. Zeitſchr. f. Naturwiſſen⸗
ſchaften', Bd. 74); Rud. Magnus: Goethe als Naturforſcher. Leipzig 1906; Otto
Meyerhof: Goethes Methode der Naturforſchung, Göttingen 1910; Wilhelm Oſt⸗
wald: Goethe, Schopenhauer und die Farbenlehre. Leipzig 1918; Ed. Raehlmann:
Goethes Farbenlehre (Jahrbuch der Goethe-Geſellſchaft 3, 3); A. Sommerfeld:
Goethes Farbenlehre im Urteile der Zeit (Deutſche Revue, 1917, Juli, S. 100),
beſonders gegen Karl Horn in den Techniſchen Mitteilungen für Malerei 33
(1917), 52 gerichtet.
2) Schiff: Goethes chemiſche Berater und Freunde (Deutſche Rundſchau 1912,
S. 456). — Während der Korrektur wurde mir noch Schiffs Arbeit Die roman⸗
tiſchen Naturforſcher Ritter und Schubert und ihre Beziehungen zu Goethe bes
kannt (Nord und Süd 1920, Sept., S. 295/305).
8) Speyerer: Goethes phyſikaliſche Sammlungen im Neubau des Weimarer
Goethehauſes (Geſchichtsblätter für Technik, Induſtrie und Gewerbe 1[1914],134).
142 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller⸗ Archiv
mel auf Erden“. In den Tag- und Jahresheften iſt oftmals Ritters
Erwähnung getan, beſonders in den Jahren 1800 bis 1803.) Oft
war Ritter in Weimar in Goethes Haufe als Gaſt, und die Phäno-
mene das Galvanismus ſowie die optiſchen Verſuche bildeten vor—
wiegend das Geſprächsthema. So lautet z. B. die Tagebuch-Ein⸗
tragung vom 25. Februar 1801: „früh optiſche Verſuche mit Rit⸗
ter“. 2) Daß Ritter offenbar auch Anteil hat an den Weimarer Samm-
lungen phyſikaliſcher Apparate, ſcheint bisher überſehen worden zu
ſein. So ſchreibt Hegel am 16. November 1803 an Schelling (K.
Roſenkranz, G. W. Fr. Hegels Leben, Suppl., Berlin 1844, S. 222):
„Goethe geht ſehr auf das Reelle und auf Apparate los. Nicht nur
veranlaßte er Schelver, ein botaniſches Kabinett anzulegen, ſondern
es wird auch ein phyſiologiſches errichtet, und von Rittern forderte
er ſogleich den Plan zu einem galvaniſchen Apparate.“ Jedenfalls
geht auch aus Ritters Brief an Goethe vom 8. April 1804 ſo viel
hervor, daß Goethe Ritter den Auftrag erteilt hatte, ihm ſeine Ge⸗
danken über die Beſchaffung eines phyſikaliſchen Kabinetts mitzu⸗
teilen, ein Wunſch, dem Ritter in dieſem Brief in großen Umriſſen
nachkam. Ritter ſtellt einige prinzipielle Richtlinien für ein ſolches
phyſikaliſches Kabinett auf. Der Brief iſt im Anhang unter Nr. 5
wiedergegeben. Bei der Ausführung des Projektes hat wohl Ritter
allerdings kaum noch viel mitwirken können, da er im Frühſommer
1805 einem Rufe an die K. Bayeriſche Akademie der Wiſſenſchaften
in München folgte. Sicherlich hat aber ſein fachmänniſcher Rat bei
der Zuſammenſtellung der elektriſchen und galvaniſchen Apparate
mitgewirkt, die das Goethe-Haus jetzt unter Goethes phyſikaliſcher
Sammlung bewahrt, und die Goethe bei ſeinen phyſikaliſchen Vor⸗
leſungen im Winter 1805 in ſeinem Hauſe benutzte. Möglicherweiſe
bezog ſich auch der Auftrag, den Goethe nach dem angeführten Briefe
Ritter erteilte, auf die Sammlung Karl Auguſts, die jetzt gleichfalls
im Neubau des Goethe-Hauſes aufgeſtellt worden iſt.
Auch nach Ritters Scheiden von Jena erhielt Goethe durch See⸗
beck fortlaufend Nachricht über Ritter. Seebeck las öfters Briefe
Ritters aus München vor, die ſich leider nicht erhalten zu haben
ſcheinen (vgl. Goethes Tagebücher 4, 49. 68). Goethe hat ſich, wie
ebenfalls aus Goethes Tagebüchern (3, 300. 324. 327) hervorgeht,
auch für Ritters Wünſchelruten- und Pendelexperimente lebhaft in⸗
tereſſiert und dieſes Motiv, wie bereits oben erwähnt, in ſeinen
Wahlverwandtſchaften' (1809) verwertet. In perſönlichem Brief-
wechſel hat er nach 1804 mit Ritter nicht mehr geſtanden.
1) Werke 35, 72. 255. 36, 161. 218; Tagebücher 2, 306 /9. 3, 7. 11. 86. 91.
) J. J. Wagner ſchreibt am 17. Dezember 1802 an A. Adam: „Goethe will
eine Geſchichte der Optik ſchreiben und ſteht nicht gut mit Ritter, der ihm mit
Experimenten ſeine Theorie bedrängt“ (Johann Jakob Wagner: Lebensnach⸗
richten und Briefe, von Dr. Ph. L. Adam und Dr. Aug. Koelle, Ulm 1849, S. 207).
Goethe und Ritter, 143
Anhang
Ritters Briefe an Goethe
5 |
Jena, am 13 Octob. 1800
Die Urſache meines heutigen Schreibens an Ew. Hochwohlgeboren
iſt ſo verſchieden von dem, was dieſelben nach dem, was wir in Jena
verabredet hatten, vorausſetzen könnten, daß ich Tadel erwarten
würde, wenn ich eins zu dem andern bringen wollte. Erlauben Sie
mir daher heute blos meine Angelegenheit kürzlich beſorgen zu dür⸗
fen. Ich werde nicht vergeſſen, daß ich künftig an das Gegentheil um
deſto ſorgfältiger zu denken habe.
Ich bin wohl gewohnt, Hinderniſſe, die die Welt meinen reinen
Bemühungen auf manchen Seiten ſetzt, wenn auch nicht immer zu
überwinden, doch zu ertragen. Eben aber möchten ſie mich für den
Augenblick faſt erdrücken, und verlaſſen von anderer Hülfe, wende
ich mich zutrauensvoll zu Ihnen. — Es war mir nicht möglich, eine
Menge Ausgaben zu vermeiden, die mir dieſe Michaelis große Zah-
lungen nötig machen. Ein Freund, der mir ehedem ſchon einmal
thätig half, war es jetzt nicht vermögend, und mein Verleger From—
mann, an den zu wenden mir jetzt übrig blieb, hatte mir als Honorar
eben nichts mehr zu zahlen, und einen Vorſchuß bis Oſtern auf neue
Rechnung, um den ich ihn bat, ſchlug er mir auch ab. Doch werde
ich auf das Zerſtörendſte nicht nur unterbrochen, ſondern ſelbſt ab—
geſchnitten, und mehr, werden, wenn ich ([durchſtrichen: genöthigt
durch das äußerſte] noch länger ohne Geld bleiben müßte. Werden
Sie es mir alſo wohl verzeihen, wenn ich, durch das äußerſte ge—
nöthigt, Sie bitte, mir auf einige Zeit 200 N. als Darlehen zu
geben, oder, im Fall Sie ſelbſt mir dies abſchlagen müßten, ſich für
das Gleiche bey Seiner Durchlaucht, dem Herzog, zu verwenden?
Die Zeit der Zurückgabe kann ich freylich jetzt noch nicht beſtim⸗
men. Ich bin noch nicht ſo weit, daß ich das Schickſal in meiner
Gewalt hätte. Vermuthen will ich, daß die nahe Erfüllung der
ſchönen Hoffnungen, die ſich mir jetzt täglich für unſere Wiſſenſchaft
öffnen, die Zeit der Tilgung dieſer Schuld nicht fern halten werde;
verſprechen aber kann ich, daß es, wenn es erſt ſpät geſchieht,
doch eher nicht möglich geworden ſeyn müſſe.
Dies iſt meine Bitte, die ich durch nichts rechtfertigen kann, als
durch meine Lage, und das, was ihre Verbeſſerung begründen könnte.
Sie wiſſen um beydes, Ihre Verzeihung iſt mir alſo ſicher.
Damit ich aber in künftigen Briefen an Sie mich ſelbſt ganz über⸗
gehen könne, füge ich zu jener erſten Bitte noch eine zweyte letzte hin⸗
zu. Es liegt mir viel daran, mir dieſen Winter eine beträchtliche
144 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller⸗Archiv
Galvaniſche Batterie zu unterhalten, über die ich allein zu dispo⸗
niren habe. Die meiſten Umſtände macht mir das dazu nöthige Sil—
ber. Es ſelbſt leidet keine Veränderung bey den Verſuchen. Hätten
Sie Gelegenheit, mir auf 3 bis 4 Monate zu 150-200 Laubthaler,
zu dieſem Behuf einzig, zu helfen? — Ich würde viel wichtiges da—
mit entdecken können, was die Naturwiſſenſchaft recht nöthig hat.
Ich kann's doch nicht unterlaſſen, Ihnen ſchon jetzt zu melden,
daß mir der Verſuch, durch Magnetism. das Waſſer ſogenannt zu
zerſetzen, wirklich gelungen ſey. — Zu genauen Verſuchen über die
Modification der Cryſtalliſation des ſchwefelſauren Eiſens durch den
Magnet bin ich und das Uebrige noch nicht ruhig genug geweſen.
Ueber das optiſche Grundphänomen, und deſſen Durchführung
durch das ganze Syſtem werde ich Ihnen bald etwas Ordentliches
ſchreiben können. Joh. Wilh. Ritter
(im Wucher'ſchen Hauſe)
2.
Jena d 25 Dec. 1800
Ich bitte Ew. Hochwohlgeboren um Verzeihung, daß ich die Zeit
Ihres diesmaligen Hierſeyns über Ihnen noch meinen Beſuch nicht
abgeſtattet habe. Mein böſes Gewiſſen, den mir von Ihnen aufge⸗
tragenen Verſuch über die Anziehung der Cryſtalle des ſchwefelſauren
Eiſens während ihrer Bildung vom Magnet noch immer nicht an-
geſtellt zu haben, hielt mich zurück. Nun iſt es aber geſchehen, und ich
würde Ihnen die Nachricht darüber ſelbſt überbracht haben, glaubte
ich nicht Ihre Zeit zu beſchränkt, indem man mir geſagt hat, daß
Sie wahrſcheinlich morgen ſchon von hier wieder abgingen.
Ich habe den Verſuch mit der mir möglichſten Genauigkeit und
Vorſicht angeſtellt. Ich habe 2 kleine ſogenannte Zuckergläſer mit
heißer geſättigter Auflöſung von ſchwefelſaurem Eiſen in Waſſer an⸗
gefüllt, und an jedem der unteren Pole des Magnets eines daran
gebracht. Magnet und Gläſer ſtanden auf einem feſtgeſtellten Tiſch
[(durchſtrichen: mitten] in der Mitte eines ungeheizten Zimmers —
gleicher Temparatur wie die äußere Luft, und aller Luftzug war ſorg⸗
fältig vermieden. Von Abends 5 Uhr bis folgenden Morgen 8 Uhr
hatte ſich die Auflöſung zum Theil chryſtalliſirt. Blos der Boden
beyder Gläſer war mit Chryſtallen belegt. Aber folgender Unterſchied
hatte Statt: In dem Glaſe, was am Npol des Magnets ſtand, war
an der dieſem zugewandten Seite die Chryſtalliſation weit ſtärker als
an der ihm in gerader Linie entgegengeſetzten. In dem Glaſe hin⸗
gegen, was ich an den Spol des Magnets gebracht hatte, waren nach
dieſem Pol zu beträchtlich weniger Chryſtallen entſtanden, [durch⸗
ſtrichen: und] mehr aber u. die meiſten auf der dieſem entgegen⸗
geſetzten Seite des Glaſes. Das Schema des Ganzen war alſo:
Ich ließ die Gläſer beyde noch 12 Stunden in der vorigen Lage
ſtehen. Aber die Chryſtalliſation nahm blos auf die ſo angefangene
Weiſe zu.
Es iſt möglich, daß der reguläre Schein des Erfolges dieſes Ver-
ſuchs immer noch von äußeren Umſtänden gerade ſo wurde, wahr—
ſcheinlich aber, daß doch der Magnet die erſte Urſache davon, und
das Ganze ſomit ein wirklich magnetiſches Phänomen ſey. Ich darf
nicht erſt hinzufügen, daß ich das Ganze weiter verfolgen werde.
Der Verſuch, deſſen Erfolg ich Ihnen neulich ſo beſtimmt vorher—
zuſagen wagte, iſt wirklich eingetroffen. Aber darf ich glauben, daß
Sie mich bis zur mündlichen Unterredung entſchuldigen werden, wenn
ich Sie ergebenſt bitte, von dieſem Verſuch u. deſſen Erfolg beſon—
ders gegen Schelling nichts zu äußern? Es wäre Schade, wenn
Phänomene von dieſer Wichtigkeit zu früh ſich einer Behandlung
unterwerfen müßten, die ihnen ein Jahr oder etliche ſpäter nicht mehr
nachtheilig ſeyn kann. Ich verkenne Schellings große Tendenz nicht;
ich bin ihm früh gefolgt, und ehre ihn, — was kann ich aber dafür,
wenn die Natur mit dem Materiellen ſeines Verfahrens in der
Phyſik Urſach hat, unzufrieden zu ſeyn! — Uebrigens wird das nur
auf einige Zeit unter uns geſagt bleiben. Es liegt mir lange ſchon
am Herzen, die Phyſik gegen Nachtheile zu ſchützen, die Sch. ſelbſt
jetzt ſo genau nicht vorherſehen kann. Ich werde es öffentlich thun.
Aber es wird eine große Arbeit ſeyn, die tiefe Gründlichkeit erfordert,
und das mag mich entſchuldigen, wenn ich nicht heute, nicht morgen
ſchon ein Verſprechen halte, was ich ohne dieſe Veranlaſſung [durch-
ſtrichen: außer mir] ſelbſt ſanſtatt des durchſtrichenen: auch] Ihnen,
dem einzigen bisher außer mir, noch nicht gethan hätte.
Sollten Sie ſich noch länger hier aufhalten, ſo werde ich zu einer
Stunde, die Sie dann beſtimmen werden, das Uebrige, was die Gal—
vaniſchen Verſuche im Großen, die Zinkplatten, u. ſ. w. betrifft, noch
mündlich mit Ihnen beſprechen können. Ganz kürzlich habe ich An⸗
ziehung, Abſtoßung u. Mittheilung beym Galvanismus entdeckt.
Ew. Hochwohlgeboren ergebenſter
J. W. Ritter.
3. |
[Weimar, 24. Februar 1801]
Ich muß Ew. Hochwolgeboren um Verzeihung bitten, wenn ich
es mir verſagen muß, heute bey Ihnen zu ſeyn. Unvorhergeſehene
VIII 10
146 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller-Archiv
Geſchäfte nöthigen mich, heute Nachmittag ſogleich nach Oßman—
ſtädt zu reiſen. Ich werde mir daher Morgen früh, da ich bis Mit-
tag noch hier bleibe, die Ehre geben, um 11 Uhr Sie auf einige
Augenblicke zu ſprechen. Ich bleibe
Ew. Hochwohlgeboren
ergebenſter Diener
J. W. Ritter
Dienſtag früh. (bey Dr. Meyer in der Breitengaſſe)
4.
Weimar, den 10 April
1801
Ritter
Ich habe mit Hrn. Bauinſpektor Stephany geſprochen, der mir
auftrug, die drückenden Poſten aufzuſetzen, um darnach zu urtheilen,
ob wohl mit Hrn. Frommann Gutſagungsweiſe u. ſ. w. manches zu
beſeitigen ſey. Ich habe es gethan. Aber leider wird das eben der
Fall nicht ſeyn können, da wir, ich und Frommann, ſchon das Nem—
liche einmal wollten. Meine guten Glaubiger ſind ganz gerade, und
durch und durch, ſolche, die ſelbſt ſehr verlegen ſind, wenn ich ihnen
das Wort nicht halte, was ich ihnen nothgedrungen und mit dem
Gefühl der ſchlechteſten Indignation ſchon ſo oft brechen mußte. —
Ich werde mit dem H. Bauinſpektor weiter ſprechen.
Sr. Durchlaucht haben ſich vor einigen Tagen nach mir erkun⸗
digen laſſen, bis ſie mich endlich in Weimar ſelbſt fanden. Ich habe
geſtern vor ihm und dem übrigen geſammten Hof mit der Batterie
experimentirt. Ob man Gefallen daran gefunden hat, weiß ich nicht.
Kunſtverſtändige habe ich freylich niemand unter der Geſellſchaft
entdeckt, und dies macht dem, der ſich einzig auf ſolche berufen kann,
allerdings eine drückende Empfindung. Doch iſt das Ganze doch mehr
wie ſonſt zur gelegenen Zeit. Ich glaube in der Anlage derſelben
Ihre gütige Hand wiedergefunden zu haben.
Sr. Durchlaucht ſind Morgen (Sonnabend) bey Ihnen. Gewiß
wird die Rede doch auch von mir ſeyn. Ich weiß es, daß Sie gute
Gelegenheiten für mich benutzen werden, und zweifle nicht daran,
daß Sr. Durchlaucht wohl etwas Dauerndes für mich thun dürften.
Es ziemt dem, der es zu erwarten hat, nicht, ſeinen Willen erfüllt
wollen zu ſehen. Aber die einzige herzliche Bitte verzeihen Sie ihm
dennoch, daß, was geſchehen kann, mit der mindeſten äußeren Ge—
bundenheit für ihn verknüpft ſey, inſofern Sie, mein Gönner und
Retter, dies leiten könnten. Sie wiſſen, was ich dem Leben und der
Wahrheit zu halten habe; Muße iſt die erſte unerläßlichſte Bedingung
Goethe und Ritter 147
dafür — freye fich ſelbſt beſtimmende Muße. Die wenigen Augen—
blicke ſolcher, die ich mir bisher erkämpfte, haben mir durch ihre
Fruchtbarkeit zu ſehr gezeigt, was mehrere, ununterbrochene, thun
könnten, als daß ich nicht noch immer und ſelbſt mit Aufopferung
an ſie denken ſollte. — Aber — Sie wiſſen weit beſſer, als ich es
Ihnen ſagen kann, was die Wünſche deſſen ſeyn müſſen, der die
Wahrheit ſchon zu nahe geſehen hat, als daß er nicht die kurze Zeit,
die ihm dafür vergönnt ſeyn kann, ernſt verwenden ſollte. Ihnen
vertraue ich mich kindlich und ganz.
Ich habe bey Gelegenheit der geſtrigen Verſuche in kurzen Zeilen
etwas für Sr. Durchlaucht aufgeſetzt — „Reſultate“. Die Art dieſer
Darſtellung hat mir jo gefallen, daß ich die Zeit, daß ich noch Wei—
mar hüten muß, darauf verwenden will, was ich bis jetzt für Reſultat
alles phyſikaliſchen Treibens halte, gedrängt in kurzen Aphorismen
aufzuſetzen. Ich werde es Ihnen ſenden, wie ich damit fertig bin.
Sr. Durchlaucht ließen mir geſtern Abend durch Hrn. Hofr. Starke
6 Loisd'or einhändigen. Ich war bewegt bey dem Gedanken, was nun
das nöthigſte ſey — ich konnte es nicht finden — ſo nöthig war alles.
5.
Jena, den Sten April, 1804
Hochwohlgeborener
Hochzuverehrender Herr Geheimer Rath!
Ew. Hochwohlgeboren werden ſeit längerem eine ſchuldige Antwort
auf Dero Auftrag, Ihnen meine Gedanken zu einem phyſikaliſchen
Cabinet, zunächſt mit Hinſicht auf Galvanismus, von mir erwartet
haben. Ich habe indeß gern erſt meine Erfahrung dieſes Winters ab—
warten wollen, um nicht durch einen zu voreiligen Entwurf, an eine
auf längere Zeit bedachte Anlage, entweder zu große Forderungen
zu machen, oder auch, durch das Intereſſe des Augenblicks verleitet,
ſie auf einen bloß momentanen Werth herabzuwürdigen.
Mich ſelbſt überraſchten die gehaltenen Vorleſungen in einer Un⸗
geſchicklichkeit, die mich gewiß noch ſpät nicht ganz verlaſſen wird,
in der: Die abgeſchloſſene Darſtellung des Gegenſtandes — zu tren-
nen — von ſeiner mir zu ſchließenden ferneren Entwicklung. Und
doch gehört, wie jetzt die Sachen ſtehen, dem akademiſchen Vortrag
nur jene, während dieſe das geheime Geſchäft des Lehrers bleibt, was
nur aus ſeinen in die nächſte Darſtellung aufgenommenen Reſulta⸗
ten dem Zuhörer . . .. verrathen werden darf.
Es muß dahin kommen, dieſe widernatürliche Trennung einſt auf-
gehoben zu ſehen; Phyſik muß nur als Geſchichte der Phyſik, Chemie
10*
148 Mitteilungen aus dem Goethe— und Schiller⸗ Archiv
nur als Geſchichte der Chemie u. ſ. w., vorzutragen ſeyn. Allein, wo
irgend iſt, das, was man Theorie nennt, bereits ſo weit, daß es wür⸗
dig wäre, in der Geſchichte, wie es doch ſollte, nichts als ſeine Wie⸗
derholung zu finden. Noch weniger: wo iſt das Auge, das ſogleich in
dieſer ſähe, wozu ihn jene erſt ſpät führen kann!
So bleibe jene Trennung alſo noch immer eine unvermeidliche,
und auch unſer Verſuch hätte ſich ihr zu fügen. |
Aber eben, was man Theorie nennt, das in die Darſtellung Ein⸗
heit bringende, iſt dann ein beſchränktes, ein jeden Tag anderes —
Ein nach ſeinem Sinne eingerichtetes Cabinet, ein wandelbares, jeden
Tag zu veränderndes, dem nur ein läſſiger Cuſtos den Anſtrich eini⸗
ger Dauer verleihen könnte. Verleitet durch den Schein, entwarf ich
mehrere Pläne; ſchon dieſen aber ging es, wie einſt es ihren Aus⸗
führungen ſelbſt ergangen wäre.
Ein ungeheurer Fond allein wäre vermögend, alle dieſe Revolu⸗
tionen auszuhalten, ſelbſt wenn man ihrer Folge auch Zwiſchenräume
von halben oder ganzen Jahren ſetzte.
Es iſt indeß nur von den Ausführungen die Rede, was aller
Widerſprüche ohngeachtet, doch bleibenden Wert haben ſoll. Mitten
in aller Veränderung muß es von ſelbſt als bleibendes Glied ſich in
jede, die dem Lehrer in der mündlichen Ausführung gefällt, oder
Noth iſt, ſchicken. Und damit beſchränkt es ſich auf ſehr weniges.
So für die weite Lehre v. d. Electricität z. B. gehörten bloß: Elec⸗
triſirmaſchine, (Leidener Flaſche), electriſche Batterie, Electrophor,
Condenſator, (ein einfaches Plattenpaar), Volta's Säule. Jedes in
ſeiner Art freylich groß u. gut; die Scheibenmaſchine nicht unter
4 Fuß, die Batterie nicht unter 50 Quadratfuß, u. Volta's Säule
kräftiger, als irgend eine ſeitherige. — Wieviel für jeden andern
Theil der Phyſik gehörte, ergiebt ſich nach dieſem Maaßſtabe von ſelbſt.
— Mit dieſem aber wäre doch erſt eine Funktion des Lehrers be⸗
dacht, die ſeines Vortrages. Eben ſo weſentlich, aber, wo möglich
noch weſentlicher, iſt die ſeines Studiums. Was hierzu nöthig,
könnte der innere Theil des Cabinets, leiſten. Außerer kann er nie
werden. Er iſt immer nur momentanes Organ der Unterſuchungen
jenes, und ganz kurz: durch nichts: als eine jährliche Summe be⸗
gründet, deren Geber einmal damit zufrieden ſeyn muß, am Ende
jedes Jahres die Berechnung ihrer Verwendung mit den Reſultaten
der Arbeit vergleichen zu können. Denn viele können vergehen (bey
der Electricität bisher gewöhnlich 18—20) ehe der äußere Theil des
Cabinets wieder ein würdiges Glied zubekommt.
Obige Summe ſelbſt müßte wieder nach den Zeitumſtänden ſo gut
der Vermehrung als der Verminderung fähig ſeyn. Denn unerwartet
kann ſich etwas zeigen, deſſen Unterſuchung keinen Aufſchub leidet,
und ihre Koſtbarkeit kann ſie nicht entſchuldigen. Dagegen werden
Goethe und Ritter 149
Zeiten minderen Aufwandes kommen, und jo das Ganze auf eine mitt-
lere Größe zurückbringen. —
Dies wären ohngefähr die Gedanken, welche ich Ew. Hochwohlgeb.
vorzulegen wage. Ich habe dabey die mir ſo ſcheinende Beſtimmung
eines akadem. Lehrers, Vortrag und Studium in beſtändiger Ver—
bindung zu erhalten, zu ernſt vor Augen gehabt, u. ungern habe ich
bey ſo beſchränkten Reſultaten, wie die obigen, ſtehen bleiben müſſen.
Ich kam auf viele weit ausſchweifende Betrachtungen, alle aber
führten darauf zurück, daß unſere gegenwärtige Art, Phyſik . . . zu
treiben, doch nur ein nothwendiges ad — interim ſey. Mehrmals
gefiel es mir weit beſſer, geradezu jene Verbindung von Theorie und
Geſchichte dreiſt zu verfuchen, und unvollkommen, wie es anfinge, doch
dem vollkommeneren entgegen zu gehen. Unendliche Schwierigkeiten
aber traten in den Weg. Zunächſt konnte es doch kein fortlaufendes
Geſchäft bleiben. Der ältere Gang mußte es beſtändig wieder unter-
brechen. Das jetzige Auge reicht durchaus noch nicht aus, und wo
wir die gefliſſentlichſten Übergänge vor uns zu haben glauben, be—
trügt der Schein im Raum die Thätigkeit der Zeit um ihre beſte
Frucht. Immer ſpiegelt jener uns gerade Linien vor, ja macht ſelbſt
dieſe auf fie verdächtig, indeß dieſe letztere überall nur die Krüm⸗
mungen liebt, und auf verwickelten Wegen noch zehn mal zum vori⸗
gen zurückkehrt, wenn wir ſie längſt in weiter Ferne glauben. —
Aber alle Dinge bezeichnen nur ſie. —
So glaubte ich noch vor wenig Monaten, die Summe der Cörper-
individuen überhaupt ordnen zu können, nach Einer großen Richtung,
und in ihr das Streben realiſirt zu ſehen, was am Magnet nur un-
befriedigt daſteht. Ich meinte damit die Baſis zu haben, von welcher
jeder untergeordnete Proceß zur Errichtung ſeines Gebäudes aus ihr
ſich erhöbe. Eine Maſſe von Erſcheinungen bildeten das ſchönſte Ein-
verſtändnis. — Aber nur durch meine Wahl. —
Jene Linie iſt keine gerade: wie das S der Erdmagnetiſchen iſt ſie
gekrümmt. Dies S ijt ſelbſt nur die allgemeinere Geſtalt einer Reihe
von Verſchlingungen, die wieder wechſeln, und nirgends gleich ſind.
Das Princip dieſer Krümmung, dieſes Wechſelns in der Krüm⸗
mung ... aber iſt, was fehlt.
Kein Gegenſatz bleibt bey ſeiner Negirung quantitativ. Glas, was
als Maſſe, mit Wolle poſitiv, als Pulver wird es negativ. Mit
Metall die concentrirte Säure negativ, die diluirte null,
dann poſitiv. Das conc. Alkali aber poſitiv, das diluirte Null,
dann negativ. — Gegen ein- u. dieſelbe Körperdifferenz verhält
ſich im galv. Verſuch daſſelbe Organ bey ſehr hoher Erregbarkeit
ganz umgekehrt, als wie bei niederer. — Von zwey Stücken „che=
milch gleichen“ Metall, wird das dünne +, das dicke —. Bey andern
Körpern kann es umgekehrt ſeyn. — —
150 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller-Archiv
— Und dann dies große Ganze, was wir, ſo, doch erſt ahnen,
iſt wieder nicht bleibend; morgen iſt ſeine Geſtalt ſchon verändert.
Es kehrt zurück, auch war die Aenderung gering, aber beydes ſind
Theile höherer Größen, und dieſe ſtören. — Schon kamen mir
Fälle vor, wo Verbindungen, hart genug, daß kleine Veränderungen
für ſie von großen Folgen waren, jetzt ſo, und wenig Minuten ſpäter
wieder anders, dann wieder wie zuvor, jedoch immer noch nicht ganz
ſo, verhielten. Es waren freylich bloß Silberamalgame, aber mehrere
habe ich auch noch nicht unterſucht.
Eines jeden Körpers Verhältnis zum andern wird unaufhörlich
geändert. Der ſchönſte Zeuge iſt Volta's Säule. Sie, die auf jenes
Verhältnis gegründet iſt, ſchien faſt aus Willkühr zu täuſchen, ließen
ſich nicht ſchon eine Menge wunderbar geregelt unter ſich verfloch—
tener Perioden ihrer Action erkennen. Sie ſtellt ein Chronometer
dar, mit dem die Erde frühe Zeiten hält, eben weil es mit ihr ſie
hält. Und alles, was ihr einwohnt, hält ſie mit. Die zitternde Flamme
des Lichts zählt mit, das ſchlagende Herz wiederholt andere. Auch
der blinkende Stern dort oben nimmt vielleicht theil daran. —
— So iſt alles in Bewegung, und die geträumte Ruhe ſoll uns
in ihr erſt wirklich werden. Und ſie wird da ſeyn, wenn — die Zeit
— wiedergefunden ſeyn wird. Dieſer Entdeckung gehen wir ent⸗
gegen, und es wird auf lange die höchſte ſeyn. Dann kehrt der Gott
des Friedens in die Hütten des Raums zurück, und der ängſtliche
Kummer ihrer Bewohner iſt gehoben. Dann ſind wir wieder in der
Welt, aus der wir uns verloren hatten, und höher wird der Mann
es achten, mit, als über ihr, zu ſeyn. —
So ſollte nur, der feine Steine, dieſer Pflanzen, jener Thiere, ge=
trennt mit ſich nach Hauſe nehmen, um dies daraus zu lernen, ſo
wären die ganze Phyſik, Chemie, u. wie ſie weiter heißen, nur un⸗
geahnte Wege, ihn dieſem Gut näher zu führen; ſo wird er endlich
die höchſte Schönheit erſt dann erkennen, wenn ſie, zerſtört von ihm,
vor ſeinen Füßen liegt. — Aber den Schmerz heilt ſein eigener Ge⸗
winn. —
— Freylich mag es noch fern ſeyn, dieſes Gut. Aber es uns zu
vergegenwärtigen, wo von dem Wege zu ihm die Rede war, kann
nur gut ſeyn. — Und, wieder zurückzukommen auf das, wovon wir
ausgingen, — bey dem, was ferner zu thun ſey, iſt es vor allem zu
bedenken. In den 8 Jahren, ſeit denen ich mich aus bloßer Ahnung,
kaum mit einem bewußten Zweck, dem Studium der Natur ergab, hat
ein ſolches mir beſtändig am Herzen gelegen; ſeit Einem erſt glaube
ich die Spur gefunden zu haben, die mich dahin leite. Und möge der
Weg, auf dem ich ihm künftig näher eilen will, auch wieder nur ein
einzelner, individueller, ſeyn, ſo iſt es genug für mich, wenn es nur
im Sinne deſſen, was alle regiert, geſchieht.
Goethe und Ritter 151
Und jo möge auch das, was ich Ihrem Auftrag gemäß, in diejen
Zeilen zu beantworten ſuchte, aus einer ſolchen beſonderen Anſicht
gefloſſen ſeyn; ſobald es nur Ihr Urtheil billigt. — Es ſcheint nicht,
daß ich das Glück haben ſollte, unter Ihrer Leitung ihm nachzugehen.
Aber dankbar werde ich für den ehrenvollen Auftrag ſelbſt, beſtändig
ſeyn, der mir ſelbſt zu ſo mancher Erkenntniß die erſte Veranlaſſung
gegeben hat.
Der ich verharre
Ew. Hochwohlgeboren
gehorſamſter
J. W. Ritter.
Wielands letzte Tage
nach einer Aufzeichnung ſeiner Enkelin Wilhelmine Schorcht
Mitgeteilt von Hans Gerhard Gräf
nter den Handſchriften aus Knebels Nachlaß, die vor kurzem von
der Enkelin Knebels, Frau Dr. Malvina Buchholz, dem Goethe—
und Schiller-Archiv geſchenkt worden ſind, befindet ſich die folgende
Niederſchrift von Wielands Enkelin Wilhelmine Schorcht über die
letzten Tage und Stunden ihres Großvaters; ſie zeichnet ſich durch
Ausführlichkeit und anmutige Einzelnheiten aus vor den kurzen
Stellen aus ihrem Briefe an Friedrich David Gräter, die dieſer in
ſeiner Zeitſchrift Idunna und Hermode' (1813 Nr. 9 S. 44) ver⸗
öffentlicht hat, wie auch vor allen andern Berichten, die wir ſonſt
über Wielands Tod haben.
Wilhelmine Schorcht überſandte ihre Niederſchrift dem väterlichen
Freunde Knebel am 28. Februar 1813; in dem Begleitbrief heißt es
über Wielands ſchwarzes Samtkäppchen: „Das Käppchen, welches
der Verewigte noch Tags vorher trug, lege ich bei, wir freuen uns
ſämtlich, daß es ein ſo würdiges Haupt gefunden hat!“ Knebel ſchrieb
am 7. März 1813 an Goethe: „Ich habe mir unterdeſſen von den
Kindern des Alten ſein ſchwarzes Käppchen zum Geſchenk machen
laſſen und dachte damit wenigſtens meinem Haupte einige Salbung
zu geben. Es will aber nicht recht darauf paſſen, und ſomit werde
ich es nur als eine Reliquie aufbewahren. Die letzten Tage und Stun-
den ſeines Lebens haben mir die Kinder gleichfalls aufgezeichnet, und
mit dieſen hat ſich eine ſtärkende Kraft über mein Weſen verbreitet.“
Vgl. auch Knebel an ſeine Schweſter Henriette, 11/12. Februar 1813
(Briefwechſel S. 647/8).
Die letzten Tage Wielands
Sonntag, den 10. Januar [1813], befand ſich Wieland noch ganz
wohl, er aß noch mit Appetit, man konnte keine Ahndung einer Krank—
heit haben. Des Abends ſpielte er noch mit ſeinen Kindern Boſton,
das ſich ungewöhnlich verlängerte und ihn etwas erhitzte. Über Tiſch
Wielands letzte Tage 153
ſprach er wenig, und als er ſeine Kinder entließ, um ſich niederzu—
legen, äußerte er eine Beklemmung auf der Bruſt, die er ſich aber
durch Reiben zu vertreiben gedachte. Gegen 11 Uhr ließ er ſich aus—
kleiden, wobei ihn ein ſo ungeheurer Froſt befiel, daß jedes Glied
ſteif und unbiegſam wurde. Nun bekam er heftige Krämpfe in den
Füßen, die ihm faſt der Sprache beraubten. Gegen Morgen ſchlief er
einige Stunden, doch konnte er bei des Arztes Ankunft wenig ſprechen;
er klagte über große Trockenheit und Ermattung. Dieſer erſte Tag
verging in gänzlicher Bewußtloſigkeit. Dienstags konnte er ſchon
mehr über ſeinen Zuſtand nachdenken, er meinte, er habe einen hefti—
gen Anfall gehabt, doch ſei die Gefahr vorüber. „Ich war bisher
(ſagte er in der Meinung, er ſei ſchon lang krank,) ein ganz anderer
Menſch, jetzt bin ich wieder Ich ſelbſt.“ Nachmittags ließ er ſich vor
ſpielen, wobei er ſanft einſchlief.
Mittwoch fand ihn der Arzt beſſer, er meinte, das Fieber, das jetzt
ſeinen Anfang nahm, beweiſe noch große Kraft. Wieland bat, ihm
den ganzen Hergang und Lauf ſeiner Krankheit aufzuſchreiben, denn
er könnte dießmal nicht klar darin werden. Da der Arzt von baldiger
Herſtellung ſprach, ſo ſagte Wieland: er möchte den fürſtlichen
Perſonen ſeinen Zuſtand nicht zu gut ſchildern, weil er ſo bald noch
nicht ausgehen wollte. Er ließ ſich das Recept aus der Apotheke wie—
derholen, um es ſelbſt zu leſen; im Adelung und Funke ließ er ſich
mehrere Artikel, die darin vorkamen, aufſchlagen. Dieſen ganzen Tag
befand er ſich gleich gut, eine Wiederherſtellung war zu hoffen.
Donnerstag hatte es ſich wieder verſchlimmert; er ſchien ſeine Krank—
heit ſelbſt für gefährlich zu halten; er fühlte ſich immer den Puls und
ſagte: „Ich muß über den Huſchke (ſein Arzt) lächeln, wie er ſich be—
müht, mir etwas überreden zu wollen, woran er ſelbſt nicht glaubt
— Seine Weisheit geht nun zu Ende.“
Freitag fühlte er ſich wieder beſſer, er ließ ſich vorſpielen und ſagte
nachher zu ihr ganz freundlich: „Ich ſehe Dich auch 1) gern!“ Die
Liebe zur Muſik verließ ihn auch hier nicht. — An dieſen Tag be—
kam er von der Kaiſerlichen Hoheit?) Apfelſinen, mehrere Tage vor—
her hatte er ſie ſehnlichſt gewünſcht; indem er wieder davon ſprach,
wurden ſie gebracht. Sein Entzücken ſprach ſich auf dem Geſicht aus;
„Sagen Sie ihr (er meinte die Hoheit), daß ich glaube mich im Land
der Feen zu befinden.“ 8
Frühmorgens am Sonnabend fand ihn die Wärterin, die einen
Augenblick das Zimmer verlaſſen hatte, am Rand des Bettes und er—
ſchrocken fragte ſie, was das bedeute? „Aus meinen Augen,“ rief er
heftig, „immer muß ſie mich in meinen Unternehmungen ſtören.“
Dieſe wollte ſich aber durchaus nicht entfernen; endlich erzählte er,
1) Handſchrift: aus. 2) Großfürſtin Maria Paulowna.
154 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller⸗-Archiv
indem er laut zu lachen anfing über die erſchrockene Miene, er habe
nur probiren wollen, ob er allein aufſtehen könnte. Dieſen Tag
befand er ſich leidlich, doch verließ ihn das Fieber nicht. Abends
ſprach er eine Viertelſtunde mit einem jungen Freund, den er gern
ſah, ſehr freundlich. Nachts unterhielt er ſich ſo lebhaft mit einer
Tochter, die bei ihm wachte, daß dieſe ihn bitten mußte aufzuhören,
aus Furcht ſich dadurch zu ſehr zu erhitzen.
Sonntags war er bis Mittag ſehr ſtill, er aß zum erſten Mal
etwas gern. Nach Tiſch ließ er ſeine Familie hereinkommen. !) Er
ſaß auf ſeinem Lehnſtuhl und ſah wie ein ſehr ehrwürdiger Patriarch
aus! zu einem Jeden ſprach er einige Worte; da es ihm aber zu kalt
vorkam, ging er wieder zu Bette. Abends beſuchte ihn ein Freund,
von dem er ſich erzählen ließ; er erkundigte ſich wieder nach politi=
ſchen Neuigkeiten. Sein Cicero beſchäftigte ihn auch ſehr; er äußerte
gegen dieſen, daß nun wohl zu Oſtern nur zwei Alphabete heraus⸗
kommen könnten.?)
Am Montag nahm er Ricinusöl ein, wovon er und ſein Arzt ſich
viel verſprachen. Er litt dieſen Tag viele Schmerzen, einmal rief
er: „Wenn wird doch mein Erlöſer kommen! — Heut iſt es der
neunte, es iſt der Tag der Schmerzen, aber auch der Weg zur Beſſe—
rung.“ — Während großer Schmerzen ließ er ſich vorſpielen; bei
einer Pauſe rief er: „O hör um Gottes Willen nicht auf!“
Dienstags war er ſehr ſchwach und war ſich auch einer großen
Entkräftung bewußt. Durch Wein glaubte er dem Übel abzuhelfen;
„Begießt mich, überſchüttet mich mit Wein!“ — Er ſprach öfters
irre. Doch Nachmittags hatte der Arzt Hoffnung und meinte unbe-
greiflicher Weiſe, die Gefahr ſei nun überſtanden. Abends folgte nach
ſtarkem Fieber große Schwäche, ſeine Sprache war hohl und dumpf;
„Die Nacht wird mir wie ein Jahrhundert vorkommen“, klagte er
einigemal. Mehrmals fragte er, ob morgen der 20. ſei, und verlangte
den Kalender zu ſehen. Des Nachts ſchlief er auch wirklich gar nicht;
von ſeiner Lebhaftigkeit und Kraft konnten ſeine Wärterinnen nicht
genug erzählen. Immer wollte er unterhalten ſein, ſie ſollten ihm
erzählen, vorleſen. „Wißt ihr keine Märchen, ſprecht das dummſte
Zeug, nur vertreibt mir die Zeit. Hat fie denn (ſich zu Einer wen—
dend) keine Großmutter gehabt, die ihr Märchen erzählte?“ — Nein.
— „Nun, ſo iſt ſie ja ein gar armer Schelm!“ Er wollte ſich aus
der Bibel vorleſen laſſen, in Sirach und Salomo, ſie war aber nicht
zu finden. Sein ganzes Weſen war nicht das eines Kranken, ſondern
1) Bei Wieland wohnten in der letzten Zeit ſeine Tochter Karoline Maria
Friederike, Witwe von Johann Salomo Gottlieb Schorcht, Diakonus an der
Stadtkirche in Jena, mit zwei Töchtern (Amalie und Wilhelmine), und ſeine
jüngſte Tochter Luiſe. Wielands Gattin war ſchon 1801 geſtorben.
2) Die ſeit 1808 erſcheinende Überſetzung von Ciceros ſämtlichen Briefen hat
Wieland bis zur Hälfte des 6. Bandes ausgeführt; ſie wurde von Gräter vollendet.
Wielands letzte Tage 155
eines kräftigen, geſunden Menſchen. Seine Sprache war wieder wie
ſonſt, kräftig und voll. Dieſer Zuſtand dauerte bis gegen 5 Uhr
Morgens, wo er wieder Fieber bekam und zu träumen und zu phan—
taſiren anfing. Er ſprach von Erfurt, von Menſchen, die, wie er ſagte,
vor 2000 Jahren gelebt hätten. Auch dieſen Morgen, den 20. Januar,
ließ er ſich ſpielen, doch meinte er nachher, es wäre ohne Takt, er
könnte die Töne nicht mehr unterſcheiden. Er war immer ſehr freund—
lich, es ſchien aber, als gehöre er nicht mehr zu unſerer Welt; denn als
eins ſeiner Kinder wieder hereintrat, fragte er freundlich verwundert:
„Wie kommt denn die zu uns?“ — Mittags, als ſeine Familie im
Nebenzimmer ſich befand, fragte er, die bei ihm geblieben war: „Sind
ſie alle da? nun nenne mir ſie alle beim Namen.“ Nach Zeitung
fragte er auch; nachher ſagte er: „Napoleon ſchämt ſich“ —. Nach⸗
mittags ſprach der Arzt von ſeiner Arznei mit Lob, worauf er durch
einzelne ironiſche Worte antwortete. Als dieſer nochmals von der Wir-
kung [ſprach], die feine Arznei hervorbringen würde, ſagte er: „Es
fällt mir nicht ein — es kann nicht in meine Seele kommen, daß ich
einen Freund myſtificiren könnte — zumal da ich kein Buchhändler
bin.“ Hier fiel ihm Iffland, von dem er in ſeiner Krankheit öfters
geſprochen hatte, wieder in der Rolle des Magiſter Lämmermeyer
ein.) Der Arzt wollte Hoffnung machen; Er ſagte leichthin: „Sein
oder Nichtſein, das iſt mir jetzt ſo ziemlich egal“; hierauf ſprach er
den Anfang dieſes Monologs engliſch.?) — Auch ſagte Wieland bei
ſeinem Eintreten: „Ich befinde mich ſehr wohl mit meinem Fieber,
das ich aber wohl in meinen Leben nicht verlieren werde.“ Er ſchien
ſich über ihn zu moquiren. — „Die Götter“, ſagte er, „haben die
Erlaubniß grob zu ſein, weil ſie Götter ſind, aber ein vernünftiger
Menſch muß — vernünftig handeln.“ — Gegen 5 Uhr kam ein
anderer Arzt, der ihn fragte, wie er ſich befinde? „Recht wohl, ich
habe gut geſchlafen.“ Auf eine andere Frage ſagte er: „Das iſt eine
ſchwere mathematiſche Aufgabe, die wir da haben.“ Um 9 Uhr fragten
wir ihm, ob er etwas Suppe wolle; er lachte laut über dieſe Frage.
„Ihr führt ja ein Leben herrlich und in Freuden, bei [euch] geht es
bunt zu, nun bringt mir's nur.“ Er war mit der Zeit immer in
Irrthum, er glaubte, es wäre Mitternacht. Nach einer halben Stunde
kam ſein Arzt, der ihm Wildunger Waſſer vom Herzog mitbrachte.
„Der Herzog iſt ſehr gnädig, aber was ſoll ich damit? ich verderbe
mich mit dieſem Zeug.“ Da der Arzt ihm nochmals dieſes Waſſer
rühmte, trank er davon und fand es gut. — Als wir ihm um 8 Uhr
die Bouillon brachten, rief er aus: „Das iſt zum todt lachen —
5 8 An Ifflands meiſterhaftem Spiel als Lämmermeyer in dem Luſtſpiel
Künſtlers Erdenwallen' von Julius v. Voß hatte Wieland ſich noch am 23. Des
zember 1812 erfreut.
2) Über „Wielands to be or not to be im Sterben“ ſprach Goethe am 4. Ja⸗
nuar 1821 mit dem Kanzler Müller (Unterhaltungen? S. 39).
156 Te enge * be
er En
das iſt ja eine wahre Kosaken 5 5 bif
derin“, ſagte er zu der, die es ihm überreichte; er nahm es aber fr
lich und lächelnd an.
Dieß mochten die letzten Worte geweſen ſein — feine u
waren noch bis gegen 11 Uhr und ſpäter lebhaft, aber er konnte nicht
mehr ſprechen. Der Puls ging noch ſehr ſtark, nur das öftere mim
tenlange Aufhören desſelben machte uns aufmerkſam. Ein ſtärkere
Athemzug geſchah, und fein ſchönes Leben war geendet! man kor
dieſes Hinſcheiden eher für einen Schlummer halten. f
Mitteilungen
aus dem
Goethe-Nationalmuſeum
Die italienischen Kleinbildniſſe Goethes
und das neue römische Goethe-Bild Tiſchbeins
Von Hans Wahl (Weimar)
(Mit einer Tafel)
Yon den drei bekannten römischen Bildniſſen Goethes, über deren
Entſtehung uns der Dichter ſelbſt berichtet hat, entſchwanden
zwei für immer dem Geſichtskreis des Dargeſtellten. Die häufig in
ihrem Porträtwert überſchätzte apolliniſche Büſte Trippels beſaß er
ſelbſt in einem guten Abguſſe nach dem Marmororiginal der Groß—
herzoglichen Bibliothek. Das liebenswürdige, aber ſchwache Gemälde
der „zarten Seele“ Angelika Kauffmann wurde durch ihren Neffen
Johann Kauffmann aus ihrem Nachlaß (1810) verſteigert; Ottilie
von Goethe erwarb es neun Jahre nach Goethes Tode aus dem Be—
ſitze des Grafen d' Harnoncourt in Brünn. Das bedeutende Werk Jo—
hann Wilhelm Tiſchbeins ging wahrſcheinlich bald nach Goethes Rück—
kehr aus Italien in den Beſitz des mit dem Maler befreundeten deut-
ſchen Kaufmanns Chriſtian Heigelin in Neapel über, von deſſen Erben
es in den vierziger Jahren der Bankier Karl Mayer von Rothſchild
in Rom kaufte. 1887 — hundert Jahre nachdem es gemalt wurde
— gelangte es durch Schenkung, nicht, wie es nahe gelegen hätte, in
das eben eröffnete Goethe-Nationalmuſeum in Weimar, ſondern in
das Städelſche Inſtitut in Frankfurt am Main. Als Goethe nach
der zweiten Wiederanknüpfung der Beziehungen zu Tiſchbein Ende
1821 ſich von dem Künſtler eine kleine Aquarellſkizze danach erbat,
war dieſer nicht imſtande, den Wunſch zu erfüllen, weil er ſelbſt den
Aufenthaltsort des Werkes, das ihn unſterblich gemacht hat, nicht
mehr kannte. Goethe beſaß unter ſeinen Erinnerungen aus Italien
nur den ganz flüchtigen — wahrſcheinlich erſten — Entwurf, der
in der Tiſchbein⸗-Mappe der Goethe-Geſellſchaft (Schriften Bd. 25,
Tafel 9) wiedergegeben iſt. Aber manches andere hat ſich in Goethes
Nachlaß, z. T. von ihm ſelbſt in beſtimmte Gruppen eingereiht, auf-
finden laſſen, das zwar nicht das Antlitz des römiſchen Goethe wieder—
ſpiegelt, aber uns vertraulich in ſein Treiben innerhalb ſeiner vier
Wände in dem Eckhauſe gegenüber dem Palazzo Rondanini einweiht,
oder ihn uns auf den Straßen Roms und in ſeiner Umgebung be—
gegnen läßt.
Allbekannt iſt Tiſchbeins flüchtige Federzeichnung, auf der wir
Goethe im Begriff ſehen, „das verfluchte zweite Küſſen“ von ſeiner
SE |
160 Mitteilungen aus dem Gocthe-Nationalmufeum
Dan 2
— 2
Lagerſtatt mit Schwung zu entfernen, ehe er fich zur Ruhe begibt.
Die brennende römiſche Ollampe neben der blumengefüllten Vaſe auf
dem Tiſchchen zur Linken deutet die Nachtzeit an. Drei Zeichnungen
ſchmücken die Wand zu Häupten des Lagers, an deſſen Fußende das
wohlbekannte, dem Jupiterkult ergebene Hauskätzchen der Familie
Collina hockt. An der rechten Wand tragen Winckelmanns Werke und
des Livius Römiſche Geſchichte, zu einem Pfeiler übereinandergeſchich—
tet, ein Brett, auf dem der Abguß der Juno Ludoviſi, der einer klei—
neren Juno und der eines großen Fußes laſten; darunter der Reiſe—
koffer des Romfahrers; neben ihm auf dem Boden der Hammer des
Geologen. Denken wir uns noch eine dritte Juno dazu, die nach
Goethes Aſchermittwochbrief 1787 wohl auch auf das Brett gehörte,
und den koloſſalen Jupiterkopf, den Goethe ſich ſchon Weihnachten
1786 „angeſchafft“ hatte und der „wohlbeleuchtet, damit ich ſogleich
meine Morgenandacht an ihn richten kann,“ dem Bett gegenüber
an der Wand etwa neben dem Zeichner des Bildchens auf einem
Tiſche ſtand, ſo haben wir ein annähernd vollſtändiges Bild von
Goethes Wohnung während ſeines erſten Aufenthalts in Rom. Die
Zeichnung mag im Januar oder Februar 1787 entſtanden ſein.
Hält das ungebundene Leben unter den römiſchen Künſtlern
ſchon in dieſer Zeichnung den intimen Augenblick vor dem Schlafen⸗
gehen feſt, ſo zeigt uns eine andre ſogar Goethe im Bette. Sie iſt
noch nicht veröffentlicht und findet ſich in den Tiſchbeinmappen, wo
ſie Goethe einſtmals in der Rubrik: „Von Tiſchbein meiſt Abends
wenn wir beyſammen ſaßen gezeichnet“ eingeordnet hatte (26, 5 x
19 em). Die Bezeichnung: „Abend Geſpräch. Ich lag im Bette“
kann ſich nur auf ein Blatt beziehen, das mit ganz lockeren Blei⸗
ſtiftſtrichen, ohne die Geſichter zu individualiſieren, folgende Szene
darſtellt: Ein Mann redet, in eifrigem Geſpräch über den Tiſch ge⸗
lehnt, auf einen zweiten ein, der auf der andern Seite ſitzt. Hinter
dem Tiſch hört Goethe, im hohen Bette halb aufgerichtet, mit ver⸗
ſchränkten Armen auf den rechten Ellenbogen geſtützt, ruhig zu. Eine
merkwürdige Nachtmütze deckt ſeine Friſur. Ein Kunſtgeſpräch in vor⸗
gerückter Stunde.
Auch außerhalb der Wohnung am Corſo begegnet uns Goethes
Geſtalt mehrfach in Zeichnungen der Freunde. Beſtimmt und durch
Tiſchbein ſelbſt beſtätigt (Schriften der Goethe-Geſellſchaft 25, S. 20)
auf der Federzeichnung: „Moritz der den Arm gebrochen, vom Chi-
rurgen bedient, von Freunden getröſtet“ (Schriften der Goethe-Ge⸗
ſellſchaft 25, Tafel 8). Goethe kniet vor dem Geſtürzten und „dämpft“
deſſen „hölliſches Fluchen mit ſanften Freundes Worten“. So Tiſch⸗
bein in ſeinem Schreiben an Goethe vom 14. Mai 1821, das am
Briefrande ebenfalls ein gemeinſames Erlebnis — Goethe und Tiſch⸗
bein in Gefahr, beim Abklopfen von Steinſchichten von einem Ochſen⸗
wagen überrannt zu werden — illuſtriert. Und ſo dürfen wir auch
SNN N Na
—
Goerbe in feiner römiſchen Wobnung (1787)
Handzeichnung von . H. W, Tiſchbein
Ital. Kleinbildniſſe Goethes u. d. neue röm. Goethe: Bild Tiſchbeins 161
mit einiger Wahrſcheinlichkeit vermuten, in einem der beiden in den
Mantel gehüllten Zuſchauer links auf dem Tiſchbeinſchen „Mord—
protokoll“ (Schriften der Goethe⸗Geſellſchaft 25, Tafel 9) Goethe zu
ſehen, wenn wir aus Goethes Beiworten: „Tiſchbein kam dazu als
eben der Notar den Proces verbal dreſſirte“, nicht herausleſen wollen,
daß der Maler allein Zeuge des Vorgangs war.
Weiter hinaus in eine römiſche Villa führt uns ein Blatt Fritz
Burys, das aus deſſen Nachlaß in die Sammlung Kippenberg in
Leipzig übergegangen iſt und bezeichnet wird: „Bury malt Goethe
im Kreiſe der Künſtler“ (abgebildet in der großen Inſel-Ausgabe
der Italieniſchen Reiſe, Nr. 119). Ob freilich das unbeholfen ſitzende
Malobjekt wirklich Goethe darſtellen ſoll — wir kennen weder ein
Goethe-Bild Burys aus jenen Jahren, noch iſt es bezeugt — und ob
Bury wirklich der Zeichner des Blattes und zugleich der auf ihm
vor der Leinwand ſitzende Maler iſt, muß bezweifelt werden.
Dagegen dürfen wir auf wenigſtens einer der ſizilianiſchen Umriß⸗
zeichnungen Knieps Goethe als Staffage im linken Vordergrund er-
kennen (noch unveröffentlicht im Goethe-Nationalmuſeum).
Keines der Kleinbilder des römiſchen Goethe iſt aber ſo köſtlich,
wie jenes Blatt, das Paul Heyſe in ſeinem Gedicht an Wilhelm
Hemſen beſingt:
„ mit der Feder umriſſen und leicht ſchattiert mit dem Pinſel,
Wo er ſo häuslich erſcheint in der Sommerfrühe, nur eben
Aus dem Bette geſprungen und erſt notdürftig bekleidet,
Wie er, den hölzernen Laden zurückgeſchlagen, des ſchönen
Römiſchen Morgens genießt und bequem hemdärmlich am Simſe
Lehnt und der Sonne die Bruſt und das atmende Antlitz zukehrt.
Nur vom Rücken belauſcheſt du ihn, doch glaubſt du in jeder
Linie den Hauch zu empfinden des Wohlſeins, der aus dem Lichtquell
Sich durch Adern und Nerven des Neuerweckten ergoſſen.
Selbſt im Nacken das Zöpfchen, der Fuß, der aus dem Pantoffel
Halb ſich erhob, die Schnalle, die unterm Kniee den Strumpf hält,
Jeglicher Zug ſpricht aus: dem Mann iſt wohl; wie ein Halbgott
Schlürft er, vom Zwange befreit, den verjüngenden Atem der Frühe ..“
Es iſt das die Aquarellzeichnung, die, von Tiſchbein dem Berliner
Nicolai geſchenkt, nunmehr durch Erbgang in den Beſitz der Nach⸗
kommen von Frau Veronika Parthey, einer Verwandten Nicolais,
gelangt iſt. Dieſes verhältnismäßig große Blatt (42 * 27 em) hat
die Aufmerkſamkeit auf eine Federzeichnung gelenkt, die im Oktober
vorigen Jahres in Berlin zur Verſteigerung kam. Das Goethe⸗Natio⸗
nalmuſeum konnte ſie erwerben, und das Jahrbuch zeigt ſie zum erſten⸗
mal. An der Autorſchaft Tiſchbeins konnte ein Zweifel nicht beſtehen;
ſein xaſcher Strich, die etwas ſummariſche Art, durch Schatten-
ſchraffierung in größter Schnelligkeit Plaſtik anzudeuten, zeigt ſeine
Hand, auch die Papierprobe beſtand das Blatt, zu guterletzt war die
Herkunft aus Tiſchbeins Nachlaß geſichert.
VIII 11
162 Mitteilungen aus dem Goethe-Nationalmuſeum
Die Rückſeite zeigt ein Liebespaar, vertraulich aneinandergelehnt
an einem Treppenabſatz plaudernd, vor ihnen ein etwa vierjähriges
Kind; unentwegten Fauſtina⸗Forſchern ſei es unbenommen, in ihnen
Goethe und die als ſeine römische Geliebte „ermittelte“ junge Witwe
Fauſtina Annunciata Lucia Antonini aus der Oſteria della Campana
mit ihrem vierjährigen Knaben zu erblicken. Die andere Hälfte der
Seite wird durch zwei ſitzende Frauen in zärtlicher Umarmung aus⸗
gefüllt. Beide Skizzen ſind noch flüchtiger umriſſen als die Zeichnung
auf der Vorderſeite.
Ebenſo ſummariſch wie die Formgebung iſt dort das Räumliche
behandelt: die Fenſterniſche, wie auf dem Partheyſchen Bilde, an⸗
gedeutet durch den quadrierten Fußbodenabſchnitt, und das Fenſter
ſelbſt. In der Niſche ſitzt auf einem Stuhle, der ſchräg gegen die Wand
gekippt iſt, in völliger Ungezwungenheit in die Lektüre eines Buches
vertieft, derſelbe Mann, den Heyſes Verſe beſingen. Auch die Pan⸗
toffeln fehlen nicht, im Nacken das Zöpfchen und die „Schnalle, die
unterm Kniee den Strumpf hält“. Wie auf dem Partheyſchen Bilde
trägt er nur Hemd und Hoſe. Obwohl die Porträtähnlichkeit, wie
bei allen Tiſchbeinſchen römiſchen Augenblicksbildern keine Rolle
ſpielt, kann der Beſchauer eine Linie finden, die zu dem Olbild der
Angelika führt.
Es iſt nicht zu bezweifeln, daß wir eine Skizze vor uns haben, in
der Tiſchbein, vielleicht am gleichen Tage mit dem Partheyſchen
Bilde, den „pittore Filippo Miller“ alias Johann Wolfgang Goethe
in ſeiner flüchtigen Manier auf das Papier bannte, als er etwa in
Carlo Feas italieniſcher Überſetzung von Winckelmanns Kunſtge⸗
ſchichte hingegeben ſtudierte oder aus der Römiſchen Geſchichte des
Titus Livius die Kultur eines Teils ſeiner römiſchen Umwelt neu
auferſtehen ließ, oder auch — wie er am 2. Februar 1787 an Char⸗
lotte von Stein ſchrieb — in „des guten trocknen Volkmann zweytem
Theil“, was er „noch nicht geſehen“, ſich anmerkte. Im Erraten des
Leſeſtoffs iſt der Phantaſie des Beſchauers freies Spiel gelaſſen, an
der Hingegebenheit des Leſers wird er kaum zweifeln. Daß dieſe
Stimmung des römiſchen Goethe — gewiß keine ſeltene — uns durch
die Zeichnung feſtgehalten wird, iſt ja auch das Weſentliche.
Das Blatt ſelbſt hat die Ausmaße 31 >< 21,8 em, iſt alſo kleiner
als das Partheyſche Aquarell; die Geſtalt ſelbſt jedoch iſt in den
Maßen größer und ſo die größte ganzfigurige Zeichnung, die wir
nach dem lebenden Goethe beſitzen. Die Zeit der Entſtehung läßt ſich
nicht genau beſtimmen, doch, da die Monate der Abweſenheit Tiſch⸗
beins ausſcheiden, begrenzen auf November 1786 bis Februar 1787
oder Juni 1787. Fühlt man mit Paul Heyſe auf dem Partheyſchen
Bilde die Stimmung der „Sommerfrühe“, ſo wird man auch unſer
Blatt datieren: Rom, Juni 1787.
Neue und alte Quellen
Nachträge zu Goethes Briefen
I. Drei Briefe,
deren Handſchriften ſich in Schweden befinden.
Mitgeteilt von Hans Gerhard Gräf
1. An Friedrich Juſtin Bertuch.
Wollten Ew. Wohlgeb. die Gefälligkeit haben mir, von Nürnberg,
die amerikaniſchen Gewächſe
3 Centurien [od. Complett!
Auswahl ſchöner und ſeltener Gewächſe
[Complett und Continuat.]
verſchreiben zu laſſen.
Ich entſchließe mich zu dieſer Acquiſition um ſo eher, als ſie mir
durch den gefällig zugeſagten Rabat erleichtert wird.
Ich wünſche freylich ein ſorgfältig illuminirtes Exemplar, auf
gutes ſtarkes Papier und zwar roh zu erhalten.
Der ich recht wohl zu leben wünſche.
Weimar am 7 Febr. 1800. G.
Eine buchſtabengetreue Abſchrift des im Reichsarchiv zu Stockholm befind:
lichen Briefes und die Erlaubnis zur Veröffentlichung verdanke ich der Güte
des Herrn Reichsarchivars Sam. Claſon.
2. An Gräfin Konſtanze von Fritſch.
Warum ich meiner theuren Freundinn auf Ihren lieben Brief noch
nicht geantwort [so] muß ich doch endlich einmal ausſprechen: Seit
vierzehn Tagen hat ſich leider meine adoptive rechte Hand kranckheits⸗
halber in's Bette gelegt und meine angebohrne Rechte iſt ſo faul als
ungeſchickt, dergeſtalt daß ſie immer Entſchuldigung zu finden weis
wenn ihr ein Briefblatt vorgelegt wird. Nun aber ſoll ſie ſich nicht
ferner weigern ſondern Ihnen verſichern, daß mir Ihr reiches Blat
viel Freude gemacht hat. Ich ſchaffte mir ſogleich die Beſchreibung
und den Plan von Prag und bin ſchon dort ziemlich zu Hauſe. An
| Ä | „
166 Neue und alte Quellen Bi
jedem ſchönen Morgen wünſchte ich mich zu Ihnen auf die Teraffe;
der Anblick von Prag en relief muß, wie ich dem Grundriß ſchon
abſehen kann, auſerordentlich ſchön ſeyn. Bey Betrachtung ſo vieler
Merckwürdigkeiten hätte ich auch ſo gern an Ihrer Seite geſtanden
und die Dinge hätten dadurch an ihrem Intereſſe für mich viel ge⸗
winnen müſſen. Denn eigentlich wird mir das kleine Gärtchen nach⸗
grade ein wenig enge, die Menſchen machen mir durch Wahrheiten
und Fabeln den Kopf warm und wenn es nicht noch Berg und Ge—
ſtein gäbe, ſo wüßt' ich nicht wohin flüchten. In Außig habe ich
Docktor Stolz beſucht und an ihm einen ſehr wackern und unterrich⸗
teten Mann, auch beſondern Stein- und Cryſtallfreund gefunden.
Meine Abſicht Ihro Hoheiten in Prag aufzuwarten iſt mir bis
jezt auch verkümmert worden. John erhohlt ſich langſam und ich
mag ihm das Herzeleid nicht anthun ohne ihn die Reiſe zu machen.
Schreiben Sie mir bald von dem Befinden der Hohen und theuren
Perſonen und empfehlen mich überall mit Anmuth und verſchaffen
mir die Fortdauer einer erwünſchten Gnade und Gunſt.
Von dem ſchönen Albr. Dürer habe ich mir von Ambroſi erzählen
laſſen welcher ihn gleichfalls ſehr hochſchätzt.
Wegen Docktor Fauſt iſt mir noch nicht gelungen ſichere Kund⸗
ſchaft einzuziehen. Geht es nicht beſſer ſo zitire ich einmal zur rechten
Stunde die Geiſter ſelbſt und erkundige mich direckt und wir glauben
nachher gerade das Gegentheil von dem was ſie ausſagen.
Mit einem ganz geſchickten jungen Künſtler von Prag zeichne ich
alle Tage, die Blätter ſehen ein bißchen wild aus; aber Sie werden
doch nicht verſchmähen eins anzunehmen. Sie werden wenigſtens
daraus erſehen in welchen Einöden ich meiner Freunde gedachte,
mittlerweile Sie [aus: fie] über Palläſte und Kuppeln hinwegſahen.
Leben Sie tauſendmal wohl empfehlen mich überall, halten mich
Sich Selbſt empfohlen und geben mir bald ein Lebens und Freund⸗
ſchaftszeichen. Tepliz d. 16. Juni 1813. Goethe
Dieſer (wie auch der folgende) Brief befindet ſich in der großen Handſchriften⸗
Sammlung des Freiherrn Axel und der Freifrau Tyra von Klinckowſtröm,
geb. Gylden, einer Urenkelin Knebels, in Stafſund auf Ekerö bei Stockholm,
denen ich für die Erlaubnis zur Veröffentlichung verpflichtet bin. Ich habe
ihn in der Feſtgabe zu Julius Wahles 60. Geburtstag Funde und For⸗
ſchungen (Inſel⸗Verlag zu Leipzig, 1921) S. 14/5 erſtmals veröffentlicht.
Ein Quartbogen, ganz eigenhändig (da Goethes Schreiber John erkrankt
war); im Tagebuch unterm 17. Juni vermerkt: „[Brief] An Gräfin Fritſch
nach Prag.“ „Ihr reiches Blat“: nicht bekannt; Goethes Tagebuch 23. Mai:
„Briefe von Comt. Fritſch und Lämel“. — „die Beſchreibung und den Plan
von Prag“: Goethe an v. Lämel 2. Juni: „Möchten Dieſelben anordnen, daß
ein Grundriß von Prag auf Leinwand gezogen, dergleichen wahrſcheinlich in
den dortigen Kunſthandlungen zu haben ſein wird, beigelegt werde, ingleichen
etwa eine kurze Beſchreibung der Merkwürdigkeiten dieſer Hauptſtadt, ſo würde
ich mich einſtweilen zur Anſicht derſelben vorbereiten können. Denn ob es gleich
r Nachträge zu Goethes Briefen! i 167
gegenwärtig Zeiten ſind, wo man nicht lange voraus ſagen kann, was man zu thun
wünſcht, ſo gehört doch dieſer Plan unter meine angenehmſten Hoffnungen.“ —
„das kleine Gärtchen“: zum Goldnen Schiff gehörig; Goethe an Chriſtiane
7. Juni: „Ich wünſchte nur, du könnteſt ein Paar Tage mit mir in meinem
Gartenhauſe ſein. Das Gärtchen iſt klein, liegt aber frei und hat die ſchönſte
Ausſicht.“ — „Ihro Hoheiten: Maria Pawlowna und ihre Schweſter Katha⸗
rina Herzogin von Oldenburg.“ — „ohne ihn die Reiſe zu machen“: Goethe
an v. Lämel 31. Juli: „Ew. Hochwohlgeb. zeige ſehr ungern und nach einigem
Zaudern hierdurch an, daß die Krankheit meines Reiſegefährten für mich manche
unangenehme Folge gehabt, worunter jedoch die darüber abermals verſäumte
Reiſe nach Prag mich am meiſten ſchmerzt.“ — „Ambroſi“: der Teplitzer Arzt
Ambroſius, deſſen Kupferſtichſammlung Goethe fleißig betrachtete. — „Docktor
Fauſt“: ohne den leider nicht bekannten Brief der Gräfin, auf den Goethe hier
antwortet, iſt die Beziehung ſchwerlich zu ermitteln. — „jungen Künſtler von
Prag“: Maler Neuendorf, den Goethes Tagebuch in der Zeit vom 2. Juni bis
3. Juli häufig nennt.
3. An Theobald Renner
Unterzeichnetem ward am 1 ſten Juny von Sereniſſimo ein in dem
Torfmoore bey Haßleben gefundenes Thier⸗Skelet überſendet, Reſte
eines ungeheuren Stieres der Vorzeit. Die Theile wurden ſämmtlich
auf dem Fußboden meines Gartenhauſes in Ordnung gelegt und
man fand ſolche, bis auf Weniges, vollſtändig. Sie werden nunmehr
wohleingepackt nach Jena geſendet und folgendes dabey angeordnet
und vorgeſchlagen. |
Das Skelet wäre auf dem Fußboden des großen Saales, da im
aſtrologiſchen nicht Raum iſt, auszubreiten und ſeine Theile ſorg⸗
fältig zu unterſuchen und zu ordnen, alsdann würden Herr Hofrath
D. Renner, der Gehülfe und Cuſtos zu Rathe gehen, ob man nicht
das Skelet aufſtellen ſollte. Was den Rückgrat betrifft und was von
dem abging würden ſich wenig Schwierigkeiten finden. Den Kopf
müßte man mit Sorgfalt behandeln und es würde ja wohl Mittel
geben ſelbigen an den Atlas anzufügen und in der Höhe zu halten.
über alles dieſes wünſche, ehe man zu Werke ſchreitet, nähere Nach⸗
richt.
Weimar d. 6te Juny .
1821. Goethe
Von Kräuter geſchrieben, Unterſchrift eigenhändig. Das Tagebuch vermerkt
unter dem 1. Juni: „Sendung Sereniſſimi von Haßleber thieriſchen Aus⸗
grabungen. Das große Skelett im Gartenhauſe geſondert und zurecht gelegt.“
Am 2.: „Betrachtungen über das große Skelett.“ Am 6.: „Herrn Profeſſor
Renner, ... Promemoria wegen des Haßleber Skeletts; detaillirte Specifica⸗
tion desſelben durch Färber; Brief zu weiterer Erläuterung“ und „das Haß⸗
leber Skelett nach Jena geſendet“. Vgl. auch Goethes Brief an Carl Auguſt vom
1. Juni. Durch nachträgliche Funde im Haßlebener Torfmoor konnte das Ske⸗
lett des Stieres beinahe vollſtändig ergänzt werden (Goethe an Carl Auguſt
25. Juli). Goethe berichtete darüber in dem Aufſatz „Foſſiler Stier“ (Weim.
Ausg. II 8, 237 f.). Auch ſpäterhin wurden Knochen im Torfmoor bei Haßleben
gefunden (vgl. Tagebucheintrag vom 4. Auguſt 1825).
168 Neue und alte Quellen
II. An Chriſtian Gottlob v. Voigt d. ä.
Mitgeteilt von Werner Deetjen
Am 8. Oktober 1805 ſtarb in Eiſenach, im Begriff, zu ſeiner Schwe⸗
ſter, der Herzogin Anna Amalia, nach Weimar zu reiſen, der Herzog
Friedrich Auguſt von Braunſchweig-Oels und wurde neun Tage
darauf in der Fürſtengruft der Weimarer Stadtkirche beigeſetzt. Aus
ſeinem Beſitz erbte ſein Neffe Karl Auguſt unter anderem den größ⸗
ten Teil der hinterbliebenen Handſchriften, ferner die Bibliotheken
ſeiner Schlöſſer Sibyllenort und Wilhelminenort, ſowie von der
Bibliothek in Oels die Bücher, die der Verſtorbene ſelbſt aus eige⸗
nen Mitteln angeſchafft hatte. Als der wegen der Hinterlaſſenſchaft
mit den übrigen Erben entſtandene Konflikt endlich beigelegt war
und die für Weimar beſtimmten Bücher eingepackt und verladen
werden ſollten, wandte ſich Goethe als Mitglied der Kommiſſion,
welche die Oberaufſicht über die Anſtalten für Kunſt und Wiſſen⸗
ſchaften führte, an ſeinen Miniſterkollegen v. Voigt mit folgendem
Schreiben, das die „Geh. Kanzley Acta Die Berichtigung der Her⸗
zogl. Oelsiſchen Legaten Sache betr. (1806. Vol. II. p. 200)“ ent⸗
halten Y):
Unſer neues Bibliotheks Gebäude?) in Weimar iſt durch alle
Etagen nunmehr in ſo guter Ordnung, auch ſcheint es nicht unmög⸗
lich, daß der zur Bibliothek geſchlagene Archivs Theil?) vor Winters
noch in Ordnung komme; deshalb ich für Pflicht halte Ew. Excellenz
auf einen Umſtand aufmerkſam zu machen, durch den wir abermals
ſehr zurückgeſetzt werden können. Es iſt nehmlich die Ankunft der
Oelsiſchen Bibliothek. Wollte man dieſe in einem von unſeren Räu⸗
men auspacken und ſondern, ſo würde manches von der Stelle ge⸗
ſchaft und aus der bisherigen Ordnung wieder gebracht werden müſ—
ſen. Mein Vorſchlag wäre daher, die Kiſten nach Jena ſogleich zu
inſtradiren, ſie hier auszupacken und die Bücher hier aufzuſtellen;
wozu auf jeden Fall genugſamer Raum vorhanden. Man ginge ſie
alsdann nach dem Catalog durch, ſchaffte nach Weimar was man aus⸗
wählen wollte, ſchaffte nach Eiſenach was Serenissimus dorthin be—
ſtimmten und ließe zu einem allenfallſigen Auctionsverkauf hier, was
man an jenen beyden Orten nicht brauchen könnte. Durch dieſe Manö⸗
1) Herr Archivar Dr. Müller machte mich freundlichſt darauf aufmerkſam.
Die Erlaubnis zur Mitteilung erwirkte mir die Direktion des Geheimen Haus⸗
und Staatsarchivs in Weimar. Der Brief (2 S. eines gebrochenen Foliobogens
ſtammt von Schreiberhand, nur die Unterſchrift iſt eigenhändig.
2) Das „neue Bibliotheksgebäude“ iſt der am 27. Juni 1803 begonnene und
am 13. März vollendete ſüdliche Anbau.
) Im Erdgeſchoß des Hauptgebäudes, des ehemaligen „grünen Schloſſes“,
war früher das Archiv des Erneſtiniſchen Hauſes untergebracht.
Nachträge zu Goethes Briefen II 169
ver blieb unſre Weimariſche Ordnung und Einrichtung unverrückt,
welches um ſo wünſchenswerther wäre, als wir ſeit dem Tode Bütt⸗
ners 1) und dem Abbrechen des Vorgebäudes 2) unſrer Bibliothek in
der größten Zerſtreuung und Unordnung gelebt haben; wodurch alle
eigentlichen Arbeiten retardirt worden ſind und wobey, wegen des
vielen Hin⸗ und Wieder⸗Schaffens mancher Schade geſchehen, indem
rohe) Werke defect geworden, andere ſich wo nicht verloren, doch
wenigſtens verkrochen, und der eigentliche Zweck unſrer Bemühungen
den vorhandenen Büchervorrath im Allgemeinen kennen zu lernen,
immer weiter hinausgeſchoben worden.
Ew. Excellenz habe deshalb dringend erſuchen wollen, dieſen mei-
nen gethanen Vorſchlag gefällig zu begünſtigen, umſomehr, als der
Tranſport von Magdeburg oder Halle hierher keinen Unterſchied
machen wird. Sollte man aber die Bücher gleich nach Weimar zu
ſchaffen demungeachtet beſchließen; jo bitte wenigſtens die Einrich—
tung zu treffen, daß fie zuerſt außerhalb unſrer Bibliotheksräume,
es Ic) nun in einem herrſchaftlichen oder Privatgebäude aufgeſtellt
werden.
Jena den 16 Junius 1806. Goethe.
Dem Wunſche Goethes entſprechend, wurde der Transport zuerſt
nach Jena geleitet. Freilich vergingen darüber noch faſt zwei Jahre.
1) Chriſtian Wilhelm Büttner (1716— 1801), Sprachforſcher in Göttingen,
in in Jena. Seine bedeutende Bibliothek war durch Karl Auguſt angekauft
worden.
2) Das einſt zum „grünen Schloſſe“ gehörige Türmchen.
3) D. h. ungebundene.
Ein Brief Alexander Trippels
Mitgeteilt von Georg Witkowski (Leipzig)
Der Schweizer Alexander Trippel, allbekannt durch ſeine apolli⸗
niſche Goethe-Büſte, trat ſogleich nach der Ankunft des Dich⸗
ters in Rom in deſſen Geſichtskreis. Der Brief vom 7. November
1786 meldet den Weimarer Freunden: „An Trippeln hab ich einen
ſehr braven Künſtler kennen lernen“, und unter den Notizen über
die erſten römischen Monate (Werke 30, 304) lieſt man: „Trippel
Gleich anfangs.“
Unſer Brief beſtätigt in ſeinem Schlußabſatz dieſe frühe Berüh⸗
rung und beleuchtet zugleich den Eintritt Goethes in die Künſtler⸗
welt Roms, nicht ohne den deutlichen Ausdruck einer Eiferſucht, die
den Bevorzugten — Tiſchbein, Reiffenſtein, Angelica Kauffmann —
den Alleinbeſitz des „großen Löwen“ mißgönnt.
Vorher ſchildert Trippel breit das unglückſelige Ende des Medail⸗
leurs Kaſpar Joſeph Schwendimann, jene Mordtat, von der die
Italieniſche Reife’ unter dem 24. November 1786 als einem Bei⸗
ſpiel der in Rom herrſchenden Unſicherheit berichtet.
Der Eingang des Briefes handelt von Beſorgungen von Kunſt⸗
werken. Aus der Trippel-Monographie C. H. Vogler? (Schaffhäuſer
Neujahrsblätter 1892 und 1893) wiſſen wir, daß der Bildhauer
häufig ſolche Kommiſſionen für ſeine Gönner in der Heimat über⸗
nommen hat, namentlich für den Kunſthändler Chriſtian von Mechel.
Da Trippel mit dieſem ſchon vor dem Jahre 1782 gebrochen hat
(laut der Angabe Voglers S. 23), kann unſer Brief ſchwerlich an ihn ge-
richtet ſein, und auch ſonſt läßt ſich über den Adreſſaten nichts erkunden.
Ebenſo wenig laſſen ſich die beiden erwähnten Maler Müller und
Meier mit völliger Sicherheit feſtſtellen, obgleich bei dem erſten wohl
zunächſt an den Dichter-Maler Friedrich Müller, bei dem zweiten
an Goethes ſpäteren Lebensfreund Heinrich Meyer zu denken iſt.
Dagegen iſt der von Trippel „Köller“ genannte Künſtler ohne Zweifel
mit dem ſchon 1789 verſtorbenen Schweizer Koella (vgl. Schriften der
Goethe-Geſellſchaft 32, 8. 47f.) identiſch, Biermann jener Schweizer
Landſchaftsmaler, der für Goethe zeichnete und malte (Schriften der
Goethe⸗Geſellſchaft 5, 106. 112. 139. 238) und der in dem Aufſatz
Ein Brief Alexander Trippels 171
„Chalkographiſche Geſellſchaft zu Deſſau“ (Werke 47, 367) erwähnt
wurde.
Der Brief umfaßt vier Seiten 4 und befindet ſich gegenwärtig
im Beſitz des Herrn Rechtsanwalt Nathanſohn in Dresden, dem wir
die Erlaubnis zum Abdruck zu danken haben.
*
Wohledler Hochgeehrſter Herr
und Freünd
Vermutlich werden Sie meinen letzſternen Brieff vom 2ten Nofb.
bekommen haben worinnen ich Ihnen gemeldet habe das das Schiff
welches Ihre Sechs Kiſten führt hat in Livorno einlaufen und ſich
bis dato noch da befindt und nicht weitter gehen kan ſo das alle
Wahren müßen ausgepackt und in ein ander Schiff welches gleich
nacher Genua abgeht, und alſo ſchon kan angelangt ſein oder in
dieſen Tagen muß anlangen, den Brieff den der hieſſige Speditioner
den vergangen Samſtag derwegen aus Livorno erhalten hat von ſei—
nem Freünd Francesco antoni de Filippo habe ich ſelber geleſen,
worinnen er meldete das die Kiſten zum Glücke nicht das geringſte ge—
litten haben, und auch nicht im geringſten naß worden ſo das bey
all den Unglück noch immer ein großes glück iſt, bey jo villen Comi—
sione die ich hier ſchon gehabt habe iſt es mir noch niemahls ſo ver—
drießlich gegangen, und hat mir ſchon ville Schlaff loße Nächte ver⸗
urſacht, die Kiſten find adressiert an Sg! Gioanna Luca olliva a Ge-
nua, und der hieſſige Speditioner heißt Gioseppe dell Prato, ſo wen
Sie es vor gutt finden ſo können Sie noch ſelber nacher Genua
Schreiben, ob die Kiſten ohne Gefahr diſen Winter noch über die
Bergen können gebracht werden, ich habe mit der heütigen Poſt auch
dahin deswegen Schreiben laſſen, den es ſolte mir ſehr lieb ſein, wen
Sie es noch diſes Jahr bekommen könten.
Der Müller iſt mit der Schweffel Samlung noch nicht ferttig, da—
hin [gegen] aber iſt der Meier und Köllar mit ihren Zeichnungen
ferttig und ſehr gutt, das iſt der Gladiator moribondo und die Sizilie
von Domenichino und die Sibilla nach Qurcina, der Birman würd
auch bald ferttig mit den ſeinigen, ich habe anſtatt 6 Brasselet Pasten
nur viere gekaufft, dafor käufte ich zwey ander von die Muſchlen
die ich ſehr wolfeil bekomen habe und ſehr gutt gemacht ich hoffe ich
werde nicht unrecht gethan habe, den ſie koſten nicht mehr als 5 Paul
das ſtück mehr als die andern, und ſind angehend der arbeit vier mahl
mehr wertſt als die andern.
Vor ungefehr viertzehn Tagen iſt ein groß unglück über den gutten
Schwende Man gekommen, es wurde ihm ein Teüſcher Pütſchafft Stecher
von dem Kaiſerlichen Agenten anentfohlen, ein Menſch ohne Naſe
172 Neue und alte Quellen
und der dabey noch ſtarck hinckte, diſer überlieff ihn ſehr oeffters und
fragte ihn um Arbeyt, der gutte Schwende Man konte ihm nicht ſo
vile verſchaffen das er dafon leben konte, weillen diſer ſich mit die
Menſcher abgab, eines Morgens früh komt diſer böſſewicht zu ihm
und will ihm Werckzeüg verkauffen, der S. Man ſagt ihm er brauchte
es nicht, diſer drang es ihm aber auf, er fragte ihn was er dafor
haben wolte, diſer forderte ihm dafor 2 Zechin, darauf ſagte ihm der
S: Man das all die ſachen Neü nicht mehr als zwölff Paule koſte,
diſer drang ihn ſo darauf das ihm Endlich 30 Paul dafor gab um
ihn loß zu werden, den andern Morgen darauf komt diſer Verruchte
wider zu ihm, und ſagte er könne die ſachen nicht um das Geldt geben,
und er thäte es ihm abdrücken weillen er in Nöthen währe, darauf
gab ihm der S: Man den Werckzeug wider zurück und ſchenckte ihm
die 30 Paul, darauf wurde der böſſewicht ſo verboſt und ſagte das will
ſo vill ſagen das ich nicht mehr kommen ſoll, der arme S: Man ohne
was böſſes zu dencken arbeittete fort diſer gab ihm einen Hib mit
einem Hirſchfenger an den Hals, der S: Man grieff mit der Hand zu
und nahm ihm den Hirſchfenger aus der Hand und warff ihn gleich
zum Fenſter hinaus, er hatte aber dabey ſeine Hand ſehr verwundt,
den Kerll aber hat er zu boden geſchmieſen und wolte ihm weiters
nichts thun diſer aber wie er geſehen hat das er das Gewehr nicht
mehr hatte zog ein Zwey ſchneidiges Meſſer herfor, und gab dem
armen S: Man mehr als 24 Stich, das wurde ein Lermmen, die Wache
wird geholt die ſprangen die Thür auf, und fanden noch wie ſie mit
einander ringen, der böſſewicht wie er die Wache geſehen hat ſchnidt
ſich ſelber den Bauch auf und kreppierte drauf in Zeit von einer Vier⸗
tel ſtund, der andere wurde nach dem Hoſpital gebracht alle Conso-
lation, da wurde alles mögliche an ihm gethan, er wurde noch dazu
vom Papſt Entfohlen, das halffe aber alles nichts er bekam die Con-
voltion und Sechs Tage darauf müßte er ſterben das wahr den
30 Nofemb in der Nacht, er hat ausgeſtanden wie ein Martirer, den
er wahr aller wegens verwundt, Jeder Man hat ihn bedauert, und
wahr auch bedaurenswürdig den er wahr der beſte Man von der
Weldt der keine Mücke beleidigen konte, daran kan man ſehen, er
hatte den andern Entwafnet und konte ihn umbringen und wurde
durch ſeine guttheit von dem andern umgebracht. Woher der andere
wahr das weis kein Menſch nicht, ich habe den böſſewicht befters ge-
ſehen und wolte bekantſchafft mit mir haben, aber ſein geſicht hat
mir nicht gefallen und ließ ihm keine gelegenheit, das er nur mit
mir ſprechen konte, man jagt er habe noch zwey ander Erſtechen wol⸗
len wenn ihm diſer gutt gerathten währe, und darunter wahr der
große Ratht Reiffem Stein, und der ander ein Teüſcher abati. Was
hatt nun der arme Schwende Man gehabt vor all ſeine Müh und
Arbeit, als das er hat auf eine Elendige art aus diſer weldt gehen
das wahr ſeine Belohnung vor ſeine Rechtſchaffenheit. Wehr er ein
Ein Brief Alexander Trippels 173
ſchlechter Menſch geweſen, ſo hette er gewüß mehr Glück in dieſer
weldt gehabt.
Der H. Göde iſt vor ungefehr vier wochen hierher gekommen unter
dem Nahmmen Müller eines Teütſchen Gelehrten, er Lochiert beim
Thiſchbein, er geht bey niemand als beim Reiffenstein und bey der
Angelica Kaufman, den ſie haben einen Complot gemacht das er
nirgends darff hingehen als wo ſie ihn hinführen, alſo dieſer große
Löwe läſt ſich durch die Gaſſe an der Naſſe herumführen, es heiſt er
bleibt den gantzen Winter hier, und er Schreibt Tragödi die liph—
genia, er iſt einmahl bey mir geweſen, ſonſten bey keinem anderen.
Der H. Liptz iſt glücklich und wohl hier angelangt, er läßt ſich Ihnen
auf das freündſchafftlichſte entfehlen wie auch der H. Müller und ich,
und habe die Ehre mich in Dero Wohlgewogenheit zu Empfehlen,
und habe die Ehre zu ſein
Dero
Rom d. 9! Deb Ergebenſter
1786 Freünd und Diener
Alex! Trippel
Ein Barbiergejell über Weimar
Mitgeteilt von Eduard Berend (München)
Tn der Autographenſammlung der Preußiſchen Staatsbibliothek
Js (Berlin) befinden ſich achtzehn aus dem Nachlaß Jean Pauls
ſtammende ungedruckte Briefe eines gewiſſen Karl Chriſtian Rolſch
aus den Jahren 1794 bis 1796. Der Schreiber war ein armer, un⸗
gebildeter, aber äußerſt ſtrebſamer und bildungseifriger Barbier⸗
geſell, deſſen ſich Jean Paul während ſeiner Schwarzenbacher Lehr⸗
amtszeit (1790 — 1794) liebevoll angenommen hatte, indem er ihn
mit Büchern verſah und anſcheinend auch an ſeinem Unterricht teil⸗
nehmen ließ. Als Richter im Mai 1794 nach Hof zog, ſetzte ſich das
Verhältnis in einem Briefwechſel fort. Rolſchs Briefe, von ortho⸗
graphiſchen und grammatiſchen Schnitzern oft bis zur Unverſtänd⸗
lichkeit wimmelnd, aber von einem aufgeweckten Geiſt und ſogar
Humor zeugend, ſtrömen über von rührender Liebe und Dankbarkeit
gegen ſeinen Lehrer, ſeinen „Genius“ und geiſtigen Vater, der ihn
erſt zu einem Menſchen gemacht habe. Richter, von deſſen Briefen
nur unvollſtändige (eigenhändige) Kopien erhalten find ), war un⸗
abläſſig bemüht, den aus der Nacht zum Lichte aufſtrebenden Jüng⸗
ling durch Rat und Tat, durch Empfehlungen an ſeine Bekannten
und durch echt pädagogiſche Anleitungen auf ſeinem dornenvollen
ſittlichen und geiſtigen Bildungsgange zu fördern. Zu Anfang des
Jahres 1795 ging Rolſch zur Fortſetzung ſeiner Lehrzeit nach Wei⸗
mar. Offenbar hatte ihn nun Jean Paul, der damals ſchon einen
Beſuch der Muſenſtadt beabſichtigte, beauftragt, ihm über die dorti-
gen Verhältniſſe und Perſönlichkeiten Bericht zu erſtatten. Die Brief⸗
ſtellen, in denen Rolſch dieſem Auftrage nachkam, geben uns zwar
keine neuen Aufſchlüſſe und Offenbarungen über Weimar, ſind aber,
als aus der Froſchperſpektive geſehene Bilder, immerhin der Mit⸗
teilung wert.
In dem erſten erhaltenen Briefe aus Weimar vom 15. März 1795
ſchreibt Rolſch mit einem Gleichnis, das den gelehrigen Schüler
1) Einige davon ſind abgedruckt in Wahrheit aus Jean Pauls Leben', 5. Bd.,
Breslau 1830, S. 50, und in Jean Pauls literariſchem Nachlaß', 4. Bd., Berlin
. 1838, S. 251 und 264.
Ein Barbiergeſell über Weimar 175
Jean Pauls erweiſt: „Nichts neues kan ich Ihnen melden, als das
es hir in Köpfen gärt, wie das Bier, welches fie trinken, welches im-
mer beſſer wird, gemehr [je mehr] mahl es zum gären gebracht wird.“
Im folgenden Briefe vom 24. April 1795 zeigt er ſich mehr von
ſeiner beruflichen Seite: „Göthe iſt wieder hier !), und wird ſich
warſcheinlich nicht ganz entfernen, er iſt vor wenig Tagen wieder
von Jena gekommen, wo er eben ſo lange war. Ich weis nicht, hat
er Obſtruckzion, weil er nicht Spazieren geth, ausgenommen in die
Comödien, weil vielleicht daß ein Mittel iſt, daß zur Digeſtion hilft,
wenſn] man lange weille daſelbſt hat. Wieland, [den] ich jo getrofen
in Spazier gänl[glen (als in Wälſchen Garthen, Stern p.), hat das
gegen theil im Kopf tragen und in der Freſſur [Friſur] von Göthen;
daß [heißt!] er trägt ihn erhaben, und Englfifch] die Hare; jener dief—
ſinnent, die Haare ſtat einer Stuſtparocke [Stutzperücke]. Wieland
hat Stiefeln, die den H. Verwalder in Schwarzen[bach] zu rathen
währen, und ein Arth kammaſchen bilten, oder wie ſie der verſtor—
bene Friderich?) ein mahl trug. Göthe geth auch in Stiefeln, aber
nicht die der Schneider macht wie Wielanden j[eine]. Herder bald
wie Wieland, auſſer daß der nur eine locke und knaper am Kopfe
[dat], und in Schuhen, Mandel — An Karfreitfag] und erſte Feier⸗
tlag] predigde er . . . . Gerne hätte ich von allen die Portraite mit
eingeſchloßen; aber ich war nicht ſo glücklich ſie zubekommen.“
Am 12. Mai 1795 ſchreibt er in Erwartung von Richters baldi⸗
gem Beſuch: „Sie werden hir viel kennen lernen, als den Hofrath
Albrecht, der mit den Prinz Constandin auf reißen und ſein Hof⸗
meiſter war, der ganz für ſich lebt.?) Eine Schweſter von der gelieb-
teln] des Jungen Werthers.) Ich gebe ihn den Nahmſen], mit dem
ihn der Autor Taufte, und wen[n] Sie bald kommlen!, Gelehrte von
der Schweiß, wo einer eine Tochter des Wielands heuerrath 5), welche
aber für jezt wider fort find, doch aber bald wieder kommen. Wie-
landen finden Sie in Pelpetehr [Belvedere], ein Luft Schluß eine
Stunde von hier, er wird noch die Woche mit der verwittben Her—
zogin Amalie nauf ziehn.“
Und am 15. Juni 1795, als ihm Jean Paul ſein demnächſtiges
Eintreffen angezeigt hatte: „Fliegen Sie — fliegen Sie! Sie finden
alle, die Sie wünſchen, Wielanden — Herdern — Göthen — ebens
komme ich aus deßen Hauße, mit der Nachricht, daß Göthe mit Ende
dB. Monats oder mit anfang des künfdigen verfliegt.) O! hätte ich
) Das muß ein Irrtum ſein. Goethe kehrte erſt am 2. Mai von Jena zurück.
) Friedrich der Große? N
) Joh. Karl Albrecht, Legationsrat, war in Ungnade gefallen.
) Amalie Buff, Gattin des Kammerrats Ridel.
) Der Züricher Buchhändler Heinrich Geßner heiratete im Juni 1795 Char:
lotte Wieland.
6) Nach Karlsbad.
176 Neue und alte Quellen
nur eine Brief Taube, um ſie ſtatt eines Courriers zu ſchicken, um
Sie gleich mit zu nehmen, damit Sie noch zur Hochzeit bei Wielands
kommen. Auf den Donnerſtag !) wird eine Tochter mit dem Buch-
händler Geſſener aus Zürch von Herdern getraut.“
Jean Paul hat ſeinen beabſichtigen Beſuch erſt ein Jahr ſpäter
ausgeführt. Rolſch ging, nachdem er in einem ſpäteren Briefe noch
verſprochen hatte, ein Porträt Wielands an Richter zu ſchicken, im
Sommer 1795 von Weimar nach Berlin, wo er auf Jean Pauls
Empfehlung in der Familie des Verlegers Matzdorff freundliche Auf⸗
nahme fand und an dem jüngeren Bruder des Dichters Karl Philipp
Moritz einen Freund und Lehrer gewann. Im folgenden Jahre zog
er nach Hamburg, wo er bald darauf erkrankte und ſtarb. Jean Paul
hat ihm bis ins Alter ein wehmütig-frohes Andenken bewahrt; und
ſo mögen auch dieſe Zeilen den wackern Badergeſellen, der von den
großen Geiſtern ſeiner Zeit einen Hauch verſpüren durfte, für einen
Augenblick dem Staube der Vergeſſenheit entreißen.
1) 18. Juni 1795.
Schiller und das Weimarer Theater
Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921
Von Julius Peterſen
VIII
Hochanſehnliche Feſtverſammlung!
Cem Mai 1821 — genau vor 100 Jahren — entſtand als eine der
N letzten Bühnendichtungen Goethes der ſzeniſche Prolog zur Er-
öffnung des neuerbauten Berliner Schauſpielhauſes. Als Heerſchau
der dramatiſchen Muſe über ihr ganzes Aufgebot, als mildes Toleranz⸗
edikt für alle dramatiſchen Spielarten vom Tragiſchreinen bis zur
niedern Poſſe, als befriedigter Überblick über die Prachtentfaltung
eines durch alle Schweſterkünſte unterſtützten Geſamtkunſtwerks und
als heiterer Lobpreis der verſöhnenden Heilkraft der Kunſt bietet dies
Werk des Altersſtiles die Summe der theatraliſchen Lebenserfahrung
ſeines Dichters.
Zarte Fäden laufen von da aus rückwärts zu jener Gelegenheits⸗
dichtung, die 23 Jahre zuvor Goethes eigener Bühne, dem neudeko—
rierten Weimarer Theaterſaal, die Weihe gegeben hatte. Schillers
Wallenſteinprolog hatte damals der Kunſt Thaliens eine neue Ara
des Aufſchwunges angeſagt, der aus dem engen Kreis kleinlicher Wirk⸗
lichkeit zu den höchſten GGegenſtänden der Menſchheit emporführen ſollte.
Beim Vergleich der beiden Theaterreden klingt manches zuſammen.
Ein heitres Reich der Kunſt beanſprucht die Muſe als „des Tanzes
freie Göttin und Geſangs“ ſchon in Schillers Prolog, ehe ſie in
Goethes Szenenfolge ihre Künſte ſpielen läßt. Und vielleicht hat
Goethe geradezu an den Freund erinnern wollen, als er das ſchwere
Programm der Briefe über äſthetiſche Erziehung', auf dem, wie auf
ſteinernem Sockel der Wallenſteinprolog ſich erhebt, gefällig in poe⸗
tiſches Gold prägte:
Empfangt das Schöne, fühlt zugleich das Gute,
Eins mit dem andern wird euch einverleibt;
Das Schöne flieht vielleicht, das Gute bleibt.
So nach und nach erblühet, leiſe, leiſe,
Gefühl und Urteil, wirkend wechſelweiſe;
In eurem Innern ſchlichtet ſich der Streit,
Und der Geſchmack erzeugt Gerechtigkeit.
Solche Umſetzung des Themas in andere Tonart läßt aber gerade
die elementare Weſensverſchiedenheit der Perſönlichkeiten und den
Wandel der Zeit erkennen. Schillers Prolog iſt Anfang und Ver⸗
heißung, Anſpannung eines ins Unendliche gerichteten Strebens, Auf⸗
ſtellung höchſten Wertmaßes und Ausſchließung alles deſſen, was
dahinter zurückbleibt. Goethes Vorſpiel iſt Ruhepunkt und Erfüllung,
12*
180 Schiller Er das Weimarer 8
freies Kräfteſpiel eines ſicheren Könnens, Hinnahme des Gee
und duldſame Freude an der Mannigfaltigkeit der Erſcheinungen.
Werden die beiden Dichtungen unter Ausſchaltung des zeitlichen
Abſtandes nebeneinandergeſtellt, ſo ſcheint ſich eine Zwieſprache zwi⸗
ſchen ihnen zu entwickeln, ähnlich der des Theaterdirektors und des
Dichters im Vorſpiel zum Fauſt'. Goethes Prolog, entſtanden auf
Beſtellung des Berliner Intendanten, iſt kommandierte Poeſie; ein
Stück in Stücken, das Proſpekte nicht und nicht Maſchinen ſchont
und das die Menge ſtaunend gaffen läßt. An keiner Stelle verrät ſich,
daß das reinſte Seelendrama Iphigenie' als Aufführung folgen fol.
Schillers Wallenſteinprolog dagegen iſt über den Glanz des Augen⸗
blicks hinaus auf die Nachwelt bedacht; er ſpricht in eigener Sache
und iſt nur auf das eine noch im Werden begriffene Werk eingeſtellt,
auf das er vorbereitet. Und trotzdem gewann dieſe Theaterrede die
allgemeinere Bedeutung; ſie iſt der Prolog geworden nicht nur für
das einzelne Stück, ſondern für die ganze Handlungsreihe des klaſſi⸗
ſchen Dramas, das mit ihm Einzug auf der deutſchen Bühne hielt;
die edle Säulenordnung des verjüngten Tempels, die hier begrüßt
wurde, ſchmückte das Siegestor dieſes Triumphzuges; die Blütezeit
des deutſchen Klaſſizismus wurde zur Glanzzeit des Weimarer Thea⸗
ters. Der Epilog aber, der Schillers Prolog entſpricht, iſt Goethes
Totenklage, der Epilog zu Schillers Glocke.
Theaterdirektor und Theaterdichter? Sollte damit das Verhältnis
bezeichnet werden dürfen zwiſchen den beiden Brüdern auf dem Throne,
zu deren Doppelſtandbild wir verehrend aufblicken? In der Tat, wenn
wir die Denkmalgruppe zurückverſetzt denken aus dem Tageslicht der
Gegenwart in den Dämmerſchein des kleinen Hauſes, das einſtmals
an der Stelle des ſtolzen Nationaltheaters ſtand, dann ändert ſich
die Stellung der beiden Geſtalten, und Schiller iſt es, der aus Goethes
Händen den dramatiſchen Lorbeer entgegennimmt. Goethe ſelbſt hat
in den Annalen von 1805 die gemeinſame Arbeit für das deutſche
Theater auf eine Formel gebracht, die dieſem Bilde entſpricht: „er
dichtend und beſtimmend, ich belehrend, übend und ausführend“.
Der Briefwechſel aber erklärt, wie dieſe Rollenverteilung ohne Selbſt⸗
entäußerung zuſtande kam und wie die Zweiheit im Einklang geradezu
organiſch wurde, als eine Art Kreuzung, indem jeder auf dem Gebiete,
das ihm zufiel, die Meiſterſchaſt des andern anerkennen mußte. Goethe,
der Theaterfachmann, bewunderte Schillers Theaterfinn, während
Schiller, der Dichter, ſich Goethes Überlegenheit im rein Poetiſchen
unterwarf. So ſieht Schiller die Urſache für Goethes Scheu vor dem
Unternehmen einer wahren Tragödie in der Abneigung gegen ihre
nichtpoetiſchen Erforderniſſe, in dem Widerwillen gegen die Berech⸗
nung auf Zuſchauer, Zweck und äußeren Eindruck. Und wenn er nun
dem Freunde entgegenhält, er ſei gerade deswegen weniger zum Tra⸗
gödiendichter geeignet, weil er ſo ganz zum Dichter in ſeiner gene⸗
2 4% 8 nz
5 .
8 Be Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 181
=
x riſchen Bedeutung erſchaffen ſei, ſo nimmt er im Dezember 1797
einen Gedanken wieder auf, dem er ſchon im 22. Briefe über äſthe⸗
tiſche Erziehung Ausdruck gegeben hatte: als Kunſt des Affektes ſei
die Tragödie keine ganz freie Kunſt, denn ſie ſtehe unter der Dienft-
barkeit eines beſonderen Zweckes, des Pathetiſchen. Um ſo eindring—
licher zwingt er Goethe immer wieder auf die Dichtung hin, die jen-
ſeits aller theatraliſchen Zweckbeſtimmung einer pathetiſchen Tra⸗
gödie liegt, auf den Fauſt'. Hier iſt Schiller der unermüdliche An⸗
treiber, deſſen Drängen ſich Goethe kaum erwehren kann. Die Rollen
ſind getauſcht. Man könnte ſagen, daß Schillers Stellung zur Fauſt⸗
dichtung der des Theaterdirektors im Vorſpiel entſpräche, wenn ſeine
Forderungen nicht ideeller geweſen wären und wenn es nicht ſchließ⸗
lich Goethe ſelbſt wäre, der in dem Widerſpiel zwiſchen Theaterdiref-
tor und Dichter ſich ſpaltet und ſpiegelt. Er konnte dieſe Zerlegung
ſeines Weſens vornehmen, ähnlich wie im Taſſo', weil der Beruf des
Theaterleiters ſich mit ſeinem eigenen dichteriſchen Schaffen ſo gut
wie gar nicht berührte.
Für fein eigenes Schaffen hat Goethe das Theater niemals ge=
braucht, und die Hoffnung, durch feine Direktion jedes Jahr zur Ab-
faſſung von ein paar ſpielbaren Stücken gebracht zu werden, hat ſich
trotz Großcophtha' und Bürgergeneral' nicht erfüllt. Für Schillers
dramatiſche Welt dagegen war das Theater die Lebensluft, und keines
ſeiner Bühnenwerke konnte ohne befruchtende Bühnenanſchauung er⸗
wachſen. So wurde der Zug zur Bühne für ihn der Leitſtern, der
ſein Leben lenkte, der ihn zweimal nach Mannheim wies, der zweimal
nach Norden lockte (nach Hamburg und Berlin), und der ſchließlich
über Weimar, dem Bethlehem in Juda, leuchtend ſtehen blieb. Da⸗
zwiſchen aber liegt eine Periode völliger Verdunklung, eine gänzliche
Abkehr von Bühne und Drama; das iſt die große Antitheſe, die den
dialektiſchen Aufbau des Schillerſchen Lebensganges charakteriſiert.
In ganz knappen Zügen ſei dieſe Gegenſätzlichkeit, zu der der Wei⸗
marer Schiller die Syntheſe ſucht, gekennzeichnet, wobei wir die jedes⸗
malige Stellung zu Goethe nicht aus dem Auge laſſen wollen. Der
Dichter der "Räuber? Hatte in Mannheim durch den brauſenden Er-
folg ſeines eigenen Stückes eine Wirkungsgewalt der Schaubühne
KLennengelernt, wie fie Goethe nie erfahren hat. Durch dieſes Erlebnis
wurde Schiller feſtgehalten bei dem Aufklärungsoptimismus eines
Sulzer, den der junge Goethe ſchon in Frankfurt über Bord geworfen
hatte. Wenn es gelang, eine aus oberflächlichem Intereſſe zuſammen⸗
geſtrömte Zuſchauermenge in wenigen Stunden ſo im Innerſten auf⸗
zuwühlen, zu erſchüttern und unter die Herrſchaft eines Willens zu
zwingen, welches Machtmittel bedeutete dann das Theater in guten
Händen, um durch ſtetige planmäßige Einwirkung die Bildung eines
ganzen Volkes zu beeinfluſſen! So wurde die Frage aufgeſtellt: Was
kann eine gute ſtehende Schaubühne eigentlich wirken?, und Schil⸗
182 Schiller und das Weimarer Theater
lers Mannheimer Rede von 1784 wurde nicht nur eine Verteidigung
der moraliſchen Anſtalt gegen alle Theaterfeinde, ſondern zugleich
ein Programm, das alte Ideen wiederaufnimmt, um deren Verwirk⸗
lichung ſich ſchon ein halbes Jahrhundert gemüht hatte. Leſſing hatte
der Idee des Nationaltheaters, das in Überwindung des Gegenſatzes
zwiſchen verrohtem Volkstheater und einem in Sprache und Geſchmack
verfremdeten Hoftheater über alle Klaſſen- und Bildungsunterſchiede
hinweg zum Ganzen der Nation ſprechen ſollte, ſeine Kraft gewidmet,
bis er reſigniert die Feder aus der Hand legte und den gutherzigen
Einfall belächelte, den Deutſchen ein Nationaltheater zu ſchaffen, da
ſie doch keine Nation ſeien. Der junge Schiller aber, der eine Mann⸗
heimiſche Dramaturgie der Hamburgiſchen an die Seite zu ſtellen
plant, wagt es, mit prophetiſchem Optimismus dieſen Satz umzu⸗
kehren: „Wenn wir es erlebten, eine Nationalbühne zu haben, dann
würden wir eine Nation.“ Dieſe große Zukunftsaufgabe einer Ge⸗
meinſchaftsbildung durch die Bühne war ſchon einmal im Laufe der
Menſchheitsentwicklung erfüllt worden. „Was kettete Griechenland
ſo feſt aneinander? Was zog das Volk ſo unwiderſtehlich nach ſeiner
Bühne? — Nichts anders als der vaterländiſche Inhalt der Stücke, der
griechiſche Geiſt, das große überwältigende Intereſſe des Staats, der
beſſeren Menſchheit, das in demſelbigen atmete.“ Es war nicht das
erſtemal, daß die Bodenſtändigkeit und nationale Beſtimmtheit der
griechiſchen Kunſt als Vorbild angerufen wurde, und von dem erſten
unbeholfenen Verſuch, im Wettbewerb mit der griechiſchen Tragödie
ein deutſches Nationaldrama zu ſchaffen, zieht ſich zum jungen Schiller
eine Kette, deren Mittelglied Goethe iſt. Als Leipziger Student hatte
Goethe der Aufführung des Herrmann' von Johann Elias Schlegel
beigewohnt und trotz der trockenen Darſtellung einer allzu entlegenen
Zeit doch einen Eindruck von der Wirkungsmöglichkeit nationaler
Stoffe mitgenommen, der bei ſeinem erſten großen dramatiſchen Wurf
nachwirkte. Die eiſerne Hand des Götz von Berlichingen aber wies
dem Räuberdichter den Weg noch über ſein Erſtlingsdrama hinaus.
Nach dem Mannheimer Erfolg ſcheint ihn der Gedanke, ein National⸗
theater gemeinſam mit Goethe ins Leben zu rufen, bewegt zu haben,
denn indem er den Intendanten für ſich ſelbſt um ein intereſſantes teut⸗
ſches Thema zu einem Nationalſchauſpiel bittet, ſpricht er gleichzeitig
die Abſicht aus, Goethes Götz von Berlichingen' für die Bühne zu be⸗
arbeiten, wozu ihm Dalberg die Genehmigung des Verfaſſers erwirken
ſoll. Solche Erlaubnis war damals nicht nötig, denn gegen drama⸗
turgiſche Experimente ſchützte kein Urheberrecht. Gewiß hatte Schil⸗
ler auch weniger Furcht, den Verfaſſer durch unerlaubte Benutzung
ſeines Werkes zu beleidigen, als Hoffnung, ſeine Aufmerkſamkeit
auf ſich zu ziehen und ihn für die Sache zu gewinnen, die ihm am
Herzen lag. Es iſt ſchwer zu ſagen, wie ſich Goethe verhalten hätte,
wenn Dalberg dem Wunſche willfahren wäre. Schwerlich hätte er
Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 183
mit Freude ſein Stück dem gefährlichen Meſſer des Stuttgarter Regi⸗
mentsmedikus ausgeliefert. Aber vielleicht wäre ihm der junge Idea⸗
liſt doch intereſſant geworden als ein verwildertes Ebenbild ſeines
eigenen Romanhelden, der eben dieſelbe Idee des Nationaltheaters
als ſeine theatraliſche Sendung betrachtete. In den erſten Büchern
des Romans, an dem Goethe gerade damals arbeitete, erſcheint frei=
lich die Idee immer im Streiflicht einer gewiſſen Ironie, bald als
Gerede ſchlechter Komödianten, bald unter den jugendlichen Frag⸗
menten einer überwundenen Entwicklungsperiode, bald als flüchtiger
Einfall bei Betrachtung des Jahrmarkttheaters, und wenn Wilhelm
Meiſter, „der alte Hoffer“, der ſich durch keine Enttäuſchung ernüch-
tern läßt, ſchließlich zu einem Ziele gelangen ſollte, ſo konnte das
nur die Eroberung Shakeſpeares für die deutſche Bühne ſein, alſo
eine individuelle dramaturgiſche Leiſtung ohne die Tragweite einer
großen national⸗pädagogiſchen Miſſion.
Einige Jahre danach iſt auch Schiller von dieſen Ideen abgekom⸗
men. Aber nicht mit Skeptizismus und Ironie ſteht er ihnen jetzt
gegenüber, ſondern in ausgeſprochener Gegnerſchaft. In den Abhand⸗
lungen und Briefen der Jahre 1789 bis 1791 iſt geradezu allen
Tendenzen der Mannheimer Zeit widerſprochen. Es iſt hier keine
Gelegenheit, auf die innerſten Urſachen dieſes großes Umſchwunges
einzugehen, der negativ als ein Rückſchlag gegen den Mannheimer
Naturalismus beginnt und poſitiv mit der Aneignung der Kantſchen
Philoſophie endet. Die Nation iſt jetzt nur ein Fragment der Menſch⸗
heit, deren Ganzes das in ſich vollendete Kunſtwerk zu ſpiegeln hat.
Für eine Nation zu ſchreiben erſcheint jetzt als ein armſeliges Ideal,
deſſen Begrenzung dem philoſophiſchen Geiſte unerträglich iſt. Sogar
die Möglichkeit eines Nationalgeiſtes wird im Hinblick auf die Bil⸗
dungsunterſchiede der Neuzeit beſtritten. Dazu verbietet die Selbſt⸗
beſtimmung der Kunſt jede moraliſche Zweckbeſtimmung, durch die
man den Künſten die Gunſt des Staates und die Ehrfurcht aller Men⸗
ſchen erwerben wollte. Jede ſtoffliche Wirkung wird von dem Kan⸗
tianer verworfen, denn aller äſthetiſche Eindruck kann nur von der
reinen tragiſchen Form ausgehen. Schließlich wird mit einer Ver⸗
beugung vor den Franzoſen auch der alte Kampf gegen die froſtigen
Behorcher ihrer Leidenſchaft aufgegeben. Ein neuer Gegenſtand des
Studiums ſind die Griechen, und ehe er ihrer Tragödie mächtig ſei,
will ſich Schiller auf keine dramatiſche Ausarbeitung mehr einlaſſen.
Auf das Studium der Griechen aber hat eine neuere Dichtung hin⸗
geführt, die als reines, in ſich vollendetes Kunſtwerk dem Theater
ganz fern zu ſtehen ſcheint, nämlich Goethes Iphigenie'.
Die letzte Auswirkung dieſer Gegen bewegung iſt die Verleugnung
der eigenen Jugenddramen und das Gefühl der eigenen Unſicherheit
gegenüber dem Werk, in dem ein neuer Stil ſich angebahnt hat.
Nachdem Don Carlos' im September 1790 von Goethes Weimarer
TE
Be}
184 Schiller und das Weimarer Theater
Schauſpielern in Erfurt geſpielt worden iſt, ſoll er auch in Weimar
wiederholt werden, Die Räuber ſowohl als Fiesko' ſollen in Um ⸗
arbeitungen, die man von ihrem Dichter erwartet, folgen. Schiller
aber läßt durch Wielands Vermittlung Goethe um vier bis ſechs
Wochen Friſt für eine Anderung des Don Carlos' bitten, und er
bleibt das Manujfript noch viel länger ſchuldig; die Bearbeitung
der Jugenddramen aber hat er der Weimarer Bühne überhaupt nicht
geliefert. Hatte er früher eine Begegnung auf dem Theater geſucht,
ſo weicht er jetzt der Gelegenheit aus, in unverkennbarer Scheu, mit
Werken, die ihm ſelbſt nicht mehr genügen, vor Goethe hinzutreten.
Nicht auf dem Weimarer Theater hat ſich der Freundſchafts bund
geſchloſſen, ſondern in Jena, wo Schiller ſich in ſeinem Ideenkreis
heimiſch und ſicher fühlte, und wo Goethe Zuflucht ſuchte, wenn er
der Weimarer Masken⸗ und Theaterwelt überdrüſſig war. Die über⸗
raſchende Übereinſtimmung bei gegenſätzlichem Ausgangspunkt, die
ſich in allen Geſprächen herausſtellte, erſtreckt ſich auch auf die Fra⸗
gen des Theaters. Wenn Schillers neue Kunſtlehre die Perſönlichkeit
des Schauſpielers nur als Stoff betrachtet, der ſich in der Form der
Darſtellung zu verlieren hat, ſo hat er theoretiſch den Erfahrungs⸗
grundſatz vorausgenommen, nach dem Goethe bei der Erziehung
ſeiner Schauſpieler zur Vielſeitigkeit handelt und den bald ſein Wil⸗
helm Meiſter durch Jarno hören wird: „Wer ſich nur ſelbſt ſpielen
kann, iſt kein Schauſpieler.“ Aber bei der vollſtändigen Unterdrük⸗
kung der Individualität bleibt es nicht. Außer der Wahrheit der
Darſtellung, die das Werk der Kunſt iſt, muß auch die natürliche
Anmut als freiwilliges Geſchenk der Natur zur Geltung kommen.
So ſchlägt die Abhandlung Über Anmut und Würde' den Weg der
Syntheſe ein, den die Briefe über äſthetiſche Erziehung weitergehen.
Indem ſie den Gegenſatz zwiſchen Stofftrieb und Formtrieb im Spiel⸗
trieb verſöhnen, kehren ſie zurück zu jenem mittleren Zuſtand zwiſchen
tieriſchem und geiſtigem Trieb, der in der Mannheimer Rede das
Erzeugnis des äſthetiſchen Sinnes war. An allen Enden knüpfen ſich
jetzt in zunehmender Lebensannäherung die abgeriſſenen Fäden wieder
an. Das Programm der äſthetiſchen Erziehung rettet ſogar, unter
Preisgabe aller moraliſchen Zweckbeſtimmung, wenigſtens eine mittel⸗
bare Wirkung der Kunſt auf das öffentliche Leben, auf Staat und
Politik. Damit wird einer neuen Zuwendung zum Theater der Weg
bereitet. Und jetzt erfüllt ſich in ſeltſamer Fügung der Jugendwunſch.
Die erſte neue Theateraufgabe, die Schiller zufällt, iſt die Bearbei⸗
tung eines Goetheſchen Werkes, das zwiſchen der freien Formloſigkeit
des Götz von Berlichingen’ und der Gebundenheit der Iphigenie
in der Mitte liegt. Für das Ifflandſche Gaſtſpiel des Jahres 1796
hat Schiller den Egmont einzurichten, und in ſeiner Bearbeitung
greift er ſo rückſichtslos durch, daß er wagen kann, zu ſagen: „Es
iſt gewiſſermaßen Goethens und mein gemeinſames Werk.“
Sa
Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 185
Das iſt das Bekenntnis einer Arbeitsgemeinſchaft, in der einer für
den Anteil des anderen eintritt. Wie die Xenien' des Muſenalma⸗
nachs als untrennbare Einheit erſchienen, jo ſollte auch das Theater
die Chorizonten herausfordern. Und wie Goethe ſich gewiſſermaßen als
Mitherausgeber der Horen' betrachtete, ſo ſpricht er ſpäter in der
Rückerinnerung von jener Zeit, da Schiller und er dem Weimarer
Theater vorgeſtanden hätten, als ſei es eine gemeinſame Unterneh⸗
mung geweſen.
Welchen Anteil gewann nun Schiller tatſächlich an Goethes Thea-
terleitung? Die Schwägerin Caroline von Wolzogen berichtet, ihn
habe oft der Gedanke an die Leitung und Einrichtung eines größeren
Theaters, mit dem er ganz nach ſeinem Plane auf die Bildung und
Geſtaltung aller Lebensformen einwirken könnte, beſchäftigt. Aber
über ſolche Freiheit verfügte nicht einmal Goethe ſelbſt, geſchweige denn,
daß Schiller ein ſelbſtändiger Einfluß dieſer Art in Weimar hätte zu⸗
teil werden können. Zwar wäre es denkbar, daß Goethe, als er 1794
Schiller zum Beſuch des Theaters und zum Studium der Schau—
ſpieler einlud, es nicht allein auf die Malteſer' abgeſehen hatte,
die er als Feſtvorſtellung für den Geburtstag der Herzogin erhoffte,
ſondern, daß er, des Theaters längſt überdrüſſig, noch von einem
anderen Hintergedanken geleitet war. Im folgenden Jahre macht er
dem Herzog den Vorſchlag, Schiller als Stellvertreter oder ſogar als
Nachfolger in die Leitung des Theaters zu übernehmen. Aber der
Herzog, deſſen franzöſiſcher Geſchmack Schiller die Räuber' nie ganz
verziehen hat — er hatte gegen ſeinen theatraliſchen Takt ein un⸗
begrenztes Mißtrauen —, ſchnitt jede weitere Erörterung dieſes Ge—
dankens ab. So iſt Schiller auch ſpäter ein amtliches Verhältnis zum
Weimarer Theater — etwa als Mitglied der Theaterkommiſſion —
verſagt geweſen.
Um ſo wichtiger war die ideelle Förderung, die ſich Goethe von
einer ganz freien, zwangloſen Einwirkung Schillers zur Ergänzung
ſeiner eigenen formalen Theaterleitung verſprach. „Zwiſchen dem,
der zu befehlen hat“, ſo ſchreibt er am 9. Dezember 1797 an Schiller,
„und dem, der einem ſolchen Inſtitute eine äſthetiſche Leitung geben
ſoll, iſt ein gar zu großer Unterſchied. Dieſer ſoll aufs Gemüt wirken
und muß alſo auch Gemüt zeigen, jener muß ſich verſchließen, um
die politiſche und öbkonomiſche Form zuſammenzuhalten. Ob es ınög-
lich iſt, freie Wechſelwirkung und mechaniſche Kauſalität zu verbinden,
a ich nicht, mir wenigſtens hat das Kunſtſtück noch nicht gelingen
wollen.“ f
Damit war Schillers Aufgabe umriſſen: Freie Wechſelwirkung
von Gemüt zu Gemüt, geiſtige Anregung der Schauſpieler und Ein⸗
gehen auf ihre Individualität, äſthetiſche Leitung ohne Befehlsgewalt
und beſtimmender Einfluß auf die künſtleriſche Richtung des ganzen
Unternehmens. Schiller kommt dem nach, indem er ein Vertrauens⸗
186 Schiller und das Weimarer Theater
verhältnis zu den Schauſpielern in geſelligem Verkehr zu erwerben
ſucht; er lädt ſie nach Proben und Aufführungen zu ſich ins Haus,
er ſpricht mit ihnen die Rollen durch, er ermuntert ſie, ihr Beſtes
daranzuſetzen, und er legt ihnen ſogar Stücke ans Herz, die ihm
ſelbſt nicht zuſagten, wie Schlegels Alarcos'. In den Leſeproben,
die er nicht nur für ſeine eigenen Stücke abhielt, hat er beſtimmen⸗
den Einfluß auf Vortrag und Auffaſſung der Rollen gewonnen, auf
den Bühnenproben hielt er ſich dagegen zurück und ergänzte nur ge⸗
legentlich einen bereits auf der Leſeprobe gegebenen Wink. Caroline
von Wolzogens Charakteriſtik der Arbeitsteilung dürfte das Richtige
treffen: Schiller wirkte mehr auf das Fühlen und innige Verſtehen
der Rollen, Goethe auf die Erſcheinung im Leben. Mag auch Schiller
nach ſeinem Temperament einer ausdrucksvolleren Beweglichkeit und
ſtärkeren Akzenten zugeneigt geweſen ſein als Goethes auf plaſtiſche
Bildwirkung gerichteter Sinn, ſo verurteilte er doch gleich entſchieden
die beliebte Natürlichkeit und den falſch verſtandenen Konverſations⸗
ton des bürgerlichen Theaters und teilte Goethes Entſetzen über die
Nachricht, daß auf einer anderen deutſchen Bühne die Schauſpieler
geradeſo ſpielten, als ob gar keine Zuſchauer gegenwärtig wären. Es
lag ihm fern, an den Grundlagen des Weimarer Stiles, der noch in
der Ausbildung begriffen war, zu rütteln. Er betrachtete ſich als aus⸗
führendes Organ, und der einzige Ausſpruch auf einer Probe, der
uns wörtlich (ſogar auf ſchwäbiſch) überliefert iſt, lautete: „Ei was!
Mache Sie's, wie ich's Ihne ſag' und wie's der Goethe habbe will.“
Damals, bei der Einſtudierung des Tancred', hat Schillers milde
Freundlichkeit und Geduld, die ſich gegenüber Goethes Strenge manch⸗
mal ins Mittel gelegt hatte, verſagt. Er ſah ein, daß er ohne die
Machtbefugnis des kurzen Imperativs nicht durchdringen könne, und
zog ſich verärgert vom Theater zurück. Selbſt das Einſtudieren eigener
Werke war ihm jetzt wegen der ſchrecklichen Empirie des Einlernens,
des Behelfens und des Zeitverluſtes der Proben zuwider. Nach einiger
Zeit des Grolles war er freilich wieder für die Einſtudierung der
Iphigenie' zu haben, und ſpäter hat er einmal in Lauchſtädt Goethe
vertreten, aber jene ſtändige Teilnahme an der künſtleriſchen Leitung
und ihrem Mechanismus, die Goethe erwartet hatte, erwies ſich als
undurchführbar.
Um ſo freier und ungezwungener bewegte ſich Schiller auf dem
zweiten Arbeitsfelde, das ihm zufiel, dem des Dramaturgen. Goethe
ließ ihm ſorglos freie Hand, auch in der Bearbeitung eigener Stücke,
und mußte mit Staunen zuſehen, wie ſein Egmont unter Schillers
Händen zum rechten Theaterſtück wurde, wie das Zarte preisgegeben,
aber das Wirkungsvolle um ſo energiſcher herausgearbeitet wurde
durch Streichung, Zuſammenlegung, Verſchiebung, durch Ausein-
anderbrechen der lockeren Form und Wiederzuſammenſchmieden in
ſtraffem Aufbau und planmäßiger Steigerung. Vor dieſer Folgerich⸗
„
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Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 187
tigkeit theatraliſcher Geſtaltungskraft verſtummte ſein Widerſpruch.
„Das hat unſer großer Freund beſſer verſtanden als wir“, hat er
ſpäter Tadlern der Egmontbearbeitung entgegengehalten, während er
allerdings in anderen Geſprächen dieſe ihm weſensfremde Gewaltſam—
keit als einen Sinn für das Grauſame anſah, der Schillern noch von
den Räubern her angehaftet habe. In der Tat, die ganze Achtung,
die Schiller in ſeiner äſthetiſchen Periode für die Freiheit der Erſchei—
nung und die innere Form des in ſich vollendeten Kunſtwerkes be—
kannt hat, ſcheint jetzt verloren zu ſein, wenn er ſogar an das Seelen—
drama Iphigenie als Theaterpraktiker herantritt und ſtärkere ſinn⸗
liche Eindrücke, Motive ad extra, wie die Erſcheinung der Furien,
ohne die Oreſt nicht denkbar ſei, verlangt. Schillers Theaterbearbei—
tung der Iphigenie' iſt verlorengegangen, wir wiſſen nicht, welcher
Ausgleich zwiſchen ſolchen Vorſchlägen und der Unantaſtbarkeit der
Dichtung gefunden wurde. Goethe ſelbſt hat erſt im Alter, als er den
Briefwechſel mit Schiller herausgab, in Freundesbeifall Rückhalt
gegenüber der Gewaltſamkeit der Schillerſchen Zumutungen gewon-
nen, aber zu Schillers Lebzeiten konnte er ſich dem Einfluß dieſes
ſtarken theatraliſchen Willens nicht entziehen. Als Theaterdirektor
mußte er ihm recht geben. Er iſt ſogar ſelbſt bei Schiller in die
Schule gegangen, als er 1803 ſeinen Götz von Berlichingen’ mit
Schillers Beihilfe und in ſeiner Art, aber nicht ganz mit ſeinem
Geſchick und ohne eigene Befriedigung, für die Weimarer Theater⸗
aufführung einrenkte. So ſind Goethes eigene Werke in einer durch
Schiller beſtimmten Theaterform auf die Weimarer Bühne gekom⸗
men, und den eigentlichen Goetheſtil hat das Weimarer Theater erſt
nach Schillers Hingang gefunden. Als im Jahre 1807 die Weimarer
Schauſpieler, Pius Alexander Wolff an der Spitze, ohne Goethes
vorheriges Wiſſen den Taſſo einſtudierten, da erfüllte ſich erſt ſein
Traum von einer Nationalbühne klaſſiſchen Stiles, für die er einſt⸗
mals Iphigenie und Taſſo' geſchrieben hatte. Was da zuſtande
kam, war freilich die harmoniſche Wirkung einer ſehr viel ſtilleren
Theaterkunſt, die auf rein künſtleriſche Sphäre beſchränkt blieb.
Damals ſoll Goethe nach der Aufführung auf die Bühne gekommen
ſein und zu den Schauſpielern geſagt haben: „Nun ſind wir da an⸗
gekommen, wohin ich euch haben wollte. Natur und Kunſt ſind jetzt
auf das engſte miteinander verbunden.“
Aber wodurch waren diefe Schauſpieler zu ſolchen Aufgaben be=
fähigt worden? Schillers Dramatik war die Schule, die die Weimarer
Schauſpielkunſt durchlaufen mußte, um zur Vielgeſtaltigkeit, zur Herr⸗
ſchaft über alle Regiſter, zur Polyphonie und ſchließlich auch zur
vornehmen Schlichtheit zu gelangen.
Schillers Enthuſiasmus und lebenweckender Impuls mußte zu
den großen Aufgaben mitreißen. In der erſten Periode der Goethe⸗
ſchen Theaterleitung waren auf der Weimarer Bühne Iffland und
188 Schiller und das Weimarer Theater
5
3
Schröder mit ihren Familiendramen an der Gertsch, 25 Gag =
ſelbſt wagte kaum auf einen baldigen Wandel zu hoffen. Das waren
Stücke von Schauſpielern, mit ſicherer Bühnenroutine verfaßt, Stücke,
die ſich ſelbſt ſpielten und dem Publikum behagten, das ſich ſelbſt
und ſeine guten Bekannten auf der Bühne freundlich begrüßte.
Das Publikum wollte es nicht anders, und in der lähmenden Über⸗
zeugung, daß das Publikum im Grunde ſich ſelbſt das Theater er⸗
zeuge, das ſeinem Geſchmack entſprechend ſei, hatte Goethe die Theater⸗
leitung übernommen. Ebenſo gering war ſein Zutrauen zu der Lei⸗
ſtungsfähigkeit der Schauſpieler geweſen, die auf dem ebenen Wege
der Natur und Proſa ihre Sache ganz gut machten, aber bei der
gelindeſten Tinktur von Poeſie verſagten.
Für Schiller gab es keine matte Reſignation. Zwar iſt ſein Ver⸗
hältnis zum Publikum wechſelnd, es ſchwankt zwiſchen enthuſiaſti⸗
ſcher Hingabe und Kriegserklärung, aber der Krieg gegen das Publi⸗
kum, den er einmal als das einzige Verhältnis, das nicht reuen könne,
bezeichnet, wird zum Eroberungskrieg, zur Ausbreitung zwingender
Wirkungsgewalt und ſieghafter Durchdringung. „Nicht das Publi⸗
kum zieht die Kunſt herab. Zu allen Zeiten, wo die Kunſt verfiel,
iſt ſie durch den Künſtler gefallen.“ Dieſer Satz, der den optimiſti⸗
ſchen Erziehungsgedanken der Mannheimer Zeit wieder aufnimmt
und zugleich ein abgewandeltes Zitat des Schluſſes der Künſtler
darſtellt, konnte in der Vorrede zur Braut von Meſſina aus⸗
geſprochen werden, nachdem der Sieg errungen war.
Wallenſteins Lager' war der erſte Verſuch geweſen, die Rhyth⸗
mophobie, die Reim- und Taktſcheu, an der die deutſche Schauſpiel⸗
kunſt krankte, zu überwinden. Und es ging; die Schauſpieler dekla⸗
mierten die gereimten Verſe, als ob ſie ihr Lebtag nichts anderes
getan hätten. Nun konnte auch von anderen Bühnen die gleiche Lei⸗
ſtung verlangt werden. Für Schiller ſelbſt war es eine Erlöſung,
denn nach den traurigen Erfahrungen, die er mit ſeinem Don Car⸗
[08° gemacht hatte, war er darauf gefaßt geweſen, die eigentliche
Wallenſtein⸗Tragödie in Proſa abfaſſen zu müſſen. Jetzt gab ihm
die Weimarer Bühne Rückhalt zu immer größeren Anforderungen,
und Goethe hieß die wachſenden Aufgaben für die Erziehung ſeiner
Schauſpieler willkommen. Derſelbe Pius Alexander Wolff, der die
Rolle des Taſſo ſchuf, hatte, wie Goethes Regeln für Schauſpieler'
zeigen, ſeine erſte Schulung an den Verſen der Braut von Meſſina'
empfangen.
Es war eine Wechſelwirkung, wie ſie deutſches Drama und Theater
ſeit Jahrhunderten nicht mehr kannten. Schillers Drama, an dem
die Weimarer Schauſpielkunſt ſich entwickelte, gewann erſt auf dem
Weimarer Theater ſeine Bühnenform. Noch war es keineswegs Regel,
den Verfaſſern einen Einfluß auf die Inſzenierung einzuräumen, und
einem Kotzebue beiſpielsweiſe verweigerte Goethe die Teilnahme an
re
Bit
Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 189
——
2 den Proben eigener Stücke. Schiller aber, für den die Anpaſſung an
den Theaterzweck eine nachträgliche Verſtandesſache war, fand hier
ſeine Verſuchsbühne. Er änderte bis zum letzten Augenblick und
ſchrieb den fünften Akt der Maria Stuart', während die erſten vier
bereits auf der Probe waren. Manchmal wurde es Goethe zu viel,
und bei Wallenſteins Lager' mußte er trotz verantwortlichen An—
teils an den letzten Umgeſtaltungen ſchließlich Einhalt gebieten und
um Rückſicht auf die Schauſpieler bitten, die ſich an ihre Rollen
klammerten wie der Ertrinkende ans Brett.
Was als Rückſichtsloſigkeit erſchien, war im Grunde Rückſicht⸗
nahme. In den letzten Stücken, bei geſicherter Herrſchaft über das
theatraliſche Handwerk, tritt das Experimentieren zurück, aber dafür
wachſen die Anſprüche an den theatraliſchen Aufwand, um ſchließlich
die beſchränkten Mittel des Weimarer Theaters faſt zu überſteigen.
Was beinahe wie ein Rückfall in die ungebundene Theaterphantaſie
der Jugenddramatik anmutet, iſt die Anwendung eines neuen Maß⸗
ſtabes, der außerhalb Weimars ſich darbietet.
Ifflands Berliner Bühne tritt mit Weimar in Wettbewerb. Hatte
Goethe damit begonnen, feine Schauſpieler durch ein Gaſtſpiel Zff-
lands zur Vielſeitigkeit und Wandlungsfähigkeit anzuregen, ſo konnte
bald die vernachläſſigte Rhythmik des Berliner Stiles — der nach
Grabbes Wort die Verſe bequemeren Weges halber zu poetiſchen
Chauſſeeſteinen zerſchlug — gegen die Geſchloſſenheit des Weimarer
Vortrages nicht mehr aufkommen. Aber gerade in dem Zeitpunkt,
da hier die Stilreinheit ihrer Vollendung zuſtrebt, ſucht man dort
ſein Übergewicht durch das Aufgebot großer Mittel zur Geltung zu
bringen, und auch dort iſt es Schillers Drama, an dem die neue
Richtung ſich entwickelt. Iffland, der einſtmals als bürgerlicher Dra⸗
matiker mit dem Mannheimer Schiller rivaliſiert hatte, ſieht mit
Wallenſtein' und Maria Stuart” für das Drama großen Stils
die Bahn eröffnet. „Von Erſcheinung dieſer Koloſſen“, ſo ſchreibt er
1802 an Schiller, „war ich bemüht, das große Trauerſpiel in ge-
reimter Sprache wiedereinzuführen. Publikum und Künſtler bedurften
Erhebung.“ So hat Weimar geſiegt, auch in Berlin.
Nicht nur der Vortragsſtil, auch der Spielplan der Weimarer Bühne
ſollte für die andern Theater Deutſchlands ein Muſter werden. Die
Erziehung des Publikums zur Vielſeitigkeit und Empfänglichkeit war,
nachdem der Bann gebrochen war, der vornehmſte Gedanke in Goethes
Theaterpädagogik. Aber im lebendigen Wechſel ſollte auch die Dauer
walten, und ein Grundkern ſollte als feſter Beſtand eines bleibenden
Repertoriums der Nachwelt überliefert werden. Unter dem Titel Ein
Vorſatz Schillers und was daraus folget', erwähnt Goethe 1815
den Plan eines deutſchen Theaters, einer gedruckten Sammlung, die
ältere Stücke in bühnengerechter Form lebendig erhalten ſollte. Der
Gedanke an eine Bearbeitung von Klopſtocks Hermannsſchlacht',
*
*
190 Schiller und das Weimarer Theater
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vor dem er freilich bald zurückſchreckte, zeigt, wie eng dieſer Plan mit
dem alten Gedanken des Nationaltheaters zuſammenhing, und die
Bearbeitung von Leſſings Nathan? beweiſt, daß auch den Aufklä⸗
rungstendenzen der Mannheimer Zeit Treue gewahrt blieb. Auch die
Meiſterwerke des Auslandes wurden nicht vergeſſen: Racine, Cor⸗
neille, Voltaire, Crébillon in neuen Bearbeitungen auf die deutſche
Bühne zu bringen, war ſchon in Mannheim Schillers Plan geweſen.
Jetzt aber dachte er an nichts Geringeres, als durch die Folge ſämt⸗
licher Shakeſpeareſcher Königsdramen eine Epoche für das deutſche
Theater einzuleiten. Alle dieſe Werke ſollten, wie es für den Macbeth
und die Phädra' geſchehen iſt, in die deutſche Form des fünffüßigen
Jambus gegoſſen werden, denn es kam nach Goethes Wort darauf
an, daß ſich die Tragödie durch rhythmiſche Form von dem Luſtſpiel
und Drama loslöſte.
Es war eine ähnliche Situation wie damals, als Gottſched den
Naturalismus der Wandertruppen durch den Alexandriner aus dem
Felde ſchlug. Aber Schiller, im Gegenſatz zum Geſchmack des Wei⸗
marer Hofes, verwahrt ſich dagegen, daß jetzt noch immer die fran⸗
zöſiſche Muſe die Führung haben ſolle. Als Goethe ſich von dem
Herzog den Titel eines „Doctor Meccanus“ verdiente, indem er Vol⸗
taires Mahomet' in die Muſik ſeiner Sprache ſetzte, wurde Schiller
die Aufgabe zugedacht, in einem Prolog das Unternehmen zu ver⸗
teidigen, deſſen ſtilbildenden Wert Wilhelm v. Humboldts Bericht
über das Pariſer Theater beleuchtet hatte. Das Publikum ſollte mit
geladener Flinte erwartet werden, aber der Lauf des Gewehrs richtete
ſich im Verſteck mehr gegen den Befehlshaber als auf die Gegner⸗
ſchaft. Es ging Schiller nicht viel anders als ſeinerzeit in Mann⸗
heim, da er eine beſtellte Theaterrede mehr Pasquill als Lobrede
werden ließ, ſo daß ſie für den beſtimmten Zweck nicht zu gebrauchen
war. Auch dieſes Gedicht An Goethe. Als er Voltaires Mahomet auf
die Bühne brachte' iſt keine Lobrede geworden. Wohl wird die Be⸗
deutung des Wohllauts und der ſchönen Bewegung für die Schau⸗
ſpielkunſt, aus der „der Natur nachläſſig rauhe Töne“ verbannt werden
müſſen, anerkannt. Aber im ganzen gilt die Rechtfertigung faſt mehr
der zurückliegenden Gottſchedſchen Zeit als der Gegenwart. Damals
konnte es heißen: „Nur bei dem Franken war noch Kunſt zu finden“;
damals mußte der fremde Geiſt als Führer zum Beſſern herbeige⸗
rufen werden, um die entweihte Szene zu reinigen. Seitdem iſt es
anders geworden. Daß er einmal in ſeiner Stuttgarter Zeit den Dich⸗
ter des Götz' geprieſen hat, weil er die Schleichhändler des Geſchmacks
über den Rhein zurückgejagt habe, das hat Schiller nicht vergeſſen,
und er hält die Erinnerung wach an den jungen Helden, der in der
Wiege ſchon die den Genius umſchnürende Schlange erſtickte. Jetzt iſt
der Genius gewachſen; die einheimiſche Kunſt iſt ſtark genug, um
den Schauplatz für ſich zu beanſpruchen.
Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 191
Selbſt in der Künſte Heiligtum zu ſteigen,
Hat ſich der deutſche Genius erkühnt,
Und auf der Spur des Griechen und des Briten
Iſt er dem beſſern Ruhme nachgeſchritten.
Hier iſt nun Schillers eigenes Programm ausgeſprochen: der Spur
des Griechen und des Briten nachzufolgen, Shakeſpeare und die
Antike zur Einheit zu binden und jene Syntheſe des Edlen mit dem
Barbariſchen zu ſchaffen, der im ſelben Jahre 1800 die erſten Pro—
ben des Goetheſchen Helena-Aktes ein großes Symbol wieſen.
Sophokles und Shakeſpeare — nach Herders Wort waren ſie zwar im
Innern Brüder, in ihrem Außeren aber ſtellten ſie den denkbar größten
Gegenſatz theatraliſcher Formgebung dar: dort Beſchränkung, hier
Fülle, dort Einheit, hier Vielheit, dort rückſchauende Enthüllung, hier
vorwärtstreibende Handlung. Schillers dramatiſches Schaffen ſeit dem
Wallenſtein ſtellt ſich dar als einePendelbewegung zwiſchen dieſen bei=
den Extremen mit einem ſich ſteigernden Ausſchlag nach beiden Seiten,
denn zwiſchen Braut von Meſſina' und Tell' iſt der Gegenſatz ein
größerer als zwiſchen Maria Stuart' und Jungfrau von Orleans'.
Wenn Schiller einmal wirklich der Syntheſe nahegekommen war,
dann war es im Wallenſtein geweſen. Seitdem miſchen ſich die
Elemente in jedem Werke in anderer Weiſe (in Maria Stuart
die analytijche Technik mit einem Überſchuß hiſtoriſcher Stoffbe⸗
laſtung, in der Jungfrau von Orleans' die Shakeſpeariſche Füh-
rung der Handlung mit homeriſchen Retardationen, in der Braut
von Meſſina' die ſophokleiſche Form mit einer individualiſtiſchen
Behandlung der Maſſe), und erſt im Tell' iſt wieder eine organiſche
Form gefunden; etwas ganz Neues, auch über Shakeſpeare Hinaus⸗
gehendes in der Behandlung der Volksgemeinſchaft als Held, von
der ſich der Titelträger nur vorübergehend loslöſt, um zum Schluß
wieder in ihr aufzugehen.
Zwiſchen dem Tell' und dem Demetrius' aber bleibt der Rückſchlag
nach der Seite des andern Extremes aus, und damit ſcheint die Wag⸗
ſchale endgültig nach der Seite der freieren beweglicheren Form ſich
zu ſenken. Denn auf der andern Seite war die Form des Chordramas
kaum zu überbieten.
Nach allen Grundſätzen ſeiner äſthetiſchen Periode hätte ſich Schiller
umgekehrt entſcheiden müſſen, denn die antikiſierende Technik gab
die Möglichkeit, ohne jedes ſtoffliche Intereſſe allein durch die tra⸗
giſche Form zu wirken und die Charaktere ohne jede innere Anteil—
nahme und Neigung nur mit der reinen Objektivität des Künſtlers
zu behandeln. Das ſind Vorſätze, mit denen er zunächſt wohl an jeden
Stoff herangetreten iſt, die er aber ſelbſt in der ſtrengen Form nicht
ganz wahren konnte, weil er ſchließlich doch zur gefühlswarmen An⸗
teilnahme an beſtimmten Charakteren oder Situationen mitgeriſſen
wurde. Bei der freieren Form mußte er ſie endlich ganz aufgeben.
a
192 Schiller und das Weimarer Theater ee BTL
Gerade die äſthetiſche Theorie erklärt feine Entſcheidung. Den
beiden Richtungen ſeiner Kunſt entſprechen die beiden Wirkungs⸗
arten der Schönheit, die er in den Briefen über die äſthetiſche Er⸗
ziehung' unterſchieden hat: die ſchmelzende Schönheit, die vom
Zwang der Materie erlöſt, und die energiſche Schönheit, deren
anſpannende Wirkung den verweichlichten Geiſt zur Kraft zurückführt.
Der Idee nach ſollte es nur eine einzige Schönheit ſein — das
wäre das im Unendlichen liegende Ziel der Syntheſe — aber „die Er-
fahrung bietet uns kein Beiſpiel einer ſo vollkommenen Wechſelwir⸗
kung dar, ſondern hier wird jederzeit, mehr oder weniger, das Über⸗
gewicht einen Mangel und der Mangel ein Übergewicht begründen“.
Ich mache mich keiner gewaltſamen Konſtruktion ſchuldig, ſondern
folge mit dieſer Anwendung nur Schillers eigener Spur. In einem
Brief an den Thorner Rektor Süvern, der einen Vergleich zwiſchen
Wallenſtein und der griechiſchen Tragödie gezogen hatte, bezeichnete
er die ſophokleiſche Tragödie als eine Erſcheinung ihrer Zeit, die nicht
wieder kommen könne .. „Die Schönheit iſt für ein glückliches Ge⸗
ſchlecht, aber ein unglückliches muß man erhaben zu rühren ſuchen.
Unſere Tragödie, wenn wir eine ſolche hätten, hat mit der Ohnmacht,
der Schlaffheit, der Charakterloſigkeit des Zeitgeiſtes und einer ge⸗
meinen Denkart zu ringen, ſie muß alſo Kraft und Charakter zeigen,
ſie muß das Gemüt zu erſchüttern, aber nicht aufzulöſen ſuchen.“
Die auflöſende Wirkung der ſchmelzenden Schönheit würde Schiller
wie der ſophokleiſchen Tragödie jo auch feiner damals erſt geplanten
Braut von Meſſina' zugeſchrieben haben, deren lyriſchen Charakter
er ſpäter mehrfach betont. Der Brief aber, geſchrieben zur Zeit, da
die Arbeit an der Jungfrau von Orleans' begann, erklärt die Wahl
dieſes Stoffes und der freien Form. Es ſollte ein Stück werden, das
aus dem Herzen kommend zum Herzen geht, das fortreißen und wir⸗
ken ſoll, das den Zeitgeiſt aufrüttelt und die gemeine Denkart beſiegt
und das ſomit die Aufgaben wieder aufnimmt, die der Mannheimer
Schiller einſtmals der Schaubühne geſtellt hatte. Und wie der Zeit⸗
bürger, der geweckt worden war durch die franzöſiſche Revolution, in
den Briefen über äſthetiſche Erziehung' die ſchmelzende Schönheit
angerufen hatte als Mittel, der Verrohung der Zeit zu begegnen, ſo
läßt ihn jetzt die Verdunklung des politiſchen Horizontes für Deutſch⸗
land die Gefahren einer Erſchlaffung durch rein äſthetiſche Kultur
mit energiſcher Schönheit bekämpfen. Die Jungfrau von Orleans',
Wilhelm Tell', Demetrius' ſind Werke der energiſchen Schönheit.
Wenn Demetrius' von Schiller ſelbſt als Gegenſtück zur Jung⸗
frau von Orleans' bezeichnet wird, ſo liegen die Zuſammenhänge
vor allem in der äußeren theatraliſchen Geſtalt. Der Aufwand des
Krönungszuges, mit deſſen Schaugepränge Ifflands Berliner Auf-
führung die Form des Stückes beinahe geſprengt hatte, ſollte durch
den Einzug des Demetrius in Moskau noch überboten werden. Da
Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 193
waren (wenigſtens in der erſten Skizze) Anforderungen, denen die
kleine Weimarer Bühne nicht mehr entſprechen konnte. Auch beim
Tell' hat das Perſonal kaum zur Beſetzung der Rollen ausgereicht,
und ſchon bei der Weimarer Julius-Cäſar'- Aufführung, durch die
ſein Schifflein gehoben wurde, hatte Schiller den Eindruck gehabt,
daß die Bühne zu eng ſei. So heißt der Gegenſatz der beiden Rich—
tungen ſchließlich nicht mehr Antike oder Shakeſpeare, ſchmelzende
oder energiſche Schönheit, ſondern Weimar oder Berlin, kleines Stil-
theater oder große Volksbühne. Und durch die Hinwendung zur freien
Technik und zum Aufwand der großen perſonenreichen Staatsaktio⸗
nen ſcheint Schiller Weimar zu entwachſen.
Wir wiſſen, wie groß die Verſuchung war, ſich für Berlin zu bin⸗
den und wie weit die Verhandlungen bereits gediehen waren. Aber
ſchließlich atmete Schiller doch befreit auf, als es ihm ermöglicht
wurde, in Weimar zu bleiben. Gewiß gab es hier mancherlei Arger-
niſſe, und das Theater hatte wohl Anteil, wenn er etwa ein Jahr
vor ſeinem Tode ſchrieb: „Ich bin nicht willens, in Weimar zu ſter⸗
ben.“ Dieſes Weimar kam ihm zwar tumultuariſch vor gegenüber
dem ſtillen Jena, aber ſeine Enge und Gebundenheit war ihm doch
bereits zu Bewußtſein gekommen, als Zenſureinwände zur Anderung
der Abendmahlſzene in Maria Stuart' zwangen, als kleinliche
Bedenklichkeit den Plan eines großen theatraliſchen Volksfeſtes zur
Feier des Jahrhundertwechſels vereitelte, als die Erſtaufführung der
Jungfrau von Orleans' wegen lächerlicher Beſetzungsſchwierig⸗
keiten unterbleiben mußte. Er fühlte gewiß auch die Widerſtände,
die bereits Goethes Autorität beim Theater zu untergraben begannen.
Er war ſich über die Geſchmacksrichtung des Herzogs im klaren und
vielleicht auch über die Lauheit, mit der gerade die Beſten der Wei⸗
marer Geſellſchaft, wie wir aus Herders, Wielands, Knebels Brief⸗
wechſel ſehen, ſeine Dramen aufnahmen. Das war die ältere Gene⸗
ration. Anderen Widerhall gab die Jugend. Aber als Jenaer Stu⸗
denten nach der Erſtaufführung der Braut von Meſſina dem Dichter
ein Vivat brachten, wurde der junge Enthufiaft, der das Signal ge⸗
geben hatte, wegen Verletzung des guten Anſtandes vor die Polizei
geladen. Es blieb eben doch ein familiäres Hoftheater, bei dem Adel
und Bürgertum getrennte Sitze hatten und die Anweſenheit Sere-
niſſimi jede ſpontane Kundgebung unterdrückte. Wie anders war es in
Leipzig geweſen bei der Uraufführung der Jungfrau von Orleans',
da das Orcheſter die Hochrufe am Aktſchluß mit Tuſch begleitete und
ſchließlich am Ausgang die Menge ſich drängte, den Dichter zu be-
jubeln. Sowenig es Schiller um ſolche Huldigungen zu tun war, denen
er ſich z. B. in Lauchſtädt entzog, jo notwendig war doch ſeinem Frei⸗
heitsgefühl und Wirkungsdrang der Widerhall der bewegten Maſſe.
Eine gewiſſe Lebens wirklichkeit, die ihm die übrige Menſchenmaſſe
vor Augen bringen müſſe, hatte er von Weimar erhofft, als er Jena
VIII 13
194 Schiller und das Weimarer Theater
verließ. Das bot ihm nun Berlin. Und je mehr er es als ſeine Sen⸗
dung betrachtete, für eine größere Welt zu ſchreiben und auf den
ganzen Geiſt der Zeit zu wirken, um ſo mehr mußte ſein unbe⸗
zwingbarer Weltdrang ihn zu dem Standort treiben, der weittra⸗
gende Wirkung auf die ganze Nation gewährte. Iffland, der auf jedes
neue Schillerſche Stück wartet wie auf die Taube mit dem Glzweig,
ſucht ihn jetzt ganz in die Bahn des Nationaldramatikers zu lenken
und wirbt für Stoffe aus der deutſchen Geſchichte, wie den Großen
Kurfürſten, Guſtav Adolf, Heinrich den Löwen. Aber gerade jetzt,
da er von dem einſtigen Mannheimer Genoſſen zu ſeinem damaligen
Programm zurückgeführt wird, macht ſich auch die folgende Auflehnung
des Selbſtbeſtimmungsrechtes der Kunſt gegen jede Bevormundung,
wieder geltend. „Für einen Zweck, der außer meinen poetiſchen Inter⸗
eſſen liegt,“ ſchreibt er an Iffland, „habe ich mein lebelang nichts
tun können.“ Er fürchtet die Veräußerlichung; er ſcheut davor zu⸗
rück, ſich ganz dem Theater zu verſchreiben, und er wird ſogar be⸗
denklich wegen ſeiner bisherigen Hingabe. Der letzte Brief an Wil⸗
helm von Humboldt zeigt in ergreifender Weiſe, wie Schiller ſich
am Ende ſeines Lebens mit der Frage quälte, ob er nicht, wider Willen
vom Zeitſtrom ergriffen, durch Berührung mit der großen Maſſe ſeine
Reinheit verloren habe. „Anfangs gefällt es, den Herrſcher zu machen
über die Gemüter, aber welchem Herrſcher begegnet es nicht, daß er
auch wieder der Diener ſeiner Diener wird, um ſeine Herrſchaft zu
behaupten; und ſo kann es leicht geſchehen ſein, daß ich, indem ich
die deutſchen Bühnen mit dem Geräuſch meiner Stücke erfüllte, auch
von den deutſchen Bühnen etwas angenommen habe.“
In Berlin drohte die Gefahr, ſich an das Theater zu verlieren.
In Weimar fand das künſtleriſche Gewiſſen Halt und Ankergrund.
Schiller blieb in Weimar anſäſſig, und wenn er bei längerem Leben
vielleicht für ein paar Monate des Jahres nach Berlin gegangen
wäre, ſo wäre er dorthin gekommen als der Sendbote Weimars.
Es wäre eine müßige Frage, welche Entwicklungsmöglichkeit dem
deutſchen Drama verlorenging dadurch, daß es Schiller nicht be⸗
ſchieden war, die ſchwerſte Zeit Preußens mitzuerleben und die ge⸗
waltige Zeit, die ihr folgte. Der tote Schiller hatte an der großen
Erhebung ſoviel Anteil als irgendein lebender Dichter, und die
politiſchen Wirkungen, die ſein Geiſt auf die ganze Zeit des Aufſtiegs
bis zur deutſchen Einigung ausübte, ſind unermeßlich. Die Ver⸗
ſprechungen der Mannheimer Rede hat ſein Drama gehalten. N
Als vor 100 Jahren Schinkels Prachtbau in Berlin eröffnet wurde,
der wohl dazu beſtimmt war, ein Nationaltheater der Deutſchen zu
werden, fehlte Schillers Stimme. Keiner der Epigonen, die auf Schil⸗
lers Spuren einem nationalen Geſchichtsdrama zuſtrebten, beſaß die
dramatiſche Kraft dazu. Keiner der großen Dramatiker des 19. Jahr⸗
hunderts, die auf eigenen Wegen dasſelbe künſtleriſche Ziel im Un⸗
Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 195
endlichen winken ſahen — denn für Kleiſt, bei dem ſich die Geiſter
des Sophokles, Aiſchylos und Shakeſpeare trafen, wie für Grillparzer,
bei dem Calderon hinzutrat, wie für Hebbels novantikes Stilideal iſt
es die gleiche Grundrichtung —, keiner hat den lebendigen Zuſammen⸗
hang mit der Bühne beſeſſen, den Schiller Weimar und ſeinem Freund⸗
ſchaftsbund mit Goethe verdankte. Wehmütig vernahm der einſame
Grillparzer hier von Goethe das Wort, was er und Schiller gewor⸗
den wären, verdankten ſie großenteils der fördernden und ergänzenden
Wechſelwirkung.
Bayreuth war ſeiner Idee nach in gewiſſem Sinne eine Vollen⸗
dung Schillerſcher Theaterbeſtrebungen, wie es zugleich das Sinnbild
der durch den nationalen Einheitswillen erreichten politiſchen Höhe
wurde. Nun find wir nach Weimar zurückgeworfen, und die Wirkung
der Bühne auf den Nationalgeiſt ſoll von hier aus neuen Ausgang
nehmen, wenn die deutſche Jugend wieder alljährlich zu Feſtſpielen
im Namen Schillers zuſammenſtrömt — die Jugend, die unſere Hoff⸗
nung iſt. Stürzte auch in Kriegesflammen
Deutſches Kaiſerreich zuſammen,
Deutſche Größe bleibt beſtehn.
Ein ſchlechter Troſt, wenn dieſe Worte Verzicht bedeuten ſollten
und Vorliebnehmen mit großer Vergangenheit — ein Gift, wenn
ſie eitler Selbſtbeſpiegelung einer nichtswürdigen Gegenwart zum
Vorwand dienen dürften — eine Arznei, wenn ſich mit dem Zukunfts⸗
glauben auch der Wille und die Würde im Schillerſchen Sinne ver⸗
binden. Das Wort von der Ohnmacht, Schlaffheit und Charakterloſig⸗
keit des Zeitgeiſtes, den die Tragödie bekämpfen ſolle, greift tief in
unſer Herz. Es iſt, als habe Schiller für unſere Zeit gedichtet. Schiller
lebt, und wenn es durch nichts anderes bewieſen werden könnte, ſo
dadurch, daß ſeine lebendige Wirkung gefürchtet wird.
In Deutſchlands dunkelſten Tagen konnte es zu unſerer Schande
geſchehen, daß Schillers Jungfrau von Orleans' in einer deutſchen
Stadt verboten wurde; ſolche zündende Kraft wurde dem Aufruf an
die Ehre der Nation zugetraut. Und wenn wir dieſer Tage leſen, daß
einer Stadt an der Moſel unterſagt wird, den Schillervers: „Ans
Vaterland, ans teure, ſchließ' dich an“ auf ihr Notgeld zu drucken,
ſo bedeutet das wohl, daß Schiller unter den Entwaffnungspara⸗
graphen geſtellt werden ſoll. Aber niemand kann uns verwehren, bei
jedem Geßlerhut, der zu grüßen iſt, an Tell zu denken und an den
Dichter der Freiheit.
Das find Waffen, die uns nicht genommen werden können. Und
mit ihnen bleibt uns etwas von dem unüberwindlichen Glauben
Schillers, durch den auch Goethe mitgeriſſen wurde —
Von jenem Glauben, der ſich ſtets erhöhter
Bald kühn hervordrängt, bald geduldig ſchmiegt,
Damit das Gute wirke, wachſe, fromme,
Damit der Tag dem Edlen endlich komme. 155
36. Jahresbericht
(Berichtsjahr 1920/21)
= * Hauptverſammlung der Goethe⸗Geſellſchaft am 21. Mai
1921, der am Tage zuvor eine Vorſtandsſitzung vorangegangen
war, wurde am Abend des 20. eingeleitet durch eine Feſtvorſtellung
im Deutſchen Nationaltheater. Eine gelungene Aufführung der Mit⸗
ſchuldigen (in der erſten einaktigen Faſſung) und eine ebenſo vor⸗
treffliche Aufführung von Erwin und Elmire' (Proſafaſſung) mit
der intereſſanten, geiſtvollen Mufik des Schweizers Ottmar Schoek
gaben eine allgemein befriedigende ſtimmungsvolle Einleitung der
feſtlichen Tagung. Die Hauptverſammlung am Vormittag des 21. Mai
im Saale der Armbruſt⸗Geſellſchaft eröffnete der erſte ſtellvertretende
Borfigende Exzellenz Dr. Bürklin mit einem warmen Nachruf auf den
verſtorbenen Vorſitzenden Exzellenz Freiherrn von Rheinbaben, woran
ſich eindringliche Worte ſchloſſen, die auf die Bedeutung und die
Aufgaben der Geſellſchaft in der gegenwärtigen Zeit und die Not⸗
wendigkeit eines Fortwirkens im Sinne Goethes hinwieſen. Darauf
hielt Profeſſor Dr. Julius Peterſen (Berlin) den Feſtvortrag: „Schil⸗
ler und das Weimarer Theater“, der in dieſem Bande abgedruckt iſt.
Den Geſchäftsbericht erſtattete der Vorſitzende des Geſchäftsführen⸗
den Ausſchuſſes, Miniſterialdirektor Dr. Neumann, den Finanzbericht
an Stelle des durch Heiſerkeit verhinderten Oberbürgermeiſters a. D.
Dr. Donndorf der Kaſſierer Rat Rothe. Ihre Berichte ſind unten ab⸗
gedruckt mit den Berichten über die Tätigkeit des Geſchäftsführenden
Ausſchuſſes, über die Bibliothek der Goethe-Geſellſchaft, das Goethe⸗
und Schiller⸗Archiv und das Goethe-Nationalmuſeum. Beide Be⸗
richterſtatter betonten die mißliche Finanzlage, infolge deren die
Publikationen in Zukunft etwas eingeſchränkt werden müſſen. Eine
Erhöhung des Mitgliedsbeitrags kann nicht umgangen werden. Die
Valutafrage berührt auch die Goethe⸗Geſellſchaft in Hinſicht auf ihre
zahlreichen Mitglieder im Auslande. Die Maßnahme, den Beitrag
derſelben in der Währung ihres Landes feſtzuſetzen, hat teilweiſe
Mißſtimmung erregt; man hat daher in einzelnen Fällen, um beſon⸗
dere Härten zu vermeiden, dieſe Maßnahme gemildert, und das ſoll
2 auch in Zukunft geſchehen. Auch die Fragen der Sicherung der wei⸗
maariſchen Kulturſtätten, ſowie die Entwicklung der Ortsgruppen wur⸗
den berührt. Zum Schluß gedachte Dr. Neumann des verſtorbenen
weimariſchen Staatsminiſters Exzellenz Dr. Carl Rothe, der in den
vielen Jahren ſeiner Amtstätigkeit die Intereſſen der Geſellſchaft tat⸗
kräftig gefördert hat. Der Kaſſebericht begründete die vom Vorſtand
beſchloſſene Erhöhung des Jahresbeitrags auf 30 „#6, die aber erſt
von 1922 ab eintreten ſoll; doch wird an alle Mitglieder durch Zir⸗
200 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)
kular die Bitte gerichtet werden, ſchon für 1921 freiwillig eine Er⸗
höhung zu leiſten. Dagegen iſt bei Erwerbung lebenslänglicher Mit⸗
gliedſchaft der Beitrag ſchon von jetzt ab auf 600 , feſtgeſetzt.
Zur Ergänzung des Vorſtandes ſchlägt dieſer die Zuwahl von Frau
Ricarda Huch und Freiherrn v. Pechmann in München ſowie von
Profeſſor Dr. Kippenberg in Leipzig vor. Dieſer Vorſchlag wird mit
großer Majorität angenommen. Hierauf macht Exzellenz Bürklin
Mitteilung von den in der Vorſtandsſitzung vollzogenen Wahlen,
wonach er zum 1. Vorſitzenden, Geheimrat Profeſſor Dr. Roethe zum
1. und Geheimrat Profeſſor Dr. v. Oettingen zum 2. Stellvertreter
des Vorſitzenden gewählt worden iſt. Nachdem Geheimrat Direktor
Dr. Trendelenburg (Berlin) zwei Exemplare ſeines eben erſchienenen
Kommentars zum 2. Teil Fauſt' mit einer ſeine Ziele erläuternden
Anſprache übergeben hatte, kam der 1. Antrag der Berliner Orts⸗
gruppe zur Verhandlung. Er lautete:
„Die Hauptverſammlung wolle beſchließen: Der §9 der Satzungen erhält
folgende Faſſung:
Der Vorſtand der Geſellſchaft beſteht aus 11 bis 15 Mitgliedern,
von denen mindeſtens 4 am Sitze der Geſellſchaft oder in Jena wohnen
müſſen. Die Vorſtandsmitglieder ſollen tunlichſt verſchiedenen Kreiſen
entnommen werden, außerdem iſt auf eine angemeſſene Vertretung der
Orts⸗ und Bezirksgruppen Bedacht zu nehmen.
Der Vorſtand wird von der Hauptverſammlung auf drei Jahre
gewählt, dabei wird in beſonderem Wahlgange durch Stimmzettel der
Vorſitzende, in einem zweiten Wahlgange deſſen 1. Stellvertreter in
gleicher Weiſe gewählt. Zurufswahl bei dieſen zwei Wahlgängen iſt
nicht zuläſſig.
Die übrigen Mitglieder des Vorſtandes werden in einem gemeinſamen
e gewählt, bei dem Zuruf zuläſſig iſt, falls kein Widerſpruch
erfolgt.
Der Vorſtand wählt aus ſeiner Mitte einen zweiten Stellvertreter
des Vorſitzenden. :
Der Vorſitzende hat die Geſellſchaft nach außen zu vertreten. Seine
a genügt zur Rechtswirkſamkeit aller Urkunden der Geſell⸗
chaft.“
Nachdem der Vorſitzende der Berliner Ortsgruppe Freiherr v. Bie⸗
dermann den Antrag begründet und Geheimrat Prof. Dr. Michels
den ablehnenden Standpunkt des Vorſtandes dargelegt hatte, wurde
nach lebhafter Debatte der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.
Darauf folgt der 2. Antrag der Berliner Ortsgruppe:
„Die Hauptverſammlung wolle beſchließen: f
Der Vorſtand wird beauftragt, Mittel und Wege zu finden, um den
Beſtand, die wiſſenſchaftliche Verwaltung und allgemeine Zugänglich⸗
keit des Goethe⸗Nationalmuſeums, des Goethe- und Schiller⸗ Archivs
ſowie des Goethehauſes und Goethemuſeums in Frankfurt a. M. in einer
ihrer nationalen Bedeutung entſprechenden Weiſe ſicherzuſtellen.“
Mit dieſem Antrag wird verbunden der Antrag von Dr. Hans
Hampel (Köln), daß durch einen Aufruf unter den Mitgliedern für
ee ie A 3
9
36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 201
eine freiwillige Spende zum Beſten des Goethehauſes in Frankfurt
a. M. geworben werde.
Nach der mündlichen Begründung des Berliner Antrages durch
Freiherrn v. Biedermann führt Dr. Neumann aus: Das Goethe—
Nationalmuſeum iſt Eigentum des Staates, ſeine Verhältniſſe find
geordnet, ſein Fortbeſtand iſt geſichert. Das Goethe- und Schiller—
Archiv iſt eine Stiftung des Großherzoglichen Hauſes mit eigenem
Vermögen. Durch die Stiftungsurkunde iſt beſtimmt, daß die Anſtalt
ſich dem Wohnſitz des jeweiligen Oberhauptes des Fürſtenhauſes an—
ſchließen ſolle. Es iſt eine Auseinanderſetzung mit dem Großherzog
zu erwarten, wonach Weimar als ſein Wohnſitz anerkannt und da—
durch die Beſorgnis beſeitigt werden wird, daß das Archiv je von
Weimar weggenommen werden könnte. Das vorhandene Stiftungs—
vermögen reicht allerdings unter den gegenwärtigen Geldverhält—
niſſen nicht hin, eine Beſchäftigung mehrerer Beamten zu ermöglichen,
und es muß daher eine tunlichſte Einſchränkung ſtattfinden. Für das
Frankfurter Goethehaus iſt, nachdem der Staat und die Stadt Frank⸗
furt verſagt haben, eine Sammlung freiwilliger Beiträge eingeleitet
worden; der Ruf an die Öffentlichkeit, in den die Goethe⸗ Geſellſchaft
einſtimmt, wird nicht verhallen. Zum Schluß macht der Direktor
des Frankfurter Goethemuſeums, Profeſſor Otto Heuer, Mitteilung
über die im Intereſſe der Erhaltung dieſer Anſtalt bereits unter⸗
nommenen Schritte und erſucht um weitere Förderung der eingelei—
teten Sammlung durch Erwerbung der Mitgliedſchaft beim dortigen
Freien deutſchen Hochſtift (Mindeſtbeitrag 20%) oder durch frei—
willige Spenden.
Die Verſammlung wird um 2 ½½ Uhr geſchloſſen.
Nach dem kurz darauf folgenden gemeinſamen Mittageſſen, das in
angeregteſter Stimmung verlief, ſpazierte man, vom Wetter begünſtigt,
durch die herrliche Belvederer Allee nach dem Schloß Belvedere, wo den
Mitgliedern außer Kaffee und Kuchen noch ein beſonderer, im Feſt—
programm nicht vorgeſehener Kunſtgenuß dargeboten wurde. An der
Rückſeite des Schloſſes war eine Schar junger Mädchen gruppiert,
die unter der anfeuernden Leitung des Herrn Dr. O. Reuter (Weimar)
vierſtimmige Geſänge von Brahms und vierſtimmig geſetzte Volks⸗
lieder zum Vortrag brachten. Dazwiſchen gab die ehemalige weima⸗
riſche Hofſchauſpielerin Frau Obriſt-Jenicke Goethiſche Gedichte,
darunter die Zueignung' („Der Morgen kam“) und heitere Dich—
tungen wie Offne Tafel? zum beiten. Der liebliche Anblick der
anmutigen, hellgekleideten Mädchen, ihr friſcher, fröhlicher Geſang,
der kunſtvolle Vortrag der vortrefflichen Künſtlerin und als Rah:
men des Ganzen Schloß und Park, von der untergehenden Sonne
beleuchtet, gaben dem in jeder Hinſicht gelungenen Feſte einen IR
nen, ſtimmungsvollen Abſchluß.
202 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)
Zur Erledigung der laufenden Geſchäfte ſind vom Geſchäftsfüh⸗
renden Ausſchuß im Berichtsjahr 1920/21 5 Sitzungen abgehalten
worden. Einen Punkt mehrfacher Beratung bildeten die Anregungen
zur Sicherung der Weimarer Kunſt- und Erinnerungs⸗
ſtätten. Vorſtand und Ausſchuß haben ſich in dieſer Angelegenheit
wiederholt mit den zuſtändigen Stellen in Verbindung geſetzt. Da es
ſich beim Schutze der in Frage kommenden Kunſt- und Erinnerungs⸗
ſchätze nicht nur um Weimariſchen Beſitz handelt, ſondern um höchſte
Kulturwerte, auf deren unverſehrte Erhaltung nicht nur ganz Deutſch⸗
land, ſondern die ganze gebildete Welt einen Anſpruch erheben darf,
hat man eindringlichſt ſeine Stimme zum ausreichenden Schutze dieſer
Werte erhoben und auf die hohe Verantwortung hingewieſen, die die
maßgebenden Regierungsſtellen vor aller Welt hierbei tragen.
Der Anregung der Ortsgruppe Eſſen, eine Sammlung einzuleiten,
um für die in der Fürſtengruft geſtohlenen Kränze Erſatz zu beſchaf⸗
fen, glaubte man keine Folge geben zu ſollen. Sie ſind inzwiſchen auf
das Geſtändnis der Diebe hin wieder zur Stelle gebracht worden.
Für Herrichtung des Lotte-Hauſes in Wetzlar iſt wiederum
wie vor einigen Jahren ein kleiner Beitrag bewilligt worden, und
der Direktor des Goethe-Nationalmuſeums, Dr. Wahl, hat durch
perſönliche Vermittelung dazu beigetragen, daß die nötigen Herſtel⸗
lungen von der Stadtvertretung beſchloſſen worden find.
Herſtellungen an der Grabſtätte von Alma von Goethe auf
dem Weimarer Friedhofe ſind vorgenommen und an der Grabſtätte
Wielands im Gutspark zu Oßmannſtedt durch einen Beitrag er⸗
möglicht worden.
Den Ortsgruppen in Berlin, München und Eſſen ſind ſolche in
Mülheim Ruhr, Duisburg und Gelſenkirchen hinzugetreten. Auch eine
„Däniſche Gruppe“ hat ſich gebildet. In Hamburg hat man nach den
vorliegenden Mitteilungen von einer feſten Organiſation einſtweilen
noch abgeſehen, aber Einrichtung getroffen, daß die Ziele der Goethe⸗
Geſellſchaft gefördert und neue Mitglieder geworben werden. Die Be⸗
richte der Ortsgruppen, ſoweit uns ſolche zugingen, ſind angefügt.
Fräulein Adele Marianne Heyden in Eſſen hat der Goethe⸗Ge⸗
ſellſchaft wie der Vereinigung der Freunde des Goethehauſes namhafte
Zuſchüſſe gewährt, wofür auch an dieſer Stelle verbindlichſt gedankt ſei.
Im Jahre 1920 konnten wir den Mitgliedern nur das Jahr⸗
buch (Band 7) zugehen laſſen. Von einer weiteren Veröffentlichung
mußte zu unſerm Bedauern Abſtand genommen werden, da die
Deckung der im Vorjahre entſtandenen Mehrausgabe einen erheb⸗
lichen Teil der verfüglichen Mittel in Anſpruch nahm. Der nächſte
Band der „Schriften“: Goethes Briefwechſel mit Heinrich Meyer,
III. Teil, wird vorausſichtlich im Frühjahr 1922 erſcheinen.
Dem Geſchäftsführenden Ausſchuß trat 1920 neu hinzu das Vor⸗
ſtandsmitglied Profeſſor Dr. Friedrich Lienhard, dagegen ſchied
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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 203
unſer bisheriger eifriger Mitarbeiter Hofkapellmeiſter Dr. Peter Raabe
infolge ſeiner Berufung als Generalmuſikdirektor nach Aachen aus.
Am 25. März 1921 verſchied in Düſſeldorf unſer verehrter Prä—
ſident, Seine Exzellenz Dr. Freiherr von Rheinbaben, deſſen Wir⸗
ken im Intereſſe der Goethe-Geſellſchaft von edler ſelbſtloſer Hin-
gabe an die ihm erwachſenen Pflichten geleitet war. Sein Heimgang
hat uns tief bewegt und erſchüttert. Das von ihm bei Gelegenheit
der Tagung der Goethe-Geſellſchaft 1914 als Gabe eines rheiniſchen
Freundes bei einer Bank in Coblenz für die Goethe-Geſellſchaft bereit
geſtellte Kapital iſt nunmehr in 5 proz. Wertpapieren zu 11000 %
in unſere Verwaltung übergegangen.
Sehr erfreulich iſt der Zuwachs an Mitgliedern. Ihre Zahl
hat ſich im Jahre 1920 von 4340 auf 4905 erhöht. Der inbegriffene
Beſtand an lebenslänglichen Mitgliedern iſt von 77 auf 106 geſtiegen.
Einen weiteren beträchtlichen Zuwachs haben uns die neuen Orts—
gruppen gebracht.
Aus den Ortsgruppen.
Berlin.
Unſere Veranſtaltungen wurden eröffnet durch den bedeutungs—
vollen Vortrag Ernſt Caſſierers über „Goethe und Platon“, ihm folg-
ten Artur Eloeſſer mit dem Thema „Goethe und die Schauſpieler“;
Oskar Fiſchel ließ „Bilder von Goethes italieniſcher Reiſe“ an uns
vorüberziehen. Fritz Stahl brachte Gegenſätze zwiſchen Anſchauungen
von einſt und jetzt in dem Vortrag „Was Goethe in Italien nicht
ſah“ zum Bewußtſein und Hans Timotheus Kröber gewährte, unter-
ſtützt durch Lichtbilder, wie die beiden vorhergehenden Redner, einen
Einblick in Goethes Sammlertätigkeit auf künſtleriſchem und wiſſen⸗
ſchaftlichem Gebiete.
Dieſe Veranſtaltungen erſtrecken ſich über das Berichtsjahr hin⸗
aus in die erſten Monate des laufenden Jahres und werden mit
einer Vorführung dreier kleiner Goethiſcher Dramen, die unſer Mit-
glied Berthold Held am 8. Mai im Deutſchen Theater mit einer
Schar jüngerer Künſtler darbieten wird, ihren Abſchluß für dieſe
erſte „Saiſon“ oder „Kampagne“ finden. Die Vorträge waren durch—
ſchnittlich ſehr gut beſucht, ſo daß wir auch mit den wirtſchaftlichen
Ergebnis wohl zufrieden ſein können. Da wir auch weitere Unter⸗
nehmungen ins Auge zu faſſen hatten, zu deren Durchführung ein
größerer Kaſſenbeſtand erforderlich iſt, ſo hatten wir uns an einen
kleineren Kreis gewendet, um das Kapital zu einer „Berliner Goethe-
Stiftung“ zuſammenzubringen. War auch der Erfolg dieſer Samm—
lung nicht ſo bedeutend, wie wir es erwartet hatten, ſo können wir
für den Anfang doch mit dem Reſultat zufrieden ſein.
Neben dieſen gegen Entgelt zugänglichen Veranſtaltungen begannen
wir auch unſere Mitglieder geſellig zuſammenzuführen. In der erſten
204 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)
dieſer Verſammlungen wurde zunächſt durch Herrn Dr. Monty Jacobs
eine Diskuſſion über die Frage der Aufführbarkeit des Ur-Fauſt' ange⸗
regt. Von den in Berlin wohnenden Mitgliedern der Goethe-Geſellſchaft
haben ſich bisher annähernd 300 unſerer Ortsgruppe angeſchloſſen,
wir hoffen bald die Mehrzahl der anderen auch noch an uns zu ziehen.
Der Vorſtand hat von den Mitgliedern, die vor einem Jahre ge=
wählt wurden, leider ehe er in ſeine Tätigkeit eintreten konnte, den
Prinzen von Schönaich-Carolath durch den Tod verloren. Er war
ein intimer Kenner und verſtändnisvoller Verehrer Goethes, ein in
weiten Kreiſes unſeres Volkes hochgeſchätzter Patriot und Staats⸗
mann, von deſſen Mitarbeit wir uns viel für unſere Ortsgruppe
und die Goethe-Geſellſchaft verſprechen durften.
Der Kaſſenbericht des Schatzmeiſters wies für den 31. Dezember
1920 einen Barbeſtand von 5718,40 auf. Der Jahresbeitrag
wurde wieder auf 50 % des Beitrages der Goethe-Geſellſchaft feſt⸗
geſetzt. Der Vorſtand beſteht nach den vollzogenen Wahlen aus fol⸗
genden Mitgliedern: Vorſitzender: Freiherr von Biedermann; Stell⸗
vertreter: Marie von Bunſen; 1. Schriftführer: Eugen Zabel;
2. Schriftführer: Wolfgang Goetz; 1. Schatzmeiſter: Dr. Georg
Paetel; 2. Schatzmeiſter: Reinhold Borſtell; Beiſitzer: Dr. Hugo
Bieber, Studienrat Dr. Wilhelm Böhm, Geheimer Juſtizrat Wilh.
v. Bülow, Fritz Engel, Profeſſor Ferdinand Gregori, Profeſſor Dr.
A. W. Liebert, Dr. Max Osborn, Dr. Rud. Pechel.
Frh. v. Biedermann.
München. 5
Die Ortsgruppe München der Goethe-Geſellſchaft veranſtaltete
im Winter drei Vorträge: Prof. Wilhelm Worringer aus Bonn
ſprach über „Künſtleriſche Zeitfragen“, Dr. Ludwig von Pignerot über
„Hölderlin“, Prof. Dr. Chriſtian Janentzky über „Myſtik und Welt⸗
anſchauung“. Außerdem erzählte Frau Selma Mönckeberg aus Ham⸗
burg deutſche und außerdeutſche Märchen aus den Märchen der Welt⸗
literatur; der ſehr lebendige und anregende Abend wurde durch einige
kurze Worte von Prof. Friedrich v. der Leyen über „Goethe und
die Märchen“ eingeleitet. Alle Vorträge fanden lebhaftes und ge⸗
ſpanntes Intereſſe, beſonders der Vortrag von Prof. Worringer
wurde von der e Teilnahme begleitet.
Die Überfiedelung des Vorſitzenden der Ortsgruppe nach Köln und
die lange Abweſenheit des Herrn Paul Heine von München machten
Neuwahlen nötig. Den Vorſitz führt nunmehr Prof. Dr. H. H. Bor⸗
cherdt, das Amt des Schatzmeiſters verwaltet Dr. Ludwig Streit.
Prof. Friedrich v. der Leyen.
Eſſen.
Die Ortsgruppe Eſſen veranſtaltete in ihrem erſten Vereinsjahre
vier öffentliche Abende und vier engere Zuſammenkünfte der Mit⸗
36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 205
glieder. In den öffentlichen Abenden ſprachen: im Oktober Geh. Rat
Prof. Dr. Guſtav Roethe über Goethes Fauſt' Teil 2 (Weltanſchau—
ung und künſtleriſche Bedeutung), im November Waldemar Bonſels
über das Chriſtusproblem, Ernſt Zahn, Vorleſungen aus eigenen
Werken, im Januar Direktor Dr. Hans Wahl über Goetheſtätten in
Weimar (mit Lichtbildern). Der Waldemar Bonſels-Abend wurde
von uns gemeinſam mit der Geſellſchaft für Literatur und Theater
veranſtaltet. In den engeren Zuſammenkünften der Mitglieder ſpra—
chen: im Juni Hauptſchriftleiter Heinz Amelung über Goethe und
Marianne von Willemer, Legationsſekretär a. D. von Simſon über
Weimar zu Goethes achtzigſtem Geburtstage (Aus Familienpapie—
ren), im Dezember Studienrat Dr. Hanns Wegener über Goethe als
Erzieher, im April Kaufmann Middelmann über Goethe als Frei—
maurer. Eine Erweiterung erfuhren dieſe engeren Zuſammenkünfte
durch Rezitation Goethiſcher Gedichte und Geſang Goethiſcher Lie—
der in Kompoſitionen ſeiner Zeitgenoſſen. Den öffentlichen Abenden
ſowie den Vorträgen im engeren Kreiſe wurde das größte Intereſſe
entgegengebracht, und wir glauben darin einen Beweis ſehen zu
können, daß wir mit unſeren Veranſtaltungen den richtigen Weg
gegangen ſind, um dem geiſtigen Leben unſerer Stadt neue Impulſe
zu geben. Als eine beſondere Gabe wurde unſeren Mitgliedern eine
auf Anregung von Herrn Heinz Amelung herausgegebene Sonder—
publikation „Lieder der Suleika“ überreicht. Die Zahl der Mitglieder
iſt im Laufe des Jahres auf 170 geſtiegen. Der Vorſtand beſteht aus
den Herren Studienrat Dr. H. Wegener (1. Vorſitzender), Studien⸗
direktor Dr. Oſt (2. Vorſitzender), Oberbibliothekar Dr. Schumm
(3. Vorſitzender), E. Haake (Schriftführer), K. Hirſchland (Kaſſen⸗
wart). Dem Beirat gehören an Frl. Dr. v. Langsdorf, Frau Direktor
Plehn und die Herren Dr. Heßberg, Legationsſekretär a. D. v. Simſon,
Stadtbibliothekar Dr. Sulz und Lehrer Tidten. Erich Haake.
Gelſenkirchen.
Auf eine Einladung des Herrn Oberbürgermeiſter von Wedelſtaedt
erſchienen am 5. März d. J. in der Stadthalle Gelſenkirchen eine An-
zahl Damen und Herren zur Vorbeſprechung über die Frage der
Gründung einer Ortsgruppe Gelſenkirchen der Weimarer Goethe—
Geſellſchaft. Als Ergebnis längerer Verhandlungen wurde feſtgeſtellt:
1. Die Begründung erſcheint allſeitig erwünſcht.
2. Als Hauptziel der hieſigen Goethe-Geſellſchaft wird angeſehen
der Zuſammenſchluß der für gute Literatur und für Lebens—
kultur im Goethiſchen Sinne intereſſierten Perſönlichkeiten zum
Zwecke gegenſeitiger Anregung.
3. Die Werbung von Gleichgeſinnten für den Zweck künftiger
Mitgliedſchaft ſoll mündlich erfolgen.
206 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)
Eine Zuſammenkunft am 7. April führte nach einleitenden Worten
des Herrn Oberbürgermeiſters von Wedelſtaedt zu nochmaliger ein⸗
gehender Erörterung der Ziele der hieſigen Vereinigung. Man kam
dahin überein, daß vorläufig jedenfalls irgendwelche Wirkungen
nach außen wie die Werbung eines großen Mitgliedskreiſes, öffent⸗
liche Veranſtaltungen, Einflußgewinnung auf das Arbeitsprogramm
von literariſchen Beſtrebungen der Vereine oder der Stadt zurück-
geſtellt werden ſollen vor der intenſiven Beſchäftigung im Sinne
einer Arbeitsgemeinſchaft. Es erfolgt nach dieſer Ausſprache die Wahl
eines Vorſtandes: Vorſitzender Herr Oberbürgermeiſter von Wedel⸗
ſtaedt, als weitere Mitglieder: Herr Lehrer Fermum, Beigeordneter
Dr. Gaertner, Frau Sanitätsrat Dr. Robbers, Herr Oberlyzealdirektor
Dr. Töwe, Dr. Wendenburg.
Duisburg.
Am 13. Mai hat ſich hier eine Ortsgruppe der Goethe-Geſellſchaft
gebildet, der bisher 20 Mitglieder beigetreten ſind. Eine ganze Reihe
weiterer Anmeldungen iſt beſtimmt zu erwarten. Der Vorſtand be⸗
ſteht aus dem Unterzeichneten als 1. Vorſitzenden, Herrn Dr. Erich
Thyßen, Speldorf, als 2. Vorſitzenden, Herrn B. Schnoepf als
1. Schriftführer, Frau Marga Braumann als Schatzmeiſterin ſowie
aus einem Beirat. Die Satzungen entſprechen mit ganz unweſent⸗
lichen Abweichungen denjenigen der Ortsgruppe Eſſen.
F. Wichmann.
Mülheim- Ruhr.
Am 28. November 1920 wurde in Mülheim - Ruhr eine Orts⸗ |
gruppe der Goethe-Geſellſchaft gegründet. Sie ſetzt ſich zum Ziel, die
Beſtrebungen der Goethe-Geſellſchaft zu unterſtützen und die geiſti⸗
gen Intereſſen in Mülheim zu pflegen. Es traten der Ortsgruppe
bis zum 1. April 1921 etwa 850 Mitglieder bei. Der Vorſtand ſetzt
ſich folgendermaßen zuſammen: Oberſtudiendirektor Kneuper 1. Vor⸗
ſitzender, Frau Hugo Stinnes sen. 2. Vorſitzende, Dr. Schmidt
1. Schriftführer, Fabrikdirektor Dr. Dyckerhoff 2. Schriftführer, Buch⸗
händler Wolff Schatzmeiſter. — Das Programm für das Jahr 1921
bietet Veranſtaltungen: drei Abende deutſcher Dichtung, dargeboten
von Mitgliedern des Düſſeldorfer Schauſpielhauſes unter Mitwir⸗
kung von Frau L. Dumont; drei Abende deutſcher Weltweisheit:
Vorträge von Graf Keyſerling, Dr. Wüllner (Berlin) und Geheimrat
Profeſſor Dr. G. Roethe (Berlin); drei Abende deutſcher Muſik: Vor⸗
träge von Muſikdirektor Hablwachs (Kaſſel), Profeſſor Freiherr v. d.
Pfordten (München) und ein Liederabend, veranſtaltet von Haus
Pfitzner und Tiny Debüſer. Außerdem drei Sonderveranſtaltungen
„Oſtliche Welten“ mit Vorträgen von Frau Profeſſor Fiſcher (Köln),
Generalmajor v. Lettow-Vorbeck und Profeſſor Dr. H. Ranke (Heidel⸗
berg). x
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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 207
Nachſtehend folgen die Berichte über den Abſchluß der Jahres—
rechnung (A), über die Bibliothek der Goethe-Geſellſchaft und das
Goethe- und Schiller⸗Archiv (B), über das Goethe-Nationalmuſeum
(C). .
A.
Der Rechnungsabſchluß für 1920 geſtaltete ſich, wie folgt:
Die laufenden Einnahmen beſtanden in
\ 85 942,15 % Jahresbeiträgen der Mitglieder,
3 7004,00 „ außerordentlichen Beiträgen,
4 3304,43 „ Kapitalzinſen,
= 19524,22 „ Erlös für „Schriften“ und Jahrbücher (19443 „%)
3 u. a. m.
4 115 774,80 .
3 Dieſen Einnahmen ſtanden folgende Ausgaben gegenüber:
: 15 227,25 % Mehrausgabe voriger Rechnung,
79 271,87 „ für das Jahrbuch der Goethe-Geſellſchaft Band 7
und für frühere Bände,
998,91 „ für die „Schriften“,
622,85 „ für die Bibliothek der Goethe-Geſellſchaft,
. 1012,00 „ Beitrag für die „Deutſche Dichter-Gedächtnis⸗Stif⸗
= tung“, den Verein für das Deutſchtum im Ausland
I ü di i.,
. 20 176,17 „ Verwaltungskoſten,
1600,00 „ von dem 2000 % betragenden „Verfügungsfonds“,
nämlich 600 % an das Goethe-Nationalmuſeum
und 1000 .% an das Goethe- und Schiller-Archiv
zu Ankäufen.
118 909,05 J.
3134,25 % Mehrausgabe.
Der Nennwert des Kapitalvermögens (Reſervefonds) bezifferte
ſich am Schluſſe des Jahres 1920 auf 118 027,65 /, zu Ende des
Vorjahres auf 109 327,65 .
Der Vermögenszuwachs von 8700 „/ beſteht in Beiträgen für
lebenslängliche Mitgliedſchaft. |
Der Kurswert des Vermögensbeſtandes berechnete ſich am 31. De-
zember 1920 auf nur 76 624,15 M.
N B.
Der Bibliothek der Goethe-Geſellſchaft ſind auch im
vergangenen Jahre mancherlei Schenkungen zugegangen, wofür den
freundlichen Spendern im Namen des Vorſtandes hiermit der herz-
208 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)
lichſte Dank ausgeſprochen wird. Ihre Namen ſind: H. Amelung
(Eſſen), Dr. H. Becker (Berlin), C. Behrens (Kopenhagen), Dr. Ru⸗
ben G: ſon Berg (Stockſund), Dr. E. Blanckmeiſter (Dresden), Dr.
R. Blume (Freiburg i. B.), Dr. O. v. Boenigk (Jena), Dr. J. M.
Bopp (Colmar), Dr. P. Braun (Oberweimar), Geheimrat Dr. P. Cauer
(München), Dr. H. v. Egloffſtein (Würzburg), Prof. Dr. E.Firmenich⸗
Richartz (Bonn), Dr. C. E. Gleye (Lund), Frau G. Goth (Berlin),
Prof. Dr. H. G. Gräf (Weimar), H. N. Hanſen (Kopenhagen), Prof.
Dr. M. Hecker (Weimar), Landgerichtsrat M. Hufſchmid (Heidel⸗
berg), N. A. Kuyper (Arlington U. S.), Prof. Dr. A. Leitzmann (Jena),
Dr. H. Liſt (Gießen), S. Loewy (Wien), L. L. Mackall (New Pork),
F. Mannſtedt (Bremen), G. Mayer (Eßlingen), Prof. Dr. H. Mayne
(Bern), Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. M. Möbius (Frankfurt a. M.), Dr. H.
Neſtler (Regensburg), Dr. A. Otto (Breslau), Dr. R. Payer v. Thurn
(Wien), Prof. Dr. J. Peterſen (Berlin), Dr. F. Rapp (München), Dr. M.
v. Rauch (Heilbronn), Geheimrat Prof. Dr. G. Roethe (Berlin), Prof.
Dr. G. Roſenthal (Lübeck), Dr. Th. Satori-Neumann (Charlottenburg),
Prof. Dr. E. Scheidemantel (Weimar), Prof. Dr. J. Schiff (Breslau),
Dr. E. Traumann (Heidelberg), Prof. Dr. A. Trendelenburg (Berlin),
Prof. Dr. J. Wahle (Weimar), E. Zabel (Charlottenburg), E. Zaniboni
(Neapel), Dr. B. Zehme (Konſtanz), die J. G. Cotta'ſche Buchhand⸗
lung Nachfolger (Stuttgart), der Inſel-Verlag (Leipzig), die Buch⸗
handlung des Waiſenhauſes (Halle a. S.), das Goethe-Muſeum
(Frankfurt a. M.), die Deutſche Bücherei (Leipzig), die University of
California Press, die Redaktion der Wiener Zeitung (Wien), die
Ortsgruppe Eſſen der Goethe⸗Geſellſchaft.
Über das Goethe- und Schiller-Archiv iſt in dieſem Jahre
nicht viel zu berichten. Auch im vergangenen Winter mußten die
Arbeiten durch mehrere Monate hindurch wegen Kohlenmangels ein⸗
geſtellt werden. Spenden von Handſchriften gingen nur ſpärlich ein.
Herr K. E. Henrici (Berlin) ſchenkte einen ungedruckten Brief Goethes
an Mad. de Stasl und 2 Briefe von Freiherrn v. Biedenfeld an
Freiherrn v. Spiegel; Frau Luiſe Eggert (Weimar) ſchenkte einen
Brief von Ernſt Renan, 2 Briefe von Agnes Strauß ⸗Schebeſt und
einen Brief von Heinrich Kurz, ſämtlich an Carl Candidus gerichtet;
Frau Senior Ranke (Lübeck) 8 Briefe von Emilie v. Gleichen-Ruß⸗
wurm an Emma v. Bever. Zwei andere Zuwendungen ſind belang⸗
los. Den gütigen Spendern wird auch an dieſer Stelle im Namen
des hohen Beſitzers und Schutzherrn der Anſtalt, S. K. H. des Groß⸗
herzogs Wilhelm Ernſt, der verbindlichſte Dank ausgeſprochen. Die
wertvollſte Bereicherung hat das Archiv erfahren durch das Teſta⸗
ment Ernſt von Wildenbruchs, der beſtimmt hat, daß ſein hand⸗
ſchriftlicher Nachlaß zwiſchen dem Goethe- und Schiller-Archiv und
der Berliner Literatur-Geſellſchaft ſo geteilt werde, daß jenes zwei
Drittel, dieſes ein Drittel deſſelben erhalte. Der Nachlaß umfaßt die
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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 209
eigenhändigen Niederſchriften der Dramen: Der Generalfeldoberſt,
Der Fürſt von Verona, Meiſter Balzer, Das neue Gebot, Die Quit—
zows, Die Haubenlerche, Der neue Herr, Chriſtoph Marlowe, Hein-
rich und Heinrichs Geſchlecht, Gewitternacht, Der deutſche König,
Die Lieder des Euripides, Ermanarich, Die Rabenſteinerin, Der un—
ſterbliche Felix, Bernhard von Weimar, König Laurin, Der Junge
von Hennersdorf, Das heilige Lachen, Jungfer Immergrün, Wille—
halm. Von mehreren Dramen ſind Abſchriften vorhanden, außerdem
Bruchſtücke und Vorarbeiten. Ferner die eigenhändigen Handſchrif—
ten von Proſawerken, darunter die Romane und Erzählungen: Der
Liebestrank, Auf den Trümmern von Akragas, Das Wunder, Das
tote Haus am Bodenſee, Die letzte Partie, Die Danaide, Tintenfiſch,
Schweſterſeele, Semiramis, Lukrezia, Das wandernde Licht, Unter
der Geißel, Claudias Garten, Die Alten und die Jungen, Wald—
geſicht, Das Märchen von den zwei Roſen, Orakel, Eifernde Liebe,
Das ſchwarze Holz, Marie Lene, ferner kleinere Erzählungen, Auf-
ſätze, Reden, verſchiedenartige Aufzeichnungen und endlich eine An⸗
zahl lyriſcher Gedichte und Briefe. Die Teilung des Nachlaſſes nach
dem Willen des Erblaſſers iſt noch nicht vollzogen, doch iſt ſie in
die Wege geleitet und wird auf Grund gütlicher Übereinkunft zwiſchen
den Vorſtänden der beiden Anſtalten demnächſt erfolgen.
An Büchern ſind dem Archiv Schenkungen zugegangen von Prof.
Dr. A. Bettelheim (Wien), Dr. J. M. Bopp (Kolmar), Dr. E. Ebſtein
(Leipzig), Prof. Dr. A. Kippenberg (Leipzig), Prof. Dr. H. Mayne
(Bern), Dr. B. Th. Satori-Neumann (Charlottenburg), Prof. Dr.
E. Scheidemantel (Weimar), ferner vom Inſel-Verlag (Leipzig), vom
Verlag J. J. Weber (Leipzig), von der Direktion der Städtiſchen
Sammlungen (Wien). Auch ihnen ſei an dieſer Stelle nochmals ver-
bindlichſt gedankt.
Am 1. Mai iſt Profeſſor Dr. Hans Gerhard Gräf aus ſeiner Stel-
lung im Archiv, die er ſeit Anfang des Jahres 1913 innehatte, ge=
ſchieden. Der ausgezeichnete Gelehrte, der ſich ſchon vorher an der
Goethe⸗Ausgabe erfolgreich betätigt hatte, war in dieſen Jahren der
Anſtalt ein wertvoller Mitarbeiter. Zuletzt hat er ſich noch durch die
mühevolle und undankbare Herſtellung des Schlußregiſters zur 3. Ab⸗
teilung der Ausgabe ein großes Verdienſt erworben. Mit ſchmerzlichem
Bedauern ſahen ihn ſeine Kollegen aus ſeinem Amte ſcheiden.
C.
Zum erſtenmal ſeit dem Jahre 1916 iſt es möglich geweſen, das
Goethe-Nationalmuſeum den ganzen Winter über zu erwärmen
und ohne Störung den äußeren und inneren Betrieb aufrecht zu er⸗
halten. Wir verdanken das der tätigen Hilfe von Freunden des Goethe⸗
hauſes, denen es nicht nur gelang, die entſcheidende Reichsbehörde
von der Notwendigkeit der Beheizung beſonders des alten Hauſes,
VIII 14
210 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)
das empfindlich zu leiden begann, zu überzeugen, ſondern auch opfer⸗
freudig die nicht unerhebliche Summe für das Heizmaterial zum
größten Teil aufzubringen. Ihnen danken wir es, daß die Arbeiten,
beſonders an der Katalogiſierung der reichen Silhouettenſammlung
des Muſeums, ohne Unterbrechung weitergeführt werden konnten
und vor dem Abſchluß ſtehen. |
Der Beſuch des Muſeums nahm weiter zu. Im vergangenen Jahre
haben wir eine Beſucherzahl, doppelt ſo hoch als die bisher höchſte,
überſchritten.
Unter den Neuerwerbungen wohl die intereſſanteſte iſt die Tiſch⸗
bein'ſche Zeichnung des römiſchen Goethe, die die Leſer des Jahrbuchs
demnächſt kennen lernen werden. Sie fand einen Stifter in Herrn
Konſul Gumprecht (Hamburg). Ein reizvolles Selbſtbildnis der
Bettina von Arnim konnte aus dem Beſitze entfernter Verwandter
erworben werden. Zwei italieniſche Zeichnungen Goethes, darunter
eine Aquarelle aus der Villa Borgheſe, fanden ſich im Nachlaſſe des
im Jahre 1787 damit beſchenkten Baumeiſters Arens und konnten
unter teilweiſer Mithilfe des Inſel⸗Verlags angekauft werden. Die
hochbetagte Tochter eines Beſuchers Goethes aus dem Jahre 1825/26,
Fräulein Helene Stromeyer in Karlsruhe, ſchenkte drei Scheren⸗
ſchnitte der Adele Schopenhauer, die Louis Stromeyer von der eng
mit ihm befreundeten Künſtlerin damals als Andenken empfangen
hatte, ein dazu gehöriges Gedicht Adelens und einen ſehr charakte⸗
riſtiſchen Brief der Ottilie von Goethe an Stromeyer. Schließlich
konnte noch eine feine unter Glas gemalte Silhouette Wielands aus
ehemaligem Familienbeſitz erworben werden, wohl die letzte der Dar⸗
ſtellungen des Alten nach dem Leben, die wir kennen. Sie wurde ge⸗
ſtiftet von dem „Weimarbund deutſcher Mädchen und Frauen“.
Die graphiſche Abteilung der Goethebildniſſe bereicherte Herr Ver⸗
lagsdirektor Neubert (Leipzig) und Herr Ogoleit (Landsberg a. W.);
die der Goetheſtätten Freiherr von Biedermann (Berlin) und Direk⸗
tor H. Graf (Düſſeldorf); die Malerin Margarethe Geibel (Weimar)
überreichte mit ihren farbigen Holzſchnittzyklen des Goethehauſes,
des Wittumspalais und der Bibliothek eine koſtbare Gabe. Zu den
Bildniſſen von Zeitgenoſſen ſteuerten bei: Fräulein Heeſe (Berlin),
Herr W. Hettich (Warſchau), Frau Julie Merck-Bucherer (Jugen⸗ E
heim), Herr Geheimrat Möbius (Frankfurt a. M.). Die Direktion 5
vermehrte durch Ankäufe dieſe Abteilung um mehr als 60 Porträts, |
ſodaß fie nunmehr, abgejehen von den im Muſeum ausgeſtellten Bild- 5
niſſen und ohne die Silhouetten, mehr als 600 Nummern umfaßt. a
Der kleinen Handbibliothek kamen — außer den Pflichtexemplaren 5
— Geſchenke zu gute von J. H. der Fürſtin von Albanien, Dr. Wil⸗
helm Bode, Muſeumsdirektor Dr. Crome (Göttingen), dem Inſel⸗
Verlag, Prof. Dr. Liepmann (Berlin), Dr. Morecki (Prag), Geheim
rat Pick (Gotha), Dr. Rapp (München), Frau Beatrice Zade (Leipzig).
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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 211
Allen den freundlichen Gebern, zugleich den Spendern der „Ver—
einigung der Freunde des Goethehauſes“, die an dieſer Stelle nicht
genannt werden können, ſei der herzlichſte Dank des Muſeums aus—
geſprochen.
Zum Schluſſe ſei noch mitgeteilt, daß Ausſicht beſteht, ein beſon⸗
ders wertvolles Goethebildnis, das vor etwa 40 Jahren nach Amerika
verſchlagen wurde, zurückzuerwerben. Schwierigkeiten, die mit der
Weltlage zuſammenhängen, verbieten eine nähere Andeutung. Hof-
fentlich iſt das Muſeum in der Lage, die Mittel aufzubringen. Aber
auch wenn das der Fall ſein ſollte, werden tatkräftige Gönner
jederzeit mit Freuden begrüßt.
2
E:
P
- 14*
Verzeichnis
der ſeit 1. Juni 1920 neu eingetretenen Mitglieder
(Abgeſchloſſen Ende Mai 1921)
Mitglieder auf Lebenszeit
Barmen
Stracke, Ernſt Auguſt, Kaufmann
Berlin und Vororte
Behrendt, Peter
Henius, Bruno, Direktor
Henius, Frau Käte
Halenſee
Bacharach, Frl. Berta
Schöneberg
Caminer, Hans, Dipl. = ingenieur,
Patentanwalt
Bern
Moſer, Hans
Coblenz (Rhein)
Bertram, Fritz, Kaufmann
Edenkoben (Pfalz)
Haas, Frl. Eliſe
Eſſen (Ruhr)
Heyden, Frl. Adele Marianne
Munkel, Frau Präfident
Friedenberg (Oſtpr.)
v. Böttinger⸗Mehleden, Ritterguts⸗
beſitzer
Fürth (Bayern)
Tiegel, Anton, Fabrikbeſitzer
Gelſenkirchen
Dr. Robbers, Sanitätsrat
Robbers, Frau Sanitätsrat
Gleiwitz
Völkel, Oswald, Kaufmann
Göttingen
Egenolf, Wilhelm, Großkaufmann
Guben
Bornitz, Frl. Eliſe, ord. Lehrerin am
Lyzeum
Hamburg
Koehne, Ernſt, Direktor des Deutſchen
Schauſpielhauſes
Heidelberg
Rothacker, Dr. Erich, Privat⸗Gelehrter
Holthof (Kr. Grimmen i. P.)
Steinmüller, Paul, Rittergutsbeſitzer
Kalkberge (Mark)
Grohe, Eliſabeth, Frau Juſtizrat geb.
Zaubitzer
Kopenhagen
Leſter, Max
Landsberg (Warthe)
Ogoleit, Wilh., Buchhändler
Leipzig
Mittelſtaedt, Lore, stud. philos.
Stöhr, Frau Lotte
München
Roſenthal, Martin, Kommerzienrat
Sondershauſen
Heinrichs, Frl. Auguſte, Oberlehrerin
Wachwitz b. Dresden
Schobloch, Ernſt, Verlagsbuchhändler
Weimar
Vulpius, Wolfgang, stud. phil.
Weißenthurm b. Coblenz
Piel⸗Weber, Frau Lina
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 213
Zürich
Bodmer-Abegg, Frau Dr. Anny
Bodmer-Abegg, Dr. jur. Henry
Bodmer, Martin, stud. phil.
Deutſches Reich
N Aachen
Schotte, Dr. Heinrich, Studienrat
Altdöbern (N.⸗L.)
Siebenhaar, Dr. phil. Ewald, Pro⸗
t
Be Altona
Stumme, Frl. Maria
Apolda
Kaden, Alfred, Fabrikbeſitzer
Aurich (Oſtfriesland)
Opitz, Alfred, Lehrer
d Barmen
Bauer, Emil, Kaufmann
Deutſchmeiſter⸗Verlag
Diederichs, Frl. Frieda, Lehrerin
Klemna, Frl. Alice
Klingelhof, Robert, Kaufmann
Rittershaus, Hugo, Kaufmann
v. Roſenberg⸗Gruſzczynſki, Friedr.,
Kaufmann
Schuſter, Lotte
Uthmann, Frau Ella
Uthmann, Heinz, Kaufmann
Bautzen
Stark, Walter (Wellerſche Buchhandl.)
Berlin und Vororte
Berlin
Aulmann Rudolf
Bäumer, Dr. med. Eduard, Arzt
v. Berenberg⸗Goßler, Paul, Landwirt
Biſchoffswerder, Dr. Franz, Rechts⸗
anwalt
Blanckertz, Klaus
Böhm, Frau Gertrud geb. Baumann,
Studienrat
Böhm, Dr. jur. Joſeph, Landrichter
Borſtell, Reinhold, Hofbuchhändler
Brandt⸗Jacoby, Oskar Ludwig,
Schriftſteller
Braun, W., Kaufmann
Braun, Willy, i. Fa. W. Bode Nachf.
Gebr. Braun
Breithaupt, Chriſtoph
Budy, Frau Elſe
v. Bülow, Geheimrat
Bund der Freien Wiſſenſchaftlichen
Vereinigungen
Diem, Carl, Generalſekretär
Edler, Dr. Fr., Beamter
Eiger, Frau Enno
Fabian, Dr. jur. Franz B., Syndikus
Federn, Robert, Verlagsdirektor
Fernbach, Dr. Fritz, Mag.⸗Aſſeſſor
Fiſchel, Bernhard, Kaufmann
Franck, Dr. Erwin, Sanitätsrat
Franzke, Frl. Käte, stud. phil.
Friedrich, Frau Dr. Selma, Arztin
Georgi, Arthur
Gieſeler, Hans
Gleſinger, Max, Fabrikbeſitzer
Gleſinger, Frau Max
Goethe⸗-Bund Berlin, Vorſtand
Hamburger, Frl. Ernahedi
Hampel, Margarethe, Bibliothekarin
Heckmann, Frl. Ellen
Heilbron, Emil, Fabrikbeſitzer
Heilbron, Frau Paula geb. Klar
Helfferich, Dr., Staatsminiſt., M. d. R.
ellmann, Ulrich, Dr. phil.
erfurt, Frau Anna
Herz, Frau Dora
Jahn, Frau Olga, Privatiere
Iſeke, Johannes, Kaufmann
Jürgenſen, Karl, Kaufmann
Kalſer, Fried (Frieda Kaliſcher),
Schriftſtellerin
Kaniſch, Frl. Irene
Kirmße, Fritz, stud. phil.
Kirſtein, Walter, Kaufmann
Kleiſt⸗Lyzeum
Kloth, Lehrer s
Kocherthaler, Frl. Mathilde
Köhler, Dr. Albrecht, Kaufmann
Körting, Georg, Prokuriſt d.National⸗
bank für Deutſchland
Kotelmann, Frl. Hertha
214
Lagro, Rechtsanwalt u. Notar
Landsberg, Robert, stud. med.
Laux, Dr. Max, Profeſſor, Studienrat
Levin, Dr. Julius, Schriftſteller
Levinger, Grete
Liebmann, Frl. S.
Litthauer, Carl Felix
Löwenthal, Guſtav
Loofmann, Richard
Mankiwicz, Frl. Joh.
Meyer, Georg H.
Mierſch, Dr. jur. Heinrich, Magi⸗
ſtratsrat
Müller, Erna
Müller, Frau Franziska
Müller, Frida, Privatſekretärin
Müller, Lotte
Müller ⸗Caſſel, 1 Maler
Nauenberg, Frau Eva
Nelſon, Alfred A., Kaufmann
Neumann, Erna, Redaktionsſekretärin
a tue, Schloſſer
Peter, E. W., Konſul
Pofſner, Hilde
Prochnow, Emil, Bankprokuriſt
Puppel, Weine Kunſthändler
Renner, Frl. Gertrud
Richter, ‚Beofefior Dr., Miniſterialrat
u. vortrag.
Richter, Frl. Thusnelda
Rieß, Frl. Gertrude
Roſen, Herbert
Roſenbaum, Frau Elfriede
Roſenberg, Heinrich, Antiquar
Runze, Dr. Maximilian, Pfarrer u.
N Philoſophie
Sachſe, K
en Dr. Ernſt, Direktor der
Osram: Werke
Sander, Dr., Rechtsanwalt
Scheele, Gertrud, Bibliothekarin an
der Preuß. Staatsbibliothek
Schindler, Dr. Ernſt, Rechtsanwalt
u. Notar
Zr Hans, Verlagsbuchhänd⸗
Schmiel, Eliſe
Schulze, Prokuriſt i. Fa. Speyer u.
Peters
Schwarzer, . Sekretärin
Schweitzer, Frau Algunde
Seydel, Carl F.
Sigismund, Karl, K. S. Geh. Hofrat,
Kommerzienrat
Simon, Dr. Richard, Univ.⸗Profeſſor
a. D.
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
Simoni, S., Direktor
Simoni, Frau Zerline
Stahl, Fritz, I des
Berl. Tagebl.
Stein, Frl. Hedwig
Stollberg, Hauptmann
Streckfuß, Karl, Ingenieur
Streſemann, Dr. Guſtav, M. d. R.
zer Heinz, stud. jur. et rer.
v. x Fran Mathe Dr. Frei⸗
8 Frau Valerie
Taube, Frl. Margarete
Vogel, Rudolf, Abteilungsvorſteher
Volksverband der 1 .
Wegweiſer⸗Verlag, G. m. b. H.
Waetzold, Margarete, Mittelſchul⸗
lehrerin
Walter, Dr. Benno, Rechtsanwalt u.
Notar
Wieſner, Dr. phil. R. A.
Wigand, Bruno, Kaufmann
Charlottenburg
u Berthold, Gerichtsaſſeſſor
9 Dr., Regierungsrat
Breslauer, Frau Anna, geb. W
Brie, Bruno, Syndikus
Elkan, Paul, Fabrikant
Fleiſcher, Frl. Charlotte
Friedmann, Dr. Georg
Gaſiorowski, Erni, Chemikerin
Georgi, Arthur, stud. phil.
Hooſt, Max, Kaufmann
Horowitz, Dr. S., Rechtsanwalt
Horowitz, Frau verw. Profeſſor
Jacobſohn, De, 9. W
Jänecke, Frl. Hild
Kaper, Franz, a: jur.
Langheinrich, Frl. Erika, Chemikerin
Lehmann, P., ſtellvertr. Direktor d.
Deutſchen Bank
Leß, Frl. Hede
Luckwald, Anni, Frau Geheimrat
Michel, Dr. Artur, Schriftſteller
Möbus, Gertrud, Bibliothekarin
Moeller, Hans, Verlagsbuchhändler
Niebuhr, Frau Clara
Oeſer, Rudolf, 17
Sachs, Frl. Heide
Wittig, Dr., Studienrat
Wolff, Fritz, Zahnarzt
Zaduk, Gerhard, Kaufmann
meme han ia a en
ce 11 1 7 1 m 2 A rd
7 fi 5 2;
—
1
g
Dahlem
Böckenhoff, Karl, stud. phil.
Wiener, Martin, Kaufmann
Friedenau
i en Johanna, Kaſſenbuchhal⸗
ter
Nauthe, Oskar, Buch⸗ u. Kunſtanti⸗
quariat
v. Schuler, Hauptmann u. Adjutant
b. d. Sicherheitspolizei d. Berliner
Polizei⸗Präſidiums
Zetzmann, Frau Eliſabeth
Zimmermann, Eugen
Grunewald
Bieber, Dr. u Schriftſteller
Buchthal, Feli
Henrici, 12 5 er
Henrici, Karl Ernſt, Kaufmann
1 k
lien 1 a geb. Herms⸗
Schwllbe Dr. Walter, Arzt
Weigert, Dr. Erich, Landgerichts⸗
direktor
Halenſee
Heidmann, Walter, Redakteur
Knoblauch, Frau Erika geb. Weiſe
Kühne, . stud. phil.
Nord, D
Welcker, Wirkl. Geh. Oberregierungs⸗
F
Schwenke, Hedwig, Frau Fabrikbeſitzer
Lichterfelde
Böhm, Dr. Artur
enning, Frau Hedi
ubert, Frida, Lehrerin
Kümmel, Margarete, gepr. Muſik⸗
lehrerin
Müller, Ernſt Theodor, Dipl.⸗Ing.,
Reg.⸗Baumeiſter
Nikolaſee
Frenzel, Dr. Heinrich
Weber, Dr. Hans Siegfried
Pankow 8
Puttlitz, Hans, Elektrotechniker
Schlachtenſee
Juliusberger, Dr., Sanitätsrat
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
215
Schöneberg
Blühm, Fritz, Steuerinſpektor
Goldſchmidt, Hermann
Joſeph, Fritz, Kaufmann
Isbert, Frau et Offiziersgattin
Roch, Karl, Architekt
Steglitz
v. Biedermann, Clara, Freifrau
v. Biedermann, Lothar, Freiherr,
dee
Gangloff, Frl. Helmine
Klug, Johannes, Verbandsſekretär
Prey, Kurt, Bankbeamter
Salomon, Dr. Gerhard, Studienrat
Schaefer, Hugo, Studienrat
Wichmann, Frau Anne, Bibliothe⸗
karin
Tegel
Harkort, Frau Luiſe geb. Laporte
Tempelhof
Hartung
Matthes, Frl. Luiſe
Weißenſee
Roegner, Eugenie, Sekretärin
Wilmersdorf
Balcke, Paul, ee
Braun, Frau Emma
Grobe, Walter, Bankvorſteher
Hellersberg, Frl. Dr. Anna
Hirſchberg, Dr. med. Martin
Ichenhäuſer, Frau Dr.
Koch, Edwin, stud. phil.
Levy, Frl. Margarete, Turnlehrerin
Löſener, Dr. jur. Bernhard, Bank⸗
beamter, Referendar a. D.
Norden, Frl. Elſe
Roſenthal, S., Kaufmann
Ruppel, Karl Conrad A.
Spielhagen, Frl. Olga
Talla, H.
Zehlendorf
Bork, Georg
Cramer, Frau Sanitätsrat Dr. Annie
Krell, E. M., Bankdirektor
Bernsdorf (Schleſien)
Kurſawe, Joſeph, Lehrer
Biebrich (Rhein)
Albrecht, Dr. Karl, Fabrikdirektor
216
Bielefeld
Friedmann, Franz, Kaufmann
Schrader, Fritz, Kaufmann
Birkenwerder b. Berlin
Blank, M., Gemeindekaſſenrendant
Braunfels (Lahn)
v. Starck, Hugo, Freiherr
Braunſchweig
v. Ahlefeld, Major a. D.
Borch, Rudolf
Breechen b. Jarmen
(Vorpommern)
v. Heyden, Ernſt, Rittergutsbeſitzer
Bremen
Engelhardt, Frau Wilma
Kamloth, Karl, Buchhändler
Leuwer, Franz, Buchhandlung
Schelp, Fritz, cand. jur.
Wiedemann, Arthur, Buchhändler
Bremerhaven
Schröter, Th. A., Studienrat
Breslau
Bernau, Max, Verlagsbuchhändler,
Inh. d. Fa. J. H. Kerns Verlag
(Max Müller)
Fraenkel, Dr. Ernſt, Kaufmann
Goldſchmidt, Dr. Martin, Juſtizrat
Joſt, Ernſt, Kaufmann
Prinz, Georg, kaufm. Direktor
Brieg (Bez. Breslau)
Sattig, Dr. Fritz, Direktor des Staatl.
Gymnaſiums.
Briesnitz (Schleſien)
Brandt, Robert, Lehrer
Buchſchlag (Heſſen)
Binding, Rudolf G.
Buer⸗Beckhauſen
Oſtermann, Heinrich, Ingenieur
Caſtrop (Weſtfalen)
Küper, Dr. phil. Walther, Studienrat
Chemnitz
Bohacek, Karl Albin, stud. chem.
Laffé, Raimund, stud. chem.
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
Löſer, Hartmann, Klempner
Otto, Friedrich Karl, Ratsſchreiber
Rafeld, Amtsgerichtsrat
Steinmann, Guſtav Fritz, Rats⸗
ſchreiber
Zieger, Alfred Ernſt, Aſſeſſor
Coblenz
Meinecke, Dr. Ludwig, Theaterdirek⸗
tor
Wallenda, Carl, Schauſpieler
Coburg
Baer, Dr. Moritz, Rechtsanwalt und
Notar
Cöln (Rhein)
Hahn, Dr. Arno
Hahn, Hermann, Kunſthändler
Hampel, Dr. jur. Hans, Gerichts⸗
aſſeſſor a. D.
Kroh, Dr. med.
Rümpler, Dr. med.
Tiedge, Johannes, Studienrat
Crefeld
Stockhauſen, Frau Thea
Triller, Frau Emma
Croſſen (Oder)
Matz, Eliſabeth, Oberlehrerin
Dachau b. München
Bornſtein, Dr. phil. Paul
Danzig
Goldſtein, Annie
Darmſtadt
Hollatz, Dr. jur. et phil., Profeſſor,
Privatdozent a. d. techn. Hochſchule
Delmenhorſt
Arnholz, Franz, Direktor
Arnholz, Frl. Liſa
Arnholz, Frl. Lorchen
Bartſchot, Fritz, Profeſſor, Oberlehrer
Buſch, Ingenieur
Coburg, Hermann, Abiturient
Dillmann, Zeichenlehrer
Ganß, Alexander Hubert, kaufm. An⸗
geſtellter
Gericke, Direktor
Grundig, Edgar, Oberlehrer
Hartong, Direktor
Hennig, Walther, kaufm. Angeſtellter
Himke, Privatſekretär
W
n
A
75
W
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 217
Horſt, Dr. jur. v. Stapff, Wirkl. Geh. Oberjuſtizrat,
Jenke, Wilhelm, Mittelſchullehrer Oberlandesgerichtspräſident
Ihnen, Dr., Zahnarzt
Klein, Friedrich, Studienaſſeſſor
Lehmkuhl, Winterſchuldirektor
Meiſter, Dr. jur.
Muſer, Dr. phil.
Nutzhorn, Dr., Rechtsanwalt
Schaper, Kurt, Mittelſchullehrer
Schrader, Apotheker
Seitz, Erich, kaufm. Angeſtellter
Specht, Dipl.⸗Ingenieur
Wittich, Otto, kaufm. Angeſtellter
Rittergut Derſen o w. Mecklenburg)
Buchs, Erna, Gutsſekretärin
Deſſau
Kobert, Dr. phil. Karl, Vorſteher des
ſtädt. chem. Unterſuchungsamts
Müller, Kurt, Miniſterialdirektor
v. Oechelhäuſer, Dr. ing. h. c. u. Dr.
phil. h. c., Wilhelm, Generaldirek⸗
tor a. D.
Realgymnaſium
Detmold
v. Donop, Hans, Major a. D.
Dinkelsbühl (Bayern)
Droßbach, Dr. Max, Bezirksarzt
Döbeln (Sachſen)
Schmidt, Dr. phil. Walther
Dortmund
Jahn, Frau Thilde, Geſchäftsinhabe⸗
rin
Dresden
en Martin, Major im General:
a
e
Gutmann, Dr. jur. Fritz, Oberlandes⸗
gerichtsrat
Hammer, Lena
Hucho, Dr. jur., Geh. Juſtizrat
v. Koenneritz, Freiherr Ferdinand,
Kammerherr, Oberregierungsrat
Oeſt, Wilhelm, Kaufmann
Rowland, Franz, Kunſtmaler
Sibyllen⸗Verlag, G. m. b. H.
Striegel, Alfred, Bibl.⸗Aſſ.
v. Witzleben, Frau, geb. Freiin v.
Weber
Düſſeldorf
Budde, Dr. Joſef, Realgymn.⸗Direktor
Poensgen, Martha
Duisburg
Braach, Johann Heinrich, Redakteur
Braumann, Frau Marga
Büdenbänder, A., Rechtsanwalt
Deerberg, Dr. F., Mitgl. d. Preuß.
Landesverſ.
Engels, K., Amtsgerichtsrat
Fiſcher, Hans Rudolf, Chefredakteur
Gatermann, H., Landgerichtsrat
Hofmann, R., Stadtbaurat
Immeln, Dr. H., Landgerichtsdirektor
Kahners, Frl. Meta
Lütgen, Frau Clara
Maiweg⸗Bormann, Frau Regierungs
rat Malli
Scheuermann, Hermann, Buchhändl.
Schnoepf, Herr B.
Spaarmann, Marga
Stein, Dr. G., Verwaltungsdirektor
Steiner, Dr. med., Arzt
Teuſcher, Dr. med., prakt. Arzt
Thyßen, Dr. Erwin
Edlendorf b. Helmbrechts
(Oberfranken)
Neuner, Hans, Volksſchullehrer
Eidelſtedt (Holſtein)
Dahm, Otto, stud. theol.
Eiſenach
Zenker, Friedrich, Oberſekretär
Eisleben
Bindſeil, Frau Stadtrat
Heinhold, Dr. Max, Bergaſſeſſor, Ge⸗
neraldirektor
Heinhold, Dr., Generaldirektor der
Mansfeldſchen Gewerkſchaft
Heinhold, Frau Grete
Klingſpor, Bergaſſeſſor, Bergwerks-
direktor
Schrödter, Bergaſſeſſor
Elberfeld
Glückſohn, Landgerichtsrat
Habicht, Viktor, Aſſiſtent des Mu⸗
ſeumsvereins
Hartung, Frau Renate 5
Hartung, Dr. Walter, Studienrat
Merkel, Dr. phil. Benedikt, Chemiker
Stadtbücherei
218 Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
Erbach (Odenwald)
Rumpf, Karl, Reg.⸗Baumeiſter
Erfurt
Boerner, Dr. Erich, Facharzt für Chi⸗
rurgie
Halbe, 8 Frieda, Geſanglehrerin
Heß, Frau Georg
Heß, b Fabrikbeſitzer
Olbertz, Stadtrat
Wolterstorff, Dr., Studienrat
Erlangen
Heinz, Profeſſor
Eſſen
Abel, Frau Rechtsanwalt
Artzinger, Emil, Ingenieur
See Frau Maria
Bertermann, Dr. jur.
Borchardt, Paul, Direktor
Breindl, Tedy
Büchner, Frau Dr.
Bungardt, Hugo, Direktor
Dicke, Dr. Heinrich, Stadtbibliothekar
Emde, Otto, Abteilungsvorſteher
Eßmann, Emil
Fiſcher, Alfred, Reg.⸗Baumeiſter, Di-
rektor d. Kunſtgewerbeſchule
Frank, Ernſt
Fuchs Frl. ar, Oberlehrerin
Funke, Frl. T
Gärtner, Frig, 50
Girardet, Wilhelm, Verleger
Solbichmikt, Bernhard
Goßmann, Frl. Trude
Hagenbucher, Eugen, Reg.⸗Baumeiſter
Hehemann, Max, Schriftleiter der
Eſſener Allgem. Zeitung
Heilemann, Dr. W.
Herbrüggen, Frau
Hillebrand, Rechtsanwalt
Hillebrand, Frau Liſa
Hirſchland, Dr. Georg, Bankier
Hirſchland, Kurt, Bankier
vom Hövel, Auguſt
vom Hövel, Felix
Holtz, Frau Anna
Huff, Karl, Bankdirektor a. D.
Kätelhöhn, Herr
Keßler, re, 1 erale
Klein, Frau Lieſel
Klein, Robert
Klems, Rechtsanwalt
Körner, Edmund, Profeſſor
Kötter, Frl. Ellen, Lehrerin
Korsmeier, Guſtav
Kosmann, Frl. Trudi
Krela, Franz
Krupp v. Bohlen⸗Halbach, Dr. Guſtav
Küfer, Oberſtadtſekretär
Kugelmann, Max
v. Langsdorf, Frl. Dr.
Lüthgen, 178 N
Meiſenburg, D
Meyer, Frau Bankier Louis
Mohn, Frl. Margarete, Lehrerin
Müller, Wilhelm, Zivilingenieur
Nell, Frau Lene
Oſt, Pr. Gotthard, Direktor
N Wilhelm, Bergbauunter⸗
nehmer
Pfeiffer, Profeſſor Dr.
Plehn Frau Direktor
Pohl, G. E.
Popp, Addi, Frau Direktor
Preuſſing, Rudolf, Abteilungsdirekt.
Pütt, Frl. Paula, Lehrerin
Puſch, Max, Oberreg.⸗Rat
Ramſer, Paul, Prokuriſt
Reſchofe, Walter
Rheiniſch⸗ e
Schriftleitung
Richter, Dr. Heinrich
Rieck, Landgerichtsdirektor
Roſendahl, Frau Direktor
Ruperti, Frau Dr.
Ruſchen, Otto, Rechtsanwalt
Samſon, Frau
Samuel, Dr., Rabbiner
Schäffer, Frau Bergwerksdirektor
Schertel, Dr.-ing. Ludwig, Chemiker
Schmidt, Hauptmann a. D
Schroeder, Bruno, Kaufmann
ter Schüren
Schumm, Dr. Felix
ke Frau Elfriede
Stephan, Frl.
Stinnes, Frl. Meta
Storkebaum, C., Direktor
Streuff, Frl. Gertrud
Tidten, Hermann
Timmers, Alex, Direktor
v. d. Trappen, W., Prokuriſt
2 d. Trappen, Frau Wilhelmine
Vogel, Frau
Vogt, Frl.
Warnemünde, C.
Weir, Frl. Julie, Lehrerin
Weis, Carl, Kaufmann
Weiß, Frl. Emma, Lehrerin
Wilhelm, Frl. Paula
Willers, Frau Anna
5 Winnecken, Frau Rechtsanwalt
Woltze, Dr. Carl
Woltze, . Bankdirektor
4 Wulff, Frl. Hildegard
F Zaubitzer, Frau Dr.
- Zimmermann, Frau Fe, geb.Rimborn
Eßlingen (Neckar)
Schmid, Julius, Poſtſekretär
| Falkenhagen b. Berlin
Dahl, Frau Profeſſor Maria
Frankfurt (Main)
Adler, Bertha, Buchhändlerin
2 Edwin (i. Fa. Joſeph Baer &
Fulda, ya 2 Sanitätsrat
Giebel, K
Heidingsfelder, Ludwig, Kaufmann
Neſtle, Otto, Privatier
Roſenzweig, Dr. Franz
Stern, Arthur, Kaufmann
Thun, Oskar, Verbandsgeſchäftsführ.
Tiedemann, Heinrich, Buchhändler
Titze, Dr. jur. Heinrich, Univ.⸗Prof.
Zippert, Bertha Ilſe, Bankbeamtin
Frankfurt (Oder)
Fleſch, Martin, Schüler
Hirſch, Alfred, Kaufmann
Ramelow, Curt, Oberprimaner
Freyburg (Unſtrut)
Otto, Frau Kommerzienrat Frieda
—
Friedeberg (Queis)
8 Jacob, Dr. Georg, Sanitätsrat
a Roſenthal, Dr. W., prakt. Tierarzt
Friedrichsdorf (Nm.) b. Kreuz
Schulz, Emil, Lehrer
a (Spree)
Höhne, A
Pernice, Alfred, Amtsgerichtsrat
Denner
; a
Fulda
Maier, Ernſt, Hof-Muſikverleger
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
219
Gautzſch b. Leipzig
Kees, Frau Charlotte
Gelſenkirchen
Arendt, Stadtbaurat
Beiſenherz, Direktor d. a;
Bruns, Profeſſor Dr. med
Dehnke, Frau Generaldirektor
Deutelmoſer, Adolf, Major
Didore, Dr., Zahnarzt
Fermum, Lehrer
Gaertner, Dr., Beigeordneter
Gans, Frau Amtsgerichtsrat
Groſſe, Frau Oberin Erna
Haerter, Frl. Emmi
Holtz, Frau Anna a
Huchzermeier, Eduard, Rechtsanwalt
Hultzſch, Theodor, Profeſſor, Stu⸗
dienrat
Janitzky, Max, Apotheker
Iwowski, Alice, Fürſorgerin
Kampmann, Frau verw. Lilly
Kaufmann, Frau Juſtizrat
Krug, Stadtrat
Leopold, Dr. Otto, Spezialarzt
Linde, Dr. med.
Moenikes, Dr. Richard
Münſtermann, Frl. Mieze
Nandelſtedt, Margret, Lehrerin
v. Obſtfelder, Frau Martha
Pfeiler, Frau Marie
e Dr. jur. Theodor, Refe⸗
endar
Sami Heinrich Waſſerwerksdirek⸗
Se Otto, Paſtor
Schwarzburger, Dr. 5 W., Arzt
Stegemann, Dr., Arz
Töwe, Dr. Carl, Oberlhzealdirektor
v. Wedelſtaedt, Sberbürgermeiſter
Weineck, Dr., Studienrat
Weitzmann, Dr. Wilh., Schulrat
Wendenburg, Dr. Friedrich, Stadtarzt
Werners, Erna, Frau Bankdirektor
Wibberenz, Frl. Martha
Winkel, Heinrich, Schulrat
Wirtz, Fabrikbeſitzer
Wiſſemann, Dr. Conrad, Arzt
Gera (Reuß)
Feiſtkorn, Walther, Fabrikant
Luboldt, Frau Felix geb. Feiſtkorn
Rittergut Gerdau (Kr. Uelzen)
Voigts, Frl. Ulla
220 Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
Gießen
Liſt, Dr. jur. Friedrich, Bibliothekar
Walbrach, Carl
Görlitz
Meyer, Elſe, Lehrerin
Schultheiß, Dr. Hermann, Studienrat
Göttingen
Bachmann, Frau Henny
v. Bodenhauſen, Freiherr Bodo⸗Wilke,
cand. jur., Oberleutnant a. D.
Eberwein, Frl. Grete
Egenolf, Frau Hilken
Hahn, Frau Gertrud i
Kornrumpf, Lena, stud. phil.
Proskauer, Walter, Rechtsanwalt
Ruhſtrat, Frl. Elſe
Gotha
Greiner, Aſſeſſor
Greifswald
Hartnack, Wilhelm, cand. germ.
Griesheim (Main)
Berge, Dr. ing. Paul, Chemiker
Groß⸗Salz e b. Magdeburg
Kempfe, Urſula⸗Ruth
Peitz, Frau Eva Marie geb. Kempfe
Guben
Salomon, Fritz, Rechtsanwalt
Gumbinnen
Mayer, Paul, Regierungsrat
Gummersbach (Bez. Cöln)
Dreyer, Robert, Seminarlehrer
Halle (Saale)
Bennewitz, Bernd, Rechtsanwalt
Eulenberg, Philipp, Juſtizrat, Rechts⸗
anwalt u. Notar
Ficker, Hans, stud. hist.
Gandenberger v. Moiſy, Fritz, Ober⸗
leutnant a. D.
Glaſer⸗Gerhard, Ernſt, Studienrat
Kaempf, Erich
Lange, Auguſte, Dr. rer. pol., Direk⸗
torin des ſtädt. Wohnungsamts
Loeſt, Dr. Curt, Fabrikbeſitzer
Marcard, Hans, Hauptmann a. D.,
Buchhändler
Rummel, Frau Katharine
Hamburg
Baum, Alfred
Bock, Ella, stud. phil.
Calvary, Dr. J.
Conitzer, L., Dr. med.
v. Crompton, Frau E. geb. Gewert,
Kunſtmalerin
Delbanco, Dr. med. Ernſt
Duhne, Frl. Anna, Oberlehrerin
Galle, Alfred, Verwaltungsbeamter
Grimm, Guſtav, Staatsbeamter
Kayſer, Rudolf, Profeſſor Dr.
Kelter, Frau Profeſſor Dr.
Liſt, F. H., Kaufmann ° -
Lüders, Frl. Melanie, stud. phil.
Maluck, Albert
Münden, D., Herr
Owert, Dr. Hermann, Zahnarzt
v. Ritter, Freiherr Theodor, Kauf⸗
mann
v. Ritter, Freifrau, geb. v. Aichinger
Ruſt, Frau Dr. Mallita geb. v. Minden
Tebrich, Dr. med. Martin, Arzt
Tiemann, Frau verw. Eliſabeth
Vogt, Dr. Paul, Oberlandesgerichts⸗
rat
Hannover
Benzinger, Dr. med. Werner, Sani⸗
tätsrat
Jacobſen, Fritz, Staatsanwalt
Köpper, Margarete, Lehrerin
Winter, Frau Inka
Harburg (Elbe)
Peyſer, Dr., Sanitätsrat, Arzt
Hartenſtein (Sachſen)
Hoffmann, Erich, Buchhandl.⸗Gehilfe
Heidelberg
Lobſtein, Dr.
Muthmann, Fritz, stud. phil.
Schöll, Frl. Dora
Herne (Weſtf.)
Schmitz, M. M., Lehrerin
Spennemann, Helma, Oberlehrerin
Hofgeismar b. Caſſel
Helm, Käthe, Lehrerin
Honnef (Rhein)
Voigt, Eliſabeth, Stiftsdame
Jarmen (Pommern)
Henk, Paul, Buchdruckereibeſitzer
1
E
8
F
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 221
Henske, Dr. Bruno, Arzt
Henske, Frau Dr. Klara en, Marcus,
Arztgattin
Jena
e Dr. Erich, Verlagsbuch⸗
händler
Schwiſow, Theodor, stud. phil.
Kiel
Engelhardt, Frau Elſa geb. Hoerning,
Oberlehrerin
Hen un H. H., Generalſtaats—
anwal
Königsberg (Preußen)
Döring, Leo, Hauptmann a. D.
Gerlach, Eliſabeth
Heinemann, Paul, Poſtrat
Martini, Dr. Karl, Landgerichtsdirek⸗
tor
Mühling, Dr. med. Paul, Arzt
Schweter, Dr. Guſtav Adolf Stu⸗
dienrat
Weiß, Gerhard
Kreuth (Oberbayern)
v. Stockhauſen, Frau
Landsberg (Warthe)
Boeden, Lehrer
Landshut (Bayern)
Geß, Frl. Felizitas
Hornung, Alois, Studienaſſeſſor
Roſt, Paul, Lehramtskandidat
Leipzig
Achelis, J. D., cand. med.
Bär, Eliſabeth, Lehrerin
Brann, Julius, Kaufmann
Bux, Dr. E., Gymn.⸗Lehrer, Stud.⸗
Aſſeſſor
Chamizer, Frau Dr. Ella
Chamizer, Dr. Raphael
Doernberg, Ilſe
Eberwein, Hugo, Seminaroberlehrer
Graeve, Dr. Wilhelm, Arzt
Härtwig, Frl. Hildegard
Heilpern, Frl. Roſa
Hübler, Dr. Gerhard, Rechtsanwalt
Kluge, Kurt, akad. Bildhauer u. Maler
Kremnitzer, Dr. jur. Bernard
Löbl, Dr. Alexander
Loeſche, E rna
Ludewig, Elly
Markert, Karl, Buchhändler
Mejer, J. O. Wolfgang, 1 philos.
Mertens, P., cand
1 Frau verw. Oberſütn. Eliſa⸗
t
Mittelſtaedt, Dr., Juſtizrat, Rechts⸗
anwalt am Reichsg ericht
Mittelſtaedt, Frau Justizrat Sophie
geb. v. Bomhard
Neuſtadt, Alice
Ollendorf, Paul, Muſikverleger
Queckenſtedt, Käte
e Richard Otto, Verlagsbuch⸗
händler
Richter, Johannes, cand. phil.
Schingnitz, Werner, stud. phil.
a. Geh. Mediz.⸗Rat, Profeſ⸗
t Dr.
Weddy⸗ Boenidh, Dr. Walther, Ner⸗
venarzt
Wolff⸗ Röder, Frau Eliſabeth
Löbau (Sachſen)
Brückner, Hans, Rechtsanwalt
Seidel, Walter, Kand. d. höh. Lehr⸗
amts
Lotzen (Neumark)
Döring, Artur, Lehrer
Luckau (N. L.)
Heeſe, Frau Elli
Mattner, Max, Bürgermeiſter
Ludwigsſtadt (Oberfranken)
Krenzer, Theodor, Amtsgerichtsrat
Magdeburg
Banck, Frau Irmgard
v. Bülow, H. G., Oberſtleutnant a. D.
v. Donat, Helga, „Frau verw. Reg.⸗Rat
Gaedke, Frau Tierarzt
Grube, Frau Franziska
ag Charlie, Schweſter vom Roten
reuz
Papke, E., Regierungs⸗ u. Geh. Baurat
Schulze, Hans, stud. phil.
Mainz
Kräuter, F. A., Bankdirektor
Stimbert⸗ ⸗Gunderloch, Frau Maria
Mannheim
Strauß, Dr. Sigismund, Rechtsan⸗
walt
222 Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
Marburg (Lahn)
Chriſtenſen, Hans, cand. phil. aus
Dortmund .
Marienwerder (Weſtpreußen)
Steffenhagen, Dr. med. Karl, Reg.⸗
u. Med.⸗Rat
Melle (Hannover)
Oelrich, Frau Hertha
Oelrich, Emil, Buchdruckereibeſitzer
Merſeburg
Stößel, Otto
Meuſelwitz
Meyer, Heinrich, Fortbildungsſchul⸗
lehrer
Mosbach (Neckar)
Ottendörffer, Frau verw. Landge⸗
richtsdirektor Dr.
Mühlhauſen (Thüringen)
Flatter, Dr. phil. Otto Richard,
Stud.⸗Aſſeſſor
Herrmann, Wilhelm, Amtsgerichtsrat
Mülheim (Ruhr)
Adams, Frl., Lehrerin
Alliſat, Walter, Markſcheider
Antrop, Gertrud, Lehrerin
Apel, Karl, Leutnant a. D., Stud. d.
Chemie
Arends, Felix, Studienrat
Arndt, Robert, Dipl.⸗Ing.
Arnfeld, Adolf, Kaufmann
Auer, Frl. Helene, Jugendpflegerin
Baer, Horſt, Kaufmann
Ballhaus, Frau Lehrer
Bauer, Frau Zahnarzt E.
Bauer, Georg, Ingenieur
v. Bebber, Dr. Robert, Ohrenarzt
Becker, Ingenieur
Becker, Frau Chriſtian, geb. Lindgens
Becker, Ernſt, Hüttendirektor
Becker, Dr., Juſtizrat, Rechtsanwalt
u. Notar
Becker, Paul, Kaufmann
Bender, Luiſe, Lehrerin a
Berenbrock, Antonie, Zeichenlehrerin
Berendes, Kurt, Handlungsgehilfe
Berger, W., Diplom⸗Kaufmann
Bever, Elſe, Kettwigerſtr.
Bever, Elſe, Dickswall
Biſpinck, Frau Sanitätsrat Ottilie
2—BW' — a
.
* * —
— — *
Blank, Dr. Arthur, Arzt
Bleſius, Dr. med., Arzt
Blettner, Martha, Lehrerin
Blume, Carl, Ingenieur
v. Bock u. Polach, Hans, Kaufmann
Bölling, Ewald, Rektor
Böninghaus, Maria
Bohnes, Frau Louis
Borgwardts, Zeichenlehrer
Bottler, Studienrat
Boufſier, Moritz, Lehrer
Brandt, Oberingenieur
Braun, Hugo, Oberingenieur
Brettſchneider, Dr., Arzt
Breuer, Dr. phil. Paul Karl, Che⸗
miker
Broermann, Kaufmann
Broeſchen, Olga
Bromm, Ernſt, Landrichter
Broß, W., Dipl.⸗Ingenieur *
v. Bruch, Carl, Pfarrer
Brüggemeier, Herbert, Verw.⸗Gehilfe
Bruhn, Frau Oberingenieur Eliſe
Brunne, Max, Kaufmann
Buchen, W., Betriebsdirektor
Buchloh, Hermann ee
Buchmüller, Karl, Fabrikant
Buddemeier, Chriſtine, Lehrerin
Bulsmann, Lisbeth
Bungert, Emil, Kaufmann
Bungert, Erna
Burbach, Pfarrer
Burchardt, Julius, Lehrer
Buſch, Dr. Julius, Profeſſor
Caeſar, Johanna, Lyzeal lehrerin
85 va 7 * N
nnn
x 223
x 9 N
ee ee ee
3
el
Camphauſen, Anna, Geſchäftsinhabe⸗ 8 4
rin
Camphauſeu, Carl, Kaufmann
Cars, Auguſte
Chemnitz, Eliſabeth, Lehrerin
Chriſtmann, Geſanglehrer
Chriſtoffel, Apothekenbeſitzer
Claßen, Hans, Hauptmann a. D.
Cleff, J.
Cohn, Hanna
Comberg, Dr. Hugo, Arzt
Coupienne, Adeline N
Coupienne, Jean Baptiſt, Kaufmann
Coupienne, Ernſt, Fabrikant
Coquelin, M., Oberin des Kinderſol⸗
bades
Dahlmann, Kläre, Lehrerin
Dahmen, Georg, Prokuriſt
Degener, F. Walter, Kaufmann
Deicke, Dr. Karl, Amtsgerichtsrat
Denkhaus, C. Hch., Kaufmann
3
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E.
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Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 223
Dennenburg, Frl. Hedwig
Denzel, Dr. Alfred, Med.⸗Rat
Dibbern, Auguſt, Kaufmann
Dicke, Paul
Diepenbeck, Dr., Studienrat
Dilg, Frl. F., Chemo⸗Techn.
Döll, Dr. H., Studienrat
Droſt, Adolf, Direktor
Druſchel, Ernſt, Kaufmann
Dültgen, Richard, Major a. D.
Dupin, Dr. med., Arzt
Dupré, Franz, Kaufmann
Dyckerhoff, Dr. Ernſt, Fabrikdirektor
Ebbecke, Frau
Ebert, Käthe, Kontoriſtin
Eckell, E. Dorothea, Lehrerin
Eichholtz, Frau Chr.
Eichholz, Meta, Lehrerin
Eick, Karl, Kaufmann
v. Eicken, Frl.
Einert, Margarete, Lyzeallehrerin
Eiſterbrock, Maria
Elkan, L., Zahnarzt
Emmerich, Maria
Erdmann, Helene
Eſch, Karl, Photograph
Eſſer, Dr. jur., Rechtsanwalt
Ewald, Alfred, Ingenieur
Fabian, Dr. med. Rudolf, Sanitäts⸗
rat
Faelker, Elſe, Kontoriſtin
Fehlenberg, Auguſte
Fehlenberg, Melanie
Feldhaus, Dr., Juſtizrat, Rechtsan⸗
walt und Notar
Feldhege, Frau Anna
Feldmann, Hans, Kaufmann
Feldmann, Heinrich, Kaufmann
Feldmann, Hermann, Lederfabrikant
Feldmann, Dr.jur. Oskar, Kaufmann
Feldmann, Frau Paula
Feldmann, Frau Fabrikbeſ. Roſe
Fieſeler, Arthur, Kaufmann
Fiſcher, Geheimrat
Flaskamp, Frau E.
Flaskamp, Frieda
Förſter, Moritz, Leutnant a. D.
Förſter, Wilhelm, Kaufmann
Franke, Emilie, Muſiklehrerin
Freitag, Hermann, Kaufmann
Friedrich, Dr. Alfred, Chemiker
de Fries, Hildegard, Säuglings⸗
ſchweſter
Friſter, Hans, Arzt
Fritzſche, Richard, Bankdirektor
Fuglſang, H., Kaufmann
Funke, Friedrich, Oberingenieur
Funke, Paul, Studienrat
Gaaſch, Direktor
Gaſters jun., Dr. Ferd., Kaufmann
Gaſters, Dr. med., Med.⸗Rat
Geiersbach jun., Fritz, Bankdirektor
Gerhartz, Dr. med.
Gertz, A., Lehrerin
Gies, Hugo, Betriebsaſſiſtent
Giller, Direktor
Gith, Hans, Lehrer
Gleim, Frau, Schneiderin
Goedecke, Apotheker
Goedecke, Eliſe, Privatlehrerin
Goldmann, Dr. Hans, Stadt⸗Aſſ.⸗Arzt
Goſſe, Frl. Olga
Gothot, Tia
Gottſchalk, O., Lehrer
Gronenberg, Mathilde, Dipl.⸗Kauf⸗
mann
Grotſtollen, Heinrich, Gymnaſial⸗
lehrer
Grundies, Editha, Lehrerin
Gutſche, Guſtav
Haag, Frau Dr. S.
Haas, Fritz, Paſtor
Hebe Theodor, Kaufmann
aberland, Auguſte, Buchhalterin
Hachmann, Johanna
Hägele, Tilde
Hahn, Erna, Privatſekretärin
Härle, Direktor
Hammann, Kaufmann
Hammenſtein, Walter, Kaufmann
Hanau, H.
Hanemann, Theodor, Kaufmann
Hartmann, Julie, Lehrerin
Hartung, Carl, Kaufmann
Haſenbeck, Irene
Haun, Käte, Lehrerin
Haußels, Hermann, Lehrer
Heckmann jun., Franz, Kaufmann
eer, Anna, Lehrerin
Hegeuböhmer, Wilhelmine, Lehrerin
Hegner, Martin, Buchhändler
Heidſick, Marianne, Muſiklehrerin
Heilbrunn, Dora, Photographin
Heilmann (i. d. Buchdruckerei Marcks)
Heimannsfeld, Dr. Karl, Arzt
Heinen, Mathilde, Lehrerin
Heinz, Dr. Wilhelm, Arzt
Heinzerling, Dr. phil. Otto, Stu⸗
dienrat 85
Helbing, Eliſabeth, Volksbibliothe⸗
kari
arin
Helfer, Frau verw. Karl
224 Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
Heller, Karl, Molkereiinſpektor
Hennenbruch, Wilhelm
Henning, Erna, Buchhalterin
ennings, Profeſſor Dr.
e Guſtav, Lehrer
Heudorfer, Dr. rer. pol.
Hinz, Max, Buchhändler
Hobirk, Fräulein
Höffgen, Mia
Höfmann, Anna, Kindergärtnerin
Höfmann, Otto, Kaufmann
Hoffmann, Hans, Architekt u. Ge⸗
ſchäftsführer
Hoffmeiſter, Emilie, Lehrerin
Hohmeyer, Carl, Ingenieur
Hollender, Cläre, Lehrerin
Holz, Anton, Kaufmann
Holzwartz, Hans, Dipl.⸗Ingenieur
Hoosmann, Beigeordneter
Horſt, Dr.
Hütgens, Peter, Kaufmann
Hungeus, Agnes, Lehrerin
Hunne, Albrecht, Dipl.⸗Ingenieur
Hupe, Heinz, Lehrer
Huppert, Wilhelm, Bergwerksdirektor
Jaenigen, Karl, Kaufmann
Jaenigen, Paula
Ibing, Frau Brauereibeſitzer Hugo
John, Dr. M., Chefarzt
Jonas, Frau Kaufmann Carl
Jonas, Dr.
de Jong, Helene, techn. Lehrerin
Iſſel, Dr. Emil, Studienaſſeſſor
ter Jung, Friedr. Heinr., Kaufmann
Kalb, Elfriede, Privatſekretärin
Kantelberg, Frau E.
Kaſſack, Friedrich, Bankprokuriſt
Kaufmann, Guſtav, Kaufmann
auf dem Keller, Hermann, Lehrer
Kellermann, Meta, Lehrerin
Keßler, Direktor
Kiehl, Emilie
Kirchberg, Guſtav, Lehrer
Kirchrath, Hermann, Oberingenieur
Kiſtemann, Paul, Bankbevollmäch⸗
tigter
Klein, Heinrich, Bankbeamter
Kleinen, Hermann, Kaufmann
Kleinert, Heinrich, Fabrikant
Kleinheiſterkamp, Guſtav, Lehrer
Kleinkemp, Elfriede, Buchhalterin
Kleinkemp, Frau Willi
Klewer, Hugo, Kaufmann
Klewer, Wilhelm, Rektor
Klingenberger, Emma, Bankbeamtin
Klingenburg jun., Bankbeamter
Klinkhardt, Paul, Dipl.⸗Ingenieur
Kloſter, Frau Käte
Klusmann, Frau Anny
Klusmann, Wilhelm, Kaufmann
Kneip, Joſef, Studienrat
Kneuper, Otto, Gymnaſialdirektor
Knippen, Dr. Rudolf, Studienaſſeſſor
Kober, Friedrich, Gymnaſiallehrer
Koch, Emil, Oberingenieur
Koch, Frl. E.
Kochs, Guſtav, Fabrikbeſitzer
Köhne, Frl. Helene
Kolkmann, Frl. Mimy
Konrad, Wilhelmine, Lehrerin
Korbowicz, Rektor
Kraatz⸗ Heckmann, Frau Clara
Krack, Profeſſor
Krauſe, Martha, Lehrerin
Krauſe, Werner, Kaufmann
Kröner, R., Dr.⸗Ing.
Kronenbach, Henny, Fürſorgerin
Kühn, Frau J.
Kürth, Erich, Ingenieur
Kunze, Johannes, Dipl.⸗Handels⸗
lehrer
Kunze, M., Oberſchweſter
Laeſchke, Bruno, Kaufmann
Lätſch, Rudolf, Muſikdirekor
Lampe, Frau verw. Direktor
Lang, A., Rektor a. D.
Lange, Walter, Kaufmann
Langer, Stephan, Gärtner
Langmann, Fritz, Lehrer
Langner, Elſe, Lehrerin
Lankhorſt, Max, Kaufmann
Larbig, Caroline, kaufm. Angeſtellte
Lauber, Otto, Markſcheider
Lauf, Julius, Verwaltungsdirektor
Laupert, Ernſt, Lehrer
Leffmann, Frl. Silvia
Lehnhoff, Hans, Schriftleiter
Lempke, Frau Oberbürgermeiſter M.
v. Lemmers⸗Dauforrth, Reg.⸗Baurat
Lenzen, Heinrich, Kaufmann
L'hoeſt, Frl. Eliſabeth
Lichfeld, Hermann, Apotheker
Lindemann, Dr. med. Karl
Lindermann, Frl. Elfriede
Lindgens, Gertrud, Rentnerin
Lindgens jun., Frau Ludwig
Lindow, Paul, Bankbevollmächtigter
Lippert, Dr. med., Arzt
Loos, Dr. Wilhelm, Beigeordneter
Lorenz, Dr. Paul, Arzt
Lucas, Frl. Juliane
Ludwig, Dr. Johannes, Studienrat
FE
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Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 225
Luhr, Martha
Luther, Dr., Studienrat
Maaß, Dietrich, Kaufmann
Maaß, Käthe, Städt. Fürſorgerin
| Maduſchka, Ludwig, Dipl.⸗Ing., Ober⸗
ingenieur
Mannheimer, Juſtizrat
Manns, Käthe, Laborantin
Marcus, Leo, Kaufmann
Marks, Frau Selma
Maßmann, Dr. Werner, Hautarzt
Mattonet, Anna, Lehrerin
Maxrath, J., Prokuriſt
van Meetern, Direktor
Meiſenkothen, Frl. Berta
Mellinghoff, Carl, Kaufmann
Mellinghoff, Hermann, Kaufmann
Mewes, Luiſe, Lehrerin
Meyer, Auguſte, Kaufmannsgattin
Meyer, Dr. Friedr., Schlachthofdirekt.
Meyer, J., Kaufmann
Meyer, Martha, Gärtnerin
Meyer, Martin, Bankprokuriſt
Meyer, Melly
Meyer, Rudolf, Ingenieur
Meynen, Hermann, Kaufmann
Mirow, Frl. Hanna
Möhlenbeck, Wilhelm
Moll, Hermann, Praktikant
Molle, Erich, Oberſtleutnant a. D.
(Duisburg)
Mühlendick, W., Landwirt
Müller, Frau Emmy geb. Schmidt
Müller, Franziska, Lehrerin
Müller, Mathilde, Lehrerin
Münch, W., Kaufmann
Natorp, Frl. Marie, Lehrerin
Natorp, Oskar, Kaufmann
Natorp, Frau Ida
Nedelmann, Frau Carl
Neuendorff, Frau Oberrealſchuldirek⸗
tor Kläre
Neuhaus, Bruno, Inſtallateur
Neuhaus, Frl. Franziska
Neumann, Frau Dr.
Niebel, Ernſt
Niedermeyer, Dr., Studienrat
Nies, Karl, Lehrer
Noevermann, Fritz
Nollenburg, Dr., prakt. Arzt
Oberheid, Dr. Heinrich, Dezernent im
Zechenvorſtand Eſſen
Oertmann, Friedrich, Geh. Juſtizrat
Ohle, Otto, Bankdirektor
Otto, Clara, Lehrerin
Pade, Hermann, Rektor
VIII
Pappit, Dipl.⸗Ingenieur
Peppinghaus, Hubert, Büroaſſiſtent
Perge, Friedr., Oberingenieur
Peter, Karl, Kreisſchulrat
Peters, Hans, Bankdirektor
Peterſen, Dr. phil. Jürgen Karl,
Studienrat
Pieper, Frl. Gerta
Pieper, Frl. Grete
Pietſcher, Studienrat
Piſtorius, Margarete, Kontoriſtin
Pleß, Frau Martha
Pohl, Frau Eliſabeth
Pohl, Frl. Klara
Pohlmann, Wilhelmine, Lehrerin
Pratje, Otto, Leutnant a. D.
Prömper, André, Kaufmann
Pungs, Ewald, Buchhändler
Quehl, Frl. Luiſe
Rahmann, Wilhelmine, Lehrerin
Rating. Anna, ſtädt. Fürſorgerin
Redeker, Johanna, techn. Lehrerin
Rehmann, Frau Fritz
Reiermann, Aloys, Lehrer
Ricken, Dr., Amtsgerichtsrat
Röder, Dr. Karl, Dipl.⸗Ingenieur
Röſch, Karl, Kaufmann
Rohland, Frl. Frieda
Rolf, Eliſabeth, Schülerin
Roos, Hermann, Oberingenieur
Roſe, Franz, Schriftſteller u.⸗Leiter
Roſer, Heinr., Dipl.⸗Ingenieur
Rottberg, Frau Gerichtsrat
Rottmann, Wilhelm, Kaufmann
Rudolphie, F.
Rudorf, Gertrud, Bibliotheksgehilfin
Rühl, Walter, Kaufmann
Rühl, Wilhelm, Kaufmann
Rüping, Dr., Sanitätsrat
Saam, Eliſabeth, Lehrerin
Sandmann, Elfriede, techn. Lehrerin
Sandmann, Eliſabeth, Lyzeallehrerin
Sauerland, Guſtav, Bankdirektor
Schacht, Ernſt, I. Beigeordneter
Schallenberg, Dr. A.
Schauland, Gertrud, Lehrerin
Schlenſtedt, O., Oberingenieur
Schlüter, Hans, Direktor
Schmidt, Reichsbankdirektor
Schmidt, Dr. Alfred, Beigeordneter
Schmidt, Elſe, Lehrerin
Schmidt, Lilli, Lehrerin
Schmidt⸗Köppen, Kaufmann
Schmits, Henriette
Schmits, Rudolf, Juſtizrat
Schmitz, Frl. Pia
15
226
Schmitz⸗Lindgens, Frau Dr.
Schmitz⸗ Scholl, Kommerzienrat
Schneider, Friedr., Ingenieur
Schnidder, Hermine, Lehrerin
Schöll, Hans, Gerichtsaſſeſſor
Schöndorf, Frau Fanny
Schonlau, Juſtizrat
Schriever, Auguſte, Diakoniſſin
Schröder, Frl.
Schroer, Frau Maria
Schubart, Joachim, Leutnant a. D.,
Kaufmann
Schüler, Wilhelm, Muſiklehrer
Schüller, Eva, Dipl. Handelslehrerin
(Duisburg)
Schürholz, R., Kaufmann
Schürmann, Frl. Annie
Schürmann, Otto, Kaufmann
Schütz, Guſtav, Landmeſſer
Schultin, Agnes, Buchhalterin
Schultz, Frl. Margarethe
Schwartz, W., Fabrikdirektor
Seul, Frl. Cläre
Seyfried, Studienrätin
Sieburg, Prokuriſt
Sonnenſchein, H., Lehrerin
Sopp, Frau F.
Sorge, Paul, Stadtbauingenieur
Spering, Wilhelmine, Tel.⸗Betr.⸗Aſſ.
Staat, Eliſe, Direktorsgattin
Stamm, Dr. phil. Eugen, Studienrat
Stamm, Rudolf, Studienrat
Stamm, Frau Johanna
Steinhaus, Max, Kaufmann
Stens, Emil, Bergaſſeſſor a. D.
Stinnes, Kommerzienrat
Stinnes, Frl. Deſirée
Stinnes, Guſtav
Stinnes, Hugo
Stinnes⸗Weſtermann, Frau Adeline
Störing, Octavie, Lehrerin
Stoffel, Lehrer
Straeſſer, Paul, Kaufmann
Strauch, Georg, Lehrer
Stuelp, Dr., Profeſſor, Augenarzt
Suhnel, Theodor, Architekt B. D. A.
Tepel, Frau
Tepel, Frau Dore
Terjung, Friedr., Kaufmann
Terjung, Paul, Lehrer
Ternieden, Wilhelm, Lehrer
Thaesler, Frl. Anna
Theiſen, Frl. Hermine
Thielen, Frau Hedwig
Thomas, Hermann, Amtsrichter a.D.
Thomas, Dr., Apotheker
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
| Thyſſen, Hans, Kaufmann
Thyſſen, Willy, Kaufmann
Tillich, Frau Margarete
Traub, Lina, Heimleiterin
Traut, R., Betriebsdirektor
Tropſch, Dr. Hans, Chemiker
Truſchta, Richard, Abt. Ingenieur.
Tünsmeyer, Dr. Heinrich, Arzt
Unterhöſſel, Ernſt, Lederfabrikant
Unterhößel, Wilhelm, Fabrikant
Urbanczyk, Georg, Betr.⸗Ingenieur
Urff, Erich Studienaſſeſſor
Vetter, Elſe, Lehrerin
Vielhaber, Toni, Aſſiſtentin 7
Wächter, Dr. med. Friedrich, Arzt
Wagner⸗Sankar, Frau San.⸗Rat
Wallmann, Carl, Direktor
Walter, Frl. f
Weber, Fritz, Geſchäftsführer
Wefelnberg, Martha, Lehrerin
Weinrich, Dr., Arzt
Welke, Marie, Studienrätin
Weuſte, Frau Chr.
Wentſcher, Dr., Arzt f
Werner, Hugo, Oberingenieur
Werth, Hans, Oberingenieur
Werth, Frau a
Weth, Heinrich, Fabrikdirektor
Wiegand, Conrad, Landmeſſer
Wilhelmi, Heinrich, Fabrikant
Wilhelmi, H., Fabrikant
Wilke, Frl. Mia a
Willner, Frl. Trude
Winnesberg, Wilhelmine
Wiſchendorf, G., Ingenieur
Witt, Lotte, Lehrerin
Wöldicke, Ernſt, Betr.⸗Ingenieur
Woiſin, Frl., Lehrerin
Woldt, Frau Paula geb. Horn
Wolff, Johannes, Buchhändler
Wollenberg, Anna, Lehrerin
Woller, Eliſabeth, Lehrerin
Zarnikow, Richard, Fabrikant
Zenſen, Maria
Zimpel, Guſtav, Kaufmann
Zinn, Wilhelm, Direktor
Zſchieſche, Goldmacher 5
Zſchieſche, Adolf Wilhelm, stud. ehem.
München
Arndt, Dr. Paul, Profeſſor, Privat:
gelehrter
Bach, Rudolf
Bauer, Karl, stud. phil. er
Buttmann, Dr. Rudolf, Oberbiblioe -
thekar we
En, Frau Ricarda
Loewe, Erich, cand. phil.
Magdeburg, Dr. W.
Muthmann, Wilhelm, stud. phil.
Reim, Bankier
Sämmer, Clemens, Kaufmann
ben Marie, Bankbeamtin
Schweitzer, Ignaz, Antiquar
Steiger, Frl. Käthe, Studienrat
Münſter (Weſtfalen)
ten Hompel, Dr. Auguſt
Naugard (Pommern)
Brachmann, Heinrich, Paſtor a. D.
Naumburg (Saale)
Burkhard, Rechtsanwalt
Kiel, Jeſſen, Rechtsanwalt
Neu⸗ Babelsberg
Friedlaender, Felix, Ingenieur
Neukölln b. Berlin
Genutat, Antonie, Telephoniſtin
Neuſalz (Oder)
Schlüter, Viktor, Rechtsanwalt und
t
er Neuſtrelitz
Mohr, Loni, Frau Dr. med.
Neu⸗Wegersleben
(Bez. Magdeburg)
Kappelmeyer, Frl. Erna
Nörten b. Göttingen
Breitenbach, Hubert, cand. phil.
Nürnberg
Gerlach, Dr. med. V
Heckel, Adolf, Hoſſchauſpieler a. D.
Oberilm b. Stadtilm
Moeller, Frau Margarethe
Oberweimar
Roſt, Carl, Pfarrer i. R.
Oels (Schleſien)
Bielſchowsky, Frl. Marianne
Bielſchowsky, Frl. Hanni
Oeſe (Kreis Iferlohn)
Vogt, Carl, Fabrikbeſitzer
Offenbach (Main)
Katzenbach Wilhelm, Oberleut. a. D.
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 227
Paſing b. München
Lerch, Dr. Eugen, Univ.⸗Prof.
Pirmaſens (Rheinpfalz)
Bernfeld, Felix, Kaufmann
Plauen (Vogtland)
Günther, Dr. Ernſt, Oberſtudienrat
Potsdam
Berger, e am Ob⸗
ſervatorium
Hartmann, Georg, Studienrat
Schloß Pretzſch (Elbe),
Bez. Wittenberg
Starke, Frau Käte
Putbus auf Rügen
Kehrl, Rudolf, Studienaſſeſſor
Raſchwitz b. Leipzig
Hempelmann, Dr., Profeſſor
Rathenow
Buchholz, Robert, Direktor
Regensburg
Hofmann, Elſe, Hauptlehrerin an der
ſtädt. höh. Mädchenſchule f
Rendsburg
Heeſchen, Paul, Kaufmann
Roſtock (Mecklenburg)
Schulenburg, Agnes, Lehrerin
Rothenkirchen (Vogtland)
Kallas, Dr. med. Herbert, prakt. Arzt
Rudolſtadt
Hotz, Dr. W.
v. Ketelhodt, Gerd Freiherr, Vorſtand
des Landesarchivs und der Landes⸗
bibliothek
Saarbrücken
Koehler, Dr. jur. Karl, Geh. Juſtiz⸗
rat, Landgerichtsdirektor
Saleske (Kr. Stolp, Pommern)
v. Below, Frau Annie, geb. v. Herder
Schandau
Meuſel, Dr. phil. Walter, Chemiker
157
228
Scheidegg (Bay. Allgäu)
Stehle, Joſef, Bankbevollmächtigter
Rittergut Schöneiche
bei Friedrichshagen
Lyons, G., Major a. D.
Schreiber hau (Rieſengeb.)
Bölſche, Wilhelm, Naturforſcher
Schwarza (Kr. Schleuſingen)
Kutſchelis, Frieda, Schweſter, Kreis⸗
fürſorgerin
Sondershauſen
Harwardt, Margarete, Oberlehrerin
Kelm, Frl., Oberlehrerin
Pohle, Walter, Oberlehrer
Stettin
v. Dörnberg, Emmy, Freifrau
Müller, Frau Alice
Müller, Hans, Fabrikbeſitzer
Schroeder, Karl, Juſtizoberſekretär
Steudnitz b. Dorndorf (Saale)
Ollendorf, Fabrikbeſitzer
Ollendorf, Frau Fabrikbeſitzer
Tabarz (Thür.)
Zoozmann, Richard, Schriftſteller
Tamſel b. Küſtrin
Silex, Frl. Elſe
Tilſit
Gieſe, Fritz, Sanitätsrat
Traunſtein
Weingarten, Ernſt, Bankdirektor
Trier
Loeb, Sigmund
Tübingen
Dahm, Otto, stud. theol.
Uelzen
Wedemeyer, Frau Dr. Luiſe
Unna
Freytag, Karl, Poſtdirektor
Velbert (Rheinland)
Lillotte, Dr. med. Wilh., Arzt
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder
Waldheim (Sachſen)
Pfeifer, Arthur, Lehrer
Weimar
Becher, Max, Rendant
Bergmann, Dr. Ernſt, Spezialarzt
für Haut⸗ u. Geſchlechtskrankheiten
Bernhardt, Staatsanwalt
Chemnitius, Carl, Dr. jur., Bezirks⸗
kommiſſar
Dietrich, Frl. Marlene
Eggert, Frau verw. Geh. Baurat
Flöl, Maria, Redakteurin u. Schrift⸗
ſtellerin
Graf, Friedrich, Poſtſekretär
Guthery, Frau Regiſſeur a. D.
Krüger, Frl. Anna, Schauſpielerin
Martin, Frl. Dora, Kunſtgewerblerin
Mehler, Frl. Amanda, Schauſpielerin
Mitſchke, Frau Archivrat Ellen
Müller, Frau Reg.⸗Baumeiſter Elſe
Mueller, Dr. W. F., Oberbürgermſtr.
Neuffer, Frau Hildegard
Oelsner, Frau Tina
Ortloff, Dr. Ernſt, Regierungsrat
Perrin, Frau A.
Primaveſi, Frau Margarete
Roſt, Frau Lina
Schmidt, Carlos, Rentner
Schmidt, Frau verw. Amtsger.⸗Rat
Marie
Stadtgemeinde Weimar
Stange, Frl. Margarete
Telchmann, Willy, Schauſpieler a. D.
Thanel, Frau Berta
Wellendorf b. Osnabrück
Ballhauſen, Hans
Werden (Ruhr)
Klövekorn, Dr. H., Studienrat
Weſſentin b. Lübz (Mecklenburg)
Vick, Hans, Lehrer
Wetzlar
Beeck, Bankdirektor
Beeck, Frau Bankdirektor Clara
Kanter, Frl. Marie, Studienrat
Lang, Dr., Rechtsanwalt
Roth, Dr. Ludwig, Bankdirektor
Seher, Ludwig, Oberlehrer a. D.
Wiesbaden
v. Mutzenbecher, Dr. Kurt
Be
4
5
2
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 229
Witten (Ruhr) Wolfenbüttel
Cziske, Grete, Bibliotheks⸗Aſſiſtentin Block, Carlos, Oberzollinſpektor
Wittenberg Zwickau (Sachſen)
Hoffmann, Frau Rechtsanwalt Jäckel, Bergwerksdirektor
Deutſch-Oſterreich
Baden b. Wien Wien
v. Juriskovic⸗Hagendorf, Melitta, Dollmeyr, Dr. Viktor, o. ö. Univ.⸗
Frau Major Profeſſor
4 Jockl, Dr. Alfred, Rechtsanwalt
St. Gilgen b. Salzburg Seidel ſche Sort.⸗ Buchhandlung (O.
Mauracher, Friedrich, Maler 1 ni unge Co.)
8 rich, Berthold, Kaufmann
v. d. Trelde, Fred Robert, Schriftſteller
und Verleger
Tſchecho-Slowakei
Prag Reichenberg
Zilchert, Rob., Senior, Profeſſor D. Fernegg, Dr. Rudolf, 1. Sekretär des
Dr., Pfarrer der deutſchen evang. Verb. nordböhm. Induſtrieller
Gemeinde
Schweiz
Baſel Winterthur
Edler, Ilka, stud. phil. Hirt, Dr. Ernſt, Profeſſor a. d. Kan⸗
Knuchel, Dr. E. F., Feuilleton⸗Redak⸗ tonsſchule
teur d. Baſeler Nachrichten
Wieland⸗Burckhart, Frau Profeſſor | Zürich
Emil Leber, Hermann, Sekundarlehrer
Pura, Teſſin Speidel, E., i. Fa. Speidel & Wurzel,
Kronecker, Frl. Eliſabeth Buchhandlung.
Dänemark
Kopenhagen Marcus, Aage, Bibliothekar
Berendſen, Ivan, Toldinſpektor Meyer, Raphael, Bibliothekar
Clauſen, Frl. Chriſtine, Inſpektorin Philologiſch⸗hiſtoriſches Laborato⸗
Fiche, 5 1 ee > rium der Univerſität
Lampe, Paſtor Raehlen, Anders, Komponiſt
England
Edinburg Rocheſter
Schulze, Otto, i. Fa. Wilſon Roß & Lomb, Karl F.
Comp.
London
Japhet, Saemy
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—
N nen Mi tglieder
Fiunland 3 3
Forſſa
Monthen, O. A.
Holland
Amſterdam
de Buiſonjé, J. C., Oberlehrer
Polen |
Bromberg Warſchau
Plaſſe, Heinrich, Stadtrat Germaniſches Seminar
Schweden
Stockholm Fe
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v. Edelſtam, Anna, geb. Hierta Königl. Univerſitätsbibliothek
5 Oswald, Oberſt⸗Leut. i ee
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Conſtantinopel 5
Meldjanopoulos, Dr. Branko, Juriſt und Schriftſteller Fer
China
Peking a =
Peterſen, V., Ingenieur ers
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St. Louis (Mo a
Cornitius, Felix, Rechtsanwalt
New Haven (Conn.)
Schreiber, C. F.
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Antonini, Fauſtina A. . . 162
—, deren Sogn 162
Antonius von Padua, 86 159 81
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Blücher, G. L. v., Fürft. 63
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Bodenſtedt, SSS o o 40. 47
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Brandenburg, Friedrich a
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Brätranek, F Th. 136
Braunſchweig, Heinrich der Löwe 194
Braunſchweig⸗Oels, Herzog
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Brio, RA 778
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Chim. 81 Filippo, F. A. di 171
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Chriſtliche Kirche 23/4 Fische E . ee 136
Chriſtus ſ. Jeſus „ R.. 136
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Commichau, Tm. 40 181
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de 190 — Stiädelſches Inſtitut . 159
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Frankreich 31/2. 36. 73. 82/3. 1123.
Dalberg, W. H. vd. 182 116. 183. 185. 190. 192
T 79. 202 —, Napoleon I. 33. 35. 48. 116.
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C 77. 111 Franz v. Ait. Hi
Deutſchland, deutſch, Germanen Freiburg (Schweiz ....
26. 31. 35. 41. 87. 89/93. 171/3. Fritſch, Konſtanze Gräfin v. 100
180. 182. 183/92. 194 5. 202 Friedberg (Wetterau)
C 29.32 Friedlaender, M........ 5260
Diez, H. 5 De 75 Frommann, K. F. E. 143. 146
Dittersdorf, K. Do 53/4 —, Allmina 61/2. 66
Döbereiner, J. W. 135 —, Familie, in Jena... 61. 68
Domenichino ſ. Zampieri Frommannſche Buchhandlung . 61
FTP 33.35 Funke, K Ph): 153
5 C 46 Furka, Alpenpa jj 81
„ ĩᷣ v 46
T ER 136: Gans, . 42
Dresden IV. 34½5. 171 Gehlen, . 140
Drujenheim o 778 Gehler, J. S. .. . 136
Du Bois⸗Reymond, . 136 Geitel, MWM. 141
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Ehrmann, J. W . 78 Geßner, 9 F 175%
Eichſtädt, H. K. A... 64 —, Charlotte geb. Wieland . 1435
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England 31. 86. 141. 155. 175. 191 Göttling, J. F. M.. 141
C 48. 155. 184 Gogol, 4. 41
Eule, . 135 Gotter, F. W. 49.51
Eybenberg, Marianne v., geb. 3 Ob. ee 190
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Hardenberg, F. L. v. (Novalis) 137/9
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Harz⸗Gebirgne 49. 79/80
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Hebbel, N 95/131. 195
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Hertz, W., Landgerichtspräſid. 61/70
—, W., Verlagsbuchhändler 261
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K. D.. 154 Huſchke, W. E. Cĩů g. 153 /5
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Griechenland 15. 29. 86. 112/3. Iffland, A. W. 156. 184. 187. 189.
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Grillparzer, W. / 79
Grimaldi, F. Mm. S e A a a 83/4
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Italien 9. 15. 25. 31. 52. 60. 75.
Hackert, 5 RE RTL 30 81. 159/62. 202
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167/9. 175. 184. 193
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Johannes, Apoftel....... 22
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—, Karl Auguſt I. 29. 38. 42. 46.
63. 79/80. 82/4. 142/3. 146/7. 155.
167/8. 185. 190. 193
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—, Karoline Luiſe ſ. .
—, Karl Friedrich 38
—, Maria Paulowna .. 37/8. 153
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236 Regiſter
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Schelling, F. W. J. 45. 137/8.
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Schiller, F. v. 7. 10. 16. 20. 33/5.
43. 83. 88. 90. 102. 116. 123 /6.
128. 135. 138. 177/95. — Briefe
an: Goethe 11. — W. v. Humboldt
194. — Iffland 194. — An
Goethe (Prolog zu Mahomet)
190. — Balladen 36. — Briefe
über die äſthetiſche Erziehung
179/80. 184. 192. — Demetrius
123. 191/2. — Die Braut von
Meſſina 188. 191/3. — Die Jung:
frau von Orleans 116. 118.
191/3. 195. — Die Künſtler 188.
— Die Malteſer 185. — Die
Räuber 45. 181/2. 184/5. —
Deutſche Größe 195. — Don
Carlos 183/4. 188. — Fiesko 45.
184. 187. — Maria Stuart 5
191. 193. — Phädra 190.
Über Anmut und Würde 184. —
Wallenſtein 179/80. 188/9. 191/2.
— Was kann eine an ſtehende
Schaubühne eigentlich wirken?
181/2. 184. — Wilhelm Tell 45.
191/3. 195. — Xenien 185.
Horen 185. — Bearbeitung des
Egmont 184. 186/7., der Iphige⸗
nie 187., des Nathan 190
Schinkel, K. „„ 194
Schlegel, A. W. . 105. 137%
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Schorcht, Karoline, Wielands
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Schorcht, Amalie 152/5
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Schubert, G. . 141
Schultheß, Barbara 62
Schultz, Ch. F. L. 67
Schwarzenbach 174/5
Schweden 165
—, Guſtav Adoll; Ww. 194
Schweigger, J. S. C0 135
Schweiz 35, 81. 170. 175
Schwendimann, K. J. 3
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Seebeck, Th. J 136/7. 1412
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Seidel, Ph. . 60
Semiramis. 29. 31. 33
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Shakeſpeare, W. 85 4203. 106/7.
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Romeo und Julie 106. 128. —
Othello 106/7. — Macbeth 109/10.
123. 190. — Hamlet 155. —
Julius Cäſar 193
Shukowſki, W. . 34/7. 39. 45
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—, — Mutter 34
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Sizilien . . . 9. 81/2. 114. 171
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Sömmering, S. Th. vo. 136
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Sondershauſen 2
Sophokles . . 109/11. 191/2. 195
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Spanien 52. 118
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Speyerer, .. 141
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Spinoza, B. 9. 12/3. 20. 23.
Stadelmann, J. K. W 28: 85
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Stark, J. Ch. d. a. 147
Steffany, G. Ce. 146
Steffens, G... 137/8
Stein, Charlotte A. E. v.,
geb. v. Schardt 60. 78. 80. 90.
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Stockholm e 165%
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Strauß⸗Schebeſt, Agnes .... 208 Wahle, N) N a IV. 44. 166
Erromeyer, 3.0 000 Busse scher, K. N v. 129
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Süvern, J. W. 192 63. 79. 82/5. 142. 145/7. 159.
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PVC 181 1935. 201/2. 205. — Hoftheater
Szymanowſka, M. 39. 46 52. 177/95. — Wittumspalais IV.
s — Bibliothek 159. 168/9. —
JT 82 Park 175
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PFF» ccc 165/7 Weiße, . 52. 60
Textor ſ. Goethe⸗Regiſter: Großvater Werder, . 42
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Thorn 192 Wernigerode 80
Thüringen. 79 Wetzlar 1 79. — Lottehaus 202
Tieck, . 25 138 Wehland, F. 4. 77/8
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210 8 175/6. 184. 193. 202. 210
A F. J. JJ) ò ͤ³VIV’ivC 8 152/5
Tolſtoi, A „Graf 2 8 46
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Tſchaikowsky, PVP. Willemer, Marianne vs. 205
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Türckheim, A. E. v., geb. Schöne Winckelmann, J. J. 15. 160. 162
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Wohnhaus in Frankſurt . 77. 79
Gartenhaus am Stern . . 167
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Sammlungen 202. — Mineralien⸗
ſammlung 30. 48. — Phyſikaliſche
Sammlung 142. 147/50. — Bo:
taniſche Sammlung 142.—
Phyſiologiſche Sammlung 142.
Beiträge zur Optik 135
Belagerung von Mainz . 83
Bowring: Servian popular
poetry
Briefe 84. 141. — an: Behriſch 76.
— Bertuch 165. — Brion,
Friederike und Sophie 78. —
Eybenberg, M. v. 38. — Fritſch,
Konſtanze Gräfin v. 165/6. —
Goethe: Chriſtiana 167; Cornelia 76.
— Herder 82. Jacobi, F. H. 23.
— Reichardt 52. 59/60. — Renner
167. — Ritter 140. — Fachſen⸗
Weimar, Karl Auguſt 167.
— Mad. de Stasl 208. —
Sbein Charl. v. 60. 78. 80. 162 7
— Stolberg, Auguſte zu 25. —
en v. 62/3. — Uwarow 44/5.
— Voigt d. ä., E. G.
1580 — Zelter 19. 62. 136. —
Freunde in Weimar 170
Briefwechſel mit: Gotter 49. —
Meyer 202. — Schiller 83. 180
187. — Schultz 67
Campagne in Frankreich
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Die Geheimniſſe Dichtung). 28
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Die ſchönſten Ornamente und
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Farbenlehre 64/5. 68/9. 135/06. 142
Tauft 6. 17. 19/20. 22. 25. 39.
42. 43. 181. — Vorſpiel auf dem
Theater 180/1. — I. Teil 11. 42/3.
45/6. 49/51. — II. Teil 21/2.
26. 31. 36. 47. 49. 205; Akt III
Hana 36. 191. — Urs Kauft
49/51
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Freiſinn („Laßt mich nur“). . 87
WW 43. 71
Geſpräche mit: Eckermann 8. 22/25.
27. 29/31. 38. 85/6. — Kieſer 63.
— Koſchelew 37. — Kügelgen,
Frau 34. — Müller, Kanzler 33.
36. — Napoleon I. 48.
Perowſky 38. — Reutern, v. 35.
— Riemer 8. — Schopenhauer,
Arth. 64/6. — Shukowſki 35/6. —
Simſon 28. — Tolſtoi, A. 38
[Goethes Feder an Puſchkin! . 39
Götz v. Berlichingen 19. 33. 72.
182/4. 187. 190
o 61/70
Grabſchrift 1774 ſ. „Ich war ein
Knabe“ uſw.
„Grün iſt der Boden der Woh⸗
— rn 82
Hanswurſts Hochzeit 30
Harazeiie im Winter (Gedicht) 80
V 80
„Ich war ein Knabe warm
FFF 62. 70
Jyphigenie auf Tauris 21/2. 173.
180. 183/4. 186/7
Italieniſche Reife 15. 30. 81. 160/1.
170. 203 :
Kunſt und Alterrum 80
TTT 61/70
Literatur⸗Geſprähga r. 48
Ludwig Tiecks dramaturgiſche
CCCCCCVVVVVVVVCT 89
Mahomet (nach Voltaire) .. . 190
Mahomets Gelfang -.... .- 92
Maximen und Reflexionen 62
Morphologie der Pflanzen (Bil⸗
dung und Umbildung orga⸗
niſcher Naturen) 8/9
II. Goethe
„Natur und Kunſt, ſie ſcheinen
ich zu fliehen“
elle
Notizbuch von der Schleſiſchen
N SE RL RL 46
„Nun ſitzt der Ritter“ 78
JJC 201
Olfried und Liſenn an 27
Aae und Neoterpe 20
Philipp Hackert 30
Prolog zur Eröffnung des Ber⸗
linen Theater?s?s 179/80
Regeln für Schauſpieler . 188
Römiſche Eleginie 36
Röman nenen e 71. 75
‚Schritten d 8 52
Sprüche in Verfſenn 62
Tagebücher 38. 62. 64. 67. 71. 84.
142. 166/7
Tag⸗ und Jahres⸗Hefte IV. 23. 65.
67. 79. 85. 141/½. I,
Tancred (nach Voltaire). 186
Tiſchbeins Idyll 79
Torquato Taſſo 19. 25. 181. 187/5
über die verſchiedenen Zweige
der hieſigen Tätigkeit 83
e 12
Vermächtnis 13. 18/9
„Wär nicht das Auge “.. 14
„Was ich mich auch 39
„Was wär' ein Gott“ .... 12
„Weite Welt und breites Leben“
Wer Wiſſenſchaft und Kunſt
Benkeir ei.
Werke Cotta? 61/2. — Werke Gotta ®
36
a 19. 25. 29. 31/3. 49. 79.
wet öſtlicher Divan 64. 75. 85.
1555 — Noten und Abhandlungen
Wilhelm Meiſter: e .
dung 183. — Lehrjahre 18/9 -
80. 184. — Wanderjahre 20 l. 24.
75. 84/5. — Der Mann von funf⸗
zig Jahren 85
Willkommen und Abſchied 77
Winckelmann und ſein Jahr⸗
CCC 15
p ee ar 185
Zueignung » «=. er... 201
Werke. Weimarer Ausgabe 39. —
Jubiläumsausgabe 39. 52
i - Seite .
Goethe⸗National⸗Muſeum 43. 14/2.
157/62. 199/201. 207. 209/11
Goethe: und Schiller-Arhiv 133/56.
199/201. 207/9
Goethe⸗Geſellſchaft 199/201. — Orts⸗
5 Berlin 202/4, Duisburg
202. „ Eſſen 202. 204/5,
Gelſentirchen 202. 205/6, Mül⸗
heim: Ruhr 202. 206, München
202. 204
N der Sr
Goethe Jaht (L. 7825
chaft
Schriften der ef
159/61. 170. 202. 207
Vereinigung der Freunde >
Goethe: a
Inhalt
Seite
, r I
Abhandlungen
Graul, Gaſton: Über Goethe, den kosmiſchen Menſchen . 3
Zabel, Eugen: Goethe und Rußland .. .. ........ 27
Gloel, Heinrich: Wetzlar in Goethes Fauſt ... 49
Friedlaender, a Varianten zu Claudine von Villa
P a 52
Hertz, Wilhelm: Goethes bene Gable und 5
Lähmung'. (Mit einer Tafel) . 61
Müller, Hermann B.: Goethe 25 die Reittunſt Fer
Prellwitz, Gertrud: Heinrich von Kleiſt und Goethe .. 88
Suhl, Abraham: Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 95
Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller—
Archiv
Klinckowſtroem, Graf Carl von: nr und Ritter. ER
Ritters Briefen an Goethe). d 135
Gräf, Hans Gerhard: Wielands lezte Tage 100 einer er Auf
zeichnung ſeiner Enkelin Wilhelmine Schorcht... . 152
Mitteilungen aus dem Goethe-National⸗
muſeum
3 | Wahl, Hans: Die italienischen Kleinbildniſſe Goethes und
. das neue römiſche Goethe-Bild Tiſchbeins. (Mit einer Tafel) 159
Neue und alte Quellen
Nachträge zu Goethes Briefen 165
I. Drei Briefe, deren Handſchriften ſich in n Schweben senden
(Mitgeteilt von Hans Gerhard Gräf) .. 165
1. An Friedrich Juſtin Bertun cg 165
2. An Gräfin Konſtanze von Fritſch .
3. An Theobald Renner . 167
II. An Chriſtian Gottlob v. N d. ä. eee. von 1
Deetjen).. j 3 . . 168
VIII 16
242 Inhalt
Seite
Ein Brief Alexander N Mg von Es Wit⸗
19W3T1).. 2. 148
Ein i über Weimar. ene von Eduard
Berend). . 174
Peterſen, Julius: Schiller u und das Weimarer e ..
vortrag 1921) .... 179
36. Jahresbericht 5 a A
Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder .. 212
Regiſter |
I. Perſonen⸗ und Ortsnamen
II. Soetſ e
Tafeln
1. Selbſtbildnis der Prinzeſſin Karoline von Sachſen-Weimar.
2. Goethes „Grabſchrift“ in allegoriſcher Umrahmung von
Allwina Frommann.
3. Goethe in ſeiner römiſchen Wohnung 1787. Handzeichnung
von J. H. W. Tiſchbein.
Gedruckt in der Hofbuch⸗ .
Weimar.
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Pr Goethe-Gesellschaft, Weimar
2045 Jahrbuch
G645
Bd. 8
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