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Full text of "Jahr-buch der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde"

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© JAHR-BUCH 
Gesellschaft für lothringische Geschichte und 


Altertumskunde 


-==+ Neunter Jahrgang +=&- 


1897. 


METZ 


VERLAG VON G. SCRIBA. 


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JAHR-BUCH 


Gesellschaft für lothringische Geschichte und 
Altertumskunde 


RE ——— 


NEUNTER JAHRGANG 


1897. 


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ANNUAIRE 


DE LA 


SOCIETE D'HISTOIRE ET D'ARCHÉOLOGIE 
LORRAINE 


NEUVIÈME ANNÉE 


1897. 


Inhaltsübersicht — Table des matieres 


a — 


Metz und Lothringen in den historischen Volksliedern der Deutschen. Ober-. 


lehrer Dr. Fr. Grimme, Metz RS a a ne EEE VE ts 

Notice sur Phlin (Villingen). Abbé Th. Sanson, curé d’Aulnois-sur-Seille . 

Die Ortsnamen des Metzer Landes und ihre geschichtliche und ethno- 
graphische Bedeutung. Landgerichtsrat Adolf Schiber, Metz 

Die Reliquien des hl. Stephanus im Metzer Dome. Dr. H. V. Sauerland, Trier 

Die Abteikirche St. Peter auf der Citadelle in Metz, ein Bau aus merovingischer 
Zeit. Baurat Emil Knitterscheid, Metz 

Das Metzer Schulwesen der letzten ne Wirlelschüllehrer ed Fichartl, 
Metz. 

Die räumliche he von du zu en hd ähmitelattercher 
Zeit. Archivdirektor Dr. G. Wolfram, Metz. ; 

Gallo-römische Kultur in Lothringen und den ee ee: 
Oberlehrer Dr. J. B. Keune, Montigny 

Der Anteil der deutschen Protestanten an den rnhichen Ron este bons 
in Metz bis 1543. Stadtarchivar Dr. Winkelmann, Strassburg . à 

Ein reichsgerichtlicher Prozess über die behauptete Reichsunmittelbarkeit 
der Stadt Saarburg in Lothringen aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahr- 
hunderts. Bezirkspräsident Freiherr von Hammerstein, Metz 


Kleinere Mitteilungen — Communications diverses. 


Die Dufresnesche Urkundensammlung. Dr. G. Wolfram, Metz 
ns zu dem Aufsatze »Bischof Bertram von Metze (Jahrbuch IV. 
. 1ff.). Dr. Joerres, Köln . : 
Note sur les armoiries des Evêchés souverains id Me Toul et en & 
sur celles du Vestrich. A. Benoit, Bertreimtinzen 


Fundberichte — Trouvailles archéologiques (Dr. Wolfram und Dr. Keune) 


Biüicherschan. 
Besprochen sind: 


H. Baumont, Etudes sur le règne de Leopold duc de Lorraine et de Bar 

H. Lerond, Lothringische Sammelmappe, VII. Teil. Metz 1897 

A. Fuchs, Ortsnamen aus dem Kreise Zabern ; nr, Te 

H. Ondne Catalogue des collections manuscrites et imprimées Te liives à 
l'histoire de Metz et de la Lorraine léguées par M. Auguste Prost. 
Paris 1897. 

Deutsche Reichstagsakten unter ar Karl Y. 


315 


319 


343 
>44 
346 


348 
3D0 


E. Duvernoy, Longwy, — De Louis XIV. à la révolution. (Annales de l'Est. 
Octobre 1897) 3 A TT de ea 

L. Jean, Les Seigneurs de Chen Vo (966— 1793) Ra 2. 

P. Darmstädter, Die Befreiung der He in Savoyen, der Schweiz 
und Lothringen . Ä 

L. Stern, Relation du siege de Metz en 1552 

E. Rhodes, Historieal Atlas of modern Fr ; 

G. Save, Les Fresques de Postroif à 

J. Favier, Catalogues des livres et ones imprimés m jai Fans Ei 
la bibliothèque municipal de Nancy 

Die Kelscher Vogtei (Metzer Zeitung vom 12. Mai 1898 fr) 

E. Hartmann, Aus der alten Reichsstadt Metz (Metzer Zeitung vom 14. on 
15. Mai 1898). 

M. Keuffer, Trierisches Archiv . 

N. Does Les anciens pouillés du se ne Metz 

J. Schwalm, Lothringischer Landfrieden vom 23. Oktober 1343 Nes Arcs 
der Gesellschaft für ältere Geschichtskunde, Band XXII, p. 362) . 

Wilhelm Schmitz, Die bemalten romanischen Holzdecken im Museum zu 
Metz (Zeitschrift für christliche Kunst, Jahrg. X, 1897) 

O. Redlich, Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, AN 
Heinrich VII 1273—1313 


Jahresbericht — Compte rendu 
Vermehrung der Sammlungen — Augmentation des collections . 


Mitsliederverzeichnis — Tableau des membres . 


386 


387 


Metz und Lothringen in den historischen Volksliedern der Deutschen. 


Von Dr. Fr. Grimme. 


Immer haben die Menschen den Trieb gehabt zu wissen, was sich 
in der Welt ereignete, und stets hat es Mittel und Wege gegeben, 
diesen Trieb zu befriedigen. Die mündliche Überlieferung war die ein- 
fachste Weise, dieser Neugierde zu begegnen, doch haften ihr, besonders 
wenn sie längere Zeit von Mund zu Munde gewandert, so grosse Mängel 
an und ihre Glaubwürdigkeit steht auf so schwachen Füssen, dass sie 
nur wenigen voll und ganz genügen kann. Und so ging man denn 
bald dazu über, die Ereignisse, nachdem sie kaum geschehen waren, 
schriftlich aufzuzeichnen, um die geschichtliche Wahrheit vor willkür- 
lichen Entstellungen zu bewahren, wie sie im Munde des Volkes ja 
ständig eintreten. So lange aber die Mittel der Vervielfältigung so teuer 
und selten waren, wie dies noch das ganze Mittelalter hindurch der 
Fall gewesen, konnten diese Aufzeichnungen nur wenigen bekannt, nicht 
aber Gemeingut aller werden. Und so trat erst mit der Herstellung 
des Lumpenpapiers, vor allem aber mit der Erfindung der Buchdrucker- 
kunst ein merklicher, ja ein völliger Umschwung auf diesem Gebiete 
ein. Man behauptet nicht zu viel, wenn man sagt, dass Gutenbergs 
Erfindung in erster Linie die Welt umgestaltet und besonders beige- 
tragen habe zu der grossartigen Veränderung in Welt und Wissen, die 
wir mit dem Namen Neuzeit bezeichnen. 

In den Tagen des Mittelalters und auch noch in denen der Refor- 
mation beherrschte nun die Dichtung weit mehr wie heute die Gemüter, 
und alles, was man fühlte und dachte, wurde im poetischen Gewande 
den Zeitgenossen und späteren Geschlechtern überliefert. Kann es uns 
da wundern, dass auch die Ereignisse der Geschichte in Reime gebracht 
wurden, und dass man bestrebt war, alles was wissenswert und be- 
deutend erschien, vor dem Vergessenwerden zu bewahren? So ent- 
standen denn die historischen Volkslieder, die, ursprünglich für einen 
kleineren Kreis gedichtet und berechnet, doch auch selbst vor der 
Erfindung der Buchdruckerkunst weithin bekannt wurden und mächtig 
wirkten. Waren die Verhältnisse in früheren Tagen auch ganz andere 
und völlig verschieden von den unserigen, war die Vervielfältigung 


1 


eines Liedes auch mit grossen Mühen und Kosten verbunden, so gab 
es dennoch überall Mittel und Wege, um das Neue und Wissenswerte 
bekannt zu machen und unter die Leute zu bringen. Liliencron !) sagt 
in dieser Hinsicht mit vollem Rechte, dass das Tagestreiben der Männer 
in früheren Zeiten einen viel öffentlicheren Charakter gehabt habe, als 
die häusliche Zurückgezogenheit unseres heutigen Lebens. » Während 
der in grösseren Kreisen genossenen Mahlzeiten der Fürsten und Herren, 
in den Trinkstuben des Adels, in den Zunfthäusern der Bürger, in den 
Badstuben, Schenken und Herbergen, wo sich das Volk aller Klassen 
täglich versammelte, gab es immerwährende Gelegenheit zu singen, zu 
lesen und zu erzählen. Die öffentlichen Nachrichten verbreiteten sich 
noch nicht durch Zeitungsblätter, hinter denen der einzelne still für 
sich lesend sass, sondern durch lebendigen Vortrag des Erzählenden 
oder Lesenden, und zu den ersten Zeitungen gehören eben unsere 
Spruchgedichte, die überall selbst verkünden, dass ihre Dichter sie sich 
als vor grösseren Kreisen der Zuhörer vorgetragen denken. Auf jedem 
Reichstage, in jeder Versammlung der Fürsten, der Ritter, der Städte 
dehnte sich der Kreis der Interessen schon über ein bald mehr, bald 
minder grosses Gebiet aus. Boten aller Art, des Reiches, der Fürsten 
und der Städte, durchritten ohne Aufhören die deutschen Lande nach 
allen Seiten; sie waren die natürlichen und gewöhnlichen Vermittler 
für die Zeitungen und Berichte aller Art. Ausserdem aber war die 
Zahl derer, die damals unstät durch die Lande hinzogen, überaus gross: 
Geistliche, Schüler, Schreiber, Sänger, Spielleute, Gaukler, die Scharen 
der Landsknechte u. s. w., die ganze grosse Bewohnerschaft der Her- 
bergen. Sie alle trugen die Neuigkeiten von Ort zu Ort und ganz 
gewiss am liebsten in gebundener Rede, in Lied oder Spruch. Es fehlte 
demnach durchaus nicht an Mitteln, um auch den Reimgedichten eine 
schnelle Verbreitung zu geben, und es war auch ihnen die Einwirkung 
auf weite und zahlreiche Hörerkreise gesichert. Als sie dann später 
im Druck rasch vervielfältigt werden konnten, stieg ihre Verbreitung 
ohne Zweifel viel weniger dadurch, dass mehr Leute eines Exemplars 
habhaft werden konnten, um es für sich zu lesen, als vielmehr durch 
die vermehrte Zahl der Vorleser, die das neue Gedicht nun allerorten 
zugleich in den öffentlichen Versammlungen der hörbegierigen Menge : 
vortragen und vom Ort des Druckes alsbald auf allen Strichen der 
Windrose in die Lande hinaustragen konnten, um von Herberge zu 
Schenke ihre Neuigkeiten an den Mann zu bringen. « 


') v. Lilieneron, Die historischen Volkslieder der Deutschen vom XII. bis 
XVI. Jahrhundert. 2, II. 


Et per 


Bis in das früheste Mittelalter zurück lässt sich diese historische 
Volkspoesie der Deutschen verfolgen, wenngleich leider nur ganz geringe 
Reste auf uns gekommen sind. Das älteste hierher zu zählende Gedicht 
ist der noch der althochdeutschen Periode angehörende sogenannte 
Ludwigsleich, eine Verherrlichung des Sieges, welchen der westfrän- 
kische König Ludwig Ill. im Jahre 881 bei Saucourt über die Nor- 
mannen davontrug. Aber auch noch andere siegreiche Schlachten 
haben Anlass zu dichterischen Schilderungen und Liedern geboten ; so 
wird von den Geschichtsschreibern zum Jahre 915 ein Volkslied auf 
die Schlacht bei Erisburg erwähnt. Grosse Männer wurden im Liede 
verherrlicht, so der bedeutende Erzbischof Anno von Köln in einem 
srösseren Gedichte, das uns der glückliche Zufall erhalten hat; andere, 
wie ein Gesang auf den Erzbischof Hatto von Mainz aus dem Jahre 904, 
auf den Herzog Boleslaw von Polen aus dem Jahre 1109, sind uns leider 
verloren gegangen, sei es, dass diese Lieder gar nicht aufgezeichnet 
waren und nur im Munde des Volkes fortlebten, welches nach Jahr- 
hunderten ihren Inhalt nicht mehr verstand und so das Interesse an 
denselben verlor, sei es, dass in den trostlosen deutschen Wirren zu 
Ausgang des Mittelalters auch die Aufzeichnungen der Vernichtung 
anheimfielen. Eins der frühesten wirklichen Volkslieder, das auf uns 
sekommen, betrifft die Schlacht auf dem Marchfelde zwischen Rudolf 
von Habsburg und König Ottokar von Böhmen im Jahre 1278, und 
bis um die Mitte des XV. Jahrhunderts führt Lilieneron nicht weniger 
als 124 Lieder auf, welche der Vergessenheit entgangen sind. Seit 
dieser Zeit nun erreicht die Zahl der historischen Volksgesänge eine 
wirklich staunenswerte Höhe, was wohl zum Teil auf die Erfindung 
der Buchdruckerkunst zurückzuführen ist, doch ist dies kaum der ein- 
zige Grund. Es ist nicht zu verkennen, und alle Litterarhistoriker 
kommen dahin überein, dass das XV. und XVI. Jahrhundert, eine so 
traurige Öde auch auf dem Gebiete der Kunstpoesie herrschte, dennoch 
reiche und lohnende Ausbeute gewährt durch das Überhandnehmen des 
Volksliedes. Der deutsche Geist erwachte in den Tagen, als die poli- 
tische Grösse unseres Vaterlandes zu Grabe getragen wurde, in nie 
geahntem Masse. Die Masse des Volkes fühlte ihre Kraft, die feinere 
Bildung wurde Gemeingut und auf allen Gebieten von Kunst und 
Wissenschaft suchte das Volk sich hervorzuthun. Wie das Kirchenlied 
in kurzer Zeit zur höchsten Vollendung emporstieg, so nicht minder 
der Profangesang. Das Volkslied tritt jenem ebenbürtig zur Seite, nicht 
nur das eigentliche Liebeslied, sondern auch das historische Gedicht. 
Ein jeder sucht sich hier hervorzuthun und beizutragen zu dem Auf- 


1* 


BE DATES 


schwunge der Nation. Nichts schien so unbedeutend, was nicht wert 
gewesen wäre, im dichterischen Gewande zur Kenntnis der Zeitgenossen 
gebracht zu werden, und so finden wir neben welthistorischen Ereig- 
nissen in den geschichtlichen Volksliedern der Deutschen auch Sachen 
verewigt, die uns an die heutigen Mordgeschichten erinnern, neben den 
Kämpfen gegen Hussiten und Türken auch Berichte über den Juden- 
. mord zu Denkendorf oder über Stortebeker und Hodeke Michel. Kein 
Ereignis von irgend welcher allgemeinen oder auch nur lokalen Bedeutung 
ist unbesungen geblieben. Auf fliegendem Blatt gedruckt, wurde es 
auf den Messen und Wallfahrten als das Allerneueste angepriesen und 
massenhaft gekauft. In kurzem waren diese Blättchen dem Volke so 
beliebt, ja förmlich zum Bedürfnis geworden, »dass Verleger und Dichter 
bei jeder noch so dürftigen Reimerei, wenn sie nur irgend etwas im 
Augenblicke gerade Anziehendes enthielt, leicht ihre Rechnung fanden « '). 
Da konnten denn unsere biederen Vorfahren vernehmen, was sich in 
der Welt ereignet, und die Wundermär, welche ihnen diese Zeitungen 
verkündet, gelangte so von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf. 
Natürlich ist ihr dichterischer Wert nicht immer sehr hoch, ja 
verhältnismässig nur wenige Lieder dieser Art erheben sich über den 
Boden der Mittelmässigkeit, auch ihr Verständnis wird durch den poe- 
tischen Sinn des Lesers allein nicht vermittelt. Sie sind, wie Lilien- 
cron treffend sagt?), »eben nicht etwas für sich selbständig bestehendes, 
wie jede andere freie, allgemeine menschliche Dichtung. Ein anderes 
Lied löst sich von der Empfindung des Herzens, aus dem es hervor- 
quillt, wie die reife Frucht vom Baume ab; es duftet und schmeckt 
und keimt nach seiner Art fort in anderen Gemütern. Das geschicht- 
liche Lied dagegen hängt fester und unlösbarer mit der Begebenheit 
zusammen, die den Sänger zum Singen stimmte. Innerhalb des Laufes 
der Ereignisse entsteht es gewissermassen selbst wie ein Stückchen dieser 
(Geschichte; es ist selbst eine Seite des lebendigen Treibens, welches 
sich zugleich in ihm abspiegelt. Es wird nicht gedichtet, um Unkundige 
über das Geschehene zu belehren, sondern wendet sich an solche, die 
in dem eben Geschehenen mitleben und mitwirken, bald um die gemein- 
same Freude über einen Sieg zu feiern, bald um dem Zorn oder der 
Ergebung bei einer Niederlage Worte zu leihen, um den Freund zu 
feiern, um den Gegner mit Hohn und Spott zu überschütten ; immer 
aber mit der Absicht, die Gemüter der Hörer zu stacheln und zu 


1) ib. 3, IV. 
2) ib. 1, IV. 


stimmen, zu treiben und zu heben. Darum eben sind so viele dieser 
Dichtungen, ja bei uns in Deutschland weitaus die meisten, mit ihrem 
nächsten Ziel und Zweck, mit ihrem thatsächlichen Untergrund zugleich 
verschwunden und vergessen«. Dazu kam die Ungunst der Zeiten. 
Vor allem durch die Wirren des Reformationszeitalters und des dreissig- 
jährigen Krieges sind selbst die meisten der auf fliegenden Blättern 
gedruckten Lieder zu Grunde gegangen; dennoch sind so zahlreiche 
derselben vor der Vernichtung verschont geblieben, dass sie einen 
besonderen Zweig der Litteraturgeschichte bilden, und die Weltgeschichte 
für manche Perioden in trefflicher Weise die sonstigen historischen 
Überlieferungen an ihnen prüfen, berichtigen und ergänzen kann. Frei- 
herr von Lilieneron hat im Auftrage der bayrischen Akademie der 
Wissenschaften die historischen Volkslieder der Deutschen bis zum 
Jahre 1552 gesammelt, und die vier stattlichen Quartbände umfassen 
nicht weniger als 623 Nummern, von denen zahlreiche einen recht 
bedeutenden Umfang haben. 

Es ist nun leicht erklärlich, ja eigentlich selbstverständlich, dass 
die ausschliesslich deutschen Teile unseres Vaterlandes in den histo- 
rischen Volksliedern der Deutschen eine viel grössere Rolle spielen, als 
diejenigen, in denen eine gemischte Bevölkerung lebt, wie es in den 
Grenzländern der Fall war und noch heute ist. Nur höchst selten 
wird es vorgekommen sein, dass ein Dichter ein geschichtliches Ereignis 
aus ferner Gegend besang; für gewöhnlich nahm er das ihm zunächst 
liegende, brachte es in Reime und war befriedigt, wenn seine Dar- 
stellung bei den Selbstheteiligten Anklang und Aufnahme fand. Es 
musste schon etwas wirklich weltbewegendes sein, wie die Eroberung 
Konstantinopels durch die Türken, die Niederlagen Karls des Kühnen 
oder besondere Ereignisse aus der Reformation, wenn ein Fernerstehender 
von ihnen so ergriffen oder begeistert wurde, um sie im poetischen 
Gewande zu besingen. Da nun unsere engere Heimat Lothringen ein 
Grenzland und zum weitaus wichtigsten Teile im französischen Sprach- 
gebiete gelesen war, so werden gewöhnliche, einheimische Ereignisse 
in deutscher Sprache hier kaum besungen worden sein; ob in franzö- 
sischer, kann ich zur Zeit auch nicht behaupten, ich nehme es aber 
an. Das deutsche historische Volkslied hat also in Metz und Lothringen 
selbst kaum irgend eine Blüte erleben können, wenn dennoch aber 
mehrere Gedichte vorhanden sind, die sich mit lothringischen Verhält- 
nissen befassen, so können wir von vornherein, da sie nur im eigent- 
lichen Deutschland verfasst sein werden, annehmen, dass es selbst für die 


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deutschen (raue wichtige Ereignisse waren, welche sich hier abspielten. 


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Interessant ist es aber immer, selbst nur einige Bilder aus Loth- 
ringens vielbewegter Vergangenheit im Spiegel des deutschen Liedes 
betrachten zu können. Sehen wir doch aus ihm, was man im Inneren 
Deutschlands über das alte, viel umstrittene und umworbene Grenzland 
dachte, das wie kein anderes zum Schutze gegen den Erbfeind bestimmt 
war, und dass man die Verdienste seiner Fürsten, vor allem in den 
Kämpfen gegen Karl den Kühnen und im Bauernkriege, wohl zu würdigen 
verstand. Und was Metz und seine Bischöfe betrifft, so hat besonders 
Georg von Baden dem deutschen Volksliede reichlichen Stoff zum Singen 
gegeben, und als die wichtige Veste endlich durch schnöden Verrat in 
die Hände Frankreichs geraten, ist ihr im deutschen Liede ein Denkmal 
gesetzt, welches so recht die Trauer und den Zorn des weiten Deutsch- 
lands kennzeichnet. 

Um nun zunächst zu zeigen, welche Bedeutung man unserer 
Heimatstadt im ganzen Reiche beimass, so sei des alten Spruches 
Erwähnung gethan, der überall im Deutschen Reiche bekannt war und 
sich mit den wichtigsten Städten befasst, obwohl er ja streng genommen 
nicht unter die Volkslieder zu rechnen ist. Er lautet: 


Vier Stedt ym Reiche Aussburgk, Metz, Ache, Lübeck. 
Vier Dorffer ym Reich Bamberg, Sletstadt, Hagenaw, Ulm. 
Vier Gepawren im reich Regenssburg, Costnitz, Saltzburg, Münster '). 


Nicht minder geht die Wichtigkeit von Metz hervor aus einem 
Volksliede, dessen Abfassung wohl in das Jahr 1534 zu setzen ist. Es 
wurde nach allgemeiner Annahme gedichtet, um der Auflösung des 
schwäbischen Städtebundes entgegen zu wirken, dessen Bestehen als 
eine Wohlthat, ja Notwendigkeit für das Deutsche Reich hingestellt 
wird. Nicht minder aber legt das erwähnte Lied leider Zeugnis dafür 
ab, dass die Herzöge von Lothringen oft mehr nach Frankreich geneigt, 
wenigstens eine sehr zweideutige Rolle gespielt haben; und daher kann 
man die Besorgnisse wohl begreifen, welche das Volkslied ausspricht, 
wenn es singt?): 

Mainz, Bopparten, Lüttich, 

Weissenburg, hüt dich! 

Wann Weissenburg undergee, 

lug Hagenaw und Landaw, wie es umb dich stee! 


Wann der pfalzgraf Koln zwingt 
und Lutringen Metz gewint, 
o rat von Strasspurg, secht zu, 
hut dich, du schweizer ku! 


') ıb. 4, 118, Anmerkung. 


2) ab. 407: 


Hut dich, du römisch reich, 

dass der pund nit von dir weich, 
wann des von Frankreichs mantel 
und pfalzgravischer rock, 

herzog Jörgen hosen 

und des von Wirtenberg bruch: — 
ist alles gemacht aus einem tuch. 


In Frankreich selbst wusste man sehr gut den Wert des reichen 
Lothringen zu schätzen, und mehr als einmal hat man in Paris den 
Versuch gemacht, dieses schöne Land für sich zu gewinnen. Auch 
Ludwig XII. hatte zu Beginn des XVI. Jahrhunderts sein Auge auf das- 
selbe geworfen, und so singt denn das Lied von der Schlacht bei 
Navarra aus dem Jahre 1513 in dieser Beziehung '): 


Der bot sagt mir, wie der Franzos 
hab sich gerüst in sölcher moss, 

dass er meint widerstreben 

dem keiser und dem ganzen rich 

und ouch dem bapst, des selben glich 
der eidgnossenschaft, merk eben; 

den meint er thün ein widerstand, 

ir keinen lassen bliben, 

darzü den künig von Engelland 
verderben und vertriben; 

Hispanien, Meiland, Hochburgund, Luttringen 
meint er an sich zu bringen, 

ouch all tütsch nazion 

müss im sin underthon. 


Und Frankreich konnte umsomehr hoffen, endlich doch in den 
Besitz Lothringens zu kommen, weil sein Fürstenhaus verschiedentlich 
es in seinen deutschfeindlichen Bestrebungen unterstützt hatte und noch 
unterstützte. So stand im Jahre 1507 im Kriege gegen Flandern Loth- 
ringen auf Seiten Frankreichs gegen das Reich, und in der Niederlage, 
welche die Franzosen bei dem Städtchen Diest erlitten, musste auch 
ein Prinz von Lothringen sein vaterlandsfeindliches Unterfangen mit 
dem Tode büssen. Das Lied meldet uns darüber ?) : 


Darnach da kamen si gen Diest 

mit grosser ungestimer wüest; 

des ward der graf von Nassen gwar, 

der schickt seins volks sechs hundert dar, 
klain Enderlin da ir hauptman was. 

Die burger waren auch nit lass, 

ir manhait hand si wol genossen, 

und haben manchen man erschossen. 
Herzog von Luttring der plieb tod, 

der hat im selbs geschafft die not. 


1) ib. 3, 91. 
) ib. 3, 19. 


Das Lied ist hier etwas ungenau; denn nicht der regierende 
Herzog Reinhard II. fiel in der Schlacht; dieser starb erst 1508, wohl 
aber wird es ein sehr naher Verwandter von ihm gewesen sein. Es 
ist aber als sicher anzunehmen, dass der Herzog selbst ebenfalls auf 
französischer Seite stand. Desgleichen nahm Lothringen als Verbündeter 
Frankreichs an der Schlacht bei Pavia im Jahre 1525 teil, in welcher 
der Bruder des Herzogs Anton seinen Tod fand. Der biedere deutsche 
Landsknecht, der die Ruhmesthaten seines Standes in jener Schlacht 
frohen Sinnes besingt, ruft jubelnd aus !): 

Da kam der teutsch franzesisch haufen, 
die schlügen wir gar pald zü tod, 
fürwar ain ausserlesen rott 

von fürsten, herren, jung und alt! 
Vermerkt, ich wils euch nennen pald: 
der erst ain küng von Engeland, 

die weisse rosen ward er genant, 

von Lutring brüder, den ir kent, 
Biniau, Langamantel ir locotenent 

sein gschlagen all von uns zü tod. 

Ja selbst im frühesten Mittelalter hat die Treulosigkeit der Loth- 
ringer Anlass gegeben zu einem Volksliede. Denn es wird uns von 
den deutschen Geschichtsschreibern gemeldet, dass in den Landen ein 
Lied gesungen wurde auf die lothringischen Bischöfe, welche im Jahre 
1024 ihren Herzog Gozilo verliessen?). Leider aber ist uns dasselbe 
nicht erhalten. 

Das Deutsche Reich jedoch zeigte wenig Lust und Neigung, den 
Edelstein Lothringen aus seiner Krone fahren zu lassen, vielmehr suchte 
es mit Zähigkeit denselben zu behaupten, was ihm ja auch. trotz aller 
Fahrnis bis zum Jahre 1735 gelungen ist. Die deutschen Kaiser nannten 
sich mit Stolz Herren von Lothringen, und das «neue Lied vom künig 
Karolus » aus dem Jahre 1519 sagt von ihm): 

Er ist, merkent mich mere, 
erzherzog mit begir 

zu Österreich, ain herre 

zu Burgund, merket ir, 

zü Lutringen und zü Steire.... 
zu Limburg also veste, 

zu Lutzelburg darbei, 

zü Geldern auf das leste; 

graf zü Flandern so frei. 

1) ib. 3, 430. 

2) ib. 1, XXVI. 

s) ib. 3, 230. 


ee 


Und ein weiteres Loblied auf den Kaiser, welches im Jahre 1525 
gedichtet ist, beginnt !): 
Ich sing zü lob und eren 
keiserlicher majestat ; 
den fürsten und auch herren 
hat got verlauhen gnad 
in teutsch und welschen landen, 
und in dem römischen reich, 
am Rein und bei dem bonden, 
in Lotringen des gleich. 


Die Lothringer haben aber, und das wollen wir rühmend aner- 
kennen, nicht immer auf Seiten des Erbfeindes gestanden, sondern oft 
auch in recht trüben Zeiten die Fahne des Deutschtums hoch gehalten 
und tapfer verteidigt; und so kommen wir denn zu den Ruhmesthaten 
derselben, die uns etwas länger beschäftigen werden. Da meldet uns 
zunächst das Volkslied über das Constanzer Concil, dass auch der 
Herzog von Lothringen gleich anderen deutschen Fürsten an den Ge- 
staden des Bodensees erschienen war und sich an den Verhandlungen 
beteiligte”). In dem Kampfe des Bischofs von Basel, Johann von Vienne, 
gegen das mächtig aufstrebende Bern und die schweizer Eidgenossen- 
schaft überhaupt, der sich im Jahre 1368 besonders um das Städtchen 
Biel drehte, sehen wir auch den Herzog von Lothringen als Verbündeten 
des Bischofs im Felde erscheinen, als dessen Scharen eine erste Nieder- 
lage erlitten hatten *): 

Der bischof sant vil zornielich 
nach sinen herren allen, 

von Lotringen der herzog, 
von Blankenburg mit schalle, 
von Tierstein, von Viann, 

wol zwenzig landesherren, 


der ich nit all erkant, 
ir orden ist geschant. 


Aber selbst diese thätige Hülfe konnte dem streitbaren Bischofe 
nicht nützen; er wurde wiederum geschlagen bei Bremgarten und musste 
sich samt seinen Verbündeten schleunigst zurückziehen, um einer noch 
grösseren Schlappe zu entgehen. 


1) ib. 3, 447. 

°) ib. 1, 243: von Osterrich ain botschaft wis, 
Lutring, Westerich und Briss, 
von Wirtenberg ain furstlich gräf 


| kom auch zü des concilis lauf. 
8) 1b. 1, 66. 


ER | es 


Zu Anfang des XV. Jahrhunderts sehen wir dann den Herzog 
Reinhard von Lothringen in eine Angelegenheit verwickelt, die sich 
ganz im Innern Deutschlands abspielt und für uns um so interessanter 
ist, weil sie die Stammburg unseres erlauchten Kaiserhauses, den Hohen- 
zollern, betrifft. Hier war nämlich nach langen Verwickelungen, die 
sich seit dem Jahre 1401 hinzogen, zwischen den beiden Brüdern 
Friedrich dem Öttinger und Eitelfriedrich eine heftige Fehde entstanden, 
da ersterer sein ganzes Vermögen vergeudet hatte. Als er vom Hof- 
gericht in Rottweil verurteilt worden war, setzte er sich auf dem Hohen- 
zollern fest !) : . 

Der Ottinger gehiess den sinen grossen sold, 
dass si bi im ain kurze zit wöltent beliben, 
die stet möchtind das nit die lengin triben, 
wan er gab in aigenlichen für, 

wie der von Lutringen gar ungehiur 

und der von Baden samlung heten 

und in mit macht schier welten retten. 


Nun mischte sich aber der Kaiser Sigismund in den Streit und 
sprach die Reichsacht über Friedrich aus?): 


Dem durchliuchtigosten küng Sigmund 

ward das alles wol getan kund, 

dar umb schraib er und bot bi künglichen hulden, 
bi schwärer pen und treffenlichen schulden 
fürsten herren rittern knechten und steten, 
dass den Öttinger nieman sölti retten, 

wann er lang zit ain rouber wär gewesen 
und möchtind arm noch rich vor im genesen. 
Er bout dem von Lutring und von Baden, 
dass si den steten nit fügtend schaden, 

wan das welt er ie von in han, 

dass si des genzlich müssig soltend gan. 


Als infolge dessen die gehoffte und erwartete Hülfe ausblieb, enttloh 
der Graf heimlich von der Veste, um persönlich den Markgrafen von 
Baden und den Herzog von Lothringen zum Eingreifen zu bewegen’): 


Er reit dar nach zü dem herzogen von Lutringen 
und gab im für, im möcht wol gelingen, 

welt er und der marggraf im zü schiben, 

so welt er die stet von dem berge triben. 

Si kertent sich aber lützel dar an 

und hatent in für ainen touben man. 


1) ib. 1, 288. 
2) ib. 1, 289. 
3) ib. 1, 290. 


LINE ee 


Die Folge davon war, dass der Hohenzollern erobert und zerstört 
wurde; erst im Jahre 1454 erstand er von neuem aus der Asche. 
Im Jahre 1462 tritt uns Metz mit seinem unternehmenden Bischofe 
Georg von Baden zuerst in den Volksliedern entgegen über den so- 
genannten pfälzischen Krieg und die Schlacht bei Seckenheim. Zum 
allgemeinen Verständnis dieser Verwickelungen, die ja bereits früher 
in einer eigenen Abhandlung in dem Jahrbuche der Gesellschaft für 
lothringische Geschichte!) näher dargelegt wurden, will ich nur an- 
führen, dass sich während der Regierungszeit des schwachen Kaisers 
Friedrich III. zwei grosse politische Parteien im Reiche bildeten: die 
brandenburgische, zu der auch der Kaiser hielt, mit dem streitlustigen 
Kurfürsten Albrecht Achilles an der Spitze, und die wittelsbachsche, 
deren Fürsten in Bayern und der Pfalz herrschten. Dem Kurfürsten 
von Brandenburg kam es vor allem darauf an, das Übergewicht der 
Wittelsbacher in Süddeutschland zu brechen, das ihm besonders für 
seine fränkischen Lande Ansbach und Bayreuth gefährlich werden 
konnte, und da Bayern und Pfalz sich auch mancherlei Übergriffe er- 
laubt hatten, so kam es am 15. Juli 1461, nachdem schon mehrere 
Plänkeleien vorangegangen waren, zur förmlichen Kriegserklärung gegen 
Pfalz-Bayern von Seiten des Kaisers, der Albrecht von Brandenburg, 
Graf Ulrich von Württemberg und Markgraf Carl von Baden zu Ober- 
feldherren ernannte. Selbstverständlich unterstützte der Bischof Georg 
von Metz in Verbindung mit dem Bischofe von Spever seinen Bruder, 
während der Kurfürst von der Pfalz treue Bundesgenossen fand an 
dem vom Papste nicht anerkannten Kurfürsten Diether von Mainz und 
dem Landgrafen Heinrich von Hessen. Noch bevor es zu einer 
Schlacht kam, dichtete ein gewisser Gilgenschein, 
der dem fürsten vil gutes gan, 
dem pfalzgraf bi dem Rine, 
ein Gedicht, in welchem er die Verbündeten und Gegner der Wittels- 
bacher aufzählt; natürlich kommen die letzteren sehr schlecht weg. 
Die uns hier interessierende Stelle lautet): 
Loica kan der fund gar vil 
und wer der untrüw pflegen wil, 
dem kompt sie wol ze stüre; 
ich sprich, falsch loica si nit gut, 
an eren ist si türe. 
') Weinmann, Bischof Georg von Baden und der Metzer Kapitelstreit. 


Jahrbuch VI, 1 ff. 
?) Liliencron 1, 525. 


En, De 


Der von Brandenburg was an dem rat 
und herzog Ludwig zu im drat, 
den bischof von Trier ich nit nennen; 
der von Mez was an der schar, 
den mögent ir ale wol kennen. 


Die Gegner der Wittelsbacher, Ulrich von Württemberg, Carl 
von Baden, Bischof Georg von Metz und die Speyerschen, trafen sich 
am 25. Juni 1462 zu Pforzheim und beschlossen, einen gemeinsamen 
Angriff auf die Hauptstadt des pfälzischen Kurfürstentums, Heidelberg, 
zu unternehmen; sie rühmten sich, dass sie die Weinberge um das 
Pfalzgrafenschloss aushauen wollten, ein Ausspruch, um dessentwillen 
sie später gar heftigen Spott über sich ergehen lassen mussten. Der 
Kurfürst von der Pfalz war jedoch auf seinem Posten, und es gelang 
ihm nebst seinen Verbündeten, die Feinde bei Seckenheim völlig zu 
umzingeln. Diese versuchten am 30. Juni einen Durchbruch, aber 
nach einem überaus hitzigen Gefechte musste sich das ganze Heer 
ergeben. Die drei Fürsten wurden im Triumph nach Heidelberg geführt 
und dort in Haft gehalten — sie hatten ihr Ziel erreicht, sie waren 
ja in Heidelberg, wie ihre Feinde höhnten, und der Krieg war mit 
einem Schlage beendet. Doch hören wir, wie unsere Volkslieder 
hierüber melden '): 

Bischof Jörg von Metze 
was mit in in dem feld, 
sin freud begund letzen, 
er mag sin wol entgelten! 
Wer er daheim verbliben 


und het ein mess gelesen, 
als ander pfafen driben! 


Sie habens wol besonnen 

die herren alle dri, 

Heidelberg han sie gewonnen, 

mit in manig graf und fri, 

dar zu vil ritter und knecht. 

Des freu dich, pfalzgraf hochgeborn 
und alles din geslecht! 


Und lass dich nit betriegen 

die fogel halt in hut, 

dass sie dir nit empfliegen, 
din weidwerk das wirt gut!. 
Kanstu die fogel ropfen, 

so halt sie bi dem fessel, 

lass sie nit von dir hopfen! — 


Bischof von Metz geschriben, 
Der nam möcht dir bestan, 
werstu da heim verliben 
und trügst ein korrock an, 
das dir vil besser wer, 

wan du wilt zu Heidelberg 
die blatten lassen schern! 


Das »liet der niderlag« meldet uns ähnlich vom Bischof von Metz?) 


Der jeger hat den lewen auch uf geweckt; 

Der lewe hat den margrafen und sin bruder erschreckt, 
er hat so grimmeclichen geschruwen, 

dass sie alle in den krieg gekomen sint, 

das hat sie und ir ritterschaft sere beruwen! — 


Margrafe Karle, fürst und herr zu Baden, 

den bischof von Metz hastu in das feld geladen, 
mit dem von Wirtenberg wolt er beissen; 

dem lewen ir in sin land ritent, 

zu zorn und grimmekeit wolt ir ine reissen! 


Margrave Jörg, herr und bischof zu Metz, 
zu Heidelberg hett ir gern gehört die lez, 
der meister ist uch zu rechter zit komen! 
Wert ir daheim in uwerm bistum bliben, 
eim geistlichen herren het das wol gezomen! 


Des pfalzgraven diener kunden das wol bewern, 
wie man eim bischof die blatten sol scheren, 
das handwerk haben sie lang getriben! 

Und het die ritterschaft so sere nit gewert, 

vor den buern wert ir nit leben bliben! 


Ein drittes Volkslied über denselben Gegenstand scheint von einem 
Gegner des pfälzischen Kurfürsten gedichtet zu sein: wenigstens lässt 
er den gefangenen Grossen seine Anerkennung zu teil werden. Über 
die Thätigkeit des Bischofs von Metz in der Schlacht singt er folgende 
Strophen?) : 


Ir schad der bracht in vil missrat, 
der hauf ward da durchtringen, 
doch werten sich die feind auch fast 
mit ihren falschen klingen. 

Der herr von Mez war im gefrez 
mit seinen welschen leuten, 

die hat er in die rur gesezt, 
verhawen sein ir heuten. 


') ib. 1, 530—31. 


?) ib, 1, 584—36. 


x er 


Im hat daselbst auch nichts gefelt, 

in lützel half sin weihe, 

gut streich die waren sein beutgelt, 
kein mezblank mocht im gdeihen; 

die münz was geng, man gab si streng, 
kein borg man tet begeren, 

dem bischof wards sambt seiner meng, 
damit man in tet eren...... 


Der Herr von Mez der rümmelt fast 
er wollt tun manchen schaden, 

der marggraf hat auch wenig rast, 
ich mein Karle von Baden; 

sein stolzer mut bracht im nit gut, 
er ward gesteurt mit wunden! 

Ja Würtemberg hieb uf das blut 
manchem gar tiefe wunden. 


All drei si haben gfochten ser, 

ganz mannlich was ir mute, 

in ist lieber gewesen er, 

dann ir vil grosses gute; 

sie waren keck, keinr wollt hin weck, 
si bliben bei ir mannen, 

die walstat was ein weiter fleck, 

der si nicht liess von dannen. 


Drumb tragen si auch wol den preis, 
man sol in guts nachsagen; 

sie han getan ir besten fleiss, 

wie wol si seind geschlagen. 

Da nam ein end der streit behend 
und wurden vil gefangen, 

wann von in floh ein guter fend, 
begerten si der stangen). 


1) Im Anschluss an die letztgenannten Volkslieder möchte ich hier er- 
wähnen, dass auch in neuerer Zeit der bekannte Dichter Gustav Schwab den 
Stoff zu einer seiner Romanzen dem pfälzischen Kriege entlehnt hat. Es ist dies 
das Gedicht: »Das Mahl zu Heidelberg«, welches beginnt: 


Von Würtemberg und Baden 
Die Herren zogen aus, 

Von, Metz des Bischofs Gnaden 
Vergass das Gotteshaus; 

Sie zogen aus, zu kriegen, 
Wohl in die Pfalz am Rhein, 
Sie sahen da sie liegen 

Im Sommersonnenschein. 


LOSC rg 


Hatte nun Bischof Georg von Metz im pfälzischen Kriege eine 
Rolle gespielt als Bundesgenosse des Kaisers gegen Wittelsbach, so 
finden wir ihn 13 Jahre später — 1475 — wiederum im Felde zum 
Schutze des Reiches gegen fremde Anmassung im sogenannten Kölner 
Kriege. Wie ja bekannt, hatte der stolze Herzog Karl der Kühne 
von Burgund, nachdem er auf der Zusammenkunft mit dem Kaiser 
Friedrich IN. in Trier seine Pläne in Betreff der Königskrone nicht 
hatte verwirklichen können, versucht, sich in die deutschen Streitigkeiten 
und Händel einzumischen, und mit Freuden benutzte er den Kampf des 
Kölner Kurfürsten mit seinem Domkapitel, um Deutschland arge Ver- 
legenheiten zu bereiten. Hätte ihm das feste Neuss nicht so erfolg- 
reichen Widerstand geleistet, wer weiss, wie sich die Geschichte unseres 
Vaterlandes weiterhin abgespielt haben würde. Der Kaiser erklärte 
den Reichskrieg gegen ihn, und zahlreiche Fürsten, unter diesen die 
Bischöfe von Strassburg und Metz, eilten unter seine Fahnen. Ein 
historisches Volkslied meldet darüber '): 


Von Österreich herzog Sigmund 
schickt frome leute zü stund 

dem kaiser in die pletz. 

Da kom bischof Jörg von Metz 
dem kaiser auf den plan, 

von Strassburg der bischof lobesan 
hielt an fürstlichen siten, 

er was gehorsam oben und niden. 


Wichtiger aber noch war das Bündnis, welches zwischen dem 
Kaiser, Frankreich, der Eidgenossenschaft und dem Herzoge Reinhard Il. 
von Lothringen gegen den stolzen Burgunder zu Stande kam. Solchen 
Gegnern nicht gewachsen, suchte Karl auf geschickte Weise sich aus 
der Schlinge zu ziehen: er schloss Frieden mit den drei Erstgenannten 
und überfiel nun den alleinstehenden Herzog, den er besiegte und aus 
dem Lande vertrieb, sodass dieser in Frankreich eine Zufluchtstätte 
suchen musste. Das schöne Lothringen mit seiner Hauptstadt Nanzig 
verleibte Karl seinen Ländern ein. Darauf eilte er zum Rachezuge 
gegen die Eidgenossenschaft, erlitt aber wider alles Erwarten im 
Jahre 1475 eine vollständige Niederlage bei Granson. Da nun der 
Herzog fürchten musste, es würden jetzt alle von ihm unterjochten 
Staaten und Länder sich erheben, so rüstete er, unterstützt von dem 
Grafen von Savoyen, ein neues Heer. um eine grause Abrechnung zu 
halten mit den Eidgenossen. Er lagerte sich bei Murten, um nach 


') Liliencron 2, 50. 


— 16 — 


Eroberung dieser Veste sofort auf Bern loszugehen. Doch die Eid- 
genossen verzagten nicht; sie rafften ihre Heerhaufen zusammen, 
und da sie von allen Seiten Hülfe erhielten, so gelang es ihnen auch 
diesmal — im Jahre 1476 — siegreich aus dem Kampfe hervor- 
zugehen. Unter den Bundesgenossen der Schweizer befand sich der 
fünfundzwanzigjährige Herzog Reinhard von Lothringen !), 


der wil nach grossen ern ringen, 
im ist gross gwalt geschechen, 
man hat im stet und burg genon; 
er wolt es nit ungerochen lon, 
das hat man wol gesechen. 


Er stiess mit einigen elsässischen Rittern und 300 Pferden zum 
Heere der Schweizer, und auf dem Marsche in den Murtener Bannwald 
selangt, wurde er vor Beginn der Schlacht als erster von 300 Edlen 
zum Ritter geschlagen. Das erste Lied »von dem strit von Murten« 
singt von ihm ?): 


Dem edlen herzog hochgeborn 
von Lotering dem tet es zorn, 
des Welschen ungefüge ; 

er kam mit mengem edelman 
zù den fromen eidgenon, 

sin eren tet er genüge..... 


E man kam durch den wald so grün, 

do slüg man mengen ritter kün, 

die man tüt wol erkennen: 

der herzog von Lotring der was der ein; 
si redten all zusammen gemein: 

wir wellen vor dran rennen! 


Ähnlich heisst es in einem zweiten Liede?): 


Von Lutringen tün ich melden 
den edlen fürsten so rich, 

er ist gsin in dem felde 

so gar on allen wich. 

Der herzog von Burgunne 

hat es um in verschult, 
darumb hat er gewunnen 

der fromen eidgnossen huld. 


Ab, 2418; 
2) ib. 2, 2 und 93. 
21b.72, 91; 


Und das grosse Murtenlied meldet '): 


Herzog Reinhart von Lutering 

wolt ab sim pferd nit sitzen, 

vil ritter schlüg er so ze ring. 

Man macht gar bald die spitzen, 

die ritter für, die füssknecht an der siten, 
do fieng man an ze striten. 


Als aber die Schlacht vorüber war: 


Harnach do zoch man in das her, 
lag dri tag da in grosser er 

nach keiserlichen rechten. 

von Burgund in her Karlus hus 
lept herzog von Lutring im sus 
mit vil der sinen knechten. 


Die erste Folge der entscheidenden Niederlage bei Murten war, 
dass Herzog Reinhard sich wieder in den Besitz Lothringens setzte 
und auch seine Hauptstadt Nanzig zurückgewann. Karl der Kühne, 
für den jetzt alles auf dem Spiele stand, wollte Lothringen um keinen 
Preis fahren lassen, und so rüstete er denn von neuem und zog vor 
Nanzig. Hier aber ereilte ihn sein Geschick; der Herzog, unterstützt 
von einer Schar Eidgenossen, brachte ihm eine neue Niederlage bei, 
und auf der Flucht fand Karl. wie bekannt, auf elende Weise seinen 
Tod. Das Volkslied berichtet darüber ?): 


Nün wend wir aber heben an 
das best, das ich gelernet han 
und wie es ist ergangen 

zu Nansen zü, 

da hatends all ein verlangen. 


Herzog von Lutringen, das edel blüt 
er schreib den pundgenossen güt, 
ja wie er wer gelegen 

vor Nansen zü 

mit manchem künen degen. 


Der pund der gab vil lüte dar 
der eidgenossen ein grosse schar 
mit werhaftigen handen, 

die fürt er mit im 

wol in das welsche lande. 


') ib. 2, 101—102. 
:, ib. 2, 105—106. 


v 


Und nach der Schlacht: 


Man leit den herzogen uf ein bar, 
man fürte in gen Nansen zwar, 
ze tod ward er erschlagen; 
herzog Reinhart 

hat in zù Nansen begraben. 


Ausführlicher berichtet über dieselbe Angelegenheit das Lied »vom 
Strit von Nanse«, welches beginnt !): 


Woluf ir fromen eidgnossschaft, 
all die im punde sind verhaft, 
der herzog von Lotring genant 
wil uns versolden allesant: 

zu Nanse lidents grosse not, 
der Burgunner wil si haben tot. 


Herzog Reinhart dem ward kund getan, 
frist möchtent si nit lenger han, 

von hunger litents grosse not, 

in Nanse hetents niendert brot, 

ross, hund, katzen und müse 

wer in der stat ir spise. 


Herzog Reinhart von Lotring 

reit am ersten gen Bern gering, 

er bat si umbe hilf zu hand: 

»ich verlur sunst all min land !« 
Acht tusent man gar unverzeit 
wurden von eidgnossen bald bereit. . 


»Herzog, üch sol hie wesen kund 
gemeinlich von dem starken pund, 
si gedenken all gar wol daran, 
was ir zu Murten hand getan: 

ürs stritens also ritterlich 

sond ir geniessen ewiglich.« 


Si zugen hin in das Elsass, 

die Juden straftens uf der strass; 

da kamen si gen Linstat hin, 

sen sant Niclaus stünd in der sinn, 

do erslügen si wol hundert man, 

der strit der vieng am samstag an.... 


re 


Carolus von Burgunn ward gewar, 
wie der stark pund zoch dahar, 

er brach sin her in sneller il 

und zog gen in ein halbe mil. 

Der strit vieng an als ritterlich, 
kein man gesach nie desgelich..... 


Der strit der wert wol fünfthalb mil, 
man zoch im nach in sneller il, 

der graf von Lüningen so güt, 

darzü ein Franzos wolgemüt; 

der graf von Bitsch!) der nam ir war. 
zwölf herren bliben an der schar . 


Do man zalt sibenzig siben jar, 
am zwölften abend, das ist war, 
do volendet sich der strit, 

das dunket mengen menschen zit, 
der von Carolus leid grosse not, 
darumb in got liess slachen tot. 


Sit geboren ward herr Jesus Christ, 
grösser sach nie beschechen ist, 

er war der vorchtsamst fürst genant 
den man in der welte vand. 

Der stark pund und herzog Reinhart 
hand in geleit in sneller fart. 


1 


Gar billich sol man loben dich! 
uf erden lebt din nit gelich 

von fürsten iez in diser zit, 

der gestanden si zwen herter strit 
und darzü ilt in sneller vart, 
von Lotringen herzog Reinhart! 
Kein man lebt nit uf erden hie, 
der solichs hab gesehen nie, 
dri grösser strit in einem jar 
mit gotes hilf ganz offenbar, 

zü Granson, Murten und Nanse : 
des danken gote iemerme! 


Wir kommen nunmehr zu den letzten deutschen Volksliedern, in 
denen die Herzöge von Lothringen eine Rolle spielen; sie betreffen die 
tapferen Thaten des Herzogs Anton im elsässischen Bauernkriege. Im 


') Auch in dem Lied auf die Schlacht von Dorneck (1499) wird ein Graf 
von Bitsch erwähnt (ib. 2, 405) : 
Graf Heinrich von Fürstenberg, wol erboren, 
din leben hast vor Dorneck verloren, 
Der Graf von Pitsch und der her von Castelwarte. 


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Jahre 1525 erhoben sich die Bauern in ganz Deutschland gegen ihre 
Herren, irregeführt durch den falsch verstandenen lutherischen Begriff 
von der evangelischen Freiheit. Überall tobte der Aufruhr, und zahl- 
reiche Kirchen, Klöster und Burgen gingen in Flammen auf, deren 
Trümmer uns noch heute an jene schrecklichen Tage erinnern. Vor 
allem heftig wüteten die Bauern in Thüringen, Franken und im Elsass. 
Hier war der Herd der Empörung besonders in Molsheim und Barr. 
Zunächst hatten die Lande des Bischofs von Strassburg schwer unter 
den Bauern zu leiden, und schon wälzten sich ihre zügellosen Scharen 
dem Herzogtum Lothringen entgegen, als sich der kühne Fürst dieses 
Landes, Anton, ihnen in den Weg stellte und ihnen bei Zabern eine 
srosse Niederlage beibrachte. Das »schone lied, wie es in ganzem 
Teutschland mit den bauren ergangen ist«, meldet uns darüber '): 

Im Elsass war vil grosser not 

von bauren auch an manchem ort 

mit reissen und mit toben; 

das wert in herzog auss Lotring, 

ist war und nit erlogen erlogen. 

Zü Lupstein bald ein schlacht gethan, 

zu Zabern auch vil mancher man 

sein leben hat gelassen; 


bei Schletstat er des gleichen thet, 
vil thün in darum hassen ja hassen. 


In summa sagt man in gemein 

von im erschlagen sind allein 

wol dreissig tausend bauren, 

des mancher noch uf dissen tag 

tregt schmerzen und gross trauren ja trauren. 


Ausführlicher behandelt den Bauernkrieg im Elsass »das nüwe 
lied von der burschaft in deutscher nation«: Erasmus Gerber aus Mols- 
heim, oberster Hauptmann des »hellen Haufens«, der vom Kloster Alt- 
dorf auszog, eroberte in Verbindung mit dem Prädikanten Andreas am 
13. Mai 1525 die Residenz des Bischofs von Strassburg, Zabern ?): 


Es sint die zwen doch nit allein, 

ir sind noch mer do hinden, 

sei werent gross oder werent clein, 
der herzog kund sei finden; 

der frumme furst uss Lotringn 
lernt sei ein nuwes hedlin singn 
so gar on alles lachen. 


Sich macht gar bald uss hoffart gross 
der buren huf zusammen, 

sei wolten sin all bundgenoss — 

ja zu der helschen flammen! 

Sei wolten herren sin allein, 

all güter machen gar gemein, 

das spil hant sei verloren. 


Der Lotringer sumbt sich nit lang, 
er kam inen bald entgegen, 

zu Zabern nams ein anefang, 

er thet gar vil bewegen 

ja von dem leben zu dem dot, 
die buren kamen in grosse not, 
das schuf ir falscher sinne. 


Den buren ward der schimpf zu hert, 
ir musten vil entlaufen: 

der ein starb hie, der ander dört, 
man gab in streich zu kaufen: 

das schuf ir evangelium, 

sei woren blind und also dumm, 

sei mochten nit gar entrinnen. 


Ein zweiter Bauernhaufe stand während der eben erwähnten Nieder- 
lage bei Zabern etwas südlicher am Landgraben bei Scherrweiler: bei 
ihm befand sich eine Rotte aus Barr, welche von Ludwig Ziegler aus 
der genannten Stadt befehlist wurde. Auf diesen stürzte sich der 
Herzog von Lothringen am Abend des 18. Mai, schlug ihn völlig in die 
Flucht und machte so dem Bauernkriege an der Grenze des Herzog- 
tums ein Ende. Auch hierüber berichtet uns ein deutsches Volkslied, 
in der »melodei eins deutschen lutherischen psalmen: Uss diefer not, 
oder: Ach Got von himel sich darin«, und diese Melodie ist wohl mit 
Absicht von dem streng katholischen Dichter gewählt worden. weil er 
in dem Liede vom Herzog von Lothringen die Ausrottung der luthe- 
rischen Ketzerei erbittet, und es sicher einen tiefen Eindruck nicht 
verfehlte, wenn diese Bitte in der Weise eines protestantischen Chorals 
gesungen wurde. Das Lied lautet'): 

Ein ziegler zu Bar ein burger was, 
wan Ludwig was sein name: 
»wenn es gelingen uns well das, 
so wolten wir ouch zusamen! 

so wellen wirs nun heben an 


uber Druttenhussen muss es gan 
den nochburen wend wir helfen.« 


') ib. 3, 498. 


Da selbst hub sich ein brechen an 
von Ludwigs faulem haufen, 

der Dürk hett solches nit gethan! 
sei thetten das gut verkaufen, 

ee dann sei es hetten in der hand; 
was gelt gult, was in gut für pfand, 
auch gots zierd in der kirchen. 


Evangeli was in stets im mund, 

im herzen was vergessen; 

sei erdachten schnel ein guten fund, 
den win mit kibeln messen. 

Die sach wolt in nit wol zergan: 

zu Scherwiler ward in rechter lon, 
wie allen deufels knechten. 


Ir hoffart und gross ubermut 

hat sei gebracht zu schanden ; 
hoffart det sich nimmere gut, 

als wir geschriben fanden. 

Sei wolten herschen in der welt, 
das hat sei bracht umb lib und gelt, 
der sel wil ich geschwigen. 


Lotringer, du vil frummer her, 
Got düe dir din leben fristen! 
der bosheit bist du sicher ler 
und ganz ein frummer Christen; 
dir nit gefiel der buren rot, 
dorumb noch mancher liget dot, 
von dinem volk erschlagen. 


Das geb dir god den rechten lon, 
well dir sin gnad zusenden, 

dass mügst allzit gar wol beston 
und din fürsatz vollenden, 

die lutheri ganz dilgen ab, 

die buren bringen ann bettelstab, 
die sich dorin sint geben. 


Der ist worlich ein grosse zal 
mit solcher seckt beladen, 

die wellstu bringen auch zu fall, 
dann sei dem glauben schaden; 
sei sint verstopfet ganz und gar, 
alls unglück solchen widerfar, 
wann sei sich nit thunt bekeren. 


EU LES 


Wie wir soeben gesehen, hatte die religiöse Bewegung im Elsass 
Eingang gefunden, doch nicht minder nach Lothringen war sie vorge- 
drungen, und es hatte eine zeitlang den Anschein, als ob der Pro- 
testantismus auch an den Ufern der oberen Mosel festen Fuss fassen 
würde unter dem Schutze der alten freien Reichsstadt Metz. Als aber 
der Kaiser Karl V., der äusseren Feinde ledig, ernstlich nach dem 
Jahre 1540 Miene machte, die ihm so verhasste Religionsneuerung zu 
unterdrücken, als in den Niederlanden die Inquisition blutige Opfer 
forderte, wurde das Voranschreiten der Reformation besonders im 
westlichen Deutschland gewaltsam gehemmt. Auch in Metz war im 
Jahre 1543 auf die Anordnung des Kaisers hin die religiöse Bewegung 
erstickt, ohne dass es dabei, wie anderswo, zu Gewaltthätigkeiten ge- 
kommen wäre, da die Protestanten sich den kaiserlichen Vorschriften 
fügten. Indem nun ein Anhänger der lutherischen Lehre all die Be- 
drückungen, denen die Sache des Protestantismus in den vierziger 
Jahren des XVI. Jahrhunderts ausgesetzt war, zusammenfasst, wobei die 
Farben recht grell aufgetragen werden, hat er ein sehr weitschweifiges 
Gedicht zu Stande gebracht, dem er den nicht gerade sehr kleinen 
Titel vorgesetzt hat: »Ein warnung, gedicht an alle und iede ware 
liebhaber des heiligen evangelions Christi und freiheit der loblichen 
deudschen nation von gott verlihen, in diser gefahrlichen kriegsrüstung 
wol zû bedenken«. In diesem Opus berührt er denn auch die Vorgänge 
in Metz; die uns interessierende Stelle lautet'): 

Der blütig schweiss solt eim aussgan, 
der horte solchen grausam mord, 

der sich zütregt an solchem ort! 

Gleicht sich der handlung schier zu Gent, 
in dem der selben vil geschendt. 

zu Metz solts auch so gangen sein, 

wo got nit het gesehen drein. 

Darumb, ihr herren, lond euch warnen, 
euch selb zü retten und die armen. 


Im vierten Kriege gegen Franz I., in dem Karl V. im Jahre 1544 
siegreich bis in das Herz Frankreichs vordrang, hatte zuerst der Graf 
Wilhelm von Fürstenberg, dem der Kaiser den Oberbefehl übertragen 
hatte, zu Ende Mai nach erfolgreichem Sturme die alte Veste Luxem- 
burg erobert und schickte sich an, die Grenze des französischen Reiches 
zu überschreiten, als Karl selbst in Metz eintraf, um die Leitung des 
Zuges zu übernehmen, der durch den Frieden von Crespy 1545 ein 
glorreiches Ende finden sollte. Dieser Krieg hat ih dem bekannten 


1) ib. 4, 322. 


Nürnberger Dichter Hans Sachs einen Sänger gefunden; der auf unsere 
Gegend bezügliche Anfang des Gedichtes lautet !): 


Als römisch kaiserlich majestat 

sich in Frankreich gerüstet hat 

beide zu fuss und auch zu ross, 

mit profant, sturmzeug und gschoss, 
wann am sechs und zwainzigsten tag 
kam man für Lützelburg, ich sag, 
besetzt mit vier fendlein Franzosen, 
die mit einander sich entschlossen, 
weil sie nit mehr hetten profand, 
dergleich kein rettung vor der hand, 
da theten sie die stat aufgeben, 

dass man sie liess aussziehen eben. 
Da blait man sie biss in Lutringen. 
Alsbald besetzt man nach den dingen 
die stat mit volk und starker wer. 
Darnach zog das kaiserisch heer 

am sontag der trifeltigkeit 

auf Maldorf in Lutring nit weit, 
namen ein das stetlein und schloss. 


Leider sollten die Erfolge dieses Krieges recht bald wieder ver- 
loren gehen, ja Deutschland sogar empfindliche Einbusse an seinen 
eigenen Landen erleiden; denn am 10. April 1552 geriet die alte freie 
Reichsstadt Metz mit Toul und Verdun durch schnöden Verrat in die 
Hände der Franzosen, ein Ereignis, welches im ganzen deutschen 
Lande gewaltige Bestürzung hervorrief. Der alte kranke Kaiser Karl V. 
gab sich ja grosse Mühe, die wichtige Veste dem Deutschtum wieder 
zu gewinnen, aber alle seine Anstrengungen blieben leider, wie be- 
kannt, ohne Erfolg. Hätte ein solch bedeutendes, wenn auch trauriges 
Ereignis unbesungen bleiben können? Heinrich Wirri, ein Schneider 
aus Solothurn, der wohl als Landsknecht im kaiserlichen Heere vor 
Metz gelegen hat, verfasste ein Gedicht, das letzte alte historische 
deutsche Volkslied, welches sich mit Metz befasst. Es trägt die Über- 
schrift ?): 

Ein schön new lied von der stat Metz, wie sie ist betrogen worden von 
dem könig auss Frankreich, gemacht im ton: 

So wil ich mir nit grausen lon, 
Sprach sich die keiserliche kron. 
Nun will ich aber heben an 
singen ein liedlein, ob ich kan, 
und wie es ist ergangen 

zu Metz gar in kurzer frist, 

wie es inen gat und gangen ist, 
hand daran kein verlangen. 


1) jb. 4, 253. 
2) ib. 4, 583 ff. 


D nr: A 


So man zalt tausent fünf hundert jar 
im zwei und fünfzigsten, das ist war 
und ist gar nit erlogen, 

da ist der könig auss Frankreich 

für Metz gezogen, das sag ich euch, 
und hat sie sehr betrogen. 


Er hat inen zü geseit, 

niemant wölt er thün kein leid 
und sie lassen bleiben 

bei irem brauch und gerechtigkeit, 
hat inens trewlich zü geseit, 
beger auch niemant zü vertreiben. 


Die von Metz hand im glaubt, 

des seind sie worden ir freiheit braubt, 
darzü müss ich euch sagen, 

sie seind so gar ungemüt, 

sie stand beim edlen keiser güt 

in grösten ongenaden. 


O Metz, was hast du gethan, 

dass du den Franzosen hast eingelan! 
du soltst es wol haben betrachtet, 
der keiser wer ein solcher man, 

und der dirs würde nit nach lan, 
wann er da thet erwachen! 


Metz, hettestu dich gehalten wol, 
wie ein solche stat denn billich sol, 
und dich thün tapfer wehren, 

wie du denn iez bezwungen bist, 
dass dich müst wehren zü aller frist 
gegen deinem eignen herren! 


Dass du dem Franzosen gfolget hast, 
des hastu weder rüh noch rast, 
daran sol wol gedenken 

im teutschen land ein iede stat, 

die ein frommen herren hat, 

sich an kein anderen henken! 


Gedenk daran, du teutsch nation, 

wie es denen von Metz thüt gon, 

in kummer müssen sie streben. 
Gedenk daran zu aller frist, 

wann man dich schon aufforderen ist, 
thü dich nit bald ergeben! 


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Und dass sich Metz ergeben hat, 

des hört man all tag grosse noth 

von weib und auch von kinden, 

auch kan man kein haus gross noch klein 
drei meil umb die stat Meiz, ich mein, 
thüt man doch nienen finden. 


Des entgiltet mancher man 

und der daran nie schuld gewann 
und müss sein sehr entgelten; 
Metz, du bist schuldig dran, 
darumb ich dich nit loben kan, 
ich müss dich billich schelten. 


Hettestu dich bass bedacht, 

die schlüssel keinem frembden bracht, 
es wer dir bass ergangen! 

der keiser wer dir zü hilf bald kon, 
denn er hat manchen stolzen man, 
kartonen und auch schlangen. 


Die er iezt gen dir brauchen müss, 
ich förcht, dir werd ein herte büss: 
die stat selber zurschiessen 

hab ich mein tag nit vil gesehn, 
thüt mir an meinem herzen weh, 
möcht noch ein verdriessen! 


Kein man und der würt mehr so alt, 

dass er dich find in solcher gestalt, 

wie du vor bist gewesen; 

thürn und mauren seind dir zerzert, 
> 

darzu dein ganzes land verherst, 

du würst sein kaum mehr gnesen! 


Ob schon der keiser müst ziehen ab, 
so bleibestu in noth und clag, 
wiewol du sein nit darfst denken; 
der keiser. ist ein solcher man, 

er wagt eh ruck und bauch daran, 
ob er von dir würt wenken. 


Metz, du solt ein spiegel sein, 
teutsches land, nün sich darein 
und thüs gar wol betrachten, 
und wenn es dir geschehen solt, 
wie es denen von Metz iez gat, 
so wurd man dein lachen. 


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Gott den solt du rüfen an 

dass er dir treulich bei wöll ston 

mit seinem wort thü leren; 

der kan dich machen sigenhaft, 

dass du dich des argen teufels macht 
mit seiner hülf magst erwehren. 


Wir bitten in durch seinen sün, 

er wöll uns nit entgelten lon 
unser grossen sünden, 

die wir da stets begangen hend; 
dein göttlich gnad du zü uns send, 
wann uns der tod thüt finden. 


Der uns dis liedlin hat gemacht, 

er hats gedichtet bei der nacht, 

so in nit anfacht zü schlafen. 

Wir sond von unseren sünden lan, 
darmit wir tag und nacht umb gand, 
gott würt uns sonst auch strafen! — 


Die alte Stadt Metz, von deren Fall an Frankreich das letzte 
Lied uns meldet, sie ist seit 26 Jahren wieder in deutschen Händen, 
und die neueren historischen Lieder der Deutschen, sie künden uns 
nicht Schmach und Schande, nein, sie singen in hellen Tönen die 
Wiedergewinnung der alten Moselveste für das Deutschtum. Die 
Schlachten unter ihren Mauern, die Eroberung der nie bezwungenen 
jungfräulichen Festung, die Gefangennahme einer ganzen feindlichen 
Armee, sie sind erhabenere Gedanken für ein deutsches Herz, als die 
zuletzt vernommenen, und die Ereignisse um Metz aus dem Jahre 1870, 
sie werden im Liede der Deutschen fortleben, wenn alle die Helden 
längst ins Grab gesunken sind, welche uns unsere Heimatstadt mit 
den Waffen in der Hand zurückerobert haben. An uns und unseren 
Kindern aber soll es dann liegen, dass uns diese Perle des deutschen 
Vaterlandes nie wieder entrissen wird. 


Notice sur Phlin (Villingen) 


par l'abbé Th. Sanson, curé d’Aulnois-sur-Seille. 


Phlin, appelé successivement Filicionis curtis en 775, Felis en 1158, 
Felix, Felin en 1243 et 1327, Felain en 1463, Flin ou Felin en 1530 et 
1580, et ensuite Phlin, est un village de 145 ämes, situé sur la Seille 
à 6 kilomètres de Nomeny et à 10 de Delme: son territoire, enclavé 
dans le Temporel de l'Evêché de Metz, comprenait un fief, qui relevait 
des Comtes de Bar, et le village qui dépendait des Evêques de Metz. 

Les familles principales qui possédèrent ce fief, érigé probable- 
ment au XII siècle, sont: 


La famille de Phlin ou Felin, de 1240 à 1400; 

Les familles de Cherizey et de Liocourt, de 1400 à 1500; 

Les familles d’Hunolstein et de Gennes, de 1500 à 1719: 

La famille Le Duchat de Rurange, de 1719 à 1780; 

La famille de Domgermain, de 1780 à 1858; et 

La famille de la Salle, qui possède actuellement le château 
et la terre de Phlin. 

Les Seigneurs de Phlin, qui relevaient des Comtes de Bar pour 
la Maison forte et des Evêques de Metz pour la vouerie du village, 
possédaient les droits de haute, moyenne et basse justice, création 
d'officiers, potence et signe patibulaire, rivière, étangs, four banal, 
colombier, amendes, sauf appel au bailliage de Saint-Mihiel; les habi- 
tants des terre et village de Phlin, en dehors des redevances et corvées 
habituelles, étaient tenus de faire le guet et la garde ordinaire en la 
Maison forte. 

Au spirituel, Phlin, jusqu'à la Révolution française, dépendait de 
l'Evêque de Metz; la dime appartenait pour les deux tiers au chapitre 
de la cathédrale de Metz et pour l’autre tiers à l’abbe de Saint-Sym- 
phorien de Metz. 


29 


L'histoire ne nous dit point à quelle époque fut construit le 
Château ou Maison forte de Phlin; il est probable que ce fut au com- 
mencement du XIII siècle, car en 1243 nous trouvons un Collard de 
Félix, nommé en qualité de Seigneur du fief de Delme et en 1277 Simon 
de Félix se reconnaît vassal de l'Evêque de Metz pour la moitié des 
moulins et des étangs de Phlin: d'ailleurs l'entrée du château actuel 
et les quatre tours extérieures, qui entourent le château. nous offrent 


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l'aspect des constructions de cette époque. La Maison forte, comme 
l’appellent les anciens titres, est située à l'extrémité nord du village, 
dans un angle formé par deux pentes de terrain fort abruptes, au 
pied desquelles jaillit une source abondante, qui alimentait les fossés 
du château fort; l'enceinte était carrée, flanquée de quatre tours rondes 
aux angles, reliées par une muraille haute et épaisse, et protégée par 
un fossé plein d'eau, qui arrosait le pied de la muraille et des tours. 
Entre les deux tours du sud se trouvait la porte d'entrée, ménagée 
dans une forte tour carrée, et munie des défenses du temps, pont-levis, 
herse, passerelles, machicoulis. Dans l'intérieur de la forte muraille 
étaient les cours, bâtiments d'habitation, écuries, etc, 


De l’ancienne maison forte il ne reste aujourd'hui qu'une partie, 
néanmoins fort appréciable encore. Si les fossés, sauf celui qui précède 
la porte d'entrée, ont été comblés, si le mur d'enceinte a disparu, si 
des constructions nouvelles ont remplacé l’ancien corps de logis, nous 
retrouvons cependant encore les quatre tours des angles, dont trois 
certainement appartiennent a la construction primitive. A la porte 
d'entrée, dont les détails rappellent la construction ancienne, sont ados- 
sées trois autres tours plus petites, qui, après avoir servi probablement 
de défenses à l’ancienne porte d'entrée ont été habillées à la moderne 
pour donner au vieux château fort de Phlin l'aspect plus coquet qu'il 
présente aujourd'hui. 


Réparé sans doute bien des fois à la suite des dommages causés 
par le temps et par la guerre, le château de Phlin a subi de 1850 
à 1860 des réparations et des changements considérables qui en font 
l’une des demeures les plus agréables et les plus curieuses du pays 
de la Seille. 

Maintenant, quelle est l’histoire de Phlin, qui est surtout celle de 
son château fort ? 


En consultant les auteurs qui se sont occupés de Phlin, Lepage !), 
d’Huart?), Tepfer?); en étudiant les archives de Phlin, qui nous ont 
permis de compléter ces écrivains et parfois de les corriger: en y 
ajoutant certains faits, puisés dans l’histoire de l’ancienne Lorraine et 
dans les savantes recherches de M. l'abbé Paulus, nous avons pu faire 
revivre d'une manière assez suivie le vieux Phlin, son vieux donjon 
et ses anciens Seigneurs. 


Il est probable que les lieux Filicione curte et Sicramno curte, 
mentionnés dans l’histoire de l’abbaye de Saint Denis par Dom Phili- 
bien *) et dans le testament de Fulrade en faveur du prieuré de Salonnes ?) 
dans les années 775 et 777 désignent les localités de Phlin et de 
Craincourt. Ce serait done à la date respectable de 775 que notre 
Phlin entrerait dans l’histoire. 


En 1158, Etienne de Bar, Evêque de Metz, donne à Royer, abbé 
de Sept Fontaines au diocèse de Langres, le village de Phlin <locum 
qui dicitur Felis» avec ses dépendances et la pêche de la Seille, depuis 


1) Lepage : Communes et Statistique de la Meurthe. 

2) d'Huart: Revue d’Austrasie, année 1842. 

#) Tœpfer : Urkundenbuch von Hunolstein. 

#) Preuves, N° 56. 

*) Grandidier, Histoire de l'Eglise de Strasbourg, preuve 71. 


le moulin de la Fosse jusqu'à l’autre moulin '); mais il paraît que les 
religieux de Sept Fontaines trouvèrent cette terre trop éloignée pour la 
conserver, car nous voyons un nouvel abbé, Baudouin, revendre en 1261 
ses maisons et biens de Chagny et de Félix à l’abbaye de Sainte-Marie 
aux bois près de Pont-a-Mousson *). 

C'est sans doute au commencement du XII siècle que la terre 
de Phlin fut érigée en fief, car nous voyons nommés en ce siècle 
Collard, Simon et Jehan de Félix. 

En 1243 Regnauld de Craincourt, père de Théodoric de Crain- 
court, vend à Jacques de Lorraine, Evêque de Metz, la vouerie de 
Delme, movant (qui relève) de Collard de Felix; la même année, ledit 
Collard de Félix restitue à l’abbaye de Longeville une «moytresse» ferme, 
nommée Elvange et située à Plantières. 

En 1277 Simon de Félix, chevalier, se reconnaît vassal de ’Ev&que 
de Metz, Laurent, et s'engage à verser annuellement à l'Evêque la 
somme de 10 florins pour la moitié des étangs et moulins de Felin, 
l’autre moitié appartenant à Jehan de Felin, chevalier, qui est encore 
nommé en 1280 *). 

Jehan de Félix mourut vers 1325, laissant un fils Gérard de Felin, 
écuyer, qui prit part à la guerre que la ville de Metz soutint contre 
le roi de Bohême et ses alliés, et qui le 12 septembre 1327 donna 
quittance à la cité messine des sommes qu'elle lui devait tant pour sa 
solde que pour les dommages causés à ses biens (signée le samedi de- 
vant l’Exaltation de la Sainte Croix). 

Il paraît qu'en dehors de Gérard de Felin, Jehan de Félix avait 
encore deux autres fils Jehan et Simon: car le mercredi 27 mai 1332, 
veille de l’Ascension, Jeannette, veuve de Jehan de Félix, reprend du 
comte de Bar, pour elle et ses trois enfants Jehan, Simon et Gérard, 
la forte maison de Felin en Saulnois avec ses dépendances et cinquante 
sols de petits tournois de rente annuelle sur les issues de Pont-à- 
Mousson°). Le 25 janvier 1333, Simon de Felin en Saulnois reprend 
du même comte de Bar sa forte maison de Felin avec ses dépendances 
et les rentes sur la ville de Pont-à-Mousson, en promettant de faire, 
comme il l’a promis, trois semaines de garde au château fort de 
Mousson®). Le 29 juin 1335, jour de saint Pierre et de saint Paul, 
Er 

?) Lepage. 

*) Bibliothèque nat. Paris, inventaire fait à Vie en 1634. 

*) Archives de la ville de Metz. 

5) Du Fourny, X, 355. 

*) Archives Départ. Metz. 


Rollin de Felin (que Meurisse appelle Rollons de Felinx) écuyer, fils de 
feu Jean de Felin, dit la mule, reconnaît tenir en fief de l'Evêque de 
Metz, Adhémar de Monteil, tout ce qu'il possède a Felin en hommes, 
femmes, terres, bois, rentes, cens, droitures, etc., à l’exception de sa 
part en la maison forte qu'il déclare tenir du comte de Bar: il fait 
hommage au même pour 100 sols de rente, sis sur les salines de 
Moyenvic, payables à la Saint-Remy et rachetables moyennant la somme 
de 100 livres: il reconnaît de plus qu'il est obligé envers l’Eveque à six 
semaines de garde annuelle à Delme, où il doit demeurer lui-même 
au moins une fois l'an‘). Acte signé et scellé de son scel et de celui 
de son frère Colin de Felin. 

La même année, le 10 septembre, Gérard, fils de Jean de Felin, 
reprend du comte de Bar, après l'Evêque de Metz, 30 livrées de terres *). 

Le lundi 13 juillet 1338, fête de sainte Marguerite, Gérard de 
Felin reprend du comte de Bar la moitié du moulin de Felin, qu'il 
possède par indivis avec les enfants de Jehan de felin, le colombier, 
la grange et les autres héritages qu'il a audit lieu de Felin, le tout 
montant à 131 florins 61 derniers de terres, de laquelle somme il faut 
diminuer 10 livrées de terre qu'il avait ci-devant reprises de feu Edouard, 
comte de Bar, pour ce qu'il le retira de la prison de Henri de Fene- 
trange ©). 

Tels sont les divers actes qui nous montrent l'existence pendant 
près de deux siècles d’une famille noble de Phlin, qui possède la terre 
et la maison forte de ce nom, et qui relève en partie de l’Eveque de 
Metz et en partie du comte de Bar. 

Gérard de Felin, le dernier rejeton mâle de sa famille, eut trois filles : 


Alix de Felin, qui épousa Henry de Cherizey: 
Jeanne de Felin, qui épousa Guillaume de Liocourt : 
Catherine de Félin, la plus jeune, qui épousa Huet de Verny. 


Alix et Jeanne de Felin se partagerent la terre et Seigneurie de 
Phlin, laissant d'autres biens à leur sœur Catherine; par suite de leur 
mariage elles transportent leur héritage paternel dans les familles de 
Chérizey et de Liocourt, qui pendant deux siècles vont administrer 
conjointement la maison forte et la terre de Phlin et s’en partager les 
revenus. Pour mettre plus de clarté dans notre récit nous suivrons 
séparément ces deux familles dans leur possession de Phlin. 


?) Archives Départ. Metz, II, 128. 
?) Lepage. 
#) Archives Départ. Metz, I, 288. 


ı° Les Chérizey, Seigneurs de Phlin. 


Le château de Chérizey, ayant été ruiné en 1367 dans la guerre 
contre Pierre de Bar, Henri de Chérizey, devenu Seigneur et proprie- 
taire de Phlin pour la moitié par son mariage avec Alix de Felin, vint 
s’etablir a Phlin dont il fit hommage au comte de Bar le 6 mai 1401: 
il reprit du même 50 livres de rentes, sises sur les revenus de Pont- 
à-Mousson ?). 

Le 27 juin 1405 il soutint, de concert avec ses beaux-frères, un 
procès contre les habitants de Gembrecourt et de Fronville, pres de 
Vie, qui refusaient de payer les rentes dues à leurs seigneurs voués ?). 
Henry de Chérizey mourut en 1410 (il était fils d’Androuin de Ché- 
rizey) et son épouse en 1418, comme on peu le voir par l'inscription 
placée sur leur tombeau; ils furent inhumés dans la chapelle du prieuré 
de Phlin: leur tombeau, qui dans ces derniers temps (vers 1843) a 
été transporté au château de Chérizey, représente les époux dans 
l'attitude de la prière, l'homme revêtu de son armure, les pieds appuyés 
sur un lion, la femme, le front couvet du voile des veuves. Henri de 
Chérizey laissa six enfants: 


1° Jean de Chérizey, l'aîné, tige des marquis de Cherizev, Sei- 
sneur de Chérizey; il devint aussi Seigneur de Taisey par son 
mariage avec Perette de Taisev, veuve de Jacquemin d'Onville, 
dont elle avait déjà un fils Verry d'Onville. 

2° Bertrand de Chérizey, sgr de Phlin pour la moitié : 

Catherine de Chérizey, épouse de Jacques, sire de Villers-le- 

Prudhomme ; 

4° Isabelle de Chérizey, épouse de Jean Blämont; 

5° Simon de Chérizey, abbé de Saint-Arnould ; 

6° Marguerite de Chérizey, abbesse de Saint-Pierre ; 

(° Philippe de Chérizey-Nouroy, qui fut fait prisonnier à Bul- 
gnéville. 


Dans le partage de famille ce fut le cadet Bertrand de Chérizey qui 
hérita de la moitié de Phlin, qui appartenait à sa mère: de plus il 
eut une part dans les Seigneuries de Chérizey et de Thezey. Etant 
mort sans enfants vers 1452, il laissa les biens qui lui venaient de son 
père à son frère Jean de Chérizey, et ceux qui lui venaient de sa 
mère, c’est-à-dire Phlin, ete., à ses neveux Claude de Villers le Prud- 

') Toepfer, III, 246. 

2) d’Huart. 


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homme et Jean de Blämont!). Il fut inhumé dans la chapelle du 
prieuré de Phlin, où il avait fondé une messe basse tous les samedis, 
moyennant une rente perpétuelle de cinq francs messins. 

Le 29 novembre 1463 Claude de Villers le Prudhomme et Jean 
Blämont ou de Blämont, écuyer, se partagerent les biens que leur 
avait laissé leur oncle. Voici les principales dispositions de ce contrat, 
qui nous donnera une idée de la maison forte et de la Seigneurie de 
Phlin à ce moment: «Nous Official de la Cour de Metz faisons savoir 
à tous que Claude de Villers le Prudhomme et Jehan de Blâmont re- 
connaissent par la teneur des présentes qu'ils ont partagé ce qu’ils 
avaient en la forte maison de Felain, qui leur est échue de la part de 
3ertrand de Charexey, assavoir: que le dit Claude ait en la maison 
forte tout le maisonnement qui fut à Bertrand de Charexev, sauf la 
petite tour qui est joindant à la dite maison forte et qui est derrière 
la porte: en oultre que le dit Jehan ait à l'encontre la haulte tour 
dite Mallatour, avec la cuisine et le palle (poële), de même de haut 
en haut du côté de Guillaume de Liocourt et la petite ruelle avec la 
petite tour devant dite, pour laquelle le dit Jean aura son allée pour 
venir et aller au-dessus de l'allée qui est au dit Claude et sans qu'icelui 
y puisse contredire. Item ont encore partagé les bourbequennes d’icelle 
maison forte, en telle manière que le dit Jehan ait sa part depuis la 
borne qui est entre eux et les hoirs de Liocourt jusques à une autre 
borne que les dits Jehan et Claude ont mis de commun accord. Item 
ait encore le dit Jehan la tour qui est à servir et à parfaire, laquelle 
gist derrière la fontaine de la dite maison forte, et le dit Claude ait 
depuis leur borne commune jusqu'à l'angle qui est à Jean de Blämont. 
Item ont encore partagé les manoirs qu'ils ont en la ville de Felin, de 
manière que Claude ait la moitié de la grange dite Maliacourt avec 
les deux petites, joindant à Guillaume de Liocourt, et ledit Jehan ait 
en sa part la cencive (cens) qui est assise sur la maison Gondalz, entre 
la maison Henry le noir, et celle de Tenour de Mailly, et de plus le 
dit Clande doit payer au dit Jehan la somme de trente francs, en un 
seul payement.» Par suite de ce partage, Claude de Villers le Prud- 
homme eut encore la terre seigneuriale d’Avrainville et Jean Blämont 
celle de Gembrecourt. Il est probable que les tours mentionnées dans 


') Lepage et d'Huart regardent ces Blämont comme appartenant à la grande 
famille des Blämont-Salm ; il est probable qu'ils-se sont trompés, le premier Blämont 
de Phlin signait tout simplement «Jehan Blanmont» sans particule; sa famille 
fournissait, croit-on, les officiers de bouche ou cuisiniers à l’'Evêque de Metz 
(voir Mémoires d'Archéologie Lorraine, année 1890, page 79). 


cet acte sont les mêmes que celles que nous voyons encore aujourd'hui 
au château de Phlin et qu'elles remontent par conséquent," sauf une 
qui était encore à parfaire, à la construction primitive du château-fort. 
Voyons maintenant la suite de ces familles: 


a) Claude de Villers le Prudhomme, Seigneur de Phlin pour un 
quart, donna son dénombrement et fit ses reprises du duc de Lorraine 
comme héritier des comtes de Bar pour sa part de Phlin et pour 
Avrainville le 8 octobre 1487. Marié à Richarde de Cunchen ou 
Cunicheim, il en eut un fils François de Villers le Prudhomme, qui 
épousa Barbe de Landrexécourt, et qui rendit ses foi et hommage au 
duc de Lorraine pour Phlin le 10 décembre 1509. François de Villers 
le Prudhomme eut trois enfants: 


1° Claude, Seigneur de Villers le Prudhomme, qui continua la 
famille de ce nom; 

2° Francois, Seigneur en partie de Thezey, du quart du chäteau 
et du seizieme de la terre et seigneurie de Phlin ; 

3° Francoise, épouse de Alexandre de Saintignon, échevin du 
palais de l'Evêché de Verdun; elle eut deux enfants Francois 
et Jean de Saintignon, qui héritèrent de ses ®/ıs en la sei- 
sneurie de Phlin. 


En 1565 Francois de Villers le Prudhomme et ses neveux Fran- 
cois et Jean de Saintignon vendirent leur part de Phlin a Henri Hellotte, 
lieutenant general au bailliage de Nomeny, qui devint ainsi proprietaire 
pour un quart en la Seigneurie de Phlin. 


b) Jean de Blämont, écuyer, seigneur de Phlin pour un quart, épousa 
Agnès de Vergney (Verny) qui lui apporta en dot divers biens situés 
à Cousance, pour lesquels il fit ses reprises en 149271). Le 19 mai 1507 
il fit foi et hommage au duc de Lorraine pour le quart de la maison 
forte, du village, de la haute justice, des hommes, femmes, moulins et 
rivière de Phlin?). Il eut un fils, nommé aussi Jean de Blämont, qui épousa 
Marguerite de Crincourt; celui-ci laissa ses biens et en particulier son 
quart de Phlin à sa fille Jacquette de Blämont, qui épousa Hector de 
Gennes avec qui elle vivait en 1555. Hector de Gennes laissa la part 
de Phlin, qu'il tenait de sa femme à son fils Nicolas de Gennes dont 
nous parlerons ci-après et qui par des achats successifs va réunir en 
sa main toute la terre et Seigneurie de Phlin. Revenons maintenant 


1) Trésor Chartes, Bar, Nicev, 28. 
?) Pont, fiefs, III, 65. 


3* 


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à Guillaume de Liocourt que nous avons vu vers 1360 se partager 
avec Henri de Chérizey la maison forte et la terre de Phlin: 


2° Les Liocourt, Seigneurs de Phlin. 


Guillaume de Liocourt, devenu proprietaire de Phlin pour la 
moitié par son mariage avec Jeanne de Felin vers 1360 était déjà 
Seigneur de Liocourt, Chambrey et Brin: il laissa ses biens à ses 
quatre enfants: 


1° Jean de Liocourt. 

2° Bertrand de Liocourt. 

3° Henri de Liocourt, époux de Isabelle de Nancv, bastarde de 
Lorraine; 

4° Georges de Liocourt. 


Au partage de ces biens, qui se fit en 1436, ce fut Bertrand de 
Liocourt (Lyoncourt) qui hérita de la moitié de Phlin et qui eut en 
même temps Chambrev. 

Celui-ci laissa ses biens a son fils Guillaume II de Liocourt, qui 
epousa Alix des Armoises, dame en partie d’Affleville, en 1463; dans 
un acte du 29 mai 1456 il s'intitule Seigneur de Felin et de Chambray. 
En dehors de ces Seigneuries, il reçut de l’Ev&que de Metz, Georges de 
Bade, dont il était chambellan et à qui il rendit de nombreux services, 
plusieurs biens en nature de fief, savoir: «La moitie de la riviere de 
Milcey, depuis Marsal jusqu’au dit Milcey (Mulcey); la vouerie de 
Chambrey pres de Vy, avec ses appartenances; 10 livres de rente sur 
les salines de Moyenvy; la moitié de l'étang dessous Fousseul (Fossieux) 
et du moulin dudit étang, et la moitié du bois près de Fousseul: 
tout ce que son père Bertrand a eu en la vouerie de Xenoncourt 
(Xocourt) au ban de Saint-Clément de Metz, savoir en la dite ville de 
Xenoncourt, ès villes de Longeville, Chavillon, Jeuville, Mouchon (Mon- 
cheux), Allaincourt, et Puxeul (Puxieux); une partie au ban de Manon- 
court, situé au ban de Delme?); cette donation et reconnaissance est 
datée du 27 mai 1460. La même année 1460 il preta sa vaisselle 
d'argent, qui pesait 21 marcs 2,5 onces, à l’Eveque Georges de Metz, 
qui en retour érigea en franc alleu sa maison de Nomeny (21 août 1461), 
lui promit de lui renvoyer sa vaisselle au château de Phlin, et le nomma 


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gouverneur de Nomeny le 7 novembre 1461). 


1) Cartulaire de l’Eveche de Metz aux Archives Dép. à Metz. 
?) Topfer, 


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Guillaume II de Liocourt eut deux enfants: 
Bertrand II de Liocourt et Marguerite de Liocourt. 


Il et probable que Bertrand II de Liocourt hérita seul des biens 
de son père, de Phlin en particulier, car nous le voyons reprendre 
seul de l’Evêque de Metz le 1% septembre 1468 pour les biens men- 
tionnés plus haut; à ces biens il ajouta encore la ville de Saint-Maurice 
pres de Badonvillers et la grande maison de Montigny (près de Luné- 
ville) avec ses dépendances, pour lesquelles il fit hommage à Ferry de 
Blämont le 7 juin 1469). Bertrand de Liocourt étant mort sans posté- 
rité, sa sœur Marguerite de Liocourt hérita de tous ses biens et les 
porta dans la famille de Philippe Crappe de Saarebourg, son époux, 
fils de feu Nicolas Crappe de Saarebourg, écuver. 

Philippe Crappe, au nom de son épouse, le 22 octobre 1477, re- 
connaît tenir en fief de Ferry de Blämont, Saint-Maurice et Montigny, 
et se reconnaît vassal de l'Evêque de Metz pour la moitié de Phlin 
et ses autres fiefs messins le 29 octobre 1478; le 12 juillet 1476, il 
avait acheté avec son épouse divers biens à Deux-Ponts au duc Louis 
de Pfalz-Veldenz; Philippe Crappe eut deux filles dont l’une se fit 
religieuse au couvent de Saint-Pierre de Mayence et dont l’autre épousa 
Jost de Flersheim. 

Marguerite de Liocourt étant devenue veuve en 1480, elle épousa 
en secondes noces Egenolf de Rathsamhausen (ou Egenolf de la Roche), 
Seigneur de Dürkastel (ou Chäteau-Vou6). Celui-ci, au nom des enfants 
de Philippe Crappe, ses pupilles, fit ses reprises de Georges de Bade. 
Evêque de Metz, pour une maison au château de Lutzelbourg le 6 fé- 
vrier 1481, et du duc de Lorraine le 10 août 1481 pour l'Eglise et 
les dimes de Walderfangen et une partie du chäteau de Wolfstein. 
Au nom de son épouse il fit ses reprises pour Phlin et ses autres fiefs 
messins le 6 février 1481, le 4 octobre 1485. le 9 août 1500 et le 
4 décembre 1506; il fit de même ses reprises pour ses fiefs lorrains 
de Saint-Maurice et de Montigny le 29 janvier 1481 et le 1° juin 1500. 

De son mariage avec Egenolf de Rathsamhausen, qui mourut 
vers 1520, Marguerite de Liocourt eut trois enfants: 


1° Sebastien de Rathsamhausen, qui mourut célibataire ; 

2° Eva de Rathsamhausen ou de la Roche, qui épousa Jacques 
de Germiny : 

3° Elisabeth de Rathsamhausen, qui épousa en 1502 Adam Vogt 
d’Hunolstein. 


1) Toepfer. 


Cest cette derniere qui eut en partage les biens de sa mere, 
savoir la moitié de la Seigneurie de Phlin, la Seigneurie de Chambrey, 
Saint-Maurice et Montigny, et qui par son mariage les apporta à Adam 
Vogt d’Hunolstein. 

Les comtes d’Hunolstein entrèrent ainsi en possession de la 
moitié de la Seigneurie de Phlin, dont les revenus tirés des villages de 
Phlin, Sailly, Moncheux, Puxieux et Villers s’élevaient à la somme 
annuelle de 841 franes d'après un compte du XVI siècle; dans ce 
compte n'étaient point compris le château, ni les jardins et terres qui 
l’entouraient et qui servaient au logement ou à l'entretien des servi- 
teurs et officiers de la Seigneurie. Devenue veuve, Elisabeth de Rath- 
samhausen (Allison de la Roche) donne le 8 janvier 1520 sa procu- 
ration à son beau-frère Jacques de Germiny pour régler ses affaires 
de Phlin. D'Adam Vogt d’Hunolstein, elle eut cinq enfants, 2 fils et 
trois filles. 

Le 1° juin 1530 les deux fils Adam et Hamman d’Hunolstein 
achètent pour 3500 livres de Lorraine la part de leur sœur Eva dans 
l'héritage paternel et maternel et dans la succession de leur tante Eve 
de la Roche, dame de Germiny, qui n'avait pas d'enfants: pour ga- 
rantie de cette somme ils mettent en gage de la dite sœur tout ce qu'ils 
possèdent à Flin, Chambrey et Saint-Maurice : de plus la dite tante promet 
d’habiller honettement la dite demoiselle Eve à ses noces et de fournir 
les frais d’icelles; item de fournir des pansions annuelles des sœurs 
des dits frères qui sont en religion. Par acte du 5 septembre 1530 
Eve de Hunolstein et son époux Jean de Barbas ratifièrent cette con- 
vention !). ; 

Le 2 décembre 1538, Adam d’Hunolstein reprend du duc de 
Lorraine Antoine ce qu'il tient en fief dans les Seigneuries de Flin et 
de Château woel?). Etant mort en 1541, ce fut sa veuve Marie 
Hilchin de Lorsch, qui géra ses biens pendant la minorité de leurs en- 
fants Jean et Barbe d'Hunolstein. Jean, qui eut probablement en partage 
tout ce que sa famille possédait à Phlin, épousa en 1556 Elisabeth de 
Hagen (qui mourut en 1602). Le 6 juin 1567 il montra qu'il était 
vraiment Seigneur de Phlin: plusieurs habitants de Taizey, avant enlevé 
par force et en armes son chastelain Mengin Godefroy avec son cheval 
et ses meubles, lequel n’est justiciable que des officiers de Phelin, 
Honoré Seigneur Jehan Vogt, Seigneur de Honnestein, de Chateau woue 

') La plupart de ces détails sur la famille d’Hunolstein sont tirés du car- 


tulaire de cette famille par Tœpfer. 
?) Arch. Dep.” Metz. 


| = 


et de Phelin, reclame ses droits de haute movenne et basse justice au 
dit Phelin contre ceux de Taizey: et ceux-ci n'ayant pas voulu se 
soumettre, il leur fait donner assignation le 16 juin 1567 pour com- 
paraître le 2 juillet devant le bailli de Saint-Mihiel '). Le 9 juillet 1574, 
le dit Jean, voué d’Hunolstein, donne son denombrement, par lequel il 
reconnaît tenir en fief du due de Lorraine et de Bar la moitié du 
château et maison forte de Phelin, la terre et Seigneurie du dit lieu ?). 

Il laissa en mourant (1580) 3 fils Jehan Schweikart, Guillaume, 
Hans Adam et 6 filles sous la tutelle de Nicolas de Schmidtherg. 
Celui-ci fit en leur nom le 15 juillet 1580 foi et hommage au duc de 
Lorraine pour la moitié du château et maison forte de Phlin, relevant 
du Marquisat du Pont et châtellenie de Mousson, auquel château les 
subjets et habitants du dit Phelin sont tenus de faire le guet et la 
garde ordinaire: pour la moitié de toute la Seigneurie du dit Phelin 
en tous droits de haute, moyenne et basse justice, en hommages, création 
des officiers de justice et maveur, lesquels ont le droit de connaître 
de toutes actions civiles et criminelles jusqu'à l'appel au bailliage de 
Saint-Mihiel; pour la moitié de la rivière, des deux étangs, du moulin, 
du four banal et du colombier: la moitié des cens, rentes en blé et 
en argent: la moitié de 30 gelines et de 60 chapons, du banvin, etc. ”). 
Au partage qui se fit en 1588 entre les enfants de Jean Vogt 
d'Hunolstein, ce fut le plus jeune Hans Adam qui eut Villingen (Phlin) 
ainsi que la maison de Lorch. 

A ce moment les Seigneurs de Phlin étaient: Hans Adam de 
Hunolstein, encore enfant, pour la moitie, Henri Hellotte pour un quart 
et Nicolas de Gennes pour l'autre quart. Ils jouissaient paisiblement 
des revenus de leur Seigneurie quand un événement terrible vint leur 
apprendre à mieux se tenir sur leurs gardes. Les bourgeois de Metz, 
pour qui la vieille guerre contre la Lorraine était toujours à la mode. 
faisaient alors des courses sur les terres du duc de Lorraine: trouvant 
le château fort de Phlin mal gardé, ils l'assiégèrent, s’en emparèrent 
après quelques jours seulement de siège et le livrèrent au pillage en 
mars 1590. Les tuteurs de Hans Adam d’Hunolstein demanderent au 
duc de Lorraine de payer les dégâts causés au château et A la terre 
de Phlin (29 mars 1590); mais le comte de Salm, Jean, gouverneur de 
Naney, leur répondit que si le château de Phlin s'était gardé et dé- 
fendu comme ceux des environs il n'aurait pas été pris par un ennemi 

') Du Fourny, V, 127. 

*) Du Fourny, X, 466. 

*) Du Fourny, X, 486. 


ANS 


qui n'avait pas le temps ni les moyens de faire un long siège. Néan- 
moins le duc de Lorraine ne laissa pas de venir au secours de ses 
vassaux de Phlin; le 17 avril les troupes ducales paraissaient devant 
Phlin avec un canon et une demi-munition (160 boulets); après 
120 coups tirés contre les murailles, les ennemis consentirent à rendre 
la place à condition qu'ils pourraient se retirer librement dans le pays 
messin. Le lendemain toutefois les Messins retournèrent à Phlin, tom- 
bèrent à l'improviste sur les Lorrains qui perdirent 400 hommes et 
leur canon !). 

Remis de cette émotion, Hans Adam d’Hunolstein fit dresser le 
21 mai 1591 un pied terrier des biens et droits qui lui appartenaient 
à Phlin; sa mère étant morte en décembre 1602 en lui laissant le château 
de Sötern qu'elle possédait, il alla s’y installer, l'habitant en même 
temps que celui de Lorch sur le Rhin; mais, se trouvant trop éloigné 
de la Seigneurie de Phlin pour lui donner les soins voulus, il vendit sa 
moitié de Phlin à son frère Guillaume, Seigneur de Chäteau-Voue, qui 
la revendit en 1606 à Nicolas de Gennes pour 24 000 livres. 

Nicolas de Gennes, déjà Seigneur de Phlin pour un quart comme 
héritier de Jacquette de Blämont, acheta encore en 1597 à Guyon de 
Lucy une petite partie de Phlin, qu'il tenait de son père Louis de Luey, 
maréchal héréditaire de Champagne et pour laquelle celui-ci avait fait 
ses reprises du due de Lorraine en 1576. Il ne trouva plus alors pour 
partager avec lui la terre et Seigneurie de Phlin que Henri Hellotte. 

Henri Hellotte, que M. d'Huart traite d'une manière fort incon- 
venante par ce qu'il avait été ennobli par l’Ev&que de Metz, Nicolas 
de Lorraine, était en 1550 lieutenant général au bailliage de Nomenv ; 
désireux de s’égaler aux Seigneurs des environs, il acquit avec sa 
femme Marie Ruttant différents domaines sur la Seille: c'est ainsi 
qu'en 1550 nous le voyons Seigneur de Morey et de Fossieux. En 1565 
il acheta à Francois de Villers le Prudhomme sa part (!/ı du château 
et ‘16 de la terre et Seigneurie) de Phlin, pour laquelle il fit ses re- 
prises du due de Lorraine en 1574. Quelque temps après (en 1595 
et 1596) il acheta aux autres héritiers de Claude de Villers le Prud- 
homme ce qu'ils possédaient à Phlin. En 1606 les Seigneurs de Phlin 
se trouvent donc être Nicolas de Gennes pour les trois quarts et Henri 
Hellotte pour un quart. Nicolas de Gennes avait pu acheter aux d’Hunol- 
stein (1606) leur moitié de Phlin ainsi que la part de Guyon de Lucy 
(1597), grâce à la dot que lui avait apportée son épouse Françoise de 


7? 


Mouron, riche heritiere du pays messin. 


') Lepage — Compte du domaine ducal pour 15%. 


N. NER 


En 1610, Nicolas de Gennes acheta une masure, appelée l'hôpital, 
pour 2500 livres de Lorraine à Jean de Faulx qui l’avait reçue de 
Guillaume d’Hunolstein lorsqu'il était son chätelain (intendant) à Phlin, 
vers 1605. Nicolas de Gennes et Henri Hellotte n’ayant pas pu s’en- 
tendre pour leur partage des familles de Phlin, la cour souveraine de 
Saint-Mihiel trancha la difficulté le 16 août 1615 en désignant les 
24 ménages qui revenaient à Nicolas de Gennes et les 9 qui appar- 
tenaient à Henri Hellotte '). 

Les Prémontrés de Sainte-Marie n'avaient pas cessé de posséder 
les biens qu'ils avaient acquis à Phlin en 1261: en 1620 ils firent 
dresser un pied terrier de leur gagnage ou ferme de Phlin. 

Le pont du moulin sur la Seille étant devenu caduc, Nicolas de 
(rennes, représenté par Jean de Faulx, son châtelain, s’entendit avec 
les habitants pour le reconstruire : cette convention fut rédigée par 
Dominique Richard, Seigneur de Jouy et Arry, capitaine prévot de 
Pont-a-Mousson, en 1623. Les Prémontrés avant refusé de prendre 
part à cette reconstruction, il fut décidé qu'ils ne pourraient se servir 
du pont qu'avec la permission du Seigneur. En 1625, Nicolas de Gennes 
et Marie Rutant, veuve de Henri Hellotte, donnèrent leur dénombrement 
pour Phlin. 

Nicolas de Gennes mourut vers 1633, et ses deux fils Louis et 
Daniel de Gennes donnèrent en 1634 leur dénombrement pour les chä- 
teau et maison forte et les trois quarts en la Seigneurie de Phlin; 
cette même année, leur mère Françoise de Mouron acheta l'autre quart 
de Phlin à la famille Hellotte, qui était à peu près ruinée. Ce qui fait 
qu'en 1654 la terre et Seigneurie de Phlin se trouve entièrement pos- 
sédée par la famille de Gennes. 

L'année 1635 amena en Lorraine cette effroyable invasion des 
Suédois, Francais, Croates, qui pendant 30 ans, mais surtout de 1635 
à 1641, ne cessèrent de ravager ce malheureux pays. Faute de té- 
moins pour nous raconter en détail les horreurs commises à Phlin par 
les gens de guerre, nous savons qu'ils se retiraient volontiers à Phlin 
à cause des fourrages qu'ils y trouvaient pour leur cavalerie, que ce 
village fut entièrement dévasté, ses habitants massacrés ou dispersés, 
et que même plusieurs années après la guerre, en 1703, au lieu des 
35 familles de 1615 nous n'en trouvons plus que neuf, savoir: Nicolas 
Lallemand, maire et fermier du Prieuré, (Clément Antoine, maître- 
échevin; Nicolas Lemoine, öchevin; Joseph Ruzé, sergent: ‘François 
Lallemand, forestier: Jean Lemoine, forestier-syndic: Pierre Boullon, 


) Voir les noms de ces familles aux pièces justificatives (n° 2). 


meunier; Nicolas et Christophe Lemoine. Pendant 50 ans de 1634 
à 1684 l'histoire se tait sur Phlin, c’est le silence de la mort. 

Louis de Gennes, qui eut Phlin en partage, épousa Madeleine de 
Maillard, dont il eut deux filles: 


1° Louise de Gennes, qui resta célibataire. 

2° Madeleine de Gennes, qui épousa Jacques Pygniot, sieur de 
la Gérardière, enseigne aux Gardes de Lorraine; élevée dans le 
protestantisme, elle se fit catholique en 1680. 


Ce fut Jacques Pvgniot qui administra la Seigneurie et terre de 
Phlin au nom de sa femme et de sa belle-sœur Louise de Gennes. En 1684, 
le fermier des Prémontrés avant voulu se servir du pont construit par 
le Seigneur et les habitants de Phlin en 1623, le Seigneur s’v oppose; 
sur requête présentée au bailliage par les religieux il leur accorde en 
1689 le droit de se servir dudit pont, mais à condition que leur 
fermier conduirait chaque année trois voitures de foin au château. 

Ce pont menaçant ruine en 1695, Jacques Pygniot adresse une 
requête au bailliage pour obliger les Prémontrés aux réparations du- 
dit pont, mais ceux-ci, le 17 décembre 1695, adressent une contre- 
requête au Roi de France, en son parlement de Metz, pour être 
exempts de cette dépense. 

Un peu auparavant, le Seigneur de Phlin s'était trouvé en diffi- 
culté avec plusieurs habitants de Phlin qu'il dut poursuivre en justice 
pour les obliger à payer les cens dus à la Seigneurie (19 juin 1690); 
La même année il fut cité lui-même en justice par le chapitre de la 
cathédrale de Metz qui était décimateur à Phlin pour les deux tiers; 
traîtant le paulier (receveur) du chapitre comme l’un de ses fermiers, 
il voulait l'empêcher de transporter les pailles hors de Phlin, prétendant 
qu’elles devaient être consumées sur place: les chanoines obtinrent 
que leur paulier serait libre de transporter ses revenus comme bon 
lui semblerait. 

Jacques Pygniot, sa femme et sa belle-seur moururent entre 
1700 et 1719 sans laisser d’héritiers directs; Phlin revint alors aux 
enfants de leur frère Daniel de Gennes, savoir: 


1° Cornélie, qui épousa Walter Herman, baron de Stoct; 
> Jacobine, mariée à Charles, baron de Bagge: 
3° Amélie, mariée au baron d’Oppen. 
Celles-ci, autorisées par leurs maris, vendirent le château, la 
Seigneurie et la terre de Phlin, en 1719, pour 110 000 livres de Lorraine, 


RR SG 


à Charles le Duchat de Rurange, qui devint par le fait l'unique Sei- 
eneur de Phlin '). 

Pendant le XVIlle siècle, le village de Phlin commenca à se re- 
peupler et à se relever paisiblement des ruines de la guerre de 30 ans. 

Deux ou trois faits seulement nous attestent le passage de la 
famille le Duchat de Rurange à Phlin. 

En 1723, Joseph de Greische, Seigneur de Saint-Martin et de 
Craincourt, ayant laissé paitre 20 vaches dans une pré du sieur 
Cousin, fermier général du Seigneur de Phlin, celui-ci le fit condamner 
à 60 sols d'amende par bête, quoiqu'il fût défendu par Armand Sanson, 
avocat au bailliage de Pont-à-Mousson. 

En 1724 le sieur de Rurange avant lui-même causé du dommage 
et anticipé dans le Bois rouge, appartenant à Nicolas Francois de 
Mahuet, Seigneur de Coivillé et de Mailly, celui-ci lui intenta un procès 
qui dura deux ans au bailliage de Pont-à-Mousson, qui V’ohligea à ré- 
parer le dommage causé. 

L'année 1732 nous montre le Seigneur de Phlin en possession 
des droits de haute justice. Dans l'hiver de 1732, Dominique Glatigny, 
pâtre-boucher, demeurant à la maison forte de Craincourt, vint dérober 
pendant la nuit trois porcs gras au fermier du Seigneur de Phlin. Le 
fermier, suivant ses pas marqués dans la neige, le poursuivit jusqu'à 
Pont-à-Mousson, où il retrouva ses porcs, dont l’un était déja tué; puis 
il fit instruire le procès du voleur, qui, s'étant derobé par la fuite au 
châtiment, fut pendu en effigie à la potence de Phlin. 

Vente de Phlin, — 1775 — Par acte du 23 juin 1775, les enfants et 
héritiers de Charles le Duchat de Rurange, Jacques le Duchat de 
Rurange de Borny, Cyr Gabriel le Duchat de Phlin, Jean François le 
Duchat de Rurange, Etienne le Duchat de Hev, Elisabeth Charlotte le 
Duchat, Marie Louise le Duchat, Antoinette le Duchat de Hev, Africain 
Favre, écuyer, époux de Anne Marie le Duchat, vendirent la terre et 
Seigneurie de Phlin pour 140600 livres tournois de France à Madame 
Louise de Marion, veuve et douairière de François Charles Fleutôt de 
Domgermain, chevalier de Saint-Louis, maréchal de camp, résidant à 
Metz*). Par cette vente ils cèdent à Madame de Domgermain la haute, 

1) Charles le Duchat, Seigneur de Rurange, Haves, Phlin, ete., était le fils 
ainé de Gédéon de Rurange et de Marie de Lallouette de Vernicourt. Les le 
Duchat, famille originaire de Pont-sur-Seine en Champagne, fournirent des ma- 
gistrats au parlement de Metz aux 17e et 18e siècles. 

*) Les Fleutöt de Domgermain, originaires de Toul, Seigneurs de Dom- 
germain (pays Toulois) fournirent plusieurs magistrats au parlement de Metz. 


movenne et basse justice de Phlin, un château entouré de fossés, 
600 jours environ de terres labourables, 107 arpents de prés, chene- 
vières, jardins et autres héritages, 312 arpents de bois tant de fief 
que de roture, marcairie, bergerie, colombiers, moulin, corvées de 
charrue et de bras, les cens et rentes en grains et volailles ; le droit 
de création et de destitution de maire et gens de justice, de four banal 
et de banvin, de troupeau à part, de garde du château, de pêche, etc. 
Cette vente ayant été confirmée par arrêt royal du 31 juillet 1775, 
le 7 septembre suivant, Henry Hubert Erard, notaire royal au bailliage 
de Nomeny se rendit à Phlin au devant de la principale entrée du 
château; ayant fait assembler les maire, syndic, habitants et com- 
munauté du dit lieu par Francois Gourier, sergent de la haute Justice, 
il mit ès mains de Madame de Domgermain la clef de la porte et 
principale entrée du château, entra avec elle au château, lui fit faire 
feu et fumée, passa aux jardins et lui remit en mains une motte de 
terre et une branche d'arbre en signe de prise de possession du chà- 
teau, de la terre et Seigneurie de Phlin. 

En 1781, le sieur François, admodiateur de Madame de Domger- 
main, poursuit en justice les habitants de Phlin, qui, ayant mis en 
réserve la prairie des Xobières, ne voulaient pas donner le tiers 
du regain au Seigneur, conformément à la coutume. 

En 1785, Madame de Domgermain voulant empêcher les fermiers 
des Prémontrés d’arracher dans ses champs les pierres dont ils avaient 
besoin pour réparer leurs maisons, ceux-ci s’adresserent à la justice 
pour régler ce litige. Madame de Domgermain eut le bonheur de passer 
au château de Phlin sans v être inquiétée les années orageuses de la 
Révolution. 

Son fils Louis Marie Fleutôt de Domgermain, capitaine de ca- 
valerie, épousa Beatrix Pauline de Rouvn de Rogéville, dont il n'eut 
qu'un fils Louis Charles Antoine Fleutöt de Domgermain, né en 1807, 
marié en 1851 à Demoiselle Certain de Germav. 

Dans les années qui suivirent son mariage, Monsieur de Dom- 
sermain fit quelques réparations au château de Phlin, qui était presque 
tombé en ruines: mais contrarié par les grandes dépenses qu'il aurait 
fallu faire pour le remettre en état convenable, le 11 mars 1858, il 
vendit le château de Phlin à Monsieur de la Salle pour 550000 francs. 
Celui-ci reconstruisit en partie le château et l’enrichit de meubles, de 
tableaux et d'objets d’art, qui en font l’un des chäteaux les plus 
agréables et les plus curieux du pays de la Seille. 


TR 


Pieces justificatives — notes additionnelles. 


1. Chapelle — prieure. — Les archives de Phlin nous parlent de 
la chapelle du Prieuré, où furent inhumes Henri de Chérizey, son 
épouse et leur fils Bertrand de Cherizey; ce prieuré appartenait aux 
Prémontrés de Sainte-Marie qui faisaient desservir la chapelle par un 
prêtre du voisinage; à ce prieuré étaient attachés une ferme, plusieurs 
maisons et le droit de pêche dans la Seille sur un certain espace (voir 
l'achat de 1261): cette chapelle avant été détruite pendant la guerre 
de trente ans selon toute probabilité, Madame de Domgermain fit bâtir 
en 1779 l’église de Phlin que nous y trouvons aujourd’hui. 

2. Habitants de Phlin en 1615. — Nicolas de Gennes possède 
24 ménages: Francois Mathis, Jehan Gougelin, Demange Gaillot, Mangin 
Gougelin, Didier Gougelin, André Gaillot, laboureurs; Jehan de Faux, 
chätelain ou intendant de Nicolas de Gennes; Mangin Beltraste, Jehan 
Andre, Louis Gerard, Maugin Munchath, Laurent Chastelain, Francois 
Holbin, Jacques Lemoine, Mangin Gerard, Claudin Grandcolas, Jehan 
Pierson, Didier Gerard, Colas Lavaulx, Francois Martin, Jacquemin 
Cobbé, Francois Toussaint, Mangin Gougelin le jeune, et Jacqueline 
Chastelain. Les familles attribuées a Henri Hellotte sont: Mangin Col- 
biat et Michel Gaillot, laboureurs; Melchior Aubriot, Colas Courtoys, 
Didier Holbin, Mathias Lebrun, Jehan Gagelon, Jaicquemotte veuve de 
Claudin Courtoys, et Anne veuve de Nicolas Varnier, remariée à André 
Varnier. 

3. Revenus. — Les Seigneurs de Phlin, outre les revenus de leurs 
terres, prés et bois, avaient les étangs, le moulin (loué en 1502 pour 
78 quartes de blé et six francs en argent), le four banal, les re- 
devances dues au Seigneur. Les habitants (en 1574) doivent aux Sei- 
gneurs six francs par an: 10 quartes de blé et 7 d'avoine mesure de 
Nomeny: 30 poules à la Saint-Martin, 60 chapons au terme des Rois: 
le banvin, soit 2 gros pour queue de vin vendu; la dime des oisons; 
les laboureurs une matinée entière aux trois saisons, les autres une 
corvée d'un jour de bras à la fenaison et à la scille (moisson). 


Die Ortsnamen des Metzer Landes 


und ihre geschichtliche und ethnographische Bedeutung’). 


Nach einem Vortrag, gehalten am 12. November 1896, 
von Adolf Schiber, Metz. 


So sehr die Häufigkeit der Ortsnamen mit der Endung heim in 
einigen Teilen des Elsasses dem Fremden auffällt, ebenso sehr erregt 
die Aufmerksamkeit, besonders des Deutschen, das Vorkommen vieler 
Ortsnamen mit der Endung v in der Umgegend von Metz. 

Gelegentlich der Vorstudien zu meiner Arbeit »Die fränkischen 
und alemannischen Siedlungen in Gallien«*) wendete ich diesen Orts- 
namen natürlich ein besonderes Augenmerk zu, indem ich von den- 
selben, im Gegensatz zu den Ortsnamen auf ville, court, mont und 
dergl.. annahm, dass sie mit germanischer Siedlung nichts zu thun 
hätten. 

Die Anhäufung dieser Klasse von Ortsnamen um Metz trat mir 
übrigens besonders klar vor die Augen, als ich die Verbreitung der 
Ortsnamen mit den oben erwähnten Endungen ville, court etc. einer- 
seits und jener mit der germanischen Endung ingen andererseits auf 
einer Karte synoptisch darstellte — es entstand da, wo die Namen 
mit y zahlreich auftraten, eine ausgesprochene Lücke, da Ortsnamen 
der von mir berücksichtigten Art sich hier fast gar nicht vorfanden. 
Ich erklärte mir dies aus der Nähe einer so alten Kulturstätte, wie 
Metz eben eine ist. 


1) Abkürzungen: 


C. 1. L. — Corpus inscriptionum latinarum, ed. Mommsen. 

I. desgl. 

B. = Bouteiller, Diet. topogr. de la Moselle. 

L. — Lepage, > >» » » Meurthe. 

F. = Flecchia, Giovanni, di alcune forme de’ nomi locali dell’ Italıa 
superiore, Memorie dell l’Academia di Torino, 1873. 

H. — Hölscher, Die mit dem Suffix — acum — iacum gebildeten fran- 
zösischen Ortsnamen. Diss. Strassburg 1890. 

P. = Mitteilung des Herrn Pfarrer Paulus. 


+) Trübner, 1894, 3.2.2.0,3286, 96, Note. 


en 


Zu einer näheren Untersuchung dieser offenbar romanischen 
Ortsnamen veranlasste mich die Erwägung, dass nach meiner Erfah- 
rung massenhaftes Auftreten von Ortsnamen gleicher Endung mit einem 
Personennamen in ihrem ersten Teil auf einen colonisatorischen Akt 
hinzuweisen pflegt, dem die so gleichförmig benannten Orte ihre Ent- 
stehung oder doch ihre Benennung verdanken. 

Sollte etwa auch bei den Orten auf y sich etwas Ähnliches 
nachweisen lassen? Diese Frage drängte sich mir naturgemäss auf. 


l. 


Eine nähere Betrachtung der Ortsnamen mit dieser Endung ergab 
freilich, dass letztere durchaus nicht immer den gleichen Ursprung hat, 
und dass auch nicht in allen diesen Ortsnamen ein Personenname 
steckt. 

Zum grossen Teil allerdings ist die Endung v entstanden aus dem 
Suflix acus oder aus iacus, resp. aus acum, iacum, nicht selten aber 
findet man als die älteste Form, soweit man sie ermitteln kann, etum: 
in anderen Fällen ist die Endung v wieder anders entstanden oder sie 
entzieht sich der Erklärung. 

Mein Bestreben ging nun zunächst dahin, festzustellen, in welchen 
dieser Ortsnamen sich Personennamen befinden, und welches diese 
Namen sind. 

In dieser Beziehung fand ich bedeutende Vorarbeiten besonders 
bei d’Arbois de Jubainville !), der für eine erhebliche Anzahl von Orts- 
namen, zum Teil auch aus hiesiger Gegend, zum Teil aus dem übrigen 
französischen Sprachgebiete, aber gleicher Form, die zu Grunde liegenden 
Personennamen herausgeschält hatte. Auch bei anderen Schriftstellern 
fanden sich Untersuchungen in dieser Richtung, so namentlich bei 
Houzé und Uibeleisen ?). 

Bei diesen Beiden scheint mir aber das Bestreben vorzuherrschen, 
die Namen soweit möglich als Naturnamen zu erklären, das übrigens 
bei keinem der Genannten übertrieben wird, wie es bei Mone der 
Fall ist. Besonders Ersterer hat dabei eine grosse Hinneigung, die 
Ortsnamen aus dem keltischen Wortschatze zu erklären, eine Aufgabe, 
die ja für einen Keltologen etwas besonders Anziehendes haben mag. 


7) Recherches sur l'origine de la propriété foncière et des noms des lieux 
habités en France. Paris 1890. 

?) Houzé, Études sur la signification des noms des lieux en France, 1864. 
Uibeleisen, die romanischen und fränkischen Ortsnamen Welsch-Lothringens, 
Metz 1887. 


U SEN 


Es scheint auch für den ersten Blick als etwas Natürliches, dass 
die germanische Landnahme sich im Auftreten massenhafter Ortsnamen 
bekundet, die aus dem Namen der Sippe oder der neuen Grundherren 
herzuleiten sind (vgl. meine fränkischen und alemannischen Siedlungen, 
S.3, 11, 43), dass dagegen für die früheren Zeiten Naturnamen die 
Regel bilden müssen, wie das z.B. in Engadin thatsächlich der Fall ist. 

Diese Ansicht liesse sich nur widerlegen, wenn man das Vor- 
walten von Personennamen in Ortsnamen in sehr grosser Zahl nach- 
wiese: desshalb schon musste die Untersuchung auf alle Ortsnamen, 
sleichviel welcher Endung, und auch über die nächste Umgebung von 
Metz hinaus ausgedehnt werden. Je zahlreicher die Beispiele und je 
umfassender die Untersuchung, um so weniger war anzunehmen, dass 
eine täuschende Ähnlichkeit uns die Existenz eines Personennamens 
vorspiegle, was ja in einzelnen Fällen immerhin möglich erscheint, 
wie im Laufe dieser Untersuchung noch näher zu erörtern sein wird. 

Ich ging dabei in der Weise vor, dass ich die alten Formen der 
Ortsnamen zu ermitteln trachtete, oft genug musste man sich freilich 
mit denen des spätern Mittelalters begnügen, und dann prüfte, ob uns 
Personennamen überliefert sind, aus denen der Name ungezwungen sich 
herleiten liesse. Hierbei leistete mir besonders das Corpus Inscriptio- 
num latinarum von Mommsen, welches eine grosse Anzahl von Ge- 
schlechts- und Beinamen (Gentilicien und Cognomina) enthält, die 
besten Dienste !). 

Um dem Leser die Möglichkeit zu gewähren, meine Ableitungs- 
versuche nachzuprüfen, muss ich im Folgenden einiges vorausschicken, 
was nicht ohne Weiteres als allgemein bekannt vorauszusetzen sein 
dürfte. 

In allen früher von Kelten bewohnten Gegenden findet sich bei 
Lokalnamen sehr oft die Endung acus, welche hier in der Regel eine 
possessorische Bedeutung hat, analog dem lateinischen anus: wo also 
der Römer von einem fundus Arrianus spricht, nennt der Keltoromane 
das Besitztum fundus Arriacus. 

Beide Formen kommen schon in der tabula alimentaria Vellejana 
nebeneinander vor (104 n. Chr.). 

Zurückzuführen scheint diese Form auf eine keltische Endung ec, 
die eben die Bedeutung von anus hat, nebenbei aber auch ebenso 
gut die Funktion eines Quantitivums und eines Diminutivums versehen 


') Ich danke die Möglichkeit seiner Benützung dem gütigen Entgegenkommen 
des Herrn Lycealdirektors Herrmann; leider ist der Band für das transalpine Gal- 
lien noch im Erscheinen begriffen. 


ON RE 


kann. In beiden letzteren Fällen aber wurde sie bei der Übertragung 
ins Lateinische in der Regel durch etum ersetzt), 

Die Endung acus an einen Geschlechtsnamen angehängt, gab 
natürlich iacus; also Arrius — Arriacus; nach einem cognomen, der 
kein auslautendes i im Thema hatte, acus schlechtweg: Burnus gab 
Burnacus. 


Acus und acum wurden nun später aco; der Endvokal in aco 
fiel im südlichen Frankreich meistens weg, so bildete sich die 
Form Juliac aus Juliaco; im nördlichen Frankreich, im Gebiete 
der langue d’oil, trat wohl zunächst ebenso eine Erweichung des c ein, 
wie im Italienischen, wo aus Liciniacum Lisignago wurde?). Die 
Sprache blieb aber dabei nicht stehen. Das aus c erwachsene g rückte 
weiter zu j (vgl. rhätoromanisch lacus — lej) und i vor, und a wurde 
vor und mit i zu e (ai), ähnlich wie aus baca französisch baie, aus pacat 
französisch paie geworden ist. Vgl. Hölscher a. à. O. S.10, 11 und 
13. So konnte aus Marciacum Mercey werden. 

Im südlichen Lothringen finden wir die Endung ey allgemein; in 
der Nähe von Metz nur bei einem Namen, bei Cherisey, was man 
überdies allgemein nur Cherisy sprechen hört; sonst stets v. 

An diesem Ortsnamen konstatieren wir zugleich das Walten einiger 
anderer Sprachregeln. 

Der alte Name ist Carisiacum; € vor a wird im Nordfranzösischen 
zu ch, cantus — chant?), was nicht hindert, dass das a in der offenen 
Silbe zu e umlautet: caput — chef, caballus = cheval. 

Noch ist besonders zu erwähnen, dass al vor einem Konsonanten 
zu au wird — alba, aube*). 

Andere Umlaute sollen nur besprochen werden, soweit der Einzel- 
fall Anlass bietet, eine allgemeine Besprechung verdient nur noch das 
Schicksal des i vor acus, das in den alten Formen in den meisten 
Fällen erscheint, wie d’Arbois annimmt, weil in der Regel ein Ge- 
schlechtsname auf ius dem Ortsnamen zu Grunde lag. Doch scheint 
es auch oft unorganisch eingedrungen zu sein. 


?) Ausnahmsweise kommt acus als Quantitivum vor, meist, wenn nicht 
immer, in Fällen, wo auch das Appellativum kelt. Ursprungs ist, wie Benacus, 
Guernacus, Betulacus, Sparnacus. 


?) Ausgenommen das Friaul, wo acco die Regel ist. 

») Worte wie caporal, cantilene sind erst nach der Zeit, da dieser Prozess 
vor sich ging, eingeführt. 

*) Ausnahmen wie malfaiteur, algarade etc. sind ähnlich wie oben caporal 


zu erklären. 


I ee 


Dieses i verschwand, wie aus dem Folgenden sich ergiebt, vor 
ei, ai nicht immer spurlos. H. $. 12. 

Selbstverständlich ist, dass sein Einfluss auf ein vorhergehendes t, 
welches vor ia in © überging, erhalten blieb, aber auch wenn ein n 
oder | vorausging, liess es eine deutliche Spur zurück. 

Beide wurden erweicht, mouillirt, n wurde zu gn — Montiniaco 
zu Montigny. Der Einfluss auf Aussprache (und Schreibweise) des vor- 
hergehenden | zeigte sich in der mouillirten Aussprache des | und 
(graphisch) in der Verdopplung desselben, sowie dadurch, dass der 
dem Il vorhergehende Vokal in i überging oder einen Diphthongen mit 
i bildete, z. B. Gelliacum = Jailly, Marcelliacum = Marcillac. 

Aber auch in andern Fällen werden die vorausgehenden Konso- 
nannten von i beeinflusst; so ist es zu deuten, wenn aus Vipiacum 
— Vichy, aus Crepiacum — Clichy wurde ?). 

Die Urkunden aus dem späteren Mittelalter bringen oft statt der 
Form ei die latinisierte Endung eium, manchmal wird mechanisch 
acum an das aus acum entstandene ei angehängt, z. B. Flevigneiacum, 
um der Urkunde ein älteres Ansehen zu geben. 

Übrigens ist die Form ey, ay, y nicht die einzige, in die iacum 
verwandelt wurde, oft findet sich 6, besonders an der Südgrenze der 
langue d’oil, z. B. Montigné bei Angoulême. Siehe die Fälle bei H. S. 43. 

Noch andere Formen finden sich aufgeführt bei Houzé und Hölscher ; 
dieselben werden uns hier nicht beschäftigen. Wohl aber ist zu erwähnen, 
dass es noch eine grosse Anzahl anderer Formen giebt, aus einem Per- 
sonennamen einen Ortsnamen zu bilden; von diesen verschiedenen 
Formen handelt ausführlich d’Arbois de Jubainville a. a. O. Hier soll 
von denselben nur die Rede sein, so oft Ortsnamen dieser Bildung in 
unseren (Gesichtskreis treten. In unserer Gegend ist ihre Anwendung 
verschwindend gering gegen die mit acus gebildeten Namen. 


In vielen Fällen kennen wir neben der romanischen eine germa- 
nische Form solcher Ortsnamen. 

Letztere geben offenbar einen Anhaltspunkt, die Ableitung der 
romanischen Form zu kontrollieren, wenn wir wissen, wie Namen 
dieser Form, die ja besonders am linken Rheinufer sehr häufig noch 
erhalten sind ?), in germanischer Mundart modifiziert wurden. 

') Vergl. rabies — rage, cambiare — changer. 

*) Marjan. Kelt. Ortsnamen der Rheinprovinz. Programm der Realschule 
zu Aachen, 1880. 


Da finden wir denn, dass die Endung iacus (oder acus) zu icha 
oder acha wird, woraus später ich, ig oder ach wurde — so Juliacum 
— Jülich, Sentiacum = Senzig, Abodiacum — Epfach. 

Öfters fällt das i ganz weg, und wir erhalten Lauracum — Lorch. 

In diesen durch Wegfall des i verkürzten Formen wird aber nicht 
selten ch zu sch, Marciacum — Morsch. Vereinzelt ist Serviniacum 
— Silbernachen '). Diese Form bildet aber wieder den Übergang zu 
einer alsbald zu erörternden anderen. 

Eine besondere Umwandlungsform nämlich, die bisher, wie es 
scheint, noch wenig beachtet wurde, ist der Wegfall des i und Auf- 
treten der Endung chen oder gen, z. B. Mutiacum = Mitchen. 

Beiläufig bemerkt sei, dass auch im deutschen Idiome die Vokale, 
besonders a, häufig den Umlaut in e erleiden, z. B. Materniacum = 
Metternich, was um so weniger befremden kann, als der Umlaut des 
a zu e ein Vorgang ist, der sich in der Entwicklung des Althoch- 
deutschen als ein regelmässiger Vorgang darstellt. 

Nicht selten können wir zweifelhaft sein. welcher von zwei oder 
mehreren römischen oder keltoromanischen Personennamen der Orts- 
namenform zu Grunde liegt, resp. ob ein Cognomen oder ein Ge- 
schlechtsname; für die Frage, ob ein solcher Ortsname auf einen vor- 
germanischen Personennamen zurückzuführen sei, hat dies wenig 
Bedeutung. 

Ortsnamen der hier behandelten Art kommen sowohl als Derivate 
von Geschlechtsnamen, wie von Zunamen und selbst von Vornamen 
vor; bisweilen finden wir auch Formen, die auf ein Gentilicium zurück- 
verweisen, das nicht aufzufinden ist, wohl aber ein entsprechendes 
Cognomen. 

In dieser Beziehung sei darauf hingewiesen, dass ein Cognomen 
und auch ein Praenomen zum Gentilicium leicht umgewandelt werden 
konnte, wie ja die alten Geschlechtsnamen selbst nichts sind, als patro- 
nymische Ableitungsformen von Personennamen. 

So bedeutet die Gens Julia die Nachkommen des Julus, aus Dexter 


wird Dexterius, Liber — Liberius. 
Aus Florus konnte aber auch die Form Florinius werden. aus 
Servus sowohl Servius wie Servinius, aus Rufus — Rufinius u. s. w. 


Finden wir also auch in den Inscriptiones z. B. nur die Form 
Rupa, der ein männliches Cognomen Rupus entspricht, so ist die Mög- 
lichkeit einer Entstehung einer patronymischen Form Rupinius, und 


') Vergl. übrigens unten unter Montenach! 


4* 


| 
Où 
DO. 
| 


damit einer villa Rupiniaca, wie mir scheint, als durchäus glaubhaft 
erwiesen. 

Nach dieser Darlegung der befolgten Grundsätze soll die Er- 
örterung der Ableitung einer Anzahl von Ortsnamen aus der näheren 
und weiteren Umgebung von Metz folgen. 

Die mit einem Sternchen bezeichneten Artikel betreffen Orts- 
namen, hinsichtlich deren bereits andere, namentlich d’Arbois und 
Houze, die Ableitung von einem römischen oder keltoromanischen Per- 
sonennamen behauptet oder doch als möglich angedeutet haben. 

3ei den Ortsnamen ist zugleich angegeben, wie oft diese Form 
in Frankreich vorkommt, und zwar auf Grund von Joanne, Diet. geogr. 


de la France. 
Die hieraus sich ergebenden Folgerungen sind später zu erörtern. 


ll. Die Ortsnamen. 


Patronymische Namen. 


a. 


1. *Ancy. a) Ancy s/M. Anceyum 1146 B. b) lez Solgne, Anceiacum 
in einer Urkunde aus dem Archiv der Abtei St. Glossinde, datiert von 875, 
übrigens eine Fälschung des 12. Jahrhunderts '). 

Das Suffix acum ist hier offenbar der bereits üblichen Form Ancei ange- 
hängt. Diese Urkunde in zwei Ausfertigungen beweist also zunächst nur das 
Vorkommen der Form Ancei für das 12. Jahrhundert. Ausserdem beweist sie auch, 
wie verwischt damals bereits der Unterschied zwischen acum und etum in Aus- 
sprache, Schrift und Überlieferung war, denn von den beiden Ausfertigungen, die 
von ein und derselben Hand herrühren, schreibt die eine Rovareiacum, offenbar 
archaisirende Form von Rovarei; die andere richtig Rovaridum (Roburetum). 
Ganz erloschen war die richtige Überlieferung hier doch wohl nicht, da der Ort 
noch jetzt Rouvrois heisst. Aus acum aber wird niemals ois, wohl aber aus etum 
manchmal y. 

Derselbe Ortsname erscheint nach B. anno 1140 als Anceium. Die Annahme 
einer ursprünglichen Namensform Anciacum ist also begründet. Dieselbe erscheint 
auch urkundlich. Ecclesia Anciaci (1108) für die Kirche von Ancy-le-Serveux 
und für Ancy (Rhône) im 11. Jahrhundert als Anciaco ?). 

Die Ableitung vom Personennamen Antius ist also wohl begründet, denn 
dieser Name kommt oft genug vor, z.B. C. I. L. II, 4976. 438. V, 4124. 

Der Name Ancy erscheint in Frankreich 3 mal. 


') Wolfram in den Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichts- 
forschung, XI. Bd., 1. Heft. 
2) d’Arbois 2.2, 0.283792 


ra; 


2. Antilly. BeiB.: 1297 Antilev, deutsch Enterchen (so offiziell im Jahre 
1876). Die Form deutet auf Antullus, C. I. V. 6874, oder Antullius, zitiert bei 
Holder, altkeltischer Sprachschatz. Auch der Name Antuleius ist zu erwähnen, 
C. L V, 4389. 


3. Aoury. B.: 1445 Aurv, 1631 Aurich. Der Name wird gesprochen Ourv, 
wie bei Aoüt = oüt. Die deutsche Form Aurich bestärkt mich in der Annahme, 
dass y hier aus acum hervorging. Der zu Grunde liegende Name müsste wohl 
Augur oder Augurius sein. Das Cognomen Augur existiert. 

Ich finde bei Brambach, Corp. Ins. Rhen., No. 935, »capito augur.... ex Coh. Il.« 
C. 1. V. 6833 ist M. Aug... us vielleicht Augurius zu lesen. 

Die Verwandlung von Auguriacum in Aoury entspricht ganz dem Übergang 
von Augustus zu Août. 


4. Argancy. Stumpf: Reichskanzler IN, 375, Arconcei, 1018. Nach 
B.1200, Archanciacum; deutet auf den keltischen Namen Argentius. C. I. V, 6796. 
Unser Name setzt aber zu seiner Erklärung eine Form Argantius voraus. Dieses 
ist denn in der That die keltische Form; Holder a. a. O., S. 267. 


5. Arriance. B.: 1180 Argenza, deutsch Argensgen. Nach P. 1386 
Argentzen, führt offenbar auf die lateinisierte Nebenform des obigen Personen- 
namens, also auf Argentius und ein hiervon abgeleitetes Argentia oder Argentias 
als Ortsnamen zurück. 


6. Arry. B.: 1130 Areis, 1139 Areium. Zurückzuführen auf Arius oder 
auf das häufiger vorkommende römische Gentilitium Arrius. €. I. II 4 mal, 
III 20 mal, V noch öfter. Vgl. Ariaco — Herry, d’Arbois a. a. O., S. 387. 


1 Arry in Frankreich, Airago in Ober-ltalien. F. 


7. Aube. B.: Aubes 1324, von Albus. €. I. II, 4970. 150. V 9mal 
— davon Albae oder Albas. 


8. *Aubignv. B.: Aulbingny 1426, von Albinius (Albiniacum) €. I. II, 3654. 
(Vgl. hierzu Albinus, C.I. II, 195, sowie d’Arbois à. à. O., S. 191), nach Joanne 
23 mal in Frankreich. 


9. Augny. B.: Aviniago (857), Auniaco (1020), Avignv (1324), Augneium 
(1544). Personennamen: Avenia I. V, 3382; Avennius I. VI, 12807. Vel. Ugny 
— Meurthe et Moselle, B. 1304 Ewignev, oder 634 (deutsche Form) Unichi. 


10. Avancy. B.: (1404) Avencev. Aventius — de Vit Onomasticon I, 
574. Vgl. d’Arbois, S. 510. 


je: Avigy. B.: Averzei 1216, Awegev 1414. Die letztere Form würde 
auf Avitus, einen bekannten Namen (eines Kaisers u. A.) bezogen werden können; 
kaum auf das freilich ungemein häufige Avidius. Die ältere Form Averzei spricht 
aber nicht für eine solche Ableitung. 

Der Name L. Severina Avertinia 1. V, 1108, lässt aber eine Reihenfolge von 
Namen Avertus — Avertius — Avertinius annehmen und von Avertius leitet sich 
Averzei normal ab. 


Bay be 


12. Av (bei Ennery — ein zweites nimmt B. als abgegangenen Ort bei 
Metzeresch an!) B.: Ayey 1345, weist auf Aius I. V, 692, also Aiacum. Gröber 
vermutet Agiacum '), Deutsch Aich, Eich. 4 Ay in Frankreich. 


13. Béchvy. B.: Basseium (1063). Bassus häufig, z. B. 1. II, 265. Bassius 
I. III, 1431/32. V, 929, 8252. Vgl. Bassano in Ober-Italien. 


14. Bourdonnay. L. Bourdenniers (1256), deutsch Bortenach. Burdo 
(Holder a. a. O.). Burdonniacus — Bourdonné, Seine et Oise. 


15. Buchv. B.: Busseium 1063, Busseio 1157, Buseaco 1186. P.: Buxeum 
XII. Saec., Buxit 1330. Letztere Form, die auf Buxetum hinweist, ist aber sehr 
jung; in Frankreich gab sie Boussy. Buccius I. X. 1000, 1001. Bucciacum = 
Bucv, Bussy, d’Arb. S. 202, 


16. *Bury. B.: Buerey 1429. P.: Buriago 960; Buro I. X, 1597; Burrus 
I. X, 1791; Burrius 1.X, 1403; Burius I. V, 6512. — 1 Bury und 3 Burey in Frank- 
reich. d’Arbois S. 203. & 

17. Chagny (la Horgne). B.: Chagny 1680, wohl auch Chaigney 1429, 
nicht Chesny, wie B. annimmt. Canius I. Il, 1784; II, 4150; V, 978. Auch 


Kanius kommt vor. d’Arb.: Caniacus 795 = Chennay, hierzu Chigné (M. et 
Loire). Caniacum — Konach (Luxemburg), Holder — Gagnago (Ober-Italien) F., 
2 Chagny in Frankreich. 

18. 


en *Chailly a) lös-Ennery. B.: 1128 Chailley?). b) s.-Nied. B.: 1246, 
Chailley. Cogn. Calus I. V, 977, 8666. Calius, Callius, d’Arb. S. 204. Vgl. Chailley 
(Yonne), Chaillac, Indre. d’Arb. S. 204. 4 Chailly in Frankreich. 


20. *Chambrey. L.: Chambrei 1329. Cambarius, Holder. Camba- 
riacus 658, d’Arb. S. 206. 


21. Chaussy. B.: Le pont à Chaussy 1324. P.: Caleiacum VII Saec. 
Caltius I. V, 2502, 8110. Deutsch: Kelsch. Diese Form ergiebt, dass sie in ger- 
manischem Munde gebildet wurde, noch ehe im Französischen der Umlaut von 
C in Ch eintrat. 


22. *Gherisey (gesprochen Cherisy). B.: Carisiacum 875. Die Urkunde 
ist dieselbe unechte, wie die ad 1 erwähnte; Cariseium 1179, Chairixey 1361. Carisius 
I. V, 2328. Carisius, Triumvir monetalis z. Z. Cäsars, ein Veteran T. Carisius Alba, 
auf einer Stele (Coblentz), vgl. Kirsch. Ciarisacco, Ober-Italien, F.; Cherisy, Eure 
et Loire. Vgl. Carisey im Département Tonnère. Die Ableitung Houzé’s von 
cerasus hat hiernach wohl wenig für sich. Ch deutet auf früheres Ca! 


23. *Chevillon. B: Chavillons 1230. P.: Cavallion, 893. Cabillo: 
Holder a. a. O. Vgl. Cabillonum Bell. Gall. VII, 42 = Chalons-s.-Saöne. 

') Zeitschrift für roman. Philologie XVII, S. 448. 

°) Nach B. Kettenchen — wohl der Name eines benachbarten abgegangenen 
Ortes. Vgl, Vitry-Wallingen. 


ee nn 


24. Chieulles. B.: Xeulles 1244, Xeules, 1324; X ist in der alten 
lothringer Schreibform = Ch! Die Ableitung von Cajus — Cajolas erscheint mir 
glaubhafter, als die von Uibeleisen vorgeschlagene von Scala. (Vgl. Marieulles). 
Von Cajus rührt auch Cajaneum her — Goien bei Meran. 

25. *Cléry. B.: Clarey 1404. Clarus, häufiges Cogn., so I. X, 1211. 
Clarius, de Vit Onomasticon II, 297. Clariacus 667 = Cléry (Loiret). 9 mal in 
Frankreich. | 

26. Coincy. B.: Coinsey 1324. Consius I. X, 2323 und mehrfach. Con- 
siacum bei Matton, Diet. topogr. de l'Aisne. Weniger wahrscheinlich: Quintius I. V, 
5884, 7188 und noch öfter. Aus Quintiacum wurde Quinev (Meuse). Die Form 
Coin wäre dann lothringisch, der St. Quentin heisst im 15. Jahrhundert St. Cointin: 
Bouteiller. 

27. *Crépy. B.: Crispiacum 875 -— unechte Urkunde, vergl. sub 1. 
Crispius I. II, 1031. Vgl. d’Arbois S. 223. Crepy in Frankreich 3 mal. Crissian 
(Tirol) = Crispianum. 

28. Cuvry. B.: Cuberacum 745, Cuveriacus 937; Cuperia I. II, 1914. 


29. *Destry. B.: Destracham 835. Destrey 1315, Destrich 1544. Dexter 
I. III, 4388, u. m. V, 6596. Davon Dexterius als gentilicischer Name unbe- 
denklich abzuleiten — indes kann ja auch das Cognomen Dexter ein Dexteracum 
gegeben haben. 

90. Erpigny. B. hat nichts. Ist die Form nicht eine von der voraus- 
zusetzenden alten allzusehr corrumpierte, so würde der Name sehr gut zu Ar- 
pineius passen. €. bell. Gall. V, 27, ein eques C. Arpineius. (Vgl. Arpinum). 


31. *Failly. B.: Fadiliaca 914. Fadius I. X. 1403 und mehrfach; Fadilius 


fand ich bisher nicht — doch lässt der alte Name hier kaum Zweifel an der 
Existenz des Gent. Fadilius. Grand Failly, cant. Longuyon = Fadiliaco 914. B. 


32. *Flavignv. B.: Flavigneiacum 691 (auch diese Urkunde ist un- 
echt, acus an das bereits vorhandene Flavignei angehängt). Flaviniacum 952. 
Flavinius I. II, 2854. 6 mal in Frankreich. 

33. *Flevy. B.: Flaivey 1404. Deutsch Flaich. Flavius ein sehr 
häufiger, bekannter Name. I. V, 1211 und noch über 100 mal. S. auch Gröber, 
an dem sub No. 11 zitierten Orte. Die lautgerechte Form ist Flagy, vgl. aber 
auch Flavy (Aisne), H. S. 12. 

34. *Fleury. B.: Floriacum 706. Florus I. V, 4378. Florius — d’Arb. 
S. 237. 23 mal in Frankreich. 

35. *Frontigny. B.: Fronteniacus 889. P.: Frontanney 1128. Fron- 
tinius I. II, 357, 2348. 

36. Glatignv. B.: Glatigney 1192. Galatius — de Vit Onomast. II, 
190. Galatia I. X, 4590. Davon Galatinius ohne Schwierigkeit. Glatigny 2 mal 
in Frankreich. 


37. Grigy. B.: Grixey 1404. Grisey XVI Säc. Grusius I. X, 37845, 


=: (Hm 


38. *Jailly. B.: Jailly 1756. Gellius I. II, 186, 4970. Gelius I. I, 
1098, ebenso Gellia. 2 mal in Frankreich. 


39. Ignvy (Avricourt). L. Ygneis i364. Ignius: Inscr. regni Neapol. 
Mommsen 1630, 6769. Innius: ebenda 2962. Igny in Frankreich 6 mal. Ignago, 
Ober-Italien. F. 


40. *Jouv. B.: Gaudiacum 745. Gavidius I. V, 909. Gavidiacum — 
Gaudiacum — von letzterem Jouy, wie gaudere — jouir. In Frankreich Jouy 
16 mal, alle von Gavidius, nach d’Arbois S. 240; im Joanne 19 mal. 


41. *Jussv. B.: Jussiaca 869, 870. Jussiacum 1049. Jussus, resp. Jussius 
muss als Personenname vorausgesetzt werden, da sich mehrfach in Frankreich 
Jussv, Jussev, Jussao, Jussat als ehemaliges Jussiacum finden. H. S. 22, 33, 52 
59.7070: 

Man könnte sonst an Gessius denken, I1.I, 110. Vgl. Gerei — Jury. B. 
Juvisv = Gevisiacum. H. 4 Jussy in Frankreich. 


’ 


42. Kemplich. B.: Kempurich 1093. Kompachel 1276. Campilius 1. 
X, 8053#. 

= \ Kirsch bei Lüttingen und bei Sierck. Ersteres Carisiacum super 
fluvium Bivertam (Bibisch), anno 791 nach Houzé. Houzé leitet den Namen 
wie Cherisey von cerasus ab. (Vgl. No. 20). Dagegen spricht hier das Suffix, 
das sonst etum sein müsste. Anno 791 ist ein mechanisches Anhängen von acum 
nicht wahrscheinlich, in solchen Fällen pflegt ein bereits aus etum entstandenes 
ei vorauszugehen. Vel. sub 1. Es ist ganz unwahrscheinlich, dass die Germani- 
sierung des Namens erfolgte, als Cerasus noch Kerasus lautete, wie das bei Kirsche 
= cerasus freilich der Fall war. 


45. Lessy. B.: Lacey 1161. Lassey 1280. Lattius I. XII, 1974. Latia 
X, 51. Lassia X, 756, 1074 Auch an Laetus, Laetius kann gedacht werden. 
Lazzago, Ober-Italien. F. 


46. Lezev. L.: Lezeis 1172, scheint auch auf einen dieser Namen zurück- 
zuführen, trotz der germanischen Form Litzingen. Vel. Ritzingen, S. 14, Note. 


47. Ley. Laiacum im (angebl.) Diplom von 875 (kann nicht wohl Leyr 
sein). Laius, Mommsen, I. Nap. 6841. 


Lorry a) bei Metz. B.: Lauriacum 945. Lorez 1130. b) Mardignv. 
Lauriacum 1179. Larey 1404. Laurus I. II, 359; III, 2552. Laura — bekannter 
Name. Ebendaher Lorich bei Trier, Lorch, 3mal im deutschen Sprachgebiet. Die 
Ableitung von Laurus Lorbeer (Loretto), ist in jeder Hinsicht abzulehnen — eher 
könnte man allenfalls, wenn man die Möglichkeit einer deskriptiven Benennung 
erwägt, an keltisch laurio = serpillum, denken. Die Herleitung eines Ortsnamens 
von niedrigen Pflanzen ist nicht unerhört: Foulcrey (filicaretum), Ortiseit (Urti- 
cetum) u. A 


50. Louvigny. B.: Loviniacum 1130, P.: Loveneio 1126. Cogn. Lu- 
pinus, I. II, 4970. Vicecom. Lupiniacensis, 10. Jahrh. = Louvigny in basses Pv- 
renées (höchst auffallend nicht Louvignac!), Sarthe, Calvados. 


51. *Luey. L.: Lusiacum 1137. Lucius, bekannter Name; I. V, 333 und 
10 mal, Lucy 7 mal in Frankreich. 


52. Luppv. L.: Lupevum 1137. Lupius, I. II, 60102 ist kaum anzu- 
setzen, da Luchv erwartet würde, wohl aber Luppo, 1. III, 6010. Vgl. Luppio, 
I. V, 4370, Luppianus, I. V, 6732. 


53. *Magny. P.: Magnei 1160. B.: Mannet 1201, Maigne 1225. 
Magnius, I. V, 2137. Magnia, 91, 6048. Auch Bd. X, wo auch Magneius. Fundus 
Magniacus: d’Arbois, S. 265. Magnago in Ober-Italien von Magniacum (Flecchia). 
39 mal in Frankreich. 


54. *Mancy. B.: Mancey 962. P.: Manceium 875, deutsch Menschen. 
Mantius I. V, 7814 und mehrfach. Mancy (Marne). 


55. Mardigny. B.: Mardenei 1128. Martinius: Brambach, C. I. Rhen. 
1130. Vergl. Wallis: Martignv (Martinach); Merzenich bei Köln. Smal Martignv in 
Frankreich. Erweichung des t ist ungewöhnlich. 


56. Marieulles. B.: Mariolas 691. Ein bekannter Name ist Marius 
(l. V, 73), davon Mariolae — Mariolas, d’Arbois, S. 524. Soviel bekannt, sind in: 
der Gegend keine Mare oder Sümpfe, die die Ableitung Houze@’s unterstützen. 


57. *Marsilly. B.: Mereillev 1404. Marcellius, I. V, 6038, 6543 etc. 
Vergl. Marsilly und Marcillac in Frankreich. 


58. Méchy. B.: Marcey 1128. Maixey, 15 Säc., sowie 


59. Mercy-le-haut. B.: Marcegium 962. Vergl. Mercy bei Audun-le- 
Roman, Marciacum 636, Marceium 1157. 

Martius, I. V, 8422. Marcius V, 2545 und noch oft. 

Vergl. Merzig &02, Marciacum in Rh.-Pr. (Marjan); Marsac, Mercey in Frank- 


reich; Morzig bei Salzburg = Marciago. Méchy ist offenbar jenes Marciacum, 
in Bezug auf welches Mercy-le-haut das Obere genannt ist. — Mercy 4 mal in 
Frankreich. 


60. Metrich, Methrich 1319 B. und 


61. Metry-Fontaine, Gemeinde Ars, weisen beide auf Matrius wie 
Metternich auf Maternus. 

Matrius, I. X, 5159. Besser passte wohl, für das ganz unter der Herrschaft 
französischer Lautgesetze entwickelte, Métry wenigstens, Matterius, das ich aller- 
dings bisher in den I. nicht gefunden habe. 


62. Mé V. B.: Maiacum 973. Magius, I. V, ca. 50 mal. Numerius Magius 
Bell. civ. II, 24. 
Magia, jetzt Maienfeld, in Graubünden. Mev.— Puy de Dôme. 


Ru 


63. Montenach bei Sierck. 1098 Monternache, 1400 Mondernachen 
Bouteillers Form Mondelar passt eher auf Monnern). Ferner 


64. a) Montigny bei Metz und 


65. b) Montigy-la-Grange. a) 1341 Montigné. b) 1409 Mon- 
tignv (B.). Vergl. Belgien, Montenacken. Montanus sehr häufig, davon Montanius 
und Montinius, d’Arbois, S. 284. 56 Montigny in Frankreich. 


66. Mulcev. L.: Milcei 975. Miltiche 1298. Multius, I. II, 3072. 


67. Mussy l'évêque. B.: Mucei 1237, deutsch Mitchen. Stumpf, Reichs- 
kanzler, III, 375. Muzicha 1018. Mussius I. V, 317 und ff. 8mal. Mutius I.\V, 
8115 und ff. mal. 3mal in Frankreich. 


68. Nouillv. B.: Noveliacum 875 (die sub 1 besprochene Urkunde). 
Nouille 893. Novilla 1145. Nowilley 1280. 

Ist wohl doch auf Novellius (l. V ca. 30 mal) zurückzuführen, trotz Uibel- 
eisens Bedenken. Auch das bei Brülingen vorkommende Niverlach würde sich 
am einfachsten aus Novelliacum erklären. 

Neuillv, 23 mal in Frankreich, wird so erklärt, ebenso Neuillé, Neuillac ; 
vergl. Nivillac im Morbihan, 1063 Nuilac. 1245 Neveliac. Die Wiese (kelt. now.), 
von der es nach Houzé kommen soll, ist jedenfalls nie gross gewesen, da dies 
das Terrain nicht zulässt. 


69. Ogy. B.: Osev 1190. I. X, 2909, Otius. Aber besser noch würde die 
Ableitung von Osius, I. V, 2176, oder von Augius passen. Holder führt die Form 
Augiacus an; ich habe den Namen Aug. nicht direkt gefunden, wohl aber 1. III, 
5371 Aug ..., was so zu ergänzen sein wird. 


70. Olgy. B.: Alxei 1324. Olxei XV. Saec. 

Namen wie Auligius, Alibius, fand ich nicht, aber Ulbius — zu Alxei 
würde übrigens am besten Alsius passen, 1. X, 1404. Eine.nichtpatronymische 
Erklärung scheint hier noch weniger sich darzubieten. 


1. *Orly. B.: Orley 1365. Aurelius — bekannt genug, in der Inser., 
Bd. V, allein 4 Colonnen des Index. 2 Orly in Frankreich. Oriago in Ober-Italien, F. 


12. *Pagny (lez Goin). B.: Pargney, XV S. P.: Parneiacum, XIIS. Pa- 
ternius, I. V, 5833. In Frankreich Pagny und Pagney. In der Rheinprovinz Feder- 
nach und Pattern, Marjan à. a. O. Pagny 5 mal in Frankreich. 


73. Paoully. B.: Powilly 1404, Paullei 15. Jahrhundert und 


14. *Pouillv. B.: Powilley 1307. Paulley 15. Jahrhundert. P.: Powelley 
1181. Paullius, I. II, 4546. Eine Villa Pauliaca erwähnt Ausonius. — Polch bei 
Trier ? 

Von unseren beiden Orten liegt keiner an einem Sumpf, der uns auf die 
Ableitung“ Houzes führen würde. 15 Pouilly in Frankreich. 

‘5. *Remillv. B.: Romeliacum 862. Romilius L V, 6026. 8 Remilly 
in Frankreich. 


ee 


76. Rüttgen. B.: Ruscheye, Ruscheium 1036. Ruttiche 1097. Fran- 
zösisch Roussy-le-bourg und Roussy-le-village und 


77. Rugy. B.: Ruxey 1404 (X = sch, also — Ruschey). P.: Ruscheio 
1036. Ruscus L III, 5107. Rustius V, 4109, und sonst. Man kann auch an rus- 
cus — Mäusedorn, denken. Die Ableitungen sind nicht ohne Bedenken — doch 
befinden wir uns in beiden Fallen in Gebieten, wo germanische Einflüsse bestimmt 
anzunehmen sind; Rüttgen liegt jetzt im deutschen Sprachgebiet '). 


78. Ruppigny. B.: Rupeney 1128. Stumpf a.a.0. Rupenacha 1018. 
1. II, 8061'* Rupa, Cogn masc. Rupus, hieraus Rupinius. 

An rupina ist um so weniger zu denken, als der Bann einen sehr stein- 
armen, flachen Boden aufweist, auf sanfter Terrainwelle. Erachtet man wegen 
des u in Ruppignv die Verdoppelung des p im Thema für unerlässlich, so wäre 
wohl eher an einen germanischen Personennamen zu denken (vgl. Ruppendorf) 
und unser Ortsname würde zur Gruppe B gehören. 


79. Saulnv. B: Salniacum 1186. Salnei 1157. Salonius, I. V, 2681, 
3102, 326, 2088, 1362. Auch Salinius scheint vorzukommen und Holder hat ein 
Saliniacum (Vo. acus). Salenus I. IX, 5843 (d’Arbois, S. 451). 

Uibeleisen leitet den Namen von Salix ab. Es ist zuzugeben, dass Salici- 
netum = Saulny möglich wäre. Dagegen spricht die wenn auch späte Form 
Salniacum, die auf guter Tradition zu beruhen scheint. Hätte man nur ohne Ver- 
ständnis acum an die damalige Form Salnei angehängt, so hätte das Salneiacum, 
nicht Salniacum gegeben. 


80. Senzig. B.: Senziche 1202. Sentius I. V, 1786. Sanctius: Belege 
bei d’Arbois, S. 313. Sinzig bei Coblenz — Sentiacus ib., S. 315. Vergl. Sancy, 
Meurthe et Moselle, deutsch Senzich. 


81. Servigny bei St. Barbe. B.: Cervigney 1383 und 


82. Servigny (Silbernachen) bei Rollingen. B.: Servinei 1266. 
Servinus I. Il, 3663, 3664. Servinius II, 1010. Houzé schlägt Silvinus vor. 
Vergl. Sievernich (Rh.-Pr.) = Serviniacum — Marjan a.a.0. 1 S. in Fr. 


83. Sillegny. B.: Soleignei XILS. Solignei 1165. P.: Solignei XI. S. 
Solengni 1226. Silenus, I. X, passt zu Sillegnv, aber nicht zu den älteren Formen, 
diese weisen vielmehr auf Sollonius, I. V, 3426, 5830, oder — besser — Sollem- 
nis, I. III, 6010°%2. Vergl. Solemniacus bei Holder. 


84. Silly en Saulnois. B.: Ciey 1315 und 


85. Silly a. d. Nied. B.: Ciey 1315. P.: Cileiris 1005. Deutsch Sillers. 
Silius, I. II, 3414, und noch 3 mal. 

Ein Cajus Silius kämpft gegen die aufrührerischen Trevirer anno 21 n. Chr. 
Die Zwischenform Cileiris macht immerhin Bedenken. 4 Silly in Frankreich. 


'!) So erklärt sich wohl auch die Endung Ritzingen an Stelle des schon 
in der Tab. Peut. beglaubigten Ricciacum durch die Zwischenform Ritzigen ? 
Zum Namen: P. Riceius Celer, I. V, 77383. 


PET ae 


86. Tinery. B.: Dincraha, Tinkracha, Tinkirica, Tinkerev, alte Formen 
aus einem Polyptichum der Abtei Mettlach. Stumpf a. a. O., 1018. Tinquerei. 

Tincillius nach Holder ein Personenname, von dem er ein gegebenes, seiner 
Lage nach nicht näher bezeichnetes Tincilliacus ableitet; es braucht dies nicht 
das unsere zu sein. Aus Tincilliacus mochte vor der Erweichung des c Tincliacus — 
Tineriacus geworden sein. Dazu würden die germanisierten Formen Dincraha, 
Tincracha völlig passen. R für € hat hier nichts befremdendes. Vgl. Crepiacum 
— Clichy 


eu RtIBIINUE e Y- B.: Finagio de Turei 1316. Turus, I. V, 2430, 4088, 4881. 
-—- Von Taurus leitet den Namen d’Arbois ab, vgl. H. S. 57, 67, 71, 74. 5 Thurv in 
Frankreich. 


88. Tr&mery. B.: Tremerey 1404. Deutsch Tremerchen. Tremellius 
bei d’Arbois, S. 628, zu Ortsnamen Tremilly, Haute-Marne. 

Tremilly sollte man auch hier erwarten, vielleicht lässt sich Tremery er- 
klären aus den hier früh anzusetzenden german. Einflüssen. Tremerchen statt 
Tremelchen; vel. sub 2 Antilly—Euterchen. Letzteres hat allerdings nicht auf 
die romanische Form zurückgewirkt, aber Tremerchen war ausweislich der Flur- 
name einst völlig germanisiert, was von Antilly nicht anzunehmen ist'). Jeden- 
falls deutet die deutsche Form »chen« bestimmt auf altes (i)acum. 


89. *Vallieres. .B.: Valeriae 1181. Wallerias 1053 vom bekannten 
Namen Valerius oder von vallarium wie Plantieres — plantarias. 

Die Form Valerias — Ace. pl. eines Personennamens — ist für Ortsnamen- 
bildung nichts seltenes. Vergl. Aube. Ausgeschlossen ist die Ableitung von Vallis 
nicht, aber ebenso ist mit Unrecht bezweifelt worden (Houzé), dass Valeriae oder 
Valerias Vallieres geben könne. Vergl. Macerias = Maizières! 6 V. in Fr. 


90. Vigv. B.: Vigiacum 691. Vidiacum 715. Cajus Vibius Pausa, Consul 
43 v. Chr. Vibius I. Il, 4970; HE, 3370; V, 6645 und allenthalben noch ganze Co- 
lonnen voll Vibius im Index. 

Der Umlaut b in g vor kurzem i entspricht durchaus den Entwicklungs- 
gesetzen der französischen Sprache, wie oben gezeigt ist. Vergl. S.5, Note 1. 


91. *Vitrv. B.: Vitriaco 1033. Von Victorius I. II, 5833. Ortsname 
Victoriacus mehrfach in Frankreich, d’Arbois 334. Wichterich, Rh.-Pr., = Vic- 
toriacum, Marjan a. a. O. 14 Vitry in Frankreich. 

Der Ort heisst amtlich Wallingen, weil Durival (Description de la Lorraine) 
Vitry mit Vallange identifiziert. Die beiden Namen bezeichnen ganz verschiedene 
Orte. Der Gemeindebann von Wallingen besteht heute noch aus den Unter- 
abteilungen Vitry, Vallange und Bevange. Der Kataster der Gemeinde enthält 
allenthalben verstreut deutsche Flurnamen, wie Kesler, Stoque, Rossegarde, Nord- 
bert, Le petit und le grand quiselle (an der Orne) und Cheffrv (Schäferei). Vitrv 
hatte sicher einst eine deutsche Namensform, die freilich noch nicht ermittelt zu 
sein scheint. Vallange ist ein abgegangener Ort, wie in Vitry wohl bekannt. 


92. Vrv. B.: Virei 1184. Vireium 1205. Virius I. X, 7806 und noch 
DO mal. Die deutschen Lothringer nennen den Ort noch jetzt Ferich oder Verich. 


') Siehe Anhang I. 


= OÙ — 


Andere Ortsnamen scheinen mir weniger sicher auf Personen- 
namen zurückzuführen. Am wahrscheinlichsten Narien (Gemeinde Ancy), 
das aus Ariano entstanden sein könnte. Doch ist die Endung anum 
hier nicht üblich. 

Solgne könnte vom keltischen Personennamen Sollos kommen, etwa von 
Sollinium oder Sollonium. P.: Soigne, 1327. 

Chesny, ein Ort am Wald, scheint ganz deutlich Casnetum; doch er- 
wähnt Holder einen kelt. Personennamen Casnus. 

Fêves heisst (B.) 1232 Favia, aber da es 1138 Fabros, 1127 (P.) Faber 
heisst, so scheint die Zurückführung auf Fabius, Fabiae ganz unsicher, ja un- 
wahrscheinlich, und die Ableitung von Fabri vorzuziehen. 

Schliesslich sei erwähnt, dass vor d’Arbois schon Houzé die Orts- 
namen sub 1, 7. 31, 35, 34, 43, 45, 58, 55, 66 auf röm. Personennamen, 
freilich meist auf Cogn., zurückführte, bei andern die Möglichkeit an- 
deutete, aber doch die Ableitung von kelt. Appellativen meist vorzog. 

d’Arbois will auch den Namen Metz auf Mettiis zurückführen und 
dieses von dem Personennamen Mettius ableiten; es dürfte ihm hierin 
nicht zu folgen sein. Der römische General Mettius ist wohl ebenso 
eine legendäre Personifikation des Namens Mettis, wie Arenus, Maurus 
Namen sind, mittelst deren sich das frühe Mittelalter die unverstandene 
Benennung porte des Arenes, pont des Morts zu erklären suchte. 

Der Name dürfte vielmehr von Medio kommen, dass in Medio- 
matricae, wie in dem allenthalben in kelt. Landen vorkommenden 
Mediolanum enthalten ist und wohl Siedlung oder vielleicht Feld be- 
deutet. Das mittellateinische medium planum, im Sinne von planities, 
könnte sich vielleicht aus dem Keltischen herleiten lassen. 

Von den vorerwähnten Ortsnamen sind also mit grosser Wahr- 
scheinlichkeit etwa 92 auf einen römischen oder keltischen Personen- 
namen zurückzuführen. 

Diese Ortsnamen sind aber über Lothringen sehr ungleich verteilt: 
es fallen nämlich 75 auf einen gleich näher zu beschreibenden Bezirk 
um Metz und der Rest auf das übrige Lothringen, deutsches und fran- 
zösisches Sprachgebiet zusammengenommen. 

Der mit unseren 75 Ortsnamen besetzte Bezirk lässt sich aber 
etwa so beschreiben: Man zieht einen Kreisbogen von 20 km Ab- 
stand von Metz vom rechten Moselufer nördlich von Metz über Osten 
und Süden, bis man wieder an die Mosel gelangt. Der nordöstliche 
Quadrant dieses Kreises greift schon ins deutsche Sprachgebiet ein; 
dennoch enthält er viele unserer Ortsnamen. Er entspricht ungefähr 
dem alten Metzer Bezirk = le haut chemin. 


Der übrige Teil des Kreisbogens umschliesst das Seillethal und 
die Höhen östlich bis zur französischen Nied, das alte Saulnois und 
das Land zwischen Seille und Mosel ; rechnet man hierzu einen Streifen 
am linken Moselufer, zwischen dem Fluss und dem Plateaurand, zwischen 
Horimont und rupt du Mad (vergl. den alten Bezirk Val de Metz), so 
hat man das Terrain, auf dem diese 75 Ortsnamen vorkommen, einen 
Bezirk, der ziemliche Ähnlichkeit mit dem pays Messin aufweist). 

Da dieser Terrainabschnitt sich auch ziemlich mit dem früheren 
ersten Archidiakonat des Bistums Metz zu decken scheint*), so haben 
wir hier augenscheinlich einen pagus der alten Civitas Mediomatricorum, 
und zwar den zentralsten, auf den die alte heilige Keltenfeste Divo- 
durum Mediomatricorum entfiel, vor uns. 

Es ist bekannt, dass die alten civitates Galliens sich mit den 
Bistümern, die pagi mit den Archidiakonaten zu decken pflegen *). 


B. 

Unter den patronymisch benannten Orten, die offenbar mit dem 
Suffix acus gebildet wurden, finden sich aber auch emige, die durchaus 
nicht mit den unter A besprochenen zusammengeworfen werden 
können; sie verdienen eine besondere Besprechung, zumal den Bedin- 
gungen ihrer Entstehung bisher noch nicht so, wie sie es verdienen, 
nachgegangen worden ist. 

Es sind das solche, die einen germanischen Personennamen ent- 
halten. 

Diese Ortsnamen sind nicht auf eine Stufe zu stellen mit solchen 
Lokalbezeichnungen, in denen ein possessivisches Adjektivum, mittelst der 
Form acus von einem german. Personennamen gebildet, in Urkunden des 
Mittelalters vorkommt, ohne dass dies auf die Form der aus den 
Personennamen abgeleiteten Ortsnamen einen Einfluss hat. 

Wenn es heisst in fine Dodonaca oder fundus Gebalciacus, und 
der Ortsname ist dennoch Doncourt, Geblingen geworden, so hat man 
es offenbar mit einer archaistischen Leistung des Urkundenschreibers 
zu thun. 

Anders sind die hier gemeinten Fälle gelagert. 


') Vergl. Wolfram, Beilage zur Allg. Zeitung, 1897, No. 118. 

?) Mitteilung des Herrn Archivdirektor Dr. Wolfram. 

3) Jahn, Gesch. der Burgunder. Blumenstock, Die Entstehung des deutschen 
Immobiliar-Eigentums. Innsbruck, 1897. 


er Ce RSS 


Es liegen um Metz, und zwar meist im Nordosten (haut chemin): 


Charlv. 1495 Chairley, offenbar Caroliacum. An Carillius ist wohl nicht 
zu denken. — Charly liegen auch in den Départements Aisne, Cher, Rhône. 


Ennerv. B. 898 Hunneriaca villa. P. 775 Hunnenega fine. 1067 Uneriche, 
1065 Anerev. Hier liegt der Name Hunnerich allem Anschein nach zu Grunde 
(das Schwinden des H fällt auf), schwerlich ein keltoromanischer Personenname. 


Jurv. 1376 Gerei, B. 1179 Girei, P. Gar, Gero — Förstemann, Personen- 
namen, 472. Vergl. Gersheim, Gersweiler. — Jurv, Departement Aisne. 

Marlv. 745 Miriliacum, 952 Marleium, B. Marold, Marbod sind germa- 
nische Personennamen, von denen eine Koseform Maro, Marilo wohl herzuleiten 
ist. Vergl. Marlenheim, Marlenreuth, Marlach, Mehring, Marbach, Marl. In Frank- 
reich bei Marly regelmässig die alte Form Marliacum. 


Scyv. 745 Sigeium. Sigo — wohl Koseform, die eine grosse Anzahl Per- 
sonennamen bedeuten kann: Siegfried, Siegbert etc. Aber auch die (nicht hypo- 
choristische) Form Sigo, Sikko kommt vor. Förstemann, S. 1086. 


Vanvy. 1300 Varney — deutet auf Varno. Warin, Förstemann, Per- 
sonennamen, S. 1264. Warinbert, Varinfried, Warincheri (Werner) u. a. Vergl. Warns- 
dorf, Warnhofen, Warnbach. Auch Warsberg i. Lothr. 1204 — Warnesperch; 
wegen V statt W vgl. Vannecourt, Warnugo 777, Warnecuria 1293 L. 

Woippv. 1123 Guapeium. Wappo. Wappersdorf 3mal in Bavern. 
Wappenschwil in der Schweiz — Waldoprechtes wilare. 

Eine gleiche Bewandnis muss es mit Fremery (Fremerey anno 1505) 
haben. das von Freimar abzuleiten ist, wie Freimersheim und Frimari- 
cort, aber mittels des Suffixes acus; wohl auch mit Berlize — Berilo. 
B. Burlixe 1442, Berolitia für Beroliacum wäre nicht ohne Vorgang. 
H. S. 14. Cubriacum — Cublize. 

Sehen wir hier germanische Personennamen mit dem selben Suffix 
behaftet wie oben die keltoromanischen Namen), so kann auch Borny, 
960 Burneu, 1182 Burnacha sowohl von Bornacus wie von Burnacus 
herrühren, also ebensogut vom germanischen Borno (vergl. sieben 
Bornheim) als vom kelt. Burnus. (Bornago in Ober-ltalien, F.) 

Es entsteht die Frage, ob diese Ortsnamen aus der römischen oder 
fränkischen Zeit stammen. Dieselbe beantwortet sich trotz des germa- 
nischen Personennamens schwerlich im Sinne der zweiten Alternative. 
Denn nicht nur als Laeti, auch als freie Grundeigenthümer scheinen 
Germanen schon in römischer Zeit in Gallien zugelassen worden zu 


1) Es ist noch zu bemerken, dass diese Ortsnamen nie dicht beisammen 
liegen, sondern zwischen die Ortsnamen keltoromanischen Ursprungs schachbrett- 
förmig eingestreut erscheinen. 


ee 


sein. Dazu kommt folgende Wahrnehmung: Es giebt Ortsnamen dieser 
hybriden Bildung auch im deutschen Sprachgebiete, wo sich in der 
deutschen Form die Endung acus noch jetzt erkennbar erhalten hat. 

So finden wir Soetrich, 977 Sinteriacum, das wohl von Sinthar, 
(Förstemann, Personennamen, 1106) als Sinthariacum abgeleitet sein muss. 
Sollte diese romanische Form sich in dem von Franken weithin be- 
setzten Gebiete haben bilden können, ohne eine germanische Neben- 
form -— sodass ein Name auf ich daraus wurde, wie Metternich u. a. 
in der Rheinprovinz? Dieser Fall ist nicht einmal vereinzelt. 

Wallerchen bei Busendorf hiess anno 1179 Valdraca, also doch 
wohl Waltheriacum! So auch 1319 Waldrik — aber auch Waldringa 
(vergl. Ricciacum — Ritzingen), das dann wieder in romanischer Form 
als Vaudreching erscheint, wie Tremerchen 1510 als Tremerchin. Um 
die beregte Frage zu prüfen, müsste die Verbreitung solcher Orts- 
namen näher ermittelt werden. Sie fehlen in Frankreich durchaus 
nicht. So heisst Oeuilly (Aisne) 1133 Williacum; Wary, ebenda, 1101 
Waldriacus; Bouffignereux im IX. Jahrh. Wulfiniaci rivus. 

Schon d’Arbois, S. XVII, erwähnt eine Villa Daccugnaca — 
Dacconiaco von Dacco, Koseform für Dagaricus oder Dagobert oder 
einen ähnlich beginnenden Personennamen: Childriciagas und Teode- 
berciaco; es ist aber nicht festgestellt, wie diese Orte, wenn sie noch 
existieren, jetzt heissen, ob bei ihnen der endgültige Ortsname von acus 
herrührt, oder ob, wie bei dem Orte Doncourt, trotz jener Adjectivform, 
die übliche Form fränkischer Herrensiedlungen durchgedrungen ist. 

Klar ist jedenfalls soviel, dass diese Namen auf y (hierzu auch Vremy 
— Virmiez — wohl vom selben Personennamen wie Wirmingen —) 
mit den Orten auf ville, court etc. durchaus nicht in eine Linie 
gestellt werden können. 


©. Naturnamen. 


Zu diesen Ortsnamen kommen als solche, die wohl schon vor 
der germanischen Ansiedelung bestanden, folgende descriptiver Natur 
für die oben umschriebene nähere Umgegend von Metz in Betracht. 
Sie sind fast alle bereits erklärt :' 

1. Ars. 889 Villa Arcus — wohl von den Bogen der Wasserleitung, 
892 Villa Arcs. 

2. Blory. 1261 Bloru, schwerlich Blanc rupt, wie Uibeleisen meint; eher 
Gelbfluss von blävos, urkeltisch gleich gelb. — Vergl. Zeitschrift für romanische 
Philologie, XVIIL, S. 433. 


2 


3. Colombey. 1336 Colombiers — Columbarium. 


(3°. 


4. Gorny. 1336 Cornetum, 
D. Fév. 893 Fagit = Fagetum (Befey — Bellum fagetum). 
6 


). Maizerov. 1312 Maixeroit, und 


1 


. Maizerv. 1252 Maiseri, beide gleich Maceretum von Maceriae, 
Einfriedigung, wovon auch 


8. Maizieres. 1218 Masières. 

9. Malroy. 1128 Mallarey von Malaretum. 
10. Montov. Montoy — Montetum, 

11. Norroy. 960 Nogaredum — Nucaretum. 
12. Novéant. Noviandum, keltisch: Neuburg. 
13. Orny. 1178 Ornei von Ulmetum. 


14. Pommerieux. Pommariolae. 


15. Pontoy. 1128 Pontois, Pontetum, das ist das Brückchen an der 
Römerstrasse nach Duodecim. 


16. Pournoy. 1331 Prenoit, XIV. Jahrh. Pruniei; 1429 Prenoy — 
Prunetum. 


17. Sorbey. 1178 Sorbeiacum i. e. Sorbetum. 
18. Verny. 1320 Wergney — von Gwern, kelt. Erle. 
19. Vaux. Vallis. 


20. Vigneulles. Vineolae. 


Hierzu dürfte auch zu rechnen sein: 


21. Queuleu. 985 Cuclido, also Cuculetum: aber von welcher der 
dreifachen Bedeutung des Wortes cuculus — Vogel, Strauch oder Gewand? Doch 
wohl von Cuculus — Nachtschatten. 


Von diesen Ortsnamen ist, soweit sie keltische Wurzeln enthalten, 
klar, dass sie aus der vorgermanischen, überhaupt aus sehr alter Zeit 
stammen, — andere, die von Umfassungsmauern (maceriae) herzuleiten, 
mögen wohl Verwüstungen aus der Zeit der Barbareneinfälle ihren 
Namen verdanken und werden, als Lokal-Benennungen, nicht viel 
jünger sein. Die Form etum möchte ich gleichfalls in der Regel auf 
die römische Zeit zurückführen. 

Manche solche Ortsnamen, wie Villare, scheinen vorhanden gewesen 
und, je nachdem frühzeitig ein Germane den Ort gewann, auch seinen 
Namen aufgenommen zu haben, z. B. Retonfev — Reitonis fagetum 
(vergl. Reitenbuch in Franken). 


Ba 


Die Namen auf aticum gehören wohl eher dem Mittelalter an, so 
auch die auf ariae; obwohl auch solche Namen schon auf der Peu- 
tingerschen Tafel erscheinen, z. B. Longaticum, Tabellaria. Wo aber 
aticum ein Gefälle bedeutet: Vasaticum — Voisage, ist ein Zweifel 
über mittelalterlichen Ursprung wohl nicht möglich. 

Von den von Uibeleisen besprochenen Ortsnamen dieses Bereiches 
dürften ausserdem noch Belle tanche = bellum stagnum; Berupt — 
bellus rivus; Gorze — gurges (?); Hauterive — alta ripa: Plesnois — 
planetum oder platanetum oder statt prunetum: Pravel — pratellum ; 
Rozerieulles — rosariola; Sommy = sommetum; Monts und Vigny, 
wenn es von vinetum kommt, möglicherweise schon vor der germa- 
nischen Besitznahme entstanden sein. Auch die Ortsnamen Villers ohne 
germ. Personennamen davor können hierher gezählt werden'). 


II. 


Welches ist nun das Alter der Ortsnamen der Gruppe A? Sie 
können in ihrer vorliegenden Form erst nach der römischen Eroberung 
entstanden sein. 

Ihnen allen liegen ja römische Geschlechtsnamen oder latinisierte 
keltische Namen zu Grunde. 

Die Ansicht d’Arbois’, dass die so benannten Landgüter schon vor 
den Römern im Besitze der keltischen Aristokratie waren, aber ihre Be- 
nennung erst der Einführung des Grundeigentums durch das römische Recht 
und der römischen Katastrierung verdanken, hat etwas Überzeugendes, 
seine Zweifel an dem Bestehen eines Individualeigentums in Gallien an 
Grund und Boden in vorrömischer Zeit erscheinen begründet ; wegen 
des Näheren sei auf die mehr citierte Arbeit d’Arbois’ verwiesen. 

Unsere Ortsnamen müssen aber auch für älter als die germanische 
Besitznahme Galliens angesehen werden. 

Auch wenn die Bildung von Ortsnamen dieser Form in der nächsten 
Zeit nach dem Einbrechen der Franken aus sprachlichen Gründen nicht 
ausgeschlossen wäre, die von den fränkischen Kriegern in Besitz ge- 
nommenen Ländereien erhielten Benennungen, die einen ganz andern 
Typus aufweisen ?). 

Soweit die gallisch-römische Aristokratie aber im Besitz ihres 
Grund und Bodens blieb, hatte sie doch gewiss keinen Anlass, ihre 
Besitztümer umzutaufen. Nicht nur wird jede Familie stolz gewesen 


1) Siehe Anhang Il. 
>) Vgl. meine Abhandlung »Fränkische und alemannische Siedlungen in 
Gallien<, bes. 5. Kapitel. 


sein, den Namen ihrer Vorfahren in der Benennung ihrer ererbten 
Ländereien fortleben zu sehen; die nationale Vorliebe für Römisches, 
die sehr entschieden sich äusserte — man vergleiche nur z. B. wie gering- 
schätzig Sidonius Apollinaris sich über die »septipedes patroni« äusserte 
"musste auch einen romanischen »Königsgenossen« Antrustionen, deren 
es ja gab, wie aus der lex Salica in ihrer Bestimmung über das Wehr- 
geld eines solchen erhellt, veranlassen, Ländereien, die ihm der König 
etwa verliehen haben sollte (in der Regel werden aber doch Franken 
solche erhalten haben), ihre altehrwürdigen Namen zu belassen. 

Was die Ortsnamen der Gruppe C anlangt, so ist im allgemeinen 
dieselbe Annahme prägermanischer Bildung begründet, wie schon oben 
erörtert worden ist. 

Betrachten wir nun die Gruppierung aller der besprochenen 
lothringischen Ortsnamen. 

Ein Blick auf die Karte ergiebt, dass die meisten dieser Orts- 
namen sich in der näheren Umgebung von Metz befinden, im untern 
Seillethal und auf den Höhen zwischen Mosel und Nied sich geradezu 
häufen, während die Ortsnamen im Norden und Nord-Osten germanisch 
sind, im übrigen aber ringsumher wenigstens in sofern ein germanisches 
Gepräge tragen, dass ihr erster Teil einen germanischen Personennamen 
enthält, dem ein ville, court, villers und ähnliches angehängt ist). 

Um Metz kommen Orte dieser Kategorie nur äusserst wenig vor, 
im Seillethal auf ziemlich weiten Strecken gar keine. 

Auch die Ortsbezeichnung Villers kommt hier, charakteristisch 
genug, ohne vorstehenden Personennamen vor. Villers-Plesnois, Villers- 
l'Orme, Villers-Laquenexy, Villers-Bettnach; wie auch von den vier Féy 
das eine ganz ohne Zusatz, das andere als Böfev, das dritte als Bonfev 
und nur eines als Retonfey erscheint ?). 

Innerhalb dieser Grenzen finden wir neben Ortsnamen vorger- 
manischen Gepräges nur die nachstehenden Ortsnamen vom Typus 
der Herrensiedlungen der Franken im romanischen Sprachgebiete : 
Flanville, Grimmont, Landremont, Libauville (abg. Ort), Loiville, Noisse- 
ville (Noassivilla), Plappeville (Plaplivilla 1130), Retonfey (Reitonis 
fagetum), Sécourt, Semécourt (875 Semaricort), Tignomont, Vaudreville. 
Endlich Hauconcourt (1128 Harloncourt). das schon jenseits der Grenze 
des einstigen deutschen Sprachgebiets zur Zeit seiner grössten Aus- 
dehnung liest. Von germanischer Sippensiedlung ist, da Godinga villa 
von Bouteiller wohl irrig als Goin bestimmt ist, nur der Name Amelange 


1) Vgl. Wolfram, Jahrbuch für lothr. Gesch., Jahrgang 1893. S. 234. 
?) Siehe Anhang. 


5* 


68 — 


zu erwähnen, dem Paulus hohes Alter abspricht, und la Fristote, 
abgeg. Ort, Fristoz 1444, Freistorff 1490, B. südlich von Metz bei Augny (?), 
der wohl auf die Abtei Freisdorf hinweist. 

Dieser Umstand tritt in sein rechtes Licht, wenn wir erfahren, 
dass im Süden und Westen des Metzer Landes das Verhältnis der 
fränkischen Herrensiedlungen (ville etc.) zu den mit acus gebildeten 
Ortsnamen ein völlig umgekehrtes ist (siehe Seite 79). 


IV. 


Es liegt auf der Hand, dass die heute noch so zahlreichen Orts- 
namen, gebildet mit der Endung acus oder iacus im Anschluss an einen 
Personennamen, früher im französischen Sprachgebiet noch häufiger ge- 
wesen sein müssen. : 

Nicht nur die Ortsnamen, die bereits ein christliches Gepräge 
ragen, sondern mehr noch die so zahlreichen und zum Teil in den 
besten Lagen sich vorfindenden Ortsnamen jenes halb germanischen, 
halb romanischen Gepräges, die wir als fränkische Herrensiedlungen auf 
gallischem Boden erkannt haben, müssen eine grosse Anzahl ähnlich 
gebildeter älterer Ortsnamen verdrängt haben. 

Wir dürfen uns wohl ohne Übertreibung den grössten Teil des 
alten Galliens mit einem Netze solcher Ortsnamen bedeckt denken. 

Hier um Metz hat sich (wie übrigens auch anderwärts, z.B. in 
der Gegend von Angoul&me) eine Scholle Landes in ihrer uralten Be- 
nennung durch besondere Umstände intakt erhalten. 

Es mag bemerkt werden, dass auf diese Anhäufung vorgermanischer 
Ortsnamen in hiesiger Gegend schon mehrfach, namentlich von Döring 
und Witte, hingewiesen worden Ist. 

Es könnte nun die Annahme nahe liegen, dass in dieser Zuweisung 
fast des ganzen anbaufähigen Landes an eine nicht sehr grosse Anzahl 
von Personen — die damit doch wohl ebenso als Herren dieser Guts- 
komplexe bezeichnet wurden, wie die germanischen Gründer jener halb- 
germanischen Namen aus fränkischer Zeit — die römische Eroberung 
Galliens zum Ausdruck gebracht worden sei. 

Allein von einer Hingabe des gallischen Bodens an die römische 
Aristokratie ist uns nichts bekannt; eine Depossedierung der unter- 
worfenen gallischen Völker ist auch gar nicht anzunehmen. 

Caesar hatte alle Ursache, die Gallier vielmehr zu schonen, und 
aus dieser schonenden Behandlung erklärt sich die rasche Unterwerfung 
nicht nur, sondern auch Assimilierung Galliens, die bei einem so grossen 
volkreichen Lande mit kriegerischen tapferen Einwohnern so über- 


2 


Er, TES 


raschend erscheint, dass schon die alten Schriftsteller darüber ihr Er- 
staunen aussprachen. Man vergleiche die treffenden Bemerkungen 
Strabos, Lib. IV, Kap. IV, 2. 

Caesar hatte die Gallier rasch durch verhältnismässige Milde zu 
gewinnen gesucht, er, der mit so furchtbarem Lakonismus von den 
germanischen Völkern der Usipeter und Tenctrer meldet, wie er diese 
430 000 Köpfe zählenden Stämme vernichtet habe. 


Auch Veteranenkolonien wurden später nur in beschränktem Masse 
errichtet — mit den kleinen Landkomplexen, die diese Krieger zuge- 
messen erhielten, haben die hier behandelten Güter, die oft von der 
Grösse eines heutigen Gemeindebannes waren, ohnehin nichts zu thun. 
Spuren einer Centuriateinteilung, wie stellenweise in Ober-ltalien, kommen 
in Gallien kaum vor. Damit soll natürlich das Ansässigwerden italischer 
Familien in Gallien nicht bestritten werden, aber im grossen Ganzen 
scheint keine Enteignung des Besitzes stattgefunden zu haben. 

Eine noch jüngere Ansiedlungsschicht in Gallien, die von Läten, 
meist germanischer Abkunft, hat mit der Bildung fraglicher Ortsnamen 
auch gewiss nichts zu thun. Wie diese Kolonien benannt wurden, ist 
wohl kaum festzustellen : Ortsnamen, welche auf diese Lätensiedlungen 
hinweisen, sind bisher noch nicht ermittelt und dürften es auch nicht 
leicht werden, denn es liegt nichts näher als die Annahme, dass diese 
Kolonen, denn das waren die Laeti, von den Franken nicht viel anders 
als die gallischen Kolonen behandelt wurden, und gerade sie dürften 
vor allen Andern fränkischen Grundherren zugewiesen worden sein, ihre 
Sitze also unter den Herrensiedlungen zu suchen sein, von denen ich 
in meiner erwähnten Schrift, S. 43 ff., gehandelt habe. 

Die römischen Namen stehen dieser Ansicht über das Alter der so 
benannten Siedlungen nicht entgegen; die frühe Annahme solcher seitens 
der Gallier ist hinreichend erwiesen; schon im Jahre 70 nach Christus 
heisst der Führer einer gallischen Empörung Julius Tutor; übrigens 
sind doch sehr viele der unsern Ortsnamen der Klasse A zu Grunde 
liegenden Personennamen keltischer Abstammung oder von Cognomen 
hergeleitet, die sich jeder zulegen konnte. 

Hettner hat in der Westdeutschen Zeitschrift, 1883, S. 7 If, nach- 
gewiesen, wie die verschiedensten Eigenschaften und Dinge zu Cognomen 
verwendet und besonders in Beleica daraus in ganz eigentümlicher 
Weise gentilicische Formen gebildet wurden !). 

') Vgl. auch die jüngst erschienene Abhandlung von Keune: » Die Romani- 
sierung Lothringens.e Metz 1897. S.19 u. ff. 


Wir dürfen also wohl annehmen, wie dies auch d’Arbois de Ju- 
bainville gethan hat, dass diese Landgüter zumeist in den Händen der 
vorrömischen Besitzer blieben. Er nimmt aber an, dass diese Besitzer sich 
öfters römische Geschlechtsnamen zuzulegen pflesten !). Die Verteilung 
dieser Komplexe ist so, dass dieselben ja wohl früher zahlreicher ge- 
wesen sein mögen, also kleiner als die Bezirke der jetzigen Bänne der 
fraglichen Ortschaften, indem eine wohl nicht allzugrosse Zahl ähn- 
licher Ortsnamen verschwunden sein mögen, aber doch auch so, dass 
Bezirke mit zahlreichen kleineren Besitzern — vici — dazwischen 
kaum in nennenswerter Anzahl verschwunden sein können. Dass es 
in Gallien kleinen Grundbesitz gab ?), soll natürlich nicht bestritten werden. 


Mit den sogenannten Latifundien — die, wie die fisci der mittel- 
alterlichen Urkunden aus ganzen Reihen solcher Güter, oft in ver- 
schiedenen Teilen des Landes, zusammengesetzt waren, — sind diese 


»fundi« ohnehin nicht zu verwechseln. 


Ist das Gesagte aber richtig, so müssen wir, da die Benennung 
das Gebiet eines jeden dieser Grundkomplexe jeweils einem Einzigen 
als Besitzer zuzuweisen scheint, uns bereits das vorrömische Gallien, 
namentlich auch unsere Gegend, als unter einer Aristokratie von Grund- 
herren in einem Masse aufgeteilt denken, die für das übrige Volk nur 
verhältnismässig wenig übrig gelassen hat. 

Dass die gallischen civitates aber in der That eine streng aristo- 
kratische Verfassung hatten, geht aus Caesar de B. G. mit aller 
wünschenswerten Deutlichkeit hervor ?). 


1) Über die Annahme römischer Namen je nach Verleihung der Latinität 
oder des römischen Bürgerrechts vgl. Jung, Römer und Romanen in den Donau- 
ländern, Innsbruck 1887, 5. 93, Note 1. 


?) Blumenstock a. a. 0., 5.147. Dass übrigens die »possessores«, von denen 
gelegentlich im Codex Theod. und anderwärts Erwähnung geschieht, nicht kleine 
Grundbesitzer im heutigen Sinne waren, erhellt doch wohl schon aus dem, was 
wir von der Landteilung der Burgunder in Sabaudia wissen. Ein Grundkomplex, 
von dem ein Drittel für eine burgundische Familie samt Gesinde ausreichte, kann 
nicht weniger gewesen sein, als ein fundus von ziemlicher Ausdehnung, dessen 
Bewirtschaftung in der besten Zeit schon eine ziemliche Anzahl Knechte, oder 
auch Colonen beschäftigte. 


3) Caes. B. G. VI, 13. 15. In omni Gallia eorum hominum, qui aliquo sunt 
numero atque honore, genera sunt duo. nam plebs paene servorum habetur loco, 
quae per se nihil audet et nulli adhibetur consilio... Sed de his duobus generibus 
alterum est Druidum, alterum equitum ... Hi.. omnes in bello versantur atque 
eorum, ut quisque est genere copiisque amplissimus, ita plurimos circum se 
ambactos clientesque habent. 


RE AT 


Diese Zustände änderten sich unter der römischen Herrschaft 
keineswegs. 

Das römische Rechtsinstitut des Kolonats und der Leibeigenschaft 
vertrug sich ganz wohl mit den bestehenden thatsächlichen Zuständen 
und so dürfen, ja müssen wir uns das römische wie das vorrömische 
Gallien von einem ziemlich dichten Netze von Domänendistrikten be- 
deckt denken, von Domänen, die in den Händen einer eingeborenen, 
zum Teil auch römischen Aristokratie, die erstere hervorgegangen aus 
einer Kriegerkaste und zum Teil wohl auch aus den Druiden, die 
letztere aus Beamten, Befehlshabern ete., sich befanden. 

Dieser Adel ergänzte sich dabei fortwährend aus den Familien 
solcher Männer, die in den Rat (senatus) der einzelnen civitates ge- 
langt waren, welche die höheren Ämter, sowohl die priesterlichen wie 
die der inneren Verwaltung, unter sich verteilten. 

Diese Ämter scheinen aber früh schon in den betreffenden Familien 
erblich geworden zu sein, sodass in späterer Zeit die edlen Familien 
auch »senatorische« hiessen. Dass diese ihre Güter teils durch Leib- 
eigene, teils durch Kolonen bebauen liessen, ist bekannt. 

So blieb das Los des Volkes im wesentlichen das gleiche bis 
zum Untergang des römischen Reichs. Wie es sich in der letzten 
Zeit gestaltet hatte, geht deutlich hervor aus einer lebendigen Schil- 
derung bei Salvianus, de gubernatione Dei). 

Dass übrigens in einigen Teilen Galliens schon vom III. Jahr- 
hundert ab auf dem platten Lande freie Besitzer nicht mehr zu finden 
waren, wie Digot (Hist. de Lorraine) behauptet, dafür bringt neue Ar- 


1 Salv.:2.2.,0.V. 

21. Inter haec vastantur pauperes, viduae gemunt, orfani proculcantur, in 
tantum ut multi eorum ad hostes fugiant, ne persecutionis publicae adflietione 
moriantur, quaerentes scilicet apud barbaros Romanam humanitatem, 
quia apud Romanos barbaram inhumanitatem ferre non possunt. 

38. Et quidem mirari possim, quod hoc non omnes omnino facerent tribu- 
tar pauperes et egestuosi, nisi quod una tantum causa est, qua non faciunt, 
quia transferre habitatiunculas non possunt. (Es ist vorher vom Auswandern zu 
den Barbaren die Rede.) 

Nam cum plerique eorum agellos ac tabernacula sua deserant, ut vim 


exactionis evadant, quomodo non quae compelluntur deserere vellent, sed secum, 
si possibilitas pateretur aufferent?... Tradunt se ad tuendum protegendumque 


maioribus, dediticios se divitum faciunt et quasi in ius eorum, dicionemque 
WALISCENAUDW en 

39. Omnes enim hi, qui defendi videntur, defensoribus suis omnem fere 
substantiam suam priusquam defendantur addicunt, ac sie, ut patres habeant 
defensionem, perdunt filii heredilatem! 


PE ee 


gumente Meitzen in »Siedlungen und Agrarwesen der Ost- und West- 
Germanen«, Berlin 1895, I. S. 37, 371. 

So hart ist das Los des Volkes unter dieser Aristokratie, dass 
jene, die unter den Barbaren wohnen, sich glücklich preisen. 

Betrachten wir die Zustände Galliens, wie sie sich einige Gene- 
rationen nach dem Untergang des römischen Reichs und der Ausbrei- 
tung der Franken über das ganze Land entwickelt haben, so sind wir 
betroffen, wieder fast ganz die alten Zustände zu finden. 

Die Kirche und die Kriegerkaste besitzen das Land, die kleinen 
Leute müssen nach und nach unter den Schutz Mächtigerer sich 
flüchten, ganz wie z. Z. Caesars und Salvians, sodass schliesslich sogar 
die eingewanderten fränkischen Freibauern zu der Stellung der einge- 
borenen Kolonen hinuntersinken; ihre Beschützer, bald ihre Herren, 
dienen wieder um die Gunst und den Schutz Grösserer, ja sogar das 
alte Wort ambactus lebt fort und aus der ambactia wird schliesslich 
unser »Amt« und das französische »ambassadeur« geht auf dieselbe 
Wurzel zurück. 

Man könnte bei der Betrachtung der Zustände im Karolinger- 
reiche, die mehr und mehr sogar auf die deutschen Länder des rechten 
Rheinufers sich ausdehnten, meinen, Caesar hätte jene Zustände schil- 
dern wollen, und es ist schwer, in den Verhältnissen der Feudalzeit 
nicht zum Teil das Fortleben oder Neuaufleben uralter gallischer 
Zustände zu erblicken, wie manche Rechtshistoriker dies ja schon 
ausgesprochen haben. 

Hieran knüpft sich, ohne dass es einer Stellungnahme zu dieser 
immerhin noch bestrittenen Frage bedarf, ein anderer Ideengang. 

Das Feudalwesen ist, wie viel oder wenig in ihm an alten kel- 
tischen Überlieferungen fortleben mochte, hervorgegangen aus den 
Zuständen, die die Eroberung Galliens durch die Germanen, namentlich 
durch die Franken geschaffen hatte. Dies war nun aber ja einer der 
letzten, wenn man die Normannen hinzunimmt, der vorletzte einer 
durch eine unbekannte Anzahl von Jahrhunderten hindurch sich immer 
wieder erneuernder Einfälle von Völkern arischen Stammes von jenseits 
des Rheins. Es scheint, dass sie oft genug dieselben Wege wie die 
Franken genommen haben, das ist an dem unwirtlichen Ardenner 
(Gebirge nördlich und südlich vorbei). 


) Von den unterworfenen Rassen, die wegen ihrer grösseren Zahl und aus 
anderen Gründen den Typus der arischen Eroberer immer wieder rasch aufsogen, 
insbesondere von den zwei wichtigen Rassen der Crogmagnon und der sogenannten 
Turanier (Rundköpfe) hier zu reden, würde zu weit führen. 


Alle Belgier aber, und Belgier waren die Mediomatriker, erscheinen 
gegenüber den eigentlichen Galliern als jüngere Ankömmlinge. 

Es ist daher wohl nicht zu kühn, das Vorherrschen der Krieger- 
kaste und deren grossen Landbesitz bei den Galliern und besonders auch 
bei den Mediomatrikern mit der Thatsache der Eroberungen und der 
Unterwerfung älterer Einwohner unter Neuangekommene in eine ursäch- 
liche Beziehung zu bringen !). 

Ich denke mir also, dass der Kern der Kolonen und Knechte, 
welche diese grossen Güter bebauten, nichts anderes darstellt, als die 
unterworfenen alten Bewohner des Landes, die der siegreiche Kelte 
sich dienstbar machte. Dass diese Unterworfenen eine ganz andere 
Rasse waren, als die arischen Sieger, hat Roget de Belloguet in seiner 
Ethnogénie gauloise, Bd. Il, in ausgezeichneter Beweisführung dargethan, 
wobei er die Litteratur der Römer und Griechen ausgiebig verwertet 
hat, ebenso, dass der arische Typus in Gallien immer wieder von dem 
Typus der alten Einwohner mehr oder minder aufgesogen wurde. 

Merkwürdig genug, um kurz besprochen zu werden, scheint mir 
hierbei ein anderer Parallelismus. 

Die aristokratische Verfassung Galliens hat augenscheinlich einen 
erheblichen Einfluss auf ihr rasches Unterliegen vor den römischen 
Wallen gehabt. 

Der Schwerpunkt der gallischen Streitmacht lag bei den meisten 
Völkerschaften in ihrer Kavallerie, eben den equites. Dies allein ergab 
schon, dass grosse Ländereien den Rittern zufallen mussten — als 
Weideland für ihre Pferde u. s. w. 

Eine solche Reiterei ist nun ja wohl eine furchtbare Heeresmacht 
(siehe Magyaren, Sarazenen), aber sie versagt gegen eine entschlossene 
Infanterie, wenn diese discipliniert, gut bewaffnet und gut geführt ist 
— dies erhelit deutlich aus dem misslungenen Angriff des Vercingetorix 
auf Caesar. B.: Gall. VII, 67. Dieselbe Stelle lässt aber auch den 
Wert des gallischen Fussvolkes in keinem besonders günstigen Lichte 
erschemen; es tritt gar nicht handelnd hervor, 80000 Mann Infanterie 
gehen ohne Kampf nach Alesia. 

Man kann nicht sagen, dass dies nur der Überlegenheit der rö- 
mischen Kriegskunst zuzuschreiben sei. Nie waren die Legionen 
Caesars vielleicht näher daran, geschlagen zu werden, als in der 
Schlacht gegen die Nervier und ihre Bundesgenossen. Und hier muss 


') Auch das Vorwalten grosser Grundherrschaften, benannt nach Personen- 
namen mit dem Suffix ow in Russland bringt Meitzen in Beziehung mit einem 
vorhergehenden Froberungsakt. II, S. 266. 


Be ad 


doch dem feindlichen Fussvolk ein mächtiger Anteil am Kampfe bei- 
oemessen werden. B.G. Il, 23. 

Lässt dies nicht den Schluss zu, dass die Masse des niederen 
Volkes bei den meisten Völkerschaften Galliens von geringer Begeisterung 
belebt war? Auch der Verzicht auf eine levee en masse dürfte dahin 
ausgelegt werden. B.G., VII, 75. 

Auch Strabo rühmt die kriegerische Tüchtigkeit der Gallier, aber 
besonders die der Reiterei !), weniger die des Fussvolkes. L. I, €. IV, 2. 

Und was wäre natürlicher, als dass bei dem geknechteten niedrigen 
Volke nicht derselbe Geist herrschte, wie unter dem Adel? 

Finden wir nun diese Nachteile der einseitig bevorzugten Reiterei 
und damit eine Herabminderung der Wehrkraft nicht genau so im 
fränkischen Reich? Ist es nicht auffallend, wie gering bereits dessen 
militärische Widerstandskraft im IX. und X. Jahrhundert gegenüber den 
Normannen-Einfällen hervortritt? So scheint es, dass das Ausbreiten 
einer Nation von Eroberern auf Kosten einer unterworfenen Rasse mit 
der Zeit zu einer Einbusse von Freiheit für die minder begüterten An- 
sehörigen des erobernden Volkes selbst führt und damit schliesslich 
mit einer Herabsetzung der Widerstandskraft des ganzen Volkes ver- 
bunden zu sein pflegt. Die Germanen, die Gallien und so viele andere 
römische Provinzen unterwarfen, waren ein freies Bauernvolk: sie sind 
es aber nicht immer geblieben und sie haben es zum Teil schwer 
büssen müssen; wie rasch erlagen doch z. B. die Sachsen in England 
dem Einfall der thatkräftigen Normannen. 


Ne 


kin Blick auf eine Karte zeigt uns, dass wir in der Umgebung 
von Metz, was die Natur der Ortsnamen anlangt, ein Stück alten 
(alliens vor uns sehen, eine mässige inselartige Scholle, umilutet 
von einer Menge von Ortsnamen wesentlich andern Klanges und, be- 
sonders auffallend, anderer Endung. Diese sind, wie eine nähere Prü- 
fung ergiebt, wesentlich neuerer Bildung. Ebenso fällt aber auch auf, 
dass diese letztgenannten Ortsnamen unter sich wieder in zwei Gruppen 


') Ihre zuverlässigsten Elemente aus den Unfreien kämpften wahrscheinlich 
mit den Rittern zu Pferde. 

Ich möchte das schliessen aus der Einrichtung der Trimarchisia, wie sie 
von den Galetern bekundet wird, wo immer ein Ritter zwischen 2 Knappen focht; 
daher (tri — drei, Mark —= Pferd) die Bezeichnung. 

Diese Knappen waren natürlich wie Kampf-, so Zeltgenossen ihrer Herren, 
woraus die verdorbenen Griechen gegen die Kelten Beschuldigungen herleiteten, 
die ich nicht, wie Contzen, acceptieren, sondern mit Roget verwerfen möchte. 


zerfallen, in eine augenscheinlich germanische und in eine zweite, die 
aus französischen Ortsnamen besteht. 

Betrachten wir uns zunächst die Zusammensetzung und die Ver- 
teilung der ersterwähnten Gruppe. 

Die Ortsnamen auf ingen, über deren Sinn als patronymische 
Bezeichnung ernste Zweifel wohl nicht mehr bestehen und deren Be- 
deutung als die Spuren freier germanischer Volkssiedlungen, nach 
Stamm-, Gau- und Sippen-Einteilung ich in meiner Arbeit »Siedlungen etc. « 
ausführlich erörtert habe, ziehen sich von Lommeringen über Ross- 
lingen, Bevingen, Wallingen, Kluingen, Russingen, Mondelingen, Hagen- 
dingen, Talingen, Hessingen, Niedingen, Ebingen, Wieblingen, Mor- 
lingen, Rollingen in einem grossen Bogen im Norden und Nordosten 
um das Gebiet von Metz herum und fallen höchst bezeichnender Weise 
ziemlich mit der bisher ermittelten Grenze des deutschen Sprachgebietes 
zur Zeit seiner grössten Ausdehnung zusammen. 

Wenn letzteres an einigen Stellen nachweislich über diese Linie 
bisweilen nicht ganz unbeträchtlich hinaus sich erstreckt, so kann dies 
sanz wohl aus dem Umstande erklärt werden, dass die deutsche 
Sprache eine geraume Zeit lang die Neigung hatte, um sich zu greifen, 
nicht, wie in Lothringen schon vor mehreren Jahrhunderten, sich zurück- 
zuziehen. 

Heutzutage ist diese rückgängige Bewegung gegenüber nicht nur 
den romanischen Sprachen, sondern an fast allen Grenzen des deutschen 
Sprachgebietes zu bemerken: schon längst ein Augenmerk und eine 
Sorge für alle vaterländisch gesinnten Deutschen. 

Diese ingen-Linie betrachte ich als die Grenze, bis zu der in 
einem zu ermittelnden Zeitpunkt eine germanische Massenansiedlung 
stattgefunden hat, und zwar. wie ich am mehrfach erwähnten Orte 
ausgeführt habe, eine solche von ripuarischen Franken, wenn diese 
auch im Süden des heutigen Deutschlothringens dabei auf Alemannen 
gestossen sein dürften, die, später mit fränkischen Siedlern vermischt, 
in den Flurnamen wie im Dialekt der Bevölkerung ihre Spuren bis in 
die Gegend von Rollingen und Silbernachen zurückgelassen zu haben 
scheinen. 

Über meine Vermutung, dass und wie diese Ansiedlung um die 
Mitte des 5. Jahrhunderts zu Stande gekommen sein dürfte, verweise 
ich auf meine erwähnte Arbeit '). 


1) Siedlungen, S. 27 ff. 


= ee 


Sehr beachtenswert scheint dabei der Umstand, dass diese ger- 
manischen Siedlungen, welche so weit nach Westen übergreifen '), 


oerade die Strasse von Metz nach Süden — Delme, Dieuze -— einer- 
seits und nach Westen — Reims — andererseits freilassen. 


Dieses Freilassen der rückwärtigen Verbindungen weist, wie ich 
schon in meinen »Siedlungen« andeutete, darauf hin, dass diese ger- 
manische Ansiedlung vor dem Untergang der römischen Herrschaft in 
Gallien stattfand, da nur damals die Verbindung durch das Einschieben 
sermanischer Siedlungen bedroht oder gestört erscheinen konnte, nicht 
aber im Reiche des Chlodwig und seiner Nachfolger. 

Wenn Wolfram?) darauf hinweist, dass die Linie Metz—Decem- 
pagi befestigt und besetzt gewesen sein möge, so pflichte ich dem 
gerne bei: dass dieser Abschnitt durch Natur und Kunst aber so fest 
war, dass er einem gewaltsamen Angriffe der Alemannen Widerstand 
leisten konnte, möchte bezweifelt werden. Dagegen muss unbedingt 
zugegeben werden, dass eine so bewehrte Front wohl geeignet war, 
die Ansiedlungen der Eindringlinge in verödetem Lande in einer ge- 
wissen Entfernung zu halten. Dass auf einigen Abstand östlich der 
Linie Metz—Marsal im Laufe des V. Jahrhunderts sich Alemannen wirk- 
lich niederliessen, scheint sehr wahrscheinlich. 

Dass aber diese Alemannen-Siedlungen sich als verhältnismässig 
schmaler Streifen zwischen den festen Plätzen Trier und Metz hin- 
durch nach Norden tief ins heutige Luxemburg hinein erstreckten, 
scheint mir eine unnatürliche Annahme; auch scheinen die alemannisch 
zu deutenden Flurnamen auf matt (ma), bühl (bille) nirgends über die 
alte Grenze Luxemburgs, welche mit jener Rosslingen—Hessingen ziem- 
lich zusammenfällt, hinauszugehen. 

Die Rheinfranken dürften diese Alemannen noch vor Chlodwig 
aus dem südlichen Lothringen verdrängt haben; von ihrem Vordringen 
ins römische Gebiet rührt aber jedenfalls die Abgrenzung der Sprache 
auf der Linie Maiweiler— Wieblingen—Lommeringen—Longwy her. Die 
Alemannen blieben aber auch weiter südlich wohl nur zum Teil als 
Unterworfene zurück und die Natur der Sache führt dazu, die Sied- 
lungsnamen auch im südlichen Lothringen dem siegreichen Volke zu- 
zuschreiben, dessen Sippen sich dort niederliessen. 

Dass es eine Volkssiedlung war, die sich hier auf dem südlothrin- 
gischen Plateau seitens der Ripuarier vollzog, beweisen meines Er- 
') Noch bei Montois-la-Montagne ist ein »Manceberg« — Mannsberg. 
?) Jahrbuch für lothr. Gesch. V?, S. 235. 


ALL 7 HR 


achtens die Ortsnamen ') (auf ingen); auch könnte man auf den deutschen 
Namen des Donon, »Frankenberg«, verweisen. 

Diesen kann man recht wohl verstehen als Bezeichnung jenes 
letzten Ausläufers der Hoch-Vogesen, der noch von fränkischen Volks- 
siedlungen berührt wird, nicht aber im Anschluss an fränkische Herren- 
siedlung, die ja östlich und westlich das ganze umliegende Gebiet 
weithin bedeckt. 

Hierzu kommt noch ein nicht zu verwerfendes Zeugnis, eine 
freilich nicht leicht zu entwirrende, aber doch nicht zu unterschätzende 
Quelle, die Tradition! 

Ich denke dabei an die mittelalterliche Erzählung vom Herzog 
Hervis von Metz, deren ältere Version wohl in die Zeit des X. Jahr- 
hunderts zurückreicht. Hiernach hatten die Wandres oder Hongres 
das Land überzogen und belagerten Metz. Hervis verlangt Hülfe vom 
König Pipin in Montloon (Laon), als von seinem Lehensherrn. Sie 
wird verweigert und nun geht Hervis zu Anseis, König von Köln, und 
bietet ihm die Oberherrlichkeit über sein Land an, wenn er ihm Hülfe 
bringt. Dies wird angenommen. Anseis schlägt sein Lager 4 lieues 
östlich von Metz, bei Ancerville sagt eine Handschrift, Hervis und Anseis 
schlagen vereint die Feinde: Hervis fällt, Anseis bemächtigt sich der 
Stadt Metz. 

Die Erzählung, welche nach Prost die Sitte des X. und XI. Jahr- 
hunderts schildert, geht natürlich auf viel ältere Ereignisse zurück. 
Wenn sie auch die verschiedenen Ereignisse, die dem Ganzen zu 
Grunde liegen mögen, noch mehr durcheinander zu werfen scheint, 
als das Nibelungenlied, so ist sie, wie dieses, doch nicht ein reines 
Gemische müssiger Erfindungen. 

So enthält sie z. B. die Nachricht von der umfangreichen Spo- 
liation der Kirche durch Karl Martel zum Zweck kriegerischer Rüstungen. 
Dies entspricht durchaus einem geschichtlich beglaubigten Vorgang. 

Sollte nicht dem Barbareneinfall unserer Erzählung, gegen den 
statt des natürlichen Beschützers und Oberherrn im Westen ein deutscher 
König von Köln angerufen wird, ein wahrer Vorgang zu (Grunde 
liegen ? 

Nehmen wir dies an, so haben wir so ziemlich das, was hier 
aus ganz andern Thatsachen gefolgert worden ist. 


!, Warum ich diese nicht von den unterworfenen Alemannen herleiten 
möchte, darüber siehe: Siedlungen, Seite 9, 20 und 37; im südlichen Lothringen 
finden sich auch noch so echt rheinfränkische Ortsnamen wie Burscheid und 
Walscheid. 


ER 


Der Herr im Westen, der den Metzern nicht helfen will oder 
kann, war der römische Staat, resp. sein Vertreter in Soissons; zwischen 
Laon und Soissons ist ja kein grosser Unterschied; der König von 
Köln ein ripuarischer Frankenkönig — es hat seither nie wieder 
Könige in Köln gegeben. Die Barbaren konnten «dann nur Ale- 
mannen sein. 

Die Hunnen kommen nicht in Frage, da die Ripuarier ihnen ge- 
zwungen folgten und mit ihnen bei Chälons gegen ihre salischen 
Stammesgenossen kämpften. Der Einfall der Vandalen und Alanen 
aus dem Anfang des V. Jahrhunderts noch weniger: damals blieb Metz 
ja noch ungestört römisches Territorium. 

Aber für die Zeit nach der Mitte des V. Jahrhunderts ist dies 
nicht mehr gewiss: die so nahe Ansiedlung der Germanen lässt Zweifel 
aufkommen. Ein Hülfszug von Ripuariern würde in der Gegend von 
Ancerville einen Metz bedrohenden alemannischen Feind wirksam in 
seiner Rückzugslinie bedroht und gezwungen haben, sich gegen den 
Heranziehenden zu wenden; damit wäre dann der Übergang von Metz 
an Chlodwig mit dem ganzen Ripuarier-Reich in einfacher Weise er- 
klärt. Metz wäre in eine Art Schutzverhältnis zu den Rhein-Franken 
getreten, die deshalb sein Gebiet schonten und schützten, aber auch 
bis nahe an die Stadt besiedelten. 

Prost, der durchaus geneist ist, diesem Zuge der Tradition einen 
historischen Kern beizumessen, hätte also ganz recht gesehen, wie bei 
einem so feinen Beurteiler ohnehin zu vermuten stand !). 


iR 

Rings um Metz liegen, soweit nicht germanische ingen uns auf- 
stossen, über eine gewisse Entfernung hinaus eine grosse Anzahl von 
Orten der Art, die ich als fränkische Herrensiedlungen bezeichnete?) — 
charakterisiert durch Endungen in ville, court, villers etc. 

Diese erstrecken sich weit nach Westen und Süden, wie die 
Übersichtskarte I zu meinem citierten Buche ergiebt. 

Um die Verhältnisse des Metzer Landes hinsichtlich der Häufigkeit 
der prägermanischen und postgermanischen Ortsnamen mit denen des 
französischen Sprachgebietes zu vergleichen, denken wir uns einen 
Kreisring in 20 km Abstand von Metz und von 10 km Breite gezogen, 
beginnend bei Bettainvillers im NW., über Westen und Süden nach 


1) Vergl. Prost, Etudes sur l’histoire de Metz. Les Légendes. 1865. 
S. 390 ff, a. a. O., S.:57. 
°) Fränkische und alemannische Siedlungen. Kap. 5. 


Vittoncourt im SO., wodurch wir vom romanischen Sprachgebiet, wie 
es zur Zeit der grössten Ausdehnung des Germanischen begrenzt war, 
ein Stück abschneiden, dessen Fläche etwa dem von uns untersuchten 
Gebiete um Metz entsprechen wird. 


Auf diesem (Gebiete finden wir leicht über 70 Ortsnamen jener 
hybriden Bildung, die wir für fränkische Herrensiedlungen halten müssen, 
um Metz nur ein Dutzend; dagegen von Ortsnamen, die die Spur der 
Endung acus aufweisen, deren wir oben aus dem Metzer Lande eine 
so grosse Anzahl zu erörtern hatten, finden wir hier kaum über 
ein Dutzend. 


Auch romanische Ortsnamen descriptiver Natur scheinen mir in 
jenem Kreisring nicht eben häulig zu sein. 

Das Verhältnis ist also vollkommen umgekehrt!) Wie ist das 
zu deuten ? 

Hier ist es von entscheidender Bedeutung, wie wir diese Orts- 
namen uns entstanden denken. 

Die Thatsache der Anhäufung von prägermanischen Ortsnamen 
um Metz geht mit aller Deutlichkeit schon aus der Karte hervor, welche 
Witte seinem Buche »Deutsche und Keltoromanen in Lothringen « beilegte. 

Da er aber auch die Orte auf ville, court etc. mit germ. Personen- 
namen im ersten Teil im grossen Ganzen für Besitzungen solcher 
Keltoromanen ansieht, welche eben germ. Personennamen angenommen 
haben, so erscheint für ihn die Grenze zwischen den prägerman und 
postgerman benannten Orten von ganz anderer Bedeutung. 

Für ihn ist Alles rein romanisch besiedeltes Land, und wenn man 
frägt, warum bei Metz die prägermanischen Personennamen erhalten 
blieben, so wird man versucht zu glauben, hier hätte vielleicht weniger 
Verheerung geherrscht, oder jene Orte seien Neuanlagen, etwa auf 
Grund von Rodungen. 

Ein solches Verschontbleiben gerade der näheren Metzer Umgegend 
ist aber in keiner Weise wahrscheinlich ; die reiche Umgebung von 
Metz, das mehrfach bestürmt worden sein dürfte, von den Hunnen sogar 
eingenommen wurde, ist nicht glaubhaft. Anderseits war für so über- 

1) Auf dem Plateau westlich vom »Val de Metz« ist das Verhältnis ähnlich 
wie weiter westlich; insbesondere aber scheint das ganze Gebiet von Toul und 
Verdun, wovon nur ein kleiner Teil in jenen »Kreisring« fällt, dicht besetzt mit 
Ortsnamen auf ville, court, mont etc. Da findet sich auch der alte merkwürdige 
Name eines Lehenshofes »Malberg« bei Morlaincourt und ein Wald von Hesse. 
Von Verdun nun steht durch die Vita S. Maximini fest, dass es sich gegen Chlodwig 
aufgelehnt hatte! 


ae 


aus zahlreiche Rodungen gewiss kein Raum mehr, die Zeit auch für massen- 
hafte Neugründung durch Romanen wahrlich nicht günstig. Es ist auch 
zu beachten, dass die Ortsnamen auf ville, court auf die Zeit vor dem 
VII. Jahrhundert zurückgehen müssen. Als Karl Martel im VII. Jahrhundert 
seine Krieger in grossem Masstabe mit Kirchengut belehnte, wurden 
diese »Reiterlehen« entschieden in anderer Weise (wahrscheinlich unter 
Nachsetzung des Personennamens) benannt; sonst würde sich die Be- 
srenzung des Verbreitungsgebietes jener älteren Namen nicht erklären 
lassen. Karl Martel verlieh doch wohl nicht nur in dieser Begrenzung Güter. 

Nach meiner Ansicht, die ich in meinen »Siedlungen« in mehreren 
Kapiteln begründet habe, sind aber die ersteren Ortsnamen Siedlungen 
von fränkischen Kriegern, denen der König Land und Leute, sei es 
Leibeigene, sei es Kolonen, überliess. 

Diese Ansicht ist von Gröber '), Hevk?) und Wolfram gebilligt 
worden. 

Was also hier den fränkischen Kriegern verliehen wurde, waren 
Domänen von der Art der villae, wie wir sie im Metzer Lande kennen 
gelernt haben, nur erhielten sie neue Benennungen. 

Wo Vollfreie in grösserer Zahl hausten, oppida, castra, vici, burgi, 
derartige Orte wurden begreiflicher Weise an diese Krieger nicht ver- 
geben. Dies hätte dem von mir a. a. O., S. 61, besprochenen Zwecke nicht 
gedient, wäre auch mit der Schonung für Freiheit und Eigentum der 
Einwohner Galliens, wie sie die Franken, besonders die Salier übten, 
nicht vereinbar gewesen *). 

Dagegen kann es ohne erhebliche Schmälerung des Besitzes 
für die römischen Grossgrundbesitzer dennoch nicht abgegangen sein. 

Wie sollten auch die senatorischen Familien von den siegreichen 
Saliern eine Immunität erlangt haben, auf die sie selbst formell frei- 
willig in der Lugdunensis zu Gunsten der von ihnen aus der Sabaudia 
ins Land gerufenen Burgunder verzichteten *). 

Die von den fränkischen Kriegern besetzten Grundkomplexe, dorf- 
artige Anlagen oder Gehöfte von Kolonen oder Leibeigenen bevölkert 
(villae — curtes), hatten also wohl meistens vorher Bezeichnungen, die, 

) Zeitschrift für roman. Philologie, XVII, S. 440 ff. 

?) Litteraturblatt für germ. und roman. Philologie, XVII, S. 195. 

#) Solche Orte bekamen erst viel später in der Zeit des ausgebildeten 
Lehenswesens einen Seigneur und ihre Benennung nach ihm. — Damit, glaube 
ich, beantwortet sich die von Gröber, Zeitschr. für roman. Philologie, XVII, S. 446, 
aufgeworfene Frage, warum chätel, vice und bourg niemals mit vorgesetztem 
Personennamen vorkommen. (Ausnahmen sind sehr selten: Hattonchätel). 

*) Vgl. Jahn, Geschichte der Burgunder, I, S. 407, 433 ff. 


> DU <a 


ähnlich wie die Orte im Metzer Lande, auf die romanischen Grund- 
herren Bezug hatten, mochte nun diese Bezeichnung bereits zum Eigen- 
namen geworden sein oder nicht. 

Auch von diesen Herrensiedlungen ist also ein gewisser Kreis um 
Metz freigeblieben, daher das so häufige Vorkommen der älteren 
Namensformen. Das Bild, das hieraus sich ergiebt, ist also folgendes: 

Was von dem mächtigen Gebiete der Mediomatriker um die Mitte 
des V. Jahrhunderts noch nicht abgerissen war, das wurde in der 
zweiten Hälfte im Norden und Osten bis auf wenige Wegstunden von 
Metz von germanischen Volkssiedlungen eingenommen. Die Scheidelinie 
zwischen Romanen und Germanen dürfte wohl in der ersten Zeit durch 
eine Waldzone gebildet worden sein, deren Reste, wie mir scheint, 
noch jetzt sich auffinden lassen, und zwar wie folgt von Süd nach Nord 
durch Ost: 

Staatswald von Amelecourt, Wald von Lesse und Neufcher, Bois 
blanc, Gehölze um Chémery, Staatswald von Remilly, Gehölze bei 
Rollingen und Morlingen, Wald von Kurzel, Wald von la Luë!) und 
die ganze Waldzone zwischen Haiss und Charleville, Sergentwald, 
Wald von Vigy, Champion und weiter hinab zur Mosel. 

Zur Begründung der Annahme, dass alle diese Waldungen einst 
zusammenhingen, könnte ich mich auf das Terrain — meist Plateaus, 
Wasser-Scheiden ohne grössere Orte und dgl. — berufen, allein für 
die Strecke von der Rotte an bis zur Mosel liegt ein direkter Beweis vor: 
es ist dies eine Urkunde Heinrichs II, dd. Frankfurt 12. Januar 1018?), 
worin dieser seinem Schwager, Bischof Theodorich von Metz, das Recht 
der Waldnutzung (das forastare) an einem Walde schenkt, dessen Ver- 
lauf wie folgt beschrieben wird: 

Von einem Punkte der oberen Seille an, wohl von der Einmün- 
dung des Seebachs, an diesem hinauf bis Dodeismes, von da zwischen 


Tinery und Moncheux hindurch und den Bach Stampenei —- es muss 
der Didelbach sein — hinab bis zur Französischen Nied, an dieser 


bis zur Einmündung der Rotte hinab, die Rotte hinauf, und nach Dieders- 
dorf und nördlich nach Edelingen (Delinga), dann über einen Punkt, 
der Heisterbach (?) heisst, zur Deutschen Nied (Iten) und diese hinab 
bis zum Einfluss in die Französische Nied gegenüber Nortchen. Von 
Nortchen nach Mitchen und nach einer villa Herede(?), nach Ruppigny 
und an der Beuvotte hinab bis Argancv. Quandam silvam his limi- 
tibus terminatam, heisst es im Text. 


1) La Luë — früher Leu, offenbar von Loo, Lohe — Wald. 
”) Den Hinweis auf dieselbe danke ich Herrn Archivdirektor Dr. Wolfram. 


6 


LA RS PRE 


Ueber die Grenze der germanischen d. i. fränkischen Volkssiedlung 
hinaus wurde nun im Laufe der Zeit auch das südliche und westliche 
(Gebiet mit einem mässigen Abstande von fränkischen Herrensiedlungen 
in Anspruch genommen), ein Bezirk von immerhin nicht unbeträcht- 
licher Grösse aber um die Stadt herum blieb davon so ziemlich, man 
darf wohl annehmen völlig verschont. 

Die wenigen Ortsnamen vom Typus der Herrensiedlungen können, 
ja müssen fast in der Zeit entstanden sein, da Metz, was gleich nach 
Chlodwigs Tod eintrat, Residenz eines Merowinger Fürsten, endlich 
Hauptstadt Austrasiens wurde. 

Dieser freigebliebene Bezirk verdient also in mannigfacher Richtung 
nähere Beachtung. 

Zunächst scheint diese günstige Behandlung der civilas Metensis 
zu beweisen, dass dieses Gebiet auf friedlichem Wege unter die Herr- 
schaft der Franken kam. Nimmt man an, dass es als ein Bestandteil 
resp. Vasallenstaat des ripuarischen Königreichs an Chlodwig gelangte, 
so erklärt sich diese Begünstigung seitens der Ripuarier wie seitens 
Chlodwigs sehr leicht, sie ist ein Gegenstück zu dem Freibleiben des 
(Gebiets der ripuarischen Volkssiedlungen (ingen) in Lothringen von 
salischen Herrensiedlungen (heim) ?). 

Dieser friedliche Übergang von Metz an die Ripuarier und dem- 
nächst an das Reich Chlodwigs lässt uns auch verstehen, dass Spuren 
römischer Munizipalverfassung in Metz sich bis ins VI. Jahrhundert 
erhalten konnten; denn »Theodemund, praesidium civium«, erwähnt in 
einem Briefe der Gogus an Bischof Peter von Metz”), ist doch wohl 
als ein solcher Magistrat zu deuten. 

Auch die Gewerbthätigkeit scheint sich zum Teil durch die drang- 
volle Zeit des V. und VI. Jahrhunderts hindurchgerettet zu haben; 
insbesondere scheint die in römischer Zeit hoch entwickelte Tuch- 


!) Dass diese Herrensiedlungen westlich und südlich von Metz stattgefunden 
haben nach denselben Grundsätzen, wie jene weiter westlich, scheint nicht zu 
bezweifeln; dass sie aber nicht schon vor dem formellen Übergang des ripuarischen 
Reiches an Chlodwig (um 510) begonnen haben können, möchte ich nicht gerade 
behaupten. 

Jedenfalls fanden hier vorzüglich Niederlassungen von Rheinfranken statt, 
wie ich bereits in meinen Siedlungen, S. 49, im Hinblick auf die scharfe Ab- 
grenzung der neustrischen und der austrasischen Gruppe dieser »Herrensiedlungen« 
andeutete (a. a. O. S. 48). - 

?) Vgl. meine »Siedlungen«, Seite 28—42. 

3) Wolfram, Die älteste Kathedrale in Metz, Jahrbuch f. lothr. Gesch., 1892”, 
S. 246, 


BB — 


fabrikation!) in der bedeutenden Tuchmanufaktur sich forterhalten zu 
haben, die im mittelalterlichen Metz in Blüte stand?). 

Dieser freigebliebene Bezirk zeigt uns ferner, wie elwa sich die 
Nomenklatur im nordöstlichen Gallien ohne die fränkische Landnahme 
sestaltet haben würde und hat uns oben schon Gelegenheit gezeben, 
die sozialen Verhältnisse des römischen Galliens näher zu erörtern. 

ch fällt dieser Bezirk, wie es scheint, so ze meh mit dem 


ee zusammen 3) 

Diese Grenzen hat aber auch die französische Verwaltung re- 
spektiert, sie haben auf die Bildung des Arrondissement Metz Einfluss 
gehabt, und da die Grenze dieses Arrondissement zum Teil im Friedens- 
vertrag vom 10. Mai 1871 der neuen deutsch-französischen Grenze zu 
Grunde gelegt wurde *), so sehen wir in der heutigen Reichsgrenze die 
uralte Grenze der fränkischen Landteilung unter den Franken wieder als 
politische Grenze zum Vorschein kommen — ein Vorgang, der, so seltsam 
er erscheint, durchaus nicht einzig in der deutschen Geschichte dasteht, 
wie an anderer Stelle vielleicht noch erörtert werden wird. 

Nicht den geringsten Wert aber haben diese Untersuchungen 
vielleicht dadurch, dass sie zeigen, wie auf diesem Wege neues Material 
für die Beurteilung der Art und Weise der Landteilung zwischen Franken 
und Römern herbeigebracht werden kann, besonders wenn ähnliche 
Untersuchungen für das ganze (Gebiet des fränkischen Reichs angestellt 
würden, wozu einen Anstoss gegeben zu haben dem Verfasser zu 
grosser Befriedigung gereichen würde). 


1) Keune a. a. O., S. 43. 

>) Westphal, Gesch. d. Stadt Metz, [, S. 146. 

>) Ein Umstand, auf den mich Herr TRIER Wolirem hinwies. Vel. 
Beilage zur Allg. Zeitung 1897, No. 118. 

+) Derselbe bezieht sich auf die Friedenspräliminarien vom 26. Februar 1871, 
die im Art. 1 die West- und Südwestgrenze des Arrondissements Metz und die 
Westgrenze des Arrondissements Saarburg als massgebend erklären. 

5) Herr Professor Dr. Gröber hatte die besondere Güte, bei der Correktur 
besonders der beiden ersten Abschnitte mir mit seinem Rate beizustehen, wofür 
ich demselben meinen wärmsten Dank ausspreche; ebenso möchte ich bei diesem 
Anlasse den Leitern der Münchener Hof- und Staats-Bibliothek, der Strassburger 
Universitäts-, der Metzer Archiv- und der Stadt-Bibliothek für ihr freundliches 
Entgegenkommen meinen besten Dank abtragen. 


ANHANG. 


l. Ennery und die sub A besprochenen Ay, Flevy und Trémery bilden mit 
Hauconcourt den kleinen Bezirk, der bis an die Gemeindegrenzen von Argancy 
an Metz heranreicht, und für dessen einstige Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- 
gebiete, wie auch bezüglich noch mancher anderer Ortschaften, ich in meinen 
Siedlungen, S. 103ff., auf Grund der Flurnamen des Katasters eingetreten bin; im 
(Gegensatz zu Witte, der diese Orte in seiner Schrift »Zur Geschichte des Deutsch- 
tums in Lothringens als nie germanisiert hinstellt. 

Ich wollte damit nachweisen, einerseits, dass das deutsche Sprachgebiet 
die Grenzlinie der massenhaften »ingen« im allgemeinen nicht weit überschritten 
habe, wie ich das Seite 27 behauptet hatte; andererseits im Laufe dieser Unter- 
suchung prüfen, ob die Bestimmung der einstigen, für das Deutsche günstigsten 
Sprachgrenze durch Witte a. a. O. nicht eine Berichtigung erheische. 


Auf diese Feststellungen nun bezieht es sich zweifellos, wenn Witte in der 
Zeitschrift für Geschichte des Ober-Rheins, Jahrgang 1894, S. 329, schreibt: 

»Schiber projiciert die in solchen Quellen gefundenen Materialien 
in eine viel zu frühe Zeit zurück; damit verbindet sich in Ermangelung 
besserer Beweismittel eine ganz unstatthafte Behandlung der Ortsnamen. 
Durch die Kombination dieser beiden Fehler ist Schiber zu dem ent- 
sprechenden Schlusse gekommen, Argancv sei im 9. Jahrhundert 
deutsch gewesen.« 

»S. 104« citiert der Herr Berichterstatter! 

Nun, Seite 104 steht einmal das nicht; sondern nachdem noch eine Be- 
dingung vorausgeschickt ist: 

»Darnach wäre im 9. Jahrhundert Argancy wenigstens an der Sprach- 
srenze gelegen, wenn diese offenbar keltische Gründung nicht selbst ger- 
manisiert war.« 

Das ist also etwas wesentlich Anderes. 

Von Materialien, die dem Kataster entnommen sind, ist hier keine Rede — 
die Stelle ist also offenbar nur exemplikativ für die falschen Schlüsse, die aus 
fehlerhafter Methode sich entsprechend ergeben müssen. 

Was nun diese Fehler anlangt, so habe ich die Germanisierung unserer 
Orte nur in die Zeit vor dem 15. Jahrhundert zurückdatiert (Seite 74, Note 1). Eben 
desshalb deute ich Seite 104 vorsichtig und bedingt an, dass hier möglicherweise 
ein Anhaltspunkt für eine nähere Datierung zu finden sei. 

Ferner was die »mangels besserer Beweismittel herangezogenen« Ortsnamen 
betrifft, so habe ich allerdings geglaubt, dass für einmal deutsch gewesene Orte 
auch eine germanische Namensform existiert haben müsse. Diese suchte ich zu 
erfahren und gab sie in Klammern an. Als Beweismittel genügten mir die Flur- 
namen vollauf. Soviel wegen der behaupteten Fehler der Methode ! 


Fr 


ee a ee 


x 


Was nun das Resultat anlangt, das der Leser sich ohne weitere Ausführung 
logischer Weise entsprechend unrichtig zu denken hat, so will ich nur er- 
wähnen, dass Witte in seiner Schrift »Das deutsche Sprachgebiet in Lothringen 
in seinen Wandlungen,< Stuttgart 1894, genau zu dem gleichen Ergebnis gelangt, 
dass die oben genannten Orte und manche andere von mir zuerst als früher deutsch 
bezeichnete Orte wirklich einst deutsch waren! 


II. Die Ortsnamen villa sowohl als villare, sofern der betreffende Ortsname 
nicht durch einen mit ihm verbundenen Personennamen, fast immer germanischen 
Ursprungs, ein mittelalterliches Gepräge angenommen hat, rechne ich zu jenen, 
die für sich die Vermutung des Ursprungs in der Zeit vor der fränkischen Land- 
nahme haben. 

Diese villaria scheinen früher wohl, ähnlich wie jetzt, durch Hinweise auf 
ihre Lage bestimmt worden zu sein, aber ohne einen besonderen Namen zu führen. 
Dies ist die Ansicht Gröbers und Kornmessers, der ich mich durchaus anschliesse. 
Wenn dagegen Kornmesser!) die schweizerischen und schwäbischen wvl und weil 
sich zu villa in demselben Verhältnis stehend denkt, wie weiler zu villare, so ist 
dies kaum zutreffend. 

Die Schweizer wvl sind vielmehr in den alten Urkunden fast ausnahmslos 
villare, insbesondere wenn die Dokumente über das XI. Jahrhundert zurückdatieren. 
Studer, in seinen Schweizer Ortsnamen, Zürich 1896, giebt für 44 Ortsnamen auf 
wyl die alte Form villare. Die wenigen Fälle, wo die älteste Form wil ist, da- 
tieren alle aus dem XIII. oder Ende des XII. Jahrhunderts. Bezüglich der schwä- 
bischen weil dürfte es ebenso sein. Die in Baden und Ober-Elsass oft vorkommenden 
Ortsnamen auf weier sind ebenfalls fast ohne Ausnahme (nur Riedweier im Ober- 
Elsass heisst Riedwiger) auf villare zurückzuführen, wie sich aus Stoffel, Diet. 
top. de la Haute-Alsace und aus dem Ortsverzeichnis des Grossherzogtums Baden, 
Karlsruhe 1886, ergiebt?). Wir scheinen somit in Ober-Deutschland nur mit der 
Verbreitung der villaria, nicht der villae zu rechnen zu haben; die besten und 
offensten Landstriche sind eben von den volkstümlichen Gewannfluren einge- 
nommen worden; diese entsprechen den von mir als Sippensiedlungen bezeich- 
neten Orten. Die Gebiete der grösseren Villen-Anlagen sind also wohl von 
Sippensiedlungen besetzt worden, die zum Teil dann wieder fränkische Heime wurden. 

Was die Verbreitung der »weiler« anlangt, so hat sich mir seither ergeben, 
dass dieselbe, wie ich schon in meinen »Siedlungen« vermutete®), weit intensiver 
ist, als sich dies aus »Neumann« für das rechte Rheinufer ergab. Ich fand deren 
in Baden, incl. weier und einiger weniger weil, ca. 115 mit Personennamen und 
12 ohne solche; in Württemberg 294 weiler und etwa ein Dutzend weil, in Bavern 
63 weiler und 9 weil. 

Hier ist der Ort, eine sehr wichtige Wahrnehmung anzumerken. 

') Die französischen Ortsnamen germanischer Abkunft, Diss. Strassburg, 1888. 
*) Die Umwandlung villare, viler, vilr zu wihr in Baden und im Ober-Elsass, 
zu wyl in der Schweiz scheint, weil ohne Analogon, sprachlich schwer zu er- 
klären — hier sollte nur auf die Thatsache dieser Aufeinanderfolge in den Urkunden 
des Mittelalters hingewiesen werden. 

*) Siedlungen, S. 6, Note 1. 


et 


Seit dem Erscheinen meiner »Siedlungen« ist das grosse Werk von Meitzen: 
»Siedlungen und Agrar-Wesen der West- und Ost-Germanen« erschienen. Hier stellt 
der Verfasser auf Grund der von ihm im ganzen erwähnten Siedlungsgebiet durch- 
forschten Flurpläne fest (Bd. I, S, 434): 

»Sie (eine derartige Teilung, wie sie bei diesen Weilern vorkommt) lässt 
sich nur so denken, dass ein Machthaber, der die ganze Flur besass, dieselbe 
nach seinem Ermessen teilte, einem Ermessen, dem sich jeder zu fügen hatte.« 

Derselbe findet auch, genau wie ich für das linke Rheinufer, für die »Weiler- 
gebiete« Schwabens »das fruchtbare Main- und Tauberthal ausgeschlossen« (S.440): 

»Alle diese nördlichen Weilergebiete stehen hinter den neben ihnen liegenden 
Gebieten der volkstümlichen Gewanndörfer erheblich zurück.« 

Also ganz wie ich es in Lothringen für die »ingen« im Gegensatz zu den 
-weiler« feststellte)! 

Die erfreuliche Bestätigung dessen, was ich auf ganz anderm Wege gefunden 
hatte, liegt auf der Hand, 

Bemerkenswert ist auch, wie Meitzen in Nord-Frankreich die Gewanne, 
denen er das Eingreifen fränkischer Grundherren in die Bodenverteilung ansieht, 
südlich bis zur Loire und westlich bis Chäteaudun gehen (I, S. 559), also genau 
dasselbe Gebiet bedecken lässt, wie die von mir als Resultat der ersten der 
Eroberung folgenden Landnahme betrachteten Ortsnamen auf ville, court etc.?) 

Dieses ganz unerwartete Zusammentreffen von Untersuchungen auf ver- 
schiedenster Grundlage dürfte die gewonnenen Resultate erheblich vertrauens- 
würdiger erscheinen lassen. 

Eine merkwürdige anthropologische Bestätigung, dass die Terrains, welche 
mit den grundherrlichen Weilersiedlungen bedeckt sind, von der germanischen 
Einwanderung in geringerem Masse betroffen wurden als die fruchtbaren Thalflächen, 
finde ich bei Auerbach: »Le plateau lorraine, Nancy 1893, Seite 338. 


III. Zur Ortsnamen-Gruppe À. (S. 52 ff.) sind noch nachzutragen ausserhalb 
des Metzer Landes: 


*Brettnach. 1179 Britinacha, Britannius, d’Arbois, S. 201. 
*Chémerv. 1606 Chemeri, deutsch Chemerich. Cammarius, I. X. 2812. 


*Moussey. 1288 Muusseys. Mustius, I. VII, 2949 ff. Vgl. d’Arbois, S. 287, 


1) Siedlungen, S. 66 ff. 
?) Siedlungen, S. 46 


ae 


Die Reliquien des hl. Stephanus im Metzer Dome. 


Mitgeteilt von H. V. Sauerland. 


In der ganzen Welt bekannt ist »das wunderthätige Blut des 
hl. Januarius«< im Dome von Neapel, das dort, in einer Seitenkapelle 
in zwei Gefässen aufbewahrt, durch sein rasches Flüssigwerden an be- 
stimmten Tagen — nämlich am 1. Sonntage des Mai, am 19. September 
und am 26. Dezember — den gläubigen Einwohnern jener Stadt die 
Gunst des Heiligen zusichert, dagegen durch Zögern im Flüssigwerden 
dessen Ungnade andeutet und kommendes Unheil verkündet. Aber 
wohl nur sehr wenigen wird es bekannt sein, dass der Metzer Dom 
bereits vor mehr als 1100 Jahren sich eines ganz ähnlichen Wunders 
von einem in der Kirche noch viel höher verehrten Heiligen gerühmt 
hat und dass uns dieser Ruhm des Metzer Domes schon eben damals 
durch zwei Zeugnisse ersten Ranges bekundet ist, nämlich durch eine 
Urkunde Karls des Grossen und durch eine Notiz des Geschicht- 
schreibers und Dichters Paulus Diakonus, der zugleich ein Freund 
jenes grossen Kaisers und des damaligen Metzer Bischofs Angilram 
gewesen ist. 

In der vom X. bis zum XI. Jahrhundert immer mehr erweiterten 
und mit neuen Zusätzen versehenen St. Clemens-Legende, welche 
dann endlich um Mitte des XII. Jahrhunderts von dem Verfasser 
der Gesta Episcoporum Mettensium in die Form von zwei Büchern 
umgearbeitet worden ist, wird sogar behauptet, dass die Reliquien des 
hl. Stephanus schon von den Aposteln selber dem hl. Clemens, einem 
Apostelschüler und erstem Bischofe von Metz, übersandt worden seien.') 
Viel glaubhafter als dieser erst in sehr später Zeit entstandene Zusatz 
zur Clemens-Legende ist die bereits vor Ende des VI. Jahrhunderts 
von dem Bischofe und Geschichtschreiber Gregor von Tours gebrachte 
Nachricht, dass bei der Erstürmung und Zerstörung der Stadt Metz 
durch die Hunnen unter König Attila am Ostersamstag (8. April) des 

') Vergl. Gesta Episcoporum Mettensium in Monum. German. Seriplores. t. N, 
pg. 537, cap. 17. 


Be 


Jahres 451 einzig und allein das Kirchlein (Oratorium) des hl. Stephanus 
unverletzt geblieben sei'). Leicht begreiflicher Weise hat dann dieser 
schlichte und ganz glaubhafte Bericht in der Folgezeit, insbesondere in 
den Bearbeitungen der Servatius-Legende?), die wunderlichste Aus- 
schmückung und Vermehrung erfahren. 

Natürlich ist uns durch die von Gregor gemeldete Thatsache 
keineswegs auch schon das gleichzeitige Vorhandensein von Stephanus- 
reliquien in jenem Kirchlein oder in Metz überhaupt verbürgt oder 
auch nur angedeutet. Die erste sichere Nachricht hierüber haben wir 
in der schon oben erwähnten Urkunde Karls des Grossen vom 22. Januar 
775°). Darin preist dieser den Metzer Dom als »die Kirche, in 
welcher das hochheilige, lebendige Blut des hl. Stephanus 
zu sehen ist« (ecclesia domni Stephani, ubi suus sacratissimus san- 
suis vivus esse videtur). Gerade die hochpreisende Art dieser Er- 
wähnung scheint mir die Folgerung zu begründen, dass die genannte 
Blutreliquie damals nicht erst neuerdings nach Metz gebracht, sondern 
schon lange Zeit dort vorhanden war. Auch kann diesem gegenüber 
nicht die Einrede erhoben werden, dass dem Kaiser die Heiligtümer 
der Metzer Kirche wohl nur wenig und das auch nur vom Hörensagen 
bekannt gewesen seien. Denn die kaiserliche Familie stand gerade zu 
Metz in den allernächsten Beziehungen: Metz ist die Ahnenstadt des 
Karolingischen Herrscherhauses. Somit dürfte es gar nicht unwahr- 
scheinlich sein, dass die vom Kaiser hochgerühmte Blutreliquie schon 
während der Merowingerzeit nach Metz gelangt ist. Hierfür spricht 
denn auch noch das andere, ebenfalls bereits oben erwähnte Zeugnis 
des Paulus Diaconus. In seinem nur wenige Jahre nach Erlass jener 
Urkunde Karls des Grossen abgefassten Werke über »die Thaten der 
Metzer Bischöfe« fügt er zu der Nachricht über die (nach ihm schon 
durch ein Wunder bewirkte) Erhaltung des Stephans-Kirchleins wäh- 
rend des. Hunnensturmes die Bemerkung, dass »darin das kostbare 


>), Ber, Krane. 1. Il, eap.ıo: 

?) Vergl. darüber Aug. Prost, Saint Servais in Bulletin et Mémoires de la 
Société Nationale des Antiquaires de France, 1889, pg. 183— 294. 

3) Mehrfach gedruckt; bei Meurisse, Histoire des Evesques de Metz, 
pg. 184; Francois et Tabouillot, Histoire générale de Metz, t. III, Preuves, pg. 15; 
bei Bouquet, Le Cointe u. a. — Vergl. Th. Sickel, Acta Carolingorum, nr. 36. Die 
Echtheit der Urkunde ist vielfach bezweifelt und auch noch neuerdings von 
Lœning in seiner Geschichte des deutschen Kirchenrechts (Strassburg 1878, Bd. II, 
S. 734) ganz entschieden bestritten worden, aber mit Unrecht. Vergl. Böhmer- 
Mühlbacher, Regesta Imperii, Karolinger, nr. 142 und 174. 


Blut des Heiligen unverweslich aufbewahrt war«'). Aus diesen seinen 
Worten scheint mir wenigstens hervorzugehen, dass er der Ansicht 
gewesen, die Blutreliquie sei schon vor der Ankunft der Hunnen nach 
Metz in das Kirchlein gelangt. Etwa ein Jahrhundert später wieder- 
holt der berühmte St. Gallener Mönch Notker in dichterischer Sprache, 
was Paulus in prosaischer gemeldet hatte. In der letzten der vier von 
ihm zu Ehren des hl. Stephanus gedichteten und dem Metzer Bischof 
Robert (883 — 916) gewidmeten Hymnen lautet die fünfte Strophe: 

Est domus Mettis Stephani cruore 

Sacra, quae tantum superesse diris 

Posset Hunnorum gladiis rogisque 

Sanguine tuta’?). 


Jedoch war die Blutreliquie keineswegs das einzige, was man von 
dem ersten christlichen Märtyrer im Metzer Dome zu besitzen damals 
sich rühmte. Denn nach der Halberstädter Chronik hat schon Karls 
des Grossen (ausserehelicher) Sohn, der Metzer Bischof Drogo (822 —855), 
das Blut des Heiligen samt einem Arme und noch anderen kleineren 
Leibesgliedern desselben sowie auch noch einen Teil von dessen Kleide 
in einem Altare des Metzer Domes geborgen”). Im nächstfolgenden 
X. Jahrhunderte hat dann Bischof Theoderich L. ein Vetter des 
deutschen Kaisers Otto I., während seines fast dreijährigen Aufenthalts 
in Italien (970-972) ausser vielen anderen Reliquien auch noch solche 
vom hl. Stephanus für seine Kirche in Metz erworben. Von dem 
Bischofe von Arezzo empfing er einen Teil vom Blute des hl. Erz- 
märtyrers in einem kostbaren, mit Gold und Edelsteinen gezierten 
Glasgefässe, von Papst Johann XIII. auch noch eine Sandale desselben 
Heiligen). Ausser allem diesem besass man damals im Metzer Dome 
noch einen von den Kieseln, mit denen der Heilige zu Tode gesteinigt 
worden war. An dem Steine hafteten angeblich noch Reste des Blutes 
und der Haare des Heiligen. Gerade von dieser Reliquie wünschte 
eben damals der Touler Nachbarbischof, der hl. Gerhard (963 — 994), 
einen Teil zu erwerben, als er im Begriff stand, seine ebenfalls dem 
hl. Stephanus gewidmete neue Domkirche einzuweihen, und vermittelst 
eines recht seltsamen Wunders gelang es ihm denn auch, seinen 


') beati Stephani levitae et protomartyris situm apud Metas oraculum, in 
quo ipsius erat pretiosus eruor absque corruptionis labe reconditus. Monum. 
German. Script. 

*) Canisius-Basnage, Praelectiones antiquae, t. II, pars. III, pg. 222. 

*) Monum. German. Ser. XXIII, 86. 


‘) Sigeberti Gemblacensis Vita Deoderici I in Monum. Germ. Ser. IV, 475, 


N HEC 


Wunsch zu befriedigen ‘). Ja noch viel weiter, bis zum fernen Sachsen- 
lande hatte sich in jenen Zeiten der Ruhm der Metzer Stephanus-Re- 
liquien verbreitet. Aus Halberstadt, wo Bischof Theoderich I. in seiner 
Jugend Kanonikus gewesen war, sandte der Bischof Hildeward um die 
Zeit der Jahre 984—990 an dessen Nachfolger Adelbero II. Boten mit 
einem Briefe, worin er um einen Teil vom lebendigen Blute des Heiligen 
hat, das sich im Metzer Dome flüssig in einem Glasgefässe befinde und 
heller wie die Sonne glänze (in ampulla sole clarius emicando pullulat). 
Noch heute ist eine Abschrift dieses Briefes in einer dem XI. Jahr- 
hundert angehörenden Pergamenthandschrift erhalten, die ehedem dem 
Metzer Symphorianskloster eignete und sich heute in der Pariser Na- 
tionalbibliothek befindet ?). Bischof Hildeward empfing denn auch nicht 
nur von dem Blute des hl. Stephanus, sondern auch noch zwei kleine 
(lieder und ein Stücklein von dem Gewande desselben, was alles der 
Metzer Bischof dem Altare entnahm, worin sein Vorgänger Drogo die 
Reliquien geborgen hatte. Die empfangenen Heiligtümer gelangten 
nach Halberstadt, wurden dort in feierlicher Prozession eingeholt und, 
als Hildeward am 16. Oktober 990 seinen neuen Stephansdom ein- 
weihte, legte er die Metzer Blutreliquie in den Hochaltar, wo sie denn 
auch nach der Versicherung des Chronisten wiederholt ihre Wunder- 
kraft erwies *). 

Ein halbes Jahrhundert später kam nach Metz ein junger ge- 
lehrter Benediktiner-Mönch, Sigebert von Gembloux, und wirkte dort 
etwa 22 Jahre lang (1048—1070) als Vorsteher der Klosterschule von 
St. Vincenz. Wohl schon in den ersten Jahren nach seiner Ankunft 
schrieb er das Leben des Bischofs Theoderich I. Darin redet er 
zweimal von dem wunderbaren, flüssigen Blute des hl. Stephanus im 
Metzer Dome; das eine Mal, bei Besprechung der Bitte Hildewards, be- 
zeugt er, dass man zu seiner Zeit in Metz noch fest an das wunder- 
bare Flüssigsein der Reliquie glaubte *); das andere Mal preist er bei 
Erwähnung des Domneubaues durch Theoderich I. den früheren Dom 
als uralten Autbewahrungsort jener kostbaren Reliquie und citiert 
dabei einen Vers aus einem alten, heute verlorenen (redichte, das den 


!, Widriei Vita s. Gerardi in Monum. Germ. Ser. IV, 498. 

?) Fonds Jatin. nr. 5673. — Abgedruckt bei Ph. Labbe, Nova Bibliotheca 
Manuser. I, 682, und neuerdings bei Schmidt, Urkundenbuch des Hochstifts Halber- 
stadt I, nr. 56. 

#) Chron. Halberstad. in Mon. Germ. Scr. XXI, 86; Annalista Saxo ebendort 
VI, 627 und 636; Sigeberti Vita Deoderici ebendort IV, 468, cap. 9. 

‘) prothomartyris sanguis vera fide creditur pullulare in ecclesia urbis 
Mettensis, cap. 9. 


PAR, PES 


Ruhm des Domes und seiner Heiligtümer enthalten hat: »Stabat adhuc 
illo tempore illud antiquae reverentiae oratorium, 

Servans thésaurüm, quod gémmas vincit et aürum, 

scilicet sanguinis prothomartyris pignus pretiosum« !). 


Sigebert ist der letzte Zeuge für das Vorhandensein des wunder- 
bar flüssigen St. Stephansblutes im Metzer Dome. Soweit wenigstens 
meine bescheidene Umschau in den Metzer Geschichtsquellen reicht, 
giebt es dafür ein späteres Zeugnis nicht mehr. Ob seit Ende des 
XI. Jahrhunderts die bis dahin geglaubte wunderbare Eigenschaft des 
Inhalts der Bluttläschlein aufgehört oder sich als irrig erwiesen, ob 
vielleicht gar die gläsernen Gefässe samt ihrem Inhalt durch irgend 
einen Unfall verloren gegangen seien — das sind ungelöste und wohl 
auch unlösbare Fragen. Sicher ist, dass seit dem XII. Jahrhundert als 
vornehmste Stephansreliquie des Metzer Domes ein in einem goldenen 
Schrein aufbewahrter grosser Armknochen verehrt wurde, dann ferner 
ein in silberner Lade geborgener Armteil und endlich ein Stein mit an- 
haftenden angeblichen Blut- und Haarresten. Eben diese werden denn 
auch in dem um das Jahr 1246/47 geschriebenen grossen Ordinarius 
des Domes mehrfach erwähnt?). Während der Schreckenszeit der 
französischen Revolution sind dann auch diese Stephanusreliquien — 
nach mir gewordenen mündlichen Mitteilungen — völlig beseitigt worden. 
Ob dafür in jüngerer Zeit irgend woher irgend welcher Ersatz beschafft 
worden sei, das entzieht sich meiner Kunde und liegt übrigens auch 
ganz ausserhalb des von mir gewählten Forschungsgebietes. 

Es bleibt nun noch die Frage zu lösen, wann und woher denn 
jener Armknochen in den Metzer Dom gelangt sei, welcher darin vom 
XII. bis zum XVII. Jahrhundert als vorzüglichste Reliquie verehrt wurde. 
Darauf giebt der Verfasser der Gesta Episcoporum Mettensium, welcher 
um Mitte des XII. Jahrhunderts schrieb und nach meinem Dafürhalten 
ein Mönch der Metzer St. Clemens-Abtei war, eine anscheinend sehr 
sichere Antwort. Er erzählt nämlich von dem Bischofe Theoderich IL. 
(1005—1047), dass dieser dem hl. Stephan in Metz einen neuen Dom 
gebaut und dafür aus Besançon einen Arm des Heiligen erhalten habe ?). 


1) cap. 5. 

?) Vergl. Aug. Prost, La Cathédrale de Metz, in Mémoires de la Société 
d'Archéologie et d'Histoire, XVI, 1885, pg. 578—579. Prost setzt irriger Weise 
den Text in das XII. Jahrhundert. 

*) Quadragesimus octavus ascendit ad episcopatum Theodericus, qui mo- 
nasterium urbis prineipale sancto Stephano construxit, adepto ipsius brachio a 
Bisontica civitate. Mon. German. Ser. X, 543, cap. 48. 


u 


Indes erheben sich gegen die Richtigkeit dieser Angabe ganz gewichtige 
Bedenken. Diese sind zunächst ganz allgemeiner Art. Der Verfasser 
meldet hier zwei Facta, die bereits mehr als 100 Jahre vor Abfassung 
seines Werkes geschehen sein sollen. Dieses wird aber von W. Watten- 
bach mit vollem Recht als eine Arbeit gekennzeichnet, welche »voll 
von Fabeln in der älteren Zeit und auch weiterhin dürftig und ungenau 
ist« '). Dieses Urteil bewahrheitet sich auch sofort bei der ersten von 
jenen beiden Nachrichten. Der (vorige romanische) Dom von Metz ist 
nämlich nicht von Theoderich IL gebaut worden, sondern von Theoderich I. 
(964-984) Jener hat nur den letzten Ausbau dieses Werkes aus- 
geführt und die Einweihung desselben (am 27. Juni 1040) gefeiert, wie 
ich demnächst in einem gesonderten Aufsatze ausführlich nachweisen 
werde. Und mindestens ebenso hinfällig ist die zweite Behauptung 
über die Herkunft des Armknochens des hl. Stephanus aus Besancon. 
Schon von vornherein ist es durchaus unwahrscheinlich, dass man in 
Besancon eine so bedeutende Reliquie überhaupt anderswohin verschenkt 
habe. Dann aber widersprechen dem auch geradezu die alten Über- 
lieferungen der Besanconer Kirche über deren St. Stephanusreliquien. 
Von diesen sind mir bereits drei Handschriften, zwei des XIE?) und 
eine des XI. Jahrhunderts*), bekannt. Ihr Text!) scheint aber einer 
noch viel früheren Zeit anzugehören. Jedenfalls ist er für die 
frühmittelalterlichen Reliquienbestände der Kirche von Besancon ein 
viel älteres und zuverlässigeres Zeugnis als die Gesta Episcoporum 
Mettensium. Jene Überlieferungen aber melden nur von einem Arm- 
knochen (brachium) des hl. Stephanus, der bereits in spätrömischer 
Zeit dahin gelangt sei, und von einem Teile der Dalmatika und des 
Blutes des hl. Stephanus, welche beide bereits von dem Erzbischof 
Bernwin (811-829) im Hauptaltare der Domkirche geborgen seien); 
sie führen das Gedächtnisfest der Wiederauffindung der Armreliquie 
am 20. Juli auf die Zeit des Erzbischofs Migetius (c. 660 —675) zurück. 
Auch war Theoderich II. bereits gestorben, als Papst Leo IX. am 
3. Oktober 1050 in Besancon den Hauptaltar der dortigen Domkirche 
einweihte und bei dieser Gelegenheit ausser anderen Reliquien auch 


') Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, IF, 382. 

*) Bibl. Reg. Bruxell. nr. 198—200. Abgedruckt in Analecta Bolland. t. II, 
fasc. IV, S. 75—80; Bibl. Nat. Paris. latin. 10844, fol. 33—43. 

») Bibl. Reg. Bruxell. nr. 207—218, fol. 74!—79. 

‘) Grösstenteils hat ihn schon Chifflet, Vesontio Il, pg. 32, 38, 101, 133, 
163, abgedruckt. 

5) Chifflet TI, 175. 


— 93 — 


den Armknochen des hl. Stephanus in jenen Altar legte'). Somit er- 
weist sich die Nachricht der Gesta über die Einholung jener Reliquie 
aus Besancon nach Metz als irrig. Woher und wann sie nach Metz 
gelangt sei, ist und bleibt auch wohl im Dunkeln. 

Vielleicht aber gelingt es, der Veranlassung zu diesem Irrtum 
auf die Spur zu kommen. ‚Jene bereits oben erwähnte Handschrift 
der Pariser Nationalbibliothek (latin. 10844) enthält nämlich ausser 
der bereits besprochenen Besanconer Stephanus-Legende eine ganze 
Reihe von anderen Stücken, die sämtlich auf denselben Heiligen Bezug 
haben, und zu allen diesen auf dem ersten Blatt als Vorrede oder 
Widmung den unten als Beilage mitgeteilten Brief eines Besanconer 
Erzbischofs an einen Amtsgenossen. Zwar ist die Handschrift des ersten 
Blattes viel jünger als die der übrigen Blätter, denn erstere gehört 
dem XIV., letztere dagegen dem XII. Jahrhundert an. Auch ist gerade 
das erste Blatt kein ursprünglicher Bestandteil der ersten Lage 
(Quaternio), sondern dieser angeheftet. Aber bei näherer Besichtigung 
ergiebt sich, dass auch gerade das ursprüngliche erste Blatt der ersten 
Lage fehlt und dass gerade jenes jüngere Blatt dessen Ersatz bildet. 
Und da dann auch der Text eben dieses jüngeren Ersatzblattes ganz 
genau als Vorrede zu den übrigen Stücken des Buches passt, so tritt 
klar und deutlich zu Tage, dass man im XIV. Jahrhundert das stark 
schadhaft gewordene erste Blatt der Handschrift des XI. Jahrhunderts 
durch ein neues Blatt ersetzt und darauf den Text jenes ursprüng- 
lichen, aber schadhaften Blattes abgeschrieben hat. Wie man aber 
aus dem Inhalte dieser brieflichen Vorrede ersieht, sind Absender 
der Erzbischof und das Domkapitel von Besancon und Empfänger 
Bischof und Domkapitel einer anderen, anscheinend nicht unmittelbar 
benachbarten Diöcese, die ebenso wie Besancon den hl. Stephanus zum 
Patron hatte. Dieses passt ganz genau auf Metz. Hier besass man 
auch von Alters her, wenigstens soweit meine Kunde über die noch 
erhaltenen Metzer Handschriften reicht, keine Legenden über die 
Wunderwirkungen des Dompatrons, was wiederum ganz der Aussage 
der Absender über die Empfänger entspricht. Endlich aber stammt 
auch die Handschrift aus Metz”) und ist erst gegen Ende des vorigen 
Jahrhunderts an ihren heutigen Aufbewahrungsort gelangt. In Anbetracht 
dieser Umstände darf man es, wenn auch nicht als sicher, so doch 
als sehr wahrscheinlich hinstellen, dass die Widmung an einen Bischof 


') Jaffe-Löwenfeld, Regesta Pontiff. I, nr. 4238 und 4249. Chiftlet Il, 205. 
?) Auf Bl. 1 findet sich der von einer Hand des XVIL oder XVII. Jahr- 
hunderts geschriebene Vermerk: Collegii Met. Societatis Jesu, 


ee 
und das Domkapitel von Metz gelangt sei. Es fragt sich nun noch, 
welcher Besanconer Bischof der Absender und welcher Metzer Bischof 
der Empfänger gewesen ist. Beide haben nach dem Zeugnisse der 
Handschrift spätestens dem XI. Jahrhundert angehört.  Anderseits 
kann die Widmung frühestens erst in der zweiten Hälfte des XI. Jahr- 
hunderts verfasst sein. Wie nämlich die Vorrede besagt, sind es 
sämtlich Abschriften aus Besanconer Handschriften, die »vor Alter 
kaum mehr leserliche waren, welche der Besanconer Erzbischof seinem 
Amtsbruder »ohne irgend eine Kürzung oder Zuthat« übersendet. Nun 
findet sich aber darin bei Erzählung der Wunderwirkungen der 
Besanconer Stephanus-Reliquie gerade an letzter Stelle (fol. 42!—-43) 
eine bisher ungedruckte Heilung des Dompropstes Lambert, welcher 
während der Jahre 1016—1031 Bischof von Langres war. Die Art 
und Weise, in welcher die Erzählung dieses Mannes Erwähnung thut, 
lässt deutlich erkennen, dass er zur Zeit der Aufzeichnung dieser 
wunderbaren Heilung nicht mehr unter den Lebenden war. Wenn 
wir nun auch die in der Widmung enthaltene Versicherung über das 
hohe Alter der Vorlage nur in sehr abgeschwächtem Sinne für wahr 
hinzunehmen berechtigt sind, so wird als mögliche früheste Zeit der 
Widmung doch wohl erst das letzte Drittel des XI. Jahrhunderts er- 
achtet werden dürfen, als mögliche späteste der Schluss des XII. Jahr- 
hunderts. ‚Jedoch findet sich gerade während dieser möglichen Ab- 
fassungszeit in der Besanconer Bischofsreihe niemand mit dem Namen 
Henricus, der ja an der Spitze des Widmungsbriefes steht. Diesen 
Widerspruch hat der Besanconer Bibliothekar, Herr A. Castan, mit 
welchem ich schon vor Jahren wegen der Handschrift in Briefwechsel 
gestanden habe, dadurch zu erklären und zu beseitigen gesucht, dass 
er annahm, im ursprünglichen Texte habe nur der Anfangsbuchstabe 
des Namens H gestanden, der dann von dem Abschreiber irrtümlich ın 
Henricus ausgeschrieben sei. Auf Grund dieser Annahme würde dann 
Henricus in Hugo umzuändern sein, und der zweite (1071—1085) 
oder dritte (1085---1101) oder vierte (1101-—1117) Besanconer Erz- 
bischof dieses Namens wäre der Verfasser .des Widmungsbriefes. 
Jedoch halte ich es für viel wahrscheinlicher, dass der Metzer Abschreiber 
des ersten Blattes in seiner schon 200 Jahre alten und stark be- 
schädigten Vorlage den Namen des Erzbischofs Ansericus (1117-—1134) 
vorgefunden hat und dann statt dieses für ihn ganz ungewöhnlichen 
und dazu vielleicht auch ziemlich unleserlich gewordenen Namens den 
zum Teil in ganz ähnlichen Buchstaben erscheinenden und vielgebrauchten 
Namen Henricus eingestellt hat. Dann würde der Bischof Stephan 


— 5 — 


von Bar (1120--1163) der Empfänger der Widmung gewesen sein. 
Für ihn war. ja auch der hl. Stephanus nicht bloss Patron seiner 
Diöcese. sondern auch noch Namenspatron, und so hatte er doppelte 
Veranlassung, sich über die Auffindung, Übertragung und Wunder- 
wirkungen der Stephanus-Reliquien zu erkundigen, wie das ja auch 
der Empfänger der Widmung laut deren Aussage in Besancon gethan 
hat. Auch entspricht eine solche Erkundigung und die der Besanconer 
Kirche angebotene Verbrüderung, wovon der Absender der Widmung 
in deren Schlussworten redet, ganz dem kirchlichen Eifer, der uns 
von Stephan genugsam bekundet ist. Wenn also, wie ich es für sehr 
wahrscheinlich halte, Bischof Stephan es gewesen ist, der seinen 
Besanconer Amtsbruder Ansericus, also im ersten Drittel seiner 
49 jährigen Pontificatszeit, um Nachrichten über Auffindung, Übertragung 
und Wunderwirkungen der Stephanus-Reliquien gebeten und dann auch 
diese erhalten hat, so konnte es sehr leicht geschehen, dass etwa 20—30 
Jahre später der Verfasser der Gesta zu der Meinung gelangte, nicht bloss 
die Berichte über die Wunderwirkungen des Armknochens des 
hl. Stephanus, sondern auch diese Reliquie selbst sei von Besançon 
bezogen und, da er wahrscheinlich irgend eine Domweihenotiz vom 
Jahre 1040 zur Hand hatte, worin die Übertragung dieser Reliquie 
in den Hochaltar durch Theoderich II. gemeldet wurde, nun auch 
weiter schloss, dass dieser dieselbe eben damals aus Besancon em- 
pfangen habe. 


BEILAGE. 


Widmungsbrief des Desanconer Erzbischofs (Ansericus?) und 
seines Domkapitels an den (Metzer?) Bischof (Stephanus?) und dessen 
Domkapitel bei Übersendung der Acta s. Stephani protomartyris. 

(Paris, Nat.-Bibl., cod. lat. 10844, fol. 1.) 


Henricus!) dei gratia Crisopolitanus archipresul necnon prothomartiris 
Stephani et evangeliste Johannis congregatio in domino salutem. Rogatus vestre 
fraternitati transcribere, quod apud nos habebatur de venerabilis patroni nostri 
prothomartiris S(tephani) miraculis tam a sacris doctoribus quam quibusdam re- 
ligiosis viris editis, dignum duximus et iuste petitioni obtemperare et eadem 
benivolentia hanc prefatiunculam addere. In hoc siquidem equum nobis videtur 
firmissime amicitie servari officium, si a nobis nichil, quod dulcius amplectamini *), 


!) sie manuser.; corrigas: Ansericus. 
?) textus hoc loco mendosus est; loco nichil, quod duleius amplectamini nescio 
an sit legendum quo nichil duleius amplectamini. 


Sr 


expetitur, cum nostra Crisopolis sibi nichil retineat carius, quam quod modo 
offertur, Utrumque igitur eo, quo mittitur, animo, rogamus, suscipite, eodem 
vinculo dilectionis insolubiliter conflatum legite, non tantum perscrutantes sagaci 
industria stili elegantiam aut luculente orationis leporem quantum ipsam incor- 
ruptam rei veritatem. Nam in qua rei veritas inesse creditur, si philosophicis 
non politur argumentationibus, non ob hoc a nobis scriptura minus diligitur. 
Dum enim vestre iussionis memores in armario antiquorum libros revolveremus, 
obtulerunt se hec nobis vix pre vetustate sui legenda, que mittimus. In quibus 
nos aut aliquid demere aut addere nolentes, sed ut erant inconvulsa conservantes, 
nimium fidi transcribentis curam retinuimus et vestre auctoritati estimandam 
codicis huius operam relinquimus. Ea vero, que super hec mandare placuerit, 
vestra devotio quam libenter adimplebit. Cum enim catholica ecclesia in totum 
orbem diffusa, redempta prelioso sanguine, parili coniungatur amore, nostre tamen, 
que victoriosissimi prothomartiris potiuntur triumpho, firmiori connectuntur vin- 
culo. Et licet nos locorum dividant spatia, eiusdem tamen patroni, sub quo 
militamus, unit ecclesie victoria. Post etiam huius fraternitatis munus exobtabile ') 
volentes consolidare, claustratem societalem instituimus utrique petere, ut inter 
nos essemus quasi ex vobis, vos vero pari modo quasi ex nobis; quod utrimque 
ab omnibus approbatum tam inserviendo vivis quam orando pro defunctis. 


Annuat illesum servari posse per evum, 
Qui trinus numero consistit et unus in ipso. 


1) sic manuser. 


PAGE: | I 


Die Abteikirche St. Peter auf der Citadelle in Metz, 


ein Bau aus merovingischer Zeit. 


Von Emil Knitterscheid. 


Durch die Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertums- 
kunde wurde eine Untersuchung der ehemaligen Abteikirche St. Peter 
auf der Metzer Citadelle angeregt. Die Mittel dazu stellte der Vorstand 
bereitwilligst zur Verfügung '). Leider gestatteten die Verhältnisse 
nicht, die Untersuchung abschliessend zu erledigen; hierzu würde 
es erforderlich sein, das Gebäude eine Zeit lang ausser Benutzung zu 
setzen und umfassendere Aufgrabungen zu machen, als sie zur Zeit 
zu ermöglichen waren. 

Einige geschichtliche Bemerkungen über die Abtei mögen der 
Beschreibung des Bauwerks vorangehen. 

Allgemein wird angenommen, dass die Frauenabtei St. Pierre-aux- 
Nonains, später auch St. Pierre-en-Citadelle genannt, im VII. Jahrhundert 
gegründet wurde (um 613 oder 620). Zum ersten Male erwähnt wird das 
» monasterium superius Mettis civitate infra murum ad honorem s. Petri 
constructum « in einer Urkunde Karls d. Gr. vom Oktober 751, gelegentlich 
der Bestätigung eines Tausches zwischen der Äbtissin Eufemia und Fulrad 
von St. Denis. Zweihundert Jahre nachher befanden sich die Gebäude in 
starkem Verfall. Kaum konnte man noch den Platz der Kirche erkennen, 
mannshohe Dornen und Disteln standen umher, Haustiere trieben auf 
der heiligen Stätte ihr Wesen, und es gelang erst nach längeren Be- 
mühungen, das Grab der ersten Äbtissin Waldrada wiederzufinden, als 
Bischof Adalbero II. um 990 Kirche und Kloster wieder herstellte. 
Dieser zweiten baulichen Gründung war eine Reform in der Kloster- 
zucht vorausgegangen, welche Adalbero I. veranlasst und wegen deren 
er den Kaiser um Genehmigung und Unterstützung gebeten hatte. In 
der Bestätigungsurkunde, welche Kaiser Otto I. 960 (3. Juni. Mon. 
Germ. Dipl. No. 210) von Köln aus erliess, heisst es, dass das Kloster 
von den Alten mit dem Namen »Maiorise monasterii belegt worden 


1) Die Vornahme der Arbeiten wurde durch das freundliche Entgegenkommen 
der Herren Generallieutenant Morsbach, Major Marcard und Hauptmann Thele- 
mann ermöglicht. Der Verfasser, wie der Vorstand der Gesellschaft für loth- 
ringische Geschichte sprechen den genannten Herren auch an dieser Stelle den 
verbindlichsten Dank aus. 


_ 


98 — 


sei. Dem entspricht die französische Bezeichnung Marmoutier, während 
sich der ebenfalls vorkommende Name Haut-Moutier auf die Lage be- 
zieht. Letztgenannte Urkunde ist auch deshalb wichtig, weil darin 
auf ein Privileg Bezug genommen ist, welches König Theoderich (Il. 
657— 670) der Abtei verliehen hatte). 

Adalbero Il. begnügte sich nicht mit der Wiederherstellung der Abtei 
St. Peter, sondern er gründete zu ihrer Entlastung und zur Aufnahme 
von Novizen in der Nähe, ebenfalls auf der späteren Citadelle, das Marien- 
kloster, was hier erwähnt wird, weil beide Klöster lange Zeit und noch 
bis vor ein paar Jahrzehnten örtlich mit einander verwechselt zu werden 
pflesten. | 

Wichtige Nachrichten über die baulichen Schicksale der Abteien 
im Mittelalter sind nicht auf uns gekommen: der Bau der Citadelle 
entzog beide ihrer ursprünglichen Bestimmung. Die Damen von St. Peter 
bezogen ein Gebäude in der Stadt, und die bisherigen Klosterbauten 
wurden teils niedergerissen, teils zu weltlichen Zwecken eingerichtet 
und umgebaut. Letzteres Schicksal hatte glücklicher Weise auch die 
Abteikirche St. Peter, und diesem Umstande ist es zu danken, dass 
die älteste Metzer Kirche, welche in ihren frühesten Teilen zugleich 
eines der ersten christlichen Baudenkmale diesseits der Alpen darstellt, 
nicht dem Erdboden gleich gemacht, sondern in ihren Hauptmauern 
wenigstens erhalten wurde. 

Es sei hier eingeschaltet, dass es zwei genauere Beschreibungen 
des Bauwerks giebt, die eine von de Bouteiller, veröffentlicht im Jahr- 
sange 62/63 der Mémoires de l'Académie Impériale de Metz (Notice 
sur les anciennes Abbayes de Saint-Pierre et de Sainte-Marie, S. 121 ff.), 
die andere von Ledain, veröffentlicht im XV. Bande (1879) der Mémoires 
de la Société d'Archéologie et d'Histoire de la Moselle (S. 235 ff.). 
Eine kürzere Darstellung giebt Kraus (Kunst und Altertum in Lothringen, 
5. 430 ff.) ?). 


1) Weitere Urkunden Ottos IL. von 977, Mai 11, Mon. Germ. Dipl. No. 159 und 
Ottos III. von 993, März 26, a. a: O.. No. 117. 

2) Im übrigen vergleiche die in letzterem Werke angegebenen Quellen: 
Meurisse, p. 111, 313, 339. Gallia Christ, XII, 868 f. Mabillon, Ann. Ben. ed. 
buee.,. 1, 244..: Bened.,l, 367, 369 1.165221, 2110062,285, 95, 297 Abe 
III, 80, 296, 319. Calmet, Notice de la Lorr., I, 850. Ders., Hist., 265. Rettbers, 
I, 511. Friedrich, Il, 248. Ausserdem sind wegen des allgemeinen Zusammen- 
hanges zu erwähnen: Fr. X. Kraus, Geschichte der christlichen Kunst, 1896, I, 606. 
Otte, Handbuch der kirchl. Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters, 5. Aufl., 
II, S. 22. Merowingische und karolingische Plastik von P. Clemen. Jahrb. d. Ver. 
v. Altertumsfreunden im Rheinlande, Heft LXXXXII, 1892. 


99 


Die allgemeine äussere Erscheinung des (Gebäudes, sowohl von 
dem Hofe der Fortifikation als auch von der Moselniederung her, lässt 
kaum auf seine alte kirchliche Bestimmung schliessen. Abgesehen von 
der basilikalen Anlage, deutet kaum irgend ein Merkmal, kein Turm 
oder Dachreiter, kein verzierter (riebel oder altes Portal auf ein Gottes- 
haus hin, und man gewinnt eher den Eindruck eines militärischen 
Magazins. Erst bei näherem Eingehen und von Standpunkten aus, die 
für gewöhnlich unzugänglich sind, bemerkt man einige kirchliche Fenster. 
Ähnlich verhält es sich mit dem Innern, welches gegenwärtig im Erd- 
geschoss hauptsächlich als Wagenraum, in den beiden eingebauten 
Obergeschossen als Festungs-Brieftaubenstation dient. Ein Teil des 
Gebäudes, sowie der kleine Hof im Nordwesten gehört ausserdem zur 
Dienstwohnung eines Offiziers der Fortifikation. 

Fig. 1 giebt den Lageplan, Fig. 2—4 lassen den Zustand des 
Baues vor etwa 50 Jahren erkennen, wie er allerdings ungenau — 
in dem im Besitze der Fortilikation befindlichen »Atlas des Bâtiments 
militaires« dargestellt ist und wie er mit geringen Änderungen jetzt 
noch besteht. An der Hand des neu aufgenommenen Grundrisses, 
Fig. 5, möge die Baugeschichte verfolet werden. 


I. 

Das erste Gebäude, die älteste Kirche, war ein Viereck a, b, €, d 
von etwa 36,: m äusserer Länge und etwa 21,. m äusserer Breite, bei 
den Innenmassen 35,5:18,7 m. Der Grundriss ist nicht genau recht- 
eckig, vielmehr ist eine Abweichung nach dem schiefen Viereck vor- 
handen, wofür der Grund nicht bekannt ist, die sich aber an einigen 
Stellen des Innern bei den späteren Einbauten bemerkbar machte. 
Wahrscheinlich ist die Unregelmässigkeit auf die im ganzen Mittelalter 
übliche Ungenauigkeit beim Messen zurückzuführen. Wie aus der 
Zeichnung zu ersehen ist, war die älteste Kirche wesentlich grösser 
als der jetzt noch ummauerte Innenraum. Das 1,» m starke Mauer- 
werk entspricht dem opus mixtum der Römer und lässt sich als solches 
an den vier Seiten des Vierecks feststellen. Es besteht aus hammer- 
recht bearbeiteten Kalksteinen von ziemlich geringen, aber gleich- 
mässigen Abmessungen, mit wagerecht durchlaufenden Fugen bei 
8—15 em Schichthöhe. Dieses Mauerwerk wird in Höhenabständen von 
70—100 cm von je zwei Ziegelschichten durchzogen, ganz nach spät- 
römischer Weise. Die Ziegel sind z. B. 55 cm lang und 27,; em breit 
bei 4 cm Höhe. Andere sind 2,,—6,,; em hoch. Die Fugenhöhe be- 
trägt 2—3 em. Der Mörtel ist vorzüglich, mit Ziegelbrocken gemischt. 


7* 


— 100 — 


Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Mauern als die ältesten des 
Bauwerks anzusehen sind, und es steht nichts entgegen, in ihnen die 
Umfassungswände der merovingischen Kirche zu erkennen. Allerdings 
lässt sich aus der Technik allein auf das Jahrhundert kaum schliessen, 
weil die römische Bauweise von den ortsansässigen, durch keine Um- 
wälzung beeinträchtigten Handwerkern wohl ungestört weiter vererbt 
wurde — aber es liegt auch kein Grund vor, das Mauerwerk einem 
anderen als dem VII. Jahrhundert zuzuweisen, in welchem nach dem 
ziemlich übereinstimmenden Urteil der Schriftsteller die Gründung der 
Kirche erfolgte. 


Stempel auf Ziegeln wurden bei der jetzigen Untersuchung nicht 
gefunden, wohl aber bei einer früheren, welche der Abbé Ledain 
1875 vorgenommen hat. Damals wurde von der Fortilikation ein 
später noch zu erwähnendes baufälliges Gebäude abgebrochen, welches 
im Norden der Kirche unmittelbar neben ihr stand; im Lageplan 
ist es durch Strichelung angedeutet. Bei dieser Gelegenheit wurde 
auch die alte Umfassungsmauer der Kirche zwischen dem eben 
erwähnten Gebäude und dem kleinen, zu einer Dienstwohnung 
gehörigen Hofe erniedrigt, um dem letzteren mehr Licht und Luft zu- 
zuführen. Hierbei fanden sich nach Ledain (Mém. Mos., XV, 1879, 
Plus. Notices, S. 171 ff.) verschiedene Ziegel mit den Stempeln Adiutex, 
Adiutice, Zadenac (?), deren erstere auch in Trierer Bauten und bei 
Diedenhofen in Niederjeutz gefunden worden sind. Sie bezeichnen 
Ziegel, die um 400 nach römischer Art von einheimischen Fabrikanten 
hergestellt wurden. Man kann hieraus nur schliessen, dass das Mauer- 
werk nicht älter ist, wird aber mangels weiterer für eine frühere Ent- 
stehung sprechender Beweise vorerst als wahrscheinlich annehmen, 
dass es dem VII. Jahrhundert entstammt und zum Teil aus Abbruch- 
material besteht. 


Die Ziegel sind meist auf der einen Seite mit mehr oder weniger 
gewellten Linienreihen versehen, um das Anhaften des Mörtels zu 
begünstigen, während die andere Seite an sich rauh ist. Manche 
haben auch eine ganz glatte Seite. 


Wie gesagt, lässt sich die besprochene Technik an den vier Um- 
fassungswänden feststellen, bald mehr, bald weniger deutlich, oft 
unterbrochen von anderer Bauweise an späteren Öffnungen, Aus- 
besserungen u. s. w., aber immer mit genügender Klarheit. An der 
nördlichen Langmauer liegt das grösste Stück offen zu Tage (c—m im 
Grundriss, vergl. das Schaubild Fig. 14); hier, wo der Mauerputz fast 


— 101 — 


sänzlich abgefallen ist, wurde die höchste Ziegelschicht etwa 8 m über 
dem Fundamentabsatz der Mauer gefunden, welcher der Höhe des 
ältesten Fussbodens entspricht. Am südöstlichen Giebel zeigt sich das 
alte Mauerwerk fast nur im Fundament, denn der grössere Teil dieser 
Front ist in späterer Zeit neu errichtet, nachdem man die alte ab- 
gebrochen hatte. Beim Wiederaufbau setzte man aus einem unbe- 
kannten Grunde nicht genau auf das vorhandene Fundament, sondern 
trat mit der neuen Flucht etwas vor, wie auf dem Plane zu 
ersehen ist. Im Mittelschiff (e—f) konnten auch im Fundament keine 
Spuren der alten Bauweise gefunden werden, so dass die Annahme 
zulässig erscheint, die jetzige Abschlussmauer sei hier nicht an der 
Stelle einer früheren errichtet worden, sondern es habe eine Apsis 
bestanden (worauf später näher einzugehen sein wird); diese Apsis 
sei beim neuen Citadellenbau abgebrochen und der gerade Abschluss 
hergestellt worden, wobei man ohne weiteres auf die vorhandene 
Fussbodensohle fundamentierte. | 

Es fragt sich, wie der von den besprochenen vier Mauern um- 
schlossene Raum gestaltet gewesen ist. Dass eine Spannung von fast 
19 m damals nicht ohne Stützen überdeckt worden ist, leuchtet ein, 
und es drängt sich bei dem Mangel an Anhaltspunkten die — vorläufig 
nicht zu beweisende — Ansicht auf, dass der älteste Bau eine drei- 
schiffige holzgedeckte Basilika gewesen ist, wie sie in altchristlicher 
und frühromanischer Zeit meist gebaut wurden. Ob Pfeiler oder 
Säulen oder beide die Schiffe trennten, steht dahin und wird sich wohl 
erst bei einem Abbruch des Gebäudes aus etwaigen Fundamenten fest- 
stellen lassen. Der an einer Stelle (bei g) gemachte Versuch, inner- 
halb der jetzigen Pfeiler vielleicht alte Stützen zu finden, hatte nicht 
das erhoffte Ergebnis, vielmehr wurde nur festgestellt, dass man zum 
Kern des Pfeilermauerwerks Abbruchmaterial — vielleicht von der 
ersten Kirche — mit verwendet hat. Dass eine Holzkonstruktion über 
der letzteren anzunehmen ist, wird auch durch die Angabe des 
Chronisten wahrscheinlich gemacht, dass man nach 300 Jahren ihren 
Platz kaum wiedererkennen konnte. (Gewölbe würden, auch wenn 
sie teilweise eingestürzt gewesen wären, darüber wohl kaum einen 
Zweifel gelassen haben. 

Zugänglich war die erste Kirche durch Öffnungen bei i und A. 
Hier sind merovingische Bögen vorhanden von 3,05 m Lichtweite, deren 
Scheitel rund 5,544 m über dem ältesten Fussboden gelegen ist. In 
diesen 55 cm starken Rundbögen wechselt ein Ziegel mit einem Hau- 
stein. Erstere sind 3—4 cm, letztere 10--12 cm stark und zum Teil 


102 — 


keilförmig gestaltet; sie haben mehrfach die nebengezeichnete eigen- 
tümliche Bearbeitung. Die Fugenstärke beträgt 1,5—3 cm. 
Die Bögen liegen nicht axial zu den jetzigen Pfeilern, 
wohl aber steht die Verbindungslinie ihrer Mittelpunkte 
ungefähr normal zu den Umfassungswänden, was für einen 
Wiederherstellungsversuch der ersten Kirche zu beachten wäre. 


2222 


> 
NS 


Die Frage, ob diese Bögen die Öffnungen ursprünglich unmittelbar 
überdeckt oder ob sie nur als Entlastungsbögen gedient haben, wird 
in ersterem Sinne zu beantworten sein. 
Es findet sich zwar unter dem nördlichen 
Rundbogen eine schmälere, von Hau- 
steinwerkstücken eingefasste, flachbogig 
geschlossene, ebenfalls ausgemauerte 
Öffnung, aber einerseits lässt das Material 
der Einfassung erkennen, dass sie aus 
späterer Zeit stammt, und andererseits 
weist der Zwischenraum zwischen beiden 
Bögen eine schlechtere Technik, ziemlich 
wildes Mauerwerk auf: endlich fallen die Axen nicht zusammen. 


Ausser den beiden besprochenen Eingängen hat sich eine älteste 
Thüröffnung von 1,27 m Breite bei À nachweisen lassen, welche wahr- 
scheinlich in einen Sakristeiraum führte. Zweifelsohne waren noch 
andere Eingänge vorhanden, es wurden aber bei dieser Untersuchung 
keine mehr gefunden. Die Eingänge bei Z und m scheinen aus go- 
tischer Zeit zu stammen, die Öffnungen in der nordwestlichen Ab- 
schlussmauer sind zum Teil erst in unserem Jahrhundert angelegt. 


Was die Beleuchtung anbelangt, so waren vermutlich ausser 
dem hochgestellten (basilikalen) Seitenlicht schmale Fenster in den 
Umfassungsmauern vorhanden. Bei m und n sind solche anscheinend 
vermauert; sie sind innen 83—86 em breit und haben keine sicht- 
baren Hausteineinfassungen. Auf dem Schaubilde, Fig. 14, ist ein 
solches Fenster zu erkennen. Bei dem Zustande des Mauerwerks ist 
es ausserordentlich schwierig, bestimmtere Angaben hierüber zu machen. 


Der älteste Fussboden bestand aus abgeglichenem Ziegelbeton ; 
er lag in Höhe von 0. K. Fundamentabsatz 
etwa 0,5 m unter dem gotischen Kiesbeton- 

Zei boden und rund 5,4 m unter den Krag- 

steinen, welche die Bögen über den Pfeilern 

tragen. 


jo 


IL. 


Wahrscheinlich um 990 wurden die jetzt noch vorhandenen 
Pfeiler- und Bogensteliungen im Innern der Kirche errichtet. Dies 
kann man aus Kunstformen nicht schliessen, denn die Pfeiler und 
Bögen lassen solche gänzlich vermissen, aber die Annahme würde zur 
Geschichte stimmen. Dass die Pfeiler — vier Mittelpfeiler und wahr- 
scheinlich zwei Wandpfeiler auf jeder Seite — nicht gleichzeitig mit 
der Umfassung errichtet wurden, beweisen verschiedene Thatsachen. 
Zunächst sind die Pfeiler weniger tief und anders gegründet, sodann 
ist die Technik eine ganz andere. Die Pfeiler sind mit weissen Kalk- 
stemquadern — ohne Ziegel — ziemlich sauber verblendet; im Innern 
bergen sie, wie bemerkt, Hausteinbruchstücke eines alten Baues, viel- 
leicht der ersten Kirche. Die noch vorhandenen östlichen Halbpfeiler 
stossen mit scharfer Fuge ohne Verband an die Aussenmauern, was 
u. a. bei k im unteren Teile des Mauerwerks festgestellt wurde, wo sich 
bei dieser Gelegenheit zwei bemerkenswerte Hausteine mit Bandmustern 
vorfanden (Fig. 16, 17), deren eines in einen Schlangenkopf endigt. 
Wir mögen in diesen und einem noch später zu erwähnenden Bande 
(Fig. 18) den unter antikem Einfluss stehenden, vom Christentum noch 
nicht berührten sogen. Stil der Völkerwanderungszeit erkennen, dem 
die erste merovingische Kunst angehört. (Vergl. Kraus, Gesch. d. 
christl. Kunst, I, 591 f., 605.) 

Ferner ist für die Zeitbestimmung zu beachten, dass die Pfeiler 
einen Vorsprung nach den Seitenschifflen haben zur Aufnahme eines 
Halbkreisbogens, welcher an der Aussenmauer auf einen nachträglich 
eingesetzten Kragstein aufsetzte. Wenn Pfeiler und Aussenmauern 
einer Zeit entstammten, würde an letzteren gewiss auch der Wand- 
streifen heruntergegangen sein. 

Die im Grundriss etwa 2,:0,s m messenden Pfeiler haben 
4,60 m lichten Abstand, welcher durch Halbkreisbögen mit etwa 10 cm 
Überhöhung überbrückt wird. Diese Bögen ruhen auf Kragsteinen 
von einfach rechteckiger Bearbeitung, welche 30—33 cm hoch sind 
und nach vorn etwa 15, cm, seitlich nur 1,5 cm ausladen. Diese 
verschieden breiten Kragsteine, deren Unterkante an der nördlichen 
Wand etwa 5,14 m über dem ältesten Fussboden liegt, rühren mög- 
licher Weise ebenfalls aus dem ersten Bau her. Einer hat auf der 
Unterseite des Vorsprungs eine durchlaufende Nut, welche für die 
jetzige Verwendung zwecklos ist, zwei andere haben eine abgefaste 
Kante. Die Pfeiler wuchsen ohne Sockel aus dem Fussboden heraus, 


= ll ee 


welcher, soweit dies bei der jetzigen Untersuchung festgestellt werden 
konnte, etwas über dem merovingischen gelegen hat. 

Wie erwähnt, waren die Pfeiler mit den Aussenwänden durch 
Halbkreisbögen verbunden; diese stiegen bei ersteren von den Wand- 
streifen (0,7s : 0,10 m im Grundriss) auf, während sie bei letzteren auf 
nachträglich eingemauerte Kragsteine aufsetzten, wie solche auch den 
Übergang von den Wandstreifen zu den Bögen vermittelten. Diese 
Kragsteine in den Seitenschiffen hatten bei 80—82 cm Länge eine 
Höhe von 23—26 em und eine vordere Ausladung von 13,5—15 em. 
Ihre Unterkante lag 53 cm höher als die Oberkante der grösseren 
Kragsteine über den Pfeilern. 

Von den drei Kirchenschiffen sind gegenwärtig noch zwei zu- 
sammen sichtbar, denn die südwestliche Pfeilerstellung ist vermauert. 
Ebenso treten von den fünf Jochen der Kirche nur noch vier gemeinsam 
zur Erscheinung. 

Die zweite Kirche war zweifelsohne eine holzgedeckte Basilika. 
Wahrscheinlich bildeten die sichtbaren Dachstühle zugleich die Decken 
der Schiffe, oder aber es waren noch besondere Holzdecken einge- 
zogen, was in den Seitenschiffen durch die erwähnten Rundbögen er- 
leichtert wurde. 

Der allgemeine Eindruck der zweiten Kirche muss, was den Haupt- 
raum anbelangt, ein ausserordentlich einfacher und schmuckloser gewesen 
sein. Kaum mehr als das nackte Raumbedürfnis war befriedigt, Kunst- 
formen waren fast ängstlich vermieden. Ob dies durch Mangel an 
Mitteln oder den niedrigen Stand der hiesigen Kunst in jener Zeit zu 
erklären ist, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls arbeitete man tech- 
nisch sehr ungenau. So befinden sich die Kragsteine unter den Ar- 
kaden nicht in einer Höhe; die nördlichen liegen vielmehr 13—22 cm 
höher als die südlichen. 

Zu romanischer Zeit hatte die Kirche eine weitere Wandlung an 
der dem Chor gegenüber liegenden Nordwestseite durchzumachen. Man 
veränderte das erste Joch durch Einbau einer Vorhalle, eines inneren 
Narthex, welcher eine Querempore trug. Diese Vorhalle öffnete sich 
in Bögen sowohl nach dem Mittelschiff, wie nach den Seitenschiffen. 
Die noch bestehende Querwand r-g, deren Nordwestansicht geometrisch 
in Fig. 11 (dem früheren Zustande entsprechend), schaubildlich zum 
Teil in Fig. 15 dargestellt ist, bildet den bemerkenswertesten Bestand- 
teil des Erhaltenen. Alle früheren Beschreiber, welche aber die erst 
jetzt freigelegten Kunstformen nicht gesehen haben, weisen die Wand 
unbedenklich der ersten Kirche zu, und auf den ersten Anblick hat 


diese Ansicht etwas Bestechendes. Abgesehen davon, dass derartige 
innere Vorhallen in der- frühmittelalterlichen Kunst vielfach vorkommen 
und namentlich in Italien in grösserer Zahl nachzuweisen sind, ist 
auch das Gepräge der Kunstformen ein sehr frühes. Im besonderen 
werden sich Kapitäle, wie sie im Erdgeschoss die Pfeiler bekrönen 
(vergl. Abb.), in romanischer Zeit kaum nachweisen lassen. 


> PT PE NE ApfAiler 
Zerzır EPP AT =. 


Aber andererseits kommt in Betracht, dass die Technik der 
Wand nicht derjenigen der Umfassungsmauern entspricht und dass 
auch der Verband in den Ecken bei r und q zu einer späteren Zeit- 
stellung zwingt, wenn man anders gelten lassen will, dass die be- 
sprochenen Pfeiler- und Bogenstellungen erst in frühromanischer Zeit 
errichtet worden sind. Der im Grundriss angegebene Mauerverband 
lässt aus den durchgehenden Fugen erkennen, welche Teile früher be- 
standen und welche später hinzugefügt wurden. Was die Technik an- 
belangt, so fehlen die gleichmässig von einander abstehenden Ziegel- 
schichten; es sind zwar im oberen Teile der Wand, besonders in den 
Bögen, Ziegel mit eingemauert, aber ein bestimmter Grundsatz scheint 
hierbei nicht befolgt zu sein. Auch fehlt die bei den merovingischen 
Bögen erwähnte eigentümliche Strichelung. Die Wand ist nicht so 
tief gegründet wie die Pfeilerstellungen; wahrscheinlich hat man sie 
unmittelbar auf den ältesten Fussboden gesetzt. In geringer Tiefe 
unter dem jetzigen Fussboden, bei g, fand sich ein Haustein mit gut 
erhaltenem Bandmuster eingemauert (Fig. 18) — wieder ein Beispiel 
für den mittelalterlichen Brauch, in das Mauerwerk der Kirchen be- 
merkenswerte Steine älterer Bauten einzumauern. 

Ich bin nach Vorstehendem der Ansicht, dass der Einbau der 
Querwand nicht in merovingischer, sondern erst in frühromanischer 
Zeit erfolgt ist unter Wiederverwendung von Baustoffen der ersten 
Kirche. Dies schliesst nicht aus, dass auch vorher ein Narthex mil 
Querempore bestanden hat, man muss es bei einer Nonnenkirche 


— 106 — 


sogar für wahrscheinlich halten; vielleicht aber war er verfallen oder 
baulich nicht betont, vielleicht auch nur in Holz gebaut, so dass seine 
Spur verloren gegangen ist. 

Gehen wir zu einer Beschreibung des Narthexeinbaues über. 
Man verengte im letzten Joche die Mittelschiffbreite von 9,3 m auf 
Sas m durch Einziehung der Wand- oder Bogenstellungen o-r und 
p-9. In 5,64 m mittlerem Abstand von der Aussenmauer errichtete 
man sodann die Querwand r-g, entweder gleichzeitig oder nach einem 
gewissen Zeitraume. Für die letztere Annahme könnte man vielleicht 
geltend machen, dass die durchgehenden Fugen bei r und q zu ver- 
meiden gewesen wären, wenn die Ausführung nach einheitlichem Plane 
von vornherein festgestanden hätte. ‚Jedenfalls war der zeitliche 
Zwischenraum, wenn ein solcher bestanden hat, kein bedeutender. 
Die Querwand öffnete sich nach dem Mittelschiff im Erdgeschoss in 
zwei Rundbögen auf Pfeilern — einem Mittelpfeiler vom quadratischen 
Grundriss 98:98 cm und zwei Wandpfeilern (68:98 cm). Die vor- 
stehend dargestellten unvollkommenen und technisch ungenau gear- 
beiteten Kapitäle dieser Pfeiler, welche freigelegt wurden, laden nur in 
der Längsrichtung der Mauer aus. 

Dass die Errichtung der Arkadenstellungen und der Einbau des 
Narthex nicht ganz gleichzeitig erfolgt sind, wird durch die ausser- 
gewöhnliche Unregelmässigkeit wahrscheinlich gemacht, dass der Höhen- 
unterschied zwischen den Seitenpfeilerkapitälen der Querwand und den 
Arkadenkragsteinen nördlich zu 18 cm, südlich zu 50 cm gemessen 
wurde. 

Die Spannweite der auf den besprochenen Pfeilern ruhenden 
Bögen beträgt 3,0» m. Diese selbst sind 60 em hoch, wenig überhöht 


und bestehen ebenso wie die Arkaden zwischen den Schiffen aus zwei 
übereinander gerollten Bruchsteinbögen. Ziegel kommen nicht darin vor. 
Ungefähr 2 m über dem lichten Bogenscheitel begannen die vier oberen 


— 107 — 


Bogenöffnungen, getragen von drei bisher vermauerten Säulen, einer 
stärkeren mittleren und zwei schwächeren seitlichen. Die Kapitäle 
dieser Säulen und die Basis der mittleren wurden zum Teil freigelegt, 
wie es das Schaubild erkennen lässt. Der Durchmesser der anschei- 
nend unverjüngten Säulen beträgt für die mittlere rund 50 cm, für die 
seitlichen rund 32 cm, die Höhe 1,3: m. Die Last des in voller Mauer- 
stärke durchgehenden Bogenmauerwerks wird auf die Säulen durch 
niedrige Kämpfersteine übertragen, welche aber hier gewissermassen 
als eigentliche Säulenkapitäle auftreten, denn im Uebrigen sind letztere 
nur als wenig vortretende Ringe unvollkommen ausgeprägt. 

Die Basis der mittleren Säule ähnelt der attischen. Die Empore 
öffnete sich also in vier Öffnungen zum Mittelschiff der Kirche, welche 
rund 1,0 m zwischen den Säulen weit und rund 3.0 m hoch waren. 
In den Bögen, welche diese Öffnungen überdecken, sind Ziegel mit 
verwendet, aber nicht in kunstgerechter Regelmässigkeit. Möglicher- 
weise hat ursprünglich ein gemeinsamer Bogen die Pfeiler r und y 
verbunden, wie in der geometrischen Ansicht punktiert angedeutet ist. 
Hierfür spricht ausser dem fehlenden Verbande bei r und q eine für 
die kleinen Bögen zu schräg liegende, besonders auffallende Fuge bei » 
und der Umstand, dass das Mittelschiff früher wesentlich höher empor- 
stieg wie jetzt, was die Untersuchung des Mauerwerks unter dem Dache 
ergeben hat, in welchem noch die abgeschnittenen Laibungen der 
Fenster zu erkennen sind. 

Die Öffnungen der Narthexwand wurden später bis auf die beiden 
mittleren im Obergeschoss vermauert und die ganze Kirche um ein 
Joch verkleinert. Dass dies noch in romanischer Zeit geschehen ist, 
dafür spricht das Gepräge der einfachen Rundbogenthür # im Erd- 
geschoss neben dem Mittelpfeiler und der beiden gekuppelten Fenster, 
welche man in die Mittelöffnungen des Obergeschosses einsetzte 
(vergl. das Schaubild Fig. 15). Diese Fenster, 1,82 m hoch und 0,54 m 
breit, konnten jetzt mit zur Beleuchtung des Mittelschiffs dienen, weil 
die Wand, in der sie sich befanden, Aussenwand geworden war. Der 
Grund der Verkleinerung der Kirche wird darin zu suchen sein, dass 
letztere damals grösser war als das Bedürfniss es erforderte. Auch 
mochte der Narthex gegen Ende der romanischen Zeit seine Bedeutung 
verloren haben. Bedurfte man aber seiner nicht mehr, so musste doch 
für den Ersatz der weggefallenen Nonnenempore gesorgt werden. Ich 
halte es für wahrscheinlich, dass man die neue Empore — gewisser- 
massen nur als erhöhten Kirchenteil im letzten nordwestlichen 
Joche des Mittelschifls anordnete und von aussen, vom Kloster her, 


— 108 — 


durch die Thür zugänglich machte. Die Schwelle dieser Thür liegt 
erheblich höher als der älteste Fussboden. Beide an die Narthexwand 
anstossenden Arkaden waren — wenigstens in ihren unmittelbar an- 
srenzenden Teilen — ungefähr bis auf die jetzige Fussbodenhöhe, rund 
20 m über der ältesten vermauert und die Vermauerung hat den- 
selben braunen Putz wie der untere Teil der Narthexwand selbst. Übrigens 
muss erwähnt werden, dass an dem Mittelpfeiler der letzteren etwa 
25 cm über dem gotischen und 1,20 m über dem ältesten Fussboden 
ein 14 cm vorspringender Absatz gefunden wurde, während an anderer 
Stelle die Wand selbst einen 26 cm vorspringenden Absatz etwa in 
Höhe der gotischen Fussbodensohle aufwies. 


Il. 


Im XV. Jahrhundert modernisierte man die Kirche. Dem Zeit- 
seschmacke entsprachen die nackten Pfeiler und Bögen nicht mehr. 
Man wollte Kunstformen sehen, legte Säulen vor die Pfeiler und Aussen- 
wände und bedeckte die Seitenschiffe mit Kreuzgewölben. Die Säulen 
im Mittelschiff deuten darauf hin, dass man auch dieses zu wölben 
beabsichtigte, ich vermag aber irgend welche Spuren, dass es wirklich 
seschehen ist, nicht nachzuweisen. Die Kreuzgewölbe des nördlichen 
Seitenschiffs sind verschwunden, diejenigen des südlichen noch vor- 
handen. Die zugehörigen Säulen, von welchen einige noch sichtbar 
sind, andere im Sockel freigelest wurden, haben im ganzen 5.63 m 
Höhe bei 2.81 m reiner Schaftlänge und 30 cm Durchmesser. Sockel- 
höhe 56, em, Kapitälhöhe 25, em. Die einfachen abgekehlten Rippen 
vereinigen sich zu Schlusssteinen mit Wappen u. s. w. 

Von den 6 Mittelschiffsäulen sind nur die unteren Teile der reinen 
Schäfte noch sichtbar, während die oberen mit den Kapitälen gelegentlich 
der Stockwerkseinbauten zur Renaissancezeit fortgenommen worden 
sind, um die unteren Teile zum Tragen von Balkenunterzügen benutzen 
zu können. Bei s wurde der Sockel und sein Fundament bis zum 
ältesten Fussboden freigelegt. Hierbei ergab sich als Sockelhöhe 89 cm 
und als bestehende Schaftlänge 4,51 m bei 57 cm Durchmesser. Auch 
hei £ wurde eine Ausgrabung vorgenommen, wobei sich ein gleicher 
Säulensockel fand, während die Säule selbst fehlt. Aus der Thatsache, 
dass dieser Sockel und der gotische Fussboden bei { um etwa 70 cm 
höher liegen als bei s, dürfte auf das frühere Vorhandensein einer jetzt 
verschwundenen südöstlichen Apsis zu schliessen sein, zu welcher man 
auf Stufen hinanstieg. Das Fundament der jetzigen Abschlussmauer 


ee — 


e-f hat man, wie bereits erwähnt, unmittelbar auf die Sohle des 
gotischen Fussbodens gesetzt und hierbei den Mangel an Tiefe durch 
eine grössere Breite des unteren Absatzes auszugleichen gesucht: 
letzterer springt 43 cm vor und ist 1m hoch. Wahrscheinlich bestand 
auch schon vor der gotischen Zeit eine Apsis an dieser Stelle. Eine 
Aufsrabung vor e am Schnittpunkt der Giebelmauer und der Arkaden- 
wand ausserhalb des Gebäudes liess deutlich eine Verzahnung erkennen 
(erster vorkragender Stein etwa 1,410 m unter dem jetzigen Pflaster), 
deren Mauerwerk man nach dem mit Ziegelbrocken vermischten Mörtel 
vor 1000 zu setzen haben wird. Die Grundmauern der Apsis sind bei 
der Auforabung, welche sich in mässigen Grenzen halten musste, nicht 
aufgefunden worden, so dass ihr Grundriss nicht feststeht. 

Die beiden Eckviertelsäulen des Mittelschiffs bei r und g haben 
keine Sockel, sondern stehen auf schräg gelegten Kragsteinen von 
22—26 cm Höhe, deren Unterkante i. M. 3,0 m unter 
Arkadenkragstein liegt. Unter dem dargestellten nörd- 
lichen Säulenträger ist das erwähnte merovingische 
Ornament (Fig. 18) eingemauert. Der Umstand, dass 
die Viertelsäulen nicht bis auf den Fussboden herunter- 
geführt sind, scheint mir die oben dargelegte Annahme 
von der im Innern der Kirche angeordneten Empore 
zu bestätigen. Während die gotischen Säulen in Fig. 6—10 darge- 
stellt worden sind, weil sie zum Teil erst durch Auférabung freigelegt 
werden mussten, erschien dies bezüglich zweier noch vorhandener 
gotischer Fenster nicht nötig, denn sie bieten nichts besonders Be- 
merkenswertes. Das eine zweiteilige befindet sich bei # in der süd- 
lichen Umfassungswand, das andere dreiteilige in der Ostecke des Ge- 
bäudes (hier ist die französische Zeichnung Fig. 2 unrichtig). 


In der nördlichen Aussenwand bei A ist folgende Grabschrift 
eingemauert, welche sich auf den Bauherrn des gotischen Umbaus der 
Kirche bezieht: 


Cy gist le ssr Thierri Drowi de.... .À) 

chanone et pvost de ceans que fit co . . . . . .*) 

ceste esgle et morut lan de graice nre ss" 

MCCCCHIE® et . . .?) le XXIII j6 de mars pes por luy. 


') Fehlen 5—8 Buchstaben. 

>?) Desgl. Aufzulösen construire; nicht ausgeschlossen ist es, dass statt co 
zu lesen ist vo und aufzulösen vouter. 

#) Es fehlen die Einer. 


ne 


Es erübrigen einige ergänzende Bemerkungen. 


Das Innere der Kirche war früher bemalt. Geringfügige Spuren 
fanden sich noch am Mittelpfeiler der Narthexwand. Vor 40 Jahren 
hat de Bouteiller mehr gesehen; er äussert sich darüber a. a. O0. wie 
folet: »On retrouve sur un des piliers de droite des traces fort 
»apparentes d’une peinture ancienne, appliquée, chose remarquable, sur 
»le vif de la pierre et sans interposition d'aucun enduit, Ces traces 
consistent dans des fragments de bandes d’un brun rouge, de 307" 
»de large bordées d’un filet noir et comprenant entre elles de petites 
»fleurs brunes à cinq pétales, disposées en quinconce. « 

Wann und weshalb die Mittelschiffmauern erniedrigt worden sind, 
konnte ich nicht feststellen. Unmittelbar unter dem Dache, über einem 
in neuerer Zeit eingezogenen Dachfussboden, der in den alten Schnitten 
fehlt, lassen sich in der nördlichen Wand die Spuren von 6 oder 7 
durchschnittenen Fensteröffnungen nachweisen, welche nicht in einem 
axialen Zusammenhang mit den unteren Arkaden gestanden haben. 
Auch in der südlichen Wand sind einige solche Öffnungen nach- 
weisbar. 

Auf der Innenseite der nördlichen Umfassungswand fanden sich 
bei der Aufgrabung nachträglich vorgemauerte Bänke zwischen den 
Säulensockeln, bis Oberkante der letzteren reichend, 43 cm ausladend. 

Nördlich schloss sich an die Kirche die Wandelhalle eines Kreuz- 
sangs an, welcher den Klosterfrauen eine überaus liebliche Aussicht 
auf das Moselthal und den gegenüber liegenden St. Quentin geboten hat. 
Von dieser Halle hat sich eine Pfeilerstellung erhalten, welche auf dem 
Schaubilde Fig. 14 im Vordergrunde zu erkennen ist. Weil derartige 
Anlagen selten sind und die hiesige voraussichtlich nicht mehr lange 
an ihrem Platze bleiben wird, ist sie auch geometrisch vollständig zur 
Darstellung gebracht worden. 

Die Pfeilerstellung verdankt ihre bisherige Erhaltung dem Um- 
stande, dass sie in der Umfassungswand eines alten zweigeschossigen 
Gebäudes mit vermauert war, welches früher zu Magazinzwecken 
sedient hat, im Jahre 1875 aber wegen Baufälligkeit abgebrochen 
worden ist. Nach den erhaltenen Zeichnungen bot es sonst nichts 
Bemerkenswertes. 

Das Ergebnis der Untersuchung lässt sich dahin zusammenfassen, 
dass Metz in der Abteikirche St. Peter auf der Citadelle ein Gebäude 
besitzt, welches in seinen Hauptmauern zu merovingischer Zeit — 
spätestens im VII. Jahrhundert — errichtet worden ist, wenn auch im 


I = 


Innern zu romanischer und gotischer Zeit wesentliche Umbauten vor- 
genommen wurden. Bei dem vollständigen Mangel an erhaltenen Bau- 
werken aus vorkarolingischer Zeit muss dem Denkmal trotz seiner 
Einfachheit eine grosse kunstgeschichtliche Wichtigkeit beigelegt werden. 
Diese wird sich voraussichtlich noch steigern, wenn es in Zukunft 
einmal möglich sein sollte, bei Abbruch der Einbauten eine gründlichere 
Untersuchung vorzunehmen und gleichzeitig durch umfassendere Auf- 
srabungen die Annahmen zu stützen oder zu widerlegen, welche in 
Vorstehendem gemacht sind und welche, wie es in der Natur der 
Sache liest, um so ungewisser werden, je weiter sie zurückgreifen 
müssen. Wenn auf manche Einzelheit, besonders auch auf die Ab- 
messungen verschiedener Baubestandteile, eingehender eingegangen 
wurde, so hat dies seinen Grund, abgesehen von der Wichtigkeit des 
Bauwerks an sich, in der Möglichkeit, dass es bei seiner hervorragenden 
Lage bald weiteren Umbauten unterworfen werden könnte, die eine 
Untersuchung noch mehr erschweren wie bisher. 


Das Metzer Schulwesen der letzten Jahrhunderte). 


Nach einem Vortrage, gehalten am 16. April 1896 von J. Richard. 


Die natürliche Erziehungsstätte ist das Haus. Im Naturzustande 
und in den Anfängen der Civilisation mag sie auch die einzige gewesen 
sein. Die gesteigerten Ansprüche der Kultur aber, zu deren Befriedigung 
die Familie nicht mehr ausreichte, führte allmählich zur Gründung von 
Anstalten, in denen die Jugend eine intensivere, umfassendere und 
raschere Ausbildung erhielt, als sie die Hauserziehung zu leisten vermag. 
Diese Anstalten nennen wir Schulen. Dadurch dass sich diese dann 
dem Wechsel der Bedürfnisse nach Art und Zeit anzubequemen suchten, 
entstand nicht nur eine Vielheit, sondern auch eine Mannigfaltigkeit 
von Schulen, ein Schulwesen. Nun zeigt uns die (Geschichte, dass 
Schulwesen und geistiges Leben der Völker auf das innigste mit einander 
verknüpft sind. Mächtig pulsiert letzteres, wenn die Schulen sich ge- 
ordneter Verhältnisse erfreuen ; geistige Erschlaffung aber tritt ein, wenn 
Erziehung und Unterricht vernachlässigt, oder in verkehrte Bahnen 
gelenkt werden. Es ist demnach das Schulwesen ein Spiegel, aus dem 
uns ein klares und treues Bild des Entwickelungs- und Bildungsganges 
srösserer (Gesellschaften entgegenstrahlt; und dieser Umstand ist es, 


') Bei der Ausarbeitung des Vortrags wurden folgende Bücher und hand- 
schriftliche Quellen benutzt: 
1. L’ancien diocèse de Metz et pouillé de ce diocèse par Henri Lepage. 
Nancy 1872. in-80. 
2. Histoire générale de Metz par des religieux Bénédictins de la Congré- 
gation de St-Vannes. Metz 1769. 6 vol. in-4°. 
3. Pouillé scolaire ou inventaire des écoles dans les paroisses et annexes 
de l’ancien diocèse de Metz par M. Maggiolo, recteur honoraire. 
Nancy 1883. in-8°. 
4. Mémoires de l'académie Stanislas. 1888. 
. Histoire du premier Collège de Metz par M. Viansson, membre de 
l'académie de Metz. Nancy 1874. in-8°. 
6. Almanach des Trois-Évêchés. Metz. 
7. Journal et annuaire de Metz, Metz. 
8. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Berlin 
1893. 
9. Metzer Stadtb.: Mémoires sur Metz, Manuscrits, 159, t. II. 
10. Metzer Stadtarchiv: D. 2. Correspondance du Maire en 1808. No. 1866. 
D. 1. Délibérations de l’administration municipale. Vol. VI. 
11. Bezirksarchiv : G. 1274; 1268; 1334; 1994 u. ff. H. 168; 1408; 3320; 
3328, 3848.01. 31. 1.1. 20:43:47 


— 15 — 


der mich veranlasst hat, dem Wunsche unseres Vorstandes entsprechend, 
der Entwickelung des Schulwesens unserer Stadt meine Aufmerksamkeit 
zuzuwenden. 

Als erste Schule von Metz, über welche sichere Kunde bis auf 
uns gekommen ist, muss die Kathedralschule bezeichnet werden. Schon 
von Karl dem Grossen wissen wir, dass er speziell Metz ausgesucht 
hatte, um hier den römischen Kirchengesang durch einen aus Italien 
berufenen Geistlichen lehren zu lassen, und im weiteren Verlauf ist 
uns die verhältnismässig grosse Zahl glänzender Namen, die im Dom- 
kapitel genannt werden — es sei nur an Alderich, Amalar, Gauthier 
erinnert —, desgleichen der hohe Ruf von Metzer Bischöfen, wie Adal- 
bero, Theoderich, Bertram, eine ausreichende Bürgschaft dafür, dass die 
Schule der Bischofskirche eine vornehme Stellung unter den Bildungs- 
stätten ihrer Zeit eingenommen hat. 

Die Hauptunterrichtsgegenstände der Domschule waren die des 
Triviums und Quadriviums. Nachdem sich die Schüler bei den Abc- 
Lehrern (calculatores) die nötige Lesefertigkeit erworben hatten, lernten 
sie die Grammatik, die Wissenschaft, Dichter und Schriftsteller zu ver- 
stehen und richtig zu sprechen und zu schreiben. Hierauf beschäftigten 
sie sich mit der Dialektik, der Kunst zu argumentieren, und dann 
eigneten sie sich die Regeln und schönen Formen der Rhetorik an. 
Nachdem so die Stufe der Beredsamkeit erreicht war, kamen die vier höheren 
Disciplinen, welche die Schüler zur Stufe der Weisheit führen sollten. Es 
waren dies die Arithmetik, die Geometrie, die Astronomie und die Musik. 

Nahe verwandt mit den Domschulen des Mittelalters waren die 
Stifts- oder Kollegialschulen. Sie waren sozusagen Filialen derselben 
und unterschieden sich von ihnen nur dadurch, dass sie nur das Trivium 
auf ihrem Lehrplane hatten. Jede Stiftskirche hatte, gemäss einer Ver- 
ordnung Chrodegangs, die Verpflichtung, eine Präbende dem Unterhalte 
eines Präzeptors zu widmen. Nun gab es in Metz sechs solcher Stifts- 
kirchen; es waren dies: Saint-Pierre-aux-images, Saint-Pierre-le-vieux, 
Saint-Sauveur, Saint-Paul-sur-le-Cloitre, Notre-Dame-la-Ronde und Saint- 
Thiebaut. Genauere Kenntnis über die Leistungen dieser Schulen be- 
sitzen wir aus früheren Zeiten nicht. Erst Philipp von Vigneulles er- 
wähnt gelegentlich die Schule von Saint-Sauveur: Un très beau fils, 
qui ressemblait une belle jeune fille, »joue le personnaige de Ste Barbe 
si prudemment, si devotement, que plusieurs personnes pleuraient de 
compassion«, un chanoine, »homme de lettres et bien scientifique le 
met à l'école, puis l’envoie à Paris, d'où il revient »en brief temps, 
maître ès art, et depuis l’ay veu, régent et M° d'école à Saint-Salveur.« 


8 


— 114 — 


Von nicht minder srosser Bedeutung als die Domschulen waren 
für das Unterrichtswesen des Mittelalters die Klosterschulen, besonders 
die der Benediktiner. Nach dem Muster des Stammklosters auf dem 
Monte Casino gab es Schulen in allen Klöstern dieses Ordens. Die- 
selben waren gewöhnlich zweierlei Art: die innere Schule, die sich 
innerhalb der strengen Klausur befand und für die sogenannten Oblaten, 
das ist für diejenigen Knaben bestimmt war, die von ihren Eitern ganz 
und gar dem Kloster geweiht waren, und die äussere Schule, die in 
einem Seitenflügel des Klosters für jene angelegt war, die nur an dem 
Unterricht teilnehmen wollten und die Absicht hatten, später in welt- 
liche Stellungen überzutreten. Auch die Verfassung der Klosterschulen 
war jener der Domschulen ähnlich. Die Unterrichtssprache war die 
lateinische, die Bildungsrichtung eine religiöse und die Unterrichts- 
segenstände die des Triviums und Quadriviums; es waren Gelehrten- 
schulen. 

In Metz gab es vier von diesen Schulen, und zwar die von 
Sankt Arnulf, von Sankt Symphorian, von Sankt Vincenz und von 
Sankt Clemens. Zunächst weist St. Arnulf eine gewisse Blüte auf. Abt 
Ansteus, der hier nach der Klosterreform Bischof Adalberos I. den 
Krummstab führte, war mit der Methode und den Verhältnissen der 
damals sehr berühmten Gorzer Schule vertraut, und es gelang ihm 
in kurzer Zeit, auch der Schule seines Klosters einen guten Ruf zu ver- 
schaffen. Dieser ging unter seinem Nachfolger, dem Abte Johann [, 
weit über die Grenzen Lothringens hinaus, denn aus Sachsen und aus 
Bayern strömten Schüler herbei, welche sich später in den verschiedensten 
Stellungen auszeichneten. 

Die Schule von St. Vincenz hatte ihre Blüteperiode in der zweiten 
Hälfte des XI. Jahrhunderts, als Siegebert von Gembloux Scholaster 
daselbst war. Dieser ausgezeichnete Lehrer wirkte mit so grossem 
Erfolge, dass sich aus allen angrenzenden Ländern zahlreiche Schüler 
um seinen Lehrstuhl drängten. Er beherrschte nicht nur vollständig 
den Unterrichtsstoff, der damals in den Schulen zur Behandlung kam, 
sondern hatte auch eine eingehende Kenntnis der hebräischen 
Sprache. Als er nach einer langen Reihe von Jahren mit Zustimmung 
seiner Oberen wieder nach Gembloux zurückkehrte, wurde er von den 
Mönchen der Abtei, sowie von seinen zahlreichen Schülern, für die 
er eine Quelle der Weisheit war, mit Geschenken überhäuft. 

Weniger berühmt als die Schulen von St. Arnulf und von 
St. Vincenz waren im Mittelalter die von St. Symphorian und von 
St. Clemens. Dafür aber sollten sich die Mönche der beiden letzteren 


— 11 — 


Abteien in einem späteren Jahrhundert auf dem Gebiete des Unter- 
richts und der Erziehung einen bedeutenden Namen machen, und zwar 
die von St. Symphorian als Leiter und Lehrer des College de Metz 
und die von St. Clemens als Erzieher und Lehrer an der Artillerie- 
Vorschule, die im Jahre 1785 eröffnet wurde. 

Zu Anfang des XII. Jahrhunderts fing der Glanz des Benediktiner- 
ordens an zu erbleichen, und die Klöster dieses Ordens, die in den 
früheren Jahrhunderten und bis zu diesem Zeitpunkte wahre Kultur- 
mittelpunkte waren, sahen sich vielfach zu Stätten der Unordnung und 
der Zuchtlosigkeit erniedrigt. »Benedikts Jünger«, heisst es in der 
Kirchengeschichte von Rohrbacher, »die sich früher durch ihren Eifer 
in der Ausbreitung des Glaubens, durch ihren heiligen Lebenswandel 
und durch ihre wissenschaftliche Bildung ausgezeichnet hatten, waren 
Jahrhunderte hindurch für die Kirche wie für die Welt abgestorben. 
Es schien, als wären ihre Heimstätten vom Erdboden verschwunden. « 
Dieselbe bedauerliche Pflichtvergessenheit musste für die Schulverhält- 
nisse im allgemeinen und für die unserer Stadt im besonderen schlimme 
Folgen haben, da die Benediktiner fast die einzigen Vertreter auf dem 
Gebiete des höheren Unterrichts waren. Schlimmer aber wären diese 
Folgen noch gewesen, wenn nicht der Orden und die Kirche für eine 
Reform gesorgt, wenn nicht andere Orden ihre Thätigkeit auf das 
Gebiet der Schule übertragen, und wenn nicht neue, den Verhältnissen 
angepasste Anstalten ins Leben getreten wären. 

Im Jahre 1510 sagte der Bischof von Toul: »L’ignorance est 
moult honteuse est vitupérable ; je besognerai par vigoureuse discipline «. 
Und der Kardinal von Lothringen sagte: »Il faut qu'on réforme la 
moinerie, qu'on en réduise le nombre, qu'on instruise bien ce qui en 
restera, qu'aucun ne demeure oisif et inutile«. Die Reform ging von 
Verdun aus, und der Urheber derselben war der Prior des dortigen 
Klosters St. Vannes, Didier de Lacour. Unterstützt von seinem Bischof, 
der zugleich Abt des Klosters war, versammelte Didier eine Anzahl 
von Novizen und hielt sie an, die Regel des hl. Benedikt in ihrer ur- 
sprünglichen Reinheit zu befolgen. Didier’s frommer Lebenswandel zog 
bald eine grosse Anzahl von jüngeren und älteren Mönchen heran, die 
wünschten, unter seiner Leitung zu leben. Durch ein Breve vom 
Papste Clemens VIII. wurde die Reform genehmigt, welche den Namen 
Congrégation de St. Vannes erhielt und welche sich nach und nach 
auf die meisten Ordenshäuser ausdehnte. 

Unter den anderen Orden, welche ihre Thätigkeit auf das Gebiet 
der Schule übertragen haben, sind vorzugsweise zu nennen die Bern- 


8* 


— 116 — 


hardiner und die Dominikaner. Im August des Jahres 1215 erschien 
der hl. Dominikus mit seinem Begleiter Bernhard in Metz und wurde 
von der Einwohnerschaft festlich empfangen. Um das Jahr 1220 
wurden dann Kirche und Kloster errichtet und sodann eine Schule ge- 
sründet. Dieselbe bestand bis zum Jahre 1790 und erhielt bis zu 
diesem Zeitpunkte von der Stadt eine jährliche Unterstützung. 

Unter den Schulen, welche neu erstanden, ist dann als eine der 
bedeutendsten das College de Metz zu nennen. Im Jahre 1590 über- 
liess der König Heinrich IV. der Stadt Metz die Abtei St. Eloy mit 
allen ihren Einkünften zum Zwecke der Errichtung eines städtischen 
College. Gegen diese königliche Entscheidung erhoben die Mönche 
Protest, aber eine Bulle des Papstes Gregor XIV. vom 22. Juni 1591 
hob die Abtei St. Eloy endgültig auf und bestätigte die Stadt in ihrem 
Besitze. Daraufhin eröffnete diese im Jahre 1593 das College. Der 
Domherr A. Humbert wurde zum prineipal desselben ernannt, Humbert 
aber scheint nicht die richtige Persönlichkeit gewesen zu sein, denn 
es fehlte der neuen Anstalt an Leben, und dieser Übelstand dauerte 
fort, bis im Jahre 1622 auf Betreiben des Bischofs Henri de Bourbon, 
Marquis de Verneuil, die Jesuiten mit der Leitung des College betraut 
wurden. Diese verstanden es sowohl durch ihr grosses Lehrgeschick, 
als auch durch ihre wissenschaftliche Durchbildung, wodurch sie sich 
vor der gesamten damaligen Geistlichkeit sehr vorteilhaft auszeichneten, 
der Anstalt, die einige Jahre früher kaum lebensfähig war, einen her- 
vorragenden Platz unter den Erziehungsanstalten unserer Stadt zu 
verschaffen. Dafür spricht zunächst die grosse Schülerzahl, die bald 
nachher zu verzeichnen war und die in ihrem immer steigenden Ver- 
hältnis mit Ursache war, dass das College sich einem wiederholten 
Umzuge unterziehen musste. Schon im Jahre 1634 waren die Ge- 
bäulichkeiten von St. Eloy zu klein. Daher wurden dieselben veräussert 
und im Jahre 1635 ein in der Mazellenstrasse gelegenes grösseres 
Haus bezogen. Bald aber erwiesen sich auch die neuen Räume als 
unzureichend, weshalb im Jahre 1637 der Père Lecazre zwei in der 
Ziegenstrasse gelegene Häuser kaufte, um das College dorthin zu ver- 
legen. Nachdem dann fünf Jahre später dem Nachfolger Lecazre’s, dem 
Père Lelorrain, infolge einer Bittschrift an den König Ludwig XIIL der 
neben diesen Häusern gelegene Tempel der Reformierten zugebilligt 
wurde, verlegten die Jesuiten am 22. Januar 1643 das College in die 
Ziegenstrasse, wo es bis zu seiner Auflösung im Jahre 1795 verblieb. 

In Bezug auf den Unterricht tritt uns bei den Jesuiten kein 


srosser Bruch mit der Vergangenheit entgegen. Mit derselben Bevor- 


— 117 -: 


zugung des Latein finden wir bei ihnen fast dieselbe Vernachlässigung 
der Muttersprache. Das Hauptziel des Unterrichts war genaue Kenntnis 
und Handhabung der lateinischen Sprache. Im Dienste dieses Zieles 
standen sogar die theatralischen Aufführungen, welche bei feierlichen 
Gelegenheiten veranstaltet wurden. Der Unterrichtsstoff wurde in 
5 Klassen, an welche sich ein- oder mehrjährige Kurse für Rhetorik, 
Logik und Physik anschlossen, gelehrt. Jeder Klasse und jedem Kursus 
stand ein besonderer Lehrer vor. 

Im Jahre 1762 mussten die französischen Jesuiten aus den 
Schulen scheiden, und so wurde mit einem Schlage das College de 
Metz seines Direktions- und Lehrpersonals beraubt. Schleunigst musste 
an eine Reorganisation desselben gedacht werden. Dabei sollte jedoch 
das geistliche Element möglichst ferngehalten werden. Daher sprach 
das Metzer Parlament der Stadt das Recht jeglicher Einmischung in 
die Angelegenheit ab und beauftragte mit der Regelung derselben den 
Advokaten Roederer. Dieser wandte sich an den recteur der Université 
de Paris, welcher auch sofort das nötige Personal besorgte. Hiervon 
setzte Roederer das Parlament in Kenntnis, fügte aber gleich die Mit- 
teilung hinzu, dass die Sache sich nicht ohne geistlichen Principal 
habe erledigen lassen. In seinem Berichte heisst es: »Heureuse ré- 
volution! d’abord plus de moines . . . Tout religieux imbu des règles 
et institutions monacales est peu propre à former le cœur et l'esprit 
d'un citoyen. « 

Die neu organisierte Anstalt begann ihre Thätigkeit am 1. No- 
vember 1763, war aber schon nach 5 Jahren genötigt, ihre Thore zu 
schliessen, da es an Schülern fehlte. Der Versuch mit weltlichen 
Lehrern war misslungen (es gab noch keinen weltlichen Lehrerstand) 
und es musste von neuem reorganisiert werden. Dieses Mal verlangte 
das Parlament nicht, von dem Rechte, das es sich fünf Jahre früher 
zugesprochen hatte, Gebrauch zu machen und liess der Stadt freie 
Hand. Diese beauftragte nun im Jahre 1768 die Benediktiner von 
St. Symphorian, deren Schule sich wieder eines guten Rufes erfreute, 
mit der Leitung des College. 

Unter den Benediktinern blühte auch die Anstalt wieder auf. 
Dieses ersehen wir einerseits aus der Bedeutung und der wissenschalt- 
lichen Tüchtigkeit der Männer wie Pilätre de Rozier, Colchen, baron 
d’Hannoncelles, baron Marchant und General Lallemand, welche darin 
ihre Ausbildung teils vollendeten und teils ganz erhielten. Andererseits 
geht dies auch aus der grossen Schülerzahl hervor, welche bald wieder 
zu verzeichnen war und welche zur Zeit der endgültigen Auflösung 


— 183 — 


des College im Jahre 1795 die Höhe von mehr als 400 erreicht hatte, 
wovon ungefähr 100 im Internate waren. — Die Gründung der Priester- 
seminare Ste. Anne und St. Simplice sei hier nur kurz erwähnt. 


Nicht ohne Einfluss auf den regen Besuch des Collège de Metz 
war die Schliessung des Collège der Hugenotten. Diese hatten nämlich 
ausser ihren Elementarschulen, welche mit einigen Unterbrechungen 
vom Jahre 1550 bis zum Jahre 1685 bestanden haben, auch ihr Col- 
lege. Dasselbe wurde am 22. Juli 1576 mit grossem Aufwande in der 
Ziegenstrasse erölfnet und arbeitete so ziemlich nach dem Plane des 
späteren Jesuitenkollegs. Es fehlte sogar nicht an den damals üblichen 
Festvorstellungen und theatralischen Aufführungen. Durch Verordnung 
vom 9. November 1654 wurde jedoch das College geschlossen. Diese 
Verordnung veranlasste die Hugenotten, eine Bittschrift an den König 
zu richten, in welcher es unter anderm heisst: »Les juifs peuvent en 
toute liberté faire instruire leurs enfants en leur religion et aux langues 
étrangères par des pédagogues qu'ils choisissent. . . I n’y a pas de 
collège protestant, mais seulement des écoles séparées, en maisons 
particulières, fort éloignées les unes des autres; ils n’ont jamais plus 
de 25 à 30 écoliers, qui apprennent la langue latine et les éléments 
de la langue grecque; pour ce qui est des filles, elles vont ès petites 
écoles pour apprendre à lire, à écrire et coudre le linge et travailler 
ès tapisseries. « 

Unterdessen setzte die Anstalt ihre Thätigkeit fort. Ausser dem 
principal wirkten an derselben die régents Paul Ferry, Henry de 
Vigneulles, David de St. Aubin und Jacques Conet. Der Bischof er- 
wirkte jedoch von einer Versammlung der drei Stände eine neue Be- 
schwerde, infolge deren er selbst einen Bericht an den König verfasste, 
den er durch den Père Rose überreichen liess und in dem er Punkt 
für Punkt die Bittschrift der Hugenotten zu widerlegen suchte. Auf 
diesen Bericht hin erliess der König am 25. Juli 1635 eine neue Ver- 
ordnung, welche die Hugenotten zwang, ihr College zu schliessen und 
ihre Söhne in das College de Metz zu schicken. Ein vom König er- 
nannter reformierter Geistlicher sollte ihnen daselbst den Religions- 
unterricht erteilen. Artikel 7 des Ediktes von 1685 machte auch den 
Elementarschulen ein Ende. 


Ausser dem College de Metz bestand seit dem Jahre 1755 das 
auf dem Fort de la double couronne, dem heutigen Moselfort, gelegene 
und von den chanoines reguliers de St. Sauveur geleitete College royal 
de St. Louis. Im Jahre 1752 hatten der Papst und der König geneh- 


— — 


migt, dass die Abtei St. Pierremont für immer aufgehoben werde, und 
dass die Einkünfte derselben den chanoines réguliers zuerkannt werden 
sollten. Dafür mussten sich aber die letzteren verpflichten zwölf junge 
Edelleute, von denen der König von Frankreich und Stanislaus Lescinski 
je sechs zu bestimmen hatten, auf ihre Kosten zu ernähren, zu kleiden 
und in den Künsten und Wissenschaften zu unterrichten. Die jungen Edel- 
leute, deren Adelstitel vier Generationen alt sein musste, konnten mit dem 
siebenten Jahre in die Anstalt aufgenommen werden und durften 6 
bis 9 Jahre in derselben verbleiben. Ausserdem bekamen die chanoines 
vom Könige die Erlaubnis, gegen Bezahlung so viele Schüler in die 
Anstalt aufzunehmen, als die Räumlichkeiten es gestatteten. Das Col- 
lege de St. Louis unterschied sich insofern von dem College de Metz 
und dem College der Hugenotten, als in demselben die Schüler in Bezug 
auf den Unterricht in zwei ganz verschiedene Abteilungen getrennt 
waren. In der ersten Abteilung verfuhr man von der 6. Klasse bis zur 
Physik ganz nach den alten Plänen; Latein war Hauptunterrichts- 
gegenstand. In der zweiten Abteilung beschäftigte man sich haupt- 
sächlich mit der französischen Sprache, der Mathematik, der Geschichte 
und der Geographie. Es hatte diese Abteilung demnach Ähnlichkeit 
mit dem späteren französischen enseignement secondaire spécial und 
mit unseren heutigen Realschulen. Als die Revolution das College de 
St. Louis im Jahre 1790 schloss, hatte es ausser den 12 Freischülern 
noch ungefähr 120 Pensionäre. Die 12 Freischüler wurden dem Col- 
lège de Metz überwiesen. Durch Vertrag vom Monat August 1790 
sollte der principal, dom Collette jährlich für jeden derselben 400 fres. 
und dazu noch 600 fres. für einen neu anzustellenden Studienpräfekten 
aus der Stadtkasse erhalten. 

Die Schulen, mit denen wir uns bisher beschäftigt haben, waren 
höhere Schulen und waren, wenn auch der ärmeren Bevölkerung nicht 
ganz verschlossen, doch vorzugsweise nur von den Söhnen der besseren 
Stände besucht. Die ältesten, für die grosse Masse des Volkes be- 
stimmten Unterrichtsanstalten waren die sogenannten Parochial- oder 
Pfarrschulen. Die Stadt Metz zählte 15 und vom Jahre 1788 ab 16 Pfar- 
reien, und man nimmt an, dass jede derselben ihre Schule gehabt hat. 
Mit vollständiger Sicherheit habe ich dies jedoch nur für die Pfarreien 
St. Victor, St. Marcel, St. Maximin und St. Eucaire feststellen können. 
St. Marcel hatte im Jahre 1699 sosar 3 Knaben- und 2 Mädchen- 
schulen, und in einem Berichte des Pfarrers von St. Victor aus dem- 
selben Jahre heisst es: » Deux maîtresses d'école donnent l'instruction 
à 200 garçons, une maîtresse laïque à 60 jeunes filles; les autres vont 


— 120 — 


chez les religieuses«. Ursprünglich hatten die Pfarrschulen grosse 
Ähnlichkeit mit der noch heute üblichen Kinderlehre: Religionslehre 
und biblische Geschichte waren die Hauptunterrichtsgegenstände. Später 
näherten dieselben sich jedoch vielfach unseren heutigen Volksschulen. 
Am 12. August 1708 wählten der Pfarrer und die Schöffen von St. Marcel 
einen gewissen Lemoine zum Schulmeister. In dem diesbezüglichen 
Schriftstück heisst es: »Il enseignera à lire, à écrire, l’orthographe, 
chiffrer et le chant Gregorien «. 

Die ersten eigentlichen Volksschulen der Stadt Metz für Knaben 
waren die Brüderschulen. Über die Gründung derselben sagt ein Be- 
richt des Archivars Lemaire: Zwischen Moulins und Rozérieulles lag 
vor vielen hundert Jahren eine Anstalt, Maison Dieu de Longeau ge- 
nannt; es war eine Zufluchtsstätte für Aussätzige. Nachdem sich nun 
längere Zeit hindurch kein Fall von Aussatz mehr gezeigt hatte, über- 
liessen die Verwalter dieser Anstalt deren Einkünfte dem Bischof von 
Metz, um mittels derselben in Metz eine neue Anstalt zu gründen, in 
welcher die Neubekehrten und die, welche dem Protestantismus ent- 
sagen wollten, unterrichtet wurden. Diese Anstalt hiess: »La propa- 
sation de la foi des hommes« und lag in der Nähe des Gefäingnisses. 
Als dieselbe um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ziemlich zwecklos 
geworden war, beschloss der damalige Bischof St. Simon, die nun ver- 
fügbaren Mittel zur Gründung von Schulen zu verwenden und berief 
daher im Jahre 1747 die Schulbrüder nach Metz. Nach einem Ma- 
nuskript der städtischen Bibliothek nahmen die Brüder in dem früheren 
Seminar St. Simplice, dem Gebäude der heutigen Mädchenmittelschule, 
Wohnung und unterrichteten anfänglich an drei verschiedenen Stellen 
der Stadt. Später finden wir aber ihre Schulen in dem damaligen 
Elisabethenkloster gegenüber der heutigen evangelischen Stadtkirche 
vereinigt, bis sie um das Jahr 1776 nach St. Simplice und nach dem 
Gebäude der propagation de la foi des hommes verlegt wurden, wo 
sie bis zur Revolution verblieben. 

Die Brüder unterrichteten ihre Schüler, deren Zahl sich auf 
3—-400 belief, in der Religion, im Lesen, im Schreiben und im Zählen 
und bezogen ein Gehalt von ungefähr 200 fres., welches ihnen von 
dem receveur du clergé auf Anweisung des Bischofs oder des General- 
vikars ausbezahlt wurde. Der Nachfolger von St. Simon, Montmorency 
de Laval, entliess die Schulbrüder und berief 4 weltliche Lehrer. In 
dem Verhältnis des Bischofs den Schulen gegenüber trat jedoch keinerlei 
Veränderung ein. Wie die Brüder, so waren auch die weltlichen Lehrer 
von ihm oder seinem Stellvertreter abhängig. 


€ 


— 121 — 


Jetzt erübrigt uns noch, in kurzen Worten der Erziehung und 
des Unterrichts der weiblichen Jugend zu gedenken. Nach einem 
Berichte des Präfekten vom 23. prairial des Jahres IX beschäftigten 
sich damit die Schwestern von sieben religiösen Genossenschaften. 
Es waren dies die Schwestern von Ste. Claire, der Congregation de 
Notre-Dame, der Doctrine chrétienne, von Marie-Madelaine, der propa- 
gation de la foi, der Visitation und die Ursulinen. In den Klöstern von 
Ste. Claire, Marie-Madelaine und der Visitation gab es nur Pensionate. 
In den übrigen unterhielt man neben den Pensionaten auch öffentliche 
Schulen. Als die älteste derselben ist die von der Congregation de 
Notre-Dame in der Diedenhofenerstrasse zu nennen. Sie wurde am 
1. Dezember 1623 gegründet. In den sieben Pensionaten gab es ge- 
wöhnlich 200 bis 300 Schülerinnen, worunter jedoch viele Deutsche 
waren, die hier die französische Sprache erlernen wollten. Über den 
Besuch der öffentlichen Schulen, sowie über die Lehrpläne können 
nähere Angaben nicht gemacht werden. 

Um nun die zerstörende Wirkung der Revolution auf dem Gebiete 
der Erziehung und des Unterrichts leichter und besser beurteilen zu 
können, wollen wir uns den Stand der Metzer Schulen zu Beginn dieser 
grossen Umwälzung in Kürze vergegenwärtigen. Das Collège de Metz hatte 
ausser einem principal und einigen préfets d'étude 8 Lehrer und über 
400 Schüler, und das College de St. Louis verfügte bei etwa 130 Schülern 
über ein ebenso starkes Lehrpersonal. In St. Clemens wurden von 
einem Direktor und zwei Lehrern 30—40 Schüler, in St. Arnould von 
zwei Lehrern 15—20 Schüler und bei den Dominikanern von einem 
Lehrer 5—6 Schüler unterrichtet. Die christlichen Schulen wurden von 
ungefähr 400 armen Knaben besucht, und in den sieben Frauenklöstern 
gab es ausser den Schülerinnen der öffentlichen Schulen ungefähr 
200—300 Pensionärinnen. Diesem ganzen blühenden Schulwesen machte 
nun die Revolution fast mit einem Schlage ein Ende. Und was setzte 
sie an dessen Stelle? Eine Centralschule, die sich nicht bewährte, und 
fünf Elementarschulen, die nur schwach besucht wurden. 

Die Centralschule wurde auf Grund des Dekretes vom 7. ventöse 
des Jahres III und des Gesetzes vom 3. brumaire des Jahres IV in der 
zweiten Hälfte des Jahres IV in den Räumen der Klöster der Petits 
Carmes und der Trinitarier (Bibliothek und Stadtkirche) eröffnet. Der 
Tag der Eröffnung kann nicht genau bestimmt werden, aber er liegt 
zwischen dem 25. prairial und dem 21. messidor, denn am ersten 
Tage wurde das règlement der Schule genehmigt, und vom letzteren 
ist ein Brief des Unterrichtsministers datiert, in dem er der Central- 


— 12 — 


verwaltung des Departements seine Befriedigung über die u Er- 
öffnung der Schule ausspricht. 

Die ersten Lehrer der Centralschulen, sagt Viansson, waren ab- 
trünnige Priester und verheiratete Mönche. Und in der That finden 
wir auch an der Metzer verschiedene frühere Benediktiner, wie Collette, 
Pierron und Bricet. Andere Lehrer waren die citov. Chevreux, Hollandre, 
Chevreuse, Bernier, Godfrov, Dupleit, Emmery, Delattre und Dutennetar. 
Sie erhielten ein Gehalt von 2000 fres. und hatten ausserdem auf Grund 
eines Dekretes vom 25. messidor des Jahres IV noch Anspruch auf 
freie Wohnung. 

Aus dem uns noch vollständig erhaltenen règlement der Schule, 
in dem auch der Stoff der einzelnen Fächer ziemlich ausführlich an- 
gegeben ist, geht hervor, dass es in der Centralschule in Bezug auf die 
Unterrichtsfächer und das Alter der Schüler drei Sektionen gab. Die 
1. Sektion, deren Schüler das 12. Jahr zurückgelegt haben mussten, 
umfasste 4 Kurse, und zwar einen für Zeichnen mit 16 Stunden, einen 
für alte Sprachen mit 12, einen für lebende Sprachen mit ebenfalls 12 
und einen 4. für Naturgeschichte mit 8 Stunden pro decade. Die 
2. Sektion, deren Schüler mehr als 14 Jahre alt sein mussten, hatte 
nur 2 Kurse, und zwar einen für Mathematik mit 16 Stunden und einen 
für Physik und Chemie mit 6 Stunden pro decade. Die 3. Sektion, 
welcher Schüler von mindestens 16 Jahren angehörten, hatte wieder 
" Kurse, und zwar einen für die sogenannte Grammaire générale mit 

2 Stunden, einen für die schünen Wissenschaften mit ebenfalls 12 
“ns einen für Geschichte mit 6 Stunden und einen für Gesetzes- 
kunde mit wieder 6 Stunden pro decade. 

Es war den Schülern freigestellt, an einem oder an mehreren 
Kursen Teil zu nehmen. Die Aufnahme in die einzelnen Kurse erfolgte 
alle drei Monate. Für jeden Aufnahmeschein mussten in bar 6 fres. 
5 sous entrichtet werden. Ärmeren Schülern konnten auf Vorschlag 
der Lehrer die Aufnahmegebühren erlassen werden. 

Die Centralschulen bewährten sich nicht. Französische pädago- 
sische Schriftsteller bezeichnen als Hauptgründe dieses Umstandes den 
Mangel eines Internates und die Überbürdung der Lehrpläne. Man 
wollte, ohne das Alte zu opfern, zu viel Neues und Nützliches betreiben. 
Das Gesetz vom 1. Mai 1802 hob die Centralschulen auf und dasjenige 
von 20. desselben Monats schuf die Lyceen. Infolge dessen wurde im 
Jahre 1804 das heute noch bestehende Metzer Lyceum gegründet. 

Auf Grund des oben erwähnten Gesetzes vom 3. brumaire wurden 
in den Jahren V und VI in Metz auch 5 Elementarschulen gegründet, 


2 08 


— 13 — 


und zwar eine in jeder Sektion. Die der 1. Sektion wurde untergebracht 
in dem Kloster der Congrégation in der Diedenhofenerstrasse, die 
der 2. in dem Kloster der Trinitarier, die der 3. in dem Kloster der 
Glaubensverbreitung für Frauen in der Stationsstrasse, die der 4. in 
dem Pröcheresses-Kloster in der Bischofstrasse und die der 5. in dem 
Kloster der Visitation in der Mazellenstrasse. Jede dieser 5 Schulen 
hatte, wie das Gesetz es verlangte, 2 Klassen, eine für Knaben und 
eine für Mädchen. 

Nach dem von dem Jury d’instruction, bestehend aus dem Notar 
Guelle, dem Gerichtsassessor Daviel und dem Regierungssekretär Guentz, 
ausgearbeiteten règlement bildeten die Schüler resp. Schülerinnen jeder 
Klasse 3 Abteilungen. Die unterste Abteilung enthielt diejenigen, welche 
buchstabieren lernten; die der 2. die, welche sich im Lesen und Schreiben 
übten, und die der 3. die, welche sich ganz besonders der Kunst des 
Rechnens und Schreibens hinsaben. Zudem sollten die Rechte und 
Pflichten des Menschen, sowie die Staatsverfassung einen wesentlichen 
Teil des Unterrichts der oberen Abteilung bilden. Religionsunterricht 
war auf das strengste untersagt. 

Die an den Elementarschulen wirkenden Lehrpersonen bezogen 
kein Gehalt. Sie waren einzig und allein auf das Schulgeld angewiesen. 
Dasselbe belief sich für die Knaben auf 2 fres. und für die Mädchen 
auf 1,50 fres. monatlich. Dieses für die damaligen Verhältnisse hohe 
Schulgeld war mit Ursache, dass die Elementarschulen nur schwach 
besucht wurden. Nach einem Berichte des Bürgermeisters Gousseaud 
vom 4. Juni 1803 betrug die Zahl der Elementarschüler 550. Zu 
derselben Zeit waren in der Centralschule und in den schon vielfach 
wieder vorhandenen Privatschulen ungefähr 600 Schüler. Es belief 
sich somit die Schülerzahl der Stadt Metz auf etwa 1150. Nach der 
eigenen Schätzung des Bürgermeisters waren aber mindestens 2500 schul- 
pflichtige Kinder vorhanden; 1500 wuchsen also ohne jeglichen Unter- 
richt auf. 

Das Kaiserreich liess die von der Revolution gegründeten Schulen 
mit einem etwas veränderten Lehrplane bestehen. Mit dem Untergange 
des Kaiserreichs trat jedoch in dieser Beziehung eine durchgreifende 
Änderung ein. Auf Betreiben des Bischofs Bienaymé wurden in den 
ersten Jahren der Restauration sämtliche weltlichen Lehrer und Lehre- 
rinnen entlassen und durch Schulbrüder und Schulschwestern ersetzt. 


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— = 


DE) | 


— 124 — 


Die räumliche Ausdehnung von Metz zu römischer 


und frühmittelalterlicher Zeit. 
Von Dr. @. Wolfram. ') 


ETNERITUNE 


Während sich die deutsche Geschichtsforschung mit Vorliebe auch 
der räumlichen Entwickelung der Städte zugewandt hat und vor allem 
in den letzten Jahren die Untersuchungen über die Ausbildung der 
städtischen Verfassung mit Recht auf die materielle Grundlage des 
Stadtbildes basiert”), sind die lothringischen Historiker bisher achtlos an 
diesem wichtigen Forschungsgebiete vorbeigegangen, und selbst die 
politische Bedeutung von Metz mit seiner hochinteressanten Verfassung 
hat bisher niemand gereizt, eine geschichtliche Darstellung seiner Topo- 
sraphie zu geben. Diese Scheu ist freilich erklärlich. Solange wir 
kein Urkundenbuch der Stadt Metz besitzen, ist die Lösung derartiger 
Fragen mit den grössten Schwierigkeiten verknüpft. Sie kann nur ge- 
stützt werden auf diejenigen urkundlichen Notizen, die der Zufall dem 
Forscher in die Hände bringt; denn es ist ausgeschlossen, umfangreiche 
Archive zu diesem einen Zwecke durchzuarbeiten. Dazu kommt noch 
ein anderer misslicher Umstand: Wenn wir ein Stadtbild des XIL bis 
XIV. Jahrhunderts zeichnen wollen, so muss dasjenige der Karolinger- 
zeit die Grundlage sein, von der wir ausgehen müssen; dieses aber wird 
ohne Kenntnis der merowingischen und schliesslich auch der römischen 
Stadt ein Phantasiebild bleiben. 

Haben wir nun eine zuverlässige Arbeit über den Umfang der. 
römischen Stadt? 

Ganz im Gegensatze zu der Entwickelungsgeschichte des mittel- 
alterlichen Metz ist über die römische Stadtmauer ausserordentlich viel 


1) Ein Stadtplan mit den verschiedenen Umfestigungen wird dem zweiten 
Teile dieser Arbeit beigeseben werden. Ich bemerke im voraus, dass ich zur 
Erleichterung der Orientierung für die Bezeichnung der vier Seiten der alten 
Stadt die Haupthimmelsgegenden angegeben habe, obgleich diese nicht genau dem 
Mauerzuge entsprechen. 

?) Bahnbrechend war hierfür die treffliche Arbeit von J. Fritz, Deutsche 


Stadtanlagen. Programm des Lyceums zu Strassburg. 189. 


— 125 — 


geschrieben worden. Fast jeder Geschichtsforscher, der sich mit der 
älteren Vergangenheit der Stadt befasste, hat zunächst diese topo- 
graphische Frage mehr oder weniger eingehend berücksichtigt und 
allmählich sind die Resultate, auf welche sich die Forscher in seltener 
Friedfertiskeit geeinigt haben, sogar bürgerliches Gemeingut geworden. 
Kaum ein Gebiet aus der Metzer Geschichte ist den Bewohnern so 
allgemein bekannt, wie die Ausdehnung der Stadt zu römischer Zeit. 

Diese merkwürdige Bestimmtheit wissenschaftlicher Forschungs- 
ergebnisse hat freilich, wenn man die Frage genauer untersucht, eine 
etwas bedenkliche Ursache. Mit Ausnahme von Tabouillot und Prost hat 
kein Gelehrter selbständig und systematisch diese Untersuchung aufge- 
nommen; einer hat sich auf den andern verlassen, und wenn ja einer einen 
neuen Baustein hinzugetragen hat, so hat er sich nicht gefragt, ob 
denn das Fundament, auf das er ihn legte, auch wirklich zuverlässig war. 

Doch auch Tabouillot und Prost haben sich bei ihrer Rekonstruk- 
tion im wesentlichen auf zufällig vorhandene Mauerreste beschränkt, 
wo aber solche nicht da waren, ziemlich willkürlich ihre Linien ge- 
zogen. 


Nun ist freilich zuzugeben, dass gerade in Metz eine Untersuchung 
der römischen Mauer äusserst schwierig ist. Die Stadt hat sich nach 
allen Seiten hin weit über den alten römischen Gürtel ausgedehnt ; 
an keiner Stelle deckt jetzt freies Feld die ursprüngliche Mauer, und 
man kann nicht wie in anderen Städten den Spaten einsetzen, um dem 
Zuge der alten Befestigung zu folgen. Die Mauer liegt heute überall 
unter den modernen Häusern oder Festungswällen verborgen und ist 
vielfach als Unterbau für neuere Bauten benutzt worden. Sie ist 
hier dick mit späterem Mörtel überzogen. Aber selbst da, wo diese 
jüngere Schutzschicht nicht vorhanden ist oder beseitigt werden darf, 
ist es doch schwer, den Bau als einen römischen zu erkennen. Es 
fehlen die schönen, gleichmässig behauenen Blendsteine, die sonst das 
beste Kriterium für römisches Gemäuer sind; denn der sparsame Metzer 
hat diese sorgfältig heruntergehauen, um sie anderweit verwenden zu 
können. Das Füllmauerwerk aber gestattet keinen sicheren Schluss 
auf die Entstehungszeit der Mauer, am allerwenigsten hier in Metz, wo 
sich die römische Technik in die fränkische Periode hinübergerettet 
hat, ja sogar bis in das XII. Jahrhundert nachweisbar ist'!). 


1) Die Anwendung. von Ziegeldurchschuss zeigt auch die merovingische 
Kirche S. Peter; Ziegelmörtel, der sonst für die römische Zeit charakteristisch 
ist, kommt bis in das XII. Jahrhundert vor. 


— 16 — 


Weiter kommt hinzu, dass die Mauer nicht überall vorhanden 
war; wo der Abfall des Berges steil genug gewesen ist, hat man sich 
eine künstliche Befestigung überhaupt gespart !), an andern Stellen aber 
hat man unter Verzicht auf ein frei aufragendes Gemäuer lediglich 
eine Futtermauer gebaut, die das Rutschen des Berges und der darauf- 
liegenden Häuser verhüten und gleichzeitig einen steileren Absturz 
herstellen sollte. 

Endlich wird die Nachforschung dadurch erschwert, dass die 
Stadt, die zu allen Zeiten ein Bollwerk ersten Ranges gewesen ist, ge- 
rade durch ihre Eigenschaft als Festung materielle Umwälzungen und 
Umformungen erlitten hat, wie sie kaum einen zweiten Platz heimge- 
sucht haben. Sind doch zu Guises und Vieillevilles Zeiten ganze Stadt- 
viertel rasiert worden, um fortifikatorischen Bauten Platz zu machen. 
Den alten Mauern aber, soweit sie im Aussengürtel geblieben sind, hat 
man neue Befestigungen angelehnt und aufgetürmt, so dass es ausge- 
schlossen ist, bis zum ursprünglichen Kern vorzudringen. 

Trotz alledem halte ich eine neue Untersuchung für erfolgreich ; 
nur müssen andere Hilfsmittel herangezogen werden, als wie sie bisher 
verwandt worden sind. 

Zunächst wird es sich darum handeln, die Nachrichten über Ent- 
deckung römischen Mauerwerks aus allen Zeiten systematisch zusammen- 
zustellen und zu vergleichen. Sodann ist es nötig, da wo man die 
Mauer vermuten darf, von neuem örtliche Untersuchungen vorzunehmen. 
Endlich aber bietet sich uns noch ein weiteres wichtiges Hülfsmittel, 
das merkwürdigerweise bisher in keiner Art herangezogen worden 
ist. Es lässt sich nämlich wahrscheinlich machen, dass die römische 
Stadtmauer unversehrt in fränkische Hände gekommen ist. Wenn 
wir nun einerseits die thatsächlich vorhandenen oder nach Mitteilung 
früherer Schriftsteller vorhanden gewesenen römischen Mauerreste 
sorgfältig markieren, um für die Schilderung der mittelalterlichen 
Stadt einen Ausgangspunkt zu gewinnen, so giebt die auf Grund ur- 
kundlichen Materials gewonnene Kenntnis vom Umfange der mittel- 
alterlichen Stadt die Mittel zur Hand, um die vorhandenen Lücken 
auszufüllen. Von beiden Seiten muss der Stollen in den Berg getrieben 


1) Ich muss hier etwas vorgreifen und führe als Beweis eine Stelle aus 
Sigeberts von Gembloux Gedichte: »De laude urbis Mettensis, ed. Bouteiller 1881x, 
an. Hier heisst es: i 

Nam clivus murum, tutantur flumina clivum, 
Tutam sic extra munit vis aggeris intra; 
Qua natura labat, vires manus arsque ministrat. 


— 127 — 


werden. Ob richtig gearbeitet ist, darauf ist die Probe leicht zu 
machen. Ich brauche nur die materiell vorhandenen oder vorhanden 
gewesenen römischen Mauerreste in das fränkische Stadtbild, soweit es 
durch litterarische Denkmäler festgestellt werden kann, einzutragen. 
Passen die römischen Reste an den verschiedenen Stellen in den 
späteren Mauerzug hinein, dann dürfen wir mit Sicherheit in dem letz- 
teren die alte römische Mauer sehen, haben aber andererseits auch 
eine Bestätigung, dass die theoretische Festlegung der Frankenmauer 
den thatsächlichen Verhältnissen entspricht. 

Der Gang der Arbeit wird demnach in der Weise zu nehmen 
sein, dass litterarische Denkmäler nur soweit aus späteren Jahrhun- 
derten herangezogen werden, als diese Quellen zur Bestimmung der 
frühesten mittelalterlichen Mauer beitragen können. Dabei muss vor 
allem festgehalten werden, dass mit dem wirtschaftlichen Aufschwung 
der deutschen Städte vom XI. Jahrhundert an auch Metz sich auszu- 
dehnen beginnt. Ich lasse diese Zeit vorläufig unberücksichtigt und 
werde die wichtigen Erweiterungen des Mittelalters einem zweiten Teile 
vorbehalten, für welchen dieser erste die Voraussetzung schaffen soll. 

Im Voraus bemerke ich, dass selbstverständlich auch dieser Ver- 
such nicht überall ein abgeschlossenes Bild ergeben wird. Bei den 
Eingangs geschilderten grossen Veränderungen im städtischen Gelände 
wird es überhaupt nicht zu ermöglichen sein, dass wir nun Meter für 
Meter sagen können: hier ist oder hier war die alte römische Mauer. 
Aber eines werden wir sicher gewinnen: Da wo die Mauer nicht mehr 
oder noch nicht konstatiert werden konnte, können wir jetzt sagen: 
hier muss sie gesucht werden. Die Ausführung wird zeigen, dass wir 
diese Linie in ganz anderer Lage ziehen müssen, als wo bisher die 
Mauer angenommen wurde. Wenn man aber in Zukunft bei Umbauten 
oder Neubauten an diesen Stellen ein wachsames Auge hat, so wird 
die Auffindung der noch vorhandenen Mauerreste bald mehr und mehr 
gestatten, die vorläufig punktierte Linie durch feste Striche zu ersetzen. 


I: 


Die römische Stadt. 
Mit der Ausdehnung der römischen Stadt Divodurum haben sich 
ernsthaft befasst die Benediktiner in ihrer Geschichte der Stadt Metz }), 
der französische Genieoberst Parnajon?), der das Resultat seiner Unter- 


') Histoire de Metz, par des religieux Bénédictins. 6 Bände. Metz 1764. 
*) Congrès archéol. 1846, p. 212 ff. 


er 


suchungen auch in einer trefflich gezeichneten Karte niedergelegt hat !), 
August Prost in seinen ungemein sorgfältigen und vorsichtig gefassten 
Legendes de Metz?), und Kraus in den betreffenden Abschnitten von 
»Kunst und Altertum in Elsass-Lothringen«. Westphals *) Ausführungen 
beruhen nicht auf selbständiger Forschung, sondern geben lediglich 
eine Zusammenstellung älterer Ansichten; Döring') endlich versucht 
zwar eigene Wege zu gehen, hat aber, wie es scheint, so wenig Kennt- 
nis der lokalen Verhältnisse, dass es kaum lohnt, sich mit seinen Er- 
sebnissen auseinanderzusetzen. 

Bei der auffallenden Thatsache, dass man so gut wie gar keine 
römischen Mauerreste in der heutigen Stadt gefunden hatte, haben die 
Benediktiner und Parnajon zunächst die Frage aufgeworfen, ob denn 
Metz überhaupt befestigt gewesen sei. Die Benediktiner haben diese 
Frage unbedingt bejaht, Parnajon jedoch spricht sich dagegen aus. 

Eine leichte Umfassungsmauer sei wohl vorhanden gewesen, von 
einem zu Verteidigungszwecken errichteten Bollwerk könne jedoch 
keine Rede sein. Ein solches danke Metz erst dem Bischof Robert, 
der um die Wende des IX. zum X. Jahrhundert die Stadt zu einer 
Festung machte°). Die Gründe für seine Ansicht sieht Parnajon darin, 
dass man niemals Turmreste gefunden hat, vor allem aber, dass ge- 
schichtlichen Ueberlieferungen zufolge Metz im III. Jahrhundert durch 
den Allemannen Chrokus und im V. durch Attila überrumpelt und 
durch einen Handstreich genommen sei. Auch in merowingischer Zeit 
sei Metz nicht befestigt gewesen, denn es wäre sonst nicht abzusehen, 
weshalb der König Theodebert, ohne eine Verteidigung in Metz zu 
wagen, nach Köln geflohen sei, noch weniger aber weshalb Bischof 
Wala einen Angriff der Normannen auf Metz durch eine Feldschlacht 
pariert habe. 

Es ist nicht nötig, Parnajons Argumente durch theoretische Er- 
wägungen zu entkräften; denn wir haben positive Zeugnisse dafür, 
dass das Argumentum ex silentio in diesem Falle eine haltlose Stütze 
ist. So wird in einer Urkunde König Lothars die Lage des Arnulf- 


1) Im Archiv der Metzer Fortifikationsbehörde. Ich danke die Einsicht- 
nahme dieser Karte den Herrn Oberstlieutenant Krebs und Hauptmann Thelemann. 
?) M. Prost, Études sur l'histoire de Metz. Les légendes. Metz, Paris 1865. 

3) Westphal, Geschichte der Stadt Metz. Metz 1876. 

#) O. Döring, Beiträge zur ältesten Geschichte des Bistums Metz. Der Voll- 
ständigkeit halber erwähne ich noch Ledain, der gleichfalls den Zug der römischen 
Mauer in Mém. de la soc. d’archéol. de la Mos. 1879, p. 249 ff. beschreibt. 

°) Nach Gesta ep. Met. 


klosters bestimmt als haud longe a moenibus Mediomatricae urbis !) 
und 715 nennt der Priester Hugo die »Romana Sala« »intra murum« ?). 
Noch bestimmter spricht sich Venantius Fortunatus aus, der die Stadt 
als munita nimis*) bezeichnet und an anderer Stelle von den moenia *) 
redet. 

Man sieht also, zu karolingischer, ja schon in merowingischer Zeit 
war sicher eine stattliche Mauer vorhanden und es fragt sich nur: ist 
diese erst unter dem Frankenscepter errichtet worden oder aus römischer 
Zeit übernommen ? 

Die Wahrscheinlichkeit spricht zunächst dafür, dass die Franken 
in den ersten Jahrzehnten ihrer Besitzergreifung eine so energische Bau- 
thätigkeit nicht ausgeübt haben. Sie haben überall den vorgefundenen 
römischen Mauergürtel benützt; wir hören aber niemals, dass sie irgend 
eine Stadt selbst befestigt hätten. Andererseits haben wir positive 
Zeugnisse dafür, dass die Römer gerade im III. und IV. Jahrhundert 
in unserer Gegend ihre Städte umfestigt haben. 

Als in der zweiten Hälfte des Ill. Jahrhunderts der Limes ge- 
fallen ist und die germanischen Schaaren in die Provinz Belgica ein- 
brechen, da sind hier eine Reihe von festen Kastellen errichtet, resp. 
offene Orte sind mit festen Mauern umzogen worden. Hettner hat 
dies für Neumagen, Bitburg und Jünkerath nachgewiesen und spricht 
die Vermutung aus, dass Diocletian und Maximian die Befestigung von 
Städten und grösseren Orten, wenn nicht gerade durch Gesetz ver- 
ordnet, so doch jedenfalls thunlichst gefördert haben’). Auch von 
Trier wissen wir nach einem Zeugnis des IV. Jahrhunderts, dass es 
mit Mauern umgeben war, und Lehner hat es wahrscheinlich gemacht, 
dass es seinen steinernen Gürtel etwa im Jahre 260 erhalten hat®). 
Für Lothringen speziell hat Wichmann gezeigt, dass Tarquinpol zu 
römischer Zeit einen Mauergürtel getragen hat‘). Diesen Thatsachen 
gegenüber ist es von vornherein ganz unwahrscheinlich, dass eine 
blühende Stadt wie Metz schutzlos den Barbareneinfällen preisgegeben 


1) M. Bez.-A. H., 29. Or. memb. Gedr. bei Meurisse 270. Mühlbacher reg. 
nr. 1037. à 

*) M. Bez.-A. H., 137. Cop. memb. saec. X. Gedr. bei Meurisse 112. 

*) Ven. Fortun. opp. (M. G. Auct. antiq.) Ad. Vilicum ep. Met. III, XII, 

4.10. %, IX 1, 

*) Hetiner, Zu den römischen Altertümern von Trier und Umgegend. Westd. 
Zeitschrift X., 284 ff. 

°) H. Lehner, Die römische Stadtbefestigung von Trier. Westd. Zeitschr. XV, 
211 ff. 


7) Decempagi — Tarquinpol. Jahrb. IV, 116 ff. 


— 10 — 


blieb. Wir haben freilich aus römischer Zeit kein ausdrückliches 
schriftstellerisches Zeugnis für diese Annahme. Jedoch dürfen wir eine 
Stelle aus Ammianus Marcellinus, der im IV. Jahrhundert schreibt, zu 
Gunsten derselben wohl heranziehen: Ammian berichtet zum Jahre 357, 
Julian sei nach der Schlacht bei Strassburg nach Zabern zurückgekehrt. 
Von hier aus habe er sodann die Beute und die Gefangenen zur sicheren 
Aufbewahrung nach Metz bringen lassen !). 

Diese Anordnung des römischen Führers ist nur verständlich, 
wenn wir annehmen, dass Metz durch seine Befestigung Schutz ge- 
währte. 

Auch die Siedelungen um Metz beweisen, wie ich schon öfter 
betont habe, dass Metz beim Einbruch der Franken und Allemannen 
ummauert gewesen sein muss. Die fränkisch-allemannischen Nieder- 
lassungen ziehen sich in weitem Bogen um die Stadt herum, während 
in unmittelbarer Umgebung nur rein romanische Ortschaften gelegen 
sind. Diese auffallende Erscheinung ist nur so zu erklären, dass die 
Stadt sich so lange des germanischen Ansturms erwehrt hat, bis die 
Eindringlinge sesshaft geworden waren. Eine so zähe Gegenwehr ist 
aber wiederum nur denkbar, wenn die Stadt verteidigungsfähig war. 

Um Sicherheit zu gewinnen, läge es jedenfalls am nächsten, an 
Ort und Stelle Untersuchungen vorzunehmen. Man sollte meinen, dass 
es wie in Trier und Strassburg auch in Metz nicht allzuschwer sein 
dürfte, die Mauer aufzulinden und an ihrer Bauart festzustellen, welcher 
Zeit sie angehört. 

Ohne sich mit theoretischen Erwägungen abzugeben, haben das 
auch Philipp v. Vigneulles, die Benediktiner, Parnajon, Prost und Kraus‘ 
gethan und haben an verschiedenen Stellen, die für den Gang der 
Umfestigung in Betracht kommen, anscheinend römisches Mauerwerk 
festgestellt. Philipp v. Vigneulles hat solches Mauerwerk in der Rue 
Saulnerie au-dessus le mur gesehen). Er erzählt, dass im Jahre 1513 


!) Ammianus Marc. XVII, I, 1: Martius juvenis post Argentoratensem 
pugnam .. cunctos humari mandavit... ad Tres Tabernas revertit. Unde cum 
captivis omnibus praedam Mediomatricos servandam ... duci praecipit. 

>) Huguenin, Les chroniques de la ville de Metz, p. 688/689. Ueber den- 
selben Fund der Brief eines Zeitgenossen im Auszuge bei Paul Ferry, Obs. sécu- 
laires, I, (M. St. Bibl.) saec. I, $ 156 : »Anno igitur domini 1513 in mense Julii retro subque 
sacratissimas Cordigerorum aedes, in vico qui dicitur Super Muros, ubi, ut aiunt, 
prima moenia civitatis nomen retinere videntur, tres domus contiguae vetustate 
neglectae in inhabitantium dissuetudinem abibant, quas dum forte architectores 
ligneis appositis trabibus sustentare tentarent, ut veternosos earumdem parietes 
tectaque innovarent et necessaria quae essent suis artibus repararent, funditus 


— 131 — 


drei Häuser eingestürzt seien; in ihren Grundmauern habe man grosse 
ohne Mörtelverband aufeinandergeschichtete Steine mit Bildern von 
Männern und Frauen sowie Inschriften gefunden. Diese selbe Mauer 
ziehe sich von der Mosel hinter dem Stadtspeicher herauf am Mosel- 
ufer vorüber bis zu der betreffenden Stelle, dann über Porte Sailly 
hart an St. Martin vorbei nach der Chapelle du Pre. 

Eine andere Art von Mauerwerk mit Ziegeldurchschuss trat an 
der Porte Serpenoise zu Tage, als man 1515 die Gräben vertiefte. 
Philipp beschreibt diesen Fund folgendermassen: »En 1515 à la fin du 
mois d’avril on ....trouva plusieurs grosses et épaisses murailles 
merveilleusement bien faites et à la mode ancienne et toutes de pierres 
quarrées et de briques comme les arches de Joy ou comme la cour 
d’Orme a Metz, c'est à savoir que parmi lesdites pierres y avoit belle 
centure desdites briques.« — 

Die Benediktiner sahen römisches Mauerwerk, das nach ihnen als 
Verteidigungsgürtel gedient haben muss, in Tour d'enfer und hinter 
der Kirche S. Pierre'). Auch nahmen sie an, dass die Mauer an der 
Porte des chevaux (an der heutigen Regierungsbrücke) vorübergegangen 


corruerunt. In quarum fundamentis lapides quam plurimi magni et inordinati 
sive incompositi ruinam quandam indicantes reperti sunt; qui pro maiore parte 
in domorum latitudinem serio strati protendebantur moleque muri subterranei 
edacique vetustate mucidi putridique neglecti premebantur. Horum vero multi 
quadrilateri scripturis quibusdam imaginibusque sculpti, quidam vero, quos 
ferreis liminibus dudum fuisse ligatos, ut ruina patentes indicabant, arbitra- 
bantur, alii etiam ignis adustionem signis etiam palentibus testari videban- 
tur. Qui nos paucos ex nostris operarios casu ocioque spectantes in admira- 
tionis labyrinthum deduxerunt; et multorum sententia opinioneque, priusquam 
sub terra reconditi hi lapides delituerunt, multis seculis in sacris et...... in 
deorum delubris seu potius nobiliorum virorum monumentis positi deserviebant. 
Hine tamen parentum memoriam, famam gloriamque usque veteres posteris 
relinquere satagebant: seu Juniores parentum gloriam honoremque affectantes 
his lapidibus sepulchra signabant sicque scripturis et idolis parentum animas, 
quas manes seu deos privatos vocitabant, venerabantur. ...... Et quia 
rerum antiquarum te indagatorem inquietum diligentissimumque videam, praedic- 
torum lapidum formas figurasve, prout depingere protahereque potui, ad te in 


praesentiam mittere destinavi. Vale foelix et munus — profecto indignum hu- 
mane suscipias.< Ceci a esté copié — du manuscrit — mal orthographié (Hysto- 
rıogr.; ymage, ydolatriam) qui est — s. Jahrbuch der Gesellsch. f. lothr. Gesch. 


VII: (1896) — Ueber Boissard, S. 99. Ich verdanke diesen Hinweis Herrn Ober- 
lehrer Keune. 

') Die Benediktiner (Hist. de Metz I, p. 1671) nennen ein grand pan de mur 
derrière Ste. Marie. Da sie aber, wie Prost nachgewiesen hat, S. Marie seiner 
Lage nach mit S. Peter verwechselt haben, so ist die Mauer hinter S. Peter zu 
verstehen. 


9* 


— 132 — 


sei: denn dort habe man die Inschrift gefunden: ex potestate atrici 
publice. Da Atricus der Pförtner heisst, so vermuten sie, dass die 
Inschrift auf den Bau eines Thores Bezug hat. Leider besitzen wir 
die Inschrift nicht mehr. Dass aber die Interpretation der Benediktiner 
falsch ist, liegt auf der Hand. In atrici haben wir jedenfalls den Rest 
des Wortes Mediomatrici zu sehen !). 

Endlich sprechen sie gelegentlich über les anciens murs de la 
Ville derrière l’abbaye de Sainte-Glossinde und erzählen hierbei: on 
trouva dans les fondations plusieurs gros blocs de pierre blanche tra- 
vaillés et chargés de sculptures ?). 

Parnajon bemerkte Mauerwerk, dessen Basis römische Sculp- 
turen bildeten, in der Citadelle zwischen den Türmen des Wassieux 
und des Lenniers*) (an der Westseite der Stadt zwischen Citadellen- 
und Bahnhofsthor); desgleichen entdeckte er in einem Hause der Kapu- 
zinerstrasse die Reste eines Turmes, der gleichfalls auf römische Denk- 
mälerreste fundiert war {). 

Prost”) ist in seinen Aeusserungen überaus vorsichtig. Nachdem 
er angegeben hat, wie er sich den Gang der römischen Mauer vor- 
stellt, führt er die Funde auf, die in früheren Jahren gemacht sind 
und auf Mauerreste schliessen lassen. Er fügt hinzu, dass in jüngerer 
Zeit beim Ausgange der Goldschmied- und der Grossen Hirschstrasse 
interessante römische Reste zu Tage getreten sind, die zur Mauer 
gehörten. Kraus‘) nimmt als Mauerrest an die römischen Substruk- 
tionen in dem Hause des Herrn Jacob, Rue des clercs, und ein anderes 
Stück an der Ecke der Rue Nexirue. Ledain”) endlich erwähnt als 
römisches Mauerwerk die Unterlage der Terrasse hinter dem Hause 
des Divisionsgenerals in der Wachtstrasse. 


1) Hist. de Metz I, 168. 

2) Hist. de Metz I, p. 59. 

3) Congrès archéol. de France. Séances générales tenues à Metz 1846, 
p. 223. Pendant les travaux exécutés à Metz depuis 1822 jusqu'en 1836 pour 
restaurer la partie de l'enceinte de la citadelle qui fait face à la Moselle, nous 
avons trouvé dans les fondations de ces vieilles murailles des tombeaux, des 
pierres sculptés et d’autres débris des édifices romains. . ... et comme le même 
fait s’est présenté toutes les fois qu’on a démoli quelques portions de la vieille 
enceinte on peut regarder comme une chose certaine que c’est avec les débris 
des monuments Romains ... qu'ont établies les premières fortifications de Metz. 

Ole, p 22): 

5) Les Légendes, p. 133. 

°) Kunst und Altertum, IL, p. 339. 

7) Ledain, Notices. Mém. de la soc. d’arch, 1879, p. 250. 


— 133 — 


Auf Grund dieser Feststellungen ist man sich im allgemeinen 
einig geworden, dass die Mauer folgenden Verlauf hatte: »Sie begann 
‚nordwestlich oberhalb der Mittelbrücke und lief an dem Ludwigsstaden, 
der Felsenstrasse, dem Felix-Marechalstaden bis an den Arsenalstaden, 
von da nordöstlich nahe dem Stadtspeicher vorbei, bog dann nach der 
Saulnerie ab, folgte von hier der Mauerstrasse, zwischen Ziegenstrasse 
und Ludwigsplatz vorbei bis zum Martinsplatz, von wo sie in gerader 
Linie südwestlich nach der Mittelbrücke strebte. Der Abschluss nach 
Süden lag bei der Kirche Sanct Martin.« 

»Man wird sofort die Bemerkung machen — setzt Professor Kraus 
diesen Angaben hinzu — dass die also festgesetzte römische Um- 
fassungsmauer nicht, wie das bei römischen Kolonien der Fall war, 
ein Quadrat oder Oblongum bildete, sondern eine ganz unregelmässige 
Gestalt darbot. Es legt sich die Vermutung nahe, dass hier die An- 
lehnung an die bereits bestehende Stadt der Mediomatriker mass- 
gebend war').« 

Prüfen wir jetzt selbst an Ort und Stelle nach, was schon früher 
gefunden wurde; gleichzeitig aber soll versucht werden, die Nachfor- 
schungen nach weiteren Ueberbleibseln, so weit es irgend angeht, fort- 
zusetzen. 

Die Häuser in Rue Saulnerie, der Turm in der Kapuzinerstrasse, 
die Mauer der Citadelle und in Anglemur sind heute verschwunden. 
Wenn geschlossen worden ist, dass diese Mauern nicht zu römischer 
Zeit errichtet sein können, weil gerade die Sculpturreste römischer 
Bauten darin stacken, so dürfte dieser Einwand irrig sein. Hettner ?) 
hat dieselbe Entdeckung in dem Kastell von Neumagen gemacht und 
erklärt sie einfach daraus, dass die Römer so wenig Pietät gegen die 
Werke ihrer Vorfahren gehabt haben, dass sie ohne Skrupel alte 
Grabsteine benutzten, wenn die Familie des darunter Beerdigten am 
Orte ausgestorben war. 

Die Tour d’enfer, welche zu den Zeiten der Benediktiner noch 
römisches Mauerwerk zeigte, ist seitdem wesentlich umgebaut worden. 
Bei einer genauen Untersuchung des Innern fand sich jedoch noch ein 
mächtiger Block von Gussmauerwerk vor, der recht wohl der römischen 
Zeit angehören kann. 

Die Mauerreste in der Porte Serpenoise sind gleichfalls bis auf 
den letzten Rest verschwunden. Die Mauerstücke hinter S. Peter und 

') Kraus, 1. c. p. 338 und 339. 

?) Hettner, Zu den römischen Altertümern von Trier und lmgegend, 
Westd. Zeitschr. X, p. 291. 


— 134 — 


bei S. Arnulf sind heute nicht mehr vorhanden oder wenigstens nicht 
mehr sichtbar. 

Die Mauern zwischen Bank- und Priesterstrasse sind zweifellos 
römischer Herkunft. Wenn man aber Prosts!) genaue Aufnahmen 
dieses Häuserkomplexes vergleicht, so überzeugt man sich sofort, dass 
hier von einer Stadtmauer gar nicht die Rede sein kann. Nach rechts 
und links setzen rechtwinklige Mauerstücke an, die zur Genüge dar- 
thun, dass wir es hier mit einem grossen Häuserkomplex zu thun 
haben, der auch noch im Mittelalter unter dem Namen Romana Sala 
als solcher erkannt wurde. 

Die Mauern zwischen Ludwigsstaden einer-, der Mauer- und Fa- 
sanenstrasse andererseits sind noch heute zum grossen Teil wohl er- 
halten. Die regelmässigen Hausteine aus weissem Kalkstein mit Ziegel- 
durchschuss charakterisieren sie als römische Bauwerke. Wir besitzen 
auch aus dem Jahre 1614 noch mehrere Abbildungen dieser römischen 
Reste; nach dieser Wiedergabe müssen sie damals noch eine stattliche 
Höhe gehabt haben. Aber gerade diese Bilder bestätigen, was wir noch 
heute aus den Grundmauern der dort vorhandenen Häuser schliessen 
dürfen, dass nämlich von einer Stadtmauer hier nicht die Rede sein 
kann. Wir können aus dem ovalen Grundriss des Baues mit ziem- 
licher Sicherheit schliessen, dass wir es hier mit einem Amphitheater 
zu thun haben?). Ob sich dieses nun direkt an die Mauern anlehnte 
und vielleicht wie in Trier gleichzeitig als Deckung eines Thores diente, 
wird einer besonderen Untersuchung vorbehalten bleiben müssen. 

Das Ergebnis der Nachprüfung ist sonach wenig ermutigend. Die 
Reste am Ludwigsstaden und in der Bankstrasse kommen nicht in 
Betracht, die Stücke in Saulnerie und Kapuzinerstrasse sind nicht 
mehr vorhanden, und lediglich der Block in der Tour d’enfer scheint 
zu bestätigen, dass die Benediktiner recht gesehen haben. Da sich 
Tabouillot und Francois auch sonst als tüchtige Kenner römischer 
Altertümer erweisen, so werden wir diese ihre Angabe als richtig an- 
nehmen dürfen: ebenso dürfen wir wohl ihre Mitteilung über die Mauer 
hinter S. Peter, Ledains Notiz über die Mauer bei St. Arnulf, Parna- 
jons Angabe über römische Mauerreste in der Kapuzinerstrasse, sowie 
zwischen Römer- und Citadellen-Thor und den Bericht Philipp v. Vigneulles 
über Saulnerie als Grundlage weiterer Forschungen verwerten. 

Wenn wir in derjenigen Gegend der Stadt beginnen, die schon 
durch ihren Namen einen Hinweis auf eine alte Stadtmauer giebt, in 


1) L'hôtel du voué. Mém. de l’academie, 1880, p. 123 ff. 
2) S. weiter unten S. 150. 


— 13% — 


der Mauerstrasse, so ist zunächst festzustellen, dass der alte Name 
dieses Strassenzugs lautete: Sor lo mur !); dem entsprach ein paralleler 
Strassenzug mit dem Namen andessous les murs. Die Fortsetzung 
dieser beiden Gassen bildet in der höheren Lage die Nagler-, in der 
tieferen die Kapuzinerstrasse; die letzeren beiden sind durch einen 
doppelten Häuserzug getrennt, dessen obere Reihe mit dem Erdgeschoss 
in gleicher Höhe wie das zweite oder dritte Stockwerk der unteren 
liest. Wir können also auf dieser ganzen Linie einen ungemein steilen 
Absturz des Berghangs konstatieren. Wenn nun hier, wie es der Name 
besagt und Philipp v. Vigneulles Bericht ausdrücklich beglaubigt, die 
alte Mauer entlang zog, so kann das nur eine sogenannte Futter- 
mauer gewesen sein, die neben ihrem Verteidigungszweck gleichzeitig 
das Rutschen des Berges und der an demselben nahe am Abhang ge- 
bauten Häuser verhindern sollte. In der That liess sich in einer ganzen 
Reihe von Häusern in der Kapuzinerstrasse deren Rückwand als eine 
fast Fels gewordene uralte Gussmauer erkennen. Die charakteristischen, 
schön behauenen Blendsteine waren durchweg abgeschlagen. Zwischen 
Saulnerie und Mauerstrasse war es dagegen unmöglich, die alte Mauer 
aufzufinden. Hier ist der von Philipp erwähnte Erdrutsch gewesen 
und hat alle sichtbaren Spuren des Mauerwerks mit hinweggenommen. 
Der römische Turm in der Kapuzinerstrasse, den Parnajon freilegte, 
zeigt, dass wir einer richtigen Spur folgen. 

Völlige Sicherheit gewinnen wir aber, sobald die Trinitarierstrasse 
überschritten ist. Hinter den Häusern der Metzgerstrasse läuft ein in 
charakteristischem römischem Mauerwerk ausgeführter Kanal, der aber 
von so mächtigem Gussmauerwerk überdeckt ist, dass man annehmen 
muss, er läuft in der Mauer oder kreuzt dieselbe in sehr spitzem 
Winkel. Dass wir es mit der römischen Stadtmauer zu thun haben, 
zeigt sich in völliger Gewissheit zwischen den Häusern 5 und 7 der 
Gaisbergstrasse, d. h. da, wo die Mauer diese Strasse überschreitet. 
Hier hat das Mauerwerk noch eine Mächtigkeit von mehr als 3 Metern, und, 
was besonders charakteristisch ist, wir sehen noch den Eindruck der 
Pfähle, ja sogar der Bretter, mit deren Hülfe das Gussmauerwerk her- 
gestellt ist. Oestlich der Geisbergstrasse findet die Mauer ihre Fort- 
selzung in dem Hause, welches heute Herr Konsistorialpräsident Braun 
bewohnt. Hier biegt sie in scharfem Winkel nach Süden ab und lässt 
sich nun als Futtermauer in einer Dicke von etwa 4 Metern zwischen 
den Häusern der Garten- und Birnbaumstrasse verfolgen. Die Bauten 
beider Strassen haben dies alte Mauerwerk als Grund- und Stütlzmauer 


') Schreinsrolle von 1245. M. St. A. 


a a 


benutzt‘). Der Abfall ist hier so bedeutend, dass die Gärten der 
3irnbaumstrasse in gleicher Höhe mit den Dächern der Gartenstrasse 
liegen. Mit dem Ende der heutigen Gartenstrasse verliert sich auf der 
Ostseite jede Spur des alten Mauerwerks. 

Auf der Westseite lässt sich dagegen im Anschluss an die Mauer- 
strasse noch ein gewisses Stück alter Mauer verfolgen, ohne dass man 
bestimmt sagen kann, ob dieser Teil nun wirklich römisch ist?) 
Wir wissen nur, dass er bis etwa 1200 als Stadtmauer gedient hat. 
Der Mauerzug ergiebt sich ohne Weiteres, wenn man den Katasterplan 
zur Hand nimmt und sieht, wie sich die Grundstücke in der Wechsler- 
strasse und am Ludwigsplatz, je weiter man südlich geht, desto mehr 
vertiefen, so zwar, dass ihre Grenze nach der Ziegenstrasse eine fort- 
laufende gerade Linie bildet. Man wird annehmen müssen, dass bei 
der Anlage dieser Häuser ebenso wie derjenigen der Ziegenstrasse eine 
feste Scheidelinie gegeben war, über die man von beiden Seiten nicht 
hinüber konnte. Wenn man nun diese Linie an Ort und Stelle unter- 
sucht, so findet sich in der That eine alte Mauer, in der sich sogar 
noch Türme feststellen lassen. Zwischen den Häusern 14 und 12 
scheint dieser Zug die Grosse Hirschstrasse überschritten zu haben. 

So lässt sich der nördliche Teil der alten Stadt durch die vor- 
handenen Mauerreste noch ziemlich sicher umgrenzen und wir dürfen 


1) Diese Futtermauer hat sich übrigens in verschiedenen Etagen erhoben. 
Ueber der im Texte erwähnten Mauer muss stellenweise noch eine zweite ge- 
wesen sein. Im Garten des heutigen Leihhauses findet sich noch jetzt eine vier- 
eckige turmartige Mauerstütze mit der Jahreszahl 1542. 

?) Ich lasse vorläufig diese Frage noch offen. Es ist nicht ausgeschlossen, 
dass eine erste Mauer in direkter Fortsetzung der Mauerstrasse über die Place 
Chappé direkt nach der Goldkopfstrasse lief (sie stösst auf diese Strasse im 
Hause des Herrn Baser, durch dessen Gehöft sie hindurchführt). Von hier durch- 
schneidet sie den Chor der Liebfrauenkirche, lässt die Poststrasse ausserhalb liegen, 
und führt in gerader Richtung auf den Camoufleturm zu. Für diese Möglichkeit 
spricht einmal, dass die Fundamente des Baserschen Hinterhauses jedenfalls 
römisch sind, desgleichen diejenigen des Hauses Noé, das dem Baserschen An- 
wesen gegenüber liegt. Auffallend ist auch, dass die alten Grenzen des seit 
100 Jahren eingegangenen Pfarreisprengels S. Simplice, die im allgemeinen die 
alte Vorstadt Vezigneuf (Vicus novus) umfassen, über die Mauer, welche zwischen 
Ludwigsplatz und Ziegenstrasse bis etwa 1230 hinzieht, hinausgehen und die 
östliche Seite der Ziegenstrasse mit begreifen. Man kann unmöglich annehmen, 
dass die Pfarrei bei ihrer Begründung (im 11. Jahrhundert ist sie vorhanden, 
vel. Poirier, Notice sur l’ancienne paroisse de S. Simplice, Jahrb. IV, 2, p. 168 ff.) 
Teile der Stadt in- und ausserhalb der Mauer umschlossen hat. Jedenfalls wird hier 
noch eine gründliche Untersuchung stattfinden müssen, die aber sichere Resultate 
nur bei Gelegenheit von Neubauten ergeben dürfte. 


— 137 — 


annehmen, dass diese Reste wenigstens von der Mauerstrasse an bis 
zur Gartenstrasse auch wirklich römischen Ursprungs sind. 

Weiter nach Süden haben auf der Ostseite der Stadt bis heute 
keine Mauerreste festgestellt werden können. Einen Anhalt für die 
Richtung der Mauer giebt uns aber die Nachricht der Benediktiner, 
dass in der alten Stadtmauer hinter Ste. Glossinde römische Sculp- 
turen gefunden wurden. Die Benutzung sculptierter Steine aus rö- 
mischer Zeit macht es wahrscheinlich, dass wir es mit der römischen 
Mauer zu thun haben, und es fragt sich nur, ob der Fundort in der 
Südmauer, an welche Ste. Glossinde sich anlehnte, liest, oder ob die 
Mauer bei der Abtei nach Osten umbog und auf dieser Seite die Steine 
entdeckt wurden. Der Wortlaut der betreffenden Stelle giebt er- 
wünschte Auskunft. Es heisst: en demolissant les anciens murs de la 
ville etc. Nun ist die Südmauer immer Festungsmauer geblieben; es 
kann sich also nur um die Ostmauer handeln. Sonach lässt sich 
aus diesem Funde schliessen, dass die Ostmauer dicht hinter Ste. Glossinde 
(d. h. hinter dem heutigen Bischofspalaste) auf die Südfront der 
Stadt stiess. 

Auch auf der Westseite der Stadt erhalten wir zwei Richtpunkte 
durch Ledains Aussage, er habe die Mauer im Hause des Divisions- 
kommandeurs gesehen, und durch die Mitteilung der Benediktiner, sie 
trete hinter S. Peter und im Höllenturm zu Tage. 

Um zu grösserer Sicherheit zu gelangen, sind wir auf Schlüsse 
aus späterer Zeit angewiesen, vor allem wird der Versuch zu machen 
sein, den Umfang der merowingischen und karolingischen Stadt zu be- 
schreiben. Da in den ersten Jahrhunderten der germanischen Eroberung, 
soviel wir wissen, keine altrömische Stadt erweitert worden ist, die 
römische Enceinte vielmehr in den meisten Fällen den neuen Bewoh- 
nern viel zu weit gewesen ist, so ist es von vornherein wahrscheinlich, 
dass wir in den für die merowingische Zeit festgestellten Grenzen auch 
den Umfang der römischen Stadt zu sehen haben. 

Wir dürfen dies um so eher schliessen, als sich erweisen lässt, 
dass die Mauer von Metz niemals vernichtet worden ist. Allerdings 
berichtet Gregor von Tours, dass die Hunnen im Jahre 451 kaum 
eine Stelle der Stadt unverbrannt gelassen haben’); wir können aber 
nicht annehmen, dass dieses Reitervolk, das in fliegender Hast Europa 


') Greg. Tur. M. G. lib. II, cap. 6. Igitur Chuni.., in ipsa sanctae paschae 
vigilia ad Mettinsem urbem reliqua depopulando perveniunt tradentes urbem in- 
cendium, populum in ore gladii trucidantes ... Nec remansit in ea locus inustus 
praeter oraturium beati Stefani. 


— 138 — 


durchstürmt, sich nun die Zeit genommen haben soll, auch die Mauern 
dem Erdboden gleich zu machen. 

Am 8. April trifft Attila in Metz ein und verwüstet die Stadt; 
nach Verlassen derselben werden zahlreiche andere Städte Galliens 
erobert und verheert, und endlich macht der König vor Orleans Halt, 
um diesen Ort, der sich zäh verteidigt, durch regelrechte Belagerung 
zur Uebergabe zu zwingen). Er lässt hier Sturmböcke bauen und 
schon legt er Bresche, als das Entsatzheer des Aetius und Theoderich 
herankommt. 

Da Orleans schon am 14. Juni befreit worden ist?), die Entfer- 
nung dieser Stadt aber von Metz in der Luftlinie ca. 530 Kilom., in 
Wirklichkeit also mindestens 400 Kilom. beträgt, so ist es ganz aus- 
geschlossen, dass die Hunnen Zeit gehabt haben, die mächtigen Mauern 
zu vernichten. Ebenso wenig haben die Mauern unter dem Germanen- 
sturm der nächsten 50 Jahre gelitten. Wie wir aus dem dichten Kranz 
vorgermanischer Niederlassungen rings um Metz schliessen dürfen, ist 
der Hunnensturm wie ein heftiges Gewitter vorübergezogen, ohne das 
Kulturleben der Civitas zu vernichten. Wir dürfen annehmen, dass 
die Einwohner der Ortschaften geflohen, nach Beseitigung der Gefahr 
aber zurückgekehrt sind. So wird sich auch Metz schnell wieder be- 
völkert haben. Schon früher habe ich gezeigt, dass dieser Gürtel 
romanischer Siedelungen, zwischen denen so gut wie kein germanischer 
Sippen- oder Herrensitz aufzufinden ist, beweist, dass die Civitas Metz 
mit ihrem Gebiete, wie auch die Sage berichtet, nicht von den Ger- 
manen erobert sein kann, sondern durch friedlichen Vertrag in frän- 
kische Hände gekommen ist. Wenn aber die Stadt sich als einzige 
römische Grenzveste, abgeschnitten von allen Nachbarorten, so lange 
zu halten vermochte, so ist das nur denkbar, wenn sie durch einen 
festen Mauergürtel verteidigungsfähig war. 

Auch die Thatsache, dass König Theoderich, Chlodewigs ältester 


1) Ib. cap. 7. Attela vero Chunorum rex a Mittense urbe egrediens cum 
multas Galliarum civitates oppraemerit, Aurilianis adgreditur eamque maximo 
arietum impulsu nititur expugnare. 

>) Vita Aniani ep. Aurel. cap. 7. (M. G. Scriptores rerum Merowing., Tom. Ill.). 
Auf die Frage des Aetius, wann Bischof Anianus den Fall der Stadt erwarte, 
antwortete dieser: Octavo decimo Kal. Julias oportunum te nobis venire convenit. 
Was hier als Prophezeiung gegeben wird, ist natürlich auf Grund der späteren 
Ereignisse gesagt. Ueber die Zuverlässigkeit der Vita und speziell dieses Datums 
vergl. Kaufmann: Ueber die Hunnenschlacht des Jahres 451. Forschungen VII, 
117 ff. Kaufmann giebt allerdings den 24. Juni. Nach der Ausgabe der Monu- 
menta wird man dafür den 14. Juni einsetzen müssen. 


— 139 — 


Sohn, gerade Metz und nicht Trier als seine Residenz gewählt hat, 
lässt annehmen, dass diese Stadt ein baulich wohl erhaltenes Gemein- 
wesen war, in dem die alte römische Kulturüberlieferung keine Unter- 
brechung erfahren hatte. 

Sechszig Jahre später hat Venantius Fortunatus die Stadt als 
ein blühendes Gemeinwesen gesehen und aus seinen Gedichten lassen 
sich wichtige Anhaltspunkte über die Ausdehnung und das Aussehen 
des Ortes entnehmen. Die Stadt liegt zwischen Mosel und Seille 
und dehnt sich noch nicht über die beiden Flüsse aus'). Der Abhang, 
auf dem sie sich erstreckt, ist bewaldet?). Gärten und Ackerland 
scheinen auch innerhalb des Mauergürtels nicht vereinzelt zu sein”). 
Eine starke Mauer schützt vor feindlichem Angriff®). 

Wir können aus diesen Angaben, so knapp sie auch sind, doch 
die Thatsache entnehmen, dass die damalige Stadt noch ebenso wie 
aus den Mauerresten für die römische Zeit erschlossen werden konnte, 
den Hügel nicht herabgestiegen war, ja der alte Gürtel scheint ihr 
sogar, nach den Gärten und Aeckern zu urteilen, die er mit umschliesst, 
zu weit zu sein. Es ist mithin keine gewagte Hypothese, wenn wir 
annehmen, dass die Mauern, welche Venantius sah, noch die römischen 
waren. Was etwa durch die Zeit schadhaft geworden war, das hatte 
Bischof Vilicus sorgfältig ausbessern lassen °). 

Leider lässt sich aus der poetischen Schilderung des Italieners 
nur für diejenigen Teile der Stadt ihr Umfang erkennen, die auf der 
steilen Höhe liegen; nach Südosten zu, wo sich die Erhebung in das 
Gelände verliert, können wir eine Grenze aus des Venantius Worten 
nicht erschliessen ®). 


1) M. G. Auctores antiquissimi. Ven. Fortun: opp. Ad Vilicum ep. Met. III, XII: 


Hic ubi perspicuis Mosellam cursibus intrat 
Alterius vires implet et ipse perit (sc. Salia). 
Hoc Mettis fundata loco speciosa veruscans 
Piscibus obsessum gaudet utrumque latus. 


*) Prospicis umbroso vestitos palmite colles. 

#) Certatur varia fertilitate locus 
und vorher : Deliciosus ager ridet vernantibus arvis 

Hinc sata culta vides, cernis at inde rosas. 

‘) Urbs munita nimis, quam cingit murus et amnis, Pontificis merito stas 
valitura magis. X, IX, 1. Regibus occurens ubi Mettica moenia pollent. 

°) Das ergiebt sich aus dem eben citierten Verse, auf den meines Wissens 
bisher in diesem Zusammenhange noch nicht hingewiesen ist. 

*) Allerdings spricht Venantius von Colles, und wenn wir auf diesen Plural 
Wert legen wollen, so kann neben dem grossen Hügel im Norden der Stadt nur 
diejenige natürliche Erhebung in Betracht kommen, welche die heutige Citadelle 
bedeckt. Bis dahin hätte sich sonach die Stadt erstreckt. 


— 140 — 


Der Schilderung des Venantius stellt sich ein zweites Gedicht zur 
Seite, das gleichfalls die Gesamtlage der Stadt kennzeichnet. Es ist 
600 Jahre jünger als die Verse des austrasischen Hofpoeten ; wir können 
daraus aber entnehmen, dass sein Verfasser, der gelehrte Benediktiner- 
mönch Sigebert von (Gembloux, der die Stadt durch langjährigen 
Aufenthalt kannte, noch dasselbe Bild gesehen hat, wie es sich in 
fränkischer Zeit dem Auge darbot. Er schreibt'): 


Laudo minas muri quadris exaedificati, 

Non facilis solvi non expugnabilis hosti; 

Nam clivus murum, tutantur flumina clivum, 
Tutam sie extra, munit vis aggeris intra. 

Qua natura labat vires manus arsque ministrat 
Mensurans latum, stupeas succrescere longum 
Sique citus formam spectes, quid pulchrius unquam ? 
Juxta naturam metata suam posituram 

Pulchra placet visu, naturae pulchrior usu. 

Colle sedens modico, gemino mutata fluento 
Flumina dant murmur, dant propugnaculo robur. 

Die Worte besagen, dass die stark befestigte Stadt auf einem 
Hügel zwischen Mosel und Seille lag; dieser Lage dankt sie ihre Festig- 
keit, denn der Hügel schützt die Mauer, und die Flüsse gewähren dem 
Hügel Schutz. Im Verhältnis zu ihrer Breite zieht sie sich sehr weit 
in die Länge. Die Ausdehnung nach Süden kennzeichnet der Dichter 
in einem weiteren Verse: 


Virgineos thalamos in trino nomine trinos 
Collocat (sc. Adelbero) in mediis hujus sibi moenibus urbis. 
Unter diesen Frauenklöstern ist St. Peter in der heutigen Cita- 
delle, Ste. Marie ebenda und Ste. Glossinde, das bei dem jetzigen 
Bischofspalaste lag, gemeint. Diese drei also waren noch von der 
Mauer umschlossen und die Stadt erstreckte sich demnach von dem 
steilen Nordhügel bis zu der südlichen Erhebung, die am rechten Mosel- 
arım emporstieg. 
Doch Sigebert ist noch präciser in seiner Schilderung. Er führt 
auch die Thore auf: 
Quatuor ecce plagas per quatuor aspice portas, 
Scilicet Anatolen, Disin, Mesembrian, Arcton. 


') Vita Deoderici I, ep. Met., M. G.SS., IV, 477 ff. Unter dem Titel Eloge 
de Metz auch von Bouteiller, Paris 1881, mit freier französischer Uebersetzung 
und Kommentar herausgegeben. 


— 141 — 


Man könnte bedauern, dass die Stadtausgänge nur nach ihrer 
Himmelsrichtung bestimmt und nicht mit ihrem Namen genannt werden. 
Glücklicherweise aber setzt uns eine Quelle, die aus annähernd derselben 
Zeit stammt, in die Lage, wenigstens für drei Thore die genaue Lage 
zu bestimmen. 

Im Laufe des 12. Jahrhunderts ist ein Ceremoniale für die Kathe- 
drale verfasst worden'). Bei den Vorschriften für die verschiedenen 
Prozessionen wird nun auch der Weg bestimmt, den der Zug zu 
nehmen hat, und dabei werden als Thore genannt: die Porta Serpen- 
tina, die Porta Moselle und die Porta Salliae. 


Die Porta Serpentina entspricht genau dem heutigen Römerthor; 
denn die Prozession begiebt sich nach dem Durchschreiten dieses Stadt- 
Eingangs entweder nach Ste. Glossinde*) oder nach Ste. Marie?). Beide 
Klöster liegen aber links und rechts dieses Thores. 


Zur Porta Moselle führt ein Weg direkt von einer Brücke, die, 
wie ich später ausführen werde, nur die heutige Georgsbrücke sein 
kann‘); ausserdem wird die Lage des Thores durch eine Bulle Papst 
Innocenz Il. vom Jahre 1159 bestimmt). Hiernach war es der Sego- 
lenakirche unmittelbar benachbart. 


Die Porta Salliae endlich muss am Ausgange der Goldschmied- 
strasse, doch aber in gewisser Entfernung vom Seilleflusse gelegen 
haben. Es geht das daraus hervor, dass die Mönche von St. Arnulf, 
St. Clemens und St. Symphorian ausserhalb des Thores zurückbleiben 
mussten, um von hier direkt in ihre Klöster zu gelangen. Die Seille 
mussten sie dann bereits überschritten haben; denn der Weg, den 
sie zu nehmen hatten, führte links der Seille bei St. Martin vorbei). 


1) Prost. La cathédrale de Metz. Mém. de la soc. d’archéol. de la Moselle. 
1885. p. 117 ff. Die heutige Handschrift des Ceremoniale entstammt dem 13. Jahr- 
hundert; Prost sucht aber zu erweisen, dass die ursprüngliche Aufzeichnung dem 
12. Jahrh. angehört. Seine Gründe dafür sind nicht stichhaltig. Jedenfalls muss aber 
die Aufzeichnung vor 1223 stattgefunden haben. In diesem Jahre baut man die 
Mittelbrücke, die der Verfasser des Ceremoniale, wie später gezeigt wird, noch 
nicht kennt. Und in noch frühere Jahrzehnte wird es durch die Thatsache ge- 
wiesen, dass die neue (gotische) Kathedrale schon 1220 im Bau ist, das Cere- 
moniale aber noch die romanische Kirche voraussetzt. 

?) Prost 1. c. Preuves 99. 

®) Prost 1. c. Pr. 100. 

*) Prost 1. c. Pr. 106. 

°) Pflugk-Harttung. Acta pontificum Il, p. 283. Ecclesia s. Segolene ad 
portam Moselle. 

°) Prost 1. c. Pr. 107. 


Le, ae 


Ueber das vierte Thor giebt das Ceremoniale keinen Aufschluss; 
seine Lage bleibt späterer Erörterung vorbehalten. 

Die drei erstgenannten bestätigen aber die Schilderung des Sige- 
bert in trefflicher Weise. Jedenfalls ist der nördliche Teil der Stadt 
durch die Angaben der Dichter und des Ceremoniales fest umgrenzt, 
und für die Südfront ist ein zuverlässiger Richtpunkt gegeben. 

Es handelt sich jetzt darum, die Südstadt, vor allem nach ihrer 
Ostseite, auf der sich der Höhenzug im Gelände verliert, genauer ein- 
zukreisen. 

Vom Seillethor aus dürfen wir zunächst die alte Mauer, die wir 
für die römische Stadt gekennzeichnet haben, auch für die mittelalter- 
liche Umfestigung in Anspruch nehmen. Erfahren wir doch aus einer 
Urkunde, dass dieser Mauerzug erst 1235 abgebrochen wird!). Von 
der grossen Hirschstrasse an lässt sich aber diese Mauer nicht weiter 
verfolgen. Hier bietet zunächst die Lage der Martinskirche einen An- 
halt zu genauerer Bestimmung. 

S. Martin führt in den ältesten Urkunden und Chroniken, die es 
erwähnen, den Namen »in curtise oder auch »in hortis«. Die Kirche 
lag also in Gärten und solche werden wir mit grösserer Wahrscheinlich- 
keit vor als innerhalb der Mauer zu suchen haben. Diese Annahme 
wird bestätigt durch die Verordnungen, welche das Ceremoniale für 
die Markusprozession trifft. Danach soll sich der Festzug, nachdem er 
durch das Seillethor die alte Stadtbefestigung verlassen hat, von 
S. Simplicius zur Kirche S. Martin, dann nach S. Theobald und weiter 
nach den zahlreichen Kapellen, die auf dem Bann von Sablon und 
Montigny lagen, bewegen”). Nirgends wird gesagt, dass er zwischen 
S. Simplicius und S. Theobald von neuem ein Thor durchschreitet. 
Auch Abt Richer von S. Symphorian, der um 1135 lebte, bezeichnet 
in seinem Gedichte De laude urbis Metensis die Kirche als Stans me- 
dius portis Martinus floret in hortis?). Man kann diese Ausdrucksweise 
wohl nur so erklären, dass der Plural dichterisch für den Singular 
gebraucht wird, die Kirche demnach dicht vor dem Thore steht, andern- 
falls müsste man annehmen, dass die Kirche zwischen dem Martins- 
thore und der im 12. Jahrhundert wohl schon vorhandenen Poterna 
S. Nicolai lag. Jedenfalls ging also die Mauer hinter der Martinskirche 
hindurch. 


1) M. Bez.-A. 

?) Prost, La cathédrale de Metz. Pr. 104. 

#) Vita S. Martini, ed. R. Decker, Trier, Gymnasialprogramm. Auszugsweise 
auch in dem Jahresberichte der Gesellschaft für nützliche Forschung. Trier 1882. 


Pe ‚nz 
al 


— 13 — 


Ueber ihren weiteren Verlauf nach Süden giebt uns derselbe 
Richer einen Anhalt durch die Bestimmung des Punktes, in welchem 


die Ost- und Südfront zusammenstiessen. Er sagt vom Glossinden- 
kloster : 


Stat sacra Walthrada, stat cum Glodesinda Serena 
Cum niveis turbis, qua preminet angulus urbis. 


Hiernach hat die genannte Abtei gerade im Mauerwinkel gelegen 
und dazu passt vortrefflich, dass der dicht bei Ste. Glossinde gelegene 
Camoufleturm noch auf dem Merianschen Stadtplan als Eckturm er- 
Scheint. 

Die Lage der alten Westfront wird bestimmt durch eine Urkunde 
von 1295'). Hier wird von einigen Häusern gesagt, dass sie devant la 
porte az chevalx lagen. Die Porte aux chevaux befand sich in der 
Gegend der heutigen Regierungsbrücke. Wenn nun Häuser davor gebaut 
waren, so ergiebt sich aus dieser Lagebestimmung, dass das Thor nicht 
den Brückenübergang sperrte, sondern an den Berg angedrängt war. 

Bestimmtere Schlüsse gestattet uns eine Urkunde von 1192, nach 
welcher die Kirche S. Victor »in suburbio S. Stephanie lag 2); der Be- 
griff des Suburbiums besagt aber, dass es von der eigentlichen Stadt- 
mauer nicht umschlossen war. S. Victor ist heute verschwunden. 
Seine Stelle ist von einem Teile der Markthalle eingenommen; und 
zwar dürfte das dem Flusse zugekehrte Ende des rechten Flügels dieses 
Gebäudes am ehesten der Lage der kleinen Kirche entsprechen. Da 
der alte Bischofspalast sicher innerhalb der Mauer lag, so ist die Linie, 


welche für die Befestigung bleibt, ziemlich eng eingegrenzt. Sie hätte 


dann die Palaststrasse zwischen Bären- und Marienstrasse überschritten. 
Thatsächlich finden wir in dieser Flucht hinter den Häusern der Marien- 
strasse eine mächtige Futtermauer, die gleichzeitig die Grenze des Hôtel 
du Nord und der in der Marienstrasse anschliessenden Grundstücke bildet. 
Wiederum zeigt sich auch im Katasterplan an dieser Stelle dieselbe Er- 
scheinung, wie sie zwischen Ziegenstrasse und Ludwigsplatz zu bemerken 
war. Von der Ecke der Palast- und Marienstrasse an gerechnet vertiefen 
sich die Grundstücke der Marienstrasse von Haus zu Haus und zeigen 

1) M. Bez.-A. 

2) Urkunde Bischof Bertrams für S. Arnulf. M. Bez.-A. H. Allerdings heisst 
es in einer früheren Urkunde des Bischofs Benno von 926/7 capella S. Vietoris 
intra muros civitatis (Calmet I, pr. 338). Der Widerspruch kann wohl nur so 
gelöst werden, dass das Stadtgebiet bis zum Fluss mit in die Mauer einbezogen 
worden war, nach der früheren Lage aber und der noch vorhandenen alten Mauer 
die Benennung suburbium sich erhalten hatte. 


ae 


damit, dass sie sich an eine gegebene feste Grenze anlehnten. Un- 
mittelbar vor der Mauer breitet sich sodann der mächtige Bau des 
Amphitheaters aus, auf den ich später ausführlicher zurückkomme. 


Auch die Tradition über den Stadtteil Anglemur spricht dafür, 
dass die Mauer ursprünglich an der Höhe entlang führte. Anglemur 
ist ein Bezirk, der offenbar von angle, der Winkel, seinen Namen 
führte; die Mauer muss hier also einen auffallenden Winkel gebildet 
haben. Ueber die Ausdehnung dieses Viertels sind wir nicht vollkommen 
unterrichtet, wir wissen aber, dass ein Haus, das unterhalb des Domini- 
kanerklosters lag, zu Anglemur gehörte!). Es ist mithin die Gegend 
der heutigen Arnulfstrasse. Nach der anderen Seite stiess Anglemur 
an die Mosel?). Nun berichtet die Sage, Anglemur sei gleichzeitig mit 
Vezigneuf, Neufbourg und Ayest in die Stadtmauer eingeschlossen 
worden, habe aber im Gegensatz zu den drei erst genannten Quartieren 
noch lange Zeit wüst gelegen’). Wir werden später zeigen, dass diese 
Ueberlieferung insofern unrichtig ist, als Anglemur zweifellos früher 
wie Vezigneuf und Neufbourg zur Stadt gezogen wurde. Immerhin 
dürfte die Sage einen richtigen Kern insofern haben, als der Bezirk 
ursprünglich nicht zur eigentlichen Stadt gehörte. 

Es sind eine ganze Reihe wichtiger Richtpunkte, die sich für die 
frühmittelalterliche Mauer gewinnen liessen. Haben wir aber eine Bürg- 
schaft dafür, dass schon zu den Zeiten des Venantius Fortunatus der 
Stadtumfang derselbe war? Bei seiner Schilderung blieb eine Lücke 
offen. Wenn uns auch der Günstling der Brunhilde nach Norden zu 
das Stadtbild mit kräftigen Strichen gezeichnet hatte, für die Ausdehnung 
des südlichen Theils liess sich ein Aufschluss aus seinen Versen nicht 
gewinnen. Da wird es von Bedeutung sein, vom XII. Jahrhundert 
zurück zu gehen und den Beweis zu versuchen, dass die Befesti- 
gungsverhältnisse der Stadt seit der merovingischen Zeit die gleichen 
geblieben sind. 

Im Jahre 691 macht der Herzog Pippin eine Schenkung an die 
Basilica sanctorum apostolorum, das spätere Arnulfskloster, und be- 
zeichnet die Kirche als juxta urbem Mettis constructa®). Die Abtei 


1) Une maison en Anglemur desoz lez proichors. M. St.-A. Ban de tréf. 
von 1278. 
?) Anglez estoit sur la riviere 
Dessus la porte Lavandiere. 
Les Chroniques de la noble ville et cité de Metz, ed. Chabert. 1855. 
3) Vgl. darüber Prost, Legendes, p. 149. 
‘) M. G. DD. Merov. 92. Mühlbacher, reg. no 6, p. 5. 


[>] 


— 145 — 


St. Arnulf lag etwas südwärts des heutigen Bahnhofs '): bis dahin reichte 
mithin die Stadt nicht. Andererseits wird uns in einer Urkunde von 
715?) von der Schenkung eines Hauses berichtet »in loco qui dicitur 
Romana Sala infra murum«. Nach Prosts gründlichen Untersuchungen 
lag der Häuserkomplex, welcher Romana Sala genannt wurde, zwischen 
Bank- und Priesterstrasse, erstreckte sich aber über die Ponceletstrasse 
hinüber bis auf die heutige Esplanade?). Wir werden sonach sagen 
dürfen, dass die jetzige Esplanadenstrasse noch innerhalb der Mauer 
lag und erhalten für die Umfestigung eine Südgrenze zwischen der 
genannten Strasse und dem Arnulfskloster. Zu genauerer Bestimmung 
verhilft eine Urkunde von 781). Hier heisst es vom Peterskloster, es 
liege »infra muro Mettis civitate«. Die Peterskirche steht noch heute: 
sie ist das vom Militärfiskus als Brieftaubenstation benutzte basilikale 
Gebäude in der Citadelle?). Mit dieser Ortsbestimmung wird die ge- 
samte heutige Esplanade in den alten Mauerring eingeschlossen. 

Ebenso alt wie das Peterskloster ist die Abtei Ste. Glossinde. Von 
vornherein dürfen wir annehmen, dass dieselbe als Frauenkloster inner- 
halb des schützenden Mauerrings gegründet wurde und eine Urkunde 
von 945°) bestätigt auch ausdrücklich diese Annahme. 

Diese urkundlichen Nachweise dürften hinreichend erweisen, dass 
bis in das VII. Jahrhundert, ja bis in die ersten Jahrzehnte desselben 
die Stadt nach Süden und Osten die gleiche Ausdehnung hatte, wie sie 
für die Mauer des XII. Jahrhunderts sich festlegen liess. Da wir Grund 
zu der Annahme hatten, dass Venantius noch die römische Mauer 
gesehen und ihre Lage geschildert hat, so ist jetzt die Berechtigung 
seschaffen, die mittelalterlichen Reste mit den römischen in Verbindung 
zu bringen. 

Zunächst mögen die einzelnen Richtpunkte und Mauerreste der 
reichsstädtischen Zeit zusammengestellt und durch gerade Linien ver- 
bunden werden. Es ergiebt sich folgendes Bild: Vom Moselthor, 
dem Höhenrande folgend, führt die Umfestigung zwischen Naglergasse 


1) Die Lage lässt sich genau nach einer alten Flurkarte bestimmen, in 
welcher das Kreuz noch eingetragen ist, das zur Erinnerung an den dereinstigen 
Hochaltar der Abteikirche im XVI. Jahrhundert errichtet wurde. Danach lag die 
Abtei an der linken Seite des Weges, der heute dicht hinter dem Bahnhofe vom 
Hauptwege ab nach der Augnystrasse führt. 

>) M.G. DD. Merov. 214. Mühlbacher, reg. no 27, p. 9. 

») Mém. de l’acad&mie de Metz, 1879/80, p. 123 ff. 

‘) Calmet I, 290. Mühlbacher, reg. n° 236. 

°) S. die Arbeit Knitterscheids, Jahrb. IX, p. 97 ff. 

°) Calmet I, 359: infra muros urbis. 


10 


— 146 — 


einerseits, Kapuziner-, Paradies- und Gerberstrasse andererseits nach 
dem Seillethor am Ausgange der Goldschmiedstrasse, biegt von hier 
etwas nach links ab, um sich zwischen Ziegenstrasse und Ludwigsplatz 
bis etwa No. 12 der Hirschstrasse durchzudrängen. Weiter zieht die 
Linie nach der Turmseite der Martinskirche und trifft hinter der heutigen 
Glossindenkapelle auf den Camoufleturm, der die Ecke zur Südfront 
bildet. Dieselbe zieht sich durch das heutige Römerthor hinter der 
Abtei S. Marie (jetzt Stall der Kriegsschule) hindurch. Die Westfront 
umschliesst S. Peter, indem sie ein Stadtviertel unterhalb des Berges 
bis zur Mosel hin draussen liegen lässt, geht zwischen Bären- und 
Marienstrasse entlang über die Palaststrasse und durch die heutige 
Markthalle. Auch weiter hält sie die Höhe, sodass die Birnbaumstrasse 
innerhalb, die Gartenstrasse vor der Mauer liegt. Vor der Georgsbrücke 
biegt sie sodann scharf nach Osten und stösst hinter Ste. Segolene wieder 
auf das Moselthor. 

Lassen sich nun in diese Linien die römischen Reste zwanglos 
einfügen ? 

Vom Moselthore ostwärts zieht noch heute in den Häuserfunda- 
menten die alte Mauer, die durch die Turmreste in der Kapuzinerstrasse 
und durch Philipp v. Vigneulles Erzählung über Entdeckungen in der 
Gerberstrasse als römisch charakterisiert ist. Sie fällt durchaus mit 
der mittelalterlichen Umfassungslinie zusammen. Die Mauerreste zwischen 
Goldschmied- und Grosser Hirschstrasse liessen sich gleichfalls als römisch 
ansprechen. Der von den Benediktinern gemeldete römische Mauerrest 
hinter Ste. Glossinde passt vollkommen in die mittelalterliche Linie. 
Auf der Südfront fällt die von Parnajon in den Türmen des Wassieux 
und des Lenniers, desgleichen die von Tabouillot in der Tour d’Enfer 
constatierte römische Umfassungsmauer mit der mittelalterlichen zu- 
sammen. Die Mauerblöcke hinter S. Peter bestätigen, dass auch die 
frühmittelalterliche Mauer hier auf halber Höhe entlang zog — der 
Höllenturm muss demnach die Ecke gebildet haben — und Ledains 
Entdeckung römischer Reste im Hause des Divisionskommandeurs fügt 
sich vollkommen zu der hinter S. Victor hindurchziehenden Mauer der 
karolingischen Zeit. Zwischen Garten- und Birnbaumstrasse sind römische 
und reichsstädtische Befestigung identisch. Vor der Georgsbrücke aber 
führen noch heute grossartige römische Mauerreste auf die Stelle zu, 
die im XII. Jahrhundert das Moselthor einnahm. 

Damit ist der Nachweis erbracht, dass römische und frühmittel- 
alterliche Mauer in ihrer Lage identisch waren und es bietet sich jetzt 
eine neue Grundlage, die für die örtliche Erforschung der noch vor- 


— 147 — 


handenen Reste sichere Anhaltspunkte giebt. Ausgefallen ist bisher 
das Stück zwischen Gartenstrasse und Kirche S. Victor, das Gebiet 
also, das von der Kathedrale bedeckt ist. Wir werden annehmen 
dürfen, dass hier die römische Mauer dem Gelände folgend von 
der geraden Linie auswich und den steilen Abfall auch da benutzte, 
wo er als Vorberg nach Westen zu herausspringt. Ein Beweis für 
diese Annahme lässt sich aus dem Berichte des Gregor v. Tours!) und 
des Paulus Diaconus?) über den Hunneneinfall herleiten. Die ganze 
Stadt, schreiben beide, sei verbrannt, mit Ausnahme des Oratoriums 
S. Stephani, d.h. des kleinen Bethauses, das am Platze der späteren 
Bischofskirche lag. Man wird die Richtigkeit dieser Nachricht, an der 
man nicht zu zweifeln braucht, nur verstehen können, wenn man an- 
nimmt, dass dies Oratorium nach drei Seiten hin durch den steilen 
Bergabfall gedeckt und nach der Stadt zu mit einer besonderen Mauer 
umzogen war. 

Kraus halte am Schlusse seiner topographischen Beschreibung 
von Metz geäussert, die Mauer biete eine unregelmässige Gestalt dar 
und vermutete deshalb, dass hier die Anlehnung an die bereits be- 
stehende Stadt der Mediomatriker massgebend war. Die vorstehende 
Untersuchung ergiebt dagegen, dass der Stadtplan, von kleinen, durch 
die Bodenbeschaffenheit bedingten Ausweichungen abgesehen, fast voll- 
ständig rechteckig war, dem Grundtypus des römischen Stadtbildes also 
durchaus entsprach. 

Ebenso lässt sich in der Strassenanlage noch heute der charakte- 
ristische Grundzug römischer Städte erkennen. Eine römische Stadt 
entstand nicht gleich den modernen und mittelalterlichen im langsamen 
Verlauf der Zeiten von einzelnen Häusern zum Dorf, vom Dorf zur Stadt 
anwachsend. Sie wird auf einmal geschaffen durch einen einzigen 
politisch-religiösen Akt. Nach dem Vorbilde des Lagers war sie im 
wesentlichen in vier Regionen eingeteilt, die durch die beiden sich 
kreuzweis schneidenden Hauptwege, den Decumanus und Cardo maxi- 
mus bedingt waren. Parallel dem Decumanus wie dem Cardo liefen 
sodann Decumani und Cardines von geringerer Breite. Die Richtung 
des Decumanus und des durch ihn bedinsten Cardo wurde nach der 
Sonne bestimmt, insofern bei Anlage des Strassenplanes der Priester 
mit dem Visierinstrument an gegebenem Tage vom zukünftigen Kreuzungs- 


') Gregorius Tur. 1. c. 

*) Paulus diaconus, Gesta epp. Mett. M. G. SS. II, 260ff. Vgl. zu dieser 
Auffassung auch Prost, Les légendes, p. 322, der gleichfalls einen richtigen Kern 
des angeblichen Wunders anerkennt und dieselbe Erklärung dafür abgiebt. 


10* 


— 148 — 


punkt der Hauptstrassen aus die Richtung feststellte, in welcher die 
Sonne aufeing. Diese Linie war massgebend für die Strassenanlage !). 
Die vier Strassen endeten in Thoren; doch war es nicht ausgeschlossen, 
dass sich die Mauern auch an anderen Stellen öffneten und Haupt- 
thore fehlten. 

Betrachten wir nun den Metzer Stadtplan, so fällt uns sofort für 
den südlichen Teil der inneren Stadt, soweit derselbe von der alten 
Mauer umschlossen war, eine ausserordentliche Regelmässigkeit auf, 
eine Regelmässigkeit, die noch mehr hervortreten würde, wenn die 
Fortsetzungen von Bank- und Priesterstrasse, die sich zweifellos über 
den heutigen Wilhelmsplatz hinzogen?), durch die Umwälzungen des 
XVI. Jahrhunderts nicht verschwunden wären. 

Diese Regelmässigkeit lässt sofort erkennen, dass wir hier eine 
planmässige Anlage vor uns haben und nicht eine Stadt, die den wach- 
senden Bedürfnissen entsprechend sich allmählich entwickelt hat. 


Die Richtigkeit dieser Annahme zeigt uns einmal der Vergleich 
der übrigen Stadtteile, sodann aber auch das Stadtbild anderer deut- 
scher Städte. Betrachtet man beispielsweise die Gebiete Outre Seille und 
Outre Moselle, so gewahrt man sofort, dass da von einer planmässigen 
Anlage nicht die Rede sein kann. Hier wie dort ist eine lange Strasse 
vorhanden gewesen, an welche sich rechts und links die Niederlassungen 
planlos, allein durch die Geländeverhältnisse bestimmt, angesetzt haben. 
Ebenso verhält es sich mit den Stadtteilen, die später die Namen Neuf- 
bourg und Ayest führten. Wie es mit dem Gebiete zwischen Gold- 
schmiedstrasse und der Nordgrenze der alten Stadt steht, ist schwer 
zu sagen. Die Römerstrasse hat ja hier sicher eine geradlinige Fort- 
setzung in Ladoucetten- und Stationsstrasse, auch die Birnbaum- und 
Geisbergstrasse könnte man schliesslich als Fortsetzungen der Priester- 
strasse ansehen. Die kleineren Strassenzüge haben aber ein so wenig‘ 
regelmässiges Gepräge, dass man annehmen darf, dieser Teil der Stadt 
sei nicht ursprünglich in den römischen Gründungsplan eingeschlossen 
gewesen’). Das ist um so wahrscheinlicher, als vor der römischen hier 
eine gallische Niederlassung existiert hat, die bei der römischen Erobe- 
rung nicht zerstört worden ist. Die geradlinige Fortsetzung der Römer- 


1) Vol. darüber Nissen, Das Templum, Berlin 1869. 

?) Leider besitzen wir nicht einen Stadtplan aus der Zeit vor Anlage der 
Citadelle. Der Plan Salignacs ist für die Strasseneinteilung der Stadt zu ungenau, 
als dass sich daraus Klarheit gewinnen liesse. 

®) Die Gartenstrasse, welche Fritz, Deutsche Stadtanlagen, als charakteristisch 
für die römische Anlage erwähnt, ist eine neuere Anlage des 18. Jahrhunderts. 


— 149 — 


strasse wird hiernach wohl so zu erklären sein, dass im Laufe der 
Jahrhunderte, welche die römische Herrschaft währte, eine allmähliche 
Angleichung der beiden ursprünglich selbständigen Niederlassungen statt- 
gefunden hat. 

Auch der Vergleich mit anderen Städten zeigt deutlich, dass die 
Regelmässigkeit des Metzer Planes durchaus keine Erscheinung ist, die 
mittelalterlichen Stadtgebilden eigentümlich ist. Wie die Beispiele von 
Rostock, Lübeck, Bremen, Frankfurt a. M.!) zeigen, sind diese Orte 
entstanden wie die Jahresringe eines Baumes. Gewöhnlich ist die 
Hauptkirche der Mittelpunkt, um den herum sich die Strassen und 
Plätze mit ihren zahllosen Winkeln und Gässchen im Laufe der Jahr- 
hunderte angesetzt haben. 


Von den beiden Hauptstrassen der römischen Stadt werden wir 
den Decumanus zweifellos in der Römerstrasse und deren Fortsetzungen 
zu sehen haben. Aus eigener Anschauung kann ich feststellen, dass 
die von Toul nach Metz laufende Strasse in ihrer Richtung auf die 
heutige Römerstrasse traf?). Wir werden mithin annehmen dürfen, 
dass die frühmittelalterliche an dieser Stelle liegende Porta Serpentina 
der Porta Praetoria entsprach. Ob die alte Porta decumana ursprüng- 
lich in der Gegend der kleinen Pariserstrasse gelegen hat, muss bei. 
jeslichem Mangel einer analogen Stadtanlage dahingestellt bleiben; 
jedenfalls ist aber in der späteren römischen Zeit das nördliche Stadt- 
thor mit dem mittelalterlichen Moselthor am Ausgange der Trinitarier- 
strasse identisch gewesen. 


Von den Cardines wird sich noch am ersten die heutige Gold- 
schmiedstrasse als cardo maximus bezeichnen lassen. Sie mündet nach 
Osten zu in eines der Hauptthore, die spätere Porta Salliae. Nach 
«Westen hin ist sie im Mittelalter durch den Kirchenbezirk und das 
Claustrum gesperrt gewesen. Aber auch in römischer Zeit dürfte hier 
kaum ein Thor gewesen sein, da der Abfall des Geländes viel zu steil 
war. Eher könnte man einen Ausgang vor der heutigen Palaststrasse 
annehmen. Die Friedensstrasse, welche heute die Fortsetzung der 
Palaststrasse bildet, ist freilich erst eine junge Anlage und für die ältere 
Zeit hat hier das Johanniterkloster den Ausgang gesperrt. Aber auch 
in römischer Zeit hat dort ein mächtiges Bollwerk vorgelegen, das 
merkwürdiger Weise bis heute noch keine Beachtung gefunden hat. 

1) J. Fritz, Deutsche Stadtanlagen. 

?) Die Strasse wurde beim Bau der Friedrich Karl-Kaserne freigelegt. Sie 
zieht sich hier genau unter der heutigen Wache durch. 


Aus den Grundmauern der dort liegenden Häuser schliesse ich, dass 
hier ein Amphitheater seinen Platz hatte, und bei Untersuchung des 
Mauerwerks ergab sich in der That, dass der für die spätrömische 
Zeit charakteristische Ziegeldurchschuss in diesem Bau angewendet ist. 
Jedenfalls verdienten diese Reste eine eingehende bautechnische Unter- 
suchung und Aufnahme !). Immerhin würde aber auch ein Amphitheater 
ein Thor nicht ausschliessen ; im Gegenteil: wie in Trier könnte es gerade 
als Thordeckung gedient haben. Trotzdem glaube ich, dass ebenso- 
wenig wie vor der oberen Goldschmiedstrasse im Amphitheater ein Thor- 
ausgang gewesen ist. Einem Thor an dieser Stelle müsste jedenfalls 
ein Brückenübergang über die vorbeiströmende Mosel und eine Strasse, 
die sich an die Brücke anschliesst, entsprechen. Von einer Strasse 
ist aber keine Spur vorhanden und niemals sind auf der Strecke von 
der heutigen Mittel- zur Totenbrücke irgend welche Funde gemacht, die 
auf römisches Kulturland schliessen lassen. Wir dürfen vielmehr an- 
nehmen, dass die einzige Brücke, welche den Uebergang von der Stadt 
zum linken Moselufer vermittelte, an der Stelle der heutigen Georgs- 
brücke lag. Als Beweis dafür darf eine merkwürdige Entdeckung gelten, 
die A. Prost im Jahre 1868, als der Wasserstand der Mosel ein ausser- 
ordentlich niedriger war, draussen im Hauptarme des Flusses zwischen 
der heutigen Totenbrücke und Diedenhofener Brücke gemacht hat?). 
Er fand dort die Untermauerung von Brückenpfeilern, die in ihrer 
Längsaxe vom Ausgange der alten rue d’Eltz (jetzt Hollandrestrasse) 
nach dem linksufrigen Zugange der heutigen Totenbrücke wiesen. Sie 
divergirt mithin mit der letzteren und konnte nur für einen Verkehr 
bestimmt sein, der aus dem Nordteile der Stadt über die heutige Georgs- 
brücke führte. 


1) Der äussere Längsdurchmesser des Ovals beträgt 80 m; die Breite 50 m? 
Den Längsdurchmesser der inneren Linie messe ich auf 40 m, die innere Breite 
auf 30 m. Diese Zahlen geben jedoch nur annähernd die exakten Maasse; sie 
sind genommen nach dem neuen Katasterplan von Metz (1:4000), jedoch ist zu 
berücksichtigen, dass das Oval nicht mehr in seiner ganzen Linie erhalten ist. 
Das gesamte Oval wird jetzt durch die Friedensstrasse durchschnitten. Die Aussen- 
mauern sehe ich in den Häusern St. Ludwigsstr. 9, 11, 13, 15, 3, Friedenstr. 4, 
2, 1, Fasanenstr. 11, 9, 7; die Innenmauern in den Häusern Ludwigstr. 9, 11, 13, 
15 und 1bis, In einer Abbildung von Chastillon aus dem Jahre 1614 ragen die 
Aussenmauern, die durchweg mit Ziegeldurchschuss gearbeitet sind, noch in statt- 
licher Höhe empor und sind schon damals .als Reste eines Amphitheaters ange- 
schen worden. Chastillon überschreibt dieses Blatt: Les ruines tres antiques 
d’un amphiteastre qui se voit encore a present au bort de la Mozelle dans la 
ville de Metz. 

*) Bull. de la soc. d’archéol. de la Mos., 1868, p. 115. 


BR 


ds 


Die Brücke war gebaut aus weissen Kalksteinen, wie sie hier in 
römischer Zeit und bis in das 12. Jahrhundert gebräuchlich sind. 
Gleichzeitig fanden sich aber auch römische Grabsteine darin einge- 
mauert und das deutet darauf hin, dass die Brücke in derselben Zeit 
entstanden ist, wie die Mauer, die, wie wir gesehen haben, dasselbe 
Baumaterial aufweist. Jedenfalls hatte die Stadt im IV. Jahrhundert 
das grösste Interesse daran, dass ihre Verbindung mit den noch vor- 
handenen römischen Reichsteilen durch die eindringenden Franken und 
Allemannen nicht abgeschnitten wurde. Sie hat aus diesem Grunde, 
wie ich früher gezeigt habe, mit äusserster Zähigkeit die befestigte 
Strasse über Delme und Tarquimpol zu halten gesucht, aber wichtiger 
noch musste es ihr sein, dass eine feste Brücke, die durch einen Handstreich 


nicht vernichtet werden konnte, die Verbindung nach Westen offenhielt. 


Wenn wir die mittelalterliche Topographie der Stadt ins Auge 
fassen, so finden wir auch damals noch, dass der gesamte Verkehr 
nach dem linken Moselufer über die Georgsbrücke führte und eine 
andere Brücke überhaupt nicht vorhanden war'); damit werden die 
früheren Beweismomente wesentlich in ihrer Zuverlässigkeit verstärkt. 

Der Annahme, dass auf der Westseite der Stadt zu römischer 
Zeit überhaupt kein Thor vorhanden war, widerspricht nun allerdings 
scheinbar die Schilderung, welche uns Sigebert von Gembloux von den 
Thoren des XII. Jahrhunderts erhalten hat. Er sagt: 


(Juatuor ecce plagas per quatuor aspice portas 
Scilicet Anatolen, Disin, Mesembrian, Arcton. 
Das sind also noch die vier nach den Himmelsrichtungen orientierten 
Hauptthore und es sieht ganz danach aus, als hätten wir es mit den 


1) Das ergiebt sich unzweideutig aus dem Ceremoniale des XII. Jahrhunderts. 
Bei der Lukasprozession heisst es (Manuscript f. 28, 29; die Stelle, auf die mich Herr 
Pfarrer Paulus aufmerksam machte, fehlt bei Prost): Postea precedat crux et incipiat 
cantor Antiphonam. Dein incipiat istas: S. Maria — Salvator mundi — Beati estis.. nec 
plures cantabunt ad S. Vincentium, si in navi transituri sunt aquam, si autem ituri sunt 
per pontem, cantabunt.... de S.Georgio.... de S. Polieucto et Livario, ad ultimum de 
S. Vincentio usque ad ecclesiam ipsius. Und an anderer Stelle (f.44): Ipso die fieri solet 
processio ad S. Vincentium sive per pontem sive per navim. Si in navi transituri sunt 
aquam, processio fiat sicut in festo S. Luciae, si autem per pontem ituri sunt etc. 

Hiernach giebt es nur eine Brücke; denn es heisst einfach: die Prozession 
soll über die Brücke gehen; eine nähere Bezeichnung erscheint dem Verfasser 
ganz überflüssig. Wo diese Brücke aber lag, ergiebt die Wahl der Gesänge, 
welche sich nach den Kirchen richtet, die berührt werden. Es ist das S. Georg 
und S. Livarius; diese standen aber unmittelbar jenseits der Georgsbrücke. 

Auch weitere Stellen bestätigen, dass die Georgsbrücke gemeint ist. So 
die Schilderung der Prozession am prima die Rogationum (Prost, pr. 98): Nach- 


— 12 — 


Maueröffnungen römischer Zeit zu thun. Thatsächlich entsprechen auch 
drei dieser Thore der römischen Stadtanlage. Wenn wir nun auch 
nicht daran zweifeln können, dass zu Sigeberts Zeiten auf der West- 
seite ein Thorausgang war, so ist doch zu bedenken, dass, wie im 
zweiten Teile dieser Arbeit nachgewiesen werden wird, gerade nach 
Westen hin sich sehr bald ein Suburbium ausserhalb der Mauer bis 
zur Mosel gebildet hatte (das Suburbium S. Stephani). Um den Ver- 
kehr dahin zu ermöglichen, musste natürlich die auf der Höhe entlang 


dem die Prozession vom St. Quentin zurückkommt, geht sie nach S. Martin, S. Mar- 
cell, S. Vincenz ... S. Polieuctus, S. Livarius, S. Medardus, S. Georg. Cum autem 
Domini pertransierint pontem etc. Bei S. Georg muss also die Brücke gewesen 
sein. Ebenso beweisend ist, dass die Weihe des Moselwassers, die von einer 
Brücke aus stattfindet, am Feste des heiligen Georg ist. Damit ist gekennzeichnet, 
dass die Georgsbrücke gemeint ist; die Prozession begiebt sich nach der Weihe 
auch in die Georgskirche (Prost, pr. 103). Endlich schreibt das Ceremoniale für 
den Tag der Marcusprozession vor: Interim ordinabunt se monachi S. Martini in- 
ferius, monachi S. Vincentii superius a sinistra parte illius vie que ducit a ponte 
ad Portam Moselle (Prost, pr. 106). Hier haben wir also durch die Bezeichnung 
des Weges, der von der Brücke zum Moselthore führt (die heutige Metzger- 
strasse), den absolut sichern Beweis, dass unter der Brücke die Georgsbrücke 
gemeint ist. Eine andere Brücke gab es also überhaupt nicht; denn wenn die 
Prozession, die nach S. Vincenz geht, nicht die Georgsbrücke benutzen will, muss 
sie den Moselübergang per navim bewerkstelligen. 

Wir haben nun auch eine Urkunde, durch welche positiv bestätigt wird, 
dass die Mittelbrücke erst 1223 gebaut ist. Hier heisst es: Je Conrart par la 
graice de Dieu de Metz et de Spire evesques ... cognissant faisons ... que nous 
avons estaublis par le conseil de la clergiet et de tout le commun de Metz que 
qui oncques moroit ... dedans l’arcepresterie de Metz donreit pour Deu et pour 
son aime az nouvel pont que nous faisons parmey Moselle en droit l’ospitalz en 
Chambres le milleur warnement de robes part qu'il averoit au jour de sa mort. 
(Hist. de M., III, pr. 185). Diese Urkunde ist von Kraus, Kunst und Altertum II, 
365, mit Unrecht auf die Totenbrücke bezogen worden; denn nach der Orts- 
bestimmung en droit l’ospitalz en Chambres kann gar kein Zweifel sein, dass die 
Mittelbrücke gemeint ist. Auch geht aus dem Wortlaut hervor, dass es sich nicht 
um Wiederherstellung einer alten Brücke handelt; denn dann würde diese be- 
reits einen Namen gehabt haben und mit diesem benannt werden. Bei den Pro- 
zessionen des 13. Jahrhunderts, wie sie im Ceremoniale S. Arnulf geschildert 
werden, wird die neue Brücke bereits benutzt. Sie heisst medius pons, und an 
anderer Stelle pons mortuorum. (Das Ceremoniale ist gedruckt bei Ledain, Mem. 
de la soc. d’archeol. de la Mos., 1879, p. 217 ff.) Dies Ceremoniale muss nach 
1236 verfasst sein, denn an einer Stelle heisst es: locus ubi quondam fuit porta 
Salie. Die Mauer dich! neben dem Thore wird in diesem Jahre verkauft. 
(M. Bez.-A. G. 972). Dass die Strasse im Anschluss an die Georgsbrücke uralt 
ist, beweist auch ihr ältester Name Vicus Francorum. Wir dürfen schliessen, 
dass an dieser Strasse sich zuerst Franken angesiedelt haben; die Namengeber 
müssen noch Keltoromanen gewesen sein. 


Le 


— 13 — 


ziehende Mauer durchbrochen werden. Ich nehme an, dass Sigebert 
mit seinem Westthore die seit dem XIII. Jahrhundert urkundlich belegte 
porte des chevalx oder das Thor an der Mittelbrücke selbst (Anglemur) meint. 

Von den römischen Strassennamen aus der inneren Stadt hat 
Keune bereits auf den Vicus pacis und Vicus honoris aufmerksam ge- 
macht. Ich halte es nicht für unmöglich, dass ausser diesen beiden 
Namen auch in der Jeurue ein römischer Name steckt. Allerdings wird 
schon im XII. Jahrhundert dieser Name als Judeorum vicus übersetzt. 
Berücksichtigen wir aber, dass eine der vornehmsten Paraigen der 
Stadt sich »Jeurue« benennt, so muss es sehr zweifelhaft erscheinen, 
ob es nach den Begriffen damaliger Zeit angängig ist, den vornehmsten 
Geschlechterverband der Stadt vom » Judenviertel« seinen Namen nehmen 
zu lassen. Dass in dieser Strasse jemals Juden gewohnt haben, ist 
niemals nachgewiesen worden. Ich vermute deshalb, dass in dem 
Bestimmungsworte der Name Jovis steckt. Wir hätten es also mit 
einem Jovis vicus zu thun ') ?). 

Schliesslich bestätigt auch die Anlage der römischen Begräbnis- 
plätze, was wir über den Umfang der Stadt feststellen konnten. Be- 
kanntlich haben die Römer ihre Toten längs den aus der Stadt führenden 
Strassen beerdigt. In Metz wird dies dahin zu modifizieren sein, dass 
an den steilen Abhängen die Anlage von Gräbern ausgeschlossen war. 
Da aber, wo die nach Osten und Westen führenden Strassen in das 
Flussthal gelangten, bot sich ebenso wenig Platz um Tote zu bestatten. 
Wir werden also anzunehmen haben, dass erst jenseits der Mosel und 
Seille die Begräbnisstätten lagen. In der That fand man im Jahre 1890 
rechts von der Diedenhofener Strasse in dem Anwesen des Herrn Fürst 
eine grosse Zahl von Steinsärgen, die zum Teil auch mit Ziegelcement- 
deckeln geschlossen waren. Beigaben wurden leider nicht gefunden, 
da die Särge schon früher geöffnet worden waren. Es ist mithin nicht 
ausgeschlossen, dass sie der merovingischen Zeit angehörten; die Wahr- 
scheinlichkeit spricht aber dafür, dass sie römischer Herkunft sind. 


7 

') Sprachlich ist das durchaus möglich. Die Form Jovis entwickelt sich 
auch im Worte jeudi zu Jeu. Im XII. Jahrhundert konnte dieses Wort aber nur 
als »juif« verständlich sein. 


?) Vor der eigentlichen Stadt müssen sich schon sehr früh an den grossen 
Strassen weitere Siedelungen angegliedert haben. Ich entnehme dies dem ältesten 
Namen, den die Diedenhofener Strasse führt: vicus Francorum. Dieser Name 
kann nur von einer nichtfränkischen Bevölkerung gegeben sein und als solche 
kommt nur die romanokeltische in Betracht; es ist dies auch wieder ein Beweis 
dafür, dass die alte Bevölkerung auch nach Ausbreitung der fränkischen Herrschaft 
hier sesshaft geblieben war. 


154 — 


Jedenfalls bestätigt aber dieser Rest eines Grabfeldes, dass hier eine 
uralte Strasse aus der Stadt führte und diese wiederum ist nur denk- 
bar, wenn wir annehmen, dass hier eine Brücke über den Fluss leitete, 
ein Uebergang also, der der heutigen Georgsbrücke entspricht. 

Auf der Gegenseite sind jenseits der Seille in der Deutschen Strasse, 
dicht vor der Euchariuskirche, zwei Skelettgräber gefunden, welche aus 
dachförmig zusammengestellten Flachziegeln hergestellt waren. Jenseits 
der äusseren Seille kam auch im Jahre 1895 dicht vor dem Deutschen 
Thore, auf der linken Seite der Strasse, ein römisches Brandgrab zum 
Vorschein. Keune hat sodann auf weitere Grabfunde, die an derselben 
Strasse in den Jahren 1677 und 1678 gemacht wurden, hingewiesen. 
Jedenfalls steht damit fest, dass auch auf der Ostseite ein Begräbnis- 
platz war, der sich ursprünglich wohl bis zum inneren Seillearm er- 
streckte. Es scheint hiernach, als ob die Deutsche Strasse der älteste 
Weg war, der aus dem Seillethore nach Osten führte. 

Das grosse Grabfeld im Süden der Stadt, nach Sablon und Mon- 
tigsnv zu, ist so bekannt, dass hier nicht weiter darauf hingewiesen 
zu werden braucht. 

Ob im Norden ein Grabfeld war, lässt sich bis heute nicht erweisen. 
Allerdings wurden beim Umbau der Segolenakirche Steinsärge blosgelest, 
die, wie es scheint, gleichfalls römischer Herkunft waren. Ich bemerke 
aber ausdrücklich, dass für die Existenz eines nördlichen Begräbnis- 
platzes eine Sicherheit vorläufig fehlt. Es wird von weiteren Funden 
abhängen, ob die Segolenasärge römischer Herkunft gewesen sind. 

Fassen wir noch einmal kurz die Hauptergebnisse dieser Unter- 
suchung zusammen, so ergeben sich folgende Abweichungen von der 
bisherigen Ansicht: 

1. Die Mauer der Westseite lief nicht an der Mosel, sondern auf 
der Höhe entlang. Sie war vom Flusse so weit entfernt, dass 
sich zwischen ihr und dem Wasser das suburbium St. Stephani 
und der Stadtteil Anglemur entwickeln konnte. 

2. Ein Abschluss der Stadt zwischen Martinskirche und Mittel- 

brücke existierte nicht, vielmehr war 

3. der gesamte Stadtteil, den die heutige Esplanade, die Citadelle 
und die Häuserviertel zwischen Römerallee und Gefängnisstrasse 
einnehmen, in die römische Stadt eingeschlossen. 

4. Die Südfront der Stadt bildete eine gerade Linie vom Höllen- 
turm nach dem Camoufleturm. 


oo 


— 15 — 


Gallo-römische Kultur ın Lothringen und 
den benachbarten Gebieten. 


Von J. B. Keune. 


Mit dem Jahre 50 v. Chr. war Gallien bis zum Rheine befriedet, 
»pacata«, wie der harmlose Ausdruck blutigen Inhaltes lautet. Damit 
waren Völkerstämme der römischen Herrschaft unterworfen, welche 
durch Sprache und Sitten sich wesentlich von ihren Bezwingern, den 
Römern, unterschieden; mit ihnen die Mediomatriker, welche noch im 
Jahre 52 an der Auflehnung der meisten gallischen Völkerschaften gegen 
die römische Herrschaft beteiligt gewesen!), mit ihnen die Treverer, welche 
im Jahre 53 bezwungen, jenem Aufstand aber ferngeblieben waren. 
Und spätestens 70 Jahre nachher belehren uns Steinurkunden, dass 
Nachkommen jener Gallier in ihrer keltischen Heimat ganz nach rö- 
mischem Brauche in der Sprache der Römer abgefasste Inschriften 
aufgestellt haben. So haben — um äuf zwei Inschriften mit Jahres- 
angaben im Steinsaal des Metzer Museums (No. 107 und 108) hinzu- 
weisen — die Bewohner eines Dorfes keltischen Namens in der For- 
bacher Gegend, vielleicht der (an einer von Metz nach Mainz führenden 
Römerstrasse gelegenen) Ansiedlung auf dem Herapel bei Kochern, im 
Jahre 20 nach Chr. dem Kaiser Tiberius?), und im Jahre 43—44 
n, Chr. haben die keltischen Bewohner des heutigen Marsal, die »vicani 
Marosallenses«, dem Kaiser Claudius”) lateinische Ehreninschriften ge- 


1) S. Anhang I A, wo überhaupt alle Metz und die Mediomatriker betref- 
fenden Zeugnisse zusammengestellt sind. 

2) No. 107 (Lorrain, Hoffmann) = Brambach C. I. Rhen. No. 757; Robert IT, 
S.3 ff. mit pl. VI, 1. Aus Rossbrücken, wohin er vom nahen Herapel ge- 
langt sein soll, kam der Stein in eine Privatsammlung zu Saarlouis; von hier ins 
Metzer Museum. Die Inschrift ist in der Zeit zwischen dem 27. Juni 20 und dem 
1. Januar 21 n. C. gesetzt. Von dem Namen der Stifter ist erhalten: /REGOVICOVIG, 
was etwa zu [A 


regovicovig(enses) zu ergänzen ist. — Ueber den Herapel vgl. 
Kraus III, S. 201 ff., nebst den Ergebnissen der von Herrn Huber aus Saargemünd 
veranstalteten Ausgrabungen (Jahrbuch VI, S.296— 304, und IX, Fundberichte); über die 
römische Strasse Metz— Mainz vgl. Kraus III, S. 390,5 und dieses Jahrbuch VI, S. 304 ff. 

3) No. 108 (Lorrain, Hoffmann) — Henzen No. 5214, Robert II, S. 8 ff. mit 
pl. VI, 2. Fundort: Marsal. Die Inschrift wurde im Jahre 43 beschlossen und im 
folgenden Jahre 44 am Geburtstage des Kaisers Augustus »dediciert« (-enthüllte, 
würden wir sagen). Marsal lag an oder doch unweit der römischen Strasse 
Metz— Strassburg (vgl. S. 165). 


— 156 — 


setzt: Inschriften, deren Wortlaut auf ein Haar der Fassung gleicht, 
welche in Italien und sonstwo den nämlichen Kaisern geltenden Ehren- 
inschriften gegeben ist!). Zu dieser Zeit waren also die Bewohner 
jener keltischen Ortschaften bereits in gewissem Sinne romanisiert. 
Und diese Romanisierung hat immer weitere Fortschritte gemacht, so 
dass Gallia späterhin nur ein Glied, und zwar ein wichtiges und wesent- 
liches Glied der grossen »Romania« war und auch noch blieb, als die 
Römer selbst ihre Herrschaft an Germanen abgetreten. 

Da drängen sich nun mancherlei Fragen auf. Haben die Gallier sich 
ihrer Eigenart ganz begeben und sind zu vollständigen Römern geworden; 
oder steckt in dem gallischen Romanismus ein keltischer Kern, d.h. 
haben die romanisierten Kelten manche von ihren Eigentümlichkeiten 
festgehalten? Haben ferner die Römer selbst vielleicht an keltische 
Einrichtungen, welche sie in Gallien vorgefunden, angeknüpft? Diesen 
Fragen näher zu treten, ist meine Absicht. Sie erschöpfend behandeln: 
zu können, masse ich mir keineswegs an: denn das verbietet schon 
der Mangel an Vorarbeiten. Meine in dieser Richtung angestellten 
Untersuchungen bitte ich nur als eine solche — aber keineswegs ab- 
geschlossene — Vorarbeit hinnehmen zu wollen. Ich habe mich dabei 
auf unser Lothringen und die angrenzenden Gebiete beschränkt, woher 
ich — mit möglichster Vermeidung von Uebergriffen auf fremde Ge- 
biete — meine Belege nehme. Was ich aber zu sagen habe, gilt im 
wesentlichen auch für das übrige Gallien, in vieler Hinsicht selbst für 
die 75 Jahre früher gewonnene und infolge der grösseren Besiedelung 
mit Italikern viel schneller romanisierte Provinz von Narbonne (Narbo) 
beiderseits der Rhône?); in mancher Hinsicht auch für die, wenn auch 


1) Die nächstfolgende datierte Inschrift des Metzer Museums ist der von 
den Metzern an der Strasse Metz—Verdun—Reims im J. 97 n. Chr. zu Ehren des 
Kaisers Nerva errichtete Meilenstein: Steinsaal No. 87 (Lorrain, Hoffmann) = Ro- 
bert II, S. 11 £. mit pl. VI, 3 (Fundort: 'S. Marcel, jenseits der Grenze). — Die 
datierten Inschriften des Trierer Museums sind später, nämlich Meilensteine aus 
den Jahren 100 (?), 121 und 139 n. Chr. (Hettner, Steindenkmäler No. 5—7) und 
insbesondere eine Inschrift aus dem Jahre 124 n. Chr., welche die Schenkung und 
Weihung eines Heiligtums an eine keltische Göttin Caiva beurkundet, Fundort in 
der Eifel bei Gerolstein (Hettner a. a. 0. No. 112). Daneben besitzt aber das 
Trierer Museum in der Inschrift mit dem Namen des Adoptivsohnes des Augustus, 
des L. Caesar, die älteste zeitlich bestimmbare Inschrift der Rheinlande überhaupt, 
welche beweist, dass um die Zeit von Christi Geburt Trier bereits eine ansehn- 
liche Gemeinde mit grösseren Baulichkeiten war (Hettner a. a.O.No.1); aber 
diese Bauinschrift entstammt (wohlgemerkt) einer römischen Neugründung. 

?) Vgl. O. Hirschfeld, »Beiträge zur Geschichte der Narbonensischen Provinze, 
in der Westd. Zeitschr. VIII (1889), S. 119—140, besonders S. 134 ff. 


— 157 — 


teilweise von Germanen bewohnte, so doch von keltischer Kultur durch- 
tränkte und auch vielfach von Kelten besiedelte Militärgrenze am Rhein 
und jenseits am Limes, wo aber in und bei den Garnisonorten dank 
dem romanisierenden Einfluss der Truppen alles weit mehr römisches 
Gepräge hat'). 

Von den Fragen, welche jene erstaufgeworfenen Fragen in sich 
schliessen, stelle ich die bereits zu Anfang berührte Sprachenfrage 
an die Spitze. Ist die keltische Sprache vollständig von der lateinischen 
verdrängt worden, oder wurde sie noch später im Lande gesprochen 
und wie lange? Ferner: Hat das Latein der romanisierten Gallier viel- 
leicht eine keltische Färbung ? 

Dass die keltische Sprache nicht sogleich vom Erdboden ver- 
schwand, sondern dass der Gebrauch der lateinischen Sprache all- 
mählich an Boden gewann, ist selbstverständlich. Auch ist klar, 
dass das Lateinische, wie römisches Wesen überhaupt, schneller in den 
Städten und in den Orten, welche an den Verkehrsstrassen lagen, Ein- 
sang fand, dass das Keltische dagegen länger auf dem platten Lande 
und insbesondere in abgelegenen Gebirgsgegenden sich erhielt. Ebenso 
leuchtet ein, dass die keltische Sprache sich sehr wohl noch lange als 
Umgangssprache halten konnte, nachdem die lateinische Sprache nicht 
bloss als Staatssprache, sondern überhaupt als Schriftsprache durch 
den Gebrauch anerkannt war?) Wir haben aber auch bestimmte 
Zeugnisse dafür, dass das Keltische noch mehrere hundert Jahre nach 
der Eroberung des Landes gesprochen wurde?). Unter diesen Zeug- 
nissen ist für die hier in Frage kommenden Gegenden besonders wichtig 
eine Stelle des sprachenkundigen hl. Hieronymus: gelegentlich der Er- 
klärung des Briefes des hl. Paulus an die kleinasiatischen Kelten, die 
Galater, bezeugt Hieronymus, dass diese ungefähr die nämliche Sprache 
redeten, wie die Treverer*), deren Sprache er ja während seines 
Aufenthaltes in der Trierer Gegend — um das Jahr 360 n. Chr. — kennen 
zu lernen Gelegenheit hatte. 


1) Vgl. Hettner, »Zur Kultur von Germanien und Gallia Belgica«, in der 
Westd. Zeitschrift II (1883), S. 1—26; z.B. S.9. 13. 

?) Vgl. Hettner, Westd. Zeitschr. I, S. 7, oben: »Auch die heutigen Wenden 
schreiben ihre Sprache fast nie, obgleich sie sich derselben im mündlichen Um- 
gange ausschliesslich bedienen.« 

3) S. Budinszky, »Die Ausbreitung der lateinischen Sprache« (1881), S. 114 ff.; 
vgl. auch Diez, »Grammatik der romanischen Sprachen«, P°, S. 116 (5. Aull., S. 96/97). 

+) Hieron. praefat ad libr. IT in epist. ad Galatas (Tom. VII, p. 357, ed. Migne): 
». . .. Galatas excepto sermone Graeco, quo omnis Oriens loquitur, propriam 
linguam eandem paene habere quam Treviros, nec referre, si aliqua 


— 18 — 


Auch giebt es eine beschränkte Anzahl von keltischen Inschriften !) 
in griechischer oder lateinischer Schrift ?), überwiegend Weihinschriften, 
welche in Anlehnung an griechisch-römische Sitte zur Zeit der Römer- 
herrschaft keltischen Gottheiten gewidmet sind?). Wenn solche In- 


et ipsa Latinitas et regionibus quotidie mutetur et tempore.< — Ausserdem 
kommen in Betracht eine Stelle des Juristen Ulpianus ( 228), welcher bemerkt, 
dass testamentarische »fidei commissa« (d.h. Verfügungen über Aushändigung von 
Hinterlassenschaften seitens des nominellen Erben an nicht erbberechtigte Per- 
sönlichkeiten) nicht bloss in lateinischer oder griechischer, sondern auch in punischer, 
gallikanischer oder einer anderen Sprache Gültigkeit hätten; dann die Erzählung 
von einer Prophezeiung, die dem Kaiser Alexander Severus (222—235) eine 
»dryas«, d. 1. eine Wahrsagerin, in gallischer Sprache gegeben (Script. hist. 
Aug., Alexander Severus c. 60,6); schliesslich eine Stelle des Sulpieius Severus 
aus dem Anfang des V. Jahrhunderts (»vel celtice, aut, si mavis, gallice loquere«). 
Dass aber das Keltische auch noch fernerhin in Gallien gesprochen wurde, be- 
weist die Thatsache, dass es sich bis heute in der Bretagne, der alten »Aremo- 
rica« (jetzt noch »Armorvye), d. i. Meeresküste, erhalten hat. 

1) Die bis dahin bekannt gewordenen »inschriftlichen Ueberreste der keltischen 
Sprache« hat J. Becker in den von A. Ruhn und A. Schleicher herausgegebenen 
»Beiträgen zur vergleichenden Sprachforschung« III (1863), S. 162—173 (mit einer 
Tafel), nebst Nachträgen S. 212 ff., vgl. IV (1865), S. 159 ff., zusammengestellt und mit 
einem eingehenden Kommentar ausgestattet, III, S. 173—215; 326—359; 405—443; 
IV, S. 129—170. Vol. auch Roget Br de Belloguet, Glossaire gaulois, 2e édition 
(Paris 1872), S.269 ff. Seither sind aber nicht wenige neue hinzugekommen ; 
man findet alle bis jetzt bekannt gewordenen Inschriften verzeichnet unter den 
einzelnen Wörtern in Holders alt-celtischem Sprachschatz, der aber (Ende 1897) 
erst bis zum Namen »Livius« gelangt ist. 

?) Caesar bell. Gall. VI, 14,3: »Sie (die Gallier bezw. die Druiden) halten 
es für Sünde, die Druidenlehre schriftlich aufzuzeichnen, während sie im übrigen, 
z. B. in öffentlichen und privaten Rechnungen, sich der griechischen Schrift 
bedienen.« Vgl. I, 291 (Verzeichnisse der ausgewanderten Helvetier in grie- 
chischer Schrift). Strabo IV, '1,; von Marseille: »es machte die Gallier zu Lieb- 
habern der Griechen, weshalb sie auch ihre Verträge griechisch schreiben.« 
So hat denn auch auf sämtlichen 25 im C. I. L. XII (Index, S. 966, u. d. W. »tituli«) 
wiedergegebenen keltischen Inschriften der Gallia Narbonensis die griechische 
Schrift Anwendung gefunden (vgl. Hirschfeld, Westd. Zeitschr. VIII, S. 134/135). 
Neben der dem bedeutenden Einfluss der griechischen Pflanzstadt Massalia (Mar- 
seille) verdankten griechischen Schrift finden sich, wie auf Münzen, so auch auf 
Inschriften unter dem Einfluss der römischen Herrschaft und Kultur lateinische 
Schriftzeichen gebraucht (J. Becker a. a. 0. III, S. 163 ff., No.3 ff., und dazu S. 182 f.). 

#) Belege für keltische Weihinschriften bei Holder unter den Wörtern: 
»bratude«s (= ex iussu, ex imperio), »dede« (= posuit), »avot«, »eioru« und 
»ieuru< (= fecit), »cantena« u. a. Einige der bekannten keltischen Inschriften 
werden Grabschriften sein, wie dies sicher ist z.B. die in Mittelitalien zu Todi 
(Tuder in Umbrien) gefundene zweisprachige, lateinisch-keltische Inschrift bei 
J. Becker a. a. O. III, S. 170 f., No. 15, und Belloguet a. a. O., S. 319 ff., No. XV. 


— 159 — 


schriften in unseren Gegenden nicht gefunden oder nicht nachweisbar 
sind), so wird dies auf Zufall beruhen. Dafür hatte aber das Latein 
der romanisierten Gallier unserer Gegenden wie des sonstigen Galliens 
manch keltische Färbung: Das zeigen uns noch heute ihre Inschriften. 
Aus der Lautlehre erwähne ich, ausser den Selbstlautverbindungen 
ai ?) und o*), einen dem griechischen 9, dem englischen th entsprechenden 
Mitlaut. Dieser wurde, wie in den keltischen, so auch in lateinischen 
Inschriften durch das griechische © wiedergegeben. Daneben aber 
wurde häufiger ein lateinisches TH oder ein lautlich verwandtes S oder 
aber ein besonderes Buchstabenzeichen, nämlich ein horizontal durch- 
strichenes D gesetzt (dessen Unterscheidungsstrich auch manchmal fehlt); 
einmal auch, auf einer bei Trier gefundenen Inschrift, ist jenes als Ersatz- 
laut dienende 5 mit einem unterscheidenden Querstrich versehen “). 


1) Ob die von J. Becker à. a. O. III, S. 212 f. unter No. 19 und von Belloguet 
a.a.0,S. 328 unter No. XX aufgeführte Inschrift aus Scarponne (an der römischen 
Strasse von Metz nach Toul) keltisch ist, ist sehr zweifelhaft. (Ebenda S. 169 f., 
No. 13, bezw. S. 327 No. XIX, zu Bitburg, ist eine lateinische Weihinschrift an 
Mercurius mit keltischem Beinamen — Brambach No. 835.) Von unserer Gegend 
zunächst gelegenen Fundorten keltischer Inschriften nenne ich die Bourgogne. 

2) Ueber ais. J. Becker a. a. ©. III, S. 196/197; Holder I, Sp. 62/63.  Be- 
lege aus lateinischen Inschriften: Saccomainus, Mannesname auf einer im 
Sommer 1897 im Walde Neu-Scheuern bei S. Quirin (Kanton Lörchingen in Loth- 
ringen) gefundenen Grabschrift des Metzer Museums; Caitus, Mannesname auf 
einer Grabschrift zu Zabern (Holder I, Sp. 685); Caiva dea in einer Weihinschrift 
aus der Gegend von Gerolstein in der Eifel, im Trierer Museum (Hettner, Stein- 
denkmäler, No. 112). 

3) Ueber ou s. J. Becker a. a. O. III, S. 191 ff. Belege aus lateinischen In- 
schriften: Taliounus, Mannesname auf einem Weihdenkmal aus Metz im Stein- 
saal des Museums No. 75; davon abgeleiteter Gentilname Taliounia auf einer 
Grabschrift aus Greimerath (Kreis Saarburg in Rheinpreussen) im Trierer Museum 
(Hettner, Steindenkmäler, No. 198); [Carat]jhounus und [CJaraddouna auf 
Metzer Inschriften im Steinsaal des Museums No. 80 und 61, auch zu ergänzen 
in No. 9, vgl. Westd. Korr.-Bl. XIII (1894), Sp. 71 f.; Sounus auf einem Weih- 
denkmal des Metzer Museums, gefunden 1897 bei Hültenhausen (Kr. Saarburg 


i. Lothr.). — Ueber den Wechsel von ou und eu vgl. ausser J. Becker a. a. O. Ill, 
S. 195/196, noch Westd. Korr.-Bl. VIT (1888). Sp. 116 (Loucetius = Leucetius) und 
XV (1896), 10, Anm. 2. — In latinisierten Namen tritt gern dafür « ein, vgl. 
Loucius — Lucius. 


#) J. Becker a. a. O. III, S. 207—210, mit Nachträgen IV, S. 162—166; vgl. 
Holder I, Sp. 1211/1212. — Belege: © z. B. in der keltischen Inschrift C. I. L. 
XII, S. 816, No. 5793 (Kagsılıravıog) und in der lateinischen Inschrift C. I. L. 
XII, No. 2882 (TedWicnius). TH z. B. in No. 9 (vgl. No. 80) des Steinsaales des 
Metzer Museums: Carathounus; dagegen No. 61: Caraddouna mit zwei 
durchstrichenen D (die Querstriche sind in demselben Namen Caraddounus 
weggelassen in einer Inschrift aus Differten, Kreis Saarlouis, im Trierer Museum, 


— 160 — 


Von Kasusformen ist zu nennen der keltische Dativus auf -a, 
der sich nicht bloss allein), sondern auch mit der lateinischen Dativ- 
form auf -ae gepaart findet?), wie auf zwei Metzer Inschriften: Euta 
Maternae und Massiae Sec[e]ula®). Auch der zu einem Nominativ auf 
-os gehörige Dativ auf -« liegt vielleicht in einer niederelsässischen 
Weihinschrift an einen keltischen Gott Medros (Dativ: Medru) vor“). 

Aus ihrem heimischen Wortschatz haben natürlich die romani- 
sierten Gallier noch mancherlei Wörter beibehalten, wie Bezeichnungen 


Westd. Korr.-Bl. XII, Sp. 71 f.) und Carasounus, Carassounus, Caras- 
sounius bei Holder I, Sp. 771. Sirona z.B. Hettner, Steindenkmäler, No. 48; 
dagegen Dirona (mit durchstrichenem D) z. B. Metz, Museum, Steinsaal No. 199 
(Abguss), vgl. Hettner a. a. O. No. 49; mehr bei Holder I, Sp. 1286. Ausserdem 
noch durchstrichenes D auf den Inschriften des Metzer Museums, Steinsaal No. 111, 
und des Trierer Museums (Hettner, Steindenkmäler) No. 113. — Durchstrichenes 
SS: Hettner, Steindenkmäler, No. 43 (Urissulius). 

1) Vgl. Hettner, Steindenkmäler, No. 191, wo auch die Beispiele des Trierer 
Museums genannt sind. Ich führe ausser der im Anhang I, A, ır, Nr. 28 aufge- 
führten Grabschrift eines mit seiner Familie an die Reichsgrenze im heutigen 
Württemberg ausgewanderten Metzer Bürgers noch an eine im Trierer Dom ein- 
gemauerte Grabschrift (Westd. Korr.-Bl. XIV, 69) und eine von einem Trierer im 
Bath (England) gesetzte Weihinschrift (C. I. L. VII n. 36: Peregrinus Secundi 
fil. civis Trever Loucetio et Nemetona v. s.1.m.). 

2) S. Westd. Korr.-Bl. XVI (1897), 34. 

3) Die eine ist auf der Gartenterrasse der Kriegsschule eingemauert, die 
andere steht im Steinsaal des Museums No. 29. Ebenso in der Inschrift des 
Trierer Museums bei Hettner, Steindenkmäler, No. 191. 


4) Brambach No. 1902, gefunden im Hagenauer Forst. Die nach J. Becker 
a. a. O. IV, S. 165-166 von K. Christ (vgl. Westd. Korr.-Bl. XV, 10 und 100) 
wiederholte Ansicht, dass Medros der keltisierte Mithras sei, ist mit Cumont, Mo- 
numents figurés relatifs aux mystères de Mithra, S. 425, No. *312 abzuweisen. Es 
ist der Name eines einheimischen, keltischen Gottes, der vielleicht verwandt ist 
mit dem allgemein keltischen Toutates, Teutates, welcher in einer stadtrömischen 
Inschrift den Beinamen »Meduris« (dativ: »Medurini«) führt. 


Als sicheres Beispiel begnüge ich mich anzuführen den Dativ eines Götter- 
namens »Alisanu«, welche sowohl durch eine keltische als auch durch eine 
lateinische Inschrift der Cöte d’Or aus dem I. Jahrhundert n. Chr. belegt ist 
(Holder I, Sp. 94: »Alisanos«). 

Mit diesen keltischen Endungen in lateinischen Inschriften vergleiche man 
ausser den griechischen Deklinationsformen griechischer (auch lateinischer) Namen, 
z.B. dem Genetiv auf -es oder -aes (C. I. L. XII und sonst), den im germanischen 
Sprachgebiet am Niederrhein neben lateinischen Endungen belegten germanischen 
Dativus Pluralis auf -ims in Beinamen der Muttergöttinnen, z. B. »matronis Aflims« 
(neben »Afliabus«), worüber vgl. Ihm, Bonn. Jahrb. 83, S. 34—35, und Klinkenberg, 
Bonn. Jahrb. 89, S. 232. 


— 161 — 


für Dinge, welche in Gallien im Gebrauch blieben und von den Römern 
selbst ebenso benannt, ja teilweise in Italien selbst eingeführt worden waren. 

So blieb in hiesiger Gegend wie im übrigen Gallien ausserhalb 
der Narbonensischen Provinz die leuga (erhalten im französischen lieue, 
auch in anderen romanischen Sprachen), das gallische Wegemass im 
Gebrauch und mit ihm der Name); aber es wurde auch einfach der 
Name der römischen Meilen (milia passuum) auf das gallische Wege- 
mass übertragen ?), obschon die Leuge um die Hälfte länger war als 
die römische Meile. Ferner erhielten sich?) Benennungen z. B. für 
Tiere und Pflanzen *), für Kleidungsstücke und Fuhrwerk ’); insbeson- 
dere aber erhielt sich viel keltisches Sprachgut in den Eigennamen. 

Diese führen uns aber hinüber zu anderen Fragen. Zunächst 
die Ortsnamen. Welche Siedelungen haben die Römer in unseren 
Gegenden vorgefunden, welche haben sie neu angelegt, und wie haben 
sie diese benannt ? 

Um dies festzustellen, bitte ich mit mir den von den Römern 
geschaffenen Kunststrassen nachzugehen, soweit sie, von Metz aus- 
gehend, mit den anliegenden Ortschaften in dem amtlichen, wahr- 
scheinlich auf Kaiser Caracalla (211—217) zurückgehenden, unter 
Diocletian um 300 überarbeiteten Kursbuch, dem »Itinerarium Antonini 
Augusti« ®), und in der Kurskarte des IV. Jahrhunderts, der sogenannten 
Peutingerschen Tafel”), verzeichnet sind, Strassen, deren Lauf sich noch 
heute nach den Resten vielfach genau bestimmen lässt ®). 


1) Holder II, Sp. 197—201 (= 9. Lieferung, 1897). 

?) So im Itinerarium Antonini Augusti, wo aber auch einigemal beide Zäh- 
lungen nebeneinander angegeben und mehrfach auch ausdrücklich leugae allein 
als Wegemass genannt sind. 

8) Vgl. Diez, Gr. d. roman. Spr. P, S. 117 f. (6, S. 98); Dräger, Histor. Syntax 
der latein. Sprache 1? (1878), Einleitung S. XXI/XXII. 

i 4) Beispiele siehe bei Holder (arinca, baditis, batis, betula, blutthagio und 
‘andere Pflanzennamen, welche besonders das Arzneibuch eines gallischen Zeit- 
genossen des Theodosius nennt; Tiernamen: alauda, attilus, canterius u. a.). 

5) Vgl. später unter »Gewerbe«. — Ausserdem z.B. arepennis, ein Feldmass; 
bulga, lederner Schlauch; taxea, Speck. 

5) Ausgabe von Parthey und Pinder zusammen mit dem Itinerarium Hiero- 
solymitanum (Berlin 1848). Angeführt wird gewöhnlich nach den in dieser Ausgabe 
beigeschriebenen Seiten und Zeilen der Ausgabe von Wesseling (Amsterdam 1735). 

7) Ausgaben von Desjardins (Paris 1868 ff.) und besonders von Konrad 
Miller (»Weltkarte des Castorius genannt die Peutingersche Tafel«, Ravensburg 
1885, mit einleitendem Text). 

®) Vgl. ausser Kraus III, S. 389—390, z. B. dieses Jahrbuch I, S. 285; 
123,772 1.; I, 5.415 £.; IV, S. 231; IV», S. 135—136. 162; VII, S. 189—191; 
Robert II, S. 26. 

11 


— 162 — 


Der römische Strassenknotenpunkt in Lothringen war Divo- 
durum Mediomatricorum!), jetzt Metz ?), wie der Name Divodurum 
(d. i. Göttliche Feste, Götterburg) beweist, eine keltische Nieder- 
lassung. 

Gehen wir zunächst auf dem rechten Moselufer nach Trier!) 
Als erster Haltepunkt wird uns hier angegeben: Caranusca, ein Ort, 
welcher bei dem kleineren Elzingen (zwischen Büdingen und Kedingen) 
an der Canner zu suchen ist‘). Caranusca ist nach den neuesten 
Forschungen ein Name, den der vor den Kelten hier ansässige Volks- 
stamm, die späterhin im wesentlichen auf den Nordwesten Italiens und 
Korsika beschränkten Ligurer dem Bach Canner gegeben haben?). 
Diesen Bachnamen scheinen erst die Kelten auf die von ihnen an diesem 
Gewässer gegründete Ansiediung, wie öfter‘), übertragen zu haben. 
Jedenfalls haben wir hier eine vorrömische Ansiedlung. 


1) Der Name der Stadt ist zuerst bezeugt für das Jahr 69 n. Chr. bei Ta- 
citus histor. I, 63 (Unverdiente Niedermetzelung von etwa 4000 Einwohnern durch 
eine römische Heeresabteilung, welche vom Niederrhein über Trier, Metz, Toul 
nach Italien zieht, um für Vitellius gegen Galba bezw. Otho zu kämpfen); das 
nächste Zeugnis ist das des Geographen Ptolemaios unter Antoninus Pius; vel. 
Holder I, Sp. 1295/1296. Das Alter der Stadt Metz wie anderer Orte ist natür- 
lich von der durch Zufälligkeiten bedingten späten Ueberlieferung durchaus un- 
abhängig. — S. Anhang I, A. 

?) Da es später Sitte wurde, die Vororte der einstmals keltischen Stämme 
mit dem (von den Römern im Genitiv hinzugefügten) Stammesnamen zu be- 
zeichnen, so ist in den heutigen Städtenamen meist letzterer erhalten: wie in 
Metz (= Mediomatrici, Mettis), so in Reims (Durocortorum Remorum), Sens 
(Agedincum Senonum), Paris (Lutetia Parisiorum) u.s. w.; ebenso Trier 
(Augusta Treverorum). Vgl. Marquardt, Römische Staatsverwaltung, I (1873), 
S. 117/118, und Jung, Die romanischen Landschaften des’ römischen Reiches 
(1881), S. 217. 


#) Die beiden Zwischenorte Caranusca und Ricciacum sind allein angegeben 
in der Peutingerschen Kurskarte. Das Itinerarium Antonini S. 371 (Wess.) giebt 
nur (übrigens unrichtig) die gesamte Entfernung von Trier nach Metz an, wäh- 
rend dasselbe S. 240 lückenhaft ist. Die noch vielfach erkennbare, auf dem 
linken Moselufer nach Trier führende Strasse ist in die beiden Kursverzeichnisse 
nicht aufgenommen, falls nicht die letztgenannte Stelle des Itinerarium Antonini 
sich auf diese Strasse bezogen haben sollte. -—— Ueber beide Strassen s. V. Eber- 
hard in diesem Jahrbuch II, S. 171—184. 

#) Vgl. Kraus III, S. 109/110. 

5) d. i. »die Steinige«, von »cara« — Stein (vgl. Carrara). Vel. Franz 
Cramer in den »Beiträgen zur Geschichte des Niederrheins; Jahrbuch des Düssel- 
dorfer Geschichts-Vereins+<, 1896, S. 130. 

8) Vgl. nachher (S. 171). 


— 18 — 


Es folgt Ricciacum. Der Name, noch fortlebend in dem heutigen 
Ortsnamen Ritzingen (Kanton Sierck, nahe der preussischen Grenze) !), 
ist zweifellos keltischen Ursprungs und gehört zu den zahlreichen 
Ortsnamen auf -acum?), welche, wenn nicht alle, so doch vorwiegend 
von Personennamen abgeleitet sind und nach deren Muster auch in 
römischer Zeit noch Ortsnamen neugebildet wurden *). 

Es folgt der Knotenpunkt Trier, die Colonia Augusta Treverorum, 
welche wir wegen des Fehlens eines keltischen Namens und aus anderen 
Gründen als römische Neugründung anzusehen haben. Den Namen 
»Augusta« teilte die Stadt mit anderen Städten, welche Kaiser Augustus, 
seitdem er diesen Ehrennamen führte (d. h. seit dem Jahre 27 v. Chr.), 
in verschiedenen Teilen des Reiches gegründet oder besiedelt hatte 


(vgl. Augusta Vindelicum — Augsburg; Augusta Rauricum — Augst 
bei Basel; Augusta Tricastinorum in der Gallia Narbonensis; Augusta 
Taurinorum = Turin); Kolonie wurde Trier erst später®). 


Das zwischen Ritzingen und Trier an der römischen Strasse ge- 
legene Tawern muss aber auch eine römische Ansiedlung sein, denn 
der Name geht zurück auf den römischen Ortsnamen Tabernae, über 
welchen gleich zu sprechen ist. 

Wandern wir nunmehr von Metz nach Strassburg!?) Die erste 
Rast machen wir bei einem Ort zweifellos römischen Ursprungs, 
zwölf gallische Leugen, d. i. annähernd 30 km von Metz (in der Gegend 


1) Kraus Ill, S. 872. 

?) Vgl. die Zusammenstellung bei Holder I, Sp. 21—31. 

») Z.B. Iuliacum (Jülich), wobei man aber auch an keltische Ableitung 
denken könnte; Tiberiacum (Zieverich), Flaviacum, Antoniacus (villa), 
Aureliacus fundus, Avitacum. Noch in fränkischer Zeit diente diese Ab- 
leitungssilbe zur Bildung von Ortsnamen, wie Childriacus (praedium) von Chil- 
derich (Holder I, Sp. 1006; vgl. Il, unter »—iacuse). 


4) Das älteste Zeugnis für den Bestand der Stadt Trier liest vor in der 
© ë 


Chorographie des Pomponius Mela Ill,» (»urbes opulentissimae in Treveris 
Augusta, in Haeduis Augustodunum ...«). Der Spanier Mela wird gewöhnlich 


um das Jahr 44 nach Chr. gesetzt, nach Oehmichen, Plinianische Studien, 1880, 
S. 32—48, hätte er aber bereits zwischen den Jahren 25 und 7 vor Chr. ge- 
schriftstellert; jedenfalls ist er der älteste Zeuge. Denn nächst ihm folgt Tacitus, 
der gelegentlich des sogen. batavischen Aufstandes im Jahre 70 n. Chr. die Stadt 


als Kolonie bezeichnet (hist. IV, 62 und 72: »Colonia Treverorum«). Ueber eine 
Trierer Bauinschrift aus dem Anfang unserer Zeitrechnung vgl. oben S. 156, 
Anm. 1. 

5) Tab. Peuting. — Das Itinerarium Antonini nennt als Zwischenstationen 


S. 239 f. Wess. nur: Decem pagi und Tabernae und S. 371 f. nur: Ponte 
Sarvix (so!). 
11” 


a 


von Delme). Er heisst »Ad duodecimume«') mit zu ergänzendem »la- 
pidem«, d. i. »Zum zwölften Meilensteine. Gleichnamige und ähnlich 
(»Zum 5. 6. 8. 9. 10. 11. 14. 15. 17. 20. 30. 100. Meilenstein«) benannte 
Haltepunkte geben die Kursbücher in allen Teilen des römischen Weltreiches, 
in Italien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, an der Donau, in Ma- 
cedonien, in Epirus und in Asien an?). Ihre Benennungen, wie überhaupt 
die Stationsnamen mit »Ad« (z.B. »Zum Apfelbaum«, »Zum Birnbaume, 
»Zur Olive«, »Zum Haushahn«, »Zu den zwei Sonnenuhren«, »Zum 
Schuh des Herkulese, »Zu den Hexen«) legen den Vergleich mit den 
uns aus dem Altertum bekannten Wirtshausschildern (wie »Zum 
Haushahn« oder »Zum Kameel«) nahe?), und es scheint mir unbestreit- 
bar, dass jene Namen ursprünglich ein mit der Rümerstrasse oder 
durch sie erstandenes Wirtshaus bezeichneten, welches sich nach einem 
thatsächlich dort vorhandenen Merkmal, in unserem Falle nach dem 


') Herrn Archivdirektor Dr. Wolfram verdanke ich den Hinweis auf eine 
Urkunde Kaiser Heinrichs II. vom 12. Januar 1018 (im Bezirksarchiv zu Metz), in 
welcher der Name dieser Ortschaft noch deutlich erkennbar vorliegt (Stumpf- 
Brentano, Acta imperii inde ab Heinrico I ad Heinricum VI usque adhuc inedita, 
No. 267: »usque ad villam Dodeismes et hinc inter montem Tinquerei [Mont 
de Tinery: Jahrbuch VI, S. 111] et Montivous usque ad publicam viam, quae dueit 
Badascort [Bacourt] et rivum Stampenei«). Aus »Dodeismes« (Deisme) könnte 
sich der Name »Delme« entwickelt haben. 

?) Vgl. Itin. Anton. Aug. et Hierosol., Index der Ausgabe von Parthey-Pinder 
unter »Ad quintum«, »Ad sextum (miliare)«, »Ad octavume, »Ad nonum«, »Ad 
decimum«, »Ad undecimum«, »Ad duodecimum+ (zweimal in Oberitalien, einmal 
in Unteritalien, zweimal in Macedonien, ausserdem nach der Peutingerschen Tafel 
auf dem rechten Maasufer), »Ad quartodecimo«, »Ad quintodecimo«, »Ad septimum 
decimum«, »Ad vice(n)simume, »Ad tricensimum«, »Ad centesimum«. Vgl. auch 
Miller, Einleit. Text, S. 104, Anm. 3. Dass solche Ortsnamen noch häufiger waren, 
als die Ueberlieferung bezeugt, lehrt das Reisehandbuch aus dem Jahre 333 für 
Pilgerfahrten von Bordeaux nach Jerusalem (»Itinerarium Hierosolymitanum«), wo 
eine ganze Reihe solcher Namen angegeben ist, die sich in den sonstigen Kurs- 
büchern nicht finden. Auch in der Route Gades (Cadix)—Rom, welche auf vier 
silbernen Trinkbechern für Badereisende aus Spanien eingegraben ist (gefunden 
in der heissen Schwefelquelle zu Vicarello am lago di Bracciano in Mittelitalien, 
jetzt in Rom), sind naturgemäss viele der für die Reisenden nicht in Betracht 
kommenden Zwischenstationen weggelassen. Demnach darf es nicht auffallen, 
dass der Haltepunkt »Ad decimum« (jetzt Detzem, mittelalterlich: Decima) an der 
Strasse Trier—Neumagen in den Kursbüchern nicht angegeben ist. Wie hier, so 
sind auch bei unserem »Ad duodecimum« gallische Leugen, nicht aber römische 
Meilen zu verstehen. 

3) Friedländer, Sittengeschichte Roms, I, S. 37. Die mit »Ad« zusammen- 
gesetzten Ortsnamen der Kursbücher hat Miller a. a. O., S. 103—105, Anm., zu- 
sammengestellt. — C. I. L. XII, No. 4377: »(h)ospitalis a gallo gallinacios (»Gast- 
wirt zum Haushahn« zu Narbo; er stammte aus Tarraco in Spanien). 


ee 


dabei stehenden Meilenstein, oder aber auch nach einem erfundenen 


Wahrzeichen benannte. Der Name ging alsdann auf die dort sich an- 
gliedernde Ortschaft über. 

Es folgt die bedeutendere Ansiedlung »Decempagie!) oder »Ad 
decem pagos<?), d.i. »Zu den zehn Gauen«, jetzt Tarquinpol am 
Linderweiher bei Dieuze*). Der Name könnte wie die eben erwähnten 
Stationsnamen mit »Ad« erklärt und mit Ortsnamen wie »Zu den drei 
bezw. sechs Inseln«, «Zu den sieben Altären«, »Zu den sieben Brüdern« 
zusammengestellt werden*). Doch wäre es auch möglich, dass hier 
eine volksetymologische Umdeutung eines keltischen Ortsnamens vorliegt’). 

Ehe die römische Strasse nach Decempagi kommt, berührt sie 
das heutige Marsal. Ob aber auch der zu Anfang genannte »vicus 
Marosallensium« ®) an der Strasse oder ob er etwas abseits gelegen, 
kann ich nicht entscheiden. Beides ist möglich, da auch die im Ver- 
gleich zum Itinerarium Antonini Augusti eine vollständigere Reihe von 
Stationsnamen bietende Peutingersche Tafel manche an den Strassen 


1) So im Kursbuch des Antoninus a. a. O. und bei Ammianus (J. 356 n. C.); 
ebenso bei Paulus diaconus im VIII. Jahrhundert (Thaten der Metzer Bischöfe). 

?) So auf der Peutingerschen Tafel. 

?) S. Wichmann in diesem Jahrbuch, IV (1892), 2, S. 116—166; vgl. III (1891), 
5. 412-417, und VII (1895), 2, S. 173—194. 

*) Index der Ausgabe des Itin. Anton. Aug. et Hierosol. von Parthey-Pinder: 
»Ad tres insulas<, »Ad sex insulas+, »Ad septem aras«, »Ad septem fratres«, »Ad 
duos pontes«, »Ad duo solaria«, u.a. 

5) Vgl. Wichmann in diesem Jahrbuch, IV, 2, S. 134/135. Eine solche 
volksetymologische Umdeutung eines keltischen Namens durch die Römer liegt 
z. B. vor in »Traiectum« (»Ueberfahrtsstelle«) — Utrecht (vgl. Cramer a. a. O., 
S. 148); desgleichen in der späteren Namensform »Argentaria« (= Geldwechsler- 
laden, Bank) statt »Argentorate« (Strassburg). Auch die aus Bequemlichkeit ab- 
gekürzte Namensform »Novia« — »Noviomagus« kann man vergleichen (vgl. Westd. 
Korr.-Bl. XIl,5sı: Das »Novia« der Inschrift kann aber nicht das damals noch 
nicht befestigte Neumagen, wohl aber Speier sein). 

Da zu Tarquinpol gemachte Funde, wie gallische Münzen und Inschriften 
mit keltischen Namen (Jahrbuch IV,2, S. 125, No. 1. 3 und 4 = Steinsaal des 
Metzer Museums, No. 361, Hoffmann), auf einheimische Bevölkerung hinweisen, 
so halte ich Decempagi für eine altkeltische Ansiedlung, deren keltischer Name 
in römischer Zeit umgedeutet wurde. Wie Reste von Baudenkmälern und Bau- 
inschriften (Steinsaal No. 356. 357. 359) bezeugen, hat der Ort unter römischer 
Herrschaft früh eine ansehnliche Blüte erreicht. 

°) Die angeführte Inschrift des Metzer Museums ist das einzige Zeugnis für 
diesen Ortsnamen aus römischer Zeit. Auf merovingischen Münzen und Urkunden 
(J. 709. 729) lauten Ortsangaben: »Marsallo vico«, >in vico Marsallo (Marsello)« 
u. ähnl.; vgl. C. Robert, Etudes numismatiques sur une partie du nord-est de la 
France (Metz 1852), S. 130—134; die Urkunden bei Pardessus, diplomata (Il). 


ge 


velegene, für die Reisenden weniger in Betracht kommende Ort- 
schaften nicht angiebt!) und anderseits die Römer bei ihren Strassen- 
anlagen auf bereits vorgefundene Ansiedelungen keine Rücksicht nahmen ?). 

Der nächste Haltepunkt nach Decempagi hiess »Ad pontem Sa- 
ravie (»Zur Saarbrücke«) oder kurz »Pons Saravie*) und lag da, wo 
die Strasse die Saar überschritt, in der Gegend von Saarburg in Loth- 
ringen®). Aehnlich nach Brücken benannte Haltepunkte gab es in 
erosser Zahl und zwar in den verschiedensten Gegenden des römischen 
Weltreiches °); auch ihre Namen gehen zurück auf ein mit der römischen 
jrücke und Strasse entstandenes Wirtshaus. 

Dass für die folgende Strassenstation derselbe Ursprung anzu- 
nehmen ist, beweist unwiderleglich der lateinische, im heutigen »Zabern« 
(Elsass) noch fortlebende Name »Tabernae« oder »Tres Tabernae«t), 
d.h. »Drei Kneipen« (oder: »Läden«). Also auch diese Ansiedlung ist 
aus Wirtshäusern und entsprechenden Anlagen erwachsen, welche an 
der römischen Strasse durch deren Bau oder durch den auf ihr herr- 


1) Dies beweist z. B. die Vergleichung mit dem bereits angeführten Itine- 
rarıum Hierosolymitanum. 

?) So lagen z. B. in Italien abseits der grossen Heerstrassen, der via Fla- 
minia und der via Appia, die älteren Städte Tuder (Todi) und Lanuvium, welch 
letzteres nur durch eine (sicher erst infolge des Strassenverkehrs später entstan- 
dene) Vorstadt »Sub Lanuvio« mit der nahen Appischen Strasse Verbindung hatte. 
Natürlich kamen ausser militärischen Rücksichten — ähnlich wie bei den heutigen 
Eisenbahnanlagen — vorerst die Bodenverhältnisse beim Strassenbau in Betracht. 

>) Auf der Peutingerschen Kurskarte: »Ponte Saravi<; im Kursbuch des 
Antoninus S. 3721 verderbt: »Ponte Sarvixe. Dass der Ortsname vollständiger 
»Ad pontem Saravi« lautete, erschliesse ich daraus, dass die vollständigere und 
die abgekürzte, bequemere Bezeichnung bei anderen nach Brücken benannten 
Haltpunkten sich nebeneinander nachweisen lässt. — Saravus ist der vorrömische 
(keltische), mit lateinischer Endung (-us) ausgestattete, auch durch das Mosel- 
gedicht des Ausonius bezeugte Name der Saar. Bei dem späteren Venantius 
(VI. Jahrhundert) lautet der Name abgekürzt: Sara. 

*) Dass Saarburg i. L. spätestens zur Zeit der Römerherrschaft ein blühendes 
Gemeinwesen war, beweisen die Funde: s. Kraus II, S. 890 f., und dieses Jahr- 
buch Ill, S. 420-422; VI, S. 317—323; VILı, S. 154 fi.; VIIL:ı, S. 119—175, wozu 
noch weitere Funde kommen. Ob aber die Strasse bei diesem Orte oder in der 
Nachbarschaft die Saar überbrückte, ist zweifelhaft. 

5) Vgl. Itin. Anton. Aug. et Hierosol., ed. Parthey-Pinder, Index, S. 370—371. 

Bemerkt sei, dass die Kelten entsprechende Ortsbezeichnungen kannten, 
welche mit »briva<, d.h. Brücke (auch Furt), zusammengesetzt waren und in 
römischer Zeit weiter gebraucht wurden, z.B. »Briva Isarae«, jetzt Pontoise (Oise- 
Brücke), »Samarobriva« (Amiens) an der Samara = Somme; vgl. Holder I, Sp. 610. 

°) »Tres Tabernae« bei Ammianus 16,1,11 und 171,1 (J. 357 n. Chr.); in 
den Kursbüchern: »Tabernae«s, 


— 17 — 


schenden Verkehr hervorgerufen waren. Haltepunkte gleichen Namens 
sind uns aber noch durch alte Ueberlieferung bezeugt u. a. in Italien 
an der Appischen und an einer Abzweigung der Flaminischen Strasse, 
in Oberitalien zwischen Mailand und Piacenza, in der Pfalz (j. Rhein- 
zabern), auf dem Hunsrück, am Niederrhein, in Epirus, in Afrika); 
und dass es deren noch viel mehr gegeben haben muss, geht aus der 
Zufälligkeit der Ueberlieferung jener erwähnten Orte mit Sicherheit 
hervor. Die Ueberlieferung beweist aber auch, dass ein Kleeblatt von 
drei Kneipen (Tres Tabernae) sich öfters zusammengefunden hatte. 
Die Strasse mündet in den Knotenpunkt Argentorate, d. i. Strass- 
burg?). Wenn auch in den Kursbüchern mit dieser Station das Stand- 
lager der Grenztruppen gemeint ist, so ist doch zweifellos der Name 
Argentorate von einer in der Nähe liegenden keltischen Niederlassung, 
welche mit der vorschriftsmässig in einiger Entfernung vom Lager ent- 
standenen Civilniederlassung (den sogenannten »canabae«) zusammen- 
gewachsen sein wird, wie anderswo*), auf das Lager übertragen ‘). 


') Vgl. Itin. Anton. Aug. et Hierosol., ed. Parthey-Pinder, Index, S. 387; Cramer 
a. a. 0. S. 151/152. In Afrika ist mehrfach eine nach dem einstmaligen Be- 
sitzer benannte Taberna als Stationsname bezeugt: Flacci taberna, Rufini ta- 
berna u. s. w. In Thrakien hiess eine Station: »Bona mansio«, d. h. »Gute 
Herberge«. — Vgl. auch Marquardt, Privatleben der Römer, S. 454—457. 

?) Holder I, Sp. 211 f. — Argentorate, die u.a. durch das älteste Zeugnis, 
einen Meilenstein aus dem Jahre 74 n. Chr., belegte Namensform, ist die ursprüng- 
liche, welche später mit lateinischer Endung ausgestattet wurde (Argentoratum); 
vgl. Zangemeister, Westd. Zeitschr. III (1884), S. 250/251. Die romanisch-deutsche 
Namensform >»Strat(e)burgum< = Strassburg findet sich zuerst im VI. Jahrhundert 
bei Gregor von Tours, hist. Franc., IX36 (>urbis, quam Strateburgum vocant«) und 
Xy9o (»ad Argentoratensem urbem, quam nunc Stradeburgum vocant«); sodann 
auch an zwei Stellen bei einem namenlosen Geographen aus Ravenna, dessen 
gegen Ende des VII. Jahrhunderts auf Grund einer Quelle des IV. Jahrhunderts 
verfasstes Buch später überarbeitet ist; die eine Stelle lautet: »Argentaria, quae 
modo Stratisburgo dicitur«, d.i. A., welches jetzt Strassburg heisst (über »Argen- 
taria< vgl. S. 165, Anm. 5; mit letzterem Namen nennen die Stadt Schriftsteller 
des IV. Jahrhunderts n. Chr. [Riese, Das rheinische Germanien in der antiken 
Litteratur, XII,—ı2]). 


») So: Borbitomagus (Worms), Mogontiacum (Mainz) u. a. — Vgl. Bergk, 
Westd. Zeitschr. I (1882), S. 501 ff.; Hettner, ebenda II (1883), S. 4 oben. 
+) Der bei der Festung Argentorate — Strassburg gelegene »vicus cana- 


barum« ist nebst den »vicani canabenses« durch eine zu Königshofen gefundene 
Weihinschrift bezeugt: Brambach, C. I. Rhen., No. 1891 = Wilmanns Ex. inscr. 2413. 
Dass in den canabae bei Strassburg nicht bloss Leute wohnten, welche zur 
Festung und ihrer Besatzung als deren Familienangehörige oder als ehemalige 
Soldaten (vgl. Brambach No. 1893 mit der Heimatsangabe »Aequo«, d.1. wegen 
der Tribus aus Aequiculi in Mittelitalien und nicht aus Aequum in Illyrieum) 


— 168 — 


Nach Reims führten aus Metz zwei von den Römern geschaffene 
Strassen, die Hauptstrasse auf einem Umwege über Toul, eine kürzere 
Nebenstrasse über Verdun. 

Als an der Hauptstrasse gelegen werden uns genannt die Ort- 
schaften ?): 


Scarponna (Scarponne bei Dieulouard), keltischen Ur- 
sprungs?); 

Tullum oder Tullium (Toul), keltischen Ursprungs; 

Nasium (Naix), keltischen Ursprungs; 

Caturiges (Bar-la-Ville, Vorstadt von Bar-le-Duc, kel- 
tischen Ursprungs?) ; 

Ariola, keltischen Ursprungs; 

Fanum Minervae®), einrömischer, wie oft, von einem 
Heiligtum hergeleiteter Ortsname). 


Schliesslich der Strassenknotenpunkt: 
Durocortorum Remorum (Reims), keltischen Ur- 
sprungs. 


An der Nebenstrasse von Metz nach Reims lagen ®): 
Ibliodurum (Ville-sur-Yron), keltischen Ursprungs; 
Fines, römischen Ursprungs”), an der Grenze des Ge- 

bietes der Mediomatrici (Metz) und der Virodunenses 
(Verdun) gelegen; 


oder als Kneipwirle, Krämer u. s. w. in Beziehungen standen, sondern auch Ein- 
heimische keltischer Abstammung, lehren die Namen der Inschriften bei Brambach 
No. 2073 und 2074 (Addend., S. XXXI). Die Einheimischen halte ich für die ur- 
sprünglichen Bewohner dieser später »canabae« genannten Ortschaft. 

Ueber die »canabae«, von deren Namen das deutsche Kraftwort »Kneipe« her- 
geleitet wird, vgl. J. P. Joergensen »De municipiis et coloniis aetate imperatorum 
ex canabis legionum ortis«, Doktor-Dissertation von Göttingen, 1871; Jung, Roman. 
Landschaften, S. 132 ff., auch S. 361 und 387. 

1) Itin. Anton. Aug., p. 364/365, Wess.; Tab. Peuting. 

?) Ausserdem erst für die Jahre 367 (Ammian. 27,2, 1) und 451 n. Chr. bezeugt. 

®) Vgl. Holder I, Sp. 860. 

*) In der Tab. Peuting. verderbt: Tanomia (vgl. dazu Desjardins, S. 21). 

°) Vel. z. B. Fanum Fortunae (j. Fano) in Umbrien und den Index zur Aus- 
gabe des Itin. Anton. Aug. und Hierosol. von Parthey-Pinder, S. 337; ferner die 
zahlreichen Ortsnamen, wie »Ad Mercurium«, »Ad Dianam«, »Ad Martis< u. s. w. 

6) Itin. Anton. Aug., p. 363/364, Wess. 

7) »Fines« oder genauer »Ad fines« (d.h. »Zur Grenze«) genannte Halte- 
punkte sind uns vom Itinerarium des Antoninus und dem des Pilgers nach Jeru- 
salem an römischen Strassen in Italien (4 mal), in Spanien (2 mal), in Frankreich 
(7 mal), in der Schweiz, in Pannonien, in Asien bezeugt (Index, ed. Parthey-Pinder, 


— 169 — 


Virodunum (Verdun), keltischen Ursprungs; 
Axuenna (Vienne-la-Ville), keltischen Ursprungs; 
Basilia, keltischen Ursprungs!). 


Von Toul (»Tullum Leucorum«) bog eine römische Strasse ab 
nach Langres mit den Ortschaften ?): 


Solimariaca (Soulosse), keltischen Ursprungs; 
Mosa (nach der Maas benannt), keltischen Ursprungs; 
Andema(n)tunnum (Langres), keltischen Ursprungs. 


Demnach überwogen, abgesehen von der Strasse Metz—Strass- 
burg, entschieden die bereits von den Kelten besiedelten Ortschaften 
an Zahl die Neugründungen der Römer, welche — mit Ausnahme von 
Trier — lediglich den von den Römern geschaffenen Strassenzügen 
ihre Entstehung verdankten und Namen führten, wie zahlreiche Strassen- 
siedelungen in allen Teilen des römischen Weltreiches. Dieses Ueber- 
wiegen der keltischen Ortsnamen bestätigt sich, wenn man über die 
genannten Strassenknotenpunkte hinausgeht, wie von Trier über Beda 
(keltisch, Bitburg)?), Ausava (keltisch, Oos, nach einem Bach genannt), 
Icorigium (keltisch, Jünkerath), Marcomagus (keltisch, Marmagen) 
nach dem römischen Köln*) — oder über Noviomagus?) (keltisch, 
Neumagen an der Mosel)®), Belginum (keltischh am »stumpfen 


S. 337/338). Der Name ist herzuleiten von einem ursprünglich an der römischen 
Strasse, wo diese die Provinz- oder Stammesgrenze überschritt, entstandenen 
Wirtshaus. 

!) Der Name, welchen auch das heutige Basel führte, fehlt bei Holder I, 
Sp. 355—356; er hat, ebensowenig wie »Basiliacum< und die Bernstein-Insel 
»Basilia« (=Oesel?) etwas mit dem griechischen PaotAsıog (königlich), zu thun, 
wenn auch, wenigstens bei letzterer, den griechischen Gewährsmännern das be- 
treffende Wort ihrer Muttersprache vorgeschwebt hat. 

?) Itin. Anton. Aug., p. 385, Wess.; vgl. Tab. Peuting. 

#) Inschriftlich werden der »vicus« und die »vikani Bedenses« erst für die 
Jahre 198 und 245 n. Chr. bezeugt (Westd. Korr.-Bl. IXy145 und X,44). 

#) Itin. Anton. Aug., p. 372 f., Wess.; Tab. Peuting. 

5) Beim Geographen von Ravenna trägt dieser Ort den verkürzten Namen 
»Nobia (= Novia); vgl. vorher. — Der Ortsname »Noviomagus« ist übrigens in 
keltischen Gegenden nicht selten. 

%) Zwischen Noviomagus und Dumnissus giebt der Besinger der Mosel, 
Ausonius, welcher auf dieser Strasse im Jahre 370 n. Chr. vom Rhein nach der 
Mosel reiste, einen oben (S. 167) erwähnten Ort römischen Ursprungs »Ta- 
bernae« an. 


Thurm« bei Heinzerath auf dem Hunsrück) '), Dumnissus (keltisch, 
Denzen bei Kirchberg, Hunsrück) nach Bingen und Mainz?) — oder 
endlich über Andethanna?°) (keltisch, Nieder-Anven an der Strasse 
von Wasserbillig nach Luxemburg), Orolaunum (keltisch, Arlon), 
Epossium (keltisch; Yvois, Ivoy — jetzt Carignan)'), Vungum (kel- 
tisch, Vonc) nach Reims ?). 

Aber auch abseits der erwähnten Strassen gab es, wie die Funde 
lehren, zahlreiche Siedelungen, deren Namen für uns mit geringen Aus- 
nahmen verschollen sind. Was aber von sonstigen Ortsnamen zufällig 
überliefert ist, beweist gleichfalls entschiedenes Vorherrschen der vor- 
römischen, keltischen Gemeinwesen. 

Die Ortschaften der keltischen |?Alregovicovig(enses?) und 


Marosallenses im heutigen Lothringen sind bereits genannt. Ausser- 
dem sind noch zu nennen die folgenden Siedelungen, alle vorrömischen 


T C pa * 6 . 
Ursprungs ): 


!) Belginum, dessen Bewohner, die vicani Belg(inates), der keltischen Pferde- 
göttin Epona den Denkstein bei Hettner, Steindenkmäler, No. 105, gestiftet haben, 
hat seinen Namen natürlich von der Zugehörigkeit zum Stamme der Belgen. 
Doch ist die Vermutung von Hettner, Westd. Zeitschr. I, S. 3, Belginum und 
ebenso Belgica (an der Strasse Trier—Köln) seien die Grenzstationen der römischen 
Belgica nach der Militärgrenze hin gewesen, nicht zutreffend: Römische Strassen- 
siedlungen an den Grenzen führen den Namen »Ad fines« (vgl. S. 168, Anm. 7); 
Belginum aber ist eine vorrömische Siedelung (vgl. Suindinum, Altinum), deren 
Bewohner Einheimische sind (vgl. die angeführte Inschrift No. 105 nebst 106). 

?) Tab. Peuting. Vgl. Ausonius, Mosella, Anfang; auch Itin. Anton. Aug. 
S. 371 Wess. 

3) Vgl. Holder I, Sp. 146. 

*) Vgl. Holder I, Sp. 1454. 

5) Itin. Anton. Aug., p. 365—366, Wess. 

5) Aus späteren Quellen nenne ich noch: villa Bucsarias in pago 
Scarponinse (meroving. Urkunde vom Jahre 745 bei Pardessus II, S.398) = Bouxières 
jenseits der Grenze bei Mardigny; villa Buxarias in pago Virdonense 
(Verdun) in einer meroving. Urkunde vom J. 709 bei Pardessus II, 5. 282 — Buxieres. 
villa Vidiacus in pago Mettense (meroving. Urkunde aus dem Jahre 715 bei 
Pardessus II, S. 302) = Vigy; Epternacum = Echternach (Urkunden aus den 
Jahren 698 ff.: Holder I, Sp. 1456); Princastellum (Geograph. Ravenn.) — Bern- 
kastel, wo der zweite Bestandteil des Namens, ebenso wie vicus, civitas u. s. w. 
eine spätere, lateinische Bezeichnung des Ortes ist, während in dem ersten Be- 
standteil der altkeltische Name der Ansiedlung steckt (vgl. Cramer a. a. O., S. 148); 
Cardena (Geogr. Rav.) — Carden und Contrua (Venantius Fortunatus) = 
Gondorf an der Untermosel (vgl. Cramer, S. 144.145, und Holder u. d. W.). — Den vom 
Geographus Ravennas zwischen »Mecusa« (Metz) und »Treoris« (Trier) aufgeführten 
Ortsnamen »Gaunia« hält man für eine Entstellung des Namens »Caranusca«. 

Erwähnt seien auch noch aus einer Inschrift von Alzey in Rheinhessen 
aus dem Jahre 223 n. Chr. die romanisierten Bewohner dieser altkeltischen Ort- 


— 11 — 


Der vieusBodatius, d.i. Vie an der Seille in Lothringen '); 

der vicus Saravus, ein nach der Saar (Saravus), an 
welcher es lag, benanntes Dorf, aller Wahrscheinlich- 
keit nach im heutigen Lothringen ?); 

das Bauerngut der Goloni Crutisiones bei Pachtem an 
der Saar, im Kreise Saarlouis’); 

Contionacum, d.i. Conz an der Saar unweit ihrer Mün- 
dung in die Mosel); 


schaft, die vicani Altiaienses (Brambach No. 877; Zangemeister, Westd. 
Korr.-Bl. VI. 157), und aus einer zu Nizy-le-Comte (bei Laon) gefundenen Inschrift 
der einstmals zur civitas Remorum, dem Gemeindebezirk von Reims gehörige 
»pagus Vennectis« (Ch. Loriquet, Reims pendant la domination romaine, 1860, 
S. 31, mit Tafel, Fig. 2). 

Dass auch in den (keltischen) Beinamen der Götter, von denen später 
(unter »Religion«) die Rede sein wird, grossenteils örtliche Bezeichnungen erhalten 
sind, sei hier nebenbei bemerkt. 


!) Inschrift, nach handschriftlichen Aufzeichnungen eines Metzer Domherrn Bon- 
tems (XVII. Jahrh.) veröffentlicht von Cajot S. 78 (»des mémoires de M. Bontems, où 
elle a été insérée sur la foi de M. Praillon<); lediglich eine Wiederholung aus Cajot 
muss vorliegen bei den Benediktinern I, S. 62 (vgl. I, Préface, S. XIIL!). Die Lesung 
von Praillon-Bontems lautet: »Deo Mercurio numini santissimo Amilius magister 
vici Bodatii< (Robert I, S.58). Eine andere, am Schluss sicher verfälschte 
Lesung der Inschrift geht auf Boissard zurück (Meurisse, S. 13; daher: Cajot, S. 124; 
Benedict., pl. V», u. a.; vgl. Robert I, S. 56—58, und dieses Jahrbuch VII], S. 93, 


No. 28): »Deo Mercurio numini sanctissimo Herculius iunior Augustus«. — Ueber 
den vicus Bodatius, der auf merovingischen Münzen und in Urkunden »Bodesius 
vicus« heisst, s. C. Robert, Etudes numismatiques u. s. w., S. 134—142. — Ebenso 


wie bei Vic (vicus) ist im heutigen Ortsnamen der allgemeinere, weniger bezeich- 
nende Bestandteil des alten Namens erhalten z. B. in Köln (colonia), Aachen und 
Aix (aquae), Fano (fanum), Leon (legio). 

2?) Weihinschrift an Mercurius, gefunden auf dem Donon: s. Anhang IL — 
Mit dem vom Saarfluss auf die anliegende Ansiedlung übertragenen Ortsnamen 
vgl. die bereits angeführten Namen »Caranusca«, »Mosa«, »Ausava«, vgl. Mowat, 
Rev. arch. n. s. 31 (1876), S. 262; ferner Promea (Prüm): Cramer a. a. O., S. 148. 
— Wenn der »Vicus Saravus« das heutige Saarburg i.L. ist (vgl. »Beda vicus 
— »Bitburg«), so kann diese Stadt nicht aus der römischen Strassensiedlung »Ad 
pontem Saravi« hervorgegangen sein. Auf merovingischen Münzen steht: »Sare- 
burgo< (Robert, Etudes numismat., S. 153/154). 

3) Hettner, Steindenkmäler, No. 66 (Weihinschrift an Mercurius). »Coloni« 
sind die Bewohner einer »colonia«, d.h. eines Bauernhofes (vgl. insbesondere die 
Erztafel von Veleia C.I. L. XI, No. 1147, S. 229). Dass die coloni Crutisiones 
Kelten sind und nicht etwa, wie Hetiner vermutet, hier angesiedelte Germanen, 
beweist der keltische Name »Dannus Giamillus« (Holder I, Sp. 1223 f., 2018 f.). 

*) Holder I, Sp. 1108 (Verfügungen des Kaisers Valentinianus aus dem 
Jahre 371 n. Chr.); vgl. Ausonius Mosella v. 369. 


der vicus Voclannionum gegenüber Trier !): 

Rigodulum, d.i. Riol auf dem rechten Moselufer, drei 
Stunden unterhalb Trier °); 

schliesslich der 

vicus Ambitarvius, des Kaisers C. Caesar — Caligula 
angeblicher Geburtsort”), dessen Lage aber bestimmt 
wird mit Hilfe einer römischen Strassensiedlung, 
deren Name »CGonfluentes« oder »Ad Confluen- 
tes« (d. h. am Zusammenfluss zweier Gewässer) öfters 
im römischen Reiche nachweisbar ist’). 


!) Hettner, Steindenkmäler, No. 42—44. Der keltische Ursprung dieser 
Ortschaft, welche der römischen Neugründung Trier gegenüber (wahrscheinlich 
beiderseits der in ihrem Unterbau römischen Brücke) lag, geht auch aus der 
Eigenart der daselbst gefundenen Weihdenkmäler hervor. 


2) Tacitus histor. IV, 71: Sieg des Cerialis über die Aufständischen im 
J. 70 n. Chr. (im sogen. batavischen Aufstand). 


3) Suetonius, Caligula c. 8: »Plinius Secundus in Treveris, vico Am- 
bitarvio supra Confluentes (genitum scribit C. Caesarem)«. Sueton führt 
auch abweichende Angaben an und bekämpft die des (älteren) Plinius. — Ueber 
die Lage des Dorfes ist noch nichts Befriedigendes festgestellt worden; man 
sucht es jetzt meist oberhalb der Saarmündung, früher auch oberhalb der Mosel- 
mündung. 

#) Coblenz an der Moselmündung: Cramer a. a. O., S. 151 (vgl. auch »Coblenz« 
in der Schweiz, an der Mündung der Aare in den Rhein); ferner Ortschaften: am 
Einfluss des Rheines in den Bodensee; an der Mündung der Sau in die Donau; 
in Italien an der Aemilischen Strasse zwischen Caesena und Ariminum (Rimini) 
sowie am Zusammenfluss des Tritano und Aterno (vgl. De Vit, Onomasticon). — 
Im keltischen Sprachgebiet gab es eine entsprechende, vielfach noch heutigen 
Namen zu Grunde liegende Ortsbezeichnung »Condate«, welche den Ortschaften 
in römischer Zeit verblieben ist (s. Holder I, Sp. 1092 ff). Auch ein Landbezirk 
bei Lyon am Zusammenfluss der Saöne und Rhöne führte in römischer Zeit die 
keltisch-römische Benennung pagus Condatensis oder Condatis (Boissieu inscr. de 
Lyon, S.19 — Wilmanns Exempl. inser. 2225), während die Oertlichkeit, wo der 
im J. 12 v. Chr. gegründete Altar bezw. Tempel der Roma und des Augustus lag, 
in den Inschriften »Ad (oder: inter) confluentes Araris et Rhodani< und ähnlich 
heisst. 


Von römischen Ortsbezeichnungen aus den hier in Betracht kommenden 
Gegenden wüsste ich ausserdem nur noch anzuführen: »Concordia« (d.h. Ein- 
tracht) im nördlichen Elsass (Weissenburg ?), bei Ammianus XV],ı>, 58 (Jahr 357 n. Chr.). 
Wenn der Name nicht auf spätere Umnennung nach der gleichnamigen ober- 
italischen Stadt (in Venetia) zurückzuführen ist (vgl. Bononia = Boulogne, früher 
Gaesoriacum),. so ist er mit den römischen, ebenfalls mit abstrakten Begriffen 
benannten Neugründungen, wie Concordia, so Industria, Laus, Pax, zusammen- 
zustellen. 


Weiter lassen zahlreiche heutige Ortsnamen keltischen Ur- 
sprung erkennen, wie die Mehrzahl der Namen auf -ach und -ich im 
deutschen und auf -y im französischen Sprachgebiet die Ableitung von 
Ortsnamen auf -acum'). Ueberhaupt beweisen also die Ortsnamen 
allein schon, dass die Römer hierzulande eine grosse Anzahl von 
Siedelungen vorfanden und dass die infolge ihrer Herrschaft neuerstan- 
denen Gründungen den altkeltischen Ortschaften an Zahl erheblich 
nachstanden. Und diese Thatsache wird durch die allenthalben ge- 
machten Funde, welche auf keltische Abstammung der Bevölkerung 
hinweisen und über die nachher zu sprechen ist, bestätigt. 

Aber nicht bloss an Zahl, sondern auch an Bedeutung überragen 
die im Binnenlande rückwärts der Militärgrenze gelegenen altkeltischen 
Niederlassungen die meisten der römischen Neugründungen. Freilich 
verdanken sie ihre Blüte wesentlich ihrer Zugehörigkeit zum römischen 
Reiche. So halte ich, um mich auf Metz zu beschränken, die Ansicht 
für richtig, wonach an die auf der Höhe der Stations- und Trinitarier- 
strasse gelegene keltische Niederlassung sich auf der südlich davor- 
gelegenen Hochfläche eine nach römischem Gründungsplan angeordnete 
Stadt angegliedert hat?). Doch war diese Stadt in den ersten Jahr- 
hunderten der Kaiserzeit nichts weniger als eine römische Garnison- 
stadt, wozu sie eine ebenso irrige, wie weitverbreitete Meinung hat 
machen wollen®); sie war auch nicht etwa mit römischen Kolonisten 
besiedelt, sondern hauptsächlich von romanisierten Kelten bewohnt. 
Diese erweiterte gallische Stadt hat aber römische Kultur mit römischen 


') Manche von diesen Namenbildungen können auch auf römische und 
spätere Namen zurückgehen, welche mit der nämlichen keltischen Anhängesilbe 
gebildet sind; vgl. oben S.163. Doch wenn auch thatsächlich ein solcher Orts- 
name von einem lateinischen Personennamen abgeleitet werden muss, so ist 
damit noch nicht gesagt, dass der Begründer der Ansiedlung bezw. der Besitzer 
des Ackergutes, dessen Name auf die sich angliedernde Ortschaft übergegangen 
ist, ein eingewanderter Römer gewesen. Denn der Name kann sehr wohl auch 
zurückgehen auf einen romanisierten Einheimischen, der bereits lateinische Namen 


führte. Beispiel »Fleury« — »Floriäcus« (Holder I, Sp. 1497—1498): den Namen 
»Florius« führte auch z. B. ein Metzer; s. später S. 188,7. — Ueber die nieder- 


rheinischen Ortsnamen auf -ich und -ach s. Cramer a. a. O., S. 152—159; über 
andere niederrheinische Ortsnamen keltischen Ursprungs s. Cramer, S. 159 ff. — 
Ob der Ortsname »Sablon« (bei Metz), der auf einen auch im niederrheinischen 
Gebiet für die römische Zeit bezeugten Ortsnamen »Sab(u)lones« [= Zand bei 
Venlo; s. Cramer a. a. O., S. 151] zurückzugehen scheint, vorrömischen oder 
römischen Ursprunges ist, wage ich nicht zu entscheiden. 

?) Vortrag von Archivdirektor Dr. Wolfram in der Gesellschaft für lothr, 
Geschichte (s. den vorliegenden Band IX dieses Jahrbuches). 

3%) S. Anhang I, B. 


Bauwerken, u. a. mit einer Wasserleitung '), einem Amphitheater ?), 
Warmbädern ?), Tempeln*), im Ill. oder IV. Jahrhundert auch mit 
Stadtmauern ?) beschenkt; und in dem ältesten, vorrömischen Teil der 
Stadt erstand um die Zeit des Kaisers Constantinus ein grossartiger 
Palastbau®), in dem später die austrasischen Könige sich wohnlich 
eingerichtet haben mögen, ein Prachtbau, der ebenso den baufälligsten 
Stadtteil ersetzt haben wird, wie die Kaiserpaläste den ältesten Stadt- 
teil Roms. 

Auch die Gemeindeverwaltung glich derjenigen, welche wir sonst 
im römischen Reiche vorfinden, wenngleich die Römer auch hier an 
bestehende Verhältnisse angeknüpft haben. Zwar fliessen unsere Quellen 
recht spärlich; doch lässt sich mit Sicherheit oder doch Wahrschein- 
lichkeit folgendes feststellen: Die Gemeinde der Metzer, civitas Medioma- 
tricorum *), welche Tacitus*) gelegentlich der Ereignisse des Jahres 70 
n. Chr. eine bundesgenössische Gemeinde (socia civitas), d. h. nach 
römischem Sprachgebrauch eine unterthänige, provinziale Gemeinde mit 
Selbstverwaltung”) nennt, beschränkte sich nicht auf die Stadt Metz 
(Divodurum Mediomatricorum), sondern umfasste auch das umliegende 
(Gebiet des einstmaligen gallischen Stammes der Mediomatriker, mit 


1) Vgl. Kraus III, S. 231—239. 

Vgl. dieses Jahrbuch VIII», S. 70, Anm. 3, und oben S. 150. 

Vgl. dieses Jahrbuch VIIL», S. 71, Anm. 1. 

z. B. Tempel der Roma und des Augustus; s. später unter Religion. 

5) Vortrag von Wolfram in der Gesellschaft für lothr. Geschichte (s. den 
vorliegenden Band IX des Jahrbuches). — Vor dem Südthor und dem Ostthor 
dehnten sich beiderseits der davon ausgehenden Landstrassen, wie überhaupt vor 
den Städten im römischen Reich, Gräberfelder aus; vgl. dieses Jahrbuch VI, 
S. 327; VII, S. 195 £.; VIII», S. 66 ff, und IX (Fundberichte; vgl. oben S. 153 f.). 

8) Vgl. dieses Jahrbuch VIII, S. 4/5. 

7) Tacitus hist. 4, 70 (J. 70 n. Chr.); Notitia Galliarum V, 3 (IV. Jhdt.); vgl. 
die gleich anzuführende Inschrift. Gewöhnlich steht dafür der Stammesname 
»Mediomatricis. Die Gemeindeangehörigen nennen sich (Männer wie Frauen) cives: 
Brambach 1089. 1572; Westd. Zeitschr. XIII, S.84 f.; Westd. Korr.-Bl. II, 118; C.I.L.\V, 
5929. VII, 55; vgl. die im folgenden angeführte Metzer Inschrift nebst Anhang I, A. 
— »civitase auch: Rhein. Mus. N. F.20 (1865), S. 623, No.1 (Robert I, S. 13). 

®) Hist. 4, 70: »in Mediomatricos, sociam civitatem«. 

°) Theod. Mommsen, Römisches Staatsrecht IIl1 (1887), besonders S. 659 f. 
724 f. — Der ältere Plinius (nat. hist. 4, 106), dessen Angaben für die Augusteische 
Zeit Geltung haben, bezeichnet von den Nachbarstämmen die Leuci als »liberi«, 
die Treveri als »liberi antea« und die (auch inschriftlich »civitas foederata« be- 
nannten) Remi als »foederatik, während er den Mediomatrici keine derartige Be- 
nennung giebt. Daraus folgt allerdings, dass die letzteren in jener Zeit weder 
liberi noch foederati, d. h. weder freie noch vertragsmässige, also »autonome 
Unterthanen« (Mommsen a. a. O., S. 645 ff., vgl. Marquardt, Röm. Staatsverwaltung I, 


= 


o 


4 


) 
) 
) 
) 


Ausnahme des am Rheine gelegenen Landstriches'). Den Titel der 
Beamten, welche an der Spitze der Gemeindeverwaltung standen und 
welche unter anderem die Gerichtsbarkeit auszuüben und den Vorsitz 
in den Wahlversammlungen sowie im Gemeinderat zu führen hatten, 
nennt uns keine Inschrift?), und ebensowenig lehrt uns ein Denkmal 


-ein Mitglied des Gemeinderats, einen decurio ?), kennen. Dagegen nennt 


uns eine Inschrift‘) einen Schatzmeister der Metzer Gemeinde, den 
»quaestor civitatis Mediomatricorum«, und die nämliche Inschrift be- 
zeichnet diesen Mann auch als »praefectus statorum«, d. h. als Vor- 
steher einer Art von Polizisten oder Vollziehungsbeamten, welch letztere 
sich freilich, wie es scheint, nur auf gallischem Boden nachweisen lassen °). 

Der Stadtbezirk war in Stadtviertel, »vici«, geteilt; das zugehörige 
Gebiet, der »ager«, zerfiel in gleichfalls »vici« genannte Dorfschaften 


S. 344 ff.), sondern dass sie »nicht autonome Unterthanen< (Mommsen, S. 716 ff. 
vgl. Marquardt a. a. O., S. 353 ff.) waren. Doch den Schluss, den Mommsen a. a. O., 
S. 725, Anm. 4, gezogen, dass dies Verhältnis noch im Jahre 70 bestanden, halte ich 
nicht für zwingend. Denn das staatsrechtliche Verhältnis der Treverer z. B. hat in den 
ersten 100 Jahren der Römerherrschaft sogar mehrere Wandlungen durchgemacht. 

1) Dass das Gebiet der gallischen Mediomatriker ebenso wie das der Tre- 
verer bis zum Rheine reichte, bezeugen Caesar bell. Gall. 4, 10 und Strabo IV, 
3, 4. Infolge der Römerherrschaft wurden aber die an den Rhein stossenden 
Teile beider Gebiete der Militärgrenze zugeteilt, wo das obergermanische Heer stand. 
Vgl. Anhang I, A,ı. 

?) Ob zwei Bürgermeister nebst zwei Beigeordneten an der Spitze der 
Stadtverwaltung standen oder ob Reichsbeamten die oberste Leitung oblag, wissen 
wir für die Gemeinde Metz ebenso wenig wie für die Gemeinde und Kolonie Trier. 
Für die Kolonien Lyon und Mailand hat man die Seltenheit der Inschriften, welche 
»Il viris (>duoviri«) nennen, auf den letzteren Umstand zurückführen wollen: 
Jung, Roman. Landschaften, S. 221 mit Anm. 1. 

®) Eine Metzer Steininschrift (Robert II, S. 120), welche decuriones nennt, 
hat Boissard nach der stadtrömischen Inschrift C. I. L. VI, 10356 gefälscht: 
s. dieses Jahrbuch VIIL:, S. 54 ff. und 116. 


*#) Steinsaal des Museums No. 81 — Robert I, S.21 mit pl. I, 8: »Genio 
C. Aur(eli) Matern(i) pr(a)ef(ecti) stat(orum), q(uaestoris) c(ivitatis) 
M(ediomatricorum), Cathirig(ius) Delficus cliense. — Auf die unrichtige Le- 


sung »pr(a)ef(ecti) stat(ionis) q(uadragesimae) civitatis) M(ediomatricorum)< geht 
die irrtümliche Annahme zurück, dass auch Metz eine Zollstation zum Zwecke 
der Erhebung des gemeinsamen Eingangszolles der gallischen Provinzen von 
21/20, der sogen. »quadragesima Galliarum«, gewesen sei (Robert I, S. 24 ff; 
Marquardt, Staatsverwaltung Il’, S. 272/273, Anm.; Jung, Die romanischen Land- 
schaften, S. 221f., Anm. 4; Desjardins, Géogr. de la Gaule, III, 1885, S. 401). 

5) In der provineia Narbonensis: C. I. L. XII, No. 1920 (Vienne): »stator ci- 
vitatis Vienne(n)s(ium)« und No. 3309 (Nîmes): »stator Nem(ausensium)<. Hirsch- 
feld zu No. 1920 vergleicht Petronius c. 126: »statores altius cinctos« und meint, 
es seien Amtsboten (viatores) gewesen, während Mommsen sie für Beamte halte, 


— 16 — 


und in »pagie, d. h. Flurbezirke mit zerstreut liegenden Gehöften 1. 
Die Bewohner der Stadtviertel und Dorfschaften, die »vicanie, und 
ebenso die Bewohner der Flurbezirke, die »pagani«, waren durch 
jährlich neugewählte »magistri«, d. h. Orts- oder Gauvorsteher, Schulzen, 
vertreten?); da alle Bezirke einen sakralen Mittelpunkt hatten), so 
könnte man sie unseren Kirchspielen vergleichen. 


welche die Angeklagten zum Gerichtstermin gestellt hätten (reos sistere). Man 
könnte auch in diesen statores eine der »vereinzelten Spuren vorrömischer Ein- 
richtungen« finden, von welchen Hirschfeld, Westd. Zeitschr. VIII, S. 134 (mit Be- 
legen in Anmerkung 39) spricht; doch ist es wohl richtiger, wenn man hierin 
eine Beamtenklasse sieht, die sich erst unter römischer Herrschaft selbständig auf 
gallischem Boden entwickelt hat. — Die Bezeichnung »statores< führen sonst 
Ordonnanzen des Statthalters, Kaisers oder Truppenführers. — Vgl. Anhang I, A, 1, 21. 

1) Für den Metzer Stadtbezirk sind uns durch Steindenkmäler bezeugt ein 
»vicus Honoris« (Ehrenviertel oder Ehrenstrasse) und die »vicani vici Pacis« (Be- 
wohner des Friedensviertels oder der Friedensstrasse): Steinsaal des Metzer 
Museums No. 5 und 165. Zum Metzer Landbezirk gehörte ausser einer Reihe von 
Dorfschaften, wie Caranusca, Ibliodurum, vicus Bodatius (Vic), vicus Marosallen- 
sium (Marsal,) Scarponna u. s. w. auch der »pagus lo ...<, welchen uns eine mit 
der Sammlung Simon leider verschollene Inschrift aus Sablon bei Metz nennt 
(Robert II, S. 23). — Ueber die »pagi« und »vicie vgl. Marquardt, Röm. Staats- 
verwaltung, I, S. 3—9, und Mommsen, Röm. Staatsrecht, IIl1, S. 116 —120. 

?) Eine Inschrift zu Metz war dem Mercurius von einem »magister vici 
Bodatii< gesetzt, s. oben S. 171, Anm. 1. Die vorher angeführte Inschrift der 
Sammlung Simon nannte einen »magfister) pag(i) Io... Il«, also einen Mann, der 
zweimal das Ehrenamt eines Bezirksvorstehers bekleidet hatte. — Unsicher ist 
auf einem zu Sablon gefundenen Weihetäfelchen der keltischen Göttin Icovellauna 
die Herstellung »[mag(ister) vilcie, welche Bone, Bonn. Jahrb. 66, S. 67 ff. (vgl. 
Möller, 3. Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu Metz, S. 116, Anm. 6, und 
Westd. Zeitschr. IL, S. 253 unter Il») vorgeschlagen hat. 

Der »magister vici Sandaliaris« (Robert II, S. 96) ist von Boissard und der 
»vici argentariae magister« (Robert II, S. 97) von Bégin erfunden. 

Ueber diese magistri vgl. Marquardt, Röm. Staatsverwaltung I, S.8, Anm. 9; 
Belege z.B. bei Wilmanns, Exempl. inscr. II, S. 627. Ueber die stadtrömischen 
magistri vicorum: Marquardt a. a. O., III, S. 198 ff. 

Dass die vici, wie anderswo, so auch in unseren Gegenden ihre eigene 
Kasse hatten, lehrt uns der Schatzmeister (quaestor) der vicani Belginates an der 
Strasse Trier—Bingen (Brambach No. 864 — Hettner, Steindenkmäler, No. 105); 
auch weisen darauf die beiden Metzer Denkmäler hin, welche (gleich der eben 
angeführten Inschrift) Weihungen seitens der vicani bezw. des vicus sind und von 
denen die eine (No. 5) besagt: »publice posuer(unt)«. 

In einer Inschrift von Bitburg (Beda vicus) aus dem Jahre 198 n. Chr. (Westd. 
Korr.-Bl. IX,145) werden »curatores vici« genannt (wozu vgl. Hettner a. a. O. 
Sp. 249). Diese Benennung kommt auch den Männern zu, welche zu Metz die Errich- 
tung eines religiösen Säulendenkmals besorgt haben (Steinsaal des Museums No. 5), 

®) Die Metzer vici Honoris und Pacis sind offenbar nach Tempeln benannt, 
welche in den betreffenden Stadtvierteln lagen (vgl. unter »Religion«); verglichen 


A 


In der Stadt Metz wurden neben den vollberechtigten Bürgern, 
den »cives«, noch »advenae«, d. h. Zugezogene, unterschieden !), worunter 
nicht bloss die ständigen Insassen ohne Bürgerrecht, die »incolae« oder 
»inquilini«, sondern auch die nur vorübergehend in der Stadt sich auf- 
haltenden Fremden, also die anderswo »hospites adventores« genannten 
Leute zu verstehen sind ?). 


Dass der dem römischen Senat nachgebildete bevorzugte Stand 
der auf Lebenszeit gewählten Gemeinderäte, der »ordo decurionum « 
(auch »senatus« genannt), für Metz zufällig nicht bezeugt ist, war be- 
reits bemerkt. Nachweisbar ist dagegen der zweite bevorzugte Stand, 
der dem römischen Ritterstande nachgebildete »ordo Augustalium«, 
welcher sich aus den alljährlich von den Gemeinderäten neu ernannten 
Sechsmännern, den »seviri (sex viri) Augustales« ergänzte?). Wie diese 
überwiegend aus reichen Freigelassenen ernannten Sechsmänner, deren 
Ehrenamt keine eigentlichen gemeindeamtlichen Funktionen in sich 
schloss, überhaupt die Aufgabe hatten, gleich den wirklichen Gemeinde- 


beamten und Priestern durch ihre Leistungen — wie Zahlung einer 
Geldsumme beim Amtsantritt, Veranstaltung von Volksfesten, gemein- 
nützige Bauten und sonstige Aufwendungen — den Stadtsäckel zu 


entlasten, so hat auch in Metz ein Kollegium solcher seviri Augustales 
(sie tragen noch teilweise keltische Namen) um die Wende des ersten 
zum zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung‘) die Bürger von Metz 
nebst den zugezogenen Fremden mit einer Wasserleitung und einem 


können werden die vicani Salutares und der vicus Apolline(n)sis zu Mainz, der 
vicus Dianensis zu Ariminum; auch der vicus Martis Tudertium an der via 
Flaminia. 

Wenn die von Robert zu der Metzer Inschrift vorgeschlagene Ergänzung 
»mag. pag. lo[vi] II« richtig ist, so ist der Name »pagus lovius< zusammenzustellen 
mit den Benennungen von pagi als »Herculaneus«, »lunonius«, »Martialis«, »Mer- 
curialis« (Robert II, S. 25). Freilich ist es auch sehr wohl möglich, dass in dem 
»lo....« eine altkeltische Flurbezeichnung steckt. 

?) s. die Inschrift S. 179, Anınerkung 2. 

?) Vgl. Marquardt a. a. O., S. 465/466; Wilmanns, Exempla inser., 1803 und 
2073 (Inschriften italischer Stadtgemeinden). 


G 


#) Mommsen, Römisches Staatsrecht, Ill, (1887), S. 453—457; Marquardt, 
Römische Staatsverwaltung, I, S. 512—516. — Die fünf Metzer Inschriften, welche 
ausser den beiden im folgenden herangezogenen Denkmälern Auguslalen nennen, 
sind von Boissard und Bégin auf Stein und Papier gefälscht (Robert II, S. 98—10) 
und S. 102; vgl. dieses Jahrbuch VIII, S. 7, Anm. 4). 

*) Diese auch von Zangemeister ausgesprochene Zeitbestimmung stützt sich 
auf die Schriftzüge. 

12 


Bau > 


zugehörigen, den Nymphen geweihten Quellhaus (Nymphaeum) beschenkt 1. 
Ausserdem nannte eine beim Bau der Kirche S. Privat, der ehemaligen 
Pfarrkirche von Montigny, im Jahre 1522 gefundene, seither leider zu 
Grunde gegangene Grabschrift einen Freigelassenen der Gilde der 
Moselschiffer als Registrator oder Rechnungsbeamten (»tabularius«) und 
als »sevir Augustalis « ?). 


Die Schaffung dieser Augustalen geht zurück auf die Zeit des 
Augustus®), dem zu Ehren sie ja auch ihren Namen tragen. Auf die- 
selbe Zeit geht zurück die Würde des Priesters der Roma und des 
Augustus, des abwechselnd aus den einzelnen gallischen Gemeinden 
gewählten Vorstandes des am Zusammenfluss der Saöne und Rhöne 
bei Lyon am 1. August des Jahres 12 v. Chr. eingeweihten Altars und 
Tempels, zugleich des Vorsitzenden des hier seitdem alljährlich abge- 


1) Inschrift im Steinsaal des Metzer Museums No. 80 = Robert II, S. 16, 
mit pl. VI, 4; gefunden 1848 bei der Lunette d’Arcon am Hauptbahnhof von Metz, 
wo sie aber vielleicht später zur Herstellung eines Steinsarges verwendet gewesen 
(vgl. Möller im »3. Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu Metz pro 1880«, 
S. 117): »[In hJonorem domu[s Augustae] — es folgten die Namen von sechs 
Männern — [III viri Aulgustales aquam ab origin[e usque ad civitatem perduxe- 
rulnt et Nymphaeum cum sulis ornamentis et signis sua impensa] posu[erunt]« ; 
zur Ergänzung der Inschrift s. Möller, Westd. Zeitschr. II, 1883, S. 286 f. Von den 
Namen der sechs Augustalen sind zwei nahezu vollständig erhalten: »C. Celsius 
Mattos....« und »Sex. Massius Genlialis ?]«<; von zwei Augustalen sind nur Reste 
der Zunamen vorhanden: »[Cara]thounus« und »[?Aellianus«; zwei Namen schliess- 
lich sind vollständig verloren. »Carathounus« ist ein zweifellos keltischer 
Name und sicher ergänzt (vgl. oben S. 159). Auch »Mattos....« ist ein keltischer 
Name (vgl. den Namen »Matto«, C. I. L. XII, 1431: »Matto Lutevi f.<, desgl. des 
Soldaten aus Bononia in der Inschrift bei Brambach No. 1207 = Wilmanns 
No. 1454, und den davon abgeleiteten Namen »Mattonius«). »Massius« ist ein 
aus einem keltischen Namen zurechtgemachter Geschlechtsname (vgl. Westd. 
Korr.-Bl. XV, Sp. 59/60, wo für »Massonius« noch Brambach No. 466 nachzu- 
tragen). 

?) Robert II, S. 115. Vgl. Sauerland in diesem Jahrbuch II, S. 363—365. 
Die offenbar echte Inschrift lautete: »M. Publicio Sec[un]dano, nautarulm] Mo- 
sallicor(um) liber[to], tabulario, III vifro] Augustali. Den von »publicus« ab- 
geleiteten Geschlechtsnamen »Publicius< führt der Mann, gleich den Freigelassenen 
einer Gemeinde, als Freigelassener einer Genossenschaft, der Schiffergilde (colle- 
gium nautarum). Schiffergilden sind uns in Gallien vielfach bezeugt (für die 
Narbonensis s. C. I. L. XII Index XII S. 942; ausserdem die Schiffer von 
Paris, »nautae Parisiaci«, die Loire-Schiffer von Nantes, »nautae Ligericie, 
die Saöne- und die Rhöne-Schiffer zu Lyon, »nautae Avarici< und »nautae 
Rhodanici»). 


*) Mommsen, Röm. Staatsrecht, Il:, S. 454, Anm. 1. 


a ee 


haltenen gallischen Provinziallandtages'). Wenn uns nun aber auch eine 
Metzer Stein-Inschrift?) einen Priester der Roma und des Augustus 
(»sacerdos Romae et Augusti«) nennt, so haben wir in diesem Manne 
keinen jener gallischen Oberpriester und Landtagspräsidenten *), son- 
dern den Priester eines auch in Metz, wie anderswo‘), dem Staats- 
kultus der Roma und der Kaiser geweihten Tempels zu sehen, denn 
andernfalls müsste man neben jener Priesterwürde auch die Angabe 
oder Andeutung von Würden erwarten, welche der Priester in seiner 
heimatlichen Gemeinde vorher bekleidet *). Der genannte Metzer Priester 
der Roma und des Augustus hat aber die Stadt Metz »zu Ehren des 
kaiserlichen Hauses« mit einem Turnplatz (campus) und zugehörigem 
Schwimmbassin (piscina) beschenkt. 

So erhielten die einstigen keltischen Siedelungen durch die Römer 
ein römisches Gepräge, während ihnen — mit wenigen Ausnahmen ®) — 
die alten Namen verblieben, die sich teilweise bis zum heutigen Tage 
erhalten haben. 

Dagegen lässt sich für die keltischen Personennamen der 
Nachweis führen, dass sie in römischer Weise zurechtgestutzt, nach 
und nach aber mehr und mehr durch vollständig römische Namen er- 
setzt wurden. Der keltische Ursprung der Namengebung fällt aber in 
zahlreichen uns überlieferten Namen unserer Gegenden sofort in die 
Augen. 


1) Marquardt, Röm. Staatsverwaltung, I, S.118 f.; Jung, Roman. Landschaften, 
S. 221 ff. Vgl. später unter Religion. Der Titel lautet: »sacerdos ad templum 
Romae et Augusti (auch: Augustorum) ad confluentes Araris et Rhodani< oder 
»sacerdos ad aram Caesaris nostri ad templum Romae et Augusti inter confluentes 
Araris et Rhodani« und älınlich. 


?) Doppelseitig beschriebener Stein, welcher im Keller eines Hauses in der 
Goldkopfstrasse als Pfeiler dient, Robert II,,S. 19 (Gipsabguss der einen Inschrift- 
seite im Steinsaal des Museums No. 71 — Robert, pl. VI). Die im wesentlichen 
gleichlautenden Inschriften der beiden Seiten ergänzen sich gegenseitig, doch 
nicht vollständig: »[[]n honorem domus Augustae ........ Celeris f(ilius) sa- 
cerd(os) Rom(ae) et Aug(usti) piscin(am) et campum (bezw.: camp. et piscin.) 
(eivibus Medliomatricis et advenis dedit.« — Vgl. oben S. 177. 

8) So z. B. Lorrain zu No. 71; Jung, Roman. Landschaften, S. 223; Robert II, 
S. 22; Desjardins, Géographie de la Gaule Romaine III, (1885), S. 450. 

+) S. Marquardt, Rüm. Staatsverwaltung, I, S. 367. Vgl. später unter Religion. 

5) Stehend, wenn auch nicht ohne Ausnahme, ist auf den Inschriften dieser 
gallischen Oberpriester bei Lyon die Bemerkung, dass sie in ihrer Heimat alle 
Ehrenstellen bekleidet (»omnibus honoribus apud suos functus«); vgl. Jung, 
Roman. Landschaften, S. 223. 

5) z. B. Gaesoriacum-Bononia (Boulogne); Cularo-Gratianopolis (Grenoble). 

12* 


— 180 — 


Die Kelten führten, wie aus Caesar und anderen Schriftstellern 
reichlich bekannt, nur einen Eigennamen, wie z. B. die Treverer Cinge- 
torix und Indutiomarus. Nach Ausweis der meisten keltischen Inschriften 
gehörte aber zur ofliziellen Benennung die Hinzufügung des Vaters- 
namens, welcher an einem die Abstammung bezeichnenden Anhängsel 
-iknos oder -ios, -cos erkennbar ist, z. B.'): 


»Bratronos Nantoniknos«, d. 1. Bratronos, des Nantonos Sohn; 

»Kassitalos Versiknos«, d. 1. Cassitalos, des Versos Sohn; 

»Kongennolitanos Karthilitanios«, d. 1. Congennolitanos, des 
Carthilitanos Sohn ; 

»Eskingoreix Kondilleos«, d. i. Escingorix, des Condillos Sohn. 


Nun muss es jedem auffallen, der sich mit gallischen Inschriften 
beschäftigt, zumal wenn er vorher hauptsächlich italische Inschriften 
bearbeitet hat, dass in Gallien so überaus häufig sind Benennungen, 
wie die folgenden aus lothringischen Inschriften des Metzer Museums?): 


»Elvorix Varieilli £(ilius)«, d. i. Elvorix, des Varicillus Sohn 3); 
»Melus Cintusmi f(ilius)«, d. i. Melus, des Cintusmus Sohn °); 
»Esunertus Souni f(ilius)« *); 


1) Die Beispiele habe ich vorhandenen keltischen Inschriften entlehnt; die 
Belegstellen dafür finden sich u.a. bei Holder unter den einzelnen Namen. — 
Ueber »-ienos«, »-ios«, »-eos« vgl. Holder II, Sp. 21 und 59—62 (— 9. Lieferung, 1897). 
Wenige keltische wie lateinische Inschriften begnügen sich mit der Nennung 
eines Namens, vgl. z. B. die keltische Inschrift C. 1.L. XII, S. 820: Ovnpgovuagos 
(Vebrumaros) und die lateinischen Inschriften im Steinsaal des Metzer Museums, 
No. 313 (Sablon): Mutter »Diviciana« (kelt.) und Sohn »Aurelianus« (latein.), sowie 
No. 31. 32 und 35 (aus Solimariaca — j. Soulosse): »Acuilina<, »Ariola« und »lassia«; 
auch der Stifter des gegenüber Trier gefundenen Denksteines des Esus-Mercurius, 
ein Metzer, nennt sich: »Indus Mediom{atr(icus)}k«. Gewöhnlich dagegen ist 
die Nennung nur eines Namens auf Töpferstempeln (und ebenso auf den christ- 
lichen Grabschriften). 

?) Vgl. noch Bénédict. I, pl. XL; mit S. 97: »Caraddouna Drucae (filia)«, 
nach Robert II, S. 60/61, dieselbe wie Steinsaal des Museums No. 61. 

3) No.5 des Steinsaales (s. dieses Jahrbuch VIll:, S. 37). Der von einem 
Säulendenkmal des Juppiter herrührende Stein wurde zu Metz und zwar wahr- 
scheinlich um das Jahr 1560 beim Abbruch der porte Serpenoise (gelegentlich 
des Baues der Citadelle 1556—1562) aufgefunden und kam in den Besitz des 
Goldschmieds Aubry, des späteren Schwiegervaters des Dichters, Archäologen, 
Zeichners und Fälschers Boissard. Aus dem Hause Aubry (in der oberen Gold- 
schmiedstrasse No. 18) kam das Denkmal 1843 ins Museum. 


*) Weihdenkmal des Mercurius, gefunden 1897 bei Hültenhausen. 


PR 


»Saccomainus Cantognati fil(ius), Saccetius Saccomaini (filius), 
Bellator Belatulli fillius)« '); 

» PruYca ?) Cingetis filia)«, d. 1. Prusca, des Cinges Tochter?) ; 

» Taliounus Oriclae f(ilius)«, d. i. Taliounus, des Oricla Sohn ?) ; 

»Bellausus Masse filius«, d. i. Bellausus, des Massa Sohn ’°). 


Ausserdem nenne ich noch aus Inschriften, welche im Badischen 
und in Württemberg gefunden sind, die beiden Metzer Bürger: 


»[Mlogetius Mi9Jei‘) fillius) e(ivis) Mediomatr(icus)« ?) 
und »Jumma Exobni fil(ius) civis Mediomatricus« °), 


sowie aus zwei Inschriften des Regierungsbezirks Trier”), beide aus 
dem Kreise Bitburg: 


»Inecius lassi (filius)« 1°) 
und »Sautus Novialchi fil(ius)« 1). 


Es sind dies aber nichts anderes als Uebertragungen jener kelti- 
schen Namengebung ins Lateinische, also Uebersetzungen von »Elvoreix 
Varikil(liknose, »Esunertos Sounios« u. s. w.'?). 


!) Grabstein, gefunden 1897 im Walde Neu-Scheuern (Kanton Lörchingen). 

?) Mit durchstrichenem D geschrieben. 

#) Gefunden in Metz; No. 111 des Steinsaales = Robert II, S. 62, pl. IX,s. 

#) No. 75 des Steinsaales — Robert I, S. 27, pl. Le. Fundort: Metz. Dem 
Hercules gewidmet (»Hercli<, wie Brambach, No. 678, und C. I. L. XII, No. 5733, 
Addit. S. 807, vom Jahre 69 n. Chr.). — Zu Taliounus vgl. oben S. 159. — Oricla: 
C.I.L. XI, 5686, 652. Die Ansicht, wonach es keltischer Gebrauch gewesen, den 
Namen der Mutter statt den des Vaters hinzuzusetzen (C. I. L. XII, S. 962, und 
Westd. Korr.-Bl. XV, Sp. 59, Anm. 26), halte ich für unbegründet: es liegen keltische 
Mannesnamen auf -a vor, oder die Erklärung ist eine andere. 

5) Gefunden 1895 zu Saarburg 1. L. in geringer Entfernung vom Mithräum : 
s. dieses Jahrbuch VIL:, S. 155ff., und Westd. Korr.-Bl. XV, Sp. 59/60. 

6) Mit zwei durchstrichenen D geschrieben. 

7) Grabschrift, gefunden im Gemeindewald von Leimen, jetzt in der Gross- 
herzoglichen Sammlung zu Karlsruhe: Westd. Korr.-Bl. II (1884), 118. 

®) Grabschrift aus Meimsheim (Neckarkreis): Brambach No. 1572. 

*) Beachtenswert ist, dass unter den Inschriften des Trierer Bezirkes ver- 
schwindend wenige diese Namengebung zeigen, statt deren offenbar beliebter war 
die im folgenden besprochene, der römischen Namengebung nachgemachte 
Benennung. 

!%) Gefunden bei Neidenbach: Hettner, Steindenkmäler, No. 45 (Weihinschrift 
an Apollo). 

'!) Gefunden bei Idenheim: Hettner a. a. O., No. 67 (Stiftung zweier Tempel 
für Mercurius). 

'?) Entsprechende Namengebungen finden sich auch in anderen Teilen des 
römischen Reiches im Anschluss an die dort üblichen einheimischen Benennungen. 


— 182 — 


In den angeführten Beispielen tragen Vater wie Sohn noch kelti- 
sche Namen). Es giebt aber auch Fälle, wo der Vater noch einen 
keltischen Namen führt, die Söhne jedoch bereits römische Namen an- 
genommen haben. 

So in lothringischen Inschriften ?): 


»Niger UraYari f(ilius)e, d. h. Schwarz, des Urasarus Sohn); 

»Maior Magiati filiuse, d. h. Maior (= Grösser oder Aelter), 
des Magiatus Sohn); 

»Terentinus et Peregrinus Nlanvissae filie, d. h. Terentinus 
und Peregrinus, des Illanvissa Söhne °); 

»Musicus Lilluti fil(ius)«, wo der Sohn einen latinisierten, 
ursprünglich griechischen Namen (Musicus) trägt®). 


Ausserdem führe ich noch aus niederelsässischen Inschriften ‘) an: 


»Augustus Tocisse fil(ius)« und »Augusta filia Secconise, 
wo die Kinder mit dem kaiserlichen Ehrennamen 
Augustus benannt sind. 


1) Auch »Bellator« ist trotz seines lateinischen Aussehens ein ursprünglich 
keltischer Name (vgl. besonders €. I. L. XII, 5819: »Bellatur<; auch ist ausserhalb 
des keltischen Sprachgebietes der Name »Bellator« nicht nachgewiesen). — Belege 
für diesen und die anderen keltischen Namen bei Holder. 


?) In gleicher Weise nennt sich auf einer keltischen Weihinschrift aus 
Alesia( Alise-Sainte-Reine, dép. Côte d'Or) der Stifter: »>Martialis Dannotali« 
(Becker a. a. O. III, S. 163, No. 3; Belloguet, Glossaire, S. 281; Holder z. B. 
Sp. 1224). 

3) Grabschrift, im XVII. Jahrhundert mit anderen Grabstenen von Metz 
nach Luxemburg (in die Sammlung im Garten des Jesuitenkollegs) verbracht: 
Wiltheim, Luciliburgensia (ed. Neyen, 1842), Pl. 46, Fig. 168 und dazu S. 191; 
daher: Robert II, S. 150. 

4) Denkmal der keltischen Göttin Sirona; gefunden bei S. Avold, dann zu 
Strassburg i. E., seit 1870 verloren. Gipsabguss im Steinsaal des Metzer Museums 
No. 199; Robert I, S. 93. Gips-Abgüsse besitzen auch das Museum von St. Germain 
und das Museum zu Nancy (I, 225: L. Wiener, Catalogue, ?, 1895, S. 31). 

5) No.5 des Steinsaales (aus Metz). = 

#) Steinsaal No. 67 — Robert I, S. 71, pl. IV4: Weihdenkmal des Götterpaares 
Mercurius und Rosmerta; Fundort: Metz. — Vgl. noch im Metzer Museum No. 34 
(aus Soulosse): »Regulus Rebrici (filius)< und im Museum zu Nancy (aus dem 
Wald von Darney, Vosges) bei L. Wiener, Catalogue 1,55 (7, 1895, S. 35): »Sabimi 
Sattı f.<. 

7) Brambach, Add. S. XXXIH, No, 2073 und 2071: aus Königshofen und aus 
Ingweiler oder Pfaffenhofen, 


1 ale 


4 TOC 
Der. 


— 183 — 


Schliesslich lassen sich auch Beispiele für dieselbe Namengebung 
beibringen, wo der Vater selbst bereits als Namen einen römischen 
Beinamen führt, z. B.: 


»Priscus Cani filius«, d.h. Alt, des Grau Sohn); 

»Sextilia Seduli f(ilia)«, d. h. S., des Emsig Tochter’); 

» Priscilla Mercatoris filia«, d.h. Altchen, Kaufmanns Tochter °); 
»Siliana Silvestris f(ilia)«, d.h. S., des Waldmann Tochter ®). 


Aber wenn auch die romanisierten Gallier — sei es als römische 
Neubürger, sei es auch nur in unberechtigter Nachahmung römischen 
Wesens *) — sich Namen beigelegt haben, welche, äusserlich betrachtet, 
den römischen Bürgernamen ganz entsprechend gewählt, gebildet und 
geordnet sind‘), so ist doch häufig genug unter der römischen Ver- 
kleidung der keltische Kern zu erkennen. Denn vielfach ist der Ge- 
schlechtsname erst mit Hülfe der lateinischen Endung -ius von keltischen 
Eigennamen gebildet”); den Ausgangspunkt für diese Neubildung eines 


!) Grabschrift im Trierer Museum: Hettner, Steindenkmäler Trier, No. 293; 
Fundort: Pachtem an der Saar (Kreis Saarlouis). — Vgl. C. I. L. VII, No. 36 (Bath). 


?) Grabschrift im Metzer Museum, Steinsaal No. 9 = Robert II, S. 56, pl. IX,ı; 
Fundort: Metz. 

®) Grabschrift im Metzer Museum, Steinsaal No. 301 — Jahresbericht des 
Vereins für Erdkunde zu Metz, III, 1880, Tafel 24; aus dem südlichen Gräberfeld 
von Metz. 

#) Weihinschrift an Mercurius im Metzer Museum, Steinsaal No. 70 — Robert I, 
S.51, mit pl. IV». Fundort: bei Chanville (5 bis 6 km nö. von Remilly), an der 
römischen Strasse Metz— Strassburg. 


5) Letzteres halte ich für das Gewöhnliche; vgl. Sueton. Claud. c. 25 
und C. I. L. V, 5050. (Mommsen, Staatsrecht, IIl,ı, S. 213, Anm. 5). Die allgemeine 
Verteilung des Bürgerrechtes durch die Kaiser fällt in die Wende des II. zum 
III. Jahrhundert. 

5) Vornamen (meist abgekürzt) + Geschlechtsnamen (gewöhnlich auf -ius 
endigend) + Zunamen. Beispiele: C. lulius Caesar; M. Tullius Cicero. — Vgl. 
Mommsen, Röm. Staatsrecht, Ir, S. 200ff.; Marquardt, Privatleben der Römer, 
Bl fi. 

7) Manchmal ist auch versäumt, den wie einen Geschlechtsnamen gebrauchten 
keltischen Namen einem römischen Geschlechtsnamen entsprechend zurechtzu- 
stutzen, so in einer bereits herangezogenen Metzer Grabschrift (auf der Garten- 
terrasse der Kriegsschule eingemauert): »Euta Maternae« statt »Eutiae Maternae« 
(vgl. oben S. 160); in der gleichfalls bereits erwähnten Weihinschrift der coloni 
Crutisiones von der Saar: »ferunt de suo per Dannum (statt »Dannium«) Gia- 
millum« (Hettner, Steindenkmäler, No. 66); in einer Inschrift von Zabern, Bram- 
bach No. 1864: »Divixte Matern(e)< statt »Divixtiae Maternae«. Vgl. dieses Jahr- 
buch VIL:, S. 59, und die vorhin (S. 182, Anm. 3) angeführte Inschrift aus 
Metz: »Elvo Primus«. 


— 184 — 


Geschlechtsnamens scheint aber stets der Eigenname des Vaters und 
nicht etwa ein beliebiger Eigenname gebildet zu haben). 

Diesem zu einem Geschlechtsnamen umgewandelten keltischen 
Namen wurde voraufgeschickt ein den Römern abgeborgter Vorname, 
der aber auch oft fehlt. Als Zunamen wurden keltische Namen ?), oder 
aber römische Zunamen*) gewählt; manchmal hat auch der eine von 
zwei Brüdern einen keltischen, der andere einen römischen Zunamen ?), 


1) Vgl. C.I.L. XII, No. 3452 (Nemausus — Nîmes) mit Additam. S. 838: 
»Aviulla (so statt: »Aviullia«) Aviulli f(ilia) Paterna« ; in der nämlichen Grab- 
schrift hat der Mann jener Frau bereits einen aus einem Zunamen, wahrscheinlich 
seinem früheren Einzelnamen zurechtgemachten Geschlechtsnamen, denn er nennt 
sich »L. Catius Gratin(us)<, die Tochter aber heisst daher: »Catia Cati (= Catii?) 
f(ilia) Gratina«. — C.I. L. XI, 95. 517. 2939. 3029; vgl. 3358 und 3583. 

?) Beispiele: Die Metzer Inschriften im Steinsaal des Museums No. 5. 29. 
94: »M. Macirius Atrectuse; »Massia Sec[c]ula«; »>Nammia Atepa«; 
vgl. No. i02 (Robert IL, S. 51 mit pl. VIII); ferner aus dem Trierer Namen- 
verzeichnis bei Hettner, Steindenkmäler, No. 489: »C. Ioincatius Attox; 
»>M. Treverius Covirus« (ein Freigelassener der Gemeinde Trier) und andere 
Namen auf den Inschriften des Trierer Museums (No. 105. 106 u. s. w.). — Der 
Metzer »G. Sacconius Adnatus Mediomatr(icus)« auf einer Inschrift von 
Lyon aus der ersten Hälfte des IT. Jahrhunderts, Henzen 5530 = Wilmanns 129, 
führt einen Zunamen, der zwar lateinisch klingt, aber trotzdem keltisch oder 
doch in Anlehnung an keltische Namen gebildet ist; sonst ist der Name nicht 
nachgewiesen (Holder I, Sp. 44). 

3) Beispiele aus dem Trierer Museum: Hettner, Steindenkmäler, No. 113, 
Weihinschrift an einen keltischen Gott Caprio, gefunden bei Mürlenbach, Kreis 
Prüm, in der Eifel: L. Te$Jiatius Primus(Ÿ, d.h. mit zwei durchstrichenen 
D geschrieben); Hettner No. 43, aus dem vicus Voclannionum gegenüber Trier: 
Uri® Julius Campanus (9%, d.h. mit zwei durchstrichenen S geschrieben); 
Hettner No. 15 aus Trier: »Melius Finitimus«; Hettner No. 489 aus Trier: 
C. Ulittius Secundus; C. Melius Primigenius; M. Mainius Marinus 
u. a. — Aus Metzer Inschriften im Steinsaal des Museums No. 81 und 103: »Ca- 
thirig(ius) Delficus« und »Attonia Barbara«, wo beidemal ursprünglich 
griechische Namen als Zunamen gewählt sind; ausserdem eine im Jahre 1700 am 
Boufflers-Garten zu Metz gefundene Grabschrift, aus einem Brief des Jahres 1701 
veröffentlicht von Brambach im Rheinischen Museum, N. F., 20 (1865), S. 624, 
No. 5 = Robert II, S.162: »Carantia Perpetua<; vgl, auch die vorhin er- 
wähnte »Euta Materna« und die Metzer Bürgerin C.I.L. Vllss: >Rusonia 
Aventina c(ivis) Mediomatr(ica)«. 

*) Beispiel: Weihinschrift an Mercurius und Rosmerta, gefunden unterhalb 
Neumagen an der Mosel, jetzt im Antiquarium zu Mannheim, Abguss im Trierer 
Museum, Hettner, Steindenkmäler, No. 76: »Docci Aprossus et Acceptus«, 
d.h. Doccius Aprossus (keltisch) und Doccius Acceptus (lateinisch). — Belege für 
»Docciuss bei Holder I, Sp. 1298; »Aprossus« dagegen hat Holder übersehen; 
der Name findet sich auch auf einer Neumagener Inschrift des Trierer Museums 
(Westd. Korr.-Bl. V,so, 1). 


— 15 — 


- 


oder ein und derselbe Mann führt neben einem römischen Zunamen 
einen keltischen Rufnamen !). 


Ein lehrreiches Beispiel für diese Namengebung liefert ein schon 
öfters herangezogener Stein des Metzer Museums?), wo unter den Stiftern 
eines Säulendenkmals des (keltischen) Juppiter aufgeführt werden: »0. 
Giamius Bellus et Communis Giami filie, d.h. Q. Giamius Bellus und 
(Q. Giamius) Communis, des Giamus Söhne. Die beiden Söhne eines 
Mannes keltischer Abstammung Namens Giamos (latinisiert: Giamus) 
tragen also einen von diesem keltischen Namen abgeleiteten, nach 
römischer Weise zurechtgemachten Geschlechtsnamen »Giamius«:; als 
Vornamen haben sie sich gewählt den römischen Vornamen »Q(uintus)«, 
und als Zunamen führt der eine den ursprünglich keltischen Namen 
»Bellus<« *), der andere den römischen Zunamen »Communis«. 


Auf diese Romanisierung der keltischen Namengebung wirft nun 
ein aufklärendes Licht eine Eigentümlichkeit, welche zwar bisher nur 


') Beispiel: Inschrift aus dem Trierer Amphitheater, dem Schutzgeist der 
in der Kolonie Trier sesshaften »arenariie, d.h. der in der dortigen Arena auf- 
tretenden Gladiatoren und Tierkämpfer, offenbar von einem Mitglied dieser Genossen- 
schaft geweiht (Hettner, Steindenkmäler, No. 88): »Axsillius Avitus sive 
Sacruna«, d.h. Axsillius Avitus (lateinisch) oder Sacruna (keltisch). — Einen 
keltischen Rufnamen führt auch neben lateinischem Geschlechts- und Zunamen 
die »Iuvenalia [luvencula sive Iuccosa< auf einer im folgenden heran- 
gezogenen Metzer Grabschrift (vgl. Brambach 752 — Hettner, Steindenkmäler, 
No. 209: »Primanius Ingen(uJus sive Pottus«, gefunden im Varuswalde bei 
Tholey, Kreis Ottweiler); ferner neben lateinischem Geschlechts- und keltischem 
(doch mehr an das Lateinische anklingendem) Zunamen der Metzer Bürger »Seni- 
lius Carantinus c(ivis) Mediom(atricus) .... sive Cracissius« auf einem 
Mithras-Stein des dritten Mithräums zu Heddernheim bei Frankfurt a. M. 

Beispiele für Rufnamen, welche mit »sive«, »qui (quae) ete, »idem (eadem)«, 
»signo (signum)« dem offiziellen Namen angefügt wurden, z. B. bei Wilmanns, 
Ex. inser. U, S. 406; C.I. L. XII, Index, S. 962; vgl. Marquardt, Privatleben der 
Römer, S. 25f. 

?) Steinsaal No. 5. — Diese Inschrift zeigt neben römischen und diesen 
nachgemachten Namen auch aus dem Keltischen übertragene Benennungen der 
ersterwähnten Art (s. S. 180 und S. 182). Ebenso finden sich beide Arten der 
Namengebung nebeneinander in der Grabschrift No. 111 des Steinsaales — Robert IT, 
S. 61f., mit pl. IX,s (Fundort: Sablon): »Quadratio Aventino Pruÿca Cingetis fil(ia)e, 
wo der Verstorbene einen von einem römischen Zunamen abgeleiteten Geschlechts- 
namen (Quadratius) und einen römischen Zunamen (Aventinus) trägt (vgl. unten 
5. 189), während die Frau, welche den Grabstein gesetzt hat, einen aus dem 
Keltischen übersetzten Namen führt (vgl. oben S. 181). Vgl. auch die bereits an- 
geführte Metzer Inschrift bei Robert II, S. 150. 

®) Vgl. Holder I, Sp. 395. 


Be fe 


aus wenigen Beispielen nachgewiesen '), aber allgemeiner in Gebrauch 
gewesen ist?). Während nämlich in dem eben angeführten Metzer 
Beispiele der Vater nur einen Eigennamen trug, von dem der Ge- 
schlechtsname der Söhne hergeleitet ist, trägt in den Beispielen, welche 
ich jetzt im Auge habe, der Vater (oder bei Freigelassenen der frühere 
Herr) bereits nach römischer Weise drei (oder, mit Weglassung des 
Vornamens, zwei) Namen; die Kinder (oder Freigelassenen) aber führen 
nicht den Geschlechtsnamen ihres Vaters (bezw. früheren Herrn), 
sondern ganz entgegen allem römischen Brauch einen von dem 
Zuramen des Vaters (oder Herrn) abgeleiteten neuen Geschlechts- 
namen. 


1) Hettner, Westd. Zeitschr. II (1883), S. 7, Westd. Korr.-Bl. V (1886), 80,1, 
Sp. 118, und Steindenkmäler, 1893, No. 194. 202. 291; Mommsen, Westd. Korr.- 
Bl. XI (1892), 56. 

?) Da ich auf die Belege, welche Hettner und Mommsen nicht namhaft 
machen, ganz zufällig oder bei oberflächlichem Suchen gestossen, so bin ich über- 
zeugt, dass diese Namengebung auch sonst, z. B. in der Provinz von Lyon (Gallia 
Lugudunensis) sich nachweisen lässt. 


Mir sind Beispiele bekannt aus 


1. Metz: Robert II, S. 42 f. (oben angeführt); 
2—11. dem Regierungsbezirk Trier: 
2. Pachtem (Kr. Saarlouis): Hettner, Steindenkmäler, No. 202; 
3. Zwalbach (Kr. Merzig): Hettner a. a. O., No. 291 (= Brambach, C. I. 
Rhen., No. 759); 
4. Serrig an der Saar: Brambach No. 763; 
5. bei Trier: Brambach No. 809 mit Addend. S. XXX; 
6—7. Igel: Brambach No. 830 (Inschrift der Igeler Säule) und Hettner 
a. à. O., No. 194 (— Brambach No. 832); 
8. Bollendorf an der Sauer: Brambach No. 846; 
9—11. drei Inschriften aus Neumagen (im Trierer Museum): Brambach 
No. 857, die oben angeführte Inschrift und Westd, Korr.-Bl. V, 80,1; 
12. Cöln: Brambach No. 373; 
13. Dreieichenhain im Grossherzostum Hessen (bei Frankfurt a. M.): Bram- 
bach No. 1404; 
14—17. Mainz und Zahlbach: Brambach No. 997 verglichen mit 996. No. 1081. 
1210 und 1239; 
18—19. Worms: Brambach No. 904 (oben angeführt) und Mommsen, Westd. 
Korr.-Bl. XI, 56; 
20. Becherbach in der bayer. Rheinpfalz: Brambach No. 1764. 
21. S. Remy an der Lauter, bei Weissenburg (Elsass): Brambach No. 1836; 
22—24. Avenches (Aventicum) und Basel in der Schweiz: Mommsen, Inscr. 
Helvet., No. 184. 201 und 277; 
25. Nemausus (Nimes) in der Gallia Narbonensis: C. I. L. XII, No. 3475. 


S. die Zusammenstellung der Namen im Anhang IT. 


— 187 — 


Als Beispiel wähle ich eine Grabschrift aus Neumagen a. d. Mosel, 
dem keltisch-römischen Noviomagus'). In dieser Grabschrift heisst der 
Vater M. Ammutius Ollognatus, dessen Sohn aber Ollognatius Secundus. 
Während also der Vater noch eines keltischen Namens (Ollognatus) als 
Zunamens und nicht bloss eines auf einen keltischen Namen zurück- 
gehenden Geschlechtsnamens (Ammutius) sich erfreut, führt der Sohn 
einen lateinischen Zunamen. Des Ollognatius Secundus Sohn aber, 
auf den die nämliche Namengebung Anwendung fand, muss einen voll- 
ständig aus römischen Bestandteilen zusammengesetzten Namen geführt 
haben, z. B. M. Secundius Crescens. Und so kommt es, dass von den 
sonstigen Beispielen die Mehrzahl vollständig lateinische Namen zeigt; 
wie eine Wormser Grabschrift ?), in welcher diese unrömische, provinzial- 
gallische Namengebung als der daneben angewendeten römischen Be- 
nennung gleichwertig bezeichnet ist (Vater: »C. Candidius Martinus« ; 
seine Tochter: »Candidia sive Martinia Dignilla«) und eine Metzer 
Grabschrift?), welche uns ein Mädchen nennt Namens »luvenalia 
Iuvencula«, während der Vater »Fonteius [uvenalise heisst?). 

Diese gallische Eigentümlichkeit der Namengebung lässt sich nur 
aus der keltischen Namengebung erklären). 

Beweis: Angenommen, der Vater hiess »Bratronos Nantoniknos« 
oder mit einer ja auch daneben vorkommenden ®) Bezeichnungsweise: 
»bratronos Nantonios« (d. h. Bratronos, des Nantonos Sohn), und »Nan- 
toniknos« oder »Nantonios« wurde nicht in der S. 180 ff. besprochenen 
Weise durch »Nantoni filius« übersetzt, sondern durch eine gleichwertige 

‘) Im Museum zu Trier (Inventarnummer 746), Saal 2; Wortlaut bei Hettner 
im Rheinischen Museum, N. F., 36 (1881), S. 454, und im Führer durch das Provinzial- 
Museum zu Trier, zweite Auflage, S. 32 unten. 

?) Brambach No. 904 (= Wilmanns, Exempl. inser., No. 2261). 

») Halbkugelförmiger Grabstein in einem Hause am Ludwigsplatz; Gips- 
abguss im Steinsaal des Museums No. 166. Robert II, S. 42f. mit pl. VIL4-6. 

+) So erklärt es sich auch, dass in der Inschrift des Metzer Museums No. 103 
des Steinsaales — Robert II, S. 40f. mit pl. VIls die Tochter heisst: »Domit(ia) 
Sextia«, während der Vater, ein ehemaliger Soldat, der nach seiner Entlassung 
seinen Wohnsitz nach Metz verlegt hatte, den Namen >Q. Domitius Sextus« 
führt. Vater und Tochter haben also, dem römischen Brauche entsprechend, 
den gleichen Geschlechtsnamen (Domitius, -ia), der Zunamen der Tochter (Sextia) 
aber ist vom Zunamen des Vaters (S.xtus) abgeleitet. Auch der Sohn führte 
einen mit »Sext...« beginnenden Zunamen. 

Vergleichen lassen sich auch die von dem Namen des Vaters abgeleiteten 
Namen der Kinder, z.B. in der christlichen Grabschrift zu Trier bei Hettner, 
Steindenkmäler, No. 386 (Vater: »Gaudentius«, sein Söhnchen: »Gaudentioluss«), 

5) Vgl. Hettner, Westd. Zeitschr. II, S. 7/8. 

°) Vgl. Holder II, Sp. 59—62 (= 9. Lieferung, 1897). 


Ba 


und der einen keltischen Form ganz entsprechend gebildete lateinische 
Ableitung von Nantonos, nämlich durch »Nantonius« wiedergegeben, 
so erhalten wir den latinisierten Namen »Bratronus Nantonius« oder 
mit der der römischen Sitte nachgemachten Anordnung!) »Nantonius 
Bratronus«e. Der Sohn des Bratronos möge nun heissen Kassitalos, 
also mit Hinzufügung des Vaternamens: »Kassitalos Bratroniknos« oder 
»Kassitalos Bratronios«, ins Lateinische übertragen: »Cassitalus Bratro- 
nius« und mit der erwähnten Umstellung: »Bratronius Cassitalus«. 

Also der Vater heisst: 

»Nantonius Bratronus«, 
und der Sohn heisst: 
»Bratronius Cassitalus«. 

Aus dieser nur in einstmals keltischen Gegenden nachweisbaren 
und nur aus der keltischen Namengebung erklärlichen eigentümlichen 
Abweichung von der römischen Namengebung ergiebt sich zweierlei: 
Einmal müssen die von lateinischen Zunamen neugebildeten Ge- 
schlechtsnamen ?), wie: Celsius?), Censorinius®), Dexterius?), 
Finitimius®), Florius’), Iunianius°), Magnius°), Marcellius = 


1) Wo also der seltene Fall vorliest, dass der Zunamen dem Geschlechts- 
namen vorangestellt ist, dürfen wir diese Anordnung als durch die keltische 
Namengebung beeinflusst ansehen. Vel. z. B. Brambach No. 889 (»Sacer Iulius«) 
und C.I.L. XII, Index, S. 962 (22—23 Belege). 

2) Wie diese Namenbildung in unseren Gegenden sich anlehnen konnte an 
die keltische Namengebung, so findet die allgemeinere Anwendung derselben ihre 
Erklärung in dem Vorbild, das sie in der römischen Namenbildung hatte, denn 
auch hier war ja der Geschlechtsname Claudius aus Claudus, Licinius aus Licinus, 
Plautius aus Plautus, Tullius aus Tullus gebildet. 

3) Steinsaal des Metzer Museums No. 80 (s. S. 178, Anm. 1). 

#) Weihinschrift, gefunden zu Metz, St. Ludwigsstrasse (Nouvelle rue Saint- 
Louis), bei Robert I, S. 10/11; sie ist zu lesen: »Deo Apollini Q. (oder: G.) Cen- 
sorinius Lillius (oder: Lillus) calcearius oder calciarius (d.h. Schuhmacher) 
v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito)<. 

5) Steinsaal No. 23 — Robert I, S. 14 mit pl. I, (gefunden zu Metz, Cita- 
delle): Denkstein der reitenden Epona, gestiftet von Dexter[ius] Decminlus]. Der- 
selbe Geschlechtsname z. B. Brambach, C. I. Rh. No. 2056 (Add. S. XXX). 

6) Grabstein im Steinsaal No. 97 — Robert Il, S. 39 mit pl. VILe (gefunden 
zu Metz, Tour d’Enfer); Frau eines Veteranen: Finitimia Nonna. 

7) Grabstein im Steinsaal No. 154 = Robert II, S. 44 mit pl. VIl- (gefunden 
zu Metz): »L. Flori Crispi« (Genitiv). 

®) a) Grabstein im Steinsaal No. 300 — Möller im 3. Jahresbericht des Vereins 
für Erdkunde zu Metz f. 1880, S. 129 mit Tafel 21 (gefunden auf dem südlichen 
Gräberfeld von Metz, Lunette d’Arcon): Magn[ilus Capr[o]sus (?) — b) Grabschrift 
der Sammlung Joly in Metz, später nach Luxemburg verbracht, bei Robert II, 
S. 158: »luniani Iullini< (Genitiv) und »Magnia Maximiola«. 


— 189 — 


Marceleus!), Matutinius?), Nocturnius?), Paullius®), Quadra- 
tius?), Sanctinius®), Senilius‘), Solidius?®), Vietorius?), Vita- 
lius!®), Vittatius'!), wenn auch nicht alle), so doch teilweise 


1) Zwei Weihinschriften aus dem Mithräum zu Saarburg i.L., s. dieses 
Jahrbuch VIILı, S. 145 und 147: Marceleus bezw. Marcellius Marianus. 

?) Grabschrift eines Metzer Bürgers, Inhabers eines Geschäftes in gallischen 
Röcken (saga), M. Matutinius Maxim[us], gesetzt von seinem Bruder M. Matutinius 
Marcus und von einem C. Sanctinius Sanc[tus]. Fundort: Mailand (C. I.L. V, 5929). 

3) Grabstein, eingemauert in der Ecluse du Therme zu Metz; Robert II, 
S. 58 mit pl. IX4: »Nocturnio Nocturniano«. 

#) Steinsaal No. 5 (Fundort: Metz); »M. Paulli Martialise (Genitiv). 

5) Grabschrift im Steinsaal No. 111 = Robert II, 5. 62 mit pl. IX, (gefunden 
zu Metz): »Quadratio Aventinos. 

6) Grabschrift im Steinsaal No. 101 — Robert II, S. 38 mit pl. VILı (gefunden 
auf dem südlichen Gräberfeld von Metz, Lunette de Montigny); Frau eines 
Veteranen »Salneltinia S..... « (nach Roberts Ergänzung). Derselbe Name auf 
der Grabschrift eines Metzer Bürgers oben Anm. 2. Vgl. auch die Grabschrift 
bei Brambach im Rheinischen Museum, N. F., 20 (1865), S. 623, No. 2 (aus einem 
Brief des Jahres 1701) — Robert Il, S. 163 (gefunden zu Metz, Boufflers-Garten ; 
verschollen): »Santinius Sacer«. 

7) Senilius Carantinus sive Cracissius: Anhang LA, ı1, 26 (oben S. 185,.). 

®) Grabschrift von Tarquinpol-Decempagi (Wichmann im Jahrbuch 
VIl,, S. 186; daher Westd. Zeitschr. XV, S. 343): »Solidi(a)e Minut(a)e«. 

®) Grabschrift zu Metz, verschollen; Robert II, S. 143 (vgl. dieses Jahr- 
buch VIILı, S. 46/47 und 115): Victoria Tertia. 

10) Stempel eines Arztes zum Aufdrücken auf Salbenstäbchen (Heilmittel 
gegen Augenkrankheiten): »Ga(i) Vitali Amandionis cloron<; Fundort: Daspich 
(zwischen Ueckingen und Diedenhofen), Abdruck im Metzer Museum: s. dieses 
Jahrbuch IV,ı, S. 214; vgl. Brambach No. 1875, der die Inschrift mit falscher 
Ortsangabe irrtümlich in seine Sammlung aufgenommen hat; Kraus III, S. 86. — 
Ausserdem eine verschollene Grabschrift (gefunden zu Metz, Boufflers-Garten) 
bei Brambach im Rheinischen Museum, N. F., 20 (1865), S. 624, No. 4 (aus einem 
Brief des Jahres 1701) — Robert II, S. 163: »Vitalio Urban[o]«. 

1) Grabschrift im Steinsaal No. 300; s. S. 188, Anm. 8. 

Einen Namen von gleicher Bildung, wie die angeführten, trägt auch der 
Stifter des Altars aus Naix im Steinsaal No. 158: >Tib. ITustinius Titianus«, 
über welchen s. dieses Jahrbuch VIILe, S. 56/57. 

In Inschriften des Trierer Museums finden sich von solchen Namen: Accep- 
tius, -a, Albius, Albanius, Auctinius, Candidius, Clementia, Docilius, Firmius, 
Hilarius, Ingenuvius (von: Ingenuus), Lucanius, Maiorius, Martialius, Natalius, 
Nonianius, Primius, Primanius, Privatia, Respectia, Secundius, Senilius, Verecun- 
dius, Vietorius, u.a. 

2) Vgl. z.B. Hettner, Westd. Zeitschr. II, S. 7: »Diese Namen entstanden 
am Ende des II. und im Beginn des III. Jahrhunderts, als die Kaiser ganzen 
Länderstrichen auf einmal das Bürgerrecht erteilten; würden all diese Neubürger 
in hergebrachter Weise das gentilicium ihres Patronus, in diesem Falle also des 


— 190 — 


jener gallo-römischen Namengebung ihre Entstehung verdanken, 
während sie alle ihren Träger als einen Nicht-Römer verraten. 
Ferner musste die fortgesetzte Anwendung dieses Verfahrens in der 
Personenbezeichnung allmählich, wie bemerkt, zum Verschwinden 
der alteinheimischen Personennamen führen '), und nachdem die romani- 
sierten Gallier statt jenes Wandels in der Namengebung *) den Besitz 
eines ständigen Familiennamens schätzen gelernt, trat ein Stillstand 
durch die der römischen Sitte entsprechende Beibehaltung des väter- 
lichen Geschlechtsnamens ein. Eine Stockung in dieser Romanisierung 
der Personennamen konnte nur stattfinden, falls wieder als Zunamen 
keltische Namen statt lateinischer Zunamen verwendet wurden. Aber 
ein allgemeineres Zurückgreifen auf altkeltische Namen, nachdem die 


Kaisers angenommen haben, so wäre für bestimmte Gegenden eine vollständige 
Gleichnamigkeit entstanden; um dies zu vermeiden, bildeten sich die Neubürger 
ein gentilicium aus dem sie bis jetzt charakterisierenden Cognomen«. Siebourg, 
Westd. Korr.-Bl. VII, Sp. 229. — Aber die Träger solcher Namen können unmöglich 
alle römische Bürger gewesen sein. 
1) Vgl. oben S. 187. 
Beispiele: 1. Hettner, Steindenkmäler No. 291: 
Vater: »M. Catullius Martialise, 
Sohn: »Martialius Restitutus«. 
2. Brambach No. 830 (Inschrift der Igeler Säule): 
Vater: »L. Saccius Modestuse, 
Sohn: »Modestius Macedo«. 
9 CL XI 23475: 
Vater: »C. Boduacius Maximuss, 
Tochter: »Maximia Paterna«. 
Umgekehrt aber (wohl durch die Freilassung des Vaters zu erklären) Bram- 
bach No. 857 (Museum Trier): 
Vater: »Acceptius Varusiuse, 
Sohn: »Varusius Atto«. 
So erklärt sich unbestreitbar durch Freilassung Inscr. Helvet. (Mommsen) 
No. 201, denn wenn der frühere Herr »T. Nigrius Saturninus«, dessen Freigelassene 
aber »Saturninia Gannica+ heisst, so führt letztere ihren früheren (übrigens ger- 
manischen) Sklavennamen als Zunamen. 
?) Beispiel. Die Nachkommen eines »Taliounos Nantonios«< mögen heissen: 
Urgrossvater: »Taliounius Cintusmus« (zwei keltische Namen). 
Grossvater: »Cintusmius luvenalis« (lateinischer Zunamen). 
Vater: »luvenalius Quadratus< 
Sohn: »Quadratius Celsus« | 
Enkel: »Celsius Matutinus« 
Urenkel: »Matutinius Florus« 
Angenommen, diese Namengebung habe sich so viele Generationen hindurch 
gehalten, so mag die folgende Generation den Namen »Matutinius« als Geschlechts- 
(Familien-)namen beibehalten und auf ihre Nachkommen vererbt haben. 


| lateinische Namen. 


— 191 — 


römischen Namen beliebt geworden, ist an und für sich schon unwahr- 
scheinlich, und ein zäheres Leben hatten sicherlich nur solche ein- 
heimische Namen, welche in ihrer lateinischen Verkleidung von echt 
lateinischen Namen oder Wörtern nicht zu unterscheiden waren, wie 
z. B. »Bellicus«, »Sacer«, »Sacratus«'), oder welche sonstwie lateinischen 
Klang hatten, wie z.B. Namen auf »-(g)nafus«?). Dazu sind die Beispiele, 
welche man für die gegenteilige Ansicht ins Feld führen könnte, gar 
nicht so häufig: ich meine die Fälle, wo ein keltischer Beiname neben 
einem lateinischen Geschlechtsnamen erscheint, wie »CG. Celsius Mat- 
tos....<®), »M. Valerius Indus«*) und »L. Vettius Dercoiedus«°). 
Auch sind diese Beispiele, gleich den sonstwo vorkommenden zahllosen 
Belegen für Nebeneinanderstellung eines lateinischen Geschlechtsnamens 


1) Bellicus: Holder I, Sp. 388—390, vgl. Westd. Zeitschr. XV, S. 345. 

Sacer: Steinsaal des Metzer Museums No. 94 — Robert II, S. 45 »Iul(ius) 
Sacere, vgl. dieses Jahrbuch VIILı, S. 47; Brambach. Rhein. Museum, N. F., 20, 
S. 623, No. 2 (aus einem Brief des Jahres 1701) — Robert IL, S. 163 (verschollen): 
»Santinius Sacer«. 

Sacratus: Grabschrift aus Decempagi in diesem Jahrbuch IV», S. 125, = 
Robert II, S. 129 »Iul(ius) Sacratus«. Bei Hettner, Steindenkmäler, No. 194, heisst 
der Vater L. Senilius Sacratus, seine Söhne führen als Geschlechtsnamen den 
vom Zunamen des Vaters abgeleiteten Namen Sacratius nebst Beinamen gleichen 
Stammes (Sacerianus, Sacratius und Sacrius). — Für die keltische Herkunft des 
Namens »Sacer« und seiner Ableitungen vgl. z. B. »Sacruna« und »Sacrillius« 
(Hettner a. a. O. No. 88 und 105), sowie »Saceronia Sacerilla« (Brambach No. 731) 
und Sacrovir ; vgl.Saciro (C.I.L. VII und XI), Sacero (C.I.L. VID mitSacrapo 
(CG. IL. L. VII und XI; auch auf einer Grabschrift vom Herapel in Lothringen bei 
Robert II, S. 123); dieselben Namen auf Töpferstempeln: Bonn. Jhb. 99, S. 137 f. 

?) Es seien noch angeführt: »Bellator« (Grabstein im Steinsaal des Mu- 
seums No. 56 — Robert II, S. 47 mit pl. VIILı und der S. 181, Anm. 1 angeführte 
Grabstein); »Matrona« (Steinsaal No. 56); »Helvia« (Grabstein im Steinsaal 
No. 53 = Robert II, S. 68 mit pl. X3; dagegen »Elvius<: Steinsaal No. 5; vgl. 
Holder I, Sp. 1430—1432); ferner der den Römern geläufige Name »Catullus« 
‘nebst seinen Ableitungen (Steinsaal No. 76 und No. 9—10 = Robert II, S. 43 und 
S. 56 mit pl. IX,ı), sowie das in der Volkssprache gebräuchliche Wort »bellus« 
(= »pulcher«, »schön«. — Als Name: z. B. Steinsaal No. 5). — Vgl. S. 192, Anm. 3. 

3) Steinsaal No. 80; s. oben S. 178, Anm. 1. 

#) Robert I, S. 36 (Bénédict. pl. IV,» mit S. 58/59): Weihdenkmal des Juppiter, 
gestiftet von M. Valer(ius) luvenalis, einem Freigelassenen des M. Valer(ius) Indus; 
gefunden in den Grundmauern der römischen Stadtbefestigung von Metz hinter 
S. Glossinde; jetzt verschollen. — Ueber »Indus« vgl. jetzt Holder Il, Sp. 40/41. 

5) Jetzt abgeschlagene linke Seite des Denkmals im Steinsaal des Museums 
No. 5, worüber vgl. oben S. 180, Anm. 3. Siehe den Reisebericht des Abrah. 
Ortelius und loa. Vivianus vom Jahre 1575, »Itinerarium per nonnullas Galliae 
Belgicae partes« (erschienen 1584 zu Antwerpen), S. 51; Gruter, 12, 10, und Meurisse, 
S. 11, nach der Abschrift Boissards; Bénédict, pl. IV», mit $S. 58. — »Dercoiedus« 


Bao 2 


und eines griechischen (auch barbarischen) Namens als Zunamens, 
wenn nicht alle, so doch teilweise mit Bestimmtheit anders zu erklären, 
nämlich durch Fortführung des ehemaligen Sklavennamens als Zunamen 
nach der Freilassung oder des ehemaligen Einzelnamens als Zunamen 
nach der Erteilung des römischen Bürgerrechtes. 


Alle die bisher aufgeführten Namen lassen also die nichtrömische 
Abstammung der Personen, welche sie führen, deutlich erkennen, und in den 
meisten Fällen war auch gerade die keltische Herkunft dieser Leute aus 
ihren Namen nachweisbar. Dass aber nunmehr die Träger von wirklich 
römischen Namen in unserem Lande, wie Aemilius Sextus und Aemilia 
Festa!), Antistius Hospes?), L. Cassius Nobilis ?), der ehemalige Soldat 
Q. Domitius Sextus*), Manilius Constans°), L. Marius Secundus Amandi 
filfius)®), M. Vettius Mercator ”), T. Iulius Adiutor °), L. Julius Primulus °) 


belegt Holder I, Sp. 1267 nur mit unserer Inschrift; doch vgl. ebenda I, Sp. 1266 f: 
»Derc-«, sowie I, Sp. 1407: »-edo-« und II, Sp. 23: »-tedus«. 

Beispiele aus Inschriften des Trierer Museums bei Hettner, Steindenkmäler, 
No. 197: »Acceptia Tasgilla«; No. 198: »Acceptia Quicilla« (ihre Tochter führt 
einen vom Vatersnamen gebildeten keltischen Geschlechtsnamen neben einem 
römischen Zunamen: »Taliounia Lucilla«); No. 168: » Acceptius Artinus« ; No. 64: 
»Clementia Poppa« ; No. 292: »P. Firmius Covirus« ; No. 110: »M. Primius Alpicus« ; 
No. 296: »Privatia Sincorilla« ; No. 297: »Saturninius Sattara« (Enkel eines Mannes, 
der wahrscheinlich einen lateinischen Beinamen auf »-dinus« führte); No. 209: 
»Sementinia Gabrilla« ; No. 489 (Freigelassene, vielleicht Trierer Augustales): »L. 
Hilarius Luccus< (vgl. ebenda den »Verecundius Bataus«, der also aus dem ger- 
manischen Bataverlande stammte) und »[T.?] Flavius Varaitio«, sowie »L. Cassius 
Aio«; No. 116: »Iulia Reticiana«. 

1) No. 20 des Steinsaales des Metzer Museums — Robert II. S. 44. 

?) Grabschrift (gefunden 1700 zu Metz, Boufflers Garten) bei Brambach, 
Rhein. Museum. N. F., 20, S. 623, No. 3 (aus einem Brief des Jahres 1701) = 
Robert II, 5. 163. 

3) No. 114 des Steinsaales — Robert I, S. 9, mit pl. le. — Uebrigens hat 
Zeuss vermutet, »Cassius« sei ein ursprünglich keltischer Name; s. Holder I, 
Sp. 832/833. Jedenfalls klingt er an keltische Namen an, vgl. »Cassivellaunuss, 
»Veliocasses« und viele andere Namen bei Holder I, Sp. 824 ff. 

*) No. 103 des Steinsaales — Robert IL S. 40f. mit pl. VIl;. 

5) No. 56 des Steinsaales — Robert II, S. 47 mit pl. VII. 

5) Weihinschrift an keltische Gottheiten, gefunden 1895 auf dem Herapel 
bei Forbach. 

7) Abgeschlagene Seite von No. 5 des Steinsaales (s. oben S. 191, 
Anm. 5). 

°) No. 5 des Steinsaales. 


*) No. 69 des Steinsaales — Robert I, S. 51 mit pl. IV. 


— 195 — 


und Julius Paternus !), sowie C. Aurelius Maternus”?) und der ehemalige 
Soldat M. Aurellius] Sanctus?) deshalb italischer Herkunft sein 
müssten, ist durchaus nicht gesagt: sie brauchen ebensowenig aus Rom 
oder dem eigentlichen Italien zu stammen, wie der Gallier Fonteius 
luvenalis*) und der Freigelassene eines Mannes gallischer Herkunft, 
M. Valerius luvenalis?), ebensowenig auch wie diejenigen der vorher er- 
wähnten ®) Oberpriester und Landtagspräsidenten am Tempel der Roma 
und des Augustus und sonstige Provinzialbeamte zu Lyon, welche voll- 
ständig römische Namen tragen‘), oder der aus dem Trierer Lande 
stammende, bei seinem Standort am Niederrhein begrabene Reitersoldat 
C. Iulius Primus, dessen keltische, und zwar trierische Abstammung 
nicht bloss die beigefügte Heimatsangabe (»Trever«), sondern auch die 
Nennung des Namens seines Vaters (Adarus) beweist°). Ja einige von 


1) No. 297 des Steinsaales: Bonn. Jahrb. 69, S. 34; Westd. Zeitschr. II, 
S. 254/255; Kraus S. 384/385; abgebildet im »Buch von der Weltpost«, Berlin 
1884, S. 47, 3. Auflage 1894, S. 31. 

2) No. 81 des Steinsaales; s. oben S. 175, Anm. 4. 

®) No. 101 des Steinsaales == Robert II, S. 38 mit pl. VIL,. 

#) s. oben S. 187. 

5) s. oben S. 191, Anm. 4. 

6) s. oben S. 178/179. 

7) So Wilmanns, Exempl. inscr., No. 2217: »Tib(erius) Pompeius, Pompei 
Iusti filfius), Priscus Cadurcus (d. h. aus Cahors in Aquitanien), der u. a. auch 
Offizier (tribunus) im römischen Heere gewesen; No. 2218: »L. Cassius Melior 
Suessio« (d. h. aus Soissons); No. 2221: »C. Servilius Martianus Arvernus 
(d.h. aus der Auvergne) C. Servilii Domitii filiuse. Andere trugen freilich noch 
teilweise keltische Namen, so der erstgewählte Priester am Altar des Augustus, 
ein Aeduer, der nach seinem kaiserlichen Herrn Augustus den Vor- und Geschlechts- 
namen (C. lulius), daneben aber seinen keltischen Namen als Zunamen führt: €. 
Iulius Vercondaridubnus (Livius, epitome 139: Jahr 12 v. Chr.). Auf einer in der 
ersten Hälfte des Jahres 26 n. Chr. von einem solchen Priester gesetzten Inschrift 
trägt der Stifter dagegen vollständig römische Namen (C Iulius Rufus), während 
seine Ahnen (Vater, Grossvater und Urgrossvater), welche er in Nachahmung der 
Sitte der altadeligen Römer nennt, neben dem nämlichen Vor- und Geschlechts- 
namen (C. Iulius) noch altkeltische Namen als Zunamen führen (Wilmanns No. 885). 

#) Sein Grabstein mit Darstellungen, wie sie sich häufig auf Grabsteinen von 
römischen Kriegern finden, steht jetzt im Trierer Museum: Hettner, Steindenkmäler 
No. 308 (= Brambach No. 187); gefunden ist er bei Calcar im Kreis Cleve. Dieser 
im Alter von 27 Jahren verstorbene »C. Iulius Adari f(ilius) Primus Trever« stand 
als Ordonnanz des Rittmeisters in der norischen Reiterschwadron und hatte 7 Jahre 
gedient. Ueber der Grabschrift Darstellung des sogen. Totenmahles (vgl. Hettner, 
Westd. Zeitschr. II, S. 9 und 10/11; A. Müller im Philologus, Band 40, S. 263 ff.), 
darunter ein auf den Reiterdienst bezügliches Bild (s. Hettner zum Denkmal No. 308, 
vgl. A. Müller a. a. O., S. 259 ff.). 


13 


Er ATOME 


den Denkmälern aus Metz und Lothringen, welche die vorher aufge- 
führten durchaus römischen Namen aufweisen, lassen — ebenso wie 
Denksteine in anderen gallischen Gegenden — die keltische Abstammung 
der genannten Personen erraten, weil sie keltischen Gottheiten gewidmet 
sind) oder weil die zugleich genannten Verwandten keltische Namen 
tragen?) oder aus anderen Gründen ?). Was aber insbesondere die 
Iulii, Claudii, Flavii, Aurelii?) in hiesigen Landen anlangt, so sind dies 
sewöhnlich keine eingewanderten Römer, sondern Einheimische oder 
doch Provinzialen, welche jene kaiserlichen Familiennamen, insbesondere 


1) Vgl. Steinsaal No. 297 (Weihdenkmal der Göttin Mogontia) und die Inschrift 
vom Herapel; auch No. 5 (von einem Säulendenkmal des keltischen »luppiters = 
Taranis). S. später unter Religion. 


2) Vgl. Steinsaal No. 56: auch No. 101. 103; desgleichen No. 5, wo die 
beiden Vettii Brüder zu sein scheinen. 


3) Zu den Kennzeichen nicht-römischer, einheimischer Abstammung rechne 
ich ausser den angeführten Abweichungen von der römischen Namengebung auch 
die folgenden Fälle: wenn unter dem Einfluss nicht-römischer, also in unseren 
Landen der keltischen Namengebung nicht nach römischer Weise der Vater mit 
seinem Vornamen, sondern mit seinem Zunamen genannt ist, wie auf der er- 
wähnten Inschrift vom Herapel: »L. Marius Secundus Amandi fil(ius)«, wäh- 
rend ein Römer sich beispielsweise nennen würde: »L(ucius) Marius M(arei) f(ilius) 
Secundus«; vgl. No. 83 des Steinsaales: >T. Jul. Iulliinus] Cunae f(ilius)< und die 
angeführte Inschrift im Trierer Museum (Hettner, Steindenkmäler, No. 308), wo die 
Väter noch keltische Namen (Cuna, Adarus) führen; ferner wenn der Sohn einen vom 
Geschlechts- wie Zunamen des Vaters ganz verschiedenen Geschlechtsnamen trägt, 
wie Brambach No. 914 (wo die Kinder übrigens einen vom Zunamen der Mutter 
abgeleiteten Geschlechtsnamen haben). 1064 (falls hier nicht Adoption des dritten 
Sohnes vorliegt), vgl. C. I. L. XII, 1960. 2416. 2621. 3627; dann die von Zange- 
meister, Westd. Korr.-Bl. IX, 114 und 151 erwähnte Eigentümlichkeit, ebenso wie 
Brambach No. 761 und ähnliche Beispiele. 


Andere Kennzeichen sind die Art der Grabsteine und der darauf ange- 
brachten bildlichen Darstellungen. 

#) Julii und Aurelii: s.oben S. 192/193, Iulii ferner bei Robert Il, 5.45 (= 
Steinsaal No. 94). 53 (— Steinsaal No. 83). 63 (= Steinsaal No. 72). 129. 156. 165, 
unsicher I, $S.8 (= Steinsaal No. 74), und Hettner, Steindenkmäler, ausser No. 308 
noch No. 44. 116. 147. 150. 489. — Claudii: Hettner, a. a. O. No. 489 (zwei Frei- 
gelassene); Flavii: ebenda No. 489 und Grabschrift eines Christen von der kaiser- 
lichen Hausgarde, vermutlich germanischer Abstammung (Fl. Gabso), No. 400. — 
Manche der angeführten Inschriften verraten schon durch die Beinamen der Per- 
sonen, dass diese ebensowenig römischer Abstammung waren, wie der Reiterführer 
lulius Indus aus Trier (Tacitus ann. 3,42) oder — trotz seines römischen Beinamens — 
sein Landsmann, der römische Bürger lulius Florus (ebenda 3,40) und zahlreiche 


andere lulii u. s. w. 


nach Erlangung des Bürgerrechtes'), zu den ihrigen gemacht haben, 
oder Freigelassene, welche infolge der Freilassung in den Besitz jener 
Namen gekommen sind. 

Selbstverständlich gab es aber auch echte Römer hierzulande. 
So war z. B. »Titus Julius Titi filius Fabia Saturninus«, d. i. Titus 
Julius, des Titus Sohn, aus dem Fabischen Bezirk (tribus), mit Bei- 
namen Saturninus, der »Procurator«, d. h. der oberste Finanzbeamte 
der belgischen Provinz samt den beiden Germanien, welcher um das 
Jahr 165 n. Chr. in seinem Amtssitz Trier eine Weihung an den 
griechisch-römischen Heilgott Asclepius (Aesculapius) vollzogen hat?), 
natürlich ein Römer. Aber nicht bloss die Reichsbeamten, wie die 
Procuratores zu Trier oder die Statthalter (legati) der belgischen Pro- 
vinz, welche zu Reims ihren Amtssitz hatten und denen also auch 
Metz und Trier unterstanden ?), waren Römer, sondern auch mancher 
Geschäftsmann muss aus Italien eingewandert gewesen sein. Noch von 
Caesars Kriegszügen her mag der eine oder der andere von den Krä- 
mern (mercatores) und Marketendern (lixae), welche auf eigene Faust 
den Truppen ins Feld zu folgen pflesten, im eroberten Lande verblieben 
sein. Jedenfalls aber haben sich auch nachher noch Geschäftsleute 
im Lande angesiedelt, denn als der Trierer Julius Florus und der 
Aeduer Julius Sacrovir, deren Vorfahren die seltene Ehre des römischen 
Bürgerrechtes zuteil geworden war‘), im Jahre 21 n. Chr. die unter 
ihrer Schuldenlast. seufzenden gallischen Gemeinden zu einer Erhebung 
aufstachelten, wollte der erstere in der belgischen Provinz den Aufstand 
mit der Niedermetzelung der römischen Geschäftsleute (negotiatores) 
durch die aus dem Trierer Lande rekrutierte Reiterschwadron eröflnen °). 
Trotzdem wäre es aber unrecht, in allen »negotiatores«, welche uns 


1) Vgl. z.B. Jung, Roman. Landschaften, S. 200. — Ist aber vielleicht die 
Vorliebe der Gallier für den Namen »Iulius« nicht zugleich zum Teil aus der 
Aechnlichkeit dieses Namens mit einem keltischen Namen zu erklären? Vgl. die 
Namen lullus, lullinus (Steinsaal des Metzer Museums No. 53 und 85 = Robert II, 
S. 53 und S. 68) u.a ; vielleicht auch Iuliacum — lülich und €. I. L. XI, 1633. 
2940. 3944 u. s. w. 

?) Hettner, Steindenkmäler No. 80. 

3) Seit Ausgang des III. Jahrhunderts war die belsische Provinz in zwei 
Provinzen geteilt, die erste (Belgica prima), zu welcher auch Metz, Toul und 
Verdun gehörten, mit der Hauptstadt Trier; die zweite (Belgica secunda) mit der 
Hauptstadt Reims. 

#) Tacitus, annal. III, 40. 

5) Tacitus, annal. III, 42: »Florus.... pellicere alam equitum, quae conscripla 
e Treviris militia disciplinaque nostra habebatur, ut caesis negoliatoribus Romanis 
bellum inciperet.« 


— 16 — 


die Inschriften nennen und welche uns die Steinbilder auf den Grab- 
denkmälern vor Augen führen, eingewanderte Römer sehen zu wollen, 
zumal in altkeltischen Ansiedlungen, wie Neumagen, Igel, Jünkerath, 
Arlon u. s. w.!) Am ehesten sind wir solche aus Italien eingewanderten 
Geschäftsleute zu suchen berechtigt in den Städten und in den erst 
infolge der römischen Herrschaft erstandenen, aus Gasthäusern und 
ähnlichen Anlagen hervorgewachsenen Strassensiedlungen ?). Aber dass 
selbst in letzteren auch Leute keltischer Abstammung sesshaft geworden, 
beweisen z. B. Grabschriften, welche in den Grundmauern der spät- 
römischen Festungsmauer von Tabernae (Zabern im Unterelsass) ge- 
funden sind?). Und die eingeborenen Metzer trieben nicht bloss in 
der Heimat, sondern auch in der Ferne Handel; dafür liegt insbeson- 
dere ein denkwürdiges Zeugnis vor in einer Grabschrift, welche einen 
zu Mailand verstorbenen Metzer Bürger (civis Mediomatricus) als Händler 
mit gallischen Kleidungsstücken (negotiator sagarius) nennt‘). Die er- 
wähnten einheimischen Händler in den Dorfschaften Neumagen, Igel u. a. 
waren teilweise auch Grossgrundbesitzer, wie uns die bildlichen Dar- 
stellungen auf ihren grossartigen Grabdenkmälern lehren, und dieselben 
Grabmäler, wie andere, zeigen uns auch einheimische Zinsbauern *) und 
kleine Ackerbürger bei Ableistung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren 
Grundherren und bei ihrer Arbeit. Wenn nun aber auch Leute aus 
Italien in unseren Gegenden als Grundbesitzer sich angesiedelt haben 
mögen, so ist es doch unrecht, in allen den ländlichen Gehöften (Villen) 
mit römischer Bauart und Ausstattung, welche in unseren Gegenden 
9) snegotiatores« aus Neumagen inschriftlich bezeugt im Trierer Museum 
Saal 2. Darstellungen aus dem Geschäftsleben dieser Neumagener Kaufleute 
ebenda in den Sälen 1—4; andere entsprechende Darstellungen auf der Igeler 
Säule; auf den Steinen aus Jünkerath bei Hettner, Steindenkmäler No. 245 (vgl. 
Westd. Korr.-Bl. XV, 21) und No. 244; aus Arlon bei Prat, Histoire d’Arlon, Atlas 
(teilweise aus Wiltheim, Luciliburgensia, wiederholt) u. s. w. Vgl. später. 


2) Vgl. oben S. 163—169. 

3) Brambach, C. I. Rh. 1864 und 1865 (mit keltischen Namen: Divixta, 
Toccidius). | , 

4) C. IL. L. V, 5929. — Auch der Mediomatriker Indus, welcher bei Trier 
dem keltischen Handelsgott Mercurius-Esus ein Denkmal gesetzt hat, war zweifel- 
los ein Händler, vermutlich zugleich Schiffer. Und von anderen Mediomatrikern, 
die uns Inschriften in fremden Landen (Mainz, Heddernheim bei Frankfurt a. M., 
Baden, Württemberg, Lyon, Bath in England) nennen, ist es wenigstens wahr- 
scheinlich, dass Geschäfte sie in die Ferne getrieben. Den Wortlaut der Inschriften 
siehe im Anhang I, A, ır, 24ff.; dabei auch ein Handwerker (Bordeaux) und ein 
Arzt (Autun). 

5) Ueber die Grundpächter, welche in späterer Zeit auch Fremde waren 
‚>coloni«), vgl. Hettner, Westd. Zeitschr., II, S. 21. 


— 110 — 


aufgedeckt worden sind‘), deshalb Niederlassungen von römischen 
Grossgrundbesitzern oder gar Vergnügungssitze für römische Staats- 
beamte oder Offiziere oder Jagdschlösser für reiche Römer sehen zu 
wollen?). Ueberhaupt darf man die Zahl der in unseren Gegenden 
sesshaft gewordenen Römer wie der Eingewanderten im allgemeinen 
ja nicht überschätzen*). Denn wenn es auch möglich wäre, mit un- 
fehlbarer Genauigkeit und mit zeitlicher wie örtlicher Trennung die in 
den uns als Ausgangspunkt dienenden Inschriften genannten Leute kel- 
tischer Abstammung von den Italikern und Fremden abzusondern, gäbe 
der damit gewonnene Prozentsatz noch kein richtiges Bild von dem Ver- 
hältnis zwischen Einheimischen und Eingewanderten: die Sitte der in- 
schriftlichen Denkmäler haben ja die keltischen Bewohner unseres 
Landes den Römern entlehnt®); in die breite Masse des Volkes, welches 
zäh an seiner Sprache und seinen Gewohnheiten festhielt, ist diese 
Sitte aber nur ausnahmsweise gedrungen?); und in späterer Zeit, wo der 
Gegensatz mehr geschwunden war, werden Inschriften überhaupt seltener. 


1) Vgl. später unter Baukunst. 

?) Vgl. Hettner, Westd. Zeitschr., II, S. 21 und S.1. 

®) Vgl. Hettner a. a. O., S. 21. 

#) Daher erklärt sich die. auffallend geringere Zahl von inschriftlichen 
Denkmälern in unseren Gegenden im Vergleich zu Italien und den Standorten der 
Soldaten, desgleichen das häufige Fehlen einer Weihinschrift auf den von Ein- 
heimischen gestifteten Götterbildern. 

5) So ist auf der 1897 untersuchten Grabstätte einer altkeltischen, aber von 
römischer Kultur beleckten Ansiedlung im Walde Neu-Scheuern (Kanton Lör- 
chingen) in Lothringen neben verschiedenen inschriftlosen Grabsteinen einhei- 
mischer Form (und neben vielen Gräbern ohne Grabsteine) ein einziger’ Grab- 
stein von abweichender Form gefunden worden, der drei Verstorbenen keltischer 
Abstammung von einem Manne mit lateinischem Namen (Sanctus) gesetzt ist 
‘(vgl. oben S. 181); und auch auf den ähnlichen Begräbnisplätzen in den Vogesen 
sind Inschriften auf den Grabsteinen selten (Brambach C. I. Rh. No. 1869—1873). 
Vgl. Bestattung. Von den Grabsteinen aus Soulosse (Solimariaca) im Metzer 
Museum (No. 30—48 und 50—52 des Steinsaales) sind nur wenige (No. 31. 32. 34. 
35. 36. 50?) mit Grabschriften ausgestattet, und diese sind in dürftiger Kürze auf 
dem schmalen Rand oberhalb der die Porträtdarstellung der Verstorbenen um- 
schliessenden Nische untergebracht. Wenn daher Jung, Roman. Landschaften, 
S. 204—206 »die Weitschweifigkeit und die Deklamations als für die gallischen 
Inschriften charakteristisch hervorhebt, so ist dies in solcher Allgemeinheit nicht 
zutreffend. Die von Jung angeführten schwülstigen Belege stammen aus Süd- 
frankreich (Lyon, Vienne) und Mainz. Grabschriften in Versen, die ja vornehm- 
lich diesen Schwulst zeigen, sind am Rheine infolge der Mischung der Bevöl- 
kerung öfter nachweisbar, in Metz und Lothringen aber überhaupt nicht, in Trier 
— abgesehen von Brambach No. 780 — erst in christlicher Zeit (denn bei Hettner, 
Steindenkmäler No. 150, steht nur eine an einen Vers anklingende Formel einer 
Grabschrift; die sonstigen christlichen Belege s. bei Hettner a. a. O., S. 292). 


— 198 


Da einmal die Frage der Einwanderung aufgeworfen ist, so darf 
nicht unerwähnt bleiben, dass zu den Fremden zu rechnen sind die 
Inhaber griechischer Namen, doch nicht alle. Der am kaiserlichen 
Hofe aufgewachsene Sklave (»servus verna«) Oceanus, der als 
Proviantmeister (»dispensator a frumento«) zu Metz einen Denkstein 
für das Wohl seines kaiserlichen Herrn Helvius Pertinax (193 n. Chr.) 
nebst dessen Sohn und Frau gestiftet hat!), ist selbstverständlich kein 
Einheimischer. Aber auch Cale (Ka4n), d. h. die Schöne (Metz), darf 
mit ihrer einen lateinischen Namen führenden Mutter Prima?) nicht zu 
den Einheimischen gerechnet werden, denn beide sind doch wohl 
Sklaven gewesen*). Ebenso dürfen wir aus den griechischen Beinamen 
des Domitius Tryphon und seines Sohnes Domitius Graptus sowie 
der Hebamme (obstetrix) Iulia Pieris zu Trier!) auf frühere Unfrei- 
heit der Träger dieser Namen bezw. ihrer Eltern und zugleich auf 
fremde Herkunft schliessen. Dagegen muss man für den früher?) ge- 
nannten »Musicus Lilluti fil(ius)« zu Metz keltische Abkunft behaupten ; 
auch die Frau eines ehemaligen Soldaten »Attonia Barbara« könnte 
eine Einheimische sein®), sie könnte aber ebensogut eine Fremde sein, 
welche ihrem früheren gallischen Herrn (Atto oder Attonius) mit der 
Freilassung ihren keltischen Namen verdankte, neben dem sie ihren 
einstmaligen Sklavennamen als Zunamen führte. 

Wenn nun aber auch die Moselgesenden nicht ganz der In- 
schriften in griechischer Sprache entbehren‘), so darf doch 


1) Robert I, S. 61-65, mit pl. V,s, und II, S. 13—15. Fundort: Met 
St. Ludwigsstrasse (rue Neuve Saint-Louis). 

?\ Steinsaal des Metzer Museums, No. 85 = Robert II, S. 49, mit pl. VIIL,4 
(aus dem südlichen Gräberfeld von Metz, Bahnhof): »D(is) M(anibus); Caleni 
Prima mater«. Ueber den Dativ griechischer Namen auf -eni s. Westd. Korr.- 
Bl. X (1891), 94, Sp. 265. — Mit Unrecht hat m. E. Holder I, Sp. 685, »Cala (Cale)« 
aufgenommen und mit drei Inschriften belegt, wo dieser griechische Name als 
Cognomen verwendet ist; auch »Galene« (Dativ: Galeneti) ist fälschlich als 
keltischer Name von ihm (I, Sp. 1637) aufgeführt. 

®) Auch »Iunius« und sein Bruder: Steinsaal des Metzer Museums, No. 84 
— Robert II, S. 50, mit pl. VIIL5 (aus dem südlichen Gräberfeld von Metz, 
Bahnhof) ? 

*) Hettner, Steindenkmäler, No. 149 und 150. — Vgl. noch a. a. O. No. 147: 
Ser(vius) Sulpielius] Nymphol[dorus] und No. 4 unter den öffentlichen haruspices 
(Opferbeschauern und Zeichendeutern) zu Trier: Nycterius und Hemerius; ferner 
die Aufschrift eines Glückchens im Trierer Museum: »Albani EutyZie. 

5 s. oben S. 182. 

5) s. oben S. 184, Anm. 3. 

”) a. Bruchstück eines griechischen Lobgedichtes auf den Gott Hermes 
(Mercurius) im Trierer Museum, dessen Trierischer Ursprung freilich nicht un- 


do — 


von einer nennenswerten Einwanderung freier Leute griechischer Zunge 
aus dem Osten für die ersten drei Jahrhunderte der Kaiserzeit nicht 
die Rede sein. Wohl aber ist man von einer solchen Einwanderung 
zu sprechen berechtigt für die Zeit, wo das Christentum in unseren 
Landen festen Fuss gefasst hatte; nicht hier in Metz, wo altchristliche 
Denkmäler sicheren hiesigen Ursprungs nicht vorhanden sind’), dagegen 
in dem an altchristlichen Fundstücken so reichen’) Trier, der Residenz 


anfechtbar ist: Hettner, Steindenkmäler, No. 72. — db. Griechische Inschrift in 
vier Hexametern mit lateinischer Übersetzung, auf einem Kapitäl, dem keltischen 
Lenus (Mars) geweiht von dem Griechen Tychikos; gefunden an der Untermosel 
bei Pommern: Westd. Korr.-Bl. IH, 11 mit VIII, 130. 


Die beiden griechischen Inschriften der Sammlung Clervant zu Metz 
(s. dieses Jahrbuch VIIL ı, S. 7,5 = S. 92,e und 14; vgl. S. 113) waren von Boissard 
gefälscht. 


!) Sicher altchristlichen Ursprungs sind in Metz: 


a. Der Marmorsarg, in welchem später Kaiser Ludwig der Fromme gebettet 
war, abgebildet bei Tabouillot, Ms. 151 der Metzer Stadtbibliothek, f. 52 (daher 
Benedict. I, S. 263, und Kraus III, Tafel XVII, vgl. 5. 651, der irrtümlich »Dieu- 
donne« als Quelle nennt); vgl. Prost, Mém. soc. d’arch. Mos., XIII (1874), S. 133—139, 
und Bellevoye, ebenda, XVII (1887), S. 197—203. Die Bruchstücke der bildlichen 
Darstellung (Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer) im Steinsaal des 
Museums, No. 463—466; abgebildet bei Prost a. a. O. (Tafel), desgl. bei Belle- 
voye a.a.0., S. 203 = Kraus Ill, Tafel XVII (unten). Die Frau am äussersten 
rechten Ende trägt an einem Stiel ein Rundschild, auf dem aber sicher nicht 
das jüngere Christusmonogramm angebracht war, wie es bei Tabouillot ge- 
zeichnet ist; vielleicht ist aber das ältere Christusmonogramm darin zu sehen. 
— Der Sarg stammte jedoch möglicherweise aus Südfrankreich. 


b. Bruchstück einer Marmortafel mit christlicher Grabschrift, dessen Fundort 
aber unbekannt ist: Kraus, Die altchristlichen Inschriften der Rheinlande (1890), 
No. 66. 

Der christliche Ursprung ist ungewiss für das Bruchstück einer Marmor- 
tafel mit Inschrift bei Kraus, Altchristl. Inschriften, No. 65 (= Hoffmann, Stein- 
saal, No. 692); ebenso für das Büchschen aus Bronze mit Tierdarstellung, ab- 
gebildet bei Kraus III, Fig. 145, S. 766 (vgl. dazu S. 765 und Hoffmann in diesem 
Jahrbuch, IV,1, S. 214). 

Die Grabschrift bei Kraus, Altchristliche Inschriften, No. 67, ist eine 
Fälschung; s. dieses Jahrbuch, VIILı, S. 42—43. 


>) An altchristlichen Grabschriften besitzt Trier mehr als die sonstigen 
Rheingegenden zusammengenommen; ausserdem den Holzsarg des hl. Paulinus 
mit altchristlichen Beschlägen, einen Glasteller mit der Opferung Isaaks, einen 
Glasbecher mit angegossenen Fisehen und anderen Wassertieren, wie ein ähn- 
licher nur noch in den Katakomben Roms gefunden wurde, ferner Fingerringe 
und Thonlampen. 


— 200 — 


mehrerer christlicher Kaiser!) Noch besitzen wir in griechischer 
Sprache und Schrift die Grabschrift eines christlichen Morgenländers 
(Avarokızos), Namens Ursikinos?), und die Grabschrift eines Azizos, 
des Agrippa Sohn, welcher aus einer Gegend am Tigris stammte?); 
beide haben wohl Handelsinteressen*) nach der Kaiserresidenz Trier 
getrieben, wo sie auf den Begräbnisstätten der dortigen Christen ihre 
letzte Ruhestatt gefunden °). 

Aber auch ausserhalb des römischen Reiches wohnende Barbaren 
wurden von den Kaisern vornehmlich zum Zwecke der Bewirtschaftung der 


!) Ueber die römischen Kaiser, welche längere oder kürzere Zeit in Trier 
residiert haben, siehe Franz Görres in Pick’s Monatsschrift für rheinisch-west- 
fälische Geschichtsforschung und Altertumskunde, III (1877), S. 217—230. 

In die Zeit, wo Trier kaiserliche Residenz war, gehört übrigens auch der 
griechische Sprachlehrer »Aemilius Epictetus sive Hedonius grammaticus Graecuse, 
an dessen griechische Heimat auch seine gelehrten Beinamen erinnern. Vel. 
den Erlass des Kaisers Gratianus vom 23. Mai 376 über die Gehälter der Lehrer 
an den öffentlichen Schulen Triers, darunter auch des grammaticus Graecus (Leonardy, 
Geschichte des Trierischen Landes und Volkes, 1877, S. 245; Ewen, Zur Geschichte 
der trierischen höheren Schulen, Gymnasialprogramm von Trier 1884, S. 12; die 
Stelle auch bei Riese, Das rheinische Germanien in der antiken Litteratur, XI). 

2) Gefunden in S. Maximin bei Trier: Kraus, Altchristl. Inschriften No. 160 
mit Tafel XVII: und Hettner, Steindenkmäler No. 405. Am Schluss der grie- 
chischen Inschrift ist die Angabe über die Lebensdauer nochmals in latei- 
nischer Sprache, aber mit einem Fehler in der Zahl, wiederholt. Dass dem 
Steinmetz das Griechische fremd war, beweisen mehrere Stellen, wo er seine Vor- 
lage missverstanden. 

3) Gefunden in S. Mathias bei Trier: Kraus, Altchristl. Inschr. No. 80 mit 
Tafel IX, 17 und Hettner, Steindenkmäler, No. 326. Ueber den orientalischen 
Namen »Azizos« (= Mars) vgl. v. Domaszewski, Westd. Zeitschr., XIV (1895), S. 64/65. 
Der Verstorbene heisst ein Syrer (im weiteren Sinne), und als seine Heimat 
wird angegeben das Dorf der Kaprozabadäer (benannt nach dem linken Nebenfluss 
des Tigris »Zabe = » Karıg0S« — »Bock«) in dem Gemeindebezirk von Apamea. 

*) Ueber asiatische und insbesondere syrische Geschäftsleute in Lyon und 
anderen gallischen Städten s. Jung, Roman. Landschaften, S. 227/228. 

5) Zwei weitere griechische Grabschriften von Christen sind 1674 bei der 
Zerstörung der S. Paulinuskirche durch die Franzosen zu Grunde gegangen: 
Kraus, Altchristl. Inschriften, No. 163 aus dem Jahr 409 n. Chr., sowie No. 164; die 
Verstorbenen, Eusebia und Kassianos, waren Landsleute: ihre orientalische Heimat 
ist auf den beiden Grabschriften angegeben. 

Dass aber ausser den genannten christlichen Grabschriften in griechischer 
Sprache im XV.—XVL Jahrhundert noch mehr in Trier erhalten waren, schliesst 
Kraus (a. a. 0. zu No. 80, S. 45) aus einem Gedicht des Humanisten Conrad Celtes. 

Doch auch mancher von den in den lateinischen Inschriften der alt- 
christlichen Zeit vorkommenden Namen weist auf griechische bezw. orientalische 
Herkunft des Verstorbenen hin, wenn man anders aus griechischen Namen, wie 

Gerontius«, »Posidonius«, »Polemas u. s. w. diesen Schluss ziehen darf. 


— 201 — 


Staatsländereien in Gallien angesiedelt, und zwar hauptsächlich zu Ende 
des III. und im Verlauf des IV. Jahrhunderts'). So wurden durch Maxi- 
mianus im Gebiete der Trierer (und auch der Nervier an der Schelde) 
Franken angesiedelt, um brach liegende Länderstrecken zu bebauen?). 
Ferner erfahren wir von Ausonius in seinem Moselgedicht?), dass 
»kürzlich«, d. h. also durch Kaiser Valentinianus I. vor dem Jahre 370, 
auf dem Hunsrück an der Strasse Bingen— Trier zwischen Tabernae 
und Noviomagus*) Sarmaten als Zinsbauern (coloni) angesiedelt worden 
seien. Da liegt denn die Annahme nahe, den Namen der Sarmaten- 
strasse (strata Sarmatarum), welchen uns eine Urkunde des Jahres 
661 n. Chr. in der Gegend des Donon im Wasgenwald nennt?), auf 
eine solche Ansiedlung von Bewohnern der russischen Steppen zurück- 
zuführen, wenn man es nicht vorzieht, an einen durch sarmatische 
Truppenabteilungen ausgeführten Strassenbau zu denken, da nachweis- 
lich am Ende des IV. Jahrhunderts n. Chr. solche Truppen auch in 
unseren Nachbargegenden standen ®). (Fortsetzung folgt.) 


1) S. Hettner, Westd. Zeitschr., II, S. 22. Es waren hauptsächlich Germanen. 
Doch halte ich die” coloni Crutisiones bei Hettner, Steindenkmäler, No. 66 nicht 
für hierher gehörig; s. S. 171, Anm. 3. 

?) Panegyricus V (ed. Bachrens, 1874), cap. 21: »tuo, Maximiane Auguste, 
nutu Nerviorum et Trevirorum arva iacentia velut postliminio restitutus et re- 
ceptus in leges Francus excoluit.« Diese Lobrede ist im Jahre 296 zu Trier 
gehalten. — Die Germanen der kaiserlichen Palasttruppe zu Trier (Hettner, Stein- 
denkmäler, No. 298 und 400) seien hier beiläufig erwähnt. 

3) Ausonius, Mosella, v. 9: (Praetereo ..... Tabernas) Arvaque Sauromatum 
nuper metata colonis.« Ueber de »coloni«e (Zinsbauern) vgl. Hettner, Westd. 
Zeitschr., II, S. 21. 

#) Vgl. oben S. 169, Anm. 6. 

5) Pardessus, diplomata Il, S. 120: Schenkung des Königs Childerich II. an 
das Kloster Senones. 

5) S. das Staatshandbuch »Notitia dignitatum«, Occident. XLII, 64 ff. (ed. 
Seeck, 1876, S. 219). Weil in der Handschrift ein Blatt fehlt, so ist damit der 
Schluss von Gallien verloren. 

Da also Sarmaten bereits seit dem IV. Jahrhundert in Gallien wohnten und 
als Truppen standen, so ist ganz verständlich, wenn Jordanis in seiner Geschichte 
der Geten (Goten) cap. 36 neben Franken, Burgundern u. s. w., welche Aetius im 
Jahre 451 gegen die Hunnen geführt habe, auch Sarmaten nennt. Wie Herr 
‚Archivdirektor Dr. Wolfram, dem ich den Hinweis auf Jordanis verdanke, be- 
merkt, glauben demnach die modernen Geschichtschreiber mit Unrecht, statt der 
Sarmaten die Alanen einsetzen zu müssen. 


EB” „Anhang I“, auf welchen öfter verwiesen ist, erscheint alsbesonderer 
Aufsatz (»Zur Geschichte von Metz in römischer Zeit ), und zwar aus räumlichen 
Rücksichten im nächsten Band. — Die benützten Bücher sind zum Teil im Jahr- 
buch VII, ı, S. 1—3 mit ihren genaueren Titeln namhaft gemacht. 


Pe — 


ar 


Der Anteil der deutschen Protestanten an den kirchlichen 
Reformbestrebungen in Metz bis 1543. 


Von Otto Winckelmann, Strassburg. 


Die wechselvollen Schicksale der Metzer Protestanten haben schon 
frühzeitig die Aufmerksamkeit der Geschichtsschreiber erregt und sind 
sowohl in ihrer Gesamtheit wie in einzelnen Zeitabschnitten wiederholt 
untersucht und geschildert worden. Wenn wir trotzdem bis jetzt keine 
annähernd erschöpfende und befriedigende Darstellung der Metzer Ge- 
schichte im Zeitalter der Reformation besitzen, so erklärt sich das 
einmal daraus, dass konfessionelle wie nationale Vorurteile auf diesem 
Gebiet mehr als auf irgend einem andern die historische Forschung 
und Anschauung beeinträchtigen, sodann aber auch aus der sachlichen 
Schwierigkeit, die genügende urkundliche Grundlage für ein solches 
Werk zu gewinnen. Denn um dem Gegenstande völlig gerecht zu 
werden, müsste man ausser den Metzer (Quellen auch lothringische, 
französische, niederländische und deutsche Archive gleichmässig und 
unparteiisch zu Rate ziehen. 


Den ersten Versuch einer zusammenfassenden Darstellung der 
Metzer Reformbewegung unternahm schon 1580 der Calvinist Theodor 
de Bèze in seiner Histoire ecclésiastique des églises reformées, natür- 
lich in durchaus protestantischem Geiste. In schärfstem Gegensatz 
hierzu steht das 1642 veröffentlichte, breit angelegte Werk des Metzer 
Suffraganbischofs Martin Meurisse, das sich schon durch Titel!) 
und Widmung offen als eine katholische Tendenzschrift zur Bekämpfung 
des Protestantismus kennzeichnet. Immerhin ist das Buch noch Jetzt 
eine zwar mit Vorsicht zu benutzende, aber nicht zu verachtende 
Quelle, weil es manche Urkunden und Briefe im Wortlaut oder Auszug 
wiedergiebt, deren Originale wir nicht kennen. Sein Eindruck auf die 
Zeitgenossen war so bedeutend, dass die Metzer Evangelischen be- 
schlossen, zur Widerlegung eine genaue urkundliche Geschichte ihrer 
Kirche herauszugeben. Der Prediger Paul Ferry, welcher mit der 
Aufgabe betraut wurde, machte sich mit regem Eifer an die Arbeit, 


1) Histoire de la naissance, du progrès et de la décadence de l’hérésie 
dans la ville de Metz et dans le pays Messin. 


— 203 — 


selangte aber wegen allzu grosser Gründlichkeit nicht zum Abschluss. 
Indessen bilden seine handschriftlichen, auf der Metzer Stadtbibliothek 
aufbewahrten Kollektaneen noch heute eine Hauptquelle für jeden, der 
sich mit der Metzer Geschichte des XVI. Jahrhunderts befasst. 


Aus neuerer Zeit kommen für unseren Gegenstand, abgesehen 
von den verschiedenen Biographien Farels und Calvins sowie von 
kleineren Abhandlungen !), hauptsächlich drei Werke in Betracht: 
Rahlenbeck, Metz et Thionville sous Charles-Quint (1880), Thirion, 
Étude sur l'histoire du protestantisme à Metz (1884) und Dietsch, 
Die evangelische Kirche von Metz (1888). Von ihnen hat der Belgier 
Rahlenbeck unser Wissen namentlich durch wertvolle Mitteilungen aus 
dem Brüsseler Archiv bereichert. Seine Darstellung zeigt im übrigen 
eine anerkennenswerte Unparteilichkeit in der Beurteilung nicht nur 
der religiösen Frage, sondern auch des Verhältnisses der Stadt Metz 
zum Reich, lässt aber bezüglich der Verarbeitung und Anordnung des 
Stoffs manches zu wünschen übrig. Wer bei Rahlenbeck, dem Titel 
entsprechend, eine zusammenhängende Geschichte der Städte Metz und 
Diedenhofen unter Karl V. zu finden hofft, wird sich sehr enttäuscht 
sehen. Gleichwohl muss es in hohem Grade befremden, dass Thirion 
von Rahlenbecks Ergebnissen nicht die mindeste Notiz genommen hat. 
Er stützt sich ausschliesslich auf lokale und französische Quellen und 
zeigt eine beklagenswerte Unfähigkeit, die Stellung der Metzer zu 
Kaiser und Reich unbefangen zu würdigen. In religiöser Hinsicht ur- 
teilt er sonst massvoll und besonnen im Gegensatz zu Dietsch, welcher 
sich ihm sachlich fast durchweg unterordnet, aber in der Auflassung 
der Ereignisse den Standpunkt des leidenschaftlichen Protestanten stark 
hervorkehrt. 

An einem Fehler kranken all die genannten Werke, so ver- 
schiedenartig sie sonst sind, in gleicher Weise, nämlich an unzu- 
reichender Berücksichtigung des wahrlich nicht geringen Einflusses, 
welchen die deutschen Stände auf die Entwickelung der Dinge in Metz geübt 
haben. Es war daher eine sehr dankbare Aufgabe, welche Emil Klein- 
wächter auf Anregung seines Lehrers Max Lenz vor einigen Jahren 
übernahm, durch Nachforschungen in deutschen Archiven mehr Licht 
in die Geschichte des Metzer Reformversuchs zu bringen. Zu bedauern 
ist nur, dass er das Ergebnis seiner Forschungen bis jetzt erst zum 
kleinen Teil veröffentlicht hat; denn seine 1894 herausgegebene Disser- 


') Vgl. besonders die Bulletins de la société de l'histoire du protestantisme 
francais. 


— 204 — 


tation!) behandelt lediglich die Anfänge der protestantischen Ein- 
mischung in die Metzer Verhältnisse, und es scheint wenig Hoffnung 
zu bestehen, dass die Fortsetzung in absehbarer Zeit erscheinen wird. 

Wenn ich nun versuche, im engen Rahmen eines Vortrags?) die 
Wechselbeziehungen zwischen Metz und den deutschen Protestanten in 
ihrem wichtigsten Abschnitt zu schildern, so stütze ich mich dabei vor 
allem auf das reiche Aktenmaterial, welches kürzlich in dem von mir 
bearbeiteten dritten Bande der »Politischen Correspondenz Strassburgs« 
ans Tageslicht gekommen ist?). Ferner sind mir auch die beiden 
letzten Bände!) von Herminjard’s Correspondance des réformateurs 
sehr nützlich gewesen. 


Um den Verlauf der Metzer Reformbewegung recht zu verstehen, 
muss man sich im grossen und ganzen das Verhältnis der Stadt zu 
Kaiser und Reich, ihre Verfassung und ihre besondere politische Lage 
in jener Zeit vergegenwärtigen. 

Es ist eine Lieblingsbehauptung französischer Schriftsteller, dass 
Metz nur dem Namen nach zum Deutschen Reich gehört habe, in 
Wirklichkeit aber unabhängig gewesen sei. Thirion vergleicht die 
Stadt in dieser Hinsicht mit den italienischen und niederländischen 
Städterepubliken”). Dass dies verkehrt ist, bedarf für den, welcher 
Verfassung und Zustände des Reichs nur einigermassen kennt, keiner 
weitläufigen Auseinandersetzung. Die rechtliche Stellung von Metz zum 
Reich unterschied sich in keinem wesentlichen Punkte von derjenigen 
anderer Reichsstädte. Wie letztere, so hatte auch Metz zu den An- 
lagen für den Romzug, für Türkenhülfe und Unterhaltung des Kammer- 
gerichts eine bestimmte Summe beizutragen, an den Reichs- und 


1) »Der Metzer Reformationsversuch 1542—43.« Teil I. Marburg 1894. 
Die Darstellung reicht hier nur bis Anfang Oktober 1542. Ausser den Metzer 
Quellen hat der Verfasser namentlich die Akten des für die deutsche Reformations- 
geschichte so überaus wichtigen Marburger Archivs benutzt; doch sind auch die 
Archive zu Weimar, Frankfurt, Strassburg und Brüssel von ihm zu Rate gezogen 
worden. 

?) Gehalten in der vorjährigen Novembersitzung der Gesellschaft. 

3) Kleinwächter hat die meisten dieser Aktenstücke nicht gesehen, weil ihr 
Vorhandensein zur Zeit seines Strassburger Aufenthalts der Archivverwaltung 
selber noch unbekannt war. Uebrigens haben ihn seine Funde in den andern 
Archiven dafür zum Teil entschädigt. 


#) Band VII erschien 1893, IX 1897. 


%) Thirion 21. 


— 205 — 


Kreistagen teilzunehmen und sich deren Beschlüssen zu fügen. Be- 
suchte ein Kaiser die Stadt zum ersten Male, so hatten ihm die 
Vertreter der Bürgerschaft Treue zu geloben. Dass die Stadt sich in 
Wirklichkeit diesen Pflichten, besonders in den Zeiten der sinkenden 
kaiserlichen Macht, möglichst zu entziehen suchte, kann nicht Wunder 
nehmen, wenn man bedenkt, dass sie mit ihrer französisch redenden 
Bevölkerung an der äussersten Grenze des Reichs lag und im Grunde 
wenig Interessengemeinschaft mit ihm hatte. Oft genug hatte sie zu 
ihrem Schaden erfahren, dass im Fall der Not vom Kaiser und den 
Ständen doch kein Beistand zu erlangen sei. War es ihr da zu ver- 
denken, wenn sie dem Reich nicht sehr freundlich gesinnt war? Uebri- 
gens dürfen wir auch nicht vergessen, dass das Bestreben, sich von 
den drückenden Reichslasten zu befreien, bei den Fürsten und Städten 
im Innern Deutschlands kaum in geringerem Masse vorhanden und 
nur wegen der Nähe der Centralgewalt nicht so leicht von Erfolg war. 


Thatsache ist, dass die Metzer im späteren Mittelalter ihre Pflichten 
gegen das Reich gar nicht oder sehr lässig erfüllten. Dies änderte sich 
jedoch, seitdem die Habsburger das Erbe Karls des Kühnen an sich 
gebracht hatten, und namentlich seit der Thronbesteigung Karls V. 
Denn als Herr der Niederlande war Karl der unmittelbare Nachbar 
von Metz und konnte das kaiserliche Ansehen daselbst in viel stärkerer 
Weise zur Geltung bringen als seine Vorgänger, welche den Schwer- 
punkt ihrer Macht weit im Osten hatten. Ja, es lag sogar für ihn die 
Versuchung nahe, die kaiserliche Gewalt in Metz noch über ihre alten 
rechtlichen Grenzen hinaus zu erweitern, weil dies bei seinen häufigen 
Kriegen mit Frankreich von grossem Wert sein konnte. 

Was thaten nun die Metzer, um dieser Gefahr zu begegnen ? 
Frankreich hätte ihnen gewiss sern Hülfe gegen den Kaiser zukommen 
lassen, aber doch immer nur auf Kosten ihrer alten Freiheit. Deshalb 
suchten sie ihr Heil lieber in der Beobachtung strenger Neutralität 
zwischen den beiden Nebenbuhlern und in peinlicher Erfüllung ihrer 
Pflichten gegen das Reich, damit der Kaiser nur ja keinen Vorwand 
hätte, ihnen feindlich gegenüber zu treten. So kommt es, dass wir 
Metz zur Zeit Karls V. in regeren Beziehungen zu Deutschland finden 
als je zuvor. An zahlreichen Reichsversammlungen, Kreis- und Städte- 
tagen nahm die Stadt durch eigene Gesandte teil, ja sie zeigte in den 
gemeinsamen Angelegenheiten mitunter einen grösseren Eifer als manche 
Stände tief im Herzen Deutschlands !). 


') Man vergleiche die zahlreichen bei Tabouillot, Histoire de Metz, t. VI 
abgedruckten Aktenstücke über die Beziehungen der Stadt zum Reich. Auch 


— 206 — 


Abgesehen von den angedeuteten Beschränkungen war Metz gleich 
andern Reichsstädten in der Leitung seiner äusseren und inneren Politik 
vollkommen selbständig. Der Bischof hatte seine Gerechtsame in Metz 
längst dem Magistrat überlassen müssen. Wenn er trotzdem hie und 
da noch zur Geltung kam, so verdankte er dies seiner Zugehörigkeit 
zu dem angesehenen lothringischen Herrscherhaus, welches seit dem 
Ende des XV. Jahrhunderts keinen Sprössling eines andern Geschlechts 
auf dem Bischofsstuhl duldete. Seit 1505 stand Johann von Lothringen, 
der mit der Zeit nicht weniger als 11 Bistümer in seiner Hand ver- 
einigte, an der Spitze des Metzer Klerus. 


Auf eine Schilderung der ziemlich verwickelten Metzer Stadt- 
verfassung kann ich mich hier selbstverständlich nicht einlassen '). Es 
genügt für unsern Zweck, festzustellen, dass Metz im Gegensatz zu 
Strassburg und andern rheinischen Städten, wo längst demokratische 
Grundsätze zum Durchbruch gelangt waren, noch an seiner veralteten 
oligarchischen Verfassung festhielt. Eine beschränkte Anzahl alter 
Patrizierfamilien hatte die ganze Regierung der Stadt in Händen. Die 
Bürgerschaft war weder im Schöffenrat, der aus lebenslänglich ge- 
wählten Mitgliedern bestand, noch im Dreizehner-Kollegium, welches 
alljährlich erneuert wurde, vertreten. Der jedes Jahr neu gewählte 
Schöffenmeister war mit grösseren Vollmachten ausgerüstet als anderswo 
die Bürgermeister. Er war z. B. befugt, einen erledigten Schöffensitz 
nach Belieben an einen seiner Verwandten zu vergeben. besonders 
lag ihm die Vertretung der Stadt nach Aussen ob. Wie es bei einer 
oligarchischen Verfassung nur zu leicht der Fall ist, so waren auch in 
Metz die heftigsten Eifersüchteleien, Parteiungen und Fehden zwischen 
den bevorrechteten Familien an der Tagesordnung. Welch’ tief- 
sehende Unzufriedenheit und Erbitterung durch solche Zustände in der 
rechtlosen, geknechteten Bürgerschaft erzeugt werden musste, liegt auf 
der Hand. Nimmt man hinzu, dass der in Metz stärker als in andern 
Städten vertretene Klerus in weiten Kreisen sehr unbeliebt war?) 
so begreift man, dass die lutherische Lehre hier schon frühzeitig einen 
ausserordentlich fruchtbaren Nährboden fand. 


Klipffel, Metz cité épiscopale et impériale, 321, zählt eine Menge von Tagen auf, 
an denen die Stadt teilgenommen, ohne aber die richtigen Folgerungen daraus 
zu ziehen. Vgl. auch Kleinwächter, 5. A., ferner Pol. Korr. Strassb., II. 

1) Vgl. besonders Klipffel, ferner Kleinwächter im »Anhang« seiner Dis- 
sertation. 

°?) Dass die Metzer Geistlichkeit so eigensinnig an ihrer Steuerfreiheit fest- 
hielt, trug auch mit dazu bei, das Volk gegen sie aufzubringen. Kleinwächter, 10 ff. 


Der Erste, welcher den neuen Ideen in Metz Eingang und Ver- 
breitung verschaffte, war der bekannte Humanist Cornelius Agrippa 
aus Köln, der von 1518—1520 als Syndikus der Stadt thätig war. 
Doch hat sich sein Einfluss wohl wesentlich auf die gebildeten Stände 
beschränkt. Im Volke wurde der Geist der Reformation erst durch 
die Predigten des Augustinermönchs Jean Chätellain aus Tournay recht 
lebendig. Die Ehrfurcht erweckende Erscheinung und hinreissende 
Beredtsamkeit dieses Mannes wird selbst von seinen Gegnern gerühmt. 
Er war kein eigentlicher Lutheraner, wie Lambert von Avignon, der 
sich damals vergeblich um Zulassung zur Predigt in Metz bemühte, 
sondern glich eher dem Strassburger Geiler von Kaysersberg. Wie 
diesem so war es auch ihm besonders um die Hebung der Sittlichkeit 
aller Stände zu thun. Dass er in diesem Streben den Klerus mit seinen 
Angriffen nicht verschonte, vermehrte zwar seine Beliebtheit bei den 
Laien, namentlich in den unteren Volksschichten, zog ihm aber den 
tötlichen Hass der Geistlichen zu. So kam es, dass er eines Tages 
auf Veranlassung des Kardinals von Lothringen durch List aus der 
Stadt gelockt, gefangen genommen und nach kurzem Prozess am 
12. Januar 1525 in der bischöflichen Residenz Vie lebendig verbrannt 
wurde. 

Die Hinrichtung des verehrten Predigers erregte in Metz einen 
gefährlichen Aufruhr, bei welchem sich die Volkswut in erster Reihe 
gegen die Geistlichen richtete, welche man an dem Tode Châtellains 
schuldig glaubte. Jedoch wurden bezeichnender Weise auch Ver- 
wünschungen gegen die weltliche Obrigkeit laut, die bei der herrschenden 
Hungersnot die Brotpreise nicht hatte herabsetzen wollen, obwohl in 
den Speichern der Stadt und des Klerus grosse Getreidevorräte lagerten. 
Diese Verquickung von religiöser und sozialer Unzufriedenheit im 
Schosse der Bürgerschaft machte den Magistrat, der Chätellains Predigten 
nicht nur geduldet sondern sogar begünstigt hatte, plötzlich gegen die 
neue Lehre misstrauisch. Er ermässigte zwar, um das Volk zu be- 
ruhigen, die Kornpreise, ging dann aber schonungslos gegen die Rädels- 
führer der Empörung vor. Der bald nachher ausbrechende Bauernkrieg 
verstärkte natürlich noch die Befürchtung, dass die kirchliche Reform- 
bewegung auch in Metz politische Unruhen mit sich bringen und den 
Sturz der Patrizierherrschaft herbeiführen könne. Noch im April 1525 
erschien deshalb eine strenge Verordnung gegen alle religiösen Neue- 
rungen. Allein durch solche Gewaltmassregeln liess sich der Strom 
nicht mehr eindämmen, und unaufhaltsam eroberte sich die evangelische 
Religion die Herzen der Metzer Bevölkerung; ja sie gewann sogar unter 


» 


— 208 — 


den Mitgliedern des Adels einflussreiche Anhänger und hätte sicher 
ohne grosse Kämpfe. gesiegt, wenn die Bürgerschaft an der Leitung 
der Dinge einigen Anteil gehabt hätte. Da dies aber nicht der Fall 
war, so trug der religiöse Zwiespalt nur dazu bei, die alten Gegensätze 
zwischen Regierenden und Regierten wie zwischen den Geschlechtern 
selbst in bedenklichem Masse zu verschärfen. Der erste Metzer Patrizier, 
welcher sich offen zur neuen Lehre bekannte, war Nikolaus von Esch. 
Er wurde — schon im höheren Lebensalter — bei einem Aufenthalt 
in Montbeliard 1524 durch den bekannten Reformator Farel bekehrt, 
der seitdem für die Reform in Metz ein dauerndes Interesse bewahrte. 
Auch Pierre Toussaint, ein junger Metzer Kanoniker, der aus Neigung 
zur Reform 1524 nach Basel gegangen war und später Prediger in 
Montbeliard wurde, bemühte sich eifrig um die Stärkung der evange- 
lischen Gemeinde seiner Vaterstadt. Im Sommer 1525 wagten es Farel 
und Toussaint, wohl auf Eschs Zureden, persönlich nach Metz zu 
kommen, um ihr religiöses Verhalten öffentlich zu rechtfertigen. Sie 
mussten sich jedoch unverrichteter Sache schleunigst zurückziehen, um 
den Nachstellungen ihrer erbitterten Feinde zu entgehen. Bald nachher 
erlebte Nikolaus v. Esch den Schmerz, dass man seinen Glaubens- 
genossen und Freund Jean Leclere, einen Handwerker aus Meaux, in 
srausamster Weise marterte und verbrannte, weil er aus Hass gegen 
die Bilderverehrung eine Muttergottesstatue verstümmelt hatte. Im 
Zusammenhang hiermit stand ein neues Gesetz, durch das schon der 
Verkauf und das Lesen lutherischer Schriften mit Verbannung und 
Konfiskation des Vermögens bedroht wurde. Trotzdem behielt die 
evangelische Lehre viele Anhänger, die sich einstweilen nur hüten 
mussten, ihren Glauben offen zu bekennen. 

Dass der Metzer Magistrat unter solchen Umständen den reform- 
feindlichen Speierer Reichsabschied von 1529 billiste und sich nicht 
zu den dagegen protestierenden Ständen gesellte, ist durchaus begreif- 
lich. Auffällig ist es dagegen, wie der Strassburger Jakob Sturm im 
Jahre 1528 auf den Gedanken kommen konnte, neben den eidgenössi- 
schen Städten sei vielleicht auch Metz für ein Bündnis zum Schutz 
der evangelischen Lehre zu gewinnen'). Er scheint denn auch bald 
eingesehen zu haben, dass diese Hoffnung eine trügerische war. Be- 
zeichnend dafür ist es, wie er zwei Jahre später auf dem grossen 
Reichstage zu Augsburg seine Verwunderung darüber ausspricht, dass 
Karl V. es für nötig hielt, die Metzer Gesandten eindringlich zu er- 


') Vgl. Strassburgs Instruktion für den Städtetag zu Esslingen, Juni 1528, 
von Sturms Hand. Kleinwächter hat dieses Aktenstück übersehen (Pol. Korr. I, 296). 


end — 


mahnen, sie sollten keine kirchlichen Neuerungen in ihrer Stadt auf- 
kommen lassen und kein Bündnis gegen ihn eingehen '). Metz hatte 
allerdings damals mit Lothringen eine Verständigung geschlossen; doch 
zielte dieselbe gerade auf die Unterdrückung religiöser und poli- 
tischer Reformbestrebungen und war in keiner Weise gegen den Kaiser 
gerichtet. Letzteres wird auch in einer längst veröffentlichten, aber 
bisher kaum beachteten Denkschrift bestätigt, welche der Metzer Rat 


dem Kaiser einige Zeit nach dem Augsburger Reichstag — vielleicht 
in Erwiderung auf obige Mahnung — überreichen liess?). In der Ein- 


leitung finden wir zunächst die alte Klage über die schweren Abgaben, 
welche Metz an das Reich leisten müsse, ohne dafür im Notfalle den 
Schutz desselben zu geniessen. Sodann wird auf die grossen Kosten 
hingewiesen, welche die Unterdrückung der Lutheraner verursache. 
Metz behauptet, für diesen Zweck Kriegsvolk halten zu müssen, welches 
jährlich mehr als 2000 Goldgulden koste. Endlich wird ausgeführt, 
dass die neuerdings von König Ferdinand für Türkenhülfe beanspruchten 
24000 Gulden nur durch eine ausserordentliche Umlage zusammen- 
gebracht werden könnten, dass eine solche Massnahme aber viel böses 
Blut machen und die Bürgerschaft möglicherweise dazu reizen würde, 
sich den Protestanten in die Arme zu werfen, obwohl die zur Zeit 
regierenden Herren entschlossen seien, eher zu sterben als sich mit 
den Ketzern einzulassen. Nur um gegen die Protestanten einen Rück- 
halt zu haben, sei mit dem Herzog und dem Kardinal von Lothringen 
ein Bündnis gesucht worden. Am Schluss der Denkschrift wird Karl 
aufgefordert, der Stadt zu raten, was sie erwidern solle, wenn sie von 
den evangelischen Ständen zum Bunde eingeladen werde; denn es sei 
doch sehr wichtig, dass Metz als das Bollwerk und der Schlüssel der 
benachbarten Länder vor der Ketzerei bewahrt bleibe. 


Wahrscheinlich hat der Metzer Stadtrat in dieser Eingabe die 
Gefahr der religiösen Wirren absichtlich recht schwarz gemalt, damit 
sein Verdienst um die Verteidigung des alten Glaubens um so glänzender 
herausgestrichen, und der Kaiser für den erbetenen Erlass der Türken- 
hülfe um so günstiger gestimmt würde. Ob dieser Zweck erreicht wurde, 
wissen wir nicht. Dass die protestierenden Stände, welche sich 1531 
zum schmalkaldischen Bunde vereinigten, ernstlich auf den Beitritt von 


1) Corpus reformatorum, ed. Bretschneider, IT, 161; Pol. Korr., I, 466. 

?) Tabouillot, Hist. de Metz, VI, 660 ff. Die Denkschrift ist ohne Datum und 
wird von dem Herausseber ins Jahr 1526 gesetzt. Allein da der Augsburger 
Reichstag bereits in ihr erwähnt wird, so kann die Abfassung frühestens Ende 
1530 erfolgt sein. (Von Kleinwächter nicht benutzt.) 

14 


210 — 


Metz gerechnet haben sollten, ist kaum denkbar; jedenfalls ist von 
Verhandlungen solcher Art nichts bekannt. Wohl aber ergiebt sich 
aus dem vertraulichen Briefwechsel des Grafen Wilhelm von Neuenahr 
mit Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen die überraschende That- 
sache, dass Robert von Heu, Herr von Malroy, einer der reichsten und 
mächtigsten Patrizier von Metz, 1533 gegen ein Dienstgeld von 100 Gulden 
sich dem Kurfürsten von Sachsen als Kundschafter und diplomatischer 
Agent verpflichtete !). 

Solche Dienstverträge von adeligen Herren oder von Gelehrten 
mit fremden Fürsten und Städten waren damals nicht ungewöhnlich ; 
z. B. stand jener Wilhelm von Neuenahr seit 1531 in einem ähnlichen 
Verhältnis zu Metz?); nur bezog sich seine Verpflichtung gegen die 
Stadt weniger auf politische Berichterstattung als auf Dienstleistungen 
im Kriegsfalle. Selbstverständlich war es nicht das geringe Jahrgeld 
von 100 Gulden, welches den reichen Herrn von Malroy anlockte, 
sondern vielmehr der Wunsch, mit den Häuptern des schmalkaldischen 
Bundes Fühlung zu gewinnen, teils aus aufrichtiger evangelischer Ueber- 
zeugung, teils zur Förderung seiner Sonderinteressen. Besonderes 
Gewicht erhält seine Verbindung mit Sachsen dadurch, dass sie in dem 
Jahre erfolgte, in welchem er als Schöffenmeister die höchste Stelle 
im Metzer Magistrat bekleidete. Seine aus Lothringen, Frankreich und 
Spanien an den Kurfürsten erstatteten Berichte werden in den Briefen 
Neuenahrs wiederholt erwähnt, sind aber leider nicht bekannt. Viel- 
leicht werden sie im Weimarer Archiv noch einmal entdeckt. Am 
meisten zu beklagen ist es, dass eine Denkschrift von 1533, worin 
Robert dem Kurfürsten die Metzer Verhältnisse klarlegte und, wie es 
scheint, um Unterstützung seiner evangelischen Mitbürger bat, bis jetzt 
nicht gefunden worden ist. Neuenahr, von Johann Friedrich um seine 
Ansicht über diese Denkschrift befragt, spricht die Vermutung aus, dass 
Heu sich mehr von Familieninteressen als von der Liebe zum Evange- 
lium leiten lasse”). Er will jedoch, ehe er endgültig urteilt, noch nähere 
Erkundigungen einziehen. Ob dies geschehen ist, und was er dem 
Kurfürsten berichtet hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Roberts Hülfe- 
sesuch wurde natürlich von Sachsen dem schmalkaldischen Bunde gar 
nicht unterbreitet; denn die religiösen Verhältnisse in Metz waren ja 
noch viel zu wenig geklärt, als dass ein so vorsichtiger Herr wie Johann 


') Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins XIV, 109 ff. Kleinwächter 25. 

2) Tabouillot VI, 687. 

5) Rahlenbeck, 130, hat diese Aeusserung missverstanden. Vgl. Klein- 
wächter 25. 


25 1 DRE 


Friedrich auch nur entfernt daran hätte denken können, die Stadt in 
den Bund aufzunehmen. 

Auch sonst suchte Robert von Heu seine Beziehungen zu Sachsen 
zum Besten seiner evangelischen Landsleute auszunützen. So betrieb 
er eifrig die Heirat des Erbprinzen Franz von Lothringen mit einer 
elevischen Prinzessin, um Lothringen in den deutsch-protestantischen 
Interessenkreis hineinzuziehen: Johann Friedrich von Sachsen war 
nämlich mit einer Schwester der dem Lothringer zugedachten Dame 
vermählt. Die geplante Heirat hätte überdies eine Verständigung 
zwischen Lothringen und Cleve über Geldern, auf das beide bei Aus- 
sterben des Geldernschen Herzogshauses Anspruch erhoben, erleichtert 
und so dem Kaiser, der bekanntlich Geldern selbst in Besitz zu nehmen 
wünschte, Schwierigkeiten bereitet. Karl bemerkte jedoch die Gefahr 
bei Zeiten und wusste mit überlegenem Geschick an Stelle der cle- 
vischen Prinzessin seine eigene Nichte, Christine von Dänemark, zu 
setzen. Ob Robert von Heu daraufhin sein Verhältnis zu Sachsen ge- 
löst hat, wie Rahlenbeck annimmt, ist ungewiss. Thatsache ist nur, 
dass über weitere Beziehungen des Metzer Patriziers zu Johann Friedrich 
bis jetzt nichts bekannt geworden ist. 


Mit dem Jahre 1541 beginnt die eigentliche Krisis der Metzer 
Reformbewegung. In den ersten Tagen des Jahres erhielt die Stadt 
den Besuch Kaiser Karls, der eben die Niederlande verlassen hatte, 
um sich nach Regensburg zur Reichsversammlung zu begeben. Er 
wurde von Schöffenmeister und Dreizehn mit allen gebührenden Ehren- 
bezeugungen empfangen. Der Magistrat zeigte aus den schon früher 
angedeuteten Gründen das peinlichste Bestreben, dem Herrscher keinen 
Anlass zu Reklamationen zu geben, aber auch nichts einzuräumen, 
was irgendwie dem alten Herkommen widersprach. Karl war damit 
zufrieden und verschonte die Stadt mit ungehörigen Zumutungen !). 
Die religiöse Frage wurde während des kaiserlichen Aufenthalts in 
Metz bei offiziellen Reden und Begrüssungen nur ganz flüchtig gestreift, 
indem des bevorstehenden Reichstags gedacht und die Hoffnung aus- 

1) Nur kurze Zeit schien es, als sollten über eine Forderung des Kaisers 
Misshelligkeiten entstehen. Karl war nämlich mit seinen Räten der merkwürdigen 
Ansicht, die Stadt schulde von Rechts wegen dem Reichsoberhaupt einen jähr- 
lichen Tribut von 1000 fl., der allerdings erst fällig werde, wenn der Kaiser per- 
sönlich nach Metz komme. In letzterem Falle habe dann die Stadt soviel tausend 
Gulden zu zahlen, als Jahre seit dem letzten Kaiserbesuch verllossen seien. That- 
sächlich ist kein Anhaltspunkt für die Berechtigung eines solchen Anspruchs vor- 
handen. Karl stand denn auch auf die Weigerung des Magistrats von der For- 
derung ohne weiteres ab. Vel. Tabouillot VI, 734 ff., Pol. Korr. III, 149. 

14* 


ous 


gesprochen wurde, dass es dort gelingen werde, den kirchlichen Zwist 
beizulegen. In vertraulichen Unterredungen aber hat Karl nicht ver- 
säumt, die städtischen Behörden zur Standhaftigkeit gegen die Ketzer 
zu verpflichten ). Einen unmittelbaren Erfolg davon haben wir wohl 
in der Ausweisung des jungen Dominikaners Pierre Brully zu erblicken, 
der in jener Zeit neben dem Prior desselben Ordens, Watrin Dubois, 
der Hauptvertreter der Reform in Metz war. Brully reiste nach seiner 
Verbannung mit einer Anzahl evangelischer Leidensgefährten sofort 
nach Regensburg und bat die dort versammelten protestierenden Stände 
um Fürsprache zu Gunsten seiner Rückberufung nach Metz. Um den 
Erfolg seines Schrittes abzuwarten, ging er dann einstweilen mit Em- 
pfehlungsbriefen Bucers nach Strassburg, wo er bei Calvin freundliche 
Aufnahme fand). Die Verwendung der Stände für ihn war umsonst. 
Obwohl im März 1541 Robert von Heu, der mehrfach erwähnte Be- 
schützer der Evangelischen, Schöffenmeister geworden war und der 
Regensburger Reichsabschied mit der angehängten kaiserlichen Dekla- 
ration für die Protestanten verhältnismässig günstig ausfiel, sträubte 
sich die Mehrheit des Metzer Magistrats mehr als je gegen die Duldung 
der Neuerungen. Sie gab vor, erst das Concil abwarten zu wollen, 
dessen Berufung der Kaiser binnen 18 Monaten versprochen hatte. Die 
Metzer Reformierten fühlten sich indessen nachgerade stark genug, 
gegen die fortgesetzte Unterdrückung zu protestieren, besonders seitdem 
auch die Schöffenmeisterwahl des Jahres 1542 auf einen der ihrigen, 
nämlich auf Gaspard von Heu, den jüngsten Bruder Roberts, gefallen 
war. Hatte Robert sich in seinen evangelischen Sympathieen immer 
noch einer vorsichtigen Zurückhaltung befleissigt, so ging Gaspard schon 
weit entschlossener vor. Zugleich erhält man von seinem Auftreten 
noch mehr als von dem seines Bruders den Eindruck, dass er ein 
überzeugter Anhänger der Reformation war. Zwischen ihm und dem 
Rat der Dreizehn, der sich grösstenteils aus Gegnern der Familie Heu 
und der Evangelischen zusammensetzte, entspann sich nun ein äusserst 
hartuäckiger Kampf. Die Dreizehn bewirkten bei der Leitung des 
Dominikanerordens, dass dem evangelisch gesinnten Prior Watrin Dubois 
und einem andern Dominikaner, der an Brullys Stelle getreten war”), 


1) Es geht dies u. a. aus seinem Brief vom 7. Juni 1542 hervor. Vgl. Pol. 
Korr. III, 329 n. 1, und weiter unten. 

°) Calvin rühmt ihn als iuvenis pius, doctus ac modestus. Corpus reform. 
XXXI, 258. Kleinwächter 30. 

”), Kleinwächter, 32 n. 1, betont mit Recht, dass Brully selbst, wie man bis- 
her angenommen hat, kaum gemeint sein kann. Den Namen des Nachfolgers von 


N ar 


das Predigen verboten, und dass aus Paris der gelehrte Carmeliter- 
provinzial Dr. Mathieu de la Lande entsandt wurde, um die Ketzerei 
in Metz auszurotten. Zwei schriftliche Proteste hiergegen, welche die 
evangelische Gemeinde im Februar und März 1542 unter Berufung auf 
die in Regensburg verglichenen Religionsartikel an Schöffenmeister und 
Dreizehn richtete 1), blieben trotz der mächtigen Fürsprache Gaspards 
von Heu ohne jeden Erfole. 


Allmählich fing man nun aber auch ausserhalb der Reichsstadt an, 
den religiösen Streitigkeiten daselbst grössere Aufmerksamkeit zu 
schenken. Zu den wenigen Reformatoren romanischer Zunge, die sich 
bisher näher um die Metzer Glaubensgenossen gekümmert hatten, wie 
Farel und Toussaint, hatte sich namentlich noch Calvin gesellt, beson- 
ders seitdem er 1558 Seelsorger der aus französischen und lothringischen 
Flüchtlingen bestehenden »welschen« Gemeinde in Strassburg geworden 
war. Er wäre gar zu gern selbst nach Metz gegangen, sah aber 
ebenso wie Farel ein, dass dort vorläufig beim besten Willen nichts 
auszurichten sei?). Als dann 1541 die Lage seiner Glaubensbrüder in 
Metz etwas hoffnungsvoller wurde, musste er dem Ruf nach seiner 
alten Wirkungsstätte, nach Genf, Folge leisten und deshalb den Ge- 
danken, persönlich in die Metzer Verhältnisse einzugreifen, aufgeben. 
Sein Nachfolger in Strassburg wurde auf seine eigene Empfehlung eben 
jener Brully, von dessen Verbannung aus Metz wir berichteten. Dem 
Eifer dieses Mannes gelang es nun, die Strassburger Prediger, insbe- 
sondere Bucer, zu einer stärkeren Theilnahme an den Metzer Dingen 
zu bewegen. Schon am 25. Oktober 1541 wandten sich die Strass- 
burger Reformatoren an den Metzer Klerus?) mit der Aufforderung, die 
geserr sie erhobene Beschuldigung der Ketzerei zu beweisen, und bald 
nach dem Auftreten des Mathieu de la Lande erboten sie sich gegen 
ihn zu einer öffentlichen Disputation in Metz selbst. Mathieu wäre 
vielleicht schliesslich darauf eingegangen, allein der Metzer Magistrat 
versagte unter allen Umständen die Erlaubnis. Kurz darauf suchte 


Brully kennen wir nicht. Wenn Meurisse, 35, einen Pierre Bassy nennt, so ist 
das nur ein Lese- oder Druckfehler für Pierre Brully. Er hat offenbar an dieser 
Stelle den Beza benutzt, der in der Ausgabe von 1580, III, 433, den Druckfehler 
»Brasly« statt »Brusly« hat. Das hat Meurisse dann seinerseits in »Bassy« ver- 
kehrt. Das 1 in dem Namen »Brasly« bei Beza ist nämlich so undeutlich, dass 
man es leicht für ein s lesen kann. 

1) Gedruckt bei Thirion, 411 ff. 

2) Vgl. Herminjard V, 452, VI, 114 u. 243. 

3) Kleinwächter, 32, erwähnt das Schreiben nach Ferrys Inhaltsangabe. Es 
st jetzt gedruckt bei Herminjard, VIII, 489, 


Er U 


Brully 600 Exemplare einer neuen Auflage von französischen Andacht- 
büchern, die in der welschen Gemeinde Strassburgs eingeführt waren 
und hauptsächlich Uebersetzungen von Psalmen enthielten, für die 
Evangelischen in Metz einzuschmuggeln. Der Versuch scheiterte aber 
an der Wachsamkeit der Metzer Behörde, welche die ganze Bücher- 
sendung konfiszierte '). 

Während so der religiöse Streit in Metz immer erbitterter wurde, 
zog sich vor den Thoren der Stadt ein schweres Kriegsgewitter zu- 
sammen. Unter Frankreichs Fahnen sammelten sich dort im Sommer 
1542 beträchtliche Massen von deutschen Landsknechten, ohne dass 
man über deren Bestimmung lange Zeit etwas Sicheres erfahren konnte. 
Metz geriet in lebhafte Sorge und ersuchte die Strassburger durch einen 
eigenen Gesandten um Rat und Hülfe für den Fall, dass der König 
von Frankreich etwa Miene machen würde, die Stadt anzugreifen ?). 
Strassburg gab tröstliche Antwort und benützte die (Grelegenheit, für 
die bedrückten Evangelischen in Metz um Duldung zu bitten. Noch 
am 8. Juli waren die Metzer Kriegsräte im Ungewissen ?), gegen wen 
die Rüstungen gerichtet seien. Erst in der Mitte des Monats wurde 
es allgemein bekannt, dass Frankreich von neuem den Kampf mit 
Karl V. aufnehmen wolle. 


Aus diesem Zustand kriegerischer Erregung erklärt sich der 
eisentümliche Empfang, welcher am 9. Juli dem bekannten Söldner- 
führer Wilhelm von Fürstenberg bereitet wurde, als er mit einigen 
Begleitern nach Metz kam und bei seinem Freunde, dem Syndikus 
Johann von Niedbruck, abstieg. Es verbreitete sich plötzlich das Ge- 
rücht, Wilhelm habe gemeinsam mit gewissen Patriziern einen Hand- 
streich gegen die Stadt vor, und die Freiheit des Gemeinwesens stehe 
auf dem Spiele. Alsbald rotteten sich Scharen von Bürgern zusammen, 
schrieen Verrat und stellten sich so drohend an, dass es der Magistrat 
ratsam fand, Fürstenberg am nächsten Morgen unter Bedeckung vor 
das Thor geleiten zu lassen. Ein Diener Wilhelms wurde trotz dieser 
Vorsichtsmassregel noch ausserhalb der Stadt zu Pommérieux, auf dem 
Gebiet des Abts von St. Arnulf, umgebracht und beraubt '). 


Nach Metzer Zeugenaussagen wäre die Veranlassung zu dem 
Aufruhr gewesen, dass ein Begleiter des Grafen zu seinem Wirt ge- 


?) Pol. Korr. Ill, 253. Ueber die Datierung vgl. ebenda S. 254 n. 1. Klein- 
wächter, 33, hat das Schreiben unrichtiger Weise in den Mai gesetzt. 

2) Pol. Korr. III, No. 261. 

3) Ebenda No. 266. 

*) Kleinwächter, 36 ff. Pol. Korr. Ill, No. 272. 


— 25 — 


sagt hätte: »Dies Haus und die ganze Stadt ist meines Herrn« !), und 
dass gegen den Klerus sehr gehässige Aeusserungen gefallen seien ?). 
In der That mag ja hierdurch der äussere Anstoss zu dem Zwischen- 
fall gegeben worden sein; allein recht verständlich wird die Sache 
doch erst durch nähere Betrachtung der Persönlichkeit und Vergangen- 
heit Fürstenbergs *). 

Graf Wilhelm, der damals im fünfzigsten Lebensjahre stand, war 
einer der erfahrensten und tüchtigsten Heerführer seiner Zeit, zugleich 
aber ein Mann von unbändiger Leidenschaft und zügellosem Charakter. 
Seine reichsunmittelbare Herrschaft im Schwarzwald und am Boden- 
see?) hätte ihm, gleich seinem Jüngeren Bruder und Mitregenten Friedrich, 
hinreichenden Spielraum zur Bethätigung seiner Fähigkeiten gewährt; 
allein er zog es vor, von Jugend auf in der Fremde, auf den Schlacht- 
feldern Frankreichs und Italiens, kriegerischen Lorbeer zu suchen. 
Dass er in den Kämpfen Karls V. mit Frankreich meist auf Seiten des 
letzteren focht, ist nichts Auffallendes; denn diese Kriege, mit Ausnahme 
des Feldzuges von 1544, waren rein dynastische und gingen das 
deutsche Reich als solches nichts an. Zudem stand Wilhelm als An- 
hänger der neuen Lehre in einem gewissen Gegensatz zum Hause Habs- 
burg und hatte schon 1534 zum Schaden desselben dem Landgrafen von 
Hessen bei der Restitution Ulrichs von Württemberg geholfen. Von 
König Franz wurde er nicht bloss seiner kriegerischen Begabung halber 

Pol. Korr. III, No. 278. 

2?) Kleinwächter, 37, n. 1. 

3) Ueber Wilhelms Lebensgeschichte vgl. Zimmerische Chronik, ed. Barack, 
Bd. II—IV, Münch, Geschichte des Hauses und Landes Fürstenberg, Band Il 
(Leipzig 1830), Riezler in Allg. deutsche Biographie, VIII, 228. Ferner hat Fritz 
Baumgarten in den Volksschriften des Vereins für Reformationsgeschichte, XXVI 
(1895), ein hübsches Charakterbild des Grafen entworfen. Eine wichtige urkund- 
liche Quelle aus neuester Zeit sind Baumanns »Mitteilungen aus dem f. fürsten- 
bergischen Archive«, Band I, 1894. Ueber Wilhelms Beziehungen zu Metz er- 
fahren wir jedoch daraus ebenso wenig etwas wie aus den früheren Werken (mit 
Ausnahme einiger Notizen bei Riezler). Die Geschichtsschreiber der Metzer Re- 
formation andererseits berichten viel Unrichtiges über Fürstenbergs Anteil an dem 
Metzer Reformversuch, weil sie die deutschen Quellen zu wenig kennen und be- 
rücksichtigen. Erst Kleinwächter, der letzteren Fehler vermieden hat, ist zu 
einer richtigeren Würdigung der fürstenbergischen Politik gelangt. Bei dieser 
Gelegenheit sei es gestattet, darauf hinzuweisen, dass die von Kleinwächter, 35 
n. 2, in das Jahr 1542 verlegten, undatierten Aktenstücke nach Mitteil. d. Fürst. 
Arch., I, No. 143 ff., zweifellos vom Jahre 1521 sind. 

4) Kleinwächter, 35, schreibt dem Grafen irriger Weise Besitzungen »im 
Elsass« zu. Dort besass er meines Wissens nichts als ein Absteigequartier in 
Strassburg, wo er sich häufig und mit Vorliebe aufhielt. 


— 216 — 


geschätzt, sondern vor allem auch darum, weil die deutschen Haupt- 
leute und Landsknechte keiner Werbetrommel lieber folgten als der seinigen. 

Auch war es für den König in seinen häufigen Geldverlegenheiten 
sehr angenehm, dass der Graf ihm reichlich Kredit bewilligte. Wuchs 
die Schuldenlast dann zu stark an, so liess sich Wilhelm französische 
Krongüter oder wenigstens die Einkünfte aus solchen überweisen. So 
hat er aus Anlass des Feldzugs von 1536—1538 die Waldenser Thäler 
von Luserne und St. Martin und ferner die Herrschaften Bagé und 
Pont-de-Veyle in La Bresse erhalten'). Die genaueren Bedingungen 
dieser Ueberweisungen kennen wir nicht. Jedenfalls blieb Fürstenberg 
schliesslich noch immer für eine erkleckliche Summe der Gläubiger des 
Königs. Nach seinem eigenen Zeugnis hatte er im Jahre 1542, d. h. vier 
Jahre nach Ablauf seines Dienstes, noch 40000 Kronen zu Gute?). 
Damals nun gab sich Franz L alle Mühe, den Grafen auch für den 
neuen, in Vorbereitung befindlichen Krieg gegen Karl V. zu gewinnen. 
Lange vergeblich! Endlich aber scheint Fürstenberg doch zugesagt zu 
haben, die deutschen Werbungen Frankreichs heimlich zu unterstützen. 
Nur die Beteiligung am Feldzuge selbst lehnte er endgültig ab. 
Thatsächlich fanden im Juni in und um Strassburg starke Wer- 
bungen für Frankreich statt, welche der dortige Magistrat sofort 
mit Fürstenbergs Anwesenheit in Zusammenhang brachte. Der Graf 
leugnete zwar standhaft, fand aber wenig Glauben, da alle An- 
zeichen auf ihn als den Urheber der Werbungen hinwiesen*). Damit 
steht es auch vollkommen im Einklang, dass er später, als die 
Knechte nach Lothringen vorrückten, ebenfalls dorthin ging‘). Jean 
le Coullon, ein zeitgenössischer Metzer Chronist, bezeichnet direkt 
Fürstenberg als den Leiter jener Truppenansammlungen”), welche sich 


1) Vgl. Herminjard IX, 459, VI, 239 n. 34, VIII, 92 n. und Mitteil. d. Fürst. 
Arch. I, No. 394. Riezler in Allg. deutsche Biographie, VIII, 230, nennt irrtümlich 
Bange, das er mit Pange bei Metz identifizieren möchte, anstatt Bagé. 

?) Kleinwächter, 36. 

3) Strassb. Stadtarchiv, Ratsprotokoll 1542, f. 220 ff. Vgl. auch Pol. Korr. Ill, 
s0len.T. 

4) Es ist nicht richtig, dass Fürstenberg, wie man nach Meurisse, 36, an- 
nehmen könnte, und wie es Kleinwächter, 38 n.1, für glaubhaft hält, schon im 
Mai vor Metz erschienen sei. Dagegen ist das von Meurisse gegebene Datum 
von Fürstenbergs Eintreffen in Gorze, Juni 23, wahrscheinlich richtig. Nach 
Ratsprot. a. a. O. ist er nämlich bis 17. Juni in Strassburg nachweisbar. Vgl. auch 
Pol. Korr. III, No. 255. Nur Ende Mai scheint er einmal auf einige Tage nach 
Dachstein gereist zu sein. Mitt. a. d. Fürst. Arch. I, No. 450. 

5) Journal de Jean le Coullon, ed. Bouteiller (1881), p.4. Vgl. auch den 
3rief Antons von Lothringen bei Herminjard VIII, 496. 


— 217 — 


am 15. Juli, dem Tage des Abmarsches zum königlichen Heere, auf 
3000-4000 Mann erstreckt haben sollen. Zum Lohne nun für diesen 
Dienst und gleichzeitig zur Befriedigung alter Forderungen übergab ihm 
König Franz die Herrschaft Gorze bei Metz. Diese Uebertragung ist 
noch von Rahlenbeck angezweifelt worden, steht aber durchaus fest. 
Ungewiss ist nur der Rechtstitel, unter dem sie erfolgte. Fürstenberg 
selbst behauptet in einem Brief an die Strassburger !), er habe Gorze 
»lehensweise« erhalten, während König Franz die Sache später so dar- 
stellt), als sei Wilhelm bloss zum Befehlshaber und Verwalter von 
Gorze ernannt worden mit der Verpflichtung, dem König und seinen 
Truppen den Ort stets offen zu halten. 

Wer von beiden Recht hat, lässt sich mit Sicherheit kaum ent- 
scheiden, solange wir die Originalurkunde nicht kennen. Jedenfalls be- 
nahm sich Fürstenberg als unumschränkter Gebieter von Gorze. Denn 
nur als solcher konnte er sich von Strassburg den Gerhard Sevenus 
erbitten, um die Reformation in der Herrschaft vorzubereiten ?), und 
später mit Lothringen über einen Verkauf in Unterhandlung treten '). 
Die Besitzergreifung muss etwa am 20. Juli geschehen sein °). 


Zieht man alles in Erwägung, was wir über Fürstenbergs Cha- 
rakter und damalige Beziehungen zu Frankreich gesagt haben, so wird 
man sich über den Aufruhr vom 9. Juli nicht allzu sehr wundern 
können. Es ist in der That wohl denkbar, dass Wilhelm seinen 
Aufenthalt in Metz zu benutzen gedachte, um im Einverständnis mit 
den Heu’s und mit Hülfe der vor der Stadt lagernden Truppen die 
Duldung der neuen Lehre zu erzwingen, nötigenfalls vermittelst einer 
demokratischen Umwälzung. König Franz hätte dies gewiss nicht un- 
gern gesehen; denn ein evangelischer Magistrat hätte sich notgedrungen 
freundlich zu ihm stellen müssen, um dem Kaiser die Stirn bieten zu 
können. Ungerechtfertigt war dagegen sicherlich der Verdacht, dass 
Wilhelm die Stadt direkt an die Franzosen verraten wollte, ebenso 
wie auch die Behauptung von Meurisse, Rahlenbeck, Thirion etc. falsch 
ist, dass der Schmalkaldische Bund oder einzelne Mitglieder desselben 


1) D. d. Juli 23, Pol. Korr. III, No. 276. 

?) Pol. Korr. II, 394 n.5. Vgl. auch weiter unten. 

3) Pol. Korr. II, No. 276. Kleinwächter, 39, hat den Namen irriger Weise 
als »Bucerum« gelesen. Sevenus war Professor am Strassburger Gymnasium. 

*) Herminjard, VIII, 497. 

5) Kleinwächter, 38 n. 1. Die Angabe von Meurisse, 37, dass die Einnahme 
von Gorze schon vor dem 9. Juli erfolgt sei, ist jedenfalls unrichtig. Wilhelm 
hat sich vor diesem Datum vielleicht in Gorze aufgehalten (vgl. S. 216, A. 4), die 
Besitzergreifung aber fand später statt. 


— 218 — 


damals schon mit Wilhelm im Einverständnis gewesen seien. Es ist 
dafür nicht der mindeste Anhaltspunkt vorhanden; im Gegenteil! Die 
deutschen Protestanten waren durch den Krieg mit Heinrich von Braun- 
schweig derart beschäftigt, dass sie weniger denn je in der Lage waren, 
den Metzer Dingen grössere Beachtung zu schenken. Ueberdies hatten 
sie mit Fürstenberg nicht gern zu thun, weil sie fürchteten, durch sein 
Ungestüm und seine Ränke in schlimme Händel von unabsehbarer 
Tragweite verwickelt zu werden. Nur widerwillig hatten sie ihn im 
Jahre 1540, als ihre Lage zeitweise bedroht schien, auf sein Drängen 
für kurze Frist in Bestallung genommen '). Nach Beseitigung der Ge- 
fahr brachen sie die Beziehungen zu ihm sofort wieder ab. 

So sehr die Absichten des Grafen bei seinem Besuch in Metz 
noch der Aufklärung bedürfen, so deutlich liegt seine weitere Politik 
der Reichsstadt gegenüber vor uns. Er machte nach der Einnahme 
von Gorze kein Hehl daraus, dass er fortan seinen nachbarlichen Ein- 
fluss kräftig zur Stärkung der evangelischen Partei in Metz zu ge- 
brauchen gedenke. Infolge dessen hob sich die Zuversicht der Metzer 
Protestanten ganz bedeutend. Jetzt hielt auch Farel, vielleicht von 
Fürstenberg aufgemuntert, den richtigen Augenblick zum Eingreifen für 
gekommen. Ende August 1542 erschien er in Metz, ohne eigentlich 
von der evangelischen Gemeinde eingeladen zu sein, und begann sofort 
mit gewohntem Feuereifer seine reformatorische Thätigkeit. Waren 
die bisherigen Verkündiger der neuen Lehre in Metz wenigstens äusser- 
lich immer noch Angehörige der katholischen Kirche gewesen, so 
trat nun in der Person Farels zum ersten Male ein wirklicher Pro- 
testant auf, der längst mit allen alten Traditionen gebrochen hatte, ja 
als einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Neuerungen gelten 
konnte. Man begreift daher die gewaltige Erregung der Metzer Geistlich- 
keit und ihres Anhangs, als dieser Mann es wagte, am 3. September 
von der Kanzel des Jakobiner-Kirchhofs herab in seiner rücksichtslosen 
Art vor einer grossen Volksmenge zu predigen. Es kam zu so er- 
regten Auftritten, dass der Ausbruch des Bürgerkriegs unausbleiblich 
schien. Zum Aeussersten wollten es aber die besonnenen Führer der 
Evangelischen, an ihrer Spitze der Schöffenmeister Gaspard von Heu, 
doch nicht kommen lassen, sei es, dass sie sich des Sieges noch nicht 
sicher genug fühlten, sei es, dass sie die Einmischung Lothringens oder 
Frankreichs fürchteten. Es gelang ihnen mit vieler Mühe, Farel von 
weiteren Predigten abzuhalten und seine stürmischsten Anhänger für 
den Augenblick mit der Vertröstung auf ein Hülfegesuch zu beruhigen, 
welches kürzlich an die deutschen Protestanten gerichtet worden sei. 


— 219 — 


Wirklich hatten sie Ende August, wohl auf Fürstenbergs Zureden, den 
Syndikus Dr. Hans von Niedbruck und den Patrizier Johann Karchien 
nach Strassburg geschickt”), um durch Vermittlung des dortigen Ma- 
gistrats den Rat und die Unterstützung des Schmalkaldischen Bundes 
zu erbitten, der seine Fähigkeit zum Schutz der evangelischen Inter- 
essen soeben in dem siegreichen Feldzuge gegen Heinrich von Braun- 
schweig erwiesen hatte. 


Niedbruck und Karchien beteuerten dem Strassburger Rat, dass 
es ihren Auftraggebern fern läge, in Metz politische Unruhen anzu- 
richten oder sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen. Was sie erstrebten, 
sei einzig und allein die Erlaubnis, sich das Wort Gottes rein und 
lauter predigen zu lassen. Um dies zu erreichen, seien sie allerdings 
entschlossen, wenn nötig, Gut und Blut einzusetzen. Sie hofften in 
ihrer Bedrängnis auf die Hülfe ihrer Glaubensverwandten im Reich 
und bäten das altbefreundete Strassburg um Befürwortung eines dahin 
sehenden Gesuchs bei den Häuptern des Schmalkaldischen Bundes. 


Jakob Sturm, der in jener Zeit Strassburgs Politik wesentlich 
bestimmte, war bei Ankunft der Metzer Gesandten nicht daheim. 
Allein Martin Bucer nahm sich ihrer sehr wohlwollend an. Er sorgte 
nicht nur dafür, dass die Strassburger Dreizehn ihnen Fürschriften an 
Sachsen und Hessen mitgaben*), sondern betonte auch in einem Privat- 
brief an den befreundeten Landgrafen sehr entschieden), dass es eine 
Gewissenspflicht der Protestanten sei, die Metzer Glaubensgenossen 
nicht im Stich zu lassen. War er doch von jeher der eifrigste Vor- 
kämpfer jener weitschauenden Politik, welche über äussere Rück- 
sichten und kleinliche Befürchtungen hinweg unentwegt die Förderung 
und Einigung aller evangelischen Elemente der Christenheit im Auge 
behielt. So konnten ihn auch jetzt die einer Verbindung mit Metz 
entgegenstehenden, immerhin gewichtigen Bedenken nicht irre machen. 
Die Hauptschwierigkeit lag offenbar darin, dass es nicht die ganze 
Stadt Metz, ja nicht einmal die Mehrheit ihrer Einwohnerschaft war, 
welche die Hülfe des Bundes in Anspruch nahm, und dass mithin 
die Zusage des Schutzes die Schmalkaldener leicht in einen Krieg ver- 
wickeln konnte, der hier an der äussersten Westgrenze des Reichs 
höchst gefährlich war. Dazu kam dann noch, dass der Nürnberger 
Anstand von 1532 nach der Anschauung der meisten Bundesgenossen 

1) Pol. Korr. II, No. 664, und III, p. 6 ff. 

?) Pol. Korr. III, 310 n.1. Kleinwächter, 44 ff. 

3) Pol. Korr. III, 310. 

*) Lenz, Briefwechsel des Landgrafen Philipp mit Bucer, II, 83. 


der Aufnahme weiterer Mitglieder rechtlich im Wege stand, und dass 
der Regensburger Abschied von 1541 nebst Deklaration den Protestanten 
ausdrücklich verbot, katholischen Ständen ihre Unterthanen »abzu- 
practizierene. Bucer und der Strassburger Magistrat suchten diese 
Bedenken zu beschwichtigen, indem sie geltend machten, der Schôüffen- 
meister mit seinem Anhang sei der altgläubigen Partei zwar nicht an 
Zahl, aber an Ansehen und Bedeutung überlegen oder mindestens 
ebenbürtig. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Schöffenmeister in 
Metz eine grössere Gewalt habe als die Bürgermeister in andern 
Städten, und dass die Zahl der Protestanten infolge evangelischer Pre- 
digt schnell wachsen würde. Ferner sei die Einbürgerung wieder- 
täuferischer und anderer Sekten zu befürchten, wenn man die rechte 
Lehre nicht bei Zeiten unterstützte. Endlich müsse man gewärtig sein, 
dass die Anhänger der römischen Kirche zur Unterdrückung der Evan- 
gelischen in Metz fremde Hülfe — sei es von Frankreich, den Nieder- 
landen oder Lothringen — herbeirufen und so die Freiheit der Stadt 
gefährden würden. Umgekehrt werde ein Sieg der neuen Lehre in 
Metz ihrer Verbreitung auch in den Nachbargebieten förderlich sein. 
Der Schluss von Strassburgs Erwägungen war, der Schmalkaldische 
Bund solle zunächst versuchen, durch eine schleunige Gesandtschaft 
an den Metzer Rat die Lage der bedrängten Glaubensgenossen zu er- 
leichtern. 


Niedbruck und Karchien reisten, mit den befürwortenden Briefen 
der Strassburger versehen, noch anfangs September 1542 nach Braun- 
schweig ab, da dort gerade eine Schmalkaldische Versammlung taste. 
Unterwegs hörten sie, dass die Fürsten nicht mehr bei einander seien, 
und begnügten sich deshalb, nach Kassel zu gehen und blos dem Land- 
srafen ihre Werbung vorzutragen. Dieser war sogleich bereit, weil die 
Sache eilte, gemeinschaftlich mit Frankfurt und Strassburg die gewünschte 
Botschaft nach Metz zu schicken, ohne sich erst der Zustimmung Sach- 
sens zu vergewissern. Gleich danach machten sich der hessische Rat 
Johann Keudel, der Frankfurter Advokat Hieronymus zum Lamm und 
Jakob Sturm von Strassburg auf den Weg nach Metz. Dort angelangt, 
quartierten sie sich wegen der in der Stadt wütenden Pest in einem 
Landhause vor den Thoren ein und baten nur um Unterbringung ihrer 
Dienerschaft in der Stadt selbst. So bescheiden dieser Wunsch war, 
wurde er ihnen doch anfangs rundweg abgeschlagen, und nur dem 
energischen Eingreifen des Schöffenmeisters war die schliessliche Erfüllung 
zu. danken. Der Magistrat mochte wohl fürchten, dass sich ähnliche 
Vorgänge wie bei dem Besuch Fürstenbergs wiederholen könnten. 


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Alles weitere entsprach diesem unfreundlichen Empfang. Zunächst 
suchten die Dreizehn die Gesandten damit abzuweisen, dass ihr Kolle- 
gium wegen Abwesenheit vieler Mitglieder zur Zeit beschlussunfähig 
sei. Erst als diese Ausrede nichts fruchtete, sandten sie am 30. Sep- 
tember drei Abgeordnete hinaus, um die Botschaft anzuhören. Diese 
wurde von Jakob Sturm, als dem Wortführer der Gesandten, vorge- 
tragen. Er legte mit beredten Worten dar, wie eine Einigung der 
streitenden Parteien in Metz auf evangelischer Grundlage zweifellos die 
beste Lösung der religiösen Frage sein würde. Wäre dies nicht zu 
erreichen, so sollte man wenigstens die Predigt des reinen Wortes 
Gottes und den evangelischen Gebrauch der Sakramente denen, die 
darnach verlangten, zugestehen. Denn Unduldsamkeit gegen das Evan- 
gelium würde nur zur Einbürgerung wirklicher Irrlehren und damit zu 
Aufruhr und Empörung führen. Die Verhandlungen zu Regensburg 
hätten ja eine Einigung der meisten Stände in den Hauptpunkten des 
Glaubens erzielt, und der Kaiser selbst habe die Notwendigkeit einer 
Reformation des geistlichen Standes anerkannt. Es sei also nicht zu 
befürchten, dass Metz sich durch Duldung der reinen Lehre den Un- 
willen Karls V. zuziehen würde. Sicher aber würde die Stadt durch 
weitere Unterdrückung der Evangelischen die protestierenden Stände 
gegen sich aufbringen. 

Die Metzer Deputierten erwiderten ausweichend, über eine so 
wichtige Angelegenheit könne nur eine vollzählige Ratsversammlung 
entscheiden, die zur Zeit wegen der Pest nicht zu ermöglichen sei. 
Man behalte sich deshalb vor, später schriftlich zu antworten. Auf 
weiteres Drängen gaben sie dann — jedoch nur als ihre persönliche 
Ansicht — zu erkennen, dass sie die Wünsche der Protestanten für 
unerfüllbar hielten. Bezeichnender Weise beriefen sie sich hierbei auf 
die Autorität des Metzer Bischofs, der in geistlichen Dingen zu ent- 
scheiden habe. Auch versäumten sie nicht, auf die wiederholten Mah- 
nungen des Kaisers hinzuweisen, der ihnen die Aufrechterhaltung der 
alten Religion zur Pflicht gemacht habe. Nikolaus Roussel, der ange- 
sehenste von den drei Herren, sagte den Gesandten zuletzt unumwunden, 
sie würden durch ihre Bestrebungen die Stadt nur französisch machen. 
Wir kommen auf diesen Vorwurf später noch zurück. 

So mussten Jakob Sturm und seine Gefährten in den ersten Tagen 
des Oktober unverrichteter Sache heimkehren'). Ihre Sendung war 


1) Kleinwächters Erzählung bricht hier ab. Das Folgende beruht zumeist 
auf den im 3. Bande der »Politischen Korrespondenz der Stadt Strassburg« ver- 
öffentlichten Akten. 


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nicht nur vollkommen gescheitert, sie bewirkte sogar gerade das Gegen- 
teil dessen, was sie bezweckt hatte. Der evangelische Teil der Be- 
völkerung, in seiner Hoffnung auf die Vermittelung der deutschen Pro- 
testanten betrogen, verlangte jetzt stürmisch, dass Farel »in diesen 
grossen sterbenden Nöten« seine Predigt wieder aufnehme, während 
der Magistrat, aufgebracht aber nicht eingeschüchtert durch die fremde 
Einmischung, nun erst recht gegen die Ketzer Front machte. Gleich 
nach der Abreise der protestantischen Gesandtschaft kam es zum völligen 
Bruch zwischen den Dreizehn und dem evangelischen Schöffenmeister. 
Dieser erklärte, er könne und wolle dem Volke die erbetene Predigt 
nicht länger vorenthalten; die katholische Mehrheit dagegen beteuerte, 
sie wolle lieber sterben als ihre Einwilligung dazu geben. Darauf 
beschied Gaspard seine zahlreichen Anhänger, welche vor dem Rat- 
haus ungeduldig der Entscheidung harrten, an das Thor Champenoise, 
erschien dort selbst in Begleitung Farels und führte die Menge 
nach dem nahe gelegenen, seinem Bruder Johann gehörigen Schlosse 
Montigny, wo von da ab Tag für Tag unter wachsendem Zulauf der 
Bürgerschaft gepredigt wurde. Die anfangs beabsichtigte Aufstellung 
Farels in Metz selbst wagte der Schöffenmeister deshalb nicht, weil er 
sichere Kunde hatte, dass die Altgläubigen in diesem Falle zum 
Aeussersten schreiten würden. Uebrigens zeigten sich die Dreizehn 
auch ohnedies aufgebracht genug. Als nämlich die Evangelischen am 
3. Oktober abends unter Gaspards Führung von Montigny in die Stadt 
zurück wollten, fanden sie die Thore geschlossen, sodass ihnen nichts 
anderes übrig blieb, als umzukehren und in Montigny zu übernachten. 
Erst am folgenden Tage liess man sie wieder ein. Natürlich legte der 
Schöffenmeister gegen solche Vergewaltigung in der nächsten Rats- 
sitzung entschiedene Verwahrung ein. Besonders heftig bestritt er 
die Behauptung seiner Feinde, dass die Gewalt über die Stadtthore 
nicht ihm, dem Schöffenmeister, sondern dem Bischof zustände. Zu- 
fällig war in der Sitzung auch ein Bote der Königin Maria, der Statt- 
halterin der Niederlande, anwesend. Zu diesem sagte Androuin Roussel, 
auf den Schöffenmeister deutend: »Das ist der, welcher diese Stadt 
verderben will mit der neuen lutherischen Sekte«, worauf Gaspard 
schlagfertig erwiderte: »Du lügst, ich wollte sie gern evangelisch machen. 
Du aber und deine Genossen, ihr untersteht euch, die Stadt vom Reich 
in fremde Hände zu bringen.« | 

In der That scheint damals die katholische Mehrheit des Stadt- 
adels, um an dem Kardinal von Lothringen und seinen Brüdern, Herzog 
Anton und Claudius von Guise, eine Stütze zu finden, ersterem recht 


bedenkliche Zugeständnisse gemacht zu haben. Herzog Anton, der in 
der Geschichte den Beinamen »der Gute« führt, soll dafür versprochen 
haben, die Lutherischen, welche aus der Stadt vertrieben würden, todt- 
schlagen zu lassen. Ausserdem rühmten sich die Dreizehn öffentlich, 
dass auch Luxemburg und der Kurfürst von Trier versprochen hätten, 
zur Ausrottung der Ketzer 200 Pferde und 3 Fähnlein Knechte zu 
schicken. Bezüglich Luxemburgs erklärte dies der Schöflenmeister in 
einem Schreiben an Strassburg für eine Finte, durch die man die 
Evangelischen einschüchtern wolle‘). Das Einverständnis mit Trier 
dagegen hielt er für wahrscheinlich und bat die Strassburger, ihren 
Einfluss beim Landgrafen Philipp aufzubieten, um den Erzbischof vor 
der Einmischung in die Metzer Verhältnisse zu warnen. Hessen hat 
darauf in der That erfolgreich auf Trier eingewirkt; wenigstens ver- 
lautet nichts, dass der Metzer katholischen Partei von dieser Seite 
wirklich Hülfe geleistet worden ist. 

Sehr willkommen war es den Dreizehn für ihre Politik, dass 
Mitte Oktober aus Spanien ein kaiserlicher Brief in Metz eintraf?), 
welcher in unzweideutigster Weise befahl, den religiösen Neuerungen 
und ihren Urhebern mit grösster Strenge entgegenzutreten, bis die re- 
ligiöse Frage durch Konzil oder Reichsbeschluss geregelt sei. Nun 
hatten sie doch eine unanfechtbare Urkunde, mit der sie die von den 
Protestanten unermüdlich wiederholte Behauptung zurückweisen konnten, 
dass der Kaiser seit dem Regensburger Reichstag freundlich zur evan- 
gelischen Lehre stehe. Strassburg liess sich allerdings auch durch 
diese kaiserliche Erklärung nicht aus der Fassung bringen. Es meinte, 
man wisse ja, mit welchen Praktiken solche Briefe an den Höfen der 
grossen Herren durch die Geistlichkeit erwirkt würden, ohne dass der 
Kaiser selbst von dem Inhalt rechte Kenntnis erhielte. So würde es 
wohl auch in diesem Falle ergangen sein. Denn der Kaiser sei in 
Regensburg einem religiösen Vergleich unbedingt sehr geneigt gewesen, 
und letzterer sei nur an dem Widerspruch der katholischen Stände 
gescheitert. Zugleich erinnerte Strassburg die Metzer an das Beispiel 
von Worms, Speier und Regensburg, woselbst Ruhe und Friede in der 
Bürgerschaft auch nur dadurch aufrecht erhalten worden seien, dass 
die katholische Mehrheit der evangelischen Minderheit Duldung und 
öffentliche Predigt gewährt habe. 


') Nach Thirion, 75. hat die Statthalterin der Niederlande den Metzer 
Katholiken wirklich luxemburgische Hülfe zugesagt. Vgl. auch Heu’s Aeusserung 
weiter unten. 

2) D. d. Logrono, 7. Juni 1542. Pol. Korr. Ill, 329 n. 1, Thirion 74, Dietsch 53. 


— 24 — 


Trotzdem ging man in Metz immer schärfer gegen den Pro- 
testantismus vor, sodass der Schöffenmeister Ende Oktober persönlich 
nach Deutschland eilte, um nochmals die Unterstützung der Schmal- 
kaldner zu erflehen. Bei dieser Gelegenheit teilte er ihnen die wich- 
tire Nachricht mit, dass der Herzog von Orleans, der Sohn des fran- 
zösischen Königs, den Metzer Evangelischen freiwillig seinen Schutz 
angeboten habe. Sie hätten seine Hand indessen zurückgewiesen aus 
Furcht, durch eine Verbindung mit Frankreich die alte Freiheit der 
Stadt zu gefährden. Es ist kein Grund vorhanden, dieser Mitteilung 
Gaspards von Heu zu misstrauen '). Wenn sie aber wahr ist, so haben 
wir meines Erachtens den besten Beweis, dass es dem Schöffenmeister 
wirklich nur darum zu thun war, der evangelischen Religion in Metz 
zu nützen, und dass ihm selbstsüchtige, verräterische Anschläge durchaus 
fern lagen. Sonst hätte er den unsicheren Beistand der Schmalkaldner 
sewiss nicht dem sicheren und jedenfalls auch nachdrücklichen des 
französischen Prinzen vorgezogen. Die Weigerung, sich mit Orleans 
zu verbinden, erfolgte in der festen Ueberzeugung. dass eine auf- 
richtige Förderung der evangelischen Interessen von Frankreich nicht 
zu erwarten sei, dass sich vielmehr hinter der angeblichen Freund- 
schaft nur arglistige Anschläge gegen die Unabhängigkeit der Stadt 
versteckten. Sah man doch täglich, mit welchem Hass König Franz 
in seinem eigenen Lande jede religiöse Neuerung erstickte. Vom 
Schmalkaldischen Bunde dagegen konnte niemand ernstlich etwas für 
die Freiheit der Stadt fürchten; er konnte kein anderes Interesse haben, 
als unter Wahrung der Selbständigkeit von Metz der evangelischen 
Lehre daselbst zum Siege zu verhelfen. In dieser Erkenntnis wurden 
die Heu’s und ihr Anhang nicht müde, immer wieder von neuem bei 
den protestierenden Ständen einen Rückhalt zu suchen. Der Schöffen- 
meister versicherte seinen deutschen Freunden, die Aufnahme der Stadt 
in den Bund würde die noch Schwankenden derart ermutigen, dass 


1) Sie stimmt vortrefflich zu dem, was wir sonst über den Herzog v. Orléans 
wissen. Er war damals Oberbefehlshaber der französischen Truppen in Luxem- 
burg, das er dem Kaiser zum grössten Teil entriss. Es musste deshalb für ıhn 
von besonderem Wert sein, in Metz festen Fuss zu fassen. Ferner wissen wir 
aus einem sehr interessanten, kürzlich von Herminjard, IX, 23 (vgl. auch ebenda 
S. 485) abgedruckten Aktenstück, dass der Herzog ein Jahr später, als er Luxem- 
burg zum grossen Teil wieder verloren hatte, während der Kaiser Jülich unter- 
warf, eine Verbindung mit den Schmalkaldnern suchte, indem er — ähnlich wie 
oben — Sympathie für die Evangelischen heuchelte und die Reformierung Luxem- 
burgs versprach. Vgl. auch Pol. Korr. III, 425 n. 2, wo die deutschen Protestanten 
den Herzog beschuldigen, dass er den Hetzprediger Caroli nach Metz geschickt habe. 


nach ein bis zwei Monaten sicherlich zwei Drittel der Einwohnerschaft 
evangelisch wären. Würde Metz dagegen vom Bunde im Stich ge- 
lassen, so dürfte man sich nicht wundern, wenn es durch die Ränke 
der Gegner in fremde Hände geriete. Strassburg und Hessen waren 
dem Antrage Gaspards sehr geneigt. Sie wollten der Stadt, wenn sie 
nicht als Mitglied in den Bund aufgenommen würde, wenigstens den 
Schutz desselben in bestimmter Form sichern und hofften die Frage 
noch auf der Bundesversammlung zu Schweinfurt zur Entscheidung zu 
bringen. Allein, da die Metzer Gesandtschaft dorthin zu spät kam, 
musste man sich bis zum Nürnberger Reichstag Ende Dezember 1542 
gedulden. 


Inzwischen wurde in Metz selbst ein neuer Streich gegen die 
Evangelischen geführt, indem dreizehn ihrer entschlossensten Anhänger 
aus der Stadt verbannt und ihr Vermögen eingezogen wurde. Zugleich 
wurde Gaspard von Heu trotz seines Erbietens, sich vor Kaiser und 
Reich zu rechtfertigen, seines Amtes als Schöffenmeister entsetzt'). Er 
selber führt diese Massregel darauf zurück, dass seine Feinde durch 
Hülfsversprechungen der niederländischen Statthalterin ermutigt worden 
seien. Dem Volke gegenüber erklärte die städtische Obrigkeit ihr 
Vorgehen damit, dass sie erfahren habe, Gaspard und seine Anhänger 
wollten die Stadt dem Schmalkaldischen Bunde verraten. Natürlich 
fand Heu, als er nun, seiner amtlichen Stellung entkleidet, als Privat- 
mann in Nürnberg erschien, bei den protestierenden Ständen erst recht 
nicht das erhoffte Entgegenkommen. Umsonst versuchte er sie zu 
kräftigen Massnahmen zu bewegen. Alles, was er erlangte?), war 
die Zusage, dass man sich durch Briefe und Gesandtschaften für die 
Verfolgten und Verbannten verwenden?) und ihnen auf Wunsch auch 
Zuflucht gewähren wolle. Im übrigen setzte man dem ehemaligen 
Schöffenmeister auseinander, dass es mit den bewilligten Reichsabschieden 


1) Diese wichtige Thatsache, welche durch Pol. Korr. III, No. 333, bezeugt 
wird, ist weder bei Meurisse noch bei den späteren Autoren erwähnt. 

?) Das Konzept zu der Antwort des schmalkaldischen Ausschusses auf Heus 
Werbung, von Jakob Sturms Hand, liegt im Strassburger Stadt-Archiv, VDG, 
Ba.86. Vel. Pol. Korr. III, 352 n. 2. 

®, Ein Schreiben an den Herzog von Lothringen war, wie es scheint, schon 
auf dem Schweinfurter Tage beschlossen worden. Wenigstens kennen wir einen 
von Melanchthon verfassten Entwurf dazu, d. d. November 7, gedruckt Corp. re- 
form. IV, 892, und Herminjard VII, 181. Thirion, 76 u. 426, hält diesen Brief auf 
Grund des Abdrucks bei J. Camerarius (De Melanchthonis ortu etc., 438) irriger 
Weise für ein an sämtliche Stände und Städte des Reichs gerichtetes Rund- 
schreiben. 

15 


a 


und Friedständen nicht vereinbar sei, für evangelische Unterthanen 
seven ihre katholische Obrigkeit mit Gewalt Partei zu ergreifen. Auch 
sei zu befürchten, dass die papistischen Stände dadurch bewogen würden, 
umgekehrt die altgläubigen Unterthanen evangelischer Obrigkeiten in 
Schutz zu nehmen, »daraus nichts dann Zerrüttung alles Friedens folgen 
müsst«. Endlich würden auch die Schmalkaldner beim besten Willen 
kaum im stande sein, die Evangelischen in Metz gegen ihre Regierung 
wirksam zu schützen. 

Dieser ablehnende Bescheid war gewiss wesentlich durch den 
Kurfürsten von Sachsen beeinflusst, der im Gegensatz zum Landgrafen 
die Schmalkaldische Politik mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit in fried- 
lichem Geleise zu erhalten suchte. Im vorliegenden Falle wird man 
seine Bedenken, die von der Mehrheit der Stände geteilt wurden, be- 
greillich finden. Auch Martin Luther hatte ihm in einem eingehenden 
Gutachten von dem Bündnis mit den Metzer Glaubensgenossen ab- 
geraten '). 

So konnte Gaspard von Heu seinen Mitbürgern nur geringen 
Trost von Nürnberg heimbringen. Dafür nahm sich aber jetzt Wil- 
helm von Fürstenberg, der Herr von Gorze, ihrer Sache um so kräf- 
tiger an. Als Vorwand musste ihm jener schimpfliche Empfang 
dienen, den ihm die Altgläubigen bei seinem Besuch am 9. Juli be-. 
reitet hatten. Zwar waren auf sein Drängen die Hauptübelthäter längst 
bestraft worden; allein er stellte sich noch immer unbefriedigt und 
verlangte zu weiterer Genugthuung, dass der Magistrat die seither ver- 
triebenen Bürger wieder aufnehme und die Predigt des Evangeliums in 
Metz erlaube, ferner dass ihm der Klerus für erlittene Unkosten eine 
Entschädigung von 50000 Kronen zahle. Je hartnäckiger diese For- 
derungen zurückgewiesen wurden, desto ärger trieb Fürstenberg den 
Magistrat und den städtischen Klerus, den er nicht mit Unrecht für 
seinen Hauptwidersacher hielt, in die Enge. Im Februar 1545 kam es 
sogar zu offener Fehde zwischen ihm und dem reichen Abt von St. Arnulf, 
auf dessen Gebiet im Jahre zuvor einer der Diener des Grafen ermordet 
worden war. An Stelle von Montigny, das nicht mehr sicher genug 
schien, wurde jetzt Gorze die Hauptzufluchtstätte der Evangelischen. 
Infolge dessen verlegte auch Farel zu Anfang des Jahres 1543 seine 
Wirksamkeit dorthin ?). 

Die fortgesetzten Plünderungen .und Plackereien des Grafen er- 
matteten die Metzer Katholiken schliesslich derart, dass sie Fürsten- 


') De Wette, Luthers Briefe, V, 508. 
*) Meurisse, 66 ff. Vgl. Herminjard VIII, 252. 


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bergs Vorschlag, Hessen, Württemberg, Frankfurt und Strassburg zum 
Vergleich der schwebenden Streitigkeiten aufzufordern, mit förmlicher 
Erleichterung begrüssten. Nur stellten sie zur Bedingung, dass auch 
Lothringen bei dem Vergleich mitwirken sollte. 

Der Landgraf und die beiden Städte folgten dem Rufe zur Ver- 
mittlung um so bereitwilliger, als Fürstenberg ihnen andeutete, dass es 
ihm vor allem um die Duldung des Evangeliums in Metz zu thun sei, 
und dass er, wenn dieses Ziel erreicht werde, auf seinen andern For- 
derungen nicht zu schroff beharren wolle. 

Die Aufnahme der protestantischen Gesandten in Metz liess dies- 
mal an Zuvorkommenheit nichts zu wünschen übrig. Auch bei den 
Verhandlungen, welche in Pont-a-Mousson begonnen und in Metz be- 
endigt wurden, zeigte sich der Metzer Magistrat auffallend nachsiebig. 
Er verzichtete nachträglich auf die Mitwirkung Lothringens und unter- 
warf sich ebenso wie sein Gegner durch den Metzer Abschied vom 
16. März dem Spruch der evangelischen Vermittler, welche Folgendes 
bestimmten: 

Graf Wilhelm solle den ihm in Metz zugefügten Schimpf für ge- 
sühnt ansehen. Zum Entgelt soile die Stadt »einen gottliebenden, fried- 
samen Predikanten« aufstellen, der »das heilige Evangelium Christi 
lauter und klar unverhindert männiglich« zu predigen und zu lehren 
hätte. Würde der Magistrat deswegen von seinen Nachbaren ange- 
fochten, so sollte er sich auf dem nächsten Reichstage getrost an die 
Schmalkaldischen Verbündeten wenden, die ihn gewiss nicht im Stich 
lassen würden). 

Dieser Abrede entsprechend wurde der ehemalige Dominikaner- 
prior Watrin Dubois, der schon früher in Metz gepredigt hatte und sich 
im Vergleich zu Farel durch grosse Mässigung auszeichnete, als evan- 
gelischer Prediger in der kleinen Spitalkirche zugelassen. Man wählte 
gerade dieses Gotteshaus, weil es der unmittelbaren Gewalt des Bischofs 
nicht unterstand. Dubois erhielt von den Gesandten in Gegenwart des 
Rats genaue Anweisung, in welchen Grenzen er sich mit seinen Pre- 
disten halten sollte, damit Zank und Streit nach Möglichkeit verhütet 
würden. 

So hatten denn die Metzer Evangelischen zum ersten Male ein 
urkundlich verbrieftes Zugeständnis von ihrer Obrigkeit erlangt. So 
klein dasselbe an sich war, wurde es doch von vielen Protestanten 


1) Nach dem früher Mitgeteilten war in der That Aussicht vorhanden, dass 
ein von der Metzer Obrigkeit ausgehendes Hülfegesuch bei dem Bunde günstige 
Aufnahme finden würde. 


_: Vos 


als erstes Zeichen des Anbruchs einer neuen, besseren Zeit freudig 
begrüsst. Die Rückberufung der Verbannten konnte zwar von den 
Gesandten für diesmal noch nicht erreicht werden: doch erklärten sich 
die Metzer Dreizehn zu weiteren Verhandlungen darüber bereit, und 
da Fürstenberg, um einen Druck auszuüben, seine Entschädigungs- 
forderung von 50000 Kronen aufrecht erhielt, so waren die Aussichten 
auch in dieser Hinsicht nicht ungünstig. 

Da wurde durch ein unvorhergesehenes Ereignis die Siegeszuver- 
sicht der Evangelischen plötzlich arg herabgestimmt. Es war zu Gorze 
am Ostersonntag, den 25. März 1543. Farel hatte gerade in besonders 
feierlicher Weise Gottesdienst und Abendmahl abgehalten, woran aus 
Metz ungefähr 200 Bürger und Bürgerinnen teilnahmen, als eine Schaar 
französischer Reiter unter persönlicher Führung der Herzöge Claudius 
und Franz von Guise in den Ort einbrach und über die wehrlosen 
Männer und Weiber herfiel. Einige wurden niedergemetzelt, andere 
sefangen hinweggeführt, wieder andere fanden ihren Tod auf der Flucht 
in der Mosel. Den meisten allerdings — darunter auch Farel — ge- 
lang es, sich in das Fürstenbergische Schloss zu retten. Dieses war 
aber nur schwach besetzt, da Graf Wilhelm im Vertrauen auf den 
Metzer Vertrag kurz vorher den grössten Teil der Garnison zurück- 
gezogen hatte, und musste sich infolge dessen der französischen Ueber- 
macht am 28. März ergeben. Die deutschen Knechte und die Metzer 
Bürger erhielten freien Abzug, die französischen Untertanen dagegen 
wurden als Rebellen bestraft!). Farel, auf den es die Guise besonders 
abgesehen hatten, entkam mit knapper Not unter einer Verkleidung 
nach Strassburg. Verschiedene Berichte melden von den Greueln, 
welche die Soldaten Guises in diesen Tagen gegen alle Evangelischen, 
deren sie sonst habhaft werden konnten, verübten. Auch nach der 
Einnahme von Gorze fuhren sie fort, in der Umgegend von Metz zu 
streifen und allenthalben Furcht und Schrecken zu verbreiten. 

Es fragt sich nun, handelten die Guisen auf eigene Faust oder 
waren sie von anderer Seite angestiftet? König Franz hat den deutschen 
Protestanten später auf ihre Beschwerde zugegeben ?), dass er befohlen 
habe, die Fürstenbergische Besatzung aus Gorze zu verjagen, weil 
Graf Wilhelm sich dort vollkommen als Herr geberdet und den Fran- 
zosen den Zutritt verweigert habe), ferner weil die Stadt Metz geklagt 

') König Franz sagt dies selbst in dem weiter unten erwähnten Brief. 

») Pol. Korr. III, 394 n. 5. 

*) Franz hatte vielleicht auch gerüchtweise gehört, dass Wilhelm damit 
umgehe, in kaiserliche Dienste zu treten. 


EEE 


— 229 — 


habe, dass sie von Gorze aus, als von einem französischen Ort, be- 
fehdet würde. Von den angeblichen Gewaltthaten, welche die Guisen 
bei dieser Gelegenheit begangen haben sollten, habe er jedoch kein 
Wissen. 

Diese Darlegung klingt im ganzen nicht unwahrscheinlich. Glaub- 
würdig ist vor allem des Königs Angabe, dass der Metzer Magistrat 
ihn gegen Fürstenberg aufgehetzt habe'). Ob aber die Verfolgung der 
Evangelischen wirklich ohne Wissen und Willen Franz’ I. geschah, ist 
einstweilen noch schwer zu entscheiden. Jedenfalls handelte Guise mit 
der katholischen Partei in Metz und seinem Bruder, dem Kardinal von 
Lothringen, im Einverständnis, vermutlich auch mit dem Herzog Anton, 
obschon dieser es beharrlich leugnete und seinerseits den Grafen Wil- 
helm zahlreicher gewaltsamer Eingriffe in lothringische Stifter und 
Klöster beschuldigte ?). 

Man begreift, welche Freude in Metz bei der Geistlichkeit und 
ihrem Anhang über diese Vertreibung der Fürstenbergischen Besatzung 
aus Gorze herrschte. Magistrat und Klerus fühlten sich wie von einem 
Alpdruck befreit. Alsbald beschränkten sie zuwider dem Vertrage vom 
16. März die Predisten des Dubois auf die Sonntage, während sie 
seinen Gegner Peter Caroli, einem zwiefachen Apostaten?), der seit 
einiger Zeit an der St. Vincenzkirche predigte, gestatteten, sich täglich 
in den ärgsten Schmähungen gegen die Protestanten zu ergehen. Auch 
sonst wurde nach dem Zeugnis von Beteiligten schlimmer denn je gegen 
die Anhänger der neuen Lehre gewütet. Sogar Gaspard und Robert 
von Heu befanden sich zeitweise in Lebensgefahr‘). 

Der Schmalkaldische Bund hatte noch vom Nürnberger Reichstag 
aus, um doch wenigstens seinen guten Willen zu zeigen, am 8. März 
den jüngeren Grafen Dietrich von Manderscheid und Jakob Sturms 
Bruder Peter nach Metz abgefertigt*), um durch gütliche Vorstellungen 


!) Dies bestätigt auch Paul Ferry. Vgl. Thirion, 82. 

?) Herminjard, VIII, 494, und Pol. Korr. III, No. 365. 

#) Er hatte sich erst den schweizerischen Reformatoren eng angeschlossen, 
dann wiederholt mit ihnen überworfen und ausgesöhnt und war schliesslich in 
den Schoss der römischen Kirche zurückgekehrt. Das vollständigste Material über 
ihn findet man bei Herminjard, VI ff. Vgl. auch Rahlenbeck, 95 ff, Thirion, 77. 

+) Vgl. Herminjard, VII, 315 (Brief Gaspards), und IX, 467 ff., wo mehrere 
interessante Schreiben von Virot, einem Schüler Farels, der als Lehrer der Evan- 
gelischen in Metz wirkte, abgedruckt sind. 

5) Vgl. ausser Pol. Korr. III, No. 342, noch Jul. Otto Müller, Aus den Eifel- 
bergen (1887), 46, wo aber irrtümlich die Erlangung des Abschieds vom 16. März 
als Verdienst dieser Gesandtschaft bezeichnet wird, während sie ein Werk der 


Se 1e 


soviel wie möglich für die Evangelischen zu erreichen. Da diese Ge- 
sandten gerade an dem schreckensvollen Ostertage in Metz ankamen, 
so erhielten sie gleichzeitig mit der erfreulichen Nachricht über den 
Inhalt des durch die frühere Gesandtschaft erwirkten Metzer Abschieds 
auch die Trauerkunde von dem Gorzer Gemetzel. Sie machten daraul- 
hin einige schwache Versuche, von den Dreizehn noch weitere religiöse 
Zugeständnisse zu erlangen, sahen aber bald die Zwecklosigkeit ihrer 
Bemühungen ein und kehrten unverrichteter Sache nach Hause zurück. 

Auf die schriftlichen Beschwerden der Schmalkaldischen Verbün- 
deten über das mörderische Treiben der Guisen beteuerten dann, wie 
schon erwähnt wurde, Frankreich und Lothringen in bündigster Weise 
ihre Unschuld, und Metz seinerseits bestritt, den Vertrag vom 16. März 
irgendwie verletzt zu haben. Vergebens baten Gaspard von Heu und 
Karchien, der Bund möge ihnen doch wenigstens behülflich sein, in die 
Schlösser der Heus und anderer Adeliger um Metz stärkere Besatzungen 
zu legen, damit sie sich der Guisen erwehren könnten. Vergebens ver- 
sicherten sie, es bleibe ihnen sonst, um den Franzosen zu entrinnen, 
nichts anderes übrig, als sich an die Niederlande zu ergeben; der 
kaiserliche Statthalter in Luxemburg habe ihnen bereits unter der Be- 
dingung, dass die Stadt auf ihre Freiheiten verzichtete und »burgun- 
disch« würde, seinen Beistand versprochen. Alle diese Vorstellungen 
vermochten die protestierenden Stände nicht aus ihrer Zurückhaltung 
emporzurütteln. Der einzige, der wie immer zu thatkräftiger Hülfe 
bereit war, war Wilhelm von Fürstenberg. Freilich war auch niemand 
durch die letzten Ereignisse stärker in Mitleidenschaft gezogen worden 
als er. Handelte es sich doch für ihn um die Rückeroberung der 
wichtigen Herrschaft Gorze! Schon zu Anfang April legte er dem 
Landgrafen in Kassel persönlich einen »Anschlag« vor, wie er den 
Metzer Rat strafen und den Evangelischen helfen wolle. Mit »Bot- 
schaftschicken«, erklärte er den Strassburgern, sei jetzt nichts gethan; 
Blutvergiessen sei unvermeidlich. Landgraf Philipp, selbst eine lebhafte, 
kriegerische Natur, liess sich für Wilhelms Vorhaben leicht erwärmen 
und unterstützte es mit Geld. Nicht so Strassburg, das sein altes 
Misstrauen gegen Fürstenbergische Unternehmungen auch jetzt nicht 
überwinden konnte. Die Stadt fürchtete durch ein Eingehen auf Wil- 
helms Pläne namentlich mit Lothringen in Konflikt zu geraten und 


vorangehenden war, die der Verfasser nicht kennt. Die verschiedenen Gesandt- 
schaften an Metz sind auch bei Meurisse, Rahlenbeck, Thirion, Dietsch nicht 
richtig auseinander gehalten. Manderscheid war bei keiner andern als der eben 
erwähnten Botschaft beteiligt. 


ri 
es 


— 231 — 


dadurch in ihren Handelsbeziehungen zu diesem Lande schwer geschä- 
digt zu werden. Umsonst suchte Wilhelm Strassburgs Besorgnisse zu 
zerstreuen und sein Vorhaben so darzustellen, als komme es ihm nur 
auf die Beschützung der Metzer Glaubensgenossen an; das sonst so 
eifrig für letztere eintretende Strassburg versagte jede Unterstützung. 
Ja, der Magistrat duldete nicht einmal, dass seine Unterthanen gegen 
Sold in des Grafen Dienste traten. Infolgedessen lehnten auch Frank- 
furt und Württemberg Wilhelms Hülfegesuch ab, und selbst der Land- 
sraf zog seine Hand wieder zurück, als ihm Strassburg vorstellte, dass 
das geplante Unternehmen die Metzer Katholiken nur reizen würde, 
sich Frankreich völlig in die Arme zu werfen, und dass Fürstenberg 
einem so überlegenen Gegner selbst mit Schmalkaldischer Hülfe nicht 
gewachsen sei. Strassburg behauptete gleichzeitig zu wissen, dass 
Guise vom König Franz Befehl habe, sich von Metz zurückzuziehen, 
sobald der Schmalkaldische Bund vermittelnd in die Angelegenheit ein- 
erilfe. Ehe noch die Verbündeten diesem Winke Strassburgs folgten 
und an Frankreich schrieben, wurde die Guisesche Besatzung durch 
niederländische Truppen am 30. April aus Gorze vertrieben. Dies ge- 
schah, als Fürstenberg gerade mit 400 Reitern und 10 Fähnlein Fuss- 
volk vom Elsass her zum Entsatz heranrückte. Nun hatte die nieder- 
ländische Statthalterin Befehl gegeben, ihm den Platz zu räumen, 
sobald er schwören würde, sich desselben in Zukunft nur gegen 
Frankreich zu bedienen; allein der wetterwendische Graf liess auf 
die Nachricht, dass ihm die Kaiserlichen in Gorze zuvorgekommen 
seien, plötzlich seinen ganzen Plan fallen, machte Kehrt und begab 
sich zu Karls Minister Granvella, um dem Kaiser seine Dienste anzu- 
bieten '). So wurde der Zwischenfall von Gorze die Veranlassung, dass 
Fürstenbergs gewichtiger Beistand in dem bedeutsamen Feldzuge des 
folgenden Jahres nicht mehr dem französischen König, sondern dem 
Kaiser zu gute kam. 

Seit der Vertreibung der Guisen aus Gorze waren Geistlichkeit 
und Magistrat zu Metz bedeutend weniger zuversichtlich als zuvor, 
obwohl sie die Rückkehr Fürstenbergs und seine Rache kaum noch zu 
fürchten hatten. Sie waeten deshalb dem neuen Vermittlungstag, 
welchen Hessen, Württemberg, Strassburg und Frankfurt auf den 
15. Mai in Strassburg anberaumt hatten, nicht ohne weiteres fern zu 
bleiben. Die Verhandlungen dauerten diesmal eine volle Woche. Gleich- 
wohl war das einzige positive Ergebnis, dass dreizehn der ausgewiesenen 
Bürger nach Metz zurückkehren durften. Ueber zehn andere, die an- 


') Vgl. namentlich Rahlenbeck, 62 ff, 


— 232 — 


oeblich nicht bloss der Religion halber, sondern noch wegen anderer 
Vergehen verbannt waren, blieb die Entscheidung vorbehalten. Auch 
betreffs der Duldung des evangelischen Gottesdienstes in andern 
Kirchen und hinsichtlich der Eröffnung einer Untersuchung gegen den 
Hetzprediger Caroli erbaten die Metzer eine vierzehntägige Bedenk- 
zeit. Für Bewilligung aller Forderungen wurde ihnen von den Ver- 
mittlern in Aussicht gestellt, dass Fürstenberg auf seinen Entschädigungs- 
anspruch von 50000 Kronen verzichten würde. 

Die Antwort des Metzer Rats erfolgte ziemlich rasch. Am 1. Juni 
schrieb er den Strassburgern, er habe sich verpflichtet gehalten, dem 
Kaiser die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des letzten 
Abschieds anheimzustellen. Das war natürlich gleichbedeutend mit einer 
völligen Ablehnung der fraglichen Artikel. 

Zwei Tage später, anscheinend noch bevor er Kenntnis von der 
Metzer Entschliessung hatte, erklärte auch Graf Wilhelm die Strass- 
burger Abmachungen für unannehmbar, da es ihm nicht einfallen könne, 
auf jede Schadloshaltung für Kriegskosten etc. zu verzichten. Man ist 
versucht zu glauben, dass diese Erwiderung Fürstenbergs doch erst 
durch die Unnachgiebigkeit der Metzer verursacht war, von welcher 
vermutlich schon vor der amtlichen Mitteilung private Nachrichten zu 
Wilhelm gedrungen waren. Jedenfalls wissen wir, dass seine Gesandten 
bei den Strassburger Verhandlungen vertraulich erklärt hatten, sie seien 
ermächtigt, in der Entschädigungsfrage das grösste Entgegenkommen zu 
zeigen, falls Metz in der religiösen Frage nachgäbe. 

Eigentlich hätte nun die Angelegenheit dem Strassburger Abschied 
gemäss auf einem weiteren Tage erörtert und, wenn auch dies un- 
fruchtbar blieb, durch Schiedsspruch beigelegt werden sollen. Weshalb 
es dazu nicht mehr kam, werden wir gleich sehen. 

Die dreizehn evangelischen Bürger, welche nach Metz heimkehren 
durften, konnten über die Art ihrer Aufnahme und Behandlung nicht 
viel Erfreuliches nach Strassburg melden. Sie klagten, dass man sie 
nicht in den Besitz ihrer alten Aemter und Ehrenrechte einsetzen 
wolle, und dass die Gegner fortführen, die Evangelischen selbst wäh- 
rend des Gottesdienstes in brutaler Weise zu beschimpfen und zu be- 
drohen ; besonders zeichne sich Caroli hierin aus. Auch hätten erst 
kürzlich wieder die Guisen einen Ueberfall des Schlosses Buy geplant, 
um sich der dort weilenden Mitglieder der Familie Heu zu bemäch- 
tigen. Zum Glück sei der Anschlag vereitelt worden. 

Die unausgesetzten Schmähungen und Verleumdungen Carolis 
hatten den Erfolg, dass Calvin und Farel, die sich vor allem getroffen 


— 23 — 


fühlten, von dem glühenden Verlangen beseelt wurden, dem Gegner in 
öffentlicher Disputation entgegenzutreten. Sie dachten auf diese Weise 
auch zur Stärkung der evangelischen Gemeinde in Metz beitragen zu 
können. Caroli seinerseits wünschte, wenn man seinen Versicherungen 
glaubt, ebenfalls nichts sehnlicher, als sich mit Calvin und Farel zu 
messen; aber er schlug wohlweislich nur durchaus römisch gesinnte 
Universitäten zur Abhaltung des Gesprächs vor, wie Paris, Löwen, 
Köln, wo er von vornherein sicher war, die Verdammung der Gegner 
durchzusetzen. Ein Gespräch in Metz selbst lehnte er unter dem Vor- 
wand ab, dass dort keine gelehrte Schule vorhanden sei, die das Schieds- 
richteramt übernehmen könne. Trotzdem erschien am 30. Juni 1543 
Calvin mit Empfehlungsbriefen von Genf und Basel persönlich vor dem 
Strassburger Rat und bat dringend, ihm in Metz zur Widerlegung Ca- 
rolis Gehör zu verschaffen. Farel, der noch immer in Strassburg 
weilte, schloss sich dem Gesuch an. Da auch Jakob Sturm dasselbe 
in Schmalkalden befürwortete, so liessen sich die Verbündeten wirklich 
dazu herbei, in einem Schreiben vom 20. Juli den Metzer Rat um 
Veranstaltung einer Disputation zu ersuchen. Für den Fall, dass diesem 
Verlangen nicht entsprochen würde, fügten sie sogar Drohungen hinzu, 
die allerdings recht allgemein gehalten waren. Wie früher schon, so 
bewirkte auch jetzt die Intervention der Stände gerade das Gegenteil 
dessen, was sie bezweckte. Der Metzer Rat schickte nämlich schleu- 
nigst zum Kaiser, der eben im Begriff stand, seinen Feldzug gegen den 
rebellischen Herzog von Jülich-Cleve zu eröffnen, und bat flehentlich, 
bald eine geeignete Persönlichkeit nach Metz zu senden, um die Stadt 
vor »der schlimmsten aller neuen Sekten« zu bewahren ''). Nichts 
konnte dem Kaiser natürlich willkommener sein als diese Bitte. Ge- 
währte sie ihm doch neben der angenehmen Aussicht, die Ketzerei in 
der Nachbarschaft seiner Niederlande gründlich auszurotten, auch die 
Möglichkeit, in der strategisch so wichtigen Reichsstadt festeren Fuss 
zu fassen. Er-suchte und fand die »geeignete Persönlichkeit« in seinem 
Rat Karl Boisot, der soeben in Lüttich eine ähnliche Aufgabe gelöst 
hatte?). Mit welcher Ungeduld die Metzer Katholiken das kaiserliche Macht- 
wort, welches die Ketzer niederschmettern sollte, erwarteten, lässt sich 
daraus ersehen, dass sie ihr Gesuch bei Karl im September erneuerten. 

Am 6. Oktober endlich hielt der kaiserliche Bevollmächtigte in 
Metz seinen Einzug. Eine Woche später, am 13. Oktober, erliess er 


') Rahlenbeck, 67 u. 124. 
?) Ueber Boisot und seine Wirksamkeit in Metz berichtet am ausführlichsten 
und zuverlässigsten Rahlenbeck, 65" ff. 


— 234 — 


im Einvernehmen mit dem Magistrat die zur Vernichtung der evan- 
gelischen Kirche bestimmte Verordnung. Watrin Dubois, der einzige 
durch den Vertrag vom 16. März den Protestanten zugestandene Pre- 
diger, musste die Stadt binnen 3 Tagen verlassen. Alle den Evan- 
gelischen sonst gemachten Konzessionen wurden zurückgezogen, der 
Verkauf und der Besitz ketzerischer Schriften sowie die Beleidigung 
der Priester unter schwere Strafe gestellt, die Ueberschreitung des 
Fastengebots mit 10 Jahren Verbannung bedroht etc. Ferner wurde 
allen denen, welche sich zur besseren Aufrechterhaltung ihrer ketzerischen 
Meinungen unter den Schutz auswärtiger Fürsten und Städte begeben 
hätten, befohlen, diese Verbindungen binnen 40 Tagen zu lösen ; andern- 
falls werde mit hoher Geldstrafe und Aberkennung des Bürgerrechts 
gegen sie vorgegangen werden. 

Wenn Karl V. hoffte, dem Metzer Protestantismus mit diesem 
Edikt den Garaus zu machen, so täuschte er sich. Obwohl viele evan- 
gelische Bürger mit Dubois freiwillig in die Verbannung gingen, be- 
hauptete sich in der Stadt doch allen Verfolgungen zum Trotz eine 
kleine evangelische Gemeinde. Das aber erreichte Boisot allerdings, 
dass die Einheit der Kirche äusserlich wieder hergestellt schien, und 
dass die Evangelischen sich für längere Zeit öffentlich nicht mehr be- 
merkbar machen konnten. Die Nähe des mächtigen Kaisers, der nach 
Unterwerfung des Herzogs von Jülich in den Niederlanden blieb, musste 
vorderhand jeden Gedanken an Widerstand gegen das Edikt im Keime 
ersticken. Selbst die Familie Heu musste sich, wenn auch mit äusserstem 
Widerstreben und mit gewissen Vorbehalten, schliesslich fügen. Dass 
ein von den deutschen Protestanten unternommener Versuch, den 
Kaiser unter Hinweis auf den Metzer Vertrag vom 16. März zur Rück- 
nahme der Verordnung zu bewegen, scheitern musste, ist selbstver- 
ständlich. 

Calvin und Farel hatten schon im August 1543 eingesehen, dass 
aus der Disputation mit Caroli nichts werden würde, und waren nach 
Genf und Neuenburg zurückgekehrt. Eine Zeit lang hatten sie freilich 
geschwankt, ob sie nicht beide oder wenigstens einer von Ihnen, selbst 
segen den Willen der Obrigkeit und allen Gefahren zum Trotz, in 
Metz auftreten sollten; allen auf die wohlwollenden Abmahnungen des 
Strassburger Rats gaben sie den Gedanken auf. 

Die Mission Boisots bezeichnet in der Geschichte der evangelischen 
Kirche von Metz einen entscheidenden Wendepunkt. Das Oktoberedikt 
hatte für die lothringische Reichsstadt dieselbe Bedeutung und denselben 
Erfolg wie vier Jahre später die Katastrophe des Schmalkaldischen 


— 235 — 


Bundes für die deutschen Protestanten, d. h. es zerstörte die letzte 
Hoffnung auf einen völligen Sieg der Reform, auf eine gänzliche Ver- 
drängung der katholischen Kirche durch die evangelische. Von nun 
an musste sich das Streben der Metzer Protestanten lediglich darauf 
beschränken, die Duldung und Gleichberechtigung ihrer Religion neben 
der römischen zu erlangen. Zu diesem Zweck haben sie noch oft die 
Hülfe ihrer deutschen Glaubensgenossen in Anspruch genommen, selbst 
unter französischer Herrschaft'!). Galt doch der König von Frankreich 
noch geraume Zeit rechtlich nur als »Vikar des Reichs« in Metz, nicht 
als Souverän. 

Ueberblicken wir zum Schluss die von den Schmalkaldischen Ver- 
bündeten während der kritischen Jahre der Metzer Reformbewegung 
eingenommene Haltung, so müssen wir sagen, dass sie der bedächtigen 
und vorsichtigen Politik, welche der Bund allenthalben verfolgte, durchaus 
entspricht. Bekanntlich haben sich die Stände bald nachher nicht einmal 
zu Gunsten der Kölner Reformation zu energischen Schritten aufraffen 
können. Ist es da verwunderlich, dass sie Metz gegenüber, wo die 
Aussichten viel schlechter waren, noch zaghafter auftraten? Selbst 
wenn die Organisation des Bundes eine bessere und die Opferwilligkeit 
seiner Mitglieder eine grössere gewesen wäre als in Wirklichkeit, dürfte 
man es ihm doch nicht allzu sehr verübeln, dass er sich gescheut hat, 
mit Waffengewalt für die Glaubensgenossen in der weitentlegenen 
Reichsstadt Partei zu ergreifen. Er hätte damit der neuen Lehre in 
Metz höchstens einen vorübergehenden Triumph, niemals aber eine 
dauernde Herrschaft verschaffen können. Denn dazu war die Ver- 
fassung der Stadt zu verrottet, der Parteigegensatz zu schroff und vor 
allen Dingen das Uebergewicht der katholischen Nachbarmächte zu er- 
drückend. Frankreich und die spanisch-burgundische Monarchie, zwischen 
denen Metz eingeklemmt lag, hätten nimmermehr geduldet, dass sich 
hier, hart an ihren Grenzen, eine Brutstätte der verhassten Ketzerei 
entwickelte. Wenn Frankreich gelegentlich mit der evangelischen Partei 
in Metz liebäugelte, so geschah es nur in der selbstsüchtigen Absicht, 
sich mit ihrer Hülfe des wichtigen Grenzplatzes zu bemächtigen. Im 
Grunde war Franz I. wie sein Nachfolger Heinrich Il. den Reform- 
bestrebungen in Metz ebenso feindlich wie Lothringen und der Kaiser. 
Ich glaube deshalb auch nicht, dass die Führer der Metzer Reform- 
partei, also namentlich .die Heus, durch rücksichtsloseres Vorgehen den 
Sieg ihrer Konfession hätten erringen können. Farel hat einmal nach 


') Vgl. u. a. meinen Aufsatz in dieser Zeitschrift, I, 133 ff. 


u e 


seiner Flucht aus Gorze in einem vertraulichen Brief!) bedauert, dass 
er im September 1542 auf Bitten Gaspards von Heu seinen Eifer ge- 
zügelt und die zum Aeussersten entschlossenen Evangelischen vom 
Bürgerkrieg abgehalten habe. Er nimmt dabei als sicher an, dass eine 
Revolution mit der Niederlage der römischen Kirche geendigt hätte. 
Wohl mag er darin Recht haben; allein es ist mehr als zweifelhaft, 
ob die Herrschaft der neuen Lehre von langer Dauer gewesen wäre. 
Jedenfalls hätte der Bürgerkrieg in Metz die Folge gehabt, dass sich 
die mächtigen Nachbarn zum Nachteil der Stadt eingemischt hätten, 
und das war es, was die Heus mit Recht solange als möglich vermeiden 
wollten?). Denn die Unabhängiskeit ihrer Vaterstadt lag ihnen kaum 
weniger am Herzen als die evangelische Freiheit. Ihre ganze Politik 
in dem geschilderten Zeitraum legt dafür Zeugnis ab. Ich trage infolge 
dessen Bedenken, der traditionellen Behauptung beizupflichten, dass 
die Heus 1552 im Einverständnis mit dem Kardinal Lenoncourt die 
Stadt den Franzosen in die Hände gespielt hätten. 

Merkwürdiger Weise haben selbst solche Historiker, die sonst 
sehr wohlwollend über die Heus urteilen, der alten Beschuldigung, 
obwohl dieselbe wesentlich auf tendenziösen Chronikennachrichten be- 
ruht, kaum zu widersprechen gewagt, sondern höchstens versucht, den 
vermeintlichen Verrat zu beschönigen. Nur Rahlenbeck hat die beiden 
Brüder auf Grund wertvoller urkundlicher Zeugnisse, die er im Brüsseler 
Archiv fand, gegen die Verdächtigung kräftig in Schutz genommen. 
Unter anderm weist er nach”), dass Robert von Heu noch im Früh- 
jahr 1552 den kaiserlichen Statthalter in Luxemburg vergebens um 
Kriegsvolk zur Verteidigung der Stadt gegen einen etwaigen Angriff 
der Franzosen gebeten habe. Immerhin wäre es sehr wünschenswert, 
dass die französische Besitzergreifung und das Verhalten der Metzer 
Protestanten im Jahre 1552 durch weitere Forschungen, namentlich 
in französischen und lothringischen Archiven, noch klarer gestellt würde. 

!) Herminjard, IX, 40. 

?) Daneben scheuten die Heus eine Revolution allerdings wohl auch des- 
halb, weil gleichzeitig mit der kirchlichen Umwälzung eine politische zu befürchten 
war, und ein Sturz des Patrizierregiments für sie persönlich und für ihre Familie 


nachteilige Folgen haben konnte. 
#) Rahlenbeck, 140. 


— 939 — 


Ein reichsgerichtlicher Prozess 
über die 
behauptete Reichsunmittelbarkeit der Stadt Saarburg in Lothringen aus der 
zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts. 


VORTER:AC, 


gehalten in der Sitzung der Gesellschaft für lothringische Geschichte 
und Altertumskunde vom 10. März 1898 


von 


Frh. v. Hammerstein. 


Meine Herren! 


Wenn ich mir erlaube, Ihnen einen Abschnitt aus der Geschichte 
der Stadt Saarburg vorzutragen, so bitte ich Sie, nicht eine wissen- 
schaftliche Abhandlung zu erwarten, welche etwa über bestimmte 
Thatsachen neue Aufschlüsse gewährt oder über den inneren Zusammen- 
hang mehrerer Vorgänge neues Licht verbreitet, oder gar ein durch- 
dachtes und vollständiges Bild eines städtischen Gemeinwesens inner- 
halb einer bestimmten Epoche in seinem inneren und äusseren Entstehen 
und Leben darstellt. Derartige wissenschaftliche Arbeiten muss ich 
den Fachgelehrten und Historikern überlassen. Ich bitte deshalb, meine 
Mitteilungen nicht einer strengen Kritik zu unterziehen, sondern als 
das zu nehmen, was sie sein sollen, und zwar als eine einfache Zu- 
sammenstellung aus bisher unbenutztem Material unseres Bezirksarchivs, 
welche vielleicht berufeneren Männern Anlass zu wissenschaftlicher 
Ausnutzung giebt. 


Dass die Stadt Saarburg in Lothringen vor Zeiten dem Heiligen 
Römischen Reiche deutscher Nation als unmittelbare Reichsstadt an- 
sehört habe, ist eine im Laufe der Jahrhunderte oft wiederkehrende 
3ehauptung, die sich — um nur einige Beispiele anzuführen — schon 
in der Münsterschen Chronik von 1550 findet (Sarburg ein Reichstadt 
die hält der Bischof von Trier inne) und noch in dem Traité du dé- 
partement de Metz von Stemer 1756 (Metz, bei Collignon) erwähnt 
wird (cette ville est très ancienne et se gouvernait par un Prévot et 
conseil de quarante sous la protection de l'Empire). 


Heute wissen wir, dass diese Behauptung unrichtig ist und dass 
zu keiner Zeit die Stadt unmittelbar dem Reiche unterworfen gewesen 
ist. Wir können auch aus der Geschichte der Stadt folgern, dass die 
unzutrelfende Annahme der Reichsunmittelbarkeit daraus entstanden 
ist, dass thatsächlich im XII. und XIV. Jahrhundert die Bande, welche 
die Stadt mit ihrem Oberhaupte, dem Bischofe von Metz, verknüpften, 
nur recht lockere gewesen sind und dass die obrigkeitlichen Rechte 
sehr früh nicht unbeschränkt, sondern durch Verträge geregelt waren, 
deren Einhaltung zu vermeiden oder richtiger noch deren Nichteinhal- 
tung zu fördern die Stadt sowohl als ihre Oberherren keine Gelegen- 
heit vorübergehen liessen. 


In jener Zeit, in welcher so viele städtische Gemeinwesen sich 
ihre Unabhängigkeit von ihren nächsten Landesherren errangen, in 
welcher auch die lothringischen Bischofstädte mehr und mehr von der 
weltlichen Oberhoheit ihrer Bischöfe sich befreiten, ist es erklärlich, 
dass die zwar kleine, aber durch Gewerbefleiss blühende Stadt Saar- 
burg, welche damals einen grossen Teil des Handelsverkehrs zwischen 
Frankreich und Deutschland vermittelte, gleich ihren bedeutenderen 
Nachbaren Strassburg und Metz nach grösserer Selbständigkeit strebte. 


Nach dem Tode des letzten Grafen von Dagsburg (Albert, gest. 
1212) zunächst im Besitz dessen mit dem Herzog Theobald von 
Lothringen verheirateten Tochter Gertrud, konnte der Bischof von 
Metz, an den Saarburg als Teil der Grafschaft Metz und Metzer Lehen 
heimiiel, wirkliche Hoheitsrechte zunächst nur formell geltend machen, 
und war gezwungen, dem Herzoge 1223 die Vogtei in Saarburg zu 
überlassen. Erst nach dem Tode des Herzogs und der inzwischen 
mit einem Grafen von Leiningen wiederverheirateten Gertrud gelangte 
der Bischof in den thatsächlichen Besitz der Stadt. Aber auch jetzt 
noch durfte er nicht wagen, die Stadt wie anderes Gebiet seines Bis- 
tums zu behandeln, sondern war schon 1229 (Bischof Jean d’Apre- 
mont) genötigt, mit der Stadt gewissermassen einen Vergleich zu 
schliessen, indem er derselben eine Urkunde ausstellte, kraft welcher das 
Steuerrecht des Bischofs auf 100 Pfund Metzer Münze und für jedes 
Haus auf je 1 Simmer Hafer jährlich beschränkt und ein bischöfliches 
Gericht mit fest bestimmten Strafen eingesetzt wurde. Dass im übrigen 
die Stadt sich grosser Selbständigkeit erfreute, beweisen die vielfachen 
besonderen Verträge, welche dieselbe insbesondere mit der Stadt 


') Nähere Daten in »Sarrebourg, Notices historiques« (von Pfarrer Wagner 
in Altdorf), Sarrebourg 1890; zuerst erschienen in der Saarburger Zeitung, 1887/88. 


du. 


Strassburg über die Ausübung des Handels, die Gebühren, die Schlich- 
tung etwaiger Streitigkeiten und selbst über gegenseitige Kriegshülfe 
abschloss (1229, 1259 u. s. w.). 

Das XIV. Jahrhundert ist reich an stets sich wiederholenden Streitig- 
keiten der Stadt mit ihrem Landesherrn, dem Metzer Bischof, welche 
1318, 1342, 1350, 1376 und 1390 zu offenen Kämpfen führten, nach 
denen zwar immer die Stadt die Oberhoheit des Bischofs wieder an- 
erkannte, in der Regel aber sich neue Freiheiten bestätigen liess, 
durch welche die thatsächliche Macht der Bischöfe enger begrenzt 
wurde, so Z. B. durch die Bestimmungen, dass die Stadt nicht schuldig 
sei, dem Bischofe gegen die ihr befreundete Stadt Vie zu helfen (1344), 
dass der Bischof auf den Wiederaufbau seines von den Bürgern zer- 
störten festen Schlosses in Saarburg verzichte und nicht mehr als 
20 Kriegsknechte nebst 30 Trossbuben in der Stadt halten dürfe (1392). 
Schon war aber das Verhältnis zum Bischof, der auch seinerseits 
mehrfach seine Saarburger Herrschaft an die Herren von Lützelstein, 
die Edlen von Blamont und 1396 an den Herzog von Lothringen ver- 
pfändet hatte, so unsicher geworden, dass der Bischof zur Bestätigung 
seiner Rechte kaiserliche Hülfe in Anspruch nehmen musste, die ihm 
durch Karl IV. mittels einer in Metz ausgestellten Urkunde vom 
20. Januar 1357 des Inhalts gewährt wurde, dass die Stadt sowohl 
geistlich als weltlich dem Bischofe unmittelbar unterworfen sei. In 
gleicher Weise wurden von Kaiser Sigismund 1417 von Konstanz aus 
die Rechte des Bischofs unter Zugrundelegung der Bestimmungen von 
1229 ausdrücklich anerkannt. Schon zu dieser Zeit hatte aber der 
Bischof nicht mehr einen Statthalter in der Stadt, sondern nur noch 
einen Schaffner zur Einziehung seiner Gefälle und einen Gerichtsschöffen, 
während im übrigen die Stadt sich selbst verwaltete und auch mit 
ihren Nachbaren selbständige Verträge abschloss, so schon im Jahre 
1398 mit dem Herzoge von Lothringen vereinbarte, dass der Herzog 
die Stadt zu schützen, letztere dagegen ihm in seinen Kriegen, mit 
Ausnahme gegen den Bischof von Metz und die Stadt Strassburg, 
beizustehen habe, der Herzog auch mit 50 Reitern in die Stadt ein- 
reiten dürfe. 

Im Laufe des XV. Jahrhunderts wurde dann die Oberhoheit des 
Bischofs fast völlig beseitigt, und als Bischof Georg von Baden 1460 
die Stadt an Johann von Finstingen versetzte, erhob sich in der Stadt 
lebhafter Widerspruch, der indessen nicht, wie man erwarten könnte, 
zu einer noch grösseren Selbständigkeit des städtischen Gemeinwesens 
führte. Die Kleinheit der Stadt, deren Einwohnerzahl damals wohl 


240 — 


kaum 1000 überschritt, die weite Entfernung von kräftigen unmittelbaren 
teichsstädten, die allmählich eingetretene Erstarkung der herzoglichen 
Gewalt in der nächsten Nähe der Stadt und die Handelsbeziehungen 
derselben gerade im Gebiete des Herzogtums waren wohl die Ur- 
sache, dass nunmehr die Stadt 1464 freiwillig nicht nur dem Schutze, 
sondern auch der Hoheit des Herzogtums Lothringen sich unterwarf, 
dessen Herzog, Johann von Calabrien, alsbald die städtischen Freiheiten 
bestätigte und erweiterte. Seitdem ist die Stadt — freilich nicht ohne 
Widerspruch des Bischofs — bei Lothringen verblieben, und 1561 trat 
Bischof Franz von Beaucaire auch rechtlich die Stadt dem Herzoge ab. 
Die Geschicke des Herzogtums Lothringen hat dann die Stadt bis 1661, 
und damals mit der sogen. Route d’Alsace an Ludwig XIV. abgetreten, 
die Geschicke Frankreichs bis 1870 geteilt. 

Wenn demnach eine Reichsunmittelbarkeit der Stadt in keinem 
Augenblicke ihrer reichen und wechselnden Geschichte gegeben ist, so 
ist doch angesichts der thatsächlichen Verhältnisse wohl begreiflich, 
dass über die rechtliche Stellung der Stadt in weiten Kreisen Unsicher- 
heit herrschte. Wir müssen uns dabei vergegenwärtigen, dass in jener 
weit zurückliegenden Zeit die Landes- und Reichsverwaltung nicht so 
bureaukratisch organisiert war, wie das heutigen Tages der Fall ist, 
dass Gesetze und insbesondere Verfassungsurkunden im heutigen Sinne 
dieser Worte eigentlich nicht bestanden und dass sowohl das Reich als 
die Landesregierungen erst zu Ausgang des XV. Jahrhunderts begannen, 
durch gelehrte und gelernte Beamte eine gewisse Ordnung und Be- 
ständigkeit der Reichs- und Staats-Einrichtungen anzubahnen. So hatten 
denn auch die Reichsstände 1495 beschlossen, eine Reichsmatrikel aufzu- 
stellen, in welcher alle Stände des Reichs nach ihrer Zugehörigkeit 
zum Reiche aufgeführt und nach ihrer Beitragspflicht geschätzt und 
festgestellt, Streitigkeiten darüber aber vor dem Reichsgericht zum 
Austrage gebracht werden sollten. Auf Grund dieser Reichsbeschlüsse 
ist dann im XVI. Jahrhundert die Zugehörigkeit der Stadt zum Reiche 
und, was für das Reich von nächstliegender Bedeutung war, die Pflicht 
der Stadt zur Zahlung direkter Reichsabgaben thatsächlich seitens des 
Reiches behauptet und beansprucht worden. Soweit zu ermitteln, hat 
zunächst die Reichsmatrikel des Jahres 1521 vom Reichstage zu Worms 
die Stadt Saarburg unter den beitragspflichtigen Städten mit einer 
Veranlagung für 2 Mann zu Ross und 9 zu Fuss aufgeführt, und seit- 
dem ist dann die Stadt von der Reichskanzlei in Mainz vielfach auf- 
gefordert, ihren Beitrag zu leisten, und auch zu den Reichstagen selbst 
eingeladen. worden. 


Al — 


Auf den Reichstagen erschienen ist aber die Stadt niemals, und 
ebenso wenig hat sie je Beiträge zur Reichskasse gezahlt. Der Bischof 
von Metz vielmehr und auch der Herzog von Lothringen haben gegen 
die Heranziehung der Stadt wiederholt Einspruch erhoben. Als dann 
auf Beschluss der Reichsstände gegen alle säumigen Zahler seitens des 
Reichsgerichts vorgegangen wurde, hat der Prokurator-Fiskal des Reichs 
auch gegen die Stadt Saarburg gerichtliche Vorladung ergehen lassen 
und vor dem Reichskammergericht in Speyer einen weitläufigen Pro- 
zess geführt, der im Jahre 1549 begonnen und niemals formell zu 
Ende geführt ist. 


Die Akten dieses Prozesses sind uns nahezu vollständig erhalten 
und neuerdings unserm Lothringer Bezirksarchiv einverleibt. 


Dieselben bieten an sich nicht nur ein treffliches Bild damaliger 
reichsgerichtlicher Prozessführung, sondern auch sachlich mancherlei 
Interessantes für die Geschichte der Zeit und insbesondere der Stadt 
Saarburg. 


Gerichtet ist der Prozess zunächst gegen die Stadt Saarburg, die 
fälschlich Kaufmanns-Sarbrück genannt wird, und gegen den Bischof 
von Metz, denen die Ladung, vor Gericht zu erscheinen, durch eigenen 
Kammerboten in Saarburg am 16. März und in Vic am 18. März 1549 
zugestellt ist, und die Klage wird damit begründet, dass die Stadt in 
den Matrikeln der Mainzer Reichskanzlei als Reichsstadt aufgeführt 
sei, dass die hohe Obrigkeit und Regalien von den römischen Kaisern 
und Königen getragen werden, dass trotzdem aber die Stadt sich 
weigere, die Reichsanschläge zu zahlen, indem sie behaupte, dem Bis- 
tum Metz unterworfen zu sein. Kraft des auf dem Augsburger Reichs- 
tage ergangenen Beschlusses lade der Prokurator-Fiskal (Reichsanwalt) 
Valentin Gottfried demnach die Stadt (Bürgermeister und Rat) und 
den Bischof vor das Kammergericht und behaupte nachstehende 15 
Klage-Artikel und zwar: 


1. Die Stadt werde von Alters her und noch jetzt für eine Reichs- 
stadt gehalten. 

Die Stadt stehe als solche in Matrikel und Verzeichnissen wie 
andere freie Reichsstädte. 

. Bürgermeister und Rat seien zu den Reichstagen stets geladen 
Die Stadt sei auf den Reichstagen durch Gesandte erschienen. 
Die Stadt habe ihre Obrigkeit und Gerichtszwang von früheren 
Kaisern und Königen empfangen und trage solche jetzt von 
Kaiser Karl V. 


DO 


mw 


16 


6. 


242 — 


Die Stadt sei bei Anschlägen des Reichs stets und jetzt noch 
als zahlpflichtig eingetragen. 


. Schon Vorgänger des Fiskals und jetzt er sei vom Kaiser und 


Reichsständen beauftragt, wegen Nichtzahlung der Anschläge 
am Gericht zu procediren. 


8. Solche Ladung und Prozesse seien wirklich erfolgt. 


10. 


DE 


. Vom Kaiserl. Kammergericht sei schon früher und jetzt Urteil 


und Bescheid ergangen, dass Saarburg zu erscheinen und zu 
zahlen habe. 
Deshalb sei die Stadt eine Reichsstadt und von jedermann 


dafür gehalten. 

Deshalb sei die Stadt auch schuldig, alle ordentlichen und 
ausserordentlichen, gefreite und ungefreite Collecten und Con- 
tributionen zu zahlen. 

Dessenungeachtet habe die Stadt eingewandt, dass ein Bischof 
von Metz sie zu den Reichsanlagen heranziehe und sie deshalb 
direkt zu geben nicht schuldig sei. 


. Der Bischof habe sich das bisher unerwiesenen Rechtens 


unterstanden und angemasst. 
Solches habe sich vom Bischof nicht gebührt und geziemt zu, 
Schmälerung des Reichs. 


. Alles Vorstehende sei am Kammergericht ein gemein Geschrei 


Leumund und Gerücht (d. h. es sei allgemein bekannt, no- 


torisch). 


Der Schlussantrag des Fiskals geht dahin, das Gericht möge er- 


kennen, 


dass die Stadt Kaufmannssaarbrück ohne Mittel eine Reichs- 
stadt sei, derwegen alle Anschläge des Reichs zu zahlen 
schuldig sei und dass dem Bischofe von Metz ewiges Still- 
schweigen auferlegt werde; oder aber wenn der Bischof wider 
Erwarten sein Recht erweise, dass letzterer verurteilt werde, 
die Anschläge für Saarburg zu zahlen. 


In dieser ersten Sitzung vom 1. Juni 1549 ist zwar der Bischof, 
nicht aber die Stadt vertreten, und erst am 31. August 1549 erscheint 
ein Rechtsanwalt (v. Kaden) namens des Herzoss von Lothringen 
und überreicht eine Protestation (protestatio et supplicatio) des Inhalts: 


Die Stadt Saarburg gehöre zum Herzogtum Lothringen 
und könne nicht vor das Kammergericht gezogen werden nach 
dem mit dem Kaiser getroffenen Vergleiche (von 1542). Die 


N + 


Frage, ob die Stadt particulare dem Reiche zu steuern habe, 
gehöre nicht zu den zwei dem Reichsgericht im Vergleich reser- 
virten Sachen, ausserdem stecke der Beitrag von Saarburg 
wie von andern lothringischen Städten schon in dem vom 
Herzog übernommenen Teile der Beiträge, nur dem Herzog 
und dessen Gerichten stehe es zu, zu entscheiden, ob und 
was von jenem Teile auf Saarburg falle, das notorisch eine 
lothringische Stadt sei; der Prozess sei also ein Bruch des 
Vergleichs, alles was geschehen, sei nichtig, und Lothringen 
werde sich an den nächsten Reichstag wenden, was gern 
vermieden werde, da niemand über das Herzogtum zu Recht 
erkennen könne, als nur der Herzog selbst. 


Am 18. Januar 1550 antwortet dann der lothringische Anwalt 
auf die Klageartikel und am 8. März ebenso der Anwalt des Bischofs, 
natürlich beide die Klageartikel des Fiskals verneinend. In der gleichen 
Sitzung vom 8. März 1550 übergiebt der Metzer Anwalt seine Articuli 
defensionales in 46 Sätzen und zwar: 


18 
. Die Stadt erkenne den Bischof von Metz als ihren rechten, 


6. 


Die Stadt sei von Alters her ein Glied des Stiftes Metz. 


natürlichen Herrn. 

Die Obrigkeit der Stadt stehe geistlich und weltlich dem Bischofe 
von Metz zu. 

Bischof sei in Possession der Obrigkeit seit 10, 20, 30, 40, 
50, 100 und mehr Jahren. 


D. Die Stadt sei pflichtig, dem Bischof von Metz als ihrem Herrn 


zu schwören und zu huldigen. 
Weiland Bischof Conrad von Metz habe den Herrn Jörg Mark- 
sraf von Baden zum Coadjutor gewählt. 


. Jörg von Baden sei nach dem Tode des Conrad Administrator 


des Stiftes geworden. 
Die Saarburger haben anno 1459 dem Markgrafen Georg als 
Verwalter des Stifts Eid und Huldigung geleistet. 


. Ueber diese Huldigung sei ein Brief mit Stadtsiegel vorhanden. 
. In dem Briefe bekennen die von Saarburg, dass sie zu dem 


Stift Metz gehören und Eid und Huldigung leisten müssen. 


. Dass ein Bischof von Metz Oberherr in Saarburg sei und 


Saarburg ohne Mittel dem Stift unterworfen, gehe daraus her- 

vor, dass weiland Johann, Bischof von Metz, anno 1229 be- 

stimmt habe. was die Stadt zu thun und zu leisten habe, 

Stadtsatzung gemacht habe und Ordnung und Mass gegeben habe. 
16* 


20. 


21. 


22. 


[Le 
oo 


DD 
—] 


[#1] 


29. 


2} 


28. 


UD ) 


Mie 


>. Die von Saarburg haben sich dieser Satzung nicht geweigert. 


Haben solche vielmehr gutwillig angenommen und erkennen 
sich schuldig, derselben noch jetzt nachzuleben. 

Unrichtig sei, dass Saarburg sich selbst Satzung machen könne. 
Vor Zeiten hätten die von Saarburg sich dem Stift Metz zu 
entziehen unterstanden und den Bischof als ihren Oberherrn 
nicht anerkennen wollen. 


3 Deshalb seien dieselben durch Bischof na vor dem Reichs- 


hofgericht zu Konstanz verklagt. 


. Hofgericht habe darauf erkannt, dass die Stadt bischöflich und 


dass der Bischof Herr sein und bleiben solle. 
Gegen dieses Urteil sei nicht appelliert und dasselbe habe als 
res judicata Kraft erlangt. 


. Vor alten Zeiten hätten die von Saarburg sich ausserhalb des 


Stiftes Metz in Schutz und Schirm der Herren von Finstingen 
de facto begeben. 

Kaiser Karl IV. habe solche Handlung anno 1357, als dem 
Stift Metz nachteilig, dem Saarburg eigentümlich zugehöre, 
kassiert und aufgehoben. 

In diesem Rescript habe der Kaiser mit ausdrücklichen Worten 
anerkannt, dass die Stadt weltlich und geistlich allein der 
Jurisdietion des Stiftes unmittel unterworfen sei. 

Diesen Worten sei von wegen kaiserlicher Majestät und Hoheit 
völliger und ungezweifelter Glaube zuzumessen. 


3. Daraus dann folge, dass ein Bischof von Metz der Oberherr 


der Stadt Saarburg und letztere als Glied des Stifts demselben 
onmittel angehörig sei. 


_ In den Reichsabschieden sei heilsamisch und billig vorgesehen, 


dass jeder Stand bei seinen Rechten und Gerechtigkeiten, auch 
altem Herkommen gelassen werde. 


Die Stadt sei nicht eine Reichsstadt und nicht dem kaiserlichen 


Reich onmittel unterworfen. 


= Der kaiserliche Fiskal-Prokurator habe etliche Male die Stadt 


wider Recht und Herkommen in die Reichsanschläge gezogen. 


- Fiskal habe deshalb vor dem Kaiserl. Kammergericht Klage 


eingelegt. 

Die Stadt habe sich dann jedesmal an den Bischof, als an 
ihren Oberherrn, mit Bitte um Vertretung gewendet. 

Bischof habe dann jedesmal auf den Prozess sich eingelassen. 
Die von Saarburg hätten nie Reichssteuern erlegt oder gegeben. 


| 
| 
| 
1 
| 
| 


Es dé 


al. 


32. 


44. 
45. 


46. 


an — 


Daraus folge, dass die von Saarburg keine Reichsanlagen zu 
geben schuldig, selbst wenn sie dem Stifte Metz nicht zuge- 
hörten. 

Die Stadt sei bei ihrer Libertät zu belassen, da es unge- 
zweifelt, dass sie dem Stift Metz onmittel unterworfen. 


. Die Stadt sei seit undenklicher Zeit in ruhiger Possession vel 


quasi ihrer Libertät. 


. Dessen ungeachtet habe sich das Stift erboten, auf jüngstem 


Reichstag zu Augsburg wegen künftiger Anschläge mit den 
Reichsständen zu unterhandeln. 


D. Das sei mit dem Beding geschehen, dass die Freiheit vorbe- 


halten bleibe, wenn ein Vergleich nicht erzielt werde. 


. Der Reichstag habe beschlossen, diese Angelegenheiten des 


Stifts Metz an die Kommissarien im rheinischen Kreise zu 
verweisen, 


. so dass zu nächstem Kreistag des Stiftes Gesandten mit den 


Kommissarien verhandeln sollten, 


. inzwischen der Fiskal aber gegen das Stift Metz nicht weiter 


prozessieren solle, 


. dass das Stift seine Gesandten zum Kreistag geschickt habe, 
. welche dort um weitere Verhandlung nachgesucht, 

. wozu die Kreisstände Befehl gehabt. 

. Vergleich sei nur aus Mangel der Kommissarien nicht abge- 


schlossen, ohne dass das Stift an seinem Fleiss etwas er- 
winden lassen. 


. Fiskal könne demnach jetzt nicht procedieren, solange Stift 


Vergleichsverhandlung wolle. 

Des Stifts Gesandte hätten Vergleich aufs Höchste befördert. 
Fiskal könne deshalb jetzt nicht prozessieren, wie denn auch 
in einem anderen Prozess vor dem Kammergericht, die Unter- 
haltung desselben seitens der 3 Stifter Metz, Toul und Verdun 
betreffend, am 14. Januar 1550 ausgeführt sei, worauf Bezug 
genommen werde; 

da Saarburg ein Glied des Stifts, so könne Fiskal auch nicht 
gegen die Stadt procedieren. 


Der Schriftsatz schliesst mit der Bitte, zu erkennen, dass die 
Stadt dem Stift unmittelbar unterworfen und Reichsanlagen zu geben 
nicht schuldig sei. 


Nach längeren Verhandlungen über die vorgebrachten Vollmachten 
— der herzogliche Vertreter musste auch Vollmacht der Stadt bei- 


246 — 


bringen — und über die Frage, ob die Klageartikel formell richtig 
beantwortet seien, überreicht der Fiskal am 10. Januar 1551 Excep- 
tiones contra praetensos articulos defensionales, nimmt darin als geständig 
an, was ihm dienlich, weist dagegen ab, was gegen die Hoheit des 
Reiches gerichtet sei, und widerspricht den einzelnen Sätzen ausdrücklich. 

Am 5. September 1551 übergiebt dann der Metzer Anwalt eine 
Replik, welche wiederum die Behauptungen des Fiskals als unrichtig 
bezeichnet. Nachdem noch im gleichen Jahre mehrere, lediglich for- 
melle Sitzungen stattgefunden haben, ruht der Prozess bis 1554, in 
welchem Jahre am 30. Juni nun auch der Lothringer Anwalt seine 
natürlich die Klageartikel ablehnenden Defensionales übergiebt, sich zu 
deren Beweise erbietend. Der Inhalt derselben wird weiter unten bei 
der Beweisaufnahme mitgeteilt werden. Der Metzer Anwalt erbittet 
wegen der Kriegsläufe weitere Frist, der Bischof müsse erst zur Auf- 
nahme seiner Beweise Kommissare suchen, welche der deutschen 
Sprache mächtig seien, da doch wohl nicht werde gestattet werden, 
lateinisch zu verhandeln. Das Jahr 1555 verstreicht lediglich mit for- 
malen Sitzungen. Am 14. März 1556 überreicht der Fiskal dem Ge- 
richt, das inzwischen vorübergehend nach Esslingen gelegt war, Res- 
ponsiones auf die Defensionales und führt aus, die Sache sei zwar 
segen den Bischof von Metz rechtsanhängig, des Kaisers Majestät habe 
ihm aber auf Anhalten der Lothringer Vormünder (Herzogin Christine 
und Graf Nikolaus von Lethringen für den minderjährigen Herzog Karl) 
auf dem Augsburger Reichstage von 1551 durch Rescript (welches im 
Original mit eigenhändiger Unterschrift Karls V. und Siegel den Akten 
beigefügt ist) befohlen, auch die Vormünder wegen ihres angemassten 
Interesses im Prozesse zuzulassen. Er verneint dann die Behauptungen 
des Gegners und verlangt deren Beweis. Der Metzer Vertreter bean- 
tragt wiederholt längere Frist wegen der Kriegsunruhen, der Bischof 
habe alle zum Beweise nötigen Urkunden in Metz bergen lassen, 
welche Stadt jetzt von dem Könige von Frankreich eingenommen sei, 
und die bischöflichen Beamten in Vie könnten schon seit vier Jahren 
sich nicht über eine Viertelmeile von der Stadt entfernen, auch könnten 
Jetzt Beamte nicht reisen, wenn sie nicht von 300 oder 400 »Kürissern« 
begleitet seien, im nächsten Jahre werde voraussichtlich ein neuer 
Bischof ernannt sein und hoffentlich Friede zwischen dem Kaiser und 
dem französischen Könige hergestellt sein. 

Im November 1556 werden seitens der Lothringer Vertreter die 
Prokuratoren Waderos und Rudolf von Ensisheim als Kommissare zur 
Aufnahme der Lothringen obliegenden Beweise und im Mai 1557 die 


— 47 — 


Herren Philipp v. Niedbrücken, Amtmann zu Homburg, Bernhard 
Wölflin, nassauischer Rat, und Johann Strelf, Kellner in Saarwerden, 
als Metzer Kommissare für die dem Stifte Metz obliegende Beweis- 
aufnahme bezeichnet und 1558 vom Gerichte bestätigt. Im Jahre 1559 
hat dann der Metzer Kommissar Streff versucht, die Beweisverhand- 
lungen vorzunehmen, ist aber damit kläglich gescheitert, indem die 
zuerst nach Saarburg, sodann nach St. Nabor (St. Avold), ferner nach 
Finstingen und endlich zweimal nach Buckenheim geladenen Zeugen 
auf Betreiben des herzoglich lothringischen Rates Nic. de l'Escut (in 
einem deutschen Schriftsatze auch Niclas von Schildt genannt) jede 
Aussage verweigern, da solche ihnen vom Herzoge verboten sei. Der 
Kommissar berichtet, dass er nur deshalb das schon vorbereitete 
Strafmandat wegen Ungehorsams nicht publiziert habe, weil der herzog- 
liche Vertreter ihn bedroht habe, dass gegebenen Falls der Herzog 
_sich an seiner, des Streff, Person, Habe und Gut schadlos halten werde. 
Der Kommissar erläutert sein ganzes Vorgehen in eingehendem, weit- 
läufigem Berichte. 

Im April 1560 übergiebt dann der Fiskal seinerseits eine Pro- 
bationsschrift und trägt darin vor: 


Beide Gegner, Metz und der Herzog, seien nicht geständig, 
sondern wollten jeder die Stadt dem heiligen Reiche entziehen. 
Dagegen stehe fest, 

dass die Stadt in des Reiches Archiven und Kanzleien ein- 
geschrieben sei, 

dass glaubhafte kosmographische Historienbücher von dieser 
des heiligen Reiches Stadt Saarburg im Westrich ausdrücklich 
als unmittelbar zum Reiche gehörig Erwähnung thun, 

dass die Stadt bei den Nachbaren als Reichsstadt landkundig 
sei und letztere anderes von ihren Vorfahren nie gehört; 

deshalb könnten die ersten 2 Klageartikel nicht verneint werden. 

Die Stadt sei auch zu den Reichstagen immer geladen, so 
dass Schultheiss, Bürgermeister und Rat das Gegenteil nicht be- 
schwören würden. 

Es sei richtig, dass die Stadt auf den Reichstagen nicht er- 
schienen, aber sich durch den Bischof von Metz oder den Herzog 
von Lothringen habe vertreten lassen. 

Wesen des 5. Artikels berufe er sich darauf, dass Kaiser 
Maximilian auf dem Reichstage zu Worms 1495 verordnet habe, 
alle Register und Lehnbücher des Reichs zusammen zu bringen, 


ee 


und dass auf dem Reichstag zu Augsburg 1500 verordnet, die 
Reichsstände, die nicht erschienen seien, vor das Reichsregiment 
nach Nürnberg zu laden und zu gebührlichem Gehorsam zu 
mahnen. 

Wenn der Bischof von Metz sich rühme und durch seinen 
Anwalt behaupte, dass die Stadt Saarburg dem Stifte Metz unter- 
worfen sei, so sei dem kein Glauben zu schenken. 

Ebenso verhalte es sich mit dem Anspruche des Herzogs 
von Lothringen, vielmehr sei glaubhaft berichtet, dass die dem 
Reiche unmittelbare Herrschaft Finstingen sich vor einiger (weilcher) 
Zeit der Stadt Saarburg von des heiligen Reichs wegen 
mit Schutz und Schirm angenommen, nun seien die Herren aus- 
sestorben und Finstingen auf die Rheingrafen gefallen und auf 
noch andere ritterliche Reichsgeschlechter, die alle erblich an 
Finstingen Besitz haben und sich des gedachten Schutzes und 
Schirmes nicht sonderlich angenommen hätten, was doch alles 
unwidersprechlich darauf schliesse, dass die Stadt Saarburg nicht 
dem Bischofe oder Herzog, sondern unmittelbar dem Reiche zugehöre. 


Zu Art. 6, 7, 8 beruft sich Fiskal darauf, dass die Ordnung 


des heil. Reichs, die alten Reichsabschiede und die Verzeichnisse 
der Reichsstände die Stadt enthalten. 

Art. 9 werden die Kammergerichtsprotokolle ausweisen, dass 
die Stadt in den Anlagen begriffen sei. 

Art. 10 und 11 seien damit wahr gemacht, somit habe die 
Stadt ihren Anhang ohne Mittel zum Reiche und habe dabei zu 
verbleiben und sei schuldig zu zahlen, woraus folge, dass etwaige 
Schutz- und Schirmhandlungen des Bischofs oder der fürstlichen 
Durchlauchtigkeit zu Lothringen nur de facto geschehen seien. 

Die Stadt sei auch nicht befreit von Anschlägen, sondern das 
Reich in possessione vel quasi collectandi und die Stadt sei zu 
zahlen schuldig. 

Wenn die beiden Gegner, Bischof und Herzog, Anspruch er- 
heben, so widerspricht der eine dem andern und wenn sie Jetzt ihre 
Behandlungen beweisen wollen, so behalte sich Fiskal vor, da- 
segen das Gebührliche protestierend vorzubringen. 

Der Fiskal beantragt demnach, nach Inhalt seiner Klage zu 
erkennen, und selbst wenn einer der Gegner zu einer Exemption 
(Steuerfreiheit) befugt sein sollte, dass dann das die Stadt nicht 
berühre, dieselbe vielmehr dem heiligen Reiche verbleibe und zu 
zahlen schuldig sei. 


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— 249 — 


Am 17. August 1560 übergiebt dann der Lothringer Vertreter eine 
verschlossene Schrift, deren Eröffnung er aber einstweilen auszusetzen 
bittet. Es ist dies der von den Ensisheimer Beamten für Lothringen 
aufgenommene Beweis, der einen besonderen Band von 772 Folioseiten 
mit zahlreichen Anlagen bildet. 


Von September 1560 an wird dann darüber verhandelt, was auf 
den missglückten Metzer Beweis zu thun sei, und endlich beschliesst 
1561 das Gericht, die seitens Metz vorgeschlagenen Zeugen direkt nach 
Speyer zu laden, um sich hier wegen ihres Ungehorsams zu verantworten, 
ihnen auch zu befehlen, neuer Ladung des Kommissars Streff Folge zu 
leisten, endlich dem Herzog von Lothringen bei hoher Strafe (50 Mark 
Goldes) aufzugeben, die Zeugen nicht zu hindern. Die erfolgte Zu- 
stellung dieses Gerichtsbeschlusses an die Zeugen in Saarburg, sowie 
an des Herzogs Vertreter in Nancy (zugestellt dem Schreiber des Herrn 
v. Hassonvil, Namens Glade, auf der Schwindel-Stege vor des Herrn 
v. Hassonvil Gemach) ist bei den Akten. Zu einem weiteren Beweis- 
verfahren für den Bischof ist es aber nicht gekommen, weil am 
15. Juni 1562 des Bischofs Anwalt anzeigt, dass der Bischof alle Hoch-, 
Ober- und Gerechtigkeit an der Stadt Saarburg dem Herzoge von 
Lothringen übergeben und abgetreten habe. Er beantragt deshalb Ab- 
weisung der Klage gegen den Bischof, der Fiskal dagegen, und wohl 
mit Recht, Urteil, dass fortan der Bischof für ewige Zeiten in dieser 
Sache stillzuschweigen habe. Im Januar 1563 wird dann das Lothringer 
Beweisprotokoll publiziert und dieses im Juli 1563 dem Fiskal zugestellt. 

Damit schliesst der eigentliche Prozess. Bei den Akten befindet 
sich aber noch ein eigenhändig unterzeichnetes Schreiben des Kaisers 
Rudolf II. vom 6. März 1601 an den Fiskal, in welchem auf Grund 
einer beigefügten neueren Beschwerde des Herzogs Karl von Lothringen 
darüber, dass der Fiskal fortfahre, von Saarburg Reichsbeiträge zu 
fordern, Bericht verlangt wird. In dem hierauf erstatteten Berichte 
an den Kaiser vom 5. April 1601 führt dann der Fiskal aus: 


Der Prozess habe 1549 begonnen, seitens des Fiskus sei aber eine 
schlechte Probationsschrift übergeben, welche durchaus nicht bewiesen 
sei; die vernommenen Zeugen hätten höchstens ausgesagt, dass sie von 
den Alten gehört hätten, Saarburg sei etwa vor Zeiten Reichsstadt ge- 
wesen, gehöre aber seit über Menschengedenken zum Herzogtum und 
habe dem Reich unmittelbar nie einen Heller bezahlt, quasi possessio 
sei also zuzugestehen. Das Reich stütze sich nur auf die Reichsmatrikel 
von Worms vom Jahre 1521, in welcher die Stadt zu 2 zu Ross 


Ban. = 


und 9 zu Fuss angelegt sei, könne aber keinen einzigen actus posses- 
sorius der erhobenen Steuer nachweisen, jedenfalls sei Saarburg im 
Westreich als Schlüssel und Vormauer des Landes Lothringen seit 
Menschengedenken von aller Steuer befreit und in quasi possessione 
libertatis. Es sei nicht zu ersehen, wie diese über Menschengedenken 
dem Herzogtum Lothringen zuständige Stadt dem Reiche contribuiren 
solle; wie in possessorio, so sei auch in petitorio nichts zu erhalten, 
da die Stadt nie contribuirt und deshalb nach dem Regensburgischen 
Reichsabschied von 1548 bei freiem Sitz unturbirt zu lassen sei. Des- 
halb, weil man im geringsten nicht fundirt sei und anders nicht denn 
endliche Verlustigung zu erwarten habe, sei man, um Schimpf, Spott 
und Schanden zu verhüten, bei Zeiten von dieser baufälligen Sache 
abgestanden und habe dieselbe tacite fallen und sitzen lassen. 


Cum laudandus sit animus lites execrantis et sibi in 
tempore prospicientis, id tenta quod potes, ne ponderis onere 
pressus succumbat labor et frustra tentata relinquas. 


Der Fiskus habe dem umsomehr nachgelebt, als der Vertrag mit 
Lothringen auf dem Reichstag zu Nürnberg anno 1542 die Ansprüche 
des Reichs ganz und gar zu Boden stosse, indem die Eigenschaft von 
Saarburg als Reichsstadt und mehrmalige Zahlung von Reichsanlagen 
nicht zu erweisen sei. 

Nur um des Reiches Praesumtion zu wahren, habe er bei jeder 
Gelegenheit und insbesondere nach Beschlussfassung über Türkenhülfe 
auf den Reichstagen von 1594 und 1598 die Stadt Saarburg ad videndum 
vor das Kammergericht geladen, auf Excipiren der Gegenpartei duplieirt, 
auf Repliciren tripliciret, habe aber schlechte Hoffnung etwas zu erhalten, 
da kein actus possessorius perceptarum collectarum vorhanden, auch die 
Stadt nie auf Reichstagen erschienen, Session und Votum gehabt, Reichs- 
hülfe ihresteils bewilligt und jemals erlegt habe. 

Der Kaiser möge nun ermessen, was zu thun sei, wenn er in 
seiner Kanzlei nicht andere Beweismittel habe, so werde im Recht 
nichts zu erhalten sein. 

Die Namen Saarburg und Saarbruck würden durcheinander ge- 
braucht und man könne nicht wissen, welche Stadt in der Reichs- 
matrikel gemeint sei. 

Er habe alle Akten und Urkunden gelesen, aber nicht eines nestel- 
werths Beweises gefunden, deshalb billig‘ die Stadt unturbirt zu lassen. 


Seitdem scheint die Stadt wegen der Reichsanlagen nicht weiter 
in Anspruch genommen zu sein. 


er — 


Aus dem Ausgange des Prozessverfahrens erhellt schon, dass auch 
in dem Beweisverfahren vor den Ensisheimer Beamten irgend welche 
Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt jemals Reichsstadt gewesen, wie 
ja denn auch nach unserer heutigen Kenntnis nicht anders zu erwarten 
war, nicht zu Tage getreten sind. In der That bieten denn diese 
Beweisverhandlungen für die Behauptung des Fiskals weiter nichts, 
als dass einige ältere Personen von Dritten gehört haben wollen, dass 
man früher erzählt habe, die Stadt sei vor alten Zeiten reichsunmittelbar 
gewesen, dass ferner die Stadt in einem neueren gedruckten Werke 
als Reichsstadt genannt werde, ohne dass es noch feststehe, ob damit 
die hier in Frage kommende Stadt oder eine andere gleichen Namens 
gemeint sei. 

Dagegen hat das Beweisverfahren das negative Ergebnis gehabt, 
dass die Vertreter des Herzogs mit viel Geschick sowohl durch Zeugen- 
aussagen als durch eine grosse Anzahl beigebrachter Urkunden und 
endlich durch den Augenschein in Saarburg selbst den vollen Beweis 
dafür erbracht haben, dass thatsächlich die Stadt schon lange unter 
der Botmässigkeit der Herzöge stand. 

Endlich ist das Beweisverfahren aber auch für die Geschichte 
der Stadt von Bedeutung, indem durch die Verbriefung in dem Beweis- 
protokolle uns mancherlei Thatsachen und Vorgänge erhalten sind, 
deren Kunde ohnedem wohl verloren gegangen sein würde. Deshalb 
bietet dieses Protokoll auch heute noch ein lebendiges Interesse. 

Das Beweisverfahren schliesst sich sachlich streng an die bereits 
erwähnten, von dem Lothringer Anwalte am 30. Juni 1554 eingereichten 
Defensional-Artikel an, deren Wortlaut in 25 Punkten der folgende ist : 

Zunächst wird Protestation gegen Gericht erhoben, der Herzog 
will sich nur soweit eingelassen haben, als er zu thun schuldig: Kläger 
müsse erst beweisen, dass die Stadt schuldig; jedenfalls sei dieselbe in 
quasi possessio libertatis; zum Ueberfluss stellt er folgende Sätze auf 


1. Dass Fiscal ausdrücklich Bürgermeister und Rat der Stadt 
Kaufmannssarbruck verklagt habe. 

2. Die Stadt in Lothringen heisse nicht Kaufmannssarbruck, 
sondern einfach Sarburg. 

3. Die Stadt habe niemals einen Bürgermeister, sondern stets 
einen Schultheiss und Rat gehabt und noch. 

4. Es gebe viele Städte, die Sarburg und Sarbruck heissen und 
unterschiedlich seien. 


ee 


5. Schultheiss und Rat von Sarburg seien nicht geladen, sondern 
nur Bürgermeister und Rat. 


6. In der Reichsordnung sei vorgesehen, dass allein die in des 
Reichs Anschlägen zu begreifen, welche keiner andern Herrschaft, 
sondern dem Reich unmittelbar unterworfen. 


7. Die Stadt sei von Alters her dem Herzogtum Lothringen in- 
corporirt und einverleibt. 


8. Die Stadt habe dem Herzog als ihrem rechten Herrn geschworen 
und erkenne ihn noch als solchen. 


9, In der Stadt habe der Herzog allerlei hohe und niedere Ober- 
keit, Buss und Frevel und allein die Delinquenten zu begnadigen. 


10. In der Stadt habe der Herzog einen besonderen Amtmann, der 
dort zu gebieten und verbieten habe. 
11. Die Bürger zu Sarburg halten sich für lothringisch. 


12. Haben allezeit und noch dem Herzogs als einzigem Herrn in 
Krieg und sonst als Unterthanen zu dienen und das gethan. 

13. Herzog hatte und hat in der Stadt alle Ringmauern, Türme 
und Posten inne. 

14. An den Stadtthoren standen immer und noch nur die alten 
lothringischen Insignia und sonst kein ander Wappen. 

15. Die Stadt hat alle Freiheiten vom Herzog und kein andre als 
lothringische Fähnlein. 

16. Die Stadt hat alle Lehen von Lothringen und weder Stimme, 
noch Stand, noch Lehen vom Reiche und ist nie Reichsstadt 
gewesen. 

17. Die Stadt ist Eigentum des Herzogtums Lothringen und in 
dessen Anschlägen begriffen. 

18. Wer nicht in den Anlagen und Zahlregister angeschrieben, ist 
auch zu zahlen nicht schuldig. 

19. Stadt steuert nur dem Herzog und hat nie dem Reich Steuer 
gegeben. 

20. Nach neustem Augsburgischem Abschied seien diejenigen, so hievor 
eine Anlage nicht gezahlt haben, als in possessione vel quasi 
possessione libertatis vor endlichem Austrag der Sache zu 
Zahlung nicht anzuhalten. 

21. Die Stadt Sarburg habe nie etwas gezahlt und sei also in 
possessio vel quasi libertatis. 

22. Herzogtum Lothringen habe sich mit der Kaiserl. Majestät und 
Reichsständen hierüber schon vereinigl. 


9x2 
— 255 — 


5. In diesem Vertrag sei das Herzogtum mit allem Zugehör, als 


ein frei uneingezogenes Herzogtum anerkannt. 


. Das Herzogtum mit allem, was dazu gehört, sei laut dieses 


Vertrages mit Ausnahme eines besonderen Falles von der 
Jurisdiction des Reichs ganz quit, ledig und los. 


9. Da die Stadt ein Zubehör des Herzogtums, so könne Prozess 


nur gegen das Herzogtum gerichtet sein. 

Demgemäss werde beantragt: Zu erkennen, dass die Stadt 
nicht Kaufmannssarbrück, sondern Sarburg genannt, dem Herzog- 
tum Lothringen unmittelbar als Glied angehöre und gar nicht 
dem Reiche unterworfen sei, in dessen Anschläge nicht gehöre 
und nichts zu zahlen schuldig sei. 


Diesen gegenüber hat der kaiserliche Fiskal ausser 8 sogenannten 
gemeinen Fragstücken über Alter, Stand, Vermögen, Landesangehörig- 
keit, Bedeutung einer Zeugenaussage, Beredung, Verabredung und dergl. 
noch 15 besondere Gegenartikel aufgestellt und zwar: 


1. Ob die Stadt Kaufmanns-Saarbrück an der Saar liege. 


6. 


. Ob die Gegend nicht Westerreich genannt werde, und die 


Stadt Kaufmanns Saarbrücken im Westerreich und nicht in 
Lothringen. 


. Ob es eine Brücke über die Saar gebe, nach der die Stadt 


auch Kaufmanns Saarbrücken von etlichen Leuten geheissen 
werde, und ob es eine andere Stadt Saarburg in Lothringen 
gebe. 


. Woher und weshalb die Stadt den Zunamen Kaufmanns Saar- 


brücken gehabt habe. 


. Ob die Stadt von den Bürgern und von den Nachbarn, von 


Adligen und Andern als eine Stadt des heil. Röm. Reichs an- 
gesehen werde und bisher gehalten sei. 

Ob die Stadt in deutschen Chroniken als eine Reichsstadt, 
Kaufmanns Saarbrück in Westerreich, bezeichnet sei. 


. Ob nicht allein die Herzöge von Lothringen, sondern auch ein 


Bischof von Metz und die Herrschaft Finstingen sich des 
Schutzes und Schirmes und anderes an und in dieser Stadt 
angemasst habe, ob Zeuge darüber Urkunden gelesen oder gehört. 


. Ob nicht der Bischof von Metz selbst dem Herzoge von Loth- 


ringen einiger Gerechtigkeit in der Stadt »nicht verständig« 
sei: sich selbst Recht anmasse und die Stadt Kaufmanns Saar- 
brück nenne. 


er 


9. Was Zeuge wisse über die angemasste Gerechtigkeit des Her- 
zogs von Lothringen und des Bischofs von Metz in der Stadt 
und woher und auf was Titel. 

10. Ob Zeuge gehört habe, dass sowohl die Stadt selbst, als Kaiser, 
König und Reich dem Herzog oder dem Stift Metz kein Recht 
zugestehe. | 

11. Ob Zeuge in der Stadt keine Anzeichen kenne, wie Reichs- 
adler, gemalt oder anders, welche beweisen, dass die Stadt 
Reichsstadt sei. 

12. Ob die Stadt nicht den Reichsadler als Insiegel für sich und 
andere Gewerbe führe. 

13. Ob Zeuge wisse, dass die Stadt von Alters her zu Reichs- 
versammlungen wie andere Städte eingeladen und gefordert sei. 

14. Ob Zeuge wisse, dass die Stadt sich auf solchen Versamm- 
lungen habe vertreten oder entschuldigen lassen. 

15. Ob Stadt nicht von Kaisern und Königen Privilegien erhalten 
habe und noch geniesse. 


Ueber jeden einzelnen dieser zahlreichen Sätze haben die Ensis- 
heimer Beamten den Beweis zu erheben. | 

In ihrem dickleibigen Beweisprotokoll beginnen sie mit dem Be- 
richte, dass sie, dem Auftrage des Gerichts folgend, sich am 4. März 
1560 nach Zittersdorf bei Saarburg, gräflich Salmscher und v. Lands- 
bergscher Herrschaft, begeben haben. Sie bekunden dann, mit welcher 
Eidesformel sie die einzelnen Zeugen verpflichtet haben, geben Abschrift 
ihres reichskammergerichtlichen Auftrags sowie der Beweisartikel des 
Herzogs und der Stadt, bekunden die an den Fiskal ergangene Mit- 
teilung über die beabsichtigte Beweisaufnahme und geben Abschrift der 
Antwort desselben und der von demselben aufgestellten Artikel, nehmen 
die Vollmachten der Vertreter des Herzogs (Generalprokurator Bertrand 
Hungari' de Bernay und Rat Nicolas de l’Escut), sowie des Saarburger 
Schultheissen Volmar und des Stadtschreibers Eber in das Protokoll 
auf, ebenso Schreiben des ausgebliebenen Zeugen Deutsch-Ordens- 
Comthur v. d. Fels, der ohne Befehl des Deutschmeisters nicht er- 
scheinen will, und eines richterlichen Dekrets, worin die Beweisfrist 
um einige Monate verlängert wird, und beginnen alsdann mit dem 
Verhör der Zeugen, deren 104 erschienen sind. 

Da jeder einzelne Zeuge über jeden einzelnen Artikel gefragt 
wird, also z. B. 104 Male schriftlich bezeugt wird, dass die Stadt 
Saarburg an der Saar liege, und da die Protokollierung so gewissen- 
haft ist, dass, wenn ein Zeuge über einzelne Artikel nichts weiss, noch 


hinzugesetzt wird, dass ihm dann darüber Stillschweigen auferlest werde, 
so ist es begreiflich, dass die Zeugenvernehmung allein 374 Seiten 
einnimmt. Von den 104 Zeugen sind 3 Adlige und Beamte benach- 
barter Herrschaften, 15 Bürger aus Saarburg, 6 aus anderen Orten des 
Herzogtums Lothringen, 1 aus dem Stifte Metz und die übrigen Unter- 
thanen des Bistums Strassburg, der Klöster Vergaville und St. Quirin 
und der benachbarten Herrschaften der Rheingrafen, Leiningen, Nassau, 
Oberstein, der Pfalzgrafen, Johanniterritter und der Herren von Fon- 
tenov, von Lützelburg, von Hassonville und von Sebach. 

Aus dem Inhalte der Zeugenvernehmung sind vor allem die Aus- 
sagen über die Rechte des Bischofs und des Herzogs in der Stadt be- 
achtenswert. Fünf Zeugen, darunter zwei Saarburger Bürger, die 
übrigen Unterthanen der Rheingrafen, der Herren von Lützelstein und 
Lützelburg, sagen nahezu übereinstimmend aus, dass Schultheiss und 
alle Gerichtsleute in Saarburg Bürger der Stadt sein müssen, der Herzog 
habe Zwing und Ring sowie den Griff, die Leute gefangen zu setzen, 
die Bussen für Frevel an den Thoren, von Nachtgeschrei und freiem 
Markt und einen Zoll auf der Strasse; der Bischof aber habe den 
Maulstreich und den Blutring, d. h. die Bussen von Schlägereien und 
die Execution der zum Tode Verurteilten, während wieder dem Her- 
zoge allein die Begnadigung der Uebelthäter zustehe; in der Stadt habe 
der Schultheiss das niedere, der Herzog aber das hohe Gebot und 
Verbot. Die Stadt müsse dem Bischof 100 Mark und für jedes Haus 
1 Simmer Hafer (Vogthafer) jährlich zahlen, sei dem Herzog gegenüber 
steuerfrei, müsse diesem aber Kriegsdienste leisten, aber auf des Her- 
zogs Rossen. Dass diese Dienste thatsächlich geleistet sind, wird durch 
Anführung der auf Befehl und unter dem Herzog mitgemachten Kriegs- 
züge gegen Franz v. Sickingen, gegen das von den Saarburgern unter 
dem Herzog gebrochene »Raubhaus« Windstein, gegen Drachenfels. 
im sogen. Schafesserkriege bei St. Pilt, im Bauernkriege und in ver- 
schiedenen Zügen gegen Metz und die Franzosen vor Metz bestätigt. 

Mehrfach wird Saarburg geradezu als der Schlüssel des Herzog- 
tums, ohne welchen es um das Herzogtum übel bestellt sein würde, 
bezeichnet, auch bezeugt, dass der Lothringer Landtag von Saarburg 
stets beschickt werde, wie denn auch dem Herzoge, wenn er nach 
Saarburg komme, die Schlüssel der Stadt entgegen getragen werden 
und jeder neue Herzog um Bestätigung der Stadtfreiheiten gebeten 
werde. — — 

Nach Abhörung der Zeugen folgt in dem Beweisverfahren eine 
grosse Reihe von Urkunden, welche die Lothringer Vertreter zum Be- 


Bu 


weis ihrer Behauptungen vorzeigen und welche sämtlich in beglaubigter 
Abschrift und, soweit der Urtext französisch ist, in deutscher Ueber- 
setzung, denen meist der französische Text als Anlage beigefügt ist, 
in das Beweisprotokoll aufgenommen sind, wobei jedesmal derjenige 
Artikel der Beweissätze bezeichnet ist, für dessen Bewahrheitung die Ur- 
kunde vorgebracht wird. Die Urkunden dienen deshalb zum Teil für recht 
nebensächliche Fragen, z.B. ob die Stadt Saarburg oder Saarbruck genannt 
werde, ob sie einen Bürgermeister oder Schultheissen habe und dergl. 
mehr. Nichtsdestoweniger ist vielfach der Inhalt der etwa 130 Urkunden 
von sachlichem Interesse für die Lokalgeschichte der Stadt. Der Zeit 
nach verteilen sich die Urkunden auf die Jahre 1241 bis 1556. 

Die älteste Urkunde (in lateinischer Sprache) verbrieft eine After- 
pachtung von der Abtei zu Neuweiler gehörigen und der Abtei Beaupre, 
Diöcese Toul, zur Nutzung überlassenen Gütern in Hilbesheim, Rieding 
und Herlendingen an Siegfried von Herlendingen und die Brüder Albert 
und Hey von Hilbesheim, und war mit dem Stadtsiegel von Saarburg 
(Sarebone) versehen, welches denn auch einer zweiten, dieselbe Pachtung 
betreffenden, von Albert, Gottfried und Gerwald v. Ereldingen im 
Jahre 1317 ausgestellten Anerkennungsurkunde angehängt ist. 

Eine Urkunde von 1247 über Ackerverkauf in Vritingen und 
Bubelshowen, ebenfalls mit Stadtsiegel (sig. universitatis civium de 
Sarburch), erwähnt bereits einen Schultheiss Wipert (scultetus), Schöffen 
(scabinus) und Geschworene (jurati). 

Die Uebertragung des Patronatsrechts der Kirche zu Saarburg von 
den Herren von Saarwerden auf Dekan, Kapitel und Kanoniker dieser 
Kirche (decano, capitulo et canonicis), welche von Bischof Jacob an 
dieselbe gesetzt worden sind, bezeugt eine Urkunde des Klerikers 
und Pastors der Saarburger Kirche, Fridericus de Sarwerde, vom 
20. Februar 1258, ausgestellt in Gegenwart dreier Brüder des Deutsch- 
herrn-Hauses, des dominus Rudengerus miles de Sarwerde, des Procu- 
rator de Sarburg, des Schultheissen und anderer, und die bischöfliche 
Genehmigung dieser Uebertragung durch Bischof Johann von Flandern 
ist in einer Urkunde von 1280 verbrieft, die zugleich darüber Aus- 
kunft giebt, dass Friedrich v. Saarwerden seine Stelle aufgegeben hat, 
um sich zu verheiraten. 

Aus dem XIV. Jahrhundert ist eine Bulle des Papstes Clemens, ge- 
seben zu Avignon am 2. December im 8. Jahre seines Pontifikats, also 
entweder von 1312 (Clemens V.) oder von 1349 (Clemens VI.) oder 
vielleicht sogar von 1385 (Clemens VIL), interessant, in welcher der 
Dekan der Metzer Kirche beauftragt wird, die Gütervergebungen von 


sui ae 


Bag 


Dekan und Kapitel der Kirche von St. Stephan in Saarburg zu unter- 
suchen und die unrechtmässiger Weise hinausgekommenen Güter der 
Kirche zurückzugewinnen. 

Ausser der Stephanskirche, über welche noch mehrere andere Ur- 
kunden Auskunft geben, erhalten die Urkunden Nachrichten über die St. Ni- 
colaus-Kirche (Ablassbrief eines päpstlichen Nüntius von 1480), über die 
Elenden-Kapelle, die Deutschherrn, die Minderbrüder Sti. Franeisci, die 
Klosterfrauen Predigerordens auf dem Weyer (de vivario), über Beghinen, 
Klostergut von Hessen, von Weidersdorf (Vergaville) und von Lixheim. 

Als Deutsch-Bellis, Oberbeamte der Herzöge in Deutsch-Loth- 
ringen, werden erwähnt: Wernher von Flevil, Friedrich von Flers- 
heim, Dietter von Leiningen, Jacot de Haracourt und Philipp von Daun 
und Oberstein; als Statthalter und Amtmänner der Herzöge in Saarburg 
selbst: Egenolf von Lützelburg 1468 und 1470. Volmars Hannsen von 
Dieuze 1480 und 1483, Heinrich von Lützelburg 1489 bis 1492, 
Philipp von Heringen 1503 bis 1508 und 1532, Friedrich von Lützel- 
burg 1508—1531 und wiederum 1538—1550, Junker Wolfgang Stein- 
furt 1553 und 1537, Collin Ferber als Amtsbefehlshaber 1538, Bern- 
hard von Lützelburg, Sohn Friedrichs, mit dem Vater seit 1544 und 
selbständig 1553, zu welcher Zeit er in der St. Nicolaus-Kirche dem 
Schultheiss den üblichen Eid leistet und darauf von diesem namens 
der Stadt den Gehorsamseid entgegennimmt. 

Von den Herzögen werden Johann v. Calabrien und dessen Sohn 
Nicolaus nur in einer Urkunde Renés IL erwähnt, während selbständig 
Urkunden, und zwar in grosser Zahl (ca. 50), ausgestellt haben die Her- 
zöge: René IL, Anton, Franz und die Vormünder für Karl IL, Her- 
zogin Christine von Dänemark und Mailand und Graf Nicolaus von 
Vaudémont. Es fehlt auch nicht eine vollständige Abschrift des Nürn- 
berger Vertrages von 1542 zwischen König Ferdinand und dem Herzog 
über die Stellung des Herzogtums zum Reiche und eine Bestätigung 
derselben durch Kaiser Karl V., d. d. Brüssel, 4. Juli 1549. Ein be- 
sonderer herzoglicher Notar in Saarburg mit des Herzogs »Tabellions- 
siegel« ist von 1468 an durch eine Reihe von Urkunden nachweisbar. 
Aus allen diesen Urkunden geht die thatsächliche Ausübung der Hoheits- 
rechte hervor. Nicht nur bestätigen und erweitern die Herzöge darin die 
Freiheiten der Stadt, laden dieselbe auf ihren Landtag, fordern Steuern 
und Abgaben, auch von der Kirche die preces primarias, d.h. das 
Recht der Besetzung der ersten nach dem Regierungsantritt frei wer- 
denden Pfründe, sondern sie gebieten auch über die Bewachung der 
Thore und Mauern, über Einlass und Durchzug fremder Kriegsknechte, 

17 


über Umgiessen einer alten Kanone (Karthaune), und endlich greifen 
sie in die Rechtsprechung ein, gebieten und verbieten weitere Prozess- 
führung, treffen Anordnungen über die Besetzung des Gerichts und 
sprechen in zahlreichen Fällen Begnadigung für Vergehen und selbst 
schwere Fälle von Totschlag u. dergl. aus. 

Dass die Stadt, wie bekannt, zur Zeit der Eroberung des Herzog- 
tums durch Karl den Kühnen von Burgund dem Herzoge treu blieb, 
bezeugt die vergebliche Ladung des burgundischen Statthalters (Deutsch- 
Bellis) 1475 und 1476, welche dreimal wiederholt wird, und in ehren- 
vollster Weise der 1476 vom Herzog René der Stadt erteilte Gnadenbrief, 
welcher ausdrücklich erwähnt, dass Saarburg allein von allen Orten des 
Herzogtums bei der Einnahme des Landes durch den Herzog von Bur- 
sund treu geblieben sei, und dass er von Saarburg aus das Herzogtum 
wieder erobert habe, aus Dank für die brave Haltung Saarburgs bestä- 
tige er daher nicht nur des Herzogs Johann Freiheitsbrief, sondern 
bestimme ferner, dass alle Einwohner und Einwohnerinnen der Stadt 
für alle Zeit von allen Zöllen in ganz Lothringen frei sein sollen, mit 
dem Rechte, überall im Lande zu kaufen und zu verkaufen, und end- 
lich, dass die Saarburger mit ihrem Banner und Leuten in seinen und 
seiner Nachkommen Feldzügen stets die ersten bei ihm sein sollen in 
Erinnerung daran, dass durch sie das Herzogtum wieder erobert ist, 
dabei sollen sie aus der herzoglichen Küche und Kellerei vor allen 
Andern mit Lieferungen zu ihrer Genüglichkeit versehen werden. — 
Diesen Gnadenbrief bestätigen dann später Herzog Anton 1523 »ange- 
sehen dass er es ihnen bei seinem sieglichen Zuge gegen die Luther- 
schen Aufrührer von der Bauerschaft (Bauernkrieg) zugesagt habe«, 
und 1549 die Vormünder für Herzog Karl, jedoch mit dem Zusatze 
»doch in alle Weg hierin unsers Sohnes und Vetters Hochobrigkeit, 
Recht und Jurisdiction in allen Dingen vorbehalten«. 

Die Freiheit, überall im Herzogtum Handel zu treiben, auswärtige 
Frauen zu heiraten und von den benachbarten Grundherren und 
Städten nicht beschwert zu werden, wird von der Stadt eifrig gewahrt. 


Wiederholt wird deshalb bei dem Herzoge Beschwerde geführt, die 


vielfach auch gewünschten Erfolg hat. 

So bieten diese Urkunden!) eine Fülle von Material für die Ge- 
schichte der Stadt und natürlich auch über viele einzelne Familien, 
Kleriker, Patrizier und Bürger, deren Namen als Zeugen, als Beamte 
und als Selbst-Handelnde zahlreich genannt sind. 


') Ein Teil der interessanteren Urkunden ist hierunter abgedruckt, von den 
übrigen sind Regesten gegeben, welche Herr Dr. Hund freundlicher Weise besorgt hat. 


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Endlich wird der Beweis noch durch richterlichen Augenschein in 
der Stadt selbst vervollständigt. Hier wird festgestellt, dass der Rat 
alljährlich auf Montag nach Lichtmess erneuert wird und dann dem 
Herzog zu schwören hat. Die Kommissare beschreiben dann die ihnen 
vorgezeiglen Stadtsiegel, und zwar deren zwei, ein silbernes mit den 
drei Hirschhörnern und der Umschrift »S. Senatus Burgensium de 
Sarburg« und eines von Messing mit der Umschrift »Sarburg«; ferner 
das Tabellionssiegel mit dem Lothringer Wappen »der 3 Vögel: und 
der Umschrift »S. Tabell. ducis Lothr. in Sarburg«. Von allen werden 
Abdrücke in grünem Wachs genommen und in einer hölzernen Büchse, 
die leider heute verloren ist, dem Beweisprotokolle beigefügt. 

Alsdann werden die Fahnen und Banner besichtigt und be- 
schrieben und zwar: 


1. Ein alt zerrissenes Arrest-Banner, das hat auf einer Seite 
zwischen zwei gelben Strichen drei weisse Vögel, die sie zu 
Latein Aleriones nennen, und ist darüber quer mit weissen 
Buchstaben geschrieben Sarburg; auf der andern Seite sind 
drei weisse Hirschhörner, von denen das mittelste Horn vier, 
die andern beiden jedes drei Zinken hat, und darum ist mit 
weissen Buchstaben »Sarburg« geschrieben; das ganze Banner 
ist mit roten, gelben und blauen Franzen eingefasst. 

2. Ein Banner von Schillertaft, auf einer Seite zwischen zwei 
gelben Strichen drei weisse Vögel, darum in weiss »Sarburg« 
geschrieben, auf der andern Seite drei weisse Hirschhörner mit 
Zinken und Umschrift wie auf dem ersten Banner. 

3. Eine grosse rote Fahne, auf einer Seite ein gelbes lothrin- 
sisches Kreuz, auf der andern Seite drei Hirschhörner mit Zinken 
wie oben. Die Kommissare unterlassen nicht, die Banner in 
Farben und Zeichnung genau abzumalen und legen die noch 
vorhandene Abbildung ihrem Berichte bei'). 

Schliesslich wird eine Anschlagssäule gefunden, an welcher Man- 
date des Herzogs angeschlagen sind, ein Stadtbrunnen bei der Metzig 
besichtigt, auf dem ein Fähnlein mit dem Lothringer Wappen einerseits 
und dem Stadtwappen anderseits schwebt; auch ein Fenster in der 
Stadtkirche zeigt ein »altfränkisches« Schild mit drei Hirschhörnern im 
roten Felde. Am Rathause neben der Uhr sind zwei Wappen, eines 
von Lothringen, das andere drei goldene Lilien in blauem Felde mit 
rotem Querbalken (wohl Anjou); beide sind in beigefügten Abbildungen 


1) Abdrucke sind im Anhang beigefügt. 


260 — 


erhalten, ebenso zwei Wappen auf der Trinkstube am Hofer Thore, das 
eine lothringisch ohne Mittelschild, das andere die drei weissen Hirsch- 
hörner in rotem Felde mit wildem Manne und wilder Frau als Schild- 
halter. Am Hofer Thore selbst und am Saarthor sind Lothringer Wappen 
in Stein gehauen, auch diese in Abbildung erhalten‘). Am Lixheimer 
Thor endlich wird nur »ein klein lothringischer Schild« gefunden. 

Von Insignien der Reichsunmittelbarkeit, insbesondere vom Reichs- 
adler, findet sich keine Spur. 

Es ist nach diesem Ergebnisse der Beweisaufnahme nur zu er- 
klärlich, dass der kaiserliche Fiskal- kein Bedürfnis hatte, den Prozess 
durch richterliches Urteil zu Ende zu führen; den Anschauungen der 
Zeit entsprechend wollte er vermeiden, das Reich mit seinen Ansprüchen 
förmlich abgewiesen zu sehen, liess vielmehr den Prozess einschlafen, 
ohne die Rechtsansprüche des Reichs ausdrücklich aufzugeben. Dieselben 
wurden vielmehr, wie damals so manche sogenannte Prätensionen staats- 
rechtlicher Natur, durch gelegentliche neue Aufforderungen der Stadt zur 
Zahlung der Reichsanschläge formell noch längere Zeit aufrecht erhalten, 
bis dann das Herzogtum Lothringen und mit demselben die Stadt Saar- 
burg fast alle Bande lösten, welche sie mit dem Reiche verknüpften. 

Wenn demnach der langwierige Prozess nach unseren heutigen 
Anschauungen in seinem eigentlichen Zwecke verfehlt war, so hat er 
doch den erfreulichen Erfolg gehabt, uns und insbesondere den Lokal- 
forschern der Saarburger Stadtgeschichte eine reiche Quelle guter und 
zuverlässiger Nachrichten zu werden. Dass diese Quelle von berufener 
Seite recht ausgebeutet werde, dazu mögen auch diese kurzen Mit- 
teilungen anregen. 


Urkunden und Regesten aus den Akten des Prozesses über die 
Reichsunmittelbarkeit der Stadt Saarburg). 


1. Abt und Convent von Beaupre verpachten mit Zustimmung des Abtes von 
Neuweiler Güter in Hilbesheim, Rieding und Herlendingen. 1241. 


In dei permissione abbas Novilariensis omnibus praesentes literas inspecturis 
salutem in perpetuum. Noverint generatio haec et futura, quod cum abbas et 
conventus Belliprati quandam terram a nobis sub censu viginti denariorum 
possiderent apud Helbycheym et apud Rygdingen et apud Herlendingen, nostra 


') Abdrucke sind im Anhang beigefügt. 

>?) Hinsichtlich der Vereinfachung der Orthographie bei den deutschen 
Stücken ist zu bemerken, dass eine solche nur bei den widersinnigen doppelten n 
am Wortende und vor Konsonanten vorgenommen wurde. Und auch hierbei 
blieben die Eigennamen ausgeschlossen. 


— 261 — 


voluntate et assensu eandem terram sub censu triginta solidorum annualim infra 
octavas pasce persolvendorum dietus abbas voluntate convenlus sui concessit 
Syfrido de Horlendingen et Alberto et Hey fratri eiusdem Alberti de Helbycheym, 
ita quod isti tres censum predictum solvere tenebuntur annuatim, quam diu vivent, 
_ et quando unum eorum decedere contigerit, alter per voluntatem abbatis, qui tunc 
 _erit in Belliprato, loco defuncti substituetur, qui ad predictum censum solvendum 

integraliter tenebitur, ista inter predietos tres forma servata, ut semper quilibet 

in integrum teneatur. Sciendum vero, quod si infra quindenam pasce censum 
_ solvere predictum aliqua negligentia omiserint, pro emenda abbati vel eiusdem 
… successoribus tenebuntur in decem solidis, quod si abbas vel eius successores 
extradictam terram vendere invadiare vel alio aliquo') modo alienare sive per se 
— vel alios quoslibet excolere voluerint, dicti homines vel eorum successores in 
à perpetuum nihil iuris nihil reclamationis in dicta terra habere poterunt, hoc solo 
4 excepto, quod si abbas qui tunc erit dietam terram vendere voluerit, ipsis primo 
offeret, et si emere voluerint vel potuerint, XX solidis mitius quam aliis dabitur. 
Ut vero haec pactio constans et inconvulsa permaneat, Novilariensis abbatis et 
archipresbiteri de Sarebone et communitatis ville de Sarebone sigillis hec presens 
pagina roborata in ecclesia Belliprati conservabitur. Acta sunt hec anno ab in- 
carnatione domini millesimo ducentesimo quadragesimo primo. 


bl. 220. M. Bez.-A. Wetzl. Reichskammergerichtsakten, Lothr. Beweisprotokoll. 


2. Sibilla, Witwe von Siegfried, ihr Sohn Gero und ihre Töchter Salmena und 
Mathilde verkaufen einem Wiricus mit Zunamen Ramiclen Güter in Vritingen und 
Bubelshowen. 1247 Juli. 


Quae geruntur in tempore, ne simul labantur cum tempore, solent poni in 
voce testium et literarum memoriae commendari. Sciant igitur tam futuri quam 
praesentes presens scriptum inspecturi, quod ego Sibilla relieta Sifridi bone 
memorie et Gero filius meus et filie meae, videlicet Salmena et Mettildis, et alii 
heredes nostri communi consilio et consensu vendidimus Wirico qui dieitur 
cognomine Ramiclen et heredibus suis agrum situm apud Vritingen continentem 
undecim iugera et dimidium iugeri apud Bubelshowenn pro quindecim libris 
Metensibus perpetuo quiete pacifice et sine omni contradictione possidendum et 
habendum. Ne quis autem postmodum ipsum Wiricum vel haeredes suos in 
predicto agro impetat vel impediat, obligaverunt se pro nobis fideiussione eorumdem 
Wirieus?) Vogelhundt?) et Folmarus sororius meus pater videlicet filii et filiarum 
mearum hoc tenore, quod ipsi tenentur deponere omne impedimentum, sicut ius 
predictabit, quod dietus Wiricus vel haeredes sui habebunt. Sciendum, quod ego 
Sibilla et praefati pueri mei, videlicet Goero, Salmena et Mettildis, in iudicio 
resignavimus eundem agrum et abrenuntiavimus assignantes eum sepedicto Wirico 
et haeredibus suis iure haereditario possidendum. Huic venditioni et resignationi 
interfuerunt viri honesti et discreti: Wipertus scultetus, Folmarus scabinus, Hugo 
ultra Saram, Otto Faber, Burckhardus Schlep, Folmarus Blanchart iurati et ali 
quam plures cives de Saburch. Nec non et in eiusdem rei testimonium fecimus 

1) Hs. wiederholt alio. 

°) Hs. Wiricum. 

3%) Vogelhundt von anderer Hand eingetragen, 


En 


praesentes literas sigilli universitatis civium de Sarburch munimine roborari. Actum 
anno domini MCC XL septimo, mense iulio. 


BI. 224. 


3. Friedrich von Saarwerden bestätigt die von seinem Bruder Heinrich, Graf 
von Saarwerden, und seiner Mutter Agnes gemachte Schenkung des Patronats der 
Kirche von Saarburg an die von Bischof Jacob von Metz an dieselbe Kirche ge- 
setzten Kanoniker. 1258 Febr. 20. 


Ego Fridericus de Sarwerde clericus pastor ecclesie de Sarburg Metensis 
diocesis notum facio universis, quod ego donationem seu concessionem juris 
patronatus eiusdem ecclesie de Sarburg, quam Henricus comes de Sarwerde frater 
meus et domina Agnes mater nostra divine remunerationis intuitu et pro remedio 
animarum suarum et antecessorum nostrorum fecerunt viris venerabilibus decano 
capitulo et canonicis predicte ecclesie de Sarburc ibidem per venerabilem patrem 
dominum Jacobum dei gratia Metensem episcopum de novo institutis, nec non 
vendicionem omnium iurium proventuum seu redituum, que vel quos idem H. 
comes et predicta mater nostra habebant in banno predicte ville de Sarburc tam 
extra murorum ipsius ville ambitum quam infra, factam eisdem decano capitulo 
et canonicis, prout in literis super hoc confectis sigillis dicti comitis et matris 
nostrae predicte sigillatis plenius continetur, ratas et gratas habeo et consensum 
meum super his plenarium adhibeo et favorem, promittens firmiter, quod donationem 
seu concessionem et venditionem predictas per me vel per alium ullatenus non 
infringam nec in premissis vel aliquo ipsorum de cetero aliquid reclamabo. Quod 
ut ratum et firmum permaneat, presentes literas sigillo meo dictis capitulo et 
canonicis tradidi roboratas. Datum anno domini M CC Lo septimo, X kal. martii. 
Huic consensui cum fieret interfuerunt viri providi et discreti: frater Arnoldus, 
frater Henricus de Schalkenbach, frater Hugo habitantes apud Sarbure in hospitali 
quod spectat ad domum Theuthonicorum; adfuerunt dominus Rudengerus miles 
de Sarwerde dictus Rufus et procurator de Sarburc scultetusque eiusdem loci 
et plures alii fide digni et honesti. 


Bl. 2240—225r, 


4. Johann von Flandern, Bischof von Metz, weist den Dekan von St. Stephan 
in Saarburg in den Besitz der gleichnamigen Kirche daselbst ein. 1280 Aug. 21. 


Nos Joannes filius comitis Flandrie dei gratia Metensis episcopus, Brugensis 
et Insulensis prepositus ac Flandriae cancellarius notum facimus universis, quod 
vacante ecclesia sancti Stephani de Sarburg per matrimonium Federici de Sar- 
werde, cuius ecclesie ius patronatus et bona pertinebant ad decanum capitulum et 
canonicos eiusdem ecclesie per donationem comitis de Sarwerde et eius matris 
et confirmationem bone memorie Jacobi Metensis episcopi nec non per assensum 
ecclesie beati Stephani Metensis, misimus decanum sancti Stephani de Sarburg 
nomine totius capiluli eiusdem loci et mittimus in possessionem corporalem 
ecclesie de Sarburg supradicte, ita tamen quod dicta ecclesia debitis non 
fraudetur obsequiis ac animarum cura in ea nullatenus negligatur. In cuius rei 
testimonium sigillum nostrum praesentibus est appensum. Datum anno in- 


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— 265 — 


carnationis dominice millesimo ducentesimo octogesimo, die Mercurii post 
assumptionem beate virginis. 


Bl. 219v. 


5. Der Comtur und die Brüder des Deutschen Hauses in Saarburg haben 
Johanni Gerico nato quondam Erbonis Blenchart burgensi in Sarburg einen jähr- 
lichen Zins von 2 sol. Sarburg. den. und 4 Kappen auf einem Haus und Garten 
in Buthelingen bei Saarburg für 40 sol. Sarburg. den. verkauft. Es siegelt: frater 
Wiricus de Homburg commendator provincialis fratrum domus Theothonice per 
Lotharingiam. A. d. M CC° nonagesimo secundo, feria quinta ante festum sancti 


Martini hiemalis. 1292 Nov. 6. 
Bl. 226. 


6. Gottfridus dietus Schoff und dessen Frau Metza, burgenses in Sarburg, 
bekennen, dass sie auf Grund einer von Schoffs Schwiegervater Hetzelo scultetus 
gemachten auf der Remelinger Mühle gelegenen Jahrzeitstiftung jährlich 15 sol. 
Sarb. den. an das Kapitel zu St. Stephan in Saarburg, an die Minderbrüder da- 
selbst und an die Schwestern de vivario prope Sarburg zu zahlen haben. Sigillum 
iuratorum et ville de Sarburg presentibus est appensum. A. d. millesimo 
ducentesimo nonagesimo octavo, in crastino epiphanie domini. 1299 Jan. 7. 


Bl. 237 r—238r. 


7. Albert, Sohn des Boymund, Gottfried, Sohn des Siegfried, und Gerwald, 
Sohn des verstorbenen Rembold von Ereldingen, beurkunden, dass sie von den vom Kloster 
Beaupre gepachteten Gütern in Hilbesheim, Rieding und Ereldingen jährlich 3 Pfund 
Touler Pfennige zu entrichten haben. 1317 Aprü 26. 


Noverint universi presentes literas inspecturi, quod nos Albertus natus 
Bovmundi, Gotefridus natus Sifridi et Gerualtus natus Remboldi quondam de 
Ereldingen de tota terra, quam religiosi viri abbas et conventus monasterii 
Belliprati Cysterciensis ordinis Tullensis diocesis habent et habere debent apud 
Hilbechem apud Rüdingen et apud Ereldingen nobis ad vitam nostram dimissam 
ab eisdem religiosis pacifice et quiete possidendam, tenemur dietis abbati et con- 
ventui vel nuncio ipsorum libere solvere annuatim infra octavam paschae apud 
Sarburch nomine census tres libras Tullensium denariorum in Nansevo '!) usualium 
et dativorum, et dum unus nostrum decesserit, alii duo superstites solvere tenebuntur 
dictas tres libras sicut prius, et quando unus ex nobis duobus superstitibus 
abierit, alter nostrum solus remanens predictas tres libras Tullenses integraliter 
tenebitur solvere ut supra, quo ultimo defuncto tota terra supradicta post de- 
cessum omnium nostrum trium scilicet Alberti Gotfridi Gerualti libere pacifice et 
sine contradictione aliqua cum integritate ad monasterium Belliprati predictum 
revertetur. Et sciendum, quod si predictas tres libras Tullenses infra octavam 
pasche solvere neglexerimus predictis religiosis vel eorum certo mandato, tenebimur 
eis solvere nomine emende in crastino octavarum pasche dictas tres libras 
Tullenses duplicatas. In quorum testimonium et robur sigilla discretorum 
virorum domini Wirici decani ecclesie Sarburgensis, domini Joannis archipresbiteri 


') Hs, Nausegio. 


— 264 — 


et communitatis ville de Sarburch ad nostram petitionem presentibus sunt appensa. 
Actum et datum anno domini M CCC decimo septimo, in crastino sancti Marchi 
evangeliste. 

Bl. 220 0—221r, mit dem Vermerk: der stat Sarburg sigel daran auch sunst 


zween. 


s. Bruder Rudolphus de Wasichenstein, Comtur des Deutschordens in 
Lothringen, hat mit Zustimmung des Deutschen Hauses in Saarburg dem Priester 
Johann, dem Sohre des Andreas genannt Barat von Saarburg, und der Margarete, 
der Schwester Johanns, des Dekans der Saarburger Kirche, seinen Anteil an der 
Saar-Mühle von Dalheim, im Banne von Hove, sowie ein Wiesenstück im Banne 
von Sarrukeslingen] für 8 Pfund Saarburger Pfennige verkauft. A.d. M CCC XX 
secundo, feria tertia post dominicam qua cantatur Laetare Jerusalem. 1323 März$. 


Bl. 225r—226r. 


9. Papst Clemens [V.] [VI] [VII.]*) beauftragt den Dekan der Metzer Kürche, 
die Gütervergabungen von Dekan und Kapitel.der Kirche St. Stephan in Saarburg zu 
untersuchen und die unrechtmässiger Weise hinausgekommenen Güter der Kirche zurück- 
zugewinnen. [1312] [1349] [1385]*) Dec. 2 Avignon. 


Clemens episcopus servus servorum dei dilecto filio decano ecclesie Metensis 
salutem et apostolicam benedictionem. Ad audientiam nostram pervenit, quod tam 
dilecti filii decanus et capitulum ecclesie beati Stephani in Sarburg Metensis 
diocesis quam predecessores eorum decimas terras possessiones domos vineas 
hortos prata pascua nemora molendina silvas piscarias stagna grangias lacus iura 
iuridictiones et quedam alia bona ipsius ecclesiae datis?) super hoc litteris con- 
fectis et inde publicis instrumentis interpositis iuramentis factis renuntiationibus 
et poenis adiectis in gravem ipsius ecclesie lesionem nonnullis clericis et laicis 
aliquibus eorum ad vitam quibusdam vero non modicum tempus et aliis perpetuo 
ad firmam vel sub censu annuo concesserunt, quorum aliqui dicuntur super hoc“) 
confirmationis literas in forma communi a sede apostolica impetrasse. Quia vero 
nostra interest super hoc de oportuno remedio providere, discretioni tue per 
apostolica scripta mandamus, quatenus ea quae de bonis ipsius ecclesiae per 
concessiones huius modi alienata inveneris illicite vel distracta, non obstantibus 
litteris instrumentis iuramentis poenis renunciationibus et confirmationibus supra- 
dictis, ad ius et proprietatem eiusdem ecclesiae legitime revocare procures contra- 
dictores per censuram ecclesiasticam appellatione postposita compescendo. Testes 
qui fuerint nominati, si se gratia odio vel timore subtraxerint, censura simili 
appellatione cessante compellas veritati testimonium perhibere. Datum Avinione 
III. non. decembris, pontificatus nostri anno octavo. 


DI. 219. Am Ende der Vermerk: »ist more Romano mit bley besiglet«. 


1) Da es bei dieser Ueberlieferung des Stückes vorderhand wenigstens zweifel- 
haft bleiben muss, von welchem der drei avignonesischen Päpste dieses Namens dasselbe 
ausgegangen, so seien hier alle drei mit ihren in. Incarnationsjahre aufgelösten Ponti- 
ficatsjahren nebeneinander gesetzt. 

?) In Hs. fälschlicher Weise in data verbessert. 


3) Hs. huius. 


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10. Gardian und Convent des Klosters der Minderbrüder zu Saarburg und 
die Klosterfrauen des Klosters von dem Weiger bei Saarburg, sowie Heinrich 
Schumacher und dessen Ehefrau Engelein, Struben Tochter, Bürger zu Saarburg, 
haben dem Schultheissen und dem Rate und der Gemeinde von Saarburg den 
zur einen Hälfte dem Kloster der Minderbrüder und zur andern dem Kloster von 
dem Weiger und dem genannten Ehepaar gehörigen sog. Straubengarten, der ge- 
legen ist >ausswendig des fürburgs uber Sarn bey der ellenden capellen, einseit 
an Burckhart Schelps mate, und die ander seit an der ehegenannten statt Sarburg 
allmendt« für 8 Pfund Pfennig verkauft. Es siegelt ausser dem Gardian der 
Minderbrüder und den Klosterfrauen von dem Weiger: Nicolaus Pistor, der dechan 
der kirchen sanct Steffans zu Sarburgk, für das Ehepaar. Uff sanct Gallen tag 
des heiligen apts 1412. 1412 Oct. 16. 


Bl. 226v—228v. 


11. Herzog Karl II. von Lothringen erteilt denen von Saarburg die nach- 
gesuchte Erlaubnis, mit der Stadt Strassburg ein Bündnis auf zwei Jahre eingehen 
zu dürfen. 1414 Sept. 8. 


Wir Karl hertzog zu Lothringen und marggrave thundt kund allermenigklich 
mit disem brieffe, das wir umb bette willen hant gegünnet und erlaubet den 
von Sarburg, das sy sich mögent vereinigen und verbinden zu der stat von 
Straspurg zwey jar nechst nach einander komende, zu wissende nemblich von 
ignoten unser frauwen tage nativitatis nechst komet uber zwey jar, also das in 
der selbigen verbundtnus und vereinungen sy sollent usgenomen gegen den von 
Strasburg disen nach geschreiben articul, der also anfahet: ouch nement wir von 
Sarburg hierinne us den allerdurchleuchtigisten unsern gnedigen herrn den 
Romischen künig und den durchleuchtigisten hochgebornen forchtzamen fürsten 
unsern gnedigen herren von Lothringen, wez sache das sy krieg gewonnent mit 
der stat von Straspurg oder die eegenanten stat krieg gewonne mit den eegenanten 
unsern gnedigen herren, das wir von Sarburg zu beyden seitten den krieg ledig 
sollent stan die vorgenanten zwey jar us, also das die eegenanten unsere gnedige 
herren sich nit behelfen sollent uss der statt zu Sarburg wider die eegenante 
stat Straspurg noch auch die egenante statt Straspurg in derselben massen wider 
unsern eegenanten herrn von Lothringen. Des zu urckhundt so hant wir Karle 
hertzog zu Lothringen vorgenanten unser ingesigel an disen brieff thun henckhen, 
der geben wardt uff unser frawen tage nativitatis des jars also man zalt von 
gottes geburte vierzehenhundert und vierzehen jar. 


BI. 270r—271r. 


12. Ulrich Losell, der Meister und der Rat zu Strassburg, bekundet, dass 
seit seinem Gedenken die von Saarburg in ihren Briefen an Meister und Rat der 
Stadt Strassburg niemals anders denn » Schultheiss und Rat zu Saarburg < geschrieben 
und auch sie ihre Briefe immer an »Schultheiss und Rat zu Saarburg« gerichtet 
haben, 1417 Juli 20. 


Wir Ulrich Losell, reytter, der meister und rathe zu Straspurg thun kundt 
menglichen mit disen brieff, das uns kundt und wissendt ist von langen zeiten 
und jaren her, dann als wir das nit fürdenckht, wann je meisteren und räthen 
unser stette zu Straspurg von uns guten freunde der stat zu Sarburg wegen ge- 


— 200] 4 


schreiben ist, das sich dann die von Sarburg in ieren mysseyven geschreiben 
und intituliert haben und noch huet bey tage thunt: schultheis und rath zu 
Sarburg, des gleich wenn unser vordern rathe oder wir den von Sarburg habendt 
sethon schreyben oder noch thun schreiben, das sollich misseyven geschreyben 
seynt und werden: schultheis und rath zu Sarburg. So seindt auch besonder 
wir und die von Sarburg bey den dreyssig jaren in vereinter verbrieffter freundt- 
schafft mittenander gewesen, in solchen versigelten brieffen sey sich auch ge- 
schreyben und intituliert haben: schultheis und rath zu Sarburg, und sprechen 
das, als hohe wir das billich sprechen sollen. Und das alles zu einem waren 
urckhundt und vester gezeugnus, so geben wir disen brieff versigelt mit unser 
stat ingesigel gehenckht an disen brieff, der geben ist uff den nechsten zinstag 
vor sanct Marien Magdalenen tag anno domini millesimo quadringentesimo decimo 
septimo. 
Bl. 2280 —229v. 


13. Hanns Duchscherer und dessen Ehefrau Gele, Bürger zu Saarburg, be 
kennen, dass sie Hans genannt Kuchbels, Hanns von Niderweyller und Stoffele 
dessen Ehefrau, Bürger zu Saarburg, ihr halbes Haus und ihre halbe Scheuer 
selegen zu Saarburg in der Winden burne gasse neben Margarethen Colmeissen 
seligen Erben und einer den Klosterfrauen von dem Weiger gehörigen Hofstatt, 
um 2 Pfund Pfennige verkauft haben. Besiegelt durch: Nicolaus Pistornn den 
dechan und herrn Johannsen den leutpriester der kirchen sanct Stephan zu Sar- 
burg. In der heiligen weinachtswochen 1417. 1417 Dec. 26—1418 Jan. 1. 


BI. 2210-233. 


14. Dekan und Kapitel der Kirche von St. Stephan in Saarburg, und 
Reimoldt Adelhardt, Schultheiss von Saarburg, vergleichen sich über den zwischen 
ihnen streitigen Besitz der »Burckhardt Schelbes mathe, gelegen vor Sarburg auf 
der Saren rirent an den graben des fürburgs genanten Ybersarn<. Auf den nechsten 


zinstag vor dem heiligen ostertag 1419. 1419 April 11. 


Bl. 2290—233r. 


15. Herzog Karl [II.]') von Lothringen schreibt an Schultheiss, Rat und 
sanze Gemeinde der Stadt Saarburg, dass sie seinen Kaplan Johannes von Frey- 
burg in die Stadt zu dessen Schwager Wygermann einlassen sollen. Derselbe sei 
abgebrannt und könne nur bei den Seinen wohnen. Sie könnten ihn ja vorher 
in die Hand seines Burggrafen in Dieuze oder in ihre Hand schwören lassen, dass 
er seinen Schwager in keinerlei Weise in dessen Streit mit der Stadt beraten 
wolle. (Geben zu Nancey uf montag nechst vor sanct Martinstag. 

/1590—1450] Nov. (4—10) Nancy. 

Bl: 2820—283 v. 


') Herzog Karl IIl. dürfte ausgeschlossen sein. In dem Bande findet sich 
nur ein einziges Stück von Um, und dieses bezieht sich unmittelbar auf den Prozess. 
Das ist aber auch bei allen übrigen gleichzeitigen Stücken der Fall, so dass auch bei 
einer grösseren Anzahl von ihm stammender dasselbe erwartet werden möchte. 


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207 


16. Schultheiss, Rat, Heimburge und Vierzigmänner der Stadt Saarburg ver- 
zichten auf ihren Anteil an dem Montagopfer auf dem Heilig-Kreuzaltar in der St. 
Stephanskirche und empfangen dafür in Zukunft den Chrisam unentgeltlich. 1446 Febr. 1. 


Wir dechan und cappittel des stifftes und kirchen sanct Steffanns zu Sar- 
burg kundt thun aller menglichen, als die ersamen wevsen schultheis rath heim- 
burge und die viertzig mannes von der gemeindt stette wegen zu Sarburg untz 
har einen theill an dem möntag oppfer uff des heiligen kreutzes altare oben uffe 
in der egenanten unsere kirchen gehabt handt, und als nun die eegenanten 
schultheis rath und ein jeglicher heimburger von der stette wegen alle jar jar- 
lichen zu den heiligen osteren solichen krisemen, so dann die gemeine stat ieres 
in der eegenanten sanct Stephanns kirchen bedurffende seindt, umb einen jeg- 
lichen ertzpriester zu Sarburg lössen mussen, do beckkennen wir uns in disem 
gegenwärtigen brieff, das von nun heinan forther solichen kriseman alle jar 
jarlichen imermer und ewiglichen ein iegklicher ertzpriester, oder dem dan zu 
der zeit solicher kriseman zugehört oder zu bezallende gepurt, von der egenannten 
stat wegen jarliche us zu richtende und zu bezallende in unseren costen und mit 
unserm geldte, one utschit!) dar umb oder do von an die eegenanten von 
Sarburg zu fordern noch zu heischen onne alle geferde; und darumb und dar 
gegen sollen wir vorgenanten dechan und cappittel und alle unsere nachkomen 
der obgenanten kirchen solichen theil, so dan die vorgenanten von Sarburg untz 
har an den obgenanten montagoppfher uff des heilligen kreutzes altare gehabt 
handt, nun heinanforther zu ewigen tagen uff heben haben besitzen und geniessen 
sollent freündtlich und getreuwlich ungehindert von den obgenanten schultheisen 
schäffen rath noch der gantzen gemeinde zu Sarburg noch allen ieren nachkomen 
one alle geferde. Und alle dise vor und noch geschreyben dinge handt wir ob- 
genanten dechan und cappittel gelobet und globent mit gutten treuwen in ieder 
stat vor uns und alle unser nachkomen stete feste und unverbrochenlich zu 
haldten und die vorgenanten von Sarburg sollicher vorgenanter bezalunge des 
krisemes werschafft zu tragende alle jar jarlichen uffe uns und allen unseren 
nachkomen, als es dann recht und gewonlichen ist in semlichen dingen, auch 
nimer heer wider zu redende noch zu thunde mit gerichte noch ussenwendig 
gerichtes geistlich noch weldtlich noch schaffen gethon noch geredt werden in 
dheine weise one alle geverde. Und des zu einem waren urckhundt, so habent 
wir obgenanten dechan unnd cappittel unsers cappittels ingesigel zu gezeugnus 
an diesen brieff gethon henckhen, uns und alle unsere nachkomen zu ubersagende 
aller deren vorgeschreiben dinge; der geben wardt uff sanct Brytien tag in dem 
jare als man zaldte noch gotts geburt tausend vierhundert viertzig und funf jarr. 

BI. 2330—2355r. 


17. Der deutsche Bailli Wernher von Flevil teilt Schultheiss und Rat zu 
Saarburg mit, was er beim Landvogt über die Stellung des Herzogs von Lothringen in 
dhrer Sache mit dem Pfalzgrafen erfahren hat. 1454 Juni 7. 


Den ersamen schultheis und rath zu Sarburg meinen gutten freündt. 
Mein freündtlich grus zuvor, ersame liebe freundt. Ich bin uff heut an 
etlichen endt bey mein junckherrn dem landvogt gwesen und mit ime und andern 


') Hs. utzschins. 


— 268 — 


von euwern wegen geredt als von der sache zwüschen mein gnedigen herrn dem 
pfaltzgraffen und euch. Daruff ist sein antwurt gewesen, mein gnediger herr der 
hertzog auch seine räthe in seiner gnaden abwesen habent mein gnedigen herrn 
dem pfaltzgraffen darumb geschreiben, und zu letsts sey meins herrn des 
hertzogen begirde gewesen, das mein gnediger herr der pfaltzgraffe den unwillen 
gegen euch abstellen welle. Sein gnade hette mit euch so veil geredt, das ir 
hünnen fürt der graffen von Lützelstein und der ieren missig geen und sy iren 
wandel zu Sarburg in ewer stat nit mer günnen solten zu haben, als villich vor- 
geschehen were, nit desto minder komen innen vor, dieselben von Lützelstein 
reitten nach hutbetage in ewer stat us und in, und were es meiner gnaden dem 
hertzogen zu eeren und willen nit vermieden worden. Er were euch so lang 
nit ubersehen, und hat mich gepetten, solchs meiner gnedigen herrschafft vor 
zu bringen. So ferre ir aber noch hutbetage der graffen von Lützelstein und der 
ieren miessig geen woldten und sy nit also in ewer stat hielten, so sollen ir 
unwiellens von mein herrn dem pfaltzgraffen uberhebt sein, geschehe aber das 
nit, so sey nit zweyffels, mein herr der pfaltzgraffe habe auch woll stete und 
schlosse, do er den genen, die euch nit guts günnen, auch mege günnen ieren 
pfennig zu zeren, und euch die eere, ir ime gethon handt, wider lassen geschehen, 
und hat an mich begert inen ewer meinung verschreiben wissen lassen, sich dar- 
nach zu richten. Daruff wegen ir reit haben und mit eweren willen wider 
schreiben. Geben uff freytag vor dem pfinstag a. etc. LITE, 
Wernher von Flevil ritter deutsche belis. 


Bl. 248 r—249r. 


18. Der deutsche Bailli Wernhardt von Flevil an Johann Wildgrafen zu 
Dunne und zu Kirberg, Rheingraf und Landvogt: Auf das Schreiben, das er nach 
ihrem Zusammensein am letzten Freitag in Finstingen an die Saarburger ge- 
geschickt, hätten ihm diese geantwortet: Wenn sie einigen durchziehenden Leuten 
des Grafen von Lützelstein Zehrung gewährt hätten, so hätten sie damit nichts 
gegen den Pfalzgrafen thun wollen; sie hätten dasselbe auch gethan, wenn Leute 
des Pfalzgrafen durchgekommen wären. »Als nun zirenne der graffen von Lützel- 
stein diener vor Lützelstein etlich gedacht und zugriffe gethon, daruff in ier 
stat komen und sy des gewiss worden seint, haben sy zu innen griffen, sy ires 
ungefuges zu strafen, haltend sy noch gefenglich, da bei zu verstende sey, das 
sy gein myns herrn des pfaltzgraffen gnaden zu unbillicheit und anders vorge- 
tragen und dargeben werdent dann an ime selbs sie.« Seit der Herzog von 
Lothringen dem Pfalzgrafen ihretwegen geschrieben, hätten sie sich von dem 
Lützelsteiner ferngehalten und auch demgemässen Befehl an ihren Thoren erteilt. 
Sie würden sich fernerhin sicher so verhalten, dass der Pfalzgraf ihren guten 
Willen erkennen würde. Auch hätten sie ihrem Mitbürger, genannt Bellins Hensel, 
einem Helfershelfer des Lützelsteiners, schon bedeutet, dass er, falls der Pfalz- 
graf es wünsche, die Fehde abzustellen und zu versprechen habe, dem Lützel- 
steiner in dem Krieg gegen den Pfalzgrafen nicht beizustehen. Dasselbe wollten 
sie auf Wunsch des Pfalzgrafen auch mit einem gewissen Schram thun, der, in 
einer persönlichen Fehde mit dem Pfalzgrafen stehend, eine Saarburgerin ge- 
heiratet und nur selten in ihre Stadt komme, und im Falle der Weigerung ihn 
für die Zeit des Krieges aus ihrer Stadt verweisen. Mit Willen des Pfalzgrafen 


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wollten sie auch die bei ihnen gefangenen Knechte des Lützelsteiners gegen Ur- 
fehde »ledig zahlen<. Er befürwortet letzteres und bittet um Antwort. Geben uff 
den pfingst montag anno domini LI. 1454 Juni 10. 


BI. 249r—251r. 


19. Johann, Wildgraf zu Thaune und zu Kerberg, Rheingraf und Unter- 
landvogt zu Elsass, an den deutschen Bailli Wernher von Flevil: Er habe das 
Schreiben bezüglich der Saarburger erhalten und werde es, sobald wie möglich, 
dem Pfalzgrafen übergeben, um ihm dann dessen Meinung kund zu thun. Geben uff 
dornstag nach dem pfingstag anno domini LIT. 1454 Juni 13. 


BI. 251 r—252r. 


20. Jörge Schutze, wohnhaft zu Ingweiler, im Namen seiner Ehefrau 
Engellen Kigeneckhin: verkauft dem »Volmars Hannsen von Dhuse thabellion 
daselbst und auch zu Sarburg unsers herrn des hertzogen zu Lothringen secretari 
statpfleger zu Dhus zu Linde zu Mersall und zu Medewich sowie dessen Ehefrau 
Madalenen Honsell, Billichins dochteren von Sarburgk, alles des erb eigentschaft 
und gutte, so die ernanten frawe Engel von den Kageneckhen, den Quynkern, 
den Remnickenn und andern ieren vorfaren ererbt hat und an sy komen ist in 
der stat zu Sarburgk und in dem banne daselbst und darnach in andern dorffern 
und bennen in einer meilen wegs lang und breyt darumb, auch zu Pollstorff und 
in der landschaft und gegenen, wo das gelegen ist«, einschliesslich der Stiftung 
auf St. Fabian und St. Sebastiansaltar in der Stephanskirche zu Saarburg für 
260 Rhein. Goldgulden. Besiegelt mit dem Tabellionssiegel des Herzogs von Loth- 
ringen. Zeugen: Junckher Egenolff von Lützelburg, stathalter zu Sarburg, 
junckher Hans Hoffewart von Kerthey, und die würdigen herrn herre Michel 
Rossenlocher, kirchherr zu Ingwvller und ertz priester des obberen hoffs, des 
dann dem vorgenanten George Schutzen von dem edellen junckher Ludwigen 
herren zu Liechtenburg von wegen frauwe Engellenn Kageneckhen künden diesse 
ding zu verhandellen zugeben ist, und herrn Reymoltzs teutsche ordens verseher 
unser lieben frawen zu Offennweyller und die ersamen Ludmann Puntzigkh schoffen 
zu Sarburg. Den 6. tag im meyen 1468. 1468 Mai 6. 


BI. 257 v—262r. 


21. Junker Ferry von Aboncourt und Johann Challion, Bürger zu Metz, 
von wegen Contessen, seiner Ehefrau, bekennen, dass sie dem Volmars Hannsen 
von Dhuse, des Herzogs von Lothringen secreten thabellion zu Dhuse und zu 
Sarburg, und dessen Ehefrau Magdalene ein Feldstück, gelegen zu Saarburg vor 
dem Hofer Thor, für 4 Pfd. Strassburger Pfennig verkauft haben. Besiegelt mit 
dem herzoglichen Tabellionssiegel. Uff den zwölften tag februario 1469, nach 
gewonheit Metzer bystumps. Zeugen: Siffrit vom Hoffe und Ordungen Andris; 
Has, kremer von Dhuse, wonende zu Sarburg, und Jaicquemyn Piere, Johann 
Chayllions knecht. 1470 Febr. 12. 

BI. 262r—264v. 


22. Junker Ferry von Aboncourt hat dem Junker Egenolf von Lützelburg, 
Statthalter von Saarburg, und dessen Ehefrau Elsen von Heringen seine aus der 


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Erbschaft seines Vetters Hetzel Adelhardt herkommenden Güter in Saarburg und 
drei Meilen darum nebst Gerechtigkeiten in Sarrixingen, Biebingen und Niederweyler 
für 300 Rhein. Goldgulden verkauft. Besiegelt mit dem herzogl. Tabellionssiegel. 
Uff den 22. tag in dem monat martii 1469, nach gewonheit Metzer bysthumbs. 
Zeugen: Junker Heinrich von Wildspurg, Johann Regart, Junker Ferrins obgenant 
reissich knecht, Hanns von Regstat genant Schultheis und Mörlin genant Bern- 
hardt, meins herrn von Metz bott, wonende zu Wych. 1470 März 22. 
Bl. 266r—270r. 


23. Christmann Schnider, Claus Schniders son, von Saarburg, wohnend 
zu Hittingen, hat dem jungen Joffriten, einem Metzger, und Greden, dessen Frau, 
das Lempschen Gut und mehrere Wiesenparzellen zu Swexingen vor dem Gericht 
von Swexingen für 20 Rhein. Gulden verkauft. Es siegelt der lothringische Ta- 
bellion. Uff den XVIten tag in dem monat aprilis 1472. Zeugen: Volmers Niclaus 
und Jörg Schnider, burger zu Sarburg, Contzenn Heinsell der meyer und Ludemann 
der schöffen zu Swexingen und Jorg Schnider von Sarburg, wonende zu Lixheim. 

1472 April: 16. 

BI. 240v—242v. 


24. Herzog Rene II. von Lothringen schreibt an Dekan und Kapitel von 
St. Stephan in Saarburg, die nächste freie Pfründe an Hennemann von Vergawille, 
Pfarrer in Zittersdorf und Kaplan an der St. Eustachiuskirche in Vergaville, zu 
verleihen. 1473 Sept. 25 Neufchäteau. 


Dux Lotharingiae. Venerabiles ac nobis dileeti. Quandoquidem nobis constat 
industria idoneitate ac bonis moribus preditum esse quendam dilectum nostrum 
Hennemanum de Wargaville parochum in Ziderstorf et capellanum in ecclesia 
sancti Eustachii in prefato oppido Wargaville, ideo cupimus illi conferri aliquod 
beneficium in aliquo nostrorum oppidorum nostri ducatus Lotharingiae, presertim 
illi conferri prebendam in vestra ecclesia de Sarburg. Quapropter rogamus et 
petimus serio ea authoritate, que nobis competit per totum nostrum ducatum 
Lotharingiae in omnibus ecclesiis ad primarias nostras preces, prebendam primo 
vacaturam in vestra ecclesia prefato domino Hennemano conferatis. Quod si ad 
instantiam predecessorum nostrorum piae memoriae alicui dietam primo vacatu- 
ram prebendam conferre pollieiti essetis, petimus, ut alteram sequentem vacatu- 
ram eidem conferatis. Hoc si a vobis impetraverimus, erit nobis gratissimum; 
quod si qua in parte id erga vos et vestram ecclesiam demereri possimus, id 
lubens prestabimus. Deus optimus maximus vos conservet. Datum im nostro 
oppido Novocastro anno domini milesimo quadringentesimo septuagesimo tertio, 
25% septembris. 

Rene 

Nicolas 

Venerabilibus ac nobis dilectis decano et capitulo ecclesie sancti Stephani 
in nostro oppido Sarburg. 

DIN259: 


25. Der vom Herzog von Burgund zum deutschen Bailli ernannte Friedrich 
von Flersheim ladet die Saarburger vor sich nach Dieuze. 1475 Oct. 28 Dieuze. 
Jch Friderich von Flersheim etc. verkünde euch meyer gericht und gantz ge- 
meinde der stat Sarburg mit sampt der zugehörunge: so als mein gnedigster 


_ 91 — 


herre der hertzog von Bürgünden etc. sich in das landt von Lothringen gefugt 
und das zu seiner gnaden handen brocht, hat mich dieselbe seine gnaden einen 
teutschen bellis geordnet gesetzt und gemacht in dem genanten landt und macht 
geben, alle die sich in seine gnaden ergeben wolen, die von derselben seiner 
gnaden wegen uff zu nemen und gnade zu thun nach lauth und inhalt einer ver- 
sigeldten commission, ich von seinen gnaden inhabe. Also habe ich mich geen 
Dhus gefugt und begern an euch als von des obgenannten meins gnedigsten 
herrn von Burgundien und meins ampts wegen, ir zu mir geen Dhus kommet 
und thun wellen als andern undersassen des genandten landts Lothringen und 
das nit lassen. Uft das ir dis nit weylter ersucht und zuschaden komen 
werdent, hab euch hieruf dis unverkündet nit wellen lassen. Geben zu Dhus uff 
den XXVIIL tag octobris anno domini etc. LXXV. 


Bi. 255 r—256r. 


26. KFriedrich von Flersheim, der deutsche Bailli des Herzogs von Burgund, 
übersendet den Saarburgern die Kopie eines vom Herzog gesandten Zettels und ladet 
sie mit 10 Personen nach Dieuze. 1475 Dez. 2. 


Ich Friderich von Flersheim teutsche bellis des hertzogthum Lothringen 
verkunden euch meister und rath und gantzen gemeindte der stadt zu Sarburg: 
so als ich euch vorgeschreiben und an euch begert habe als von wegen meins 
gnedigsten herrn von Burgündien, seinen gnaden gehorsamkeit zuthun, das nun 
noch untz here von euch verhaldten und nit geschehen ist, und dem nach nun 
dieselbe sein gnad Nanse erobbert und auch zu seinen handen bracht hat, sein 
gnad mir ein zettel mit einem heroldt zugeschafft, euch den zu ubersenden und 
die verkundung zuthunde. Also ist derselbe heroldt kranckh worden und nit 
megen reiten, hierumb so schickhe ich euch desselben zettels ein copey mit 
disem meinen botten, darinn ir woll vernemen werdt meins gnedigen herrn be- 
gerung, und ob euch in den dingen icht geliebet zu handlen oder zu thundt, megent 
ir hie und zwischent dienstags nechst kompt zu mir geen Dhus schickhen mit 
zehen personen on geferlich. Den selben ich auch als von wegen meins ob- 
genanten gnedigen herrn von Burgundien die benent zeit uff ein frie sicher 
trostung und geleidt zu schreiben, mit disem brieff zu mir geen Dhus und wider 
von mir untz geen Sarburg zu wandlen und zu ritten. Geben under meinem in- 
getruckhten signet des zweitten tages decembris anno etc. LXX qninto. 


BI. 256. 


27. Friedrich von Flersheim, der deutsche Bailli des Herzogs von Burgund, 
entbietet die Saarburger auf einen Tag nach Nancy. 1476 Febr. 14. 


Ersamen lieben freündt, euch seige zuvor mein freündtlich dienst. Ewer 
schreiben, mir gethon der abrede halb, nechst mals mit mir zu Dhuse durch in- 
halt uber gebener zedel geschehen, han ich gehört. Darob ich dann etwas be- 
frembdes gehabt, wiewol ich mich zu euch ungezivelt verlasen, nach ubergebunge 
brieff sigel und zedel, ich von euch han, die do gar dar uswissendt, das ir keine 
andere partie nemen sollent, ir werden euch gepurlich haldten. Und uff das ir 
meins geburs und angekerten fleisses underrichtet und gemerckhen mögent die 
werbunge, so ich bestimpter abrede nach gethon habe gegen meinen aller- 
gnedigsten herrn dem hertzogen von Burgundt ete.,, auch wie gepurlich und 


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gnediglich seine furstliche gnade sich darin heltet und beweyset, so verkhündt 
ich euch deshalben einen tag heer geen Nancey uff montag nechstkompt. Da- 
selbshin bit ich euch, ewer radtfrunde und sendebotten volmechtig zu mir zu 
fertigen, also ir des nach usweisunge gemeldter zedel pilichtig seindt. So hoff ich, 
das mit den selben also gehandelt und verschafft werden soll, das ir woll zu- 
friden und euch nit nodt sein soll, jetzts semlichs fürzunemen, das sich eeren 
und verschreibunge halb nit angebure. Und wo mit ich euch ampts, auch meiner 
person halb furderlich und behilflich sein mag, sollent ir mich allzeit willig 
fünden. Geben uff sanct Valentins tag a° etc. LXXV®, 

Friderich Flersheim bellis des herzogthumbs Lothringen in teutschen landen. 


BI. 256v—257 0. 


28. Herzog René II. von Lothringen bestätigt der Stadt Saarburg den dr 
von Herzog Johann verliehenen Freiheitsbrief und bestimmt inanbetracht ihrer im 
burgundischen Kriege dem Hause Lothringen bewiesenen Treue, dass ihr Banner im 
Kriege allen vorangetragen werde. 1476 Aug. 20 Saarburg. 


Wir Reinhardt von gotts gnaden hertzog zu Lothringen und marggraff, graf 
zu Wydemont und zu Harrecourt, dhunt allermenigklich kundt in anschein dies 
brieffs, demnach und sich der hochgeborne fürsste unser lieber vetter hertzog 
Johanns willant hertzog zu Calabrie und zu Lothringen, marggraff ete., mit den 
ersamen unseren lieben getreuen schultheis rath viertzig und gantze gemeindt zu 
Sarburg durch inhalt des brieffs, der an disen gegenwertigen unsern brieff ge- 
anexiert ist, vermacht gehabt und wir nun nach abgang des bestimpten unsers 
vettern sone hertzog Niclaus unsers lieben vorfaren und vettern loblicher ge- 
dechtnus also der recht nester geporen erbe zu dem fursstenthum Lothringen 
komen und die gemeldte stat Sarburg und inwonere da bey funden und in dem 
mit dem hertzogen von Burgundien umb sein ubertrang, uns sonder billig ursache 
gethon, in vygentschafften komen, der uns dan in seiner tyranscheit unser gemeldt 
hertzogthumb Lothringen ingenomen und gar nahe alles endsetzt het bytz allein 
uff die gemeldte unser stat Sarburg, die sich in der widerwertigkeit uns zu gutte 
und unser zukunfte wartende als ein einig glit, das die andern gerne wyder se- 
meldte zu samen und bev ein brechte, in hoffnung, uns dardurch zu unsern fursten- 
thumb zu helffen, in harten bestandt gehaldten und aller uberlast getrost und 
gewartet handt. Zum jungsten so seindt wir des willens und gemuts gewesen, 
also wir durch anherborne fürstliche nature nach geneygt seindt, uns unsers 
hertzogthumbs und erbschafft zu geneheren, und seindt alheer geen Sarburg komen, 
die unsern daselbst getrew willig und bereit funden und dardurch mit hilff des 
allmechtigen unser herzogthumb gar nach alles zu unsern handen gebracht, in 
den getrawen, den uberigen theill auch zu herobern, und in den wandel, so wir 
zu Sarburg gewessen seindt, die unsern obgemeldt daselbt bey uns komen, uns 
iere anliegende schult und anders beruren und insondern inhalt unsers vettern 
hertzog Johannis seligen brieff vorbracht, und wir und sy habent uns der nach 
folgend meinung vereiniget und in allen dem sin, der sach von nödt ist, so seindt 
wir geneiget, inen vor uns und unser erben und nachkomen hertzogen zu Loth- 
ringen willen zu erzeigen und sy ierer fromkeit, das woll billich ist, geniessen 
zu lassen, und das der ursach, sy haben es verdient, und das es auch ein an- 
reytzunge sey ierer nachkomen, zu dem furstenthumb Lothringen zu setzen 


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und dabey zu beleiben, das wir inen woll getruwent. Und zu dem ersten 
so soll hertzog Johannis seligen brieff von uns unsern erben und nachkomen 
gehaldten und volnzogen werden mit allem sein inhalt. Alle inwonner und 
innwonerin von Sarburg, von was stat sy seindt, sollent zu ewigen tagen 
frey ledig und endtragen sein aller zolle im landt zu Lothringen, die uns 
zustandent zu kauffen zu verkauffen und zu faren von eyme lande zum andern 
und desgleichen auch zu Sarburgk. Und wann wir oder unser nackomen in 
heres oder andern zugen zu veldt seindt oder ziehendt und sy haben wollent, 
so sollent sy mit ierem banner und Iytten die aller ersten bey uns sein und vor 
allen andern bannern den vorzug han in dem urkunde, das sy die gewesen seindt, 
durch die das hertzogthumb wider herobert unnd hart gehaldten handt; und 
sy sollent us unser kuchen und kelleren alle zeit vor andern gelieffert sein und 
werden zu aller genuglicheit. Und wir hertzog Reinhardt obgenant haben mit 
unser selbst handt und bey unsern furstlichen worten geredt und gelopt vor uns 
unser erben und nachkomen alle unser amptleuthe zugewandten und underthonen, 
hertzogen Johansen unsers vorbestimpten vettern seligen brieff und auch disen 
gegenwertigen brieff mit allem ierem inhalt zu haldten zu volnfieren genüg zu 
sein sonder allen abzug oder intrag aller ding ungeferlich. Des zu urkunde uns 
unsere erben und alle unsere nachkomen zu ubersagen, so haben wir unser in- 
gesigel an diesen brieff thun henckhen, der geben ist in unser statt zu Sarburg 
uff den nechsten zinstag nach unser lieben frawen tage assumptionis in dem jar 
unsers herrn, als man zalt nach Christus gepurt tausend vierhundert sybendtzig 
und sechs jar. 


Bl. 2711 —273v. 


29. Volmars Hans von Dieuze, Secretär, macht Hamman und Wecker, 
Grafen zu Leiningen und Rixingen, Vorstellungen wegen des Verbots der Freizügigkeit 
aus dem von Lothringen zu Lehen rührenden Amt Saareck nach der Stadt Saarburg 
und verlangt dessen Aufhebung bezw. gerichtliche Entscheidung vor dem Herzog von 
Lothringen. 1478 Juli 28. 


Den edlen wolgebornen herrn herrn Hamman und herrn Weckhern graven 
zu Lyningen und graffen zu Rixingen meinem gnedigen lieben herrn. 

Edelen wolgebornen gnedigen lieben herrn, ich embeut ewern gnaden zuvor 
meinen freündtlichen willigen dienst. Die ersamen schultheis und rath und andern 
alhie zu Sarburg habent mir angeben und vorbracht, wie sv gleich andern Loth- 
ringern übunge und freyheit haben sollent und wie in dem furstenthumb Loth- 
ringen und dem stifft von Metz keine behembte eigentschafft sin ensolle, sonder 
werde eim ieglichen und iederman gestattet, zu und abe zu ziehendte, auch zu 
wyben und zu mannende, wo man künde oder möge, ungehündert dann alleine 
gegent innen, so sy das ewer gnaden und der ewer meynunge, das niemands us 
dem ampte Sarecke in der bestimpter freyheit geen Sarburg ziehen solle, auch 
nit zu gestatten, das iemandts von Sarburg in der pflege Sarecke wiben oder 
mannen und sollen oder megen geen Sarburg ziehen oder fueren ungehindert, 
wiewoll sy derselben freyheit geniessent und zu Sarburg wibent und manent, 
wann es innen zustunde komme, das innen dann vor andern Lothringern ein 
mergliche beschwerung sey, und in sondern so sulle noch enmege das nit mit 
billiheit sein, dann Sareck sy ewer lehn und rure von myne gnedigen herrn dem 

18 


hertzogen und seine hertzogthumb Lothringen, do zu sy auch hörrent. Und hant 
an mich begert, innen noch myne vermögen vor derselben beschwerunge zu sein 
oder aber die sachen zu endthelichen austrag bestehen zu pringen. Und harumb 
so bitte ich eweren gnaden freündtlich und begeren damit amptshalb, das ir mit 
den eweren und eweren amptleuten in der pflege Sareckhe versehendt und be- 
stellent, das ob iemans der us geen Sarburg zyhen oder auch iemans von Sar- 
burg bei in weyben oder mannen und daselbst hin zihen woldte, das innen das 
nit gewert, besonder zugelassen und gestattet werde. Desgleichen soll innen zu, 
Sarburg auch gescheen, uff das man beyder seits in gutter nachbaurschafft und 
ungezanckhet besteen möge, daranne dann an mir als an eim arme knecht noch 
meine vermögen nit verhindern soll, und will euwern gnaden getrüwen, es soll 
ewers theils der gestalt auch geschen. Were es aber also, das ir die dinge im 
der bestimpter meynunge nit woldten thun oder nit meindten gethunde haben und 
das dann die usfindig und zum trage bracht werde, so beger ich an ewer gnade, 
darumb und umb beyderseitz verpringen zu recht und herkentnus zu komen, 
vor dem durchleuchtigen hochgebornen fürsten und herrn meynen gnedigen den 
hertzogen zu Lothringen und margraffen etc. als den landsfurssten und eweren 
lehenherrn und auch der von Sarburg herre und seiner furstlichen gnaden rethe 
oder war seine gnaden und dieselben seiner gnaden rethe die sach hin weisen, 
die in recht und mit recht und nach ordnung rechtz us zu tragen und zu verhandlen. 
Und ich bit har uff ewer gnaden verschreibener antwurt, die mir alle zeit ge- 
biettendt. Geben uff zinstag nechst nach sanct Marien Magdalenenn tag in anno 
domini LXXVIIT. 
Volmars Hanns von Duse secretarius. 


Bl. 2420—244r. 


30. Dietter graffe zu Lynningen, teutsche bellis in Lothringen, schreibt 
an Dekan und Kapitel zu Saarburg wegen der jedem neuen Herzog zustehen- 
den ersten Bitte. Geben uff mitwuch nechst vor trinitatis in anno domini 
LXXIX. 1479 Juni 2. 

Bl. 223. 


31. »Burckardus Stöer archidiaconus Tullensis collegiatarum ecclesiarum 
sanctorum Gengulphi Tullensis eiusdem et Mauritii in Ansoltingen Pausanensis (?) 
diocesis praepositus sedis apostolice prothonotarius et subdiaconus necnon sanct- 
issimi domini nostri pape ad nonnullas Germanie presertim confoederatorum 
veteris ac nove lige superioris Alemanie illisque adiacentes partes destinatus 
nuntius et orator« teilt Schultheiss und Rat der Stadt Saarbug mit, dass er allen, 
die die St. Nicolauskapelle in Saarburg an den Marienfesten, den Festen des hl. 
Nicolaus oder des hl. Thomas, Bisch., oder am Feste der Kirch- und Altarweihe 
in bussfertiger Weise besuchen, einen Ablass von 100 Tagen verliehen habe. 
Datum Sarburgi a. d. 1480, die vero dominica ultima mensis aprilis, pontificatus 
Sixti IV a. nono. 1450 April 30 Saarburg. 

Bl. 2560—237r. 

32. Nicolaus Kuper von Augwyller von wegen Einichen seiner ehelichen 
hausfrawen, Honnen von Kuchingen seligen dochter, und Symon Steinmetz, 


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— 245 — 


wonende zu Sarburg, von sins selbs und auch von wegen herren Mathissen 
Kirherrn zu Bixslingen und Richarten, seiner zweyer bruder, alle drey Lempols 
seligen sone von Bixslingen, als erben Missners seligen wittwen, haben dem 
Volmars Hannssen von Dhus, tabellion daselbst, des hertzogen secretarie stat- 
halter und tabellion zu Sarburg, einen halben Baumgarten zu Saarburg für 
33 Rhein. Goldgulden verkauft. Es siegelt der lothr. Tabellion. Uff mitt- 
wuch sanct Peters und sanct Paulus der heiligen apostelen tag, was nemlich 
der 29. Juni 1480'). Zeugen: der streng herr Egenolff von Lützelnburg, ritter, 
Bersenn Hanns von Dunenheim, Heinssgin Fritsche son von Synungen und Ulrich 
Metzinger zu Sarburg. 1450 Juni 29. 


Bl. 2640 —266r. 


33. Herzog Rheinhardt von Lothringen ladet Schultheiss, Geschworene 
und Gemeinde seiner Stadt Saarburg auf 11. September zu einem Landtag nach 
Pont-à-Mousson. Nanci uff sontag nach sanct Bartholomeus tag anno LXXX. 

1480 Aug. 27 Nancy. 

Bl. 274v—275r. 


31. Michel genant Hertschuch, Reitknecht des Herrn Egenolf von Lützel- 
burg, schwört nach Entlassung aus dem Gefängnis, in das ihn Egenolf von 
Lützelburg wegen Ungebührlichkeiten geworfen, Urfehde. Uff dornstag vor der 
liechtmes in anno M CCCC° LXXX II, more Metensi. 1483 Jan. 30. 


Bl. 3090—-310r. 


35. Niclaus Trubell, Hennsels son, wohnhaft zu Lore bei sanct Kyrin, 
hatte zwei Feinde des Herzogs, nämlich Niclaus von sanct Quirin und Michel 
von Langt, die einen von Bisspingen gefangen brachten, zu Lore gehalten und 
ward deshalb gen Saarburg geführt und in den Thurm gelegt. Auf Verwendung 
Bentzen Hannsen von Rudingen, seines Schwagers, und anderer wieder freigelassen, 
schwört er Urfehde. Beschach uff sontag Oculi a.d. 1482, more Metensi. 1483 März 2. 


Bl. 310r—-311r. 


36. Hannss Schmidt genannt Grunwaldt von Sobernnheim, war in des 
Geroltzeckhers krieg in Saarburg einige Zeit gefangen gehalten worden; durch 
Volmars Hannsen, den Amtmann, freigelassen, schwört er Urfehde. Beschach uff 
montag noch halb fasten in anno 82, more Metensi. 1483 März 10. 


Bl. 311. 


37. Thomann von Dischingen hinder Ulm war durch Volmars Hanssen, 
des Herzogs Amtmann zu Saarburg, »in gefengnus gelegt worden umb etlichs 
mutwillens willen, so er zu Hessen gegen den herrn daselbst und den ieren be- 
gangen hat«; wieder freigelassen schwört er Urfehde. Montag nach Mathei in 


1) Das Datum ist insofern unrichtig, als Peter und Paul 1480 nicht auf einen 
Mittwoch, sondern auf einen Donnerstag fiel, 
18* 


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anno 83, in beiwessen Peters des alten schultheissen von Vinstingen, Hannss 
Kremers seines dochtermanns, Hannss Scherers, Hanns Pflehorn und anderen 


mehr. 1483 Sept. 22. 


Bl. 3110—512r. 


38. Peter Schnider von Dolfingen, genant Schirchnis Peter, ist durch Vogt 
Sifriden, vogt zu Sareckhen, ussgenomen worden in der gestalt, dass er sich auf 
Befehl des Bailli oder des Amtmanns zu Saarburg wieder in Saarburg stellt, wofür 
Vogt Sifrid gut ist. Actum 3% feria post Invocavit in anno domini 1485, more 
Metensi, mit sampt junckher Michels des Bastartz und ander gemein amptleuthe 
zu Vinstingen. 1486 März 14. 


PINS 1; 


39. Herzog Rheinhardt von Lothringen schreibt an Dekan und Kapitel 
von St. Stephan in Saarburg, dass er auf Grund des Rechtes der ersten Bitt die 
erste freiwerdende Canonicatsstelle »für Volmars Hanssen seines secretarien son 
Volmarn« beanspruche. Geben zu Nancy uff sontag nach unsers herrn fronleich- 
nams tage anno M III [CI LXXXVlo, 1456 Mai 28 Nancy. 


Bl. 284v—285 v. 


40. Herzog Reinhardt von Lothringen schreibt dem Kaiser wegen der 
Einladung der Stadt Saarburg zum Reichstag nach Nürnberg, welche ihm von 
den Bürgern seiner Stadt Saarburg zugeschickt worden, und bittet um Abstellung 
dieser Neuerung. Geben zu Nancey uff dornstag nach der heiligen drey kunig 
tag anno 1486. 1487 Jan. 11 Nancy. 


Bl. 366v—367v. Franz. Abschr. lose dabei. 


41. Die Hüter des Tabellionssiegels des Herzogs von Lothringen zu Saar- 
burg vidimieren eine Urkunde des Grafen Friedrich des alten von Leiningen vom 
26. Jan. 1316. |Graf Friedrich der alte von Leiningen und dessen Ehefrau Johanna 
haben Herrn Cunemanne, Vost von Wasselnheim, gegen 40 Mark Silbers Strassb. 
geweges, für die sie ihm 3 Fuder Wein in ihrem Dorf zu Gestade versetzen, zu 
ihrem Manne gewonnen. 1316 an dem montag nach sanct Paulus tag, als er 
bekert wart.] Uff montag den nechsten nach decollationis sancti Johannis 
babtiste 1488. 1488 Sept. 1. 


42. Glade von Spinall, dem man spricht le peti Glade, und Dydion Manaige 
von Aussmentz, des Junkers Hannssen Crantzen von Geisspeltzheim Diener, hatten 
einen Schneider von Bryenn auf der Strasse beraubt und waren deshalb auf Be- 
fehl des Herzogs von Lothringen durch Heinrich von Lülzelburg, Statthalter zu 
Saarburg, eine Zeit lang zu Saarburg gefangen gehalten worden; durch Vermittelung 
ihres Herrn Junkers Crantz vom Herzog beenadigt schwören sie Urfehde. Uff 
freitag sanct Dionisien tag in anno domini 89. 1489 Oct. 9. 


BI. 314. 


— 27 — 


43. Görg Bechtoltz son von Sigeringen hatte als Fuhrmann unter Matheis 
Berndorffer, dem alten Schultheissen, im Metzer Krieg Misshandlungen verübt 
und war deshalb nach der Rückkehr nach Saarburg eine Zeit lang gefangen ge- 
halten worden; auf Bitten des Herrn Heintzman Morgenstern, Domherrn bei St. 
Stephan und Kirchherrn zu Weltringen, sowie seines Schwagers Urbans Zappen 
von Hüttingen wieder freigelassen schwört er Urfehde. Uff sontag nach unser 
lieben frawen tag anuntiationis a. d. 90. 1490 März 28. 


Bl. 312r1—3137r. 


44. Martin Botsch, Peters Sohn von Rixingen, hatte zu Saarburg in des 
Wirtes Ulrich Haffners Haus gelegen, gespielt und gezehrt und war dabei in den 
Verdacht gekommen, dem Wirt Geld aus seiner Kiste genommen zu haben, sodass 
er durch Heinrich von Lützelburg, Statthalter zu Saarburg, eine Zeit lang gefangen 
gesetzt wurde. Als unschuldig wieder entlassen schwört er Urfehde. Sampstag 
nechst nach sanct Bartholomeus tag in anno domini 1491, in beywessen Webers 
Steffans Bernhardts Schuppeldis und Claussen, des amptmanns knechte, und 
andern mehr. 1491 Aug. 27. 


Bl. 313r—314r. 


45. Herzog René IL. teilt Dekan, Kanonikern und Kapitel seiner Stad 
Saarburg den Empfang ihres ziemlich dunkel gehaltenen Antwortschreibens mit 
und bittet sie um bestimmte Antwort, ob sie seiner Bitte nachkommen wollten 
oder nicht. Datum in oppido nostro Diusa secunda octobris a° 91. 

1491 Oct. 2 Dieuze. 

BI. 221r. 


46. Die Herzogin beklagt sich in einem Schreiben an Dekan, Domherrn 
und Kapitel der Kirche zu Saarburg über deren dunkle Antwort auf den Brief 
betreffs des Kaplans Peter Schneider und fragt an, ob sie sich nicht wie andere 
Unterthanen verhalten wollten. Datum in unserer stat Dieuze') den andern 
octobris 91. 1491 Oct. 2 Dieuze. 


Bl. 235v—236r. Franz. Abschr. lose dabei. 


17. Dekan und Kapitel des Stiftes zu Finstingen entbinden Heinrich von 
Lützelburg, Statthalter zu Saarburg, und Philipp von Heringen der Bürgschaft, 
welche die beiden für die von dem Stift an Peter Brochter von Hagenau, wohn- 
haft zu Buckhennheim, verkauften 20 Rhein. Gulden jährlichen Zinses geleistet 
haben. Geben uff sonnentag quasimodo geniti 1492. 1492 April 29. 

Bl. 353r— 354 v. 


48. Herzog René [II.]?) befiehlt seinem Amtmann und der Stadt Saarburg, 
sich und ihre Stadt inanbetracht der Rüstung und der Anhäufung von vielem Voll 
in Kriegsbereitschaft zu halten. /1492]?) Juli [19] Nuwembs (?). 


1) Hs. Dreize. 
Sr No auf S, 278. 


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teinhardt von gotts gnaden hertzog zu Lothringen. 

Lieben getreuen. Nachdem wir vernomen, das sich gross rustung und 
versamblung volckhs an veil orten erhept, ist unser bevelch und ernstlich 
meynung, ir wollent tag und nacht die porten und muren unser stat Sarburg 
woll bewaren und huten und was nodt thut an porten grendeln oder anderswo 
zu buwen. Auch so wollent unsern underthonen, in den dorffern umb euch ge- 
sessen, zuwissen thun, iere frucht in sicherheit in unser stat oder anderstwo hin 
zu furen, uff das ob etwas wir doch nit warten seindt zukome, das ir bemeldte 
frucht sicher sey. Datum Nuwembs uff dornstag nach divisionis apostolorum 
anno etc. zwülff !). 

Unsern lieben getreuwen amptmann radt schoffen und gricht unser stat 
Sarburg. 

DI. 358v—359r. 


49. Herzog Rene Il. teilt Schultheiss, Bürgern und Einwohnern seiner 
Stadt Saarburg mit, dass er die zu Saarburg wohnhaften Kriegsknechte Crappen 
Heinrich und Niclaus inanbetracht ihrer den Herzögen Johann und Nicolaus so- 
wie auch ihm geleisteten Dienste von allen Steuern und Anlagen der Stadt 
Saarburg befreit habe. Datum Nancy den 13. tag des monats septembris 
anno 1493. 1493 Sept. 13 Nancy. 


Bl. 318v—519r. 


50. Herzog René IL von Lothringen befiehlt Schultheiss, Bürgern und 
Einwohnern seiner Stadt Saarburg, die beiden zu Saarburg wohnhaften Kriegs- 
knechte Crappen Heinrich und Niclaus zu keinerlei Steuer und Last heranzuziehen. 
Datum zu Nancy den Xlllten tag septembris 1493. 1493 Sept. 15 Nancy. 


Bl. 254. Franz. Abschr. lose dabei. 


51. Herzog René II. befiehlt den Saarburgern, bis zu seiner Rückkehr vom 
Kaiser in der Angelegenheit mit dem Metzer Bischof wegen des Gerichts keine 
Neuerungen vorzunehmen. 1495 April 25 Chäteau-Salins. 


Reinhardt von gotts gnaden zu Jherusalem und Sicilien etc. konig, hertzog 
zu Lothringen und zu Bar marggraff etc. 

Lieben getreuwen, ewer schreiben, uns letst gethon, berurte die missel, so 
schwebende seint zwuschen dem hochwurdigen furssten unserm vettern dem 
bischoffen von Metz und euch, und auch euwere beschwerunge darinn bestimpt 
haben wir wol verstanden. Aber jetzund seindt hie bey uns gewesen etliche 
räthe unsers gemeldten vettern, die haben uns furgehaldten, wie ir euch weigernt, 
das gricht zu besitzen, als von alters herbracht und geübet ist, uns bittende, euch 
zuvermögen, dem also stat zuthun, uff das unser gemeldter vetter nit bewegt 


') Das »anno zwölff« lässt sich ohne Weiteres weder bei der Regierung Herzog 
Renés I. (1431— 1453) noch der Renes II. (1473—1508) unterbringen. Zur Ansetzung 
des unter die Regierung Renés II. fallenden Jahres 1492 führt die Erwägung, dass 
uns hier eine Uebersetzung der ursprünglich französischen Fassung vorliegt und der 
Vebersetzer in gedankenloser Weise nur den letzten Bestandteil von »quatre-vingt 
douzes als Jahreszahl mit vernachlässigten Hunderten genommen haben möchte. 


— 219 — 


werde, euch deshalben witter furtzunemen. Und darum das wir ietzund weg- 
fertig sindt zu unserm herrn und oheim dem Romischen könig und zur zeit zu 
den dingen nit versten megen, ist unser rathe meinung und bevelche, das ir 
das gricht besitzen wellent, wie ir von alterheer geübet handt, one einige newerung 
anzufahen besonder in unserm abwesen; dann so baldt wir wider zu landt koment, das 
wir hoffendt kurtz geschehen mit hilff gotts, megen ir uns ewerer beschwerung 
und anliegends berichten, so wellen wir uns euch zu gut darin arbeitten, so 
fleissigst wir mögent, damit ir wider billichs nit sollent beschwert werden Geben 
zu Saltzburg uff sambstag nach dem heiligen ostertag anno etc. LXXXXV. 

Unsern lieben getreuwen schultheis geschwornen und gemeindt unser stat 
Sarburg. 


Bl. 275 v—276r. 


52. Philippe de la Barre, der »die gepot vernichtiget hat, die da seindt 
geordnet und gemacht worden durch inen dartzu durch schultheis und rath, und 
mit macht ein ufflauf gemacht uber den heymmeiger der stat Sarburg uff der 
gassen auch in eines wurts haus« und deshalb vom Statthalter Grafen Weckher 
in den Thurm gelegt worden ist, wird auf Bitten seines Meisters freigelassen und 
schwört Urfehde. Uff dornstag Clementis anno 1497. 1497 Nov. 23. 

Bl. 314v—3Bör. 


53. Herzog René II. befiehlt den Saarburgern, sich mit seinem Statthalter 
Graf Wecker von Leiningen zu vertragen und während seiner Abwesenheit bei der 
Krönung des Königs von Frankreich wohl auf der Hut zu sein. 1498 April 27 Naney. 

Reinhardt von gotts gnaden zu Jerusalem und Sicilien könig etc. hertzog 
zu Lothringen und zu Barr. 

Lieben getreuwen. Uns langet an, wie zwischen dem wolbornen unserm 
statthalter zu Sarburg vettern und lieben getreuwen graff Weckhern von Lyningen 
eins und euch andern theils etwas spenne und irrunge erwachsen, das ir euch 
wideren sollent, seiner befelhen gewertig zu sein, wiewoll er nit dann billichs 
nach euwerer pflicht von euch begere, solchs uns gantz wieder und nit lieb ist. 
Dann also wier nit gern hettend, das er euch uber billichs tringe, also wenig 
mechten wir auch leiden, das ier inne von unsern wegen ungehorsamkeit euwerer 
pilicht bewisetent. Darumb ist unser meinunge befelch und begeren, das ier 
euch ferrer also gegen inne halten und beweisen wollent, damit ime nit not ge- 
schehe, sich von euch zu beclagen. So hoffen wir, er werde auch gegen euch 
nit anders handlen oder furnemen, dan das ime billich gepurt. Ferrer nachdem 
wir ietzundt uff menigfaltige begerunge unsers herrn von oheims des ietzigen 
kunigs von Frankreich wegfertig seindt zu seiner kronunge in Franckreich, ist 
unser ernstlich bevelch, das ir euch wol hietendt bey nacht und bey tag und 
die hut und die wacht also bestellendt, das uns, euch und unsern landen keiner 
schade endstande bresten halb. Des und further in allen dingen wollent euch gut- 
willig und gehorsamlich halten und beweissen, also wir euch vertrawen Geben zu 
Nancy uff freytag nach dem sontag quasimodo geniti anno ete. LXXXXVIIL. 

von Wydringen 

Unsern lieben getrewen schultheis geschwornen und gemeindt unser stat 
Sarburg. 

Bl. 350923517. 


— a8 
51. Bericht über das Verhalten der Stadt Saarburg bei Erhebung der ge- 
meinen Hilf. 1499. 


Uszug der register der gemein hilff im tausend vierhundert neuntzig und 
neundten jar im herzogthumb Lothringen der teutschen vogtey belangent die stat 
herrschafft und underthonen zu Sarburg in Lothringen gelegt, durch Herbier 
underschreiben. 

Salburg. 

Die von Sarburg haben sich nit wellen lassen anlegen und anzeigt, sey 
sevenn vermög ierer brieff und frevheitten, so sy von hertzogen us Lothringen 
haben, welche innen der konig confirmiert bestetigt und geschworen zu halten, 
exempt und gefreyt von aller steuer und hilff, das sy in ewigkeit kein hilff be- 
zalt; pittendt, man solte sy darwüder nit tringen. 


Bl. 3620—363r. Iranz. Abschr. lose dabei. 


55. Schultheiss, Rat, Vierzig und ganze Gemeinde zu Saarburg kommen 
bei Herzog René [IL.]1) von Lothringen darum ein, einen Allmendeplatz ausser- 
halb der Stadt zum Weiher machen zu dürfen, und erklären dabei ihre volle 
Bereitwilligkeit, »die stat thurn und muren in gebauw zu halten und zu 
hant haben mit sampt dem geschutz serren pforten pfortenern und andern 
wechteren«, was sehr kostspielig sei, zumal die Stadt nur das Ungeld habe, 
wovon sie ihrem gnädigen Herrn von Metz jährlich noch 100 Pfund abgeben 
müsse. Der Statthalter Graf Wecker zu Leiningen und Rixingen sei damit ein- 
verstanden. [@egen 1500]'). 


Bl. 2730-—-274v, 


56. Niclaus Gerster, Schaffner zu den Ruwerin zu Strassburg, bekennt, 
dass Dekan und Kapitel des Stifts zu Saarburg ihm durch den Schultheissen 
Dyelman + Rh. Gulden Zins entrichtet haben. Uff fritag nach sant Matheus tag 
anno 1501. 1501 Sept. 24. 

Zu Bl. 218. Or. ch. c. sig. impr. 


57. Herzog Reinhardt von Lothringen beklagt sich bei Dekan und Kapitel 
seiner Stadt Saarburg, dass sie der durch seinen Rat und Statthalter Philipsen 
überreichten Weisung, die erste freiwerdende Pfründe Herrn Glandenn von Foucigny 
zu übertragen, nicht Folge gegeben, und fordert in entschiedenem Tone die 
nächstfreiwerdende Pfründe für denselben. Datum in unserer stat Welsche 
Neuwenburg des VIIIten tags octobris anno XVC eins. 1501 Oct. 8 Neufchäteau. 


Bl. 296%—397r. 


58. Herzog Reinhardt von Lothringen bittet Dekan und Kapitel der Kirche 
zu Saarburg, seinem dortigen Amtmanne Philipp von Heringen das von demselben 
gewünschte Haus zu verkaufen. Datum Nancey uff dornstag nach sanct Valenteins 
tag anno 1502, more Tullensi. 1503 Febr. 16 Naney. 


Bl. 354v—355r. 


') Die ungefähre Datierung dieses Stückes ist gegeben durch die Nennung Graf 
Weckers von Leiningen als Statthalter zu Saarburg (vgl. No. 52 u. 53). 


a TE ne 


nn 


— 281 — 


59. Katherin Peter Gerbers eheliche Hausfrau von Dummenheim, die 
ihrem Gemahl entlaufen und deshalb durch Philipsen von Heringen, Statthalter 
zu Saarburg, gefangen gesetzt worden ist, wird auf Bitten Friedrichs von Lützel- 
burg wieder freigelassen gegen das eidlich gegebene Versprechen, zu ihrem 
Manne zurückzukehren, solches nicht mehr zu thun »und auch disse gefengnus 
nimermer zu rechen«. Uff sambstag nechst nach corporis Christi anno 1506. 

1506 Juni 13. 

Bl. 315v—316r. 


60. Dem von den Saarburgern erhobenen Einspruch gegen die wegen Nicht- 
zahlung des Zolls in Mirécourt vorgenommene Beschlagnahmung von Waren zweier 
ihrer Mitbürger als ihren verbrieften Rechten zuwiderlaufend giebt Herzog René II. 
Folge. 1508 Aug. 23 Luppy. 


An den künig unsern allergnedigsten herrn. 

Allergnedigster künig. E. g. werden sehen (wo derselben geliebt und ge- 
fellig) die freyheit des zols und verkauffens, so e. g. gnediglich geben haben 
fur euch und euwere nachkomen hertzogen zu Lothringen zu ewigen tagen 
ewern underthonen zu Sarburg, als woll in der stat Sarburg als in eweren landt, 
es sey mit hin und wider fieren kauffen und verkauffen, wie das uss euwern 
brieffen, darvon wir ein vidimus hie bei gelegt, erscheint, welcher freyheitten sie 
auch bis anher genossen haben. Und in crafft derselbigen seindt etliche von 
Sarburg namblich Thieobaldt und Mathis, die haben kürtzlich etliche kauffman- 
schafft gen Mirecourt gefürt, welche inen alda durch die bestennder und ad- 
modiatores des marckhtgefels oder zols arristiert worden. Als sy nun das ge- 
sehen, das innen ire wägen pferdt und kauffmannschafft also arristiert, und 
sonderlich gemeldter Thiebolt, das ime seine pferdt veil verzert, hat er bei dem 
belissen von Vosges ein belisbrief erlangt, den arrest abzuthun vermittelst burgen 
und zu tag zu erscheinen vor gemeldten belissen uff seinen nechsten landtagen. 
Uff solche verburgung und versicherung ist ime seine kauffmannschafft wagen 
und pferdt wider worden. Dweil aber, gnedigster herr, e. g. gepuren will, hierin 
ordnung zugeben und insehen zuhaben, angesehen, das ir innen solche freyheit 
und exemption durch ewere brieff umb der ursachen willen, darin erclert, habt 
gegeben, so welle sy verschaffen, das sy darbey gehandthabt werden von puncten 
zue puncten. Onangesehen obgemeldts bellisbrieffs, erlangt durch gemeldten 
Thieoboldten, auch der verburgung und versicherung, geben zu Mirecourt durch 
ine und gemeldten Mathissen, euwer maiestat welle declarieren, was hierin ge- 
schehen solle, und nit leiden, das derhalben getagt oder gerechtigt werde vor 
obgemeldten belissen noch anderswo, und umb der liebe willen, so die zu inen 
tragen, welle von neuwen bevelhen, das sy bei ieren brieffen gehandthabt werden 
als zu Drowille sanct Niclaus Mirecourt und anderswo in euwerm landt hieseits, 
und das alles noch inhalts gemeidter freyheitsbrieff. Daran thut e. g. woll und 
ein almusen. Und sy die supplicanten wellen zu allen zeitten euwere gutte und 
getreuwe underthonen sein und pleiben. 

Der künig von Sieilien etc. unser aller gnedigster herr uberschickht dise 
gegennwurdige supplication seinem belissen zu Vosges, welchem er hiemit be- 
vilhet, das er die von Sarburg trattiere nach gepruch und inhalt iere freyheits 
brieffs. Geschehen und verfertigt zu Louppi das schlos den XXIllter tag augusti 


1508. Der bastart von Anjou, herr von Barbann, von Bachie, magister Geoffron 
Gutzot, Thomas von Chastenonn und andere praesentes. 
Rene. de la Mothe. 
Bl. 2552—287r. Franz. Abschr. lose dabei. 


61. Lucas Weber von Altorff und Martzloff, ein Weberknecht von Bitsch, 
sind Mittwoch vor Simon Jude zu Saarburg »angenomen« worden und in Ab- 
wesenheit des Philipsen von Heringen, Statthalters zu Saarburg, durch Schultheiss 
und Rat gegen Urfehde wieder entlassen worden. Geschehen uff tag obgeschreiben 
anno 1508. 1508 Oct. 25. 

Bl. 316. 


62. Herzog Anton von Lothringen thut kund: Seine Mutter hat i. J. 1508 
in Erkenntnis, dass die Ursache der schlechten Regierung der Stadt Saarburg 
darin zu suchen ist, dass ihr Rat Philipp von Heringen nicht in der Stadt residiert, 
denselben seines Amtes enthoben und an seine Stelle den Friedrich von Lützel- 
burg gesetzt mit der Verpflichtung, in der Stadt zu wohnen, und mit einer Be- 
soldung von 70 Goldgulden zuzüglich der Burggelder. Er giebt jetzt dem Friedrich 
von neuem das Amt »der gubernierung und verweltigung« seiner Stadt Saarburg 
mit einer Besoldung von 100 Goldgulden anstatt der 70, aber mit Wegfall der 
Bussen, «desgleichen die fischphel und zollfisch«, welche hinfür der Einnehmer 
des Orts für den Herzog einziehen soll. Zugleich weist er seinen Rentmeister 
in Lothringen, Georgen des Moynes, an, dem Friedrich von Lützelburg die 100 
Goldgulden in zwei Raten an Weihnachten und Jobanni auszuzahlen. Geben in 
unser stat Nancy den 15. tag septembris 1510. 1510 Sept. 15 Nancy. 

Bl. 3411r—544r. Franz. Abschr. lose dabei. 


63. Die Eheleute Claus Steinmetz von Himmerlingen, Bösse Hansen son, 
und Margareth, Niclaus Wagners und Schlickhen Jomeln tochter, bekennen, dass 
sie dem Dekan und Kapitel der Kirche zu Saarburg 20 Rhein. Gulden schulden, 
davon sie jährlich einen Rhein. Gulden Zins zu zahlen haben. Zu Unterpfand 
gegeben verschiedene näher beschriebene Liegenschaften. Der Tabellion siegelt. 
Dis beschach uff den XIlllten tag des februarii 1511. Z.: Heinrich Steinmetze, 
Hans Steinmetzen son, und Clemann Seckler, Ulrich Secklers son, burgere zu 
Sarburg. 1512 Febr. 14. 

Bl. 238r—240r. 


64. Herzog Anton von Lothringen ladet Schultheiss, Geschworene und 
Gemeinde seiner Stadt Saarburg auf 4. Februar zu einem Landtag nach Nancy. 
Nancy den XlIlten tag januarii anno XVe XII, more Tullensi. 1513 Jan. 12 Nancy. 

BIS2RU N: 


65. Marcus Rape, ein Söldner und Diener der Stadt Metz, der auf Anzeige 
eines Zugehörigen der Aebtissin von Wiederstorff von Schultheiss und Rat zu 
Saarburg in Abwesenheit und im Namen des Junkers Friedrich von Lützelburg, 
Statthalters zu Saarburg, gefangen gesetzt worden, wird von Friedrich von Lützel- 
burg nach Urfehde entlassen. Geschehen uff sambstag nach Reminiscere anno 
1512, more Metensi. 1913 -Hebr20: 

Bl. 316v— 317 v. 


Lan 


a 


dr 


66. Bericht über das Verhalten der Stadt Saarburg bei Forderung der ge- 
meinen Hif. 4313. 


Uszug der registher der gemeinen hilff im tausent funfhundert und dreyt- 
zehendten jar, gelegt im hertzogthumb Lothringen teutscher vogtev belangendt 
die stat herrschafft und underthonen zu Sarburg in Lothringen, durch Philipsen 
von Heringen ritter und Melianndt underschreiben. 


Die stat Sarburg. 

Wir haben den inwonern daselbst noch der lenge anzeigt, warumb unser 
gnediger herr uns in die gantze vogtey des teutschen landts geschickht, auch die 
grosse nodt, so jetzt vorhanden, mit ermanung, das sy unserm gnedigen herrn 
mit einer gutten summa zu hilff komen woldten, damit wir eine gutte botschafft 
darvon bringen möchten. Daruff sy uns geantwurt, sy seven guttwillig jetzt und 
in kunfftigen, aber sy petten unsern gnedigen herrn, er well sy nit weither be- 
schweren dann sein herr vatter selig der gut kunig uss Sicilienn, dem got gnade, 
und ansehen, das sy grusamlich beladen weren mit erhaltung der muren thurn 
und anderer vesstinen in ierer statt, die uff der sorglichen frontier gelegen, und 
das sy in disem krieg der endinger (?) nit dorffen hin und wider wandlen und 
ierer kauffmannschafft obliegen wie andere iere nachpauren, petten nachmals 
unsern gnedigen herrn, innen in disem krieg fursehen zuthun. Und als sy unser 
abscheiden erfaren, haben sy den schultheis daselbst zu uns geschickht, welcher 
bezalt, was wir da verzert, da wir die herrstat zu Sareckh in schrifft vergriffen. 


Bl. 244v—2457r. Franz. Abschr. lose dabei. 


67. Hanns Stor von Uttingen bey Momheim gelegen, der »bösser be- 
lymmung « halber zu Saarburg gefänglich eingezogen war, wird von Friedrich von 
Lützelburg nach Urfehde entlassen. Geschehen uff freytag nach corporis Christi 
anno 1515. 1515 Juni 8. 


Bl. 317v0—518r. 


68. Herzog Anton von Lothringen befiehlt Schultheiss und Gericht seiner 
Stadt Saarburg, in dem Prozess seines Generalprocurators oder Amtmanns zu 
Saarburg mit »weyllundt Stephan vom Lembourgg testamentarien« stille zu stehen 
und nur auf weiteren Befehl die Verhandlung wieder aufzunehmen. Datum 
Nancey am XXI tag juni a° XIX. 1519 Juni 21 Nancy. 


Bi. 297. 


69. Herzog Anton von Lothringen erteilt Schultheiss, Rat und Gericht 
seiner Stadt Saarburg den Befehl, in dem Handel des verstorbenen Steffan, Vogtes 
zu Einhartshusen, fortzufahren und das Urteil zu sprechen. Datum Pontamoussonn 
am XXI tag octobris anno XIX. 1519 Oct. 21 Pont-à-Mousson. 


Bl. 2970— 298 v. 


70. Herzog Anton von Lothringen ladet Schultheiss, Geschworene und 
Gemeinde seiner Stadt Saarburg auf 11. Dezember zu einem Landtag nach Nancy. 
Nancy uf den XVIten tag novembris anno XVe XIX®. 1519 Nov. 16 Nancy, 


Bl. 276. 


— 984 — 


71. Herzog Anton von Lothringen teilt Schultheiss, Rat und Gericht seiner 
Stadt Saarburg mit, dass er den jüngst von Pont-à-Mousson aus gegebenen Be- 
fehl betreffs des Testaments und der Hinterlassenschaft »weilund Steffen alts vogts 
zu Einhartshussen< (n. 69) zurückziehe, weil solchs, wie er nun von seinem 
deutschen Bellis und auch von seinem procurator general in Lothringen berichtet 
worden sei, »unser hohe oberkeit berurendt ist und vor euch zu thedingen nit 
gepurt«, und befiehlt, jedes Prozedieren einzustellen und ihm über die bis jetzt 
geführte Verhandlung schriftlichen Bericht zukommen zu lassen. Datum Nancy 


am 18. tag decembris anno 19. 1519 Dec. 18 Nancy. 
Bl. 319. 


72. Herzog Anton von Lothringen schreibt an Schultheiss und Rat seiner 
Stadt Saarburg, dass er ihre Bittschrift für den in Saarburg gefangenen Hans 
Hertzog durch dessen Frau erhalten und auf die Fürbitte hin dem jetzt in die 
Freiheit entronnenen verzeihe; derselbe solle aber die durch den Handel ver- 
ursachten Kosten tragen und Urfehde schwören. Datum Nancey am 7. tag man 
anno 21. 1521 Mai 7 Nancy. 


Bl. 3201»—321r. 


73. Bitigesuch des herzoglichen Boten Casper Weissgerber zu Saarburg 
an den Herzog von Lothringen, ihm inanbetracht seiner dem Herzog zu der Zeit 
des Schenkenkrieges und sonst geleisteten Reiterdienste und des kleinen Ein- 
kommens seines jetzigen Botenamtes das halbe Haus des auf der Fahrt nach 
St. Jacob verstorbenen Tuchmachers Hesselnickhel, das nicht über neun oder zehn 
Gulden wert sei, zu übertragen. (Ohne Datum.) 


Bl. 300. Franz. Abschr. davon und von n. 74—76 in sachgemässer Reihenfolge 
auf einem bogen lose dabei. 


74. Decret des Herzogs von Lothringen an seinen Hauptmann zu Saar- 
burg, er solle ihm über den Bittsteller sowie über den Gegenstand des Bitt- 
gesuchs berichten. Geschehen zu Lindstatt den Ilten tag junii anno 1521. 

1521 Juni 2 Lunéville. 

Bl. 300v—3017r. 


75. Friedrich von Lützelburg, Amtmann zu Saarburg, berichtet an Herzog 
Anton von Lothringen zu dem Bittgesuch des Caspar Weissgerber: Ein auf der 
Fahrt nach St. Jacob verstorbener Bürger zu Saarburg, namens Hessennickel, habe 
in Saarburg ein halbes Haus im Werte von etwa 30 Gulden hinterlassen, das er 
vorläufig beschlagnahmt habe, bis erkundet werde, ob der Verstorbene, der um 
Frankfurt daheim gewesen sei, Erben hinterlassen habe; denn es sei Brauch und 
Stadtrecht zu Saarburg, dass man in solchem Falle Jahr und Tag warte. Falls 
sich dann Erben nicht meldeten, fiele das Gut dem Herzog zu. Der Amtmann 
befürwortet Weissgerbers Gesuch unter der Bedingung, dass dieser das Haus 
zurückgiebt, wenn sich Erben melden. Datum Sarburg uff mittwuch noch Mar- 
garethe anno 1521. 1521 Juli 17 Saarburg. 


Bl. 2980 —299 


FT 


— 285 — 


76. Herzog Anton von Lothringen verleiht das halbe Haus aus der Hinter- 
lassenschaft des Hessennickhel dem Caspar Weissgerber im Sinne des ihm vom 
Hauptmann seiner Stadt Saarburg gemachten Berichts. Geben zu Nancy den 
27.tag julii anno 1521. 1521 Juli 27 Naney. 

BI. 301. 


77. Herzog Anton von Lothringen überträgt seinem Amtmann Friedrich 
von Lützelburg den Genuss der in Saarburg anfallenden Geldbussen. Von Nancev 
den 5. februarii 1523, »ist zu ruckh geschreiben: unsern lieben und gutten 
freundt zoller und gleidtsmann unserer stat Sarburg«. 1524 Febr. 5 Nancy. 


Bl. 3360—337r. Franz. Abschr. lose dabei. 


78. Herzog Anton von Lothringen teilt der Stadt Saarburg mit, was der 
grösste Teil des lothringischen Adels und seiner Räte bezüglich Aufstellung von 
Truppen und Erhebung von Steuern für den Krieg gegen die Bauern und die pro- 
testantischen Städte beschlossen hat. 1525 Juni 1 Nancy. 


Anthoni von gotts gnaden hertzog zu Calabrien zu Lothringen und zu Barr. 
Lieben getrewen. Es ist mit rath und willen der mers theil von adel unsers 
fursstenthumben auch ander unser rathe, so allhie bey uns in gutter antzall er- 
scheinen seindt, zu hilff versehung nodturfft und rettung gedachter unser land uff 
den frontier und grentzen derselben zweihundert pferdt und zwey tausent fus- 
khnecht zu halten angesehen und beschlosen worden, und das zu uffenthaltung 
besoldung und betzalung derselbigen uff ein iede herrstadt oder feur frey und 
unfrey gedachter unserer fursstenthumben land und gepiet anderthalben grossen 
oder blancken unserer müntz alle wochen drey monad lang der reich dem armen 
zu steur komende uffgehept werden soll. Und wo sach were, das der krieg, so 
sich haltet zwüschen uns und dem baursman der Luterschen sect anhangende, ein 
end oder anstand neme ee vorscheinung derselbigen drey monaten, sollen alsdann 
solche anderthalben groschen nit weyther uffgehebt noch betzalt werden. Und 
wiewoll der brauch nit ist, one versamblung gemeiner steend unserer fursten- 
thumben solchs furtzunemen, hats doch die zeit der leuff halben, so jetz vor 
augen seindt, nit wellen zu geben. Aber umb das ier bey solchen beschlus nit 
gewessen, haben wir euch dasselbig gnediger meinung nit wellen verhaldten, 
fleissig begerende, ir wollent den verordenten commissarien der uffschreibung und 
declaration, so sy uff ewere angehorige leuth ierer bevelchs und commission 
dieruff gericht thun werden, nit irren noch innen darin intrag thun, sonder dem 
zugeleben, als wir uns des und alles gutts zu euch vertrawen, zulassen und ge- 
statten in ansehung sonderlichen, das solch furnemen euch zuvorderst auch dem 
gantzen adel und gemeinen nutz gemeldter unserer furstenthumben und land am 
hochsten betriefft. Und wollen euch dannoch nit verhalten, das unser will noch 
meinung nit ist, das euch noch den euwern solchs künfftiger zeit zu keinem 
nachtheil reichen soll, in welcher gestalt das sey oder sein möcht. Datum in 
unser stat Nancy anno etc. funfftzehenhundert und funffundzwentzig am ersten 
tag junii. 

Unsern lieben getrewen schultheis geschwornen und gemeinden unser stat 
Sarburg. 

Bl. 365 r— 366 v. 


— 286 — 


79. Herzog Anton von Lothringen ladet Schultheiss, Geschworene und 


Gemeinde seiner Stadt Saarburg auf 24. Januar zu einem Landtag nach Nancy. 
Nancy am XXVIIIten tag decembris anno XXVI. 1526 Dec. 28 Nancy. 
BU 2: 


so. Bericht über das Verhalten der Stadt Saarburg bei Erhebung der gemeinen 
Hilf. 1526. 

Uszug der register der gemeinen hilff im tausent funffhundert sechs und 
zwentzigsteu jar im hertzogthumb Lothringen der teutschen vogtey belangent die 
stat herrschafft und underthonen zu Sarburg in Lothringen gelegt, underschreiben 
durch Hans von Helmstat und Meylandt. 

Salburg. 

Wir haben innen unser commission erclert angezeigt und sy mit gutten 
wortten darzu dienstlich ermandt. Daruff sy geantwurt, sy haben ir best gethon, 
als unser gnediger herr hertzog bey innen gewessen und fur Zabernn gezogen, 
haben sy ein grosen costen gehabt, desgleichen so haben sy taglich ein grossen 
cossten mit underhaltung der stat porten. Derhalben unser gnediger herr woldte 
sy weyther nit beschweren und iere freyheitten, so sy von ieren gnaden und 
deren vorfarn hetten. Daruff wir innen widerumb angezeigt, sy solten sich dismals 
nit widern und wie gehorsam underthonen erzeigen, wie andere gethon. Das 
solt innen in kunfftigen kein nachtheil bringen. Aber des unangesehen haben 
sy nicht bewilligen wellen, usgenomen das, das sy zu unsern abscheidt sich er- 
potten, unsern costen zu bezalen, den wir daselbst gehabt, das wir zugelasen. 


Bl. 363. Franz. Abschr. lose dabei. 


sı. Kaspar Schneider, Culmans Hanns seligen Sohn von Saarburg, bekennt, 
dass er vom Amtmann Friedrich von Lützelburg wegen seiner »bossen belymung 
und diebstals halber« gefangen gesetzt und auf Fürbitte seiner Herrschaft, des 
Grafen Symon Weckher zu Zweibrücken und Bitsch, Herrn zu Liechtenberg, und der 
Gräfin Kunigunde zu Zweibrücken und Bitsch und Wittfrau zum Oberstein, sowie 
der Frau Barbara vom Oberstein, Jungfräulein zu Bitsch, wieder losgelassen 
worden ist. Er schwört, ausser Landes zu ziehen, jenseits des Rheines, und nicht 
mehr diesseits des Rheines zu kommen, sowie Urfehde zu halten. Datum uff 
dornstag post Jacobi apostoli in anno 1527. 1527 Aug. 1. 


Bl. 321r—322 v. 


s2. Aufruf Kaiser Karls V. gegen die Wiedertäufer. Geben in unser und 
des reichs statt Speyer am 4. tag des monats januarii 1528. 1528 Jan. 4 Speier. 

Zu Bl. 218. Druck mit abgebröckeltem rotem Siegel. (gez.) M. zu Baden 
k. stathalter (geschr.). Auf der Rückseite die Adresse: Statt Kaufmans Sarburg. 


S3. Kaiser Karl V. bestellt den nach Regensburg ausgeschriebenen Reichs- 
tag ab. Geben in unser und des reichs statt Speyer am 16. tag des monats 
aprilis 1528. 1528 April 16 Speier. 

Zu Bl. 218. Druck mit abgebröckeltem rotem Siegel. (gez.) von Montfort des 
kayserlichs stathalterampts verweser (geschr.), Auf der Rückseite die Adresse: 
Kauffmansarburg. 


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S4. Herzog Anton von Lothringen bestätigt den Saarburgern die ihnen von 
den Herzögen Johann II. und René IL. verliehenen Freiheitsbriefe. 1528 Mai 11 Nancy. 


Wir Annthoni von gotts gnaden hertzog zu Callabre zu Luthringen und zu 
Barre marggrave, marggrave zu Pontamousonn, grave zu Proventz zu Wydemont 
und zu Blanckhennburg etc. beckhennen und thun kundt menigklich mit disem 
brieffe, das uns unsere lieben getreuwen schultheis rath fiertzig und gantz gemeine 
unserer statt Sarburg zwenne bergameinen brieff, damit sy von wevllundt hoch- 
loblicher gedechtnus hertzog Hansen von Luthringen und nach ime von unseren 
lieben herrn und vatter seligen konig Rheinhardten von Sicillien hertzogen zu 
Luthringen und ieren anhangenden insiegeln uff gericht gefreiet und begnadiget 
worden seindt, zubracht und uns underthenigklichen gepetten und supliciert, innen 
solche freyheit und begnadigung zu bestettigen und zu confirmiren. Daruf wir 
die selbigen brieffe in unser rechen kammer durch unsern rathe daselbst besich- 
tigen verlesen und uns den inhalt und meinung zu verstendigen geschafft, und 
in bedacht, das sy sich alwegen uffrecht redlich und getreuwe gegent den ob- 
genannten unsern vorfaren besonder unsern lieben herrn und vatter konig Rein- 
hardten seligen noch lauth und inhaldt obgedachter brieffe auch gegen uns bisheer 
gehaldten und uns versehen, sy und iere nachkomen hinfurther treuwlich thune 
und erzeigen wellent und sollent, wie iere althere und vorfaren uns Jetzt getreuw- 
lich gethon haben, als sy uns dann da wir bey innen in gedachter unserer stat 
Sarburg uff unsern siglichen zugkh widder die Lauterschen uff rurschen von der 
baurschafft zugesagt und jetzundt abermals durch ieren schultheisen und gesandten, 
so allhie bey uns gewesen, versprochen haben als fromme getreuw nuderthonen, 
haben wir demnach mit wolbedachtem muthe gutem rathe und rechter wisen 
die obgenanten brieffe mit allem ierem inhalt puncten und artickheln gnediglichen 
bestettiget und confirmiert, bestettigen und confirmieren innen die also in und 
mit krafft dis brieffs, in und durch welchen solche iere zwenne freigheits brieffe 
und begnadigung mit unserm siegel durchzogen und annexiert seindt. Gepietten 
daruff allen und ieglichen unseren belissen hauptleuthen und amptleuthen vögten 
schultheissen richtern und menglichen, das sy gedachten unsern underthonnen 
schultheis rathe fiertzig und gantz gemeinde zu Sarburg bey solchen ieren frey- 
heitten und diser unserer confirmation handthaben, sye nutzit daranne irren ver- 
hindern noch von jemandtz andern zu thunt gestattent in dheine wise; darann 
thunt sy unser wollgefallen und ernstlich meinung. Des zu urckhundt so haben 
wir unser ingesiegel an disen brieff thun henckhen, der geben ist in unserer statt 
Nansy am XlIten tag des monats maii im jar des herrn tausent funffhundert acht 
und zwenntzig. 

Ad mandatum domini ducis in consilio magistro curie presidente et audi- 
toribus camere ducatus Luthringie praesentibus. 


Bl. 278r—279v. 


s5. Niclaus Dielman von Saltzburg bekennt, dass er von Dielmann Meiger, 
Schultheiss zu Sarburg, in Vertretung des Amtmanns Friedrich von Lützelburg, 
gefangen gesetzt, aber von Friedrich von Lützelburg nach Urfehde und Zahlung 
der Verpflegungskosten wieder freigelassen worden ist. Uff frietag noch sanct 
Frantziscus tag 1531. »Hie bey und mit ist gewesen zu gezug mit namen Kunrat 
Schrynner, Dieterich Kremer, Jacob Metzger, Marx Schrinner Bentz Wisgerber, 


Jacob Beckher, alle burger zu Sarburg, also underschreiben Jacob Klewol meister 
scheffen zu Sarburg.« 1531 Oct. 6. 


BI. 3220—3523t. 


S6. Die Saarburger beschweren sich beim Herzog von Lothringen über ihre 
Nachbarn Friedrich von Lützelburg, Amtmann zu Saarburg, die Herren von Heringen 
und Hassonrille und Arnoult Clos, Amtmann zu Freiburg, die ihren Unterthanen 
Verzug und Verheiratung nach Saarburg wehren und verschiedene andere Plackereien 
gegen sie ausüben. (Ohne Datum.) 


Unsern aller gnedigsten fursten und herrn hertzogen zu Lothringen. 

E. f. g. thund demutiglichen anzeigen euwere demutige und gehorsame 
underthonen schultheis gricht und gantze gemeindt euwere statt Sarburg, das 
inen vill molestationes und betrangs geschicht und zugefugt wurdt durch etliche 
herren und edelleut iere anstosser. Und erstlich haben gemeldte herren inhibiert 
und verpotten und wellet nit zulassen, das iere leut, so hinder inen gesessen, 
geen Sarburg kumendt und ziehendt, alda ir residentz zu haben, wiewol das 
gemeldte iere leuth heuser und wonungen alda haben, die sich dach gern des- 
halben mit ieren hern vergleichen woldten, uff das sy under e. f. g. wonen 
und iere heuser und gutter handthaben mochten, die sy alda haben, welche durch 
ir abwessen. gar verfallen und bauwfellig werden, das dann zu abgang e. f. g. 
statt reichet. Desgleichen seindt auch veil leuth under gemeldten herrn gesesen, 
welche gern woldten ire kunder in e. f. g. statt Sarburg verheyraten, dardurch 
die statt gebessert und gemert, welchs aber gemeldte herren nit wellen zulassen, 
wiewoll das sich iere leuth gern woldten mit inen derwegen vertragen der dienst- 
barkeiten halben, so sy inen möchten verbunden sein. Weitere sindt auch in 
e. f. g. statt veil burger, die von viertzig und funfitzig jaren heer ir residentz 
alda gehabt, welche nie angefochten noch angeclagt worden einicher dienstbarkeit 
dann allain itz, wellen und vermeinen abemeldte herrn sy innen underworffen 
zu machen, begerende, sich mit inen zu vertragen für sy und iere künder, suchendt 
ursach, sy innen zu underthonen und als leibeigen zu machen. Und so es hinfurt 
weiter zugelassen solt werden, wurde darus volgen, das die burger alle oder 
ie das maiste theil itzgerurter herren were, welchs e. f. g. auch ierer statt zu 
einem schedlichen nachtheil gereichete. Zu dem so haben gemeldte burger und 
inwonner grossen mangel an holtz zu bauwen zur handt arbeittet zu deckhen 
und zu brennen und konnden das nicht woll bekomen dann bey ieren nachpauren, 
die dann veil mer haben dann ewere underthonen, welche iere nachbauren vor 
zeiten haben holtz in euwer stat gefiert zuverkauffen, das sy nun nit mer thund, 
dann es innen verbotten durch iere herren. Auch so haben etliche underthonen 
der herren von Hassonville vor langen zeiten und jaren fronen und furen thun 
mussen in euwer statt zu nutz und gutten der selbigen, als zum kalckhoffen 
und sunsst, dessen sy sich itzund auch weigern zuthun und sagend, es sey 
inen durch iere herren verbotten, wiewoll das man nit mer noch weitters an sy 
begert und gefordert, dann wie von alters herr sy gethon haben. Es soll auch die 
hochstras oder die landstras von alters herr durch e. f g. stat Sarburg geen. 
Dieweil aber die strassen usserthalb ierem bann und limit nichtz gehandthabbt 
werden, welche doch gemeldte herren oder iere underthonen je und alwegen 
hand gebessert und gehandthapt, ein jeder nach seinem antheil, so faren die kauff- 


7 — 


leuth neben ab, das dan e. f. g. statt ain grosser abbruch und interesse. Der- 
wegen so bitten und begeren die mergemeldten supplicanten gantz undertheniglich, 
die welle hierin ein gnedigs insehens haben und uber vorerzelte articul gepurliche 
ordnung und provision geben und verschaffen. Dann wo es also weren solte, 
wurde e. f. g. stat, welche uff der frontier euwers lands gelegen, gar darnider 
ligen und abgeen, auch veil der burger und inwoner us bezwang die stat ver- 
lassen, das dann e. f. g. zu grossem nachtheil erschallen wurde. Derhalben e. f. 
g. hierin ein gnedigs insehen haben sollen. Und so das also beschicht, wellen 
die supplicanten dero destobas diennen und den allmechtigen zu allen zeitten 
fur ir wolfart bitten. Und sindt das die namen der jenigen, so euwern burgern 
und underthonen intrag thund in obgeschreibenen puncten: erstlich Fridrich von 
Lützelnburg amptmann alhie, die herren von Heringen und Hassonville und Ar- 
noult Clos amptmann zu Freyburg. 


Bl. 287r—289v. Franz. Abschr. davon und von n. 87 u. 89 auf einem Bogen 
lose dabei. 


87. Herzog Anton von Lothringen lässt auf die von der Stadt Saarburg 
geführte Beschwerde hin die Stadt sowohl als auch die Herren Friedrich von 
Lützelburg und Philipp von Heringen auf den 28. Februar 1532 nach Nancy vor- 
laden. Zu Nancy anno 1531 den 28ten tag januarii. 1532 Jan. 28 Nancy. 


BI. 289v—290r. 


SS. Die Saarburger erkennen Philipp von Heringen als Statthalter des Her- 
2095 von Lothringen un. 1532 Mai 4. 


Es ist zu wissen, das uff heut sambstag nach dem sontag Cantate des 
jar als man zalt noch der gepurt Christi tausend funffhundert dreyssig und zwey 
jar ist bestettigt worden und uffgenomen der strenge ritter herr Philipps von 
Herringen als ein stathalter unsers allergnedigsten herrn hertzogen zu Calabre 
und zu Lothringen von schultheis und rath dreyzehen und viertzig und der 
gantzen gemeine und ime vorgelessen die verschreibung beyder fursten und 
hertzogen von Lothringen sampt der dritten, so wir von unserm gnedigsten herrn 
hertzog Anthoni inhandts haben, also und in der gestalt, das uns der genante 
her Philips von Heringen stat halter von wegen unsers allergnedigsten herrn 
uns solchs halten well nach inhalt der gemeldten verschreibung und lassen 
pleiben bey unserm alten heerkomen und freyheitten, das er dann also an- 
genomen hat und gelopt mit trewen und eiden in sanct Niclaus kirchen den 
schultheissen von wegen der gantzen gemeinde und in gegenwertigkeit dechans 
und capiltels und die gantze gemeindt, solchs stette und veste zu halten, in massen 
wie vor underscheiden ist. Und darnach in solcher gegenwertigkeit der gemeldt 
schuldtheis von der gantzen gemeinde mit solcher obgemeldter gelubte und eide 
vor der gemeinen dargegen widerumb gelopt und geschworen, dem gnanten 
statthalter gehorsam und gewertig zu sein von wegen unsers allergnedigsten herrn 
obgenanten. 

Johannes Ludwig. 


89. Herzog Anton von Lothringen lässt, da »die wider parthei deren von 
Sarburg« auf die erste Ladung nicht erschienen war, die beiden Parteien zum 
19 


3. DES 


zweitenmal auf den 10. Januar 1533 nach Nancy vorladen. Diesmal ist auch 

Herr Johann von Hassonville geladen, der das erste mal wegen Abwesenheit im 

Auslande nicht geladen war (vel. n. 86 u. 87). Zu Nancy den neunten tag novembris 

anno 1532. 1532 Nov. 9 Nancy. 
Bl. 290r—291r. 


90. Veltein Gorins Euenn Sohn von Saarburg war von des Herzogs Amt- 
mann Philipp von Heringen um etlichen Mutwillens halber gefangen gesetzt 
worden; auf Bitten seiner Söhne bei Gelegenheit der Hochzeit des einen derselben 
wieder freigelassen schwört er Urfehde. Uff zinsstag nach sanct Martins tag 
anno 32. Hanns Ludwig geschworner stattschreiber zu Sarburg. 1532 Nov. 12. 


91. Herzog Anton von Lothringen beauftragt seinen conseiller et bailly 
d’Alemaigne, Jacot de Haracourt, die Saarburger Angelegenheit (vgl. n. 86, 87, 89) 
an Ort und Stelle zu untersuchen. Donne en nostre ville de Nancey le XIe jour 
de janvier 1532. 1533 Jan. 11 Nancy. 

Franz. Text auf losem Blatt, das als zu Bl. 283 gehörig bezeichnet ist. Der 
deutsche Text dazu fehlt. 


92. Schultheiss, Rat und Gemeinde der Stadt Saarburg bitten den Herzog 
um Fortführung ihrer Sache gegen ihre Nachbarn, in der auch seit Uebertragung 
derselben an den deutschen Bailli (vgl. n. 91) nichts geschehen sei. (Ohne Datum.) 


Der Herzog überweist die Sache zum Bericht seiner Ratskammer. Nancey 
den ersten junii anno 1533. 1553 Juni 1 Nancy. 


Bl. 302r—303r. Franz. Abschr. lose dabei. 


93. Die Saarburger wiederholen ihre Beschwerde gegen ihre Nachbarn, indem 
sie eine ausführliche Beschreibung aller Beschwerden einreichen, und bitten den Herzog 
um persönliche Entscheidung. (Ohne Datum.) 


Unserm aller gnedigsten fürsten und herrn hertzog zu Lothringen. 

E. f. g. burger und unterthonnen ierer stat Sarburg thund in aller demut 
der selbigen furpringen und anzeigen: Wiewoll sy hiervor e. f. g. ein supplication 
underthenigst ubergeben, belangende die grose beschwerungen umbillicheit und 
molestacion, so inen zugefeugt worden durch etliche von adel iere anstösser und 
nachbarn, verhoffende, sy soldten wider sy hilff erlangen und bey ieren alten 
herkomen gehandthabt werden, so haben sy doch bisheer nichtz weiters erhaldten 
dann allein, das e. f. g. die handlung und sach ierem teutschen belissen be- 
volhen, der aber kranckheit halben sich der sachen nit underwinden künden, 
und were auch volgendts durch e. f. g. bevolhen worden, das diejenigen, so 
uff den gutlichen tag zu Buckhenheim erscheinen würden, sich der handlung 
erkundigen solten, alda dan sy supplicanten erscheinen aber niemandts des orts 
funden, also das bisher noch nichtz usgericht und die sach pleiben steen zu 
ierem grosen schaden und nachtheil gereichende. Seyen derwegen abermals ge- 
zwungen, bey e. f. g. claglichen anzusuchen und derselben furzupringen. 

Erstlich, wie das etliche vom adel iere widersächer nit wellen zulassen, 
das iere underthonen nachbarn zu Sarburg sich verheuraten mogen mit den 


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supplicanten und ieren kündern, wie von alten geschehen; verbietendt ine auch, 
sich zu Sarburg zuhalten, wiewoll ir etliche iere eigne heuser und wonungen 
alda haben, die gern ir residentz alda hetten, daher iere heuser verfallen und 
die stat in ein ringerung und abgang kompt. Und in solcher gestalt understeen 
sy sich von tag zu tag, euwere underthonen inen underworffen und leibeigen zu 
machen, desgleichen auch diejenigen, so in gemeldter stat wonen von viertzig 
jaren heer, etliche wellendt sv zwingen mit innen zu uberkomen und fur iere 
underthonen zu halten, wiewoll man innen nie nichtz geheissen noch gefordert, 
einicher servitut halben. Und wo das also solte gestattet werden, würde e. f. g. 
stat in kurtzem gar darnider ligen. 


Zum andern, wiewoll ie und allwegen und von unverdachtlichen jären 
heer ietzgemeldte e. f. g. underthonen in geprauch gewessen, in die wäld umb 
die statt gelegen auch in deren vom adel wäldt zu faren brenn holtz zu schreiner 
werckh und anderen notturfftigen dingen darinn zu holen, so die handtwerckhs 
leuth bedorffen, doch mit bezalung der gewonlichen tax, so geschehen ine doch 
ietzundt intrag in dem und durffen sich nit mer darinn fünden lassen, und wellen 
sy zwingen, noch soviel zu bezalen und zu geben, als sy hiebevor verschienner 
zeit gethon haben. Und in ansehung, das der meistetheil der inwoner handt- 
werckleuth, die sich erneren mit zimmern holtzschniden und sunst, wo sy solten 
abgehaldten werden, holtz wie von alten in den welden zu holen und zu nemen, 
musste das meiste theil die stat verlassen und sich anderswo hin begeben. 


Weitters haben sy einen bann und anstos, in welchen sie ieren weidgang 
haben, auch holtz da zuholen zur nodturfft, das sy dann mit grosser muhe arbait 
und uncossten erlangt zu ieren geprauch, daruber inen auch nie kein intrag oder 
verbot geschehen noch einicher zu thun möge und macht habe, er welle inen 
dann unrecht thun. Des onangesehen understandt sich doch Friderich von Lützen- 
burg, ietzunder innen alle hinderung und intrag zuthun ime muglich, verleihe 
den selbigen den leuthen seins gefallens, alles wider iere alte brieff, welchs 
innen auch zu grossem schaden reichet, dann sy nit wissen, wo ir viche hin 
zutreiben, dessen sy sich erneren miessen. Und wo e. f. g. sy nit handthabt, 
werden sy gar undertruckht und für und für molestiert in allen ieren gepreuchlich- 
eiten niessungen und narungen. 


Darumb und dieweil, e. f.g. und herr, wiewoll e. f. g. durch die supplicanten 
offtermals angeruffen, aber bisher nichtz durch ieren teutschen belissen noch 
andere usgericht worden, sonder von tag zu tag von einem zum andern gewissen, 
und wo e. f. g. dismals ir armut und anlig nit zu hertzen füren, werden sy 
gar verderben und e. f. g. auttoritet des orts höchlich gemindert, so bitten sy 
gantz underthenigsten, e. f. g. welle dise sach und handlung selbs personlich 
verhoren und vernemen und hierüber ordnung und provision geben. Und was 
also e. f. g. hierin thut und macht, dem wellen sy sich gentzlich und gar under- 
worffen haben. E. f. g. welle auch nicht zu lassen noch gedulden, das sy ge- 
schedigt noch molestiert und letstlich verjagt werden, wo billiche mittel nit 
gegeben würden, dessen sy abermals underthenigst bitten, und sy vor weittern 
uncosten zu verhutten. Und ietzgemeldte supplicanten wellen gott fur e. f. g. 
bitten und alleweg iere gehorsame underthonen sein und bleiben. 


Bl. 303r—305v. Franz, Abschr. von diesem und dem folgenden Stück auf 
einem Bogen lose dabei, 


1 


HIN 


94. Der Herzog beauftragt daraufhin seinen Bailli von Nancy, Herrn 
von Ubsy, die Sache zu untersuchen und womöglich auf dem Vergleichswege beizu- 
legen, wenn aber letzteres nicht möglich, ihm genauen Bericht zu erstatten. 

1535 Sept. 7 Nancy. 


Unser gnedigster fürst und herr, welcher ein sunderlich begirde, die materi, 
in vorgemeldter supplication beschreiben, mit der warheit informiert und versten- 
digt zu werden, auch wie die selbig geschaffen, verordnet hiemit seinen räth 
und belissen zu Nancey den herren von Ubsy und mit ime seinen prost von 
Saltzburg mit bevelhe, den partheien, in mer gerurter supplication bemeldet, und 
anderen, so dise sach berieren, uffs aller beltest es geschehen mag, tag an zu- 
setzen und die amptleuth zu Sarburg darzu beruffen, aller sachen gestalt und ge- 
legenheit erkundigen und erfaren, daruff allen muglichen fleis anwenden, die 
partheien oder einiche der selbigen, in dem sy beruren mag, zu freündtlicher und 
gutlicher vergleichung zu bringen. Wo aber die gute nit verfahen wolte, sein 
f. g. nach der leng zu berichten, wie sy die handlung befunden, sampt ierem 
gutt bedunckhen, volgendts daruff zu ordinieren und solche provision zu geben, 
wie sich nach gestalt der sachen geburen wurt. Verfertigt zu Nancy den 
VIlten septembris 1533. Der graffe von Salm, groshoffmeister, der herr von Gerbe- 
viller, der herr von Borlemont, der president in Lothringen und andere gegen- 
würtig. Anthonie, pro secretario J. von Wittringen. 


BI. 306. 


95. Schultheiss, Rat, Dreizehner, Vierzig und ganze Gemeinde zu Saarburg 
erkennen den Junker Wolff Steinfurt nach Vereidigung auf die ihnen von den 
Lothringer Herzögen verliehenen Freiheiten als Statthalter des Herzogs von 
Lothringen an. Uff heut sampstag nechst noch des heiligen creutz tag erhe- 
bung 1533. Johannes Ludwig. 1533 Sept. 20. 


Bl. 357 r—358r. 


96. Bericht der Kommissarien über die Antwort der Stadt Saarburg auf die 
Forderung der gemeinen Hilf. 1535. 


Usszug der gemeinen register der hilff ein tausent funffhundert funff und 
drevssigisten im hertzogthumb Lothringen teutscher vogtey gelegt, belangent die 
stat herschaft und underthonen zu Sarburg in Lothringen, durch Hannsenn 
von Warsperg und Trigion underschreiben. 

Wir commissarii haben denen von Sarburg nach der lenge den inhalt unser 
commission erclert, die uns nach gehaptem bedanck mit wortten begegnet, welcher 
massen sy bisheer von aller hilff gefreyt gewessen, und haben uns nachvolgendts 
im rath iere freyheitten, so sy von dem konüg us Sicilien selig und von unsern 
ietzigen gnedigsten herrn haben, und hab uns fleissig gepetten und ersucht, wir 
wolten sy uber solche freyheitten weiter nit tringen. Als wir solchs verstanden 
und nit befelch gehabt, solche freyheitten furzuschritten, haben wir sy weiter nit 
beschwert und verabscheidet, das wir solchs unsern gnedigsten herrn anzeigen 
woldten. Und zu beschlus haben sy sich erpotten, unser zerung zu bezalen, das 
wir zugelassen. 


Bl. 3640—3565r. Franz. Abschr. lose dabei, 


af 


das 


ste. ‘ain 


— 293 — 


97. Johann de Sairuck, der von Junker Wolffgang Steinfurt, Hauptmann 
zu Saarburg, im Namen des Herzogs Anton von Lothringen in das Gefängnis zu 
Saarburg gelegt worden, wird vom Hauptmann daselbst nach Urfehde und unter 
Uebernahme der Kosten wieder entlassen. In beisein der furnemen und ersamen 
Urbann Zolts schultheis zu Sarburg und andern darzu verordneten. Freytag nach 
sanct Johannes baptisten tag 1537. Hanns Ludwig, geschworner statschreiber 
zu Sarburg. 1537 Juni 29. 

Bl. 324v—326r. 


98. Niclaus Schneider, Reimolts Tochtermann zu Saarburg, bekennt, dass 
er von Collin Ferber, zur Zeit Amtsbefehlshaber des Herzogs von Lothringen, ge- 
fangen gesetzt, aber von demselben aus Gnade nach Urfehde wieder entlassen 
worden. »Des zu warer urkundt, so ist dise mein urpheth durch Hanns Lud- 
wigen den geschwornen statschreiber unden verzeichnet uffgericht und in der 
stat gewonlich urphed buch geschreiben worden.« Uff zinstag noch dem sontag 
Judica in der fasten 1538. Hanns Ludwig geschworner statschreiber zu Sar- 
burg. 1538 April 9. 

Bl. 326r—327v. 


99. Friderich Sporrer von Bemund (?) Bürger zu Saarburg, der wegen Not- 
zucht durch Herrn Collin und den Schultheissen ins Gefängnis gelegt und vor 
Gericht gestellt worden ist, schwört Urfehde. Actum freitage nach Exaudi anno 38. 
Hanns Ludwig, geschworner statschreiber zu Sarburg. 1538 Juni 7. 


BI. 327v—329v. 


100. Herzog Anton von Lothringen überträgt Friedrich von Lützelburg 
das z. Z. ledige Amt der Hauptmannschaft seiner Stadt Saarburg mit einer Be- 
soldung von 200 Franken und befiehlt seinem Rat und Präsidenten in Lothringen, 
magistro Nicolas Mengin, denselben zu vereidigen. Nancey den 20. tag septembris 
anno 1538. 1538 Sept. 20 Nancy. 


BI, 344r—346r. Franz. Abschr. lose dabei. 


101. Herzog Anton von Lothringen befiehlt Schultheiss, Rat, Vierzigmann 
und Gemeinde seiner Stadt Saarburg, dem von ihm zum Amtmann in Saarburg 
eingesetzten Friedrich von Lützelburg den von alters her ihm zuständigen Eid zu 
leisten. Nancy den 20. septembris anno 38. 1538 Sept. 20 Nancy. 

Bl. 337. 


102. Schultheiss, Rat, Dreizehner, Vierzig und ganze Gemeinde zu Saar- 
burg erkennen den Junker Friedrich von Lützelburg nach Vereidigung auf die 
ihnen von den Lothringer Herzögen verliehenen Freiheiten als Statthalter des 
Herzogs Anton von Lothringen an. Uff heut dornstag nechst nach sanct Matheus 
tag des heiligen zwolf botten 1538. Johannes Ludwig statschreiber. 1538 Sept. 26. 


Bl. 356 r—357r. 


103.° Crantzen Hanns, wohnhaft zu Saarburg, beschwert sich beim Herzog 
über das Gericht zu Saarburg und verlangt eine Entscheidung vor dem Herzog 
oder dessen Räten oder doch wenigstens vor dem deutschen Bailli. (Ohne Datum.) 


— 24 — 


Der Herzog schickt dieses Schreiben an den deutschen Bailli mit dem 
Auftrag, die Sache zu untersuchen und darüber zu berichten. Zu Nancy den 
4ten decembris 1538. 1538 Dec. 4 Nancy. 

Bl. 291r7—292r. 


104. Schreiben Herzog Antons, wonach die beiden Parteien in einem ur- 
sprünglich beim Saarburger Gericht anhängigen, diesem aber auf Bitten der einen 
Partei entzogenen Streite nach gescheiterten Beilegungsversuchen von seiten des 
deutschen Bailli auf Donnerstag oder Montag nach der nächsten zu Saarburg 
stattfindenden Gerichtssitzung nach Saarburg »vor seinen gnaden oder denen, 
so er verordnet und deputiert«, vorzuladen sind. Nancy den 14. des meyen 
XVCXXXXIX.1) 1539") Mai 14 Nancy. 

BI. 292. 


105. Herzog Anton von Lothringen lässt Schultheissen, Ratleuten, Gericht 
und Einwohnern zu Saarburg eine Ladung zu dem auf 22. Nov. nach Nancy fest- 
gesetzten Landtag zugehen. Datum in unser stat Barr am XXIXten septembris 
ao XL. 1540 Sept. 29 Bar-le-Duc. 

BI. 279 v—280r. 


106. Schreiben des Hanns Christian Goldschmidt, Schultheiss von Saar- 
burg, an den Herzog von Lothringen, derselbe müge dem Gerichte zu Saarburg 
befehlen, gegen den von ihm wegen Beleidigung im Amte citierten aber nicht er- 


schienenen Peter Metzger vorzugehen. (ohne Datum.) 
Schreiben des Herzogs Anton von Lothringen an das Gericht zu Saarburg, 
dasselbe solle gegen Peter Metzger vorgehen. 1540 Nov. 20 Nancy. 


Bl. 245 r—246v. Franz. Abschr. lose dabei. 


107. Der Herzog verfügt, dass in Sachen des Lorentz Guttenberg in Saar- 
burg gegen den Schultheissen von Saarburg und Niclaus Beckher daselbst das 
Gericht zu Saarburg entscheiden solle, dass der vom Saarburger Schultheissen 
gefangen gesetzte Bernert Gutenberg freizulassen sei und demselben das Recht 
zustehen solle, Richter, die er für »suspect und verdacht< halte, abzulehnen, 
worauf der Amtmann zu Saarburg dieselben für die Dauer des Prozesses durch 
andere zu ersetzen habe. Zu Nancy den 21ten tag novembris Ve XL. 

1540 Nov. 21 Nancy. 

Bl. 29202—293r. Franz. Abschr. lose dabei. 


108. Auf die Eingabe des Saarburger Bürgers Peter Metzger gebietet der 
Herzog von Lothringen dem Schultheissen und Gericht zu Saarburg, in dem Pro- 
zess des Metzger gegen Amtmann und Gericht zu Saarburg bis zur Genesung 
von Metzgers Hauptzeugen, dem deutschen Bailli, Stillstand eintreten und Peter 
Metzger in Saarburg »handlen und wandlen« zu lassen. Zu Nancy den letsten 
aprilis 1541. 1541 April 30 Nancy. 

bl. 2950—295v. Franz. Abschr. luse dabei. 

1) Das nicht mehr in die Regierung Herzog Antons fallende Jahr 1549 beruht 


offenbar auf fälschlicher Ansetzung einer vierten X von seiten des Abschreibers. Das 
Stück lässt sich beim Jahre 1539 auf das beste unterbringen (vgl. n. 103.) 


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109. Der sog. Nürnberger Vertrag über die staatsrechtliche Stellung des Herzog- 
tums Lothringen zum Deutschen Reich. 1542 Aug. 26 Nürnberg. 

Wir Ferdinandus von gotts gnaden Romischer könig, zu allen zeiten merer 
des reichs, in Germanien zu Hungernn Boheim Dalmatienn Croatienn und Scla- 
vonienn etc. könig, infant in Hispanienn, ertzhertzog zu Österreich, hertzog zu 
Burgundi zu Brabandt zu Steyr zu Kernten zu Crain zu Lutzelburg und zu 
Wurtemberg, fursst zu Swabenn, margraffe des heiligen Römischen reichs zu Burgaw 
Merern Ober und Nieder Lauschnitz, grave zu Habspurg zu Tvroll zu Pfurdt zu 
Küburg und zu Görtz, landgraff zu Ellsas, herr uff der Windischen Marckh zu 
Portenaw und zu Salms, beckennen offentlich und thun kundt allermenigklich 
mit diesem brieve, als der hochgeborn Annthoni hertzog zu Lothringen unser 
lieber swager uff etlichen hiervor gehaltenen reichstagen und sonderlich uff 
nechst gehaltenen reichstägen zu Regennspurg und Speier der Ro. key. mt. unsern 
lieben bruder und herrn auch curfurssten furssten und stenden des heiligen 
reichs durch seine botschafft undertheniglich freündtlich und gnediglich furpringen 
hat lassen, wiewoll sein herzogthumb Lothringen ein frey furstenthumb und nie- 
mand underworffen dann allein, das er von wegen etlicher particular stuckhen 
seins herzogthumbs der Ro. key. mt. und des heiligen reichs lehenmann und ver- 
wandter were, so würden doch er und seine underthonnen durch die anschleg des 
heiligen reichs, auch der cammerrichter und beysitzer fiscalisch proces, darzu in 
appellation mandaten und andern sachen, vilfeltig angefochten, das vormals nit 
geschehen und noch nit sein solte, wie er im fall der nodturfft gnugsam dar 
zuthun getrauwe. Aber des unangesehen und darmit die Ro. key. mt. churfurssten 
furssten und stende scheinbarlich befünden möchten, das er veil mer mit ierer 
mt. und den stenden des heiligen reichs friedlich und einig zu sein dann in 
wider willen zu leben begirig und geneigt were, so bete und begert er, mit der 
kev. mt. auch churfurssten furssten und stenden des heiligen reichs vertragen 
und vereint zu werden, wiewoll er das nit schuldig were, mit dem erbietten, das 
er von sollichen particular leehenstuckh wegen, dern doch wenig.-weren, Jarlichs 
zu underhaltung des cammergerichts und allen andern aufflagen und anschlegen, 
so von gemeinen stenden des heiligen reichs gemacht werden, einen zimlichen 
antheil zu geben willig sein wolte, doch mit der versicherung, das er solche be- 
schwerungen nit allein von der particular leehenstuckh wegen sondern darumb 
uff sich nemen und tragen wolte, das sy seinem hertzogthumb incorporiert und 
inverleibt weren, auch das er und das gantz furstenthumb Lothringen gleich 
andern furstenthumben und stenden des heiligen reichs beschutzt und beschirmt 
werden solten, doch das dieselbigen anlagen auch der massen zimlich ange- 
schlagen und gmessigt wirden, das sy ime und seinen erben träglich und leiden- 
lich sein mochten, so weren seine lehenstuckh, die er vom heiligen reich zu 
leehen und affterleehen truge, also eins geringen järlichen einkommens, das sy 
ein einige anlage einem churfurssten gleich in veil jaren nit ertragen möchten. 
Dargegen aber furgewendt worden, wiewoll wir und gemeine stend auff gehapte 
erkundigung nochmals darfur achten und hielten, das sollich hertzogthumb 
Lothringen dem heiligen reich underworffen were und billich sein solte in be- 
trachtung, das die hertzogen zu Lothringen von altersheer in des reichs an- 
schlegen begriffen gewest und noch seyen und darüber andere mer stathaffte und 
erhebliche grundt und ursachen dargethon werden mochten, nach dannoch, die- 


> 


weil wir seinen gneigten und gutten willen, so er zu dem heiligen Ro. reich 


we, 


tregt, vermerckht und vernomen, so haben wir innamen und anstatt der Ro. key. 
mt. unsers lieben bruders und herrn und für uns selbs mit seiner bottschafften, 
nemlich Claudio von den Pillirs, seinem belissen von Spinal, herren von Jande- 
laincourt, Dominico Champenois, der rechten doctore und supplicium libellorum 
magistro, Nicolao von Lescut und Joachimo Grieninger, der rechten doctor, und heer 
widerumb sy von wegen bemeldts ieres herren des hertzogen zu Lothringen sich 
mit uns uff ir gnugsame derhalb furgelegte credentz und gewaldts brieff mit vor- 
wissen rhate und willen der churfurssten furssten und stende und der abwesenden 
botschafften in weitere handlung begeben und noch veil hin und wider beschehen 
anzeigungen reden und handlungen uns derhalben endtlich mit ein andern ver- 
einigt vergleichen und vertragen, vereinigen vergleichen transigieren und ver- 
tragen uns auch hiemit und in crafft dis brieffs in der aller bessten und besten- 
digsten form transaction und mas, wie das beschehen soll und mag, also das 
genanter unser swager hertzog Annthoni und seine erben hertzogen zu Loth- 
ringen etc. nit allein mit den particular stuckhen, so von dem heiligen reich zu 
leehen oder affter leehen ruren und geen, sonder auch mit dem hertzogthumb 
Lothringen und was dem selben als einem hertzogthumb zugehorig ist, als 
namblich Blanckenburg Pontemoussonn und der gleichen, nun hinfuro und zu 
ewigen zeitten in der Ro. keyser und konige und des heiligen reichs schutz und 
schirm sein und, wie andere fursstenthumb und stende des heiligen reichs, ge- 
schutzt geschirmt und verthedingt werden sollen, wie wir auch innamen und an 
stat der Ro. key. mt. unsers lieben bruder und herren und aus seiner key. mt. 
sonderbaren bevelche und fur uns selbst den obbemeldten unsern swager hertzog 
Anthonienn seine erben und das hertzogthumb Lothringen in irrer key. mt. unser 
und des heiligen reichs schutz schirm und verthedigung hiemit also uff und an- 
nemen. Dargegen sollent und wellent gedachter hertzog Anthoni und seine erben 
alle und jede anschleg und auflagen, die jeder zeit von gemeinen stenden im 
heiligen reich furgenomen und gemacht werden, tragen, und nemblich in jeden 
anschlag zwey theil, das ein drittheil weniger und minder ist des anschlags oder 
ufflag, so einem churfurssten ufferlegt würdet, geben und endtrichten, also wie 
offt ein churfursst drey hundert gulden zu anlag geben würdet, sollen bemeldter 
hertzog Anthoni und seine erben allweg zweyhundert gulden erlegen, und also 
in mündern und merern anschlegen uff und ab zurechnen, darzu zu!) inbringung 
sollicher anschleg und ufflagen und erhaltung des gemeinen im heiligen reich 
auf gerichten landfridens sicherheit und gleidts der key. mt. uns und den Ro- 
mischen keysern und konigen, die zu jeder zeit sein werden, auch dem heiligen 
reich und desselbigen jurisdiction zugethon und verwont sein, aber sonst sollen 
sy und das hertzogthumb Lothringen und desselben underthonen aller andern 
process mandathen und jurisdiction des heiligen reichs, es sey in erster oder 
anderer instantzien, geübrigt gemüssigt und frey sein und mit einichen processen 
mandaten citation appellation annemung und andern sachen, wie die namen 
haben möchten, kheine ausgenomen dann allein die in inziehung der anschlege 
und ufflagen auch handthabung landtfridens sicherheit und gleidts, wie obgemeldt 
gehörig sein, on beschwerdt gelassen werden und pleiben, und das hertzogthumb 
Lothringen mit seinem anhang ein gantz oningetzogen furtenthumb sein und 
ewiglich pleiben und von der key. mt. uns auch churfurssten furssten und stenden 


') Jn Hs, fälschlicher Weise durchgestrichen. 


— 297 — 


des heiligen reichs ein frey uningezogen fursstenthumb superioritet und principat 
erkennt genent und gehaldten werden. Wes aber des bemeldten unsers swa- 
gers herthog Anthonien voreltern hertzogen zu Lothringen und er bisher von 
Ro. keyser und konigen und dem heiligen Ro. reich zu leehen gehabt empfangen 
und getragen, das sollen auch er hertzog Annthoni und seine erben hinfuro also 
zu leehen haben und, wie sich gepurt, empfahen und tragen, doch hierin in allweg 
usgescheiden das hertzogthumb Lothringen, welchs ein frey uningezogen fursten- 
thumb sein und pleiben sol. Und dieweil der obberurt hertzog Annthoni fur sich 
und seine erben sollichen tractat und handlungen bewilligt und angenomen hat, 
so gereden und versprechen wir in namen und anstat der Ro. key. mt. und fur 
uns selbs hiemit und in crafft dis brieffs, das ir mt. als Romischer keyser und 
wir auch alle unsere nachkomen am reich gedachten hertzog Anthonienn seine 
erben und das hertzogthumb Lothringen wie andere des heiligen reichs fursten- 
thumb und stende schutzen schurmen und verthedingen und nit weither dann zu 
inziehung der anschlegen landfriden sicherheit und gleidt, wie obstehet, zu unser 
und des heiligen reichs verwandtnus jurisdietion und mitleiden ziehen, noch er- 
fordern sollen noch wellen, und gepietten daruff an stat und innamen der key. 
mt. und fur uns selbs von Ro. key. und koniglicher macht volkommenkeit allen 
und jeglichen churfurssten furssten geistlichen und weltlichen prelaten graffen 
freyherren herrn rittern knechten hauptleuthen vitzthumben vögten pflegern ver- 
wesern amptleuthen schultheissen burgermeistern richtern und gerichten und in- 
sonderheit der key. mt. und unserm cammerrichter und beisitzern des key. cammer- 
gerichtz und hoverichter und urtheiller des hoffgerichts zu Rotweil und allen 
andern richtern gerichten räthen burgern gemeinden und sonst aller andern 
unsern und des reichs underthonen und getrewen, in was würden stands oder 
wesens die seyen, hiemit ernstlich und wellen, das sy nun hinfuro obbemeldten 
unsern swager hertzog Annthonienn und seine erben auch iere underthonen 
und hertzogthumb Lothringen an solcher unser einigung vergleichung trans- 
action und vertrag nit hindern noch irren, sonder sy von gedachter key. mt. 
unser und des reichs wegen darbey handthaben schutzen und schurmen auch 
geruewiglich geprauchen geniessen und gentzlich darbev pleiben lassen, dar- 
wider nit thun noch jemandt andern darwider zuthun gestatten sollen. Wir 
meinen ordnen und wellen auch von obbemelter macht, das weder der key. 
fiscal an obgedachtem cammergericht noch sunst iemandt andere wider be- 
meldten hertzog Annthonienn seine erben und nachkomen hertzogen zu Loth- 
ringen und jedes underthonen sampt oder sünder von wegen der anschleg oder 
ufflagen, so vor dato dis brieffs in dem heiligen reich angelegt oder furgenomen 
worden, und nemblich auch von wegen der drey jarigen hilff zu widerstandts des 
Türckhens, uff diesen jungstgehaltenen reichstagen zu Augspurg Regennspurg und 
volgends zu Speir bewilligt, ferner mit nichten procedieren oder sy dernhalben in 
oder usserthalb rechtens anvordern noch beunruwigen solle in kein weis noch 
weg, dann wir ine und seine erben derselben gantz quitt ledig und los zelen. 
Wir heben auch hiemit uff; passieren und vernichten alle die process und er- 
kanndtnussen, die derhalben bishero furgenomen und ergangen sein, und setzen 
ordnen und wellen us rechter wissenheit und obberurter macht volkhomenheit, 
das alles, so diesem unserm einigung und vertragsbrieff zuwider furgenomen 
erlangt und ausgebracht worden möchte, krafftlos und nichtig sein soll, wie wir 
es auch hiemit an statt der key. mt. und fur uns selbs aus Ro. key. und ko. 


— 298 — 


macht volkomenheit und eigner bewegnus craftlos nichtig und umbündig erkennen, 
und wellen, das es gentzlich bey diessem unserm vertrags einigung und ver- 
gleichnusbrieff pleiben und vestiglichen gehalten werde sonder geverde. Des zu 
urckhundt haben wir unser koniglich insigel an diessen brieff thun henckhen, und 
wir von gottes gnaden Albrecht, der heiligen Ro. kirchen tittels sanct Petri ad 
vincula priester cardinal und geborner legat, des heiligen stuls zu Meintz und des 
stiffts Magdenburg ertzbischoff primas, administrator zu Holberstat, marggraffe zu 
Brandenburg, zu Stettin Pommern der Cassubenn und Wennden hertzog, burggraffe 
zu Nurnburg und furst zu Rugenn, des heiligen Romischen reichs durch Ger- 
manienn, Johann Ludwig, erweldter und bestettigter zu Trier, durch Gallienn und 
das konigreich Arelat, Hermann, ertzbischoff zu Cöln, hertzog zu Westphalenn und 
zu Engern, administrator zu Padeborn, durch Italien, alle drey, ertzcantzler, und 
Ludwig, pfaltzgraffe bei Rhein, hertzog zu Bayernn, des heiligen Römischen reichs 
ertztruchsäs, alle churfursten, beckhennen in crafft dis brieffs, das alle dise ob- 
geschreibene handlung einigung transaction und vertrag durch die Ro. ko. mt. 
unsern allergnedigsten herrn innamen und anstat der Ro. key. mt. auch unser 
allergnedigsten herrns und fur sich selbs mit unserm und unserer mitchur- 
fursten auch der fursten und anderer stende vorwissen willen und rath vor- 
maln uff dem nechsten Speirischen reichstag zu Nurnberg mit des hoch ge- 
bornen furstens herrn Annthonienn hertzogen zu Lothringen unsers freündtlichen 
lieben ohaimen vettern und freündts obgenanten rhäten und botschafften in bey- 
sein unser und anderer unserer mit churfurssten verordneten räthen und mit der 
selben auch der furssten und stenden des heiligen reichs und der abwesenden 
botschafften, uff dem selbigen reichstag zu Nurnburg versamlet, vorgehapten rathe 
gutte wissen und willen gepflegen gehandelt und beschlossen worden. Wir be- 
willigen ratificieren und becrefftigen auch die selbigen in allen und ieden ieren 
puncten und artickheln insonderheit fur uns unserer nachkomen und erben hiemit 
wissentlich in crafft dis brieffs. Des alles zu vessten waren urckhundt haben 
wir fur uns selbs und die andern unsere mit churfurssten uff derselbigen rathe, 
uff diesem reichstag zue Nurnburg versamlet, bit und begere unser jeder sein 
ingesigel neben der Ro. ko. mt. insigel an disen brieff thun henckhen, der geben 
ist in unser und des heiligen reichs stat Nurnburg uff den sechsundzwentzigisten 
tag des monats augusti nach der gepurt Christi funfftzehenhundert und im zwey 
und viertzigisten, unserer reich des Romischen im zwölfften, und der andern im 
sechtzehenden jaren. Ferdinandus. 


Bl. 374r—382v. Lat. Fassung gedruckt bei Calmet, Hist. de Lorr. III. p. j. 
CCOCXCHIL f. 


110. Der deutsche Bailli Philipp von Daun schreibt an Amtmann und Stadt 
zu Saarburg wegen des Gusses einer Kartaune und ermahnt sie, in diesen unsichern 
Zeitläuften gut auf der Hut zu sein. 1543 April 11 Rixingen. 


Philips von Thaun herr zu Oberstein und Falckhenstein teutsch bellis. 

Unsern gruss zuvorn fursichtigen achtparn und weisen lieben besondern. 
Demnach sich die leuff itz zur zeit geschwindt erheben und seltzam endsteen, 
mogen zu besorgen und uff das unversehener weis kein unrath bey euch endsteen 
möge, ist amptshalben unser ernstlicher befelch an euch, ir wollen gutte ordnung 
mit der wacht und huet an den thorn uffrichten, wie wir dann hiebevor euwerm 


— 299 — 


amptmann sollichs auch geschreiben haben. Weiter wir seindt diese nechst ver- 
scheinen woche zu Nancy bey unserm gnedigsten herrn gewesen und seiner furst- 
lichen gnaden angezeigt, wie ir noch ein halben cartunen bey euch habent, welche 
ir nit geprauchen kennden. dernthalben sehe uns für gut an, das man die selbige 
widerumb zu nutz gegossen hette. Daruff hochgemeldter unser gnedigster herr 
uns mit antwurt begegnet, das wo ir noch etlich zentner kupffers und sonst alte 
häffen under euch burgern gesamlen kondten und solchs sampt gemelter halben 
cartunen. geen Nancy schickhten, wolten seine f. g. euch je ein zentner, warzu 
und wie irs haben wellen, vor vier franckhen giessen lassen, uff das ir euwere 
thueren und mauren desto bass versehen mögen; dann wirs gern gut mit der 
statt gesehn. So das euch also gelegen oder nit, uns schrifilich antwurt davon 
zuschicken, darnach haben zu rischten. Datum Rixsingen mitwuch den eilfften tag 
aprilis anno etc. drey und viertzig. 

Den fürsichtigen achtparn und weissen unsern lieben besondern meister 
scheffen und rathe der stat Sarbureg. 


BI. 3597-—-360r. 


111. Herzog Anton von Lothringen ernennt Bernhard von Lützelburg zum 
Amtmann zu Saarburg als Stellvertreter und Nachfolger seines alten und gebrech- 
lichen Vaters Friedrich von Lützelburg. 1544 Febr. 4 Nancy. 


Anthoni von gotts gnaden hertzog zu Calabrienn Lothringen, Bar und Geldern 
marchis, marggrave zu Pontamousson, graffe zu Provintz Vaudemont und zu Zut- 
phen etc., allen und ieden die diesen brieff sehen werdent heil. Als unser rath 
und lieber getrewer Friderich von Lutzelnburg amptmann zu Sarburg uns ietz 
hat zuvernemen geben, das er nun mer mit alter und schwacheit beladen und, 
wo er nit hilff und beistandt von seiner son einem dem eltesten Balthasarn von 
Lutzelburg hette, mochte er die bürde seins ampts nit erdulden, und so aber unser 
will were, seinem ietzgemeldten sone das berurt ampt nach seinem abgang gne- 
diglich zugeben und verwilligen, wolte er zu hertzen fassen und desto mer fleis 
ankeren zu verwaltung des ampts, in betrachtung auch, das er sein son tauglich 
und geschickht were, solch ampt zu versehn. Hierumb ist zu wissen, das wir 
ansehende die angeneme und getreuwe dienst, so gemeldter Friderich uns gethon, 
auch hoffende, das gemeldt ampt woll versehen sein mit seinem son Bernhardten 
und das er seinem vatter nachvolgen werde seins vermogens, so haben wir ge- 
meldten Bernhardten in ergetzung der diensten, so sein vatter uns gethon, geben 
und zugestelt und in crafft dis brieffs geben und zustellen ime obgemeldt ampt 
und hauptmanschafft der stat Sarburg, dasselbig alsbald nach absterben seins 
vatters, oder wanne und so offt er sich dessen begeben will, zu haben zu tragen 
und zu verwaldten mit solchen eeren gunsten freyheitten liberteten nutzungen und 
besoldung, wie sein vatter ietzunder hat und von ietzgemeldts ampt wegen hiervor 
hat genossen und gebrucht. Hieruff gepietten und bevelhen wir hiemit in crafft 
dis brieffs allen unsern seneschaln marschalckhen belissen procuratorn rentmeistern 
gerichtzleuten amptleuthen gegenwürtig und kunfftig leutten vassallen underthonen 
und inwonern zu Sarburg, das (doch zuvor den eidt von gemeldtem Bernhardten 
empfangen in unser rechenkamer zu Nancy durch den presidenten in derselbigen) 
sy ine Bernhardten ietz gemelds ampts und hauptmanschafft auch der gerechtig- 
keiten besoldung eeren und wirden, wie mergemeldt, thuendt gestattendt und 


— 300 — 


lassend nutzen niessen geprauchen tragen und verwaldten, one das sv ime in 
dem gebend noch gestatten ime gethon oder gegeben werde einicher intrag oder 
hindernus entgegen. Dan also ist unser will und ernstliche meinung doch, das 
er Bernhardt sein residentz zu Sarburg oder in seinem Haus zu Sareckh nechst 
darbey gelegen habe und halte. Des zu urckundt haben wir an disen brieff (mit 
unser handt underschreiben) unser insigel thun hencken, der geben ist in unser 
stat zu Nancy den vierdten tag februarii anno tausent funffhundert viertzig und 
drey. Annthoni. 

Und uff dem uberschlag des brieffs: per dominum ducem etc., der freyher 
Daguere grosshofmeister, der belis von sanct Michel und andere mer gegenwürtig. 
Secretari J. de Wittringen und pro registrator J. Beurges. 

bl. 5346r—348r. Franz. Abschr. lose dabei. 


112. Herzog Franz II. schreibt an die Saarburger, dass der Kaiser und der 
König von Frankreich Frieden geschlossen haben, und gestattet ihnen, die durch- 
ziehenden Knechte gegen Bezahlung zu verpflegen. 1544 Oct. 8 Eïinville. 


Franciscus von gotts gnaden hertzog zu Calabrienn Lothringen Bar und 
Gueldernn marggraffe. 

Liebe getreuwe, wir haben euwer schreiben gesehen und vernomen und 
ist nit one, das Ro. keyserlich mt. und der konig aus Franckreich ein frieden 
beschlossen und publiciert haben, auch das der knecht ein grosse anzall geur- 
lobt und herus ziehend, vergunnen euch und lassen also zu, das gemeldte knecht 
ieren durchzug durch unser stat Sarburg nemen, daselbst gespeist und getrenckht 
worden umb ieren pfennig, doch das iedes mal nit mer, dann ir wol mugt meister 
sein, zugelassen, auch keiner uber zwey mall genacht herberg werde. Das 
megent ir unserm amptman daselbst anzeigen, sich darnach haben zu richten. 
Datum zu Einvil den achten tag octobris anno etc. viertzig vier. 

Unsern lieben getrewen schultheis rath und viertzig mann unser stat 
Sarburg. 


Bl. 358. 


113. Herzog Franz von Lothringen begnadigt auf Bitten der Wittwe Claus 
Schlossers deren Sohn Bastian Gerber, Bürger zu Saarburg, der in der Trunken- 
heit einen Kriegsmann, Anstat Streicher genannt, ebenfalls Bürger zu Saarburg, 
unabsichtlich entleibt hat und deswegen ausser Landes geflohen ist. Der Be- 
gnadigte soll sich jedoch mit der Gegenpartei nach bürgerlichem Rechte ver- 
tragen. Nancey den 28. tag januarii 1544, more Tullensi. 1545 Jan. 28 Nancy. 


BI. 329v—3327. 


114. Die Herzogin-Wittwe Christine und Nicolaus von Lothringen als 
Vormünder für Herzog Karl laden Schultheiss, Rat und Gemeinde zu Saarburg 
auf 4. November zu einem Landtage nach der Stadt Noleschastel an der Maas. 
Datum Dene Wire den XXVlllten tag septembris a° XLV. 1545 Sept. 28 Deneuvre. 


BI. 280. 


115. Auf die Beschwerde zweier Saarburger Bürger, dass der deutsche Bailli 
sie gegen die Freiheit der Stadt vor sein Gericht nach Dieuze citiere, verfügt die 


— aD 


Herzogin- Wittwe Christine, dass diese Neuerung zu unterbleiben und das Gericht zu 
Saarburg über die Sache zu entscheiden habe. 1546 Febr. 12 Nancy. 


An mein gnedige fraw die hertzogin witwe zu Meyllandt Lothringenn Bar 
und Geldern etc. und meinen gnedigen herrn zu Metz als fürmünder. 


Gnedigste fraw und fürsstin, e. f. g. zwen underthenigiste burger von 
Sarburg thun der selben in aller gehorsame fur zu pringen, das Niclaus Claus 
e. f. g. wider Cosmann und Jacobenn Metzgernn als supplicanten etlicher spenn 
halben, so er Niclaus gegen innen hat, was anzeigung furpringen lassen, das 
auch e. f. g. daruff unsern gnedigen herrn dem teutschen ballif und dem guber- 
nator zu Dhus genante parthey zu endscheiden verordnet. Daruff dann er der 
teutsch ballif benanten e. f. g. burgern geschreiben und begert, das sy vor seinem 
grichtz erscheinen sollen. Und wiewoll sy supplicanten nit gwist, wes sy sich 
in der sachen hallten sollen, seindt sy doch vor ime herrn ballif erscheinen und 
haben ime furgehaldten, wie das sy e. f. g. decret in underthenigkeit und gern 
gehorsamen und seinem bevelch nachkomen wellen; das sy aber vor seiner 
underthonen gricht erscheinen und vor demselben red und antwurt geben sollen, 
seige innen beschwerlich. Nun, gnedige fraw, haben genante supplicanten uff 
sein des ballif ander schreiben nit erscheinen wellen, besonder ime in under- 
thenigkeit entpotten, das sy der enden weder red noch antwurt geben werden, 
es seige dann, das e. f. g. sy dessen vorhin bricht, und wellen derhalben e. f. g. 
nit verhaldten, das sy die freyheitten, so e. f. g. vorfarer deren statt Sarburg 
geben, gar nit brechen noch darwider thun wellen. Es gelangt aber an e. f. g. 
ir der supplicanten underthenig bit, die well sy fur ir gericht zu Sarburg weissen, 
dann es nie gesehen noch gehört worden, das e. f. g. underthonen vor des 
ballifen gricht red und antwurt geben, besonder seige allweg solchs vor e. f. g. 
gricht zu Sarburg beschehen; und dann wan e. f. g. underthonen beruerter 
e. f. g. statt einer an seinem ordenlichen gricht nit red und antwurt geben solte, 
wer solchs ein grosse newerung, und das nemblich e. f. g. gricht und recht, an 
welchem sy die supplicanten doch zu antwurtten sich nit wegeren, besonder 
dem gern gehorsamen wellen, anderstwahin geweisen würdet, in dem würt 
e. f. g. gegen innen supplicanten als ein gnedige furstein die gerechtigkeit er- 
theillen, und werden sy supplicanten fur e. f. g. gott den allmechtigen zu pitten 
in ewigkheit schuldig pleiben. 

Nach vernemung solcher supplication ist zu bescheidt gefallen, das an- 
angesehen, das die supplicanten newerung angezeigt und von uns begert, das 
wir darin ein insehens haben, solche newerung uffgehabt und die supplicanten 
vor ierem ordenlichen und gewonlichen gricht furgenomen und gar kein newerung 
darin furgewendt werden, und so iemandtz an sy spruch und vorderung habe, 
das er sy der enden furnemen solle, welchem gricht wir auch bevellen, das 
sy beyde parthei vernemen, sy innen das furderlich recht ertheillen, wie dann 
das die billicheit erfordern würt. Beschehen zu Nancy den 13 tag februarii 
tausent funffhundert viertzig funff, in gegenwurtigkeit des seneschall in Lothringen 
herr Savigny von Neuslotte, doctor Nachel der rechtnungen in Lothringen presi- 
denten und andere mer. 

Chrestiene. Nicolas. 
Didelot, 
Bl. 231r—282v. Franz. Abschr. lose dabei. 


u 


116. Die Herzogin-Wittwe Christine und Nicolaus von Lothringen als 
Vormünder von Herzog Karl bestätigen die Ernennung Bernhards von Lützelburg 
zum Hauptmann von Saarburg auf dessen und des Cardinals von Lothringen 
Bitten. Nancy den 26. tag des monats augusti anno 1546. 1546 Aug. 26 Nancy. 


Bl. 348r—350r. Franz. Abschr. lose dabei. 


117. Die Herzogin-Wittwe Christine und Nicolaus von Lothringen als 
Vormünder von Herzog Karl ernennen Valentin Steiff, Canonicus bei St. Stephan 
zu Saarburg und Pfarrer zu Rudingen, zum Tabellion in Saarburg und beauftragen 
Friedrich von Lützelburg, Hauptmann zu Saarburg, denselben zu vereidigen und 
in sein Amt einzuweisen. Nancy den VIten tag februarii anno 1548. 

1549 Febr. 6 Nancy. 

Bl. 306 c—308v. Franz. Abschr. lose dabei. 


118. Kaiser Karl V. verlangt beim Reichskammergericht auf Vorstellungen 
der vormundschaftlichen Regierung von Lothringen Niederschlagung des Prozesses 
wegen der Reichsanschläge der Stadt Saarburg, da dieselbe zum Herzogthum Loth- 
ringen und nicht dem Reiche gehöre. 1549 Juli 4 Brüssel. 


Carl von gotts gnaden Romischer keyser zu allen zeiten merer des reichs. 

Edel ersam gelert lieben getrewen. Uns haben die hochgebornen Christiana 
geborne von Denmarckh hertzogin zu Meylandt und Lothringenn und Niclaus von 
Lothringen graffe zu Vaudemont unser liebe mume schwager und fursten als 
vormünder des auch hochgebornen Carln hertzogen zu Lothringen irs pflegsons 
zu erkennen geben, welcher massen die statt Sarburgk von euch und insonderheit 
von dir unserm keyserlichen camerprocurator fiscal general in genomen des 
reichs anschlegen mit fiscalischen processen, als ob sy nit dem hertzogthumb 
Lothringen sonder zu dem reich gehörig, wider den vertrag, so zwüschen unserm 
freundlichen lieben bruder dem Ro. konig von wegen des reichs und dem fursten- 
thumb Lothringen auffgericht, ungepurlicher weis angefochten und beschwerdt 
werden sollen, und uns daruff umb unser keyserlich hilff und einsehens de- 
mütiglich angeruffen und gepetten. Dweil dann unser will und meinung ist, das 
dem angeregten vertrag seins inhalts gestracks gelebt und daraus nit geschritten 
werdt, demnach empfehen wir euch hiemit ernstlich und wellen, das ir dem 
also volg thut und einsehens haben, darmit das vorgemeldte vormünder und 
das furstenthumb Lothringen mit fiscalischen processen und sonst in ander weg 
darüber nit beschwert werden. Das wellen wir uns zu euch gentzlich versehen, 
und ir thut daran unser gefellig ernstlichen willen und meinung. Geben in unser 
stat Brussel in Brabanndt am vierdten tag des monats julii anno etc. neunundviertzig, 
unsers keyserthumbs im neun und zwentzigisten. 

Carolus. 
Bl. 367 0—368v. 


119. Die Herzogin- Witwe Christine und Nicolaus von Lothringen als Vor- 
münder des Herzogs Karl bestätigen der Stadt Saarburg die ihr von den Herzögen 
Johann, René und Anton verliehenen Freiheitsbriefe. 1549 Sept. 15 Nancy. 


Christiana geborne von Denmarckh, zu Calabrienn Lothringen Bar Geldernn 
und Meilandt etc. witwe, und Nicolaus zu Lothringen graff zu Vaudemont etc. 


u 


-- 303 — 
« 

als furmündern und administratorn leibs und guts unsers liebsten suns und vettern 
Carln von gotts gnaden obgenanter hertzogthumb Calabrienn Lothringen Bar und 
Geldernn hertzog und marggraff, marggraff zu Pontamousson etc., beckhennen und 
thun kundt menigklich mit diesem brieff, das uns als furmündern obgenant unsere 
liebe getreuwen schultheis rath und gantz gemeindt der statt Sarburg unsern 
sonne und vettern berurt zugehörig drey permenten brieff, darmit sy von weillundt 
hochloblicher gedechtnus hertzog Hannssenn von Lothringen etc. und nach ime 
von der selben gedechtnus kunig Reinhardt zu Sicilien hertzog zu Lothringen 
etc. und volgends durch auch seliger gedechtnus hertzog Anthoni zu Lothringen 
und ieren dreyen underschidlichen anhangenden insigeln uff gericht gefreyt und 
begnadigt worden seindt, zubracht, uns als furmünnder obgenannt undertheniglich 
gepetten und suppliciert, innen auch solche freyheit und begnadigung zu bestettigen 
und zu confirmieren, daruf wir solche brieff durch unsere rathen haben be- 
sichtigen und verlessen lassen und uns den inhaldt und meinung zu verstendigen 
geschafft, und in betrachtung, das sy sich die von Sarburg alweg uffrecht redenlich 
und als getrewen gehorsamen des haus Lothringen underthonen bey und gegen 
obgenanten unsers liebsten sons und vettern obgeschreiben vorfaren vor un- 
verdechlichen zeitten, besonder in zeitten konig Reinhardts obgenannt noch laut 
und inhalt seins confirmations brieffs, auch bey und in leben hertzog Anthoni 
unsers lieben anherrn obgenant nach laut und inhalt auch desselben confirmation 
brieff, wir auch der zuversicht, sy und iere nachkomen hinfurter thun und er- 
zeigen werden und sollen, wie iere eltern und vornfaren untz ietz getrewlich ge- 
thon haben und ietz abermals durch ieren schultheis ratschreiber und gesandten, 
so allhie bey uns mit volkumener gewaldt und macht gewessen, versprochen 
haben als fromme getreuwe Lothringische underthonen, haben wir demnach mit 
wolbedachten müth gutten rath und rechten gewissen die obgenanten brieff mit 
allen ieren inhalt puncten und articuln gnediglich bestettigt und confiermiert, be- 
stettigen und confirmieren innen die also in und mit crafft dis gegenwertigen 
brieffs, in und durch welche iere drey freiheits und confirmations brieff und 
begnadigung mit unsers sons und vettern obgenant insigel durch zogen und 
annexiert seindt, doch in alle weg hierin unsers sons und vettern ietzt genant 
hoch obrigkeit recht und iurisdiction in allen dingen vorbehaldten. Gebietten daruff 
allen und ieglichen unsers liebsten sons und vettern sheneschaln belissen haupt- 
leathen und amptleuthen vogten schultheissen verwesern richtern und menigklichen, 
das sy gedachten unsern getreuwen underthonen schultheis rath viertzig und 
gantz gemeindt zu Sarburg obgedacht bei sollichen ieren freyheitten und dieser 
unser confirmation an stat, wie oblaut, handthaben sy nutzet daran irren ver- 
hindern noch von iemandtz andern zuthun gestatten in kein weg noch weis. 
Daran thun sy unser wolgefallen und ernstlich meinung. Des zu urckhundt haben 
wir unsers liebsten sons und vettern obgenant insigel an diesen brieff thun 
henckhen, der geben ist in der stat Nansey am dreyzehensten tag des herbst- 
monats im iar nach Christi unsers erlossers pepurt tausendt funffhundert viertzig 
und neun. 

Ad mandatum illustrissimorum tutorum principum in albo nominatorum. 

Balivo Nanceiano domino de Savigny, balivo sancti Michaelis domino de 
Riviere ac dominis de Palant et de Neuflotte atque aliis presentibus. 


N. de Lescut, 
Bl. 360r—562v. 


BER) ee 


120. Jacob Spiedler, Schultheiss zu Saarburg, bittet die Herzogin-Wittwe 
Christine und Nicolaus von Lothringen, die Vormünder Herzog Karls, ihm das 
Haus seines verstorbenen Vaters Peter Bulvermacher, das vor 16 oder 17 Jahren 
der alt Zoller alhie wegen einiger kleinen Schulden seines Vaters eingezogen hat, 
»durch ein gnedigen vertrag« zu überlassen oder »umb ein zimlich gelt« zu ver- 
kaufen. (Ohne Datum.) 

Decret der Herzogin-Wittwe an den Amtmann zu Saarburg, darüber zu 
berichten. Verfertigt zu Nancy den 9. aprilis anno 1550. 1550 April 9 Nancy. 


BI. 3370—338v. Franz. Abschr. davon und von n. 121 u. 122 auf einem 
Bogen lose dabei. 


121. Friedrich von Lützelburg, Amtmann zu Saarburg, berichtet der 
Herzogin-Wittwe, dass das in Frage stehende Haus ungefähr 80 Gulden wert und 
nach seinem Bedünken für die Summe von 100 Franken an den Bittsteller zu 
verkaufen wäre. Datum Sarburg den andern maii anno 50. 1550 Mai 2 Saarburg. 

Bl. 3380—339v. 


122. Die Herzogin-Wittwe Christine und Nicolaus von Lothringen be- 
willigen den Verkauf des in Frage stehenden Hauses an Jacob Spiedler, Schult- 
heiss zu Saarburg, für 150 Franken, zu zahlen an Quiriace Fournier, tresorier 
general in Lothringen und Barrois. Geben zu Nancy den 8. tag julii anno 1550. 

1550 Juli 8 Nancy. 

Bl. 3390—341r. 


123. Kaiser Karl V. befiehlt seinem Kammerfiscal, sich genau an das 
Reichstagsgutachten zu halten, das dem Schreiben an Kammerrichter und Bei- 
sitzer beigegeben (vgl. n. 124). Augspurg am 12. tag des monats februarii anno 
im LI, unsers keyserthumbs im 31. 1551 Febr. 12 Augsburg. 

Bl. 3730—374r. 


124. Reichstagsgutachten auf das lothringische Ansuchen in dem Prozess 
des kaiserlichen Fiscals gegen die Stadt Kauffmans-Sarburg wegen der Reichs- 
anlagen: Zunächst solle mit Hintansetzung des Processes des Fiscals auf Zahlung 
der Reichsanlagen darüber erkannt werden, ob die Stadt Saarburg in quasi 
possessione libertatis sei. Wenn das der Fall sei, so solle sie bis zum Austrag 
des Processes, »sob sy dem reich one mittel underworfen und in desselbigen an- 
schlag gehört, zu keiner bezalung angehalten oder getrungen werden«, wenn das 
aber nicht der Fall sei, so seien ihr die Reichssteuern nicht zu erlassen, »wie 
dann auf diesen Fall in jungsten reichs abscheiden am 19. plat versiculo uber 
die ausgezognen fursehung beschehen ists. (Ohne Datum.) 


Kaiser Karl V. lässt Kammerrichtern und Beisitzern im Sinne des vor- 
stehenden Reichstagsgutachtens Weisung zugehen. Geben in unser und des 
reiches stat Augspurg am XIllten tag des monats februarii a° im LI, unsers keyser- 
thumbs im XXXIten, 1551 Febr. 13 Augsburg. 


Am Ende der Vermerk: Presentaté iudicibus camere ultima februarii 
anno etc. 51. 


Bl. 368:1—373r. 


— 305 — 


125. Die Herzogin-Wittwe Christine und Nicolaus von Lothringen als 
Vormünder für Herzog Karl entbieten Propst und Kapitel zu Saarburg auf 25. 
Januar 1552 zu einer Versammlung der Stände nach Nancy. Datum Nancey 
des XXten tag decembris a° LI. 1551 Dec. 20 Nancy. 

BI. 295 0v—296r. 


126. Bericht über das Verhalten der Stadt Saarburg bei Ausschreiben der 
gemeinen Hilf. 1552. 

Usszug der register der gemeinen hilff im tausent funffhundert funfftzig und 
zweyten jar im hertzogthum Lothringen der teutschen vogtey gelegt, belangendt 
die stat herschafft und underthonen zu Sarburg in Lothringen, durch Adam 
Palanndt und Hanns von Schwartzenburg underschreiben. 

Die stat Sarburg. 

Nachdem wir dem rath und den verordneten zu Sarburg unser commission 
erclert, haben sy uns zu antwurt geben, das sy vermög und in crafft ierer frev- 
heitten, die sy von weyllundt dem hertzogen von Lothringen haben und durch 
unser gnedigste frawen und herren von Vaudemont, so jetzung regieren, con- 
firmiert und bestetigt worden, alweg für frey und exempt gehalten worden von 
diser und ander hilff. Darumb betten sy, wir woldten sy bey ieren freyheitten 
pleiben zu lassen; erbietten sich aber sonst in allen andern dingen, so sy unserm 
g. herrn zu thun schuldig und warmit sy ieren gnaden dienen konnden, mit leib 
und gut zu dienen und zu erzeugen wie recht gehorsame underthonnen. Daruff 
wir verabscheidet, ieren gnaden sollichs anzuzeigen. 


Bl. 364. Franz. Abschr. lose dabei. 


127. Junker Bernhard von Lützelburg wird von Schultheiss, Stadt, Drei- 
zehnern, Vierzig und ganzer Gemeinde zu Saarburg nach Verlesung der von den 
Lothringer Herzögen der Stadt verliehenen Freiheiten und Vereidigung auf die- 
selben in der St. Nicolauskirche als Statthalter des Herzogs Karl von Lothringen 
bestätigt und aufgenommen. Uff heut mitwuch sanct Paulus bekerung 1552, 
more Metensi. 1553 Jan. 25. 

Bl. 247. 


128. Die Herzogin-Wittwe Christine und Nicolaus von Lothringen als Vor- 
münder für Herzog Karl befreien den zu ihrem Diener angenommenen Melchior 
von Toul, wohnhaft und Bürger zu Saarburg, samt dessen Frau, Kindern und 
Hausgesinde von >allen anlagen und aller anderer beschwerden, als wachen tor 
huten« und allen andern städtischen Diensten mit Ausnahme des für die Unter- 
haltung der Mauern, Thürme und Thore bestimmten Ungeldes, das er als Wirt 
zu zahlen hat. Geben zu Nancey den 13. martii anno 52. 1553 März 13 Nancy. 


Bl. 351v—353r. Franz. Abschr. lose dabei. 


129. Der Graf von Vaudemont als Vormund für Herzog Karl erlässt den 
Saarburgern auf drei Monate die für 6 Monate bewilligte wöchentliche Anlage von 
12 Pfennigen auf jede Herdstutt. 1554 Nor. 21 Naney. 

Der graff zu Vaudemont als vormundt. 

An unsern lieben besonder Jacoben Briseur als bevelchs haber,. die zwölf 
pfennig, so man uff ein iede herdtstat des landts alle wuchen zu erstarckherung 

20 


— 306 — 


des orts gelegt, zuempfahen, auch ein ieder, so solch berueren wurt, unsern 
grus. Wir bevellen und verordnen euch, das ir unsere lieben und besondern 
inwonner und hindersäs der statt Sarburg von der anlagen der zwölff pfennig 
drey monat lang, welche wir innen an den sechs monat, die sy uns hiervor 
zu genanter erstarkerung bewilligt, abgezogen haben wellen, frey quit und los 
halten, welcher dreyer monat wir sy uff ir underthenig supplicieren endtladen 
und endtladen sy us sondern gnaden in crafft dis brieffs, und das zu ersetzung 
etlicher cüsten, die sy vor kurtzer zeit uff unser verordnung mit etlichen nach- 
baren und landtleuth in genanter stat, in welcher sy zu einer nodtwendigen 
wer, die selbige gegen etlichen teutschen kriegs reitter, so margraff Albrechten 
von Brandenburg nachgevolget und sich mit merckhlichen und ernstlichen treu- 
wortten vor den portten und thoren genanter stat Sarburg sich erzeigt und zu 
dem andern mall öffnung von der selbigen begert, zu bewarn, gewendt und er- 
litten. Und ir auch ewer ieder wurt in crafft dis brieffs beruerter dreyer monaten 
halben an ort und enden, da es die notdurfft erfordern wurt, fur entschuldigt 
pleiben. Geben zu Nancy den 21. novembris tausent funffhundert funffzig vier, 
in gegenwurtigkeit und bey sein des herrn abbt zu sanct Martin de Leymont, 
baillif zu Clermont, der herr von Neuflotte und procurators generals in Loth- 
ringen. 
Nicolaus. 


N. Petre. 
Bl. 308v—309v. Franz. Abschr. lose dabei. 


130. Nicolaus von Lothringen als Vormund seines Neffen des Herzogs 
Karl in Abwesenheit der Herzogin-Wittwe Christine begnadigt den zu Saarburg 
wohnhaften Wirt Johan Sporn, der den Anthoni Metzger, den Armbrustschützen- 
meister zu Saarburg, auf der Gemeindestube daselbst, wohin dieser von jenem 
wegen Nichtzahlung von 2 Franken vorgeladen, im Streite erstochen hatte und 
darauf ausser Landes geflohen war. Geben zu Nomeney uff den heilgen carfreitag 
des 3. tag des monats aprilis 1556. 1556 April 3 Nomény. 


131. Nicolaus von Lothringen als Tutor und Administrator für seinen Neffen 
Herzog Karl und in Abwesenheit der Herzogin-Wittwe Christine ernennt den 
edlen Bertrandus Hungari de Bernay, Licentiaten der Rechte, früheren Seneschall- 
stellvertreter von Bourmont, jetzt Meisterschöffe von Nancy, zum Generalprocurator 
von Lothringen an Stelle des verstorbenen Claudius Wyart. Nanceii duodecima 
novembris anno domini MDLVM. . 1558 Nov. 12 Nancy. 


Bl. 22r—23r. Franz. Abschr. lose dabei. 


132. Herzog Karl von Lothringen giebt seinem Rat am Rechnungshofe 
Nicolaus de Lescut den Auftrag, für die Herbeischaffung des Beweismaterials im 
Saarburger Exemptionsprocesse Sorge zu tragen. Datum in nostro oppido Nanceï 


15% februarii anno domini MDLIX ante pascha. 1560 Febr. 15 Nancy. 
Bl. 29. 


133. Johann v. d. Fels, Landcomtur der Ballei Lothringen, Comtur zu 
Trier, deutschen Ordens, schreibt, dass er der an ihn ergangenen auf den 4. März 


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nach Essesdorf (Eserstorff) lautenden Vorladung als Zeuge nicht Folge geben 
könne, da er ohne den Befehl des hochwürdigsten Fürsten und Herrn Herrn 
Wolfgang, Administrators des Hochmeistertums in Preussen und Meisters des 
Deutschen Ordens in deutschen und welschen Landen, nicht gehorsamen dürfe, 
ausserdem ihm auch Alter und Schwachheit ein Erscheinen unmöglich machten. 
Datum zu Thrier den 22ten februarii a° 60. 1560 Febr. 22 Trier. 


Bil. 24% —25v. 


134. Schultheiss, Rat, Dreizehner und Vierzigmann der Gemeinde Saar- 
burg bevollmächtigen den Schultheissen Batt Volmari und den Stadtschreiber 
Andres Eber für deren Sendung am 4. März nach Zittersdorf (Sittersdorff) vor 
Johann Waderos und Rudolff, »der keyserlichen regierung im obern Ellsas pro- 
curatorn, jetziger zeit verordneten keyserlichen commissarien zu verhorung der 
zeugnussen in der exemption sachen«. Geben uff sontag Invocavit den dreyten 
martii 1560. 1560 März 3. 


Bl. 230—24v. 


135. Johann v. d. Fels, Landcomtur der Ballei Lothringen, Comtur zu 
Trier, deutschen Ordens, antwortet den kaiserl. Commissarien Johann Waderos 
und Johann Rudolff zu Essesdorf (Esserstorff) auf deren zweite auf 15. März nach 
Kaufmanns-Sarburg lautende Ladung in ähnlicher Weise wie oben {n. 133), be- 
tont aber vor allem des Leibes Blödigkeit. Datum Trier sambstags nach In- 
vocavit a° 60. 1560 März 9 Trier. 


Bl. 257 —26vV. 


20* 


eg 
Kleinere Mitteilungen. 


Die Dufresnesche Urkundensammlung. Seitdem wir im siebenten 
Bande unseres Jahrbuchs einen Bericht über die Dufresnesche Ur- 
kundensammlung und ihre Geschichte gebracht haben, ist diese An- 
selegenheit nicht wieder zur Ruhe gekommen und beschäftigt noch 
heute die französischen Gerichte. Inzwischen haben wir aber zahl- 
reiche neue Aufschlüsse über Bestand und Herkunft der Sammlung 
erhalten, die im allgemeinen wissenschaftlichen Interesse wichtig genug 
erscheinen, um hier mitgeteilt zu werden. 

Nachdem Dufresne vom Gerichtshof erster Instanz zu Nancy mit 
seiner Klage auf Herausgabe der beschlagnahmten Urkunden abgewiesen 
war, hatte er die Angelegenheit an den Appellhof gebracht, und dieser 
hatte die Herren Professor M. Pfister in Nancy, Professor Arthur Giry 
in Paris und Paläograph Etienne Charavay zu Sachverständigen ernannt 
mit der Aufgabe, ein Gutachten über die Herkunft der entwendeten 
Urkunden zu erstatten. Die drei Genannten haben den beschlagnahmten 
und von Archivar Duvernoy inventarisierten Bestand im Einzelnen 
senau durchgeprüft und im Metzer Bezirksarchiv ebenso wie in Toul 
und Liverdun Einsicht von den noch vorhandenen Inventaren genommen, 
in Metz sind sie auch mit dem Archivdirektor a. D. Sauer, zu dessen 
Amtszeit die Entwendungen vorgekommen sind, in persönliche Verbin- 
dung getreten. 

Ihr erschöpfendes Gutachten liegt jetzt in zwei Broschüren von 
63 — 12 Quartseiten gedruckt vor und bestätigt in nachdrücklichster 
und überzeugendster Art den von mir erbrachten Nachweis, dass der 
weitaus grösste Bestand der Collection Dufresne von dem ehemaligen 
Präfekturrat Dufresne aus öffentlichen Archiven entwendet worden ist. 

Der Notar Dufresne scheint sich in seinem Prozesse darauf ge- 
stützt zu haben, dass die von seinem Vater gesammelten Urkunden 
schon vor der Bildung der Bezirksarchive den Beständen entnommen 
wurden, welche seit 1790 in staatlichen Besitz gekommen sind. Der 
Einwand ist geschickt. Denn im allgemeinen sind die Archivbestände 
erst nach 1848 inventarisiert worden. Wie man sich aber erinnern 
wird, hat der Präfekturrat Dufresne gerade im Jahre 1848 das Metzer 
und schon vorher das Touler Archiv »durchforschte. Die in seinem 
Besitz belindlichen Urkunden waren demnach noch nicht für das Inv. 


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dédié à de 


— 309 — 


sommaire aufgezeichnet. Die drei Experten erkennen -diesen Einwand 
an und erklären, man pflege die Klosterarchive für die Zeit vor 1790 
als »Privatbesitz« anzusehen. Anders liest nach ihnen freilich die 
Sache für diejenigen Archivalien, welche aus den Archiven einer Stadt, 
des Parlaments, der Rechnungskammer und der Intendanz herrühren. 
Da diese Urkunden jeder Zeit öffentlicher Besitz gewesen seien, so 
bleibe der Anspruch des Staates auch dann rechtskräftig, wenn diese 
Urkunden niemals in die Bezirksarchive gekommen wären. Dasselbe 
gilt nach dem Gutachten auch von den Hospitalarchiven; auch die 
Spitäler werden und wurden als öffentliche Wohlfahrtseinrichtungen 
angesehen, die der Aufsicht und Leitung öffentlicher Staats- und Stadt- 
beamten unterstanden. 

Die französische Rechtsprechung teilt die Ansicht der Sachver- 
ständigen nicht. Ohne zu untersuchen, ob das bischöfliche und die 
Klosterarchive Privat- oder öffentliche Archive seien, trifft sie folgende 
Entscheidung: Les manuscrits et titres de toute nature provenant des 
anciennes abbayes supprimées pendant la révolution font partie du 
domaine public et doivent être déposés aux Archives nationales ou 
départementales (L. 5 nov. 1790; L. 7 mess. an 2; L. 5 brum. an 5). 
Par suite la possession de ces manuscrits par les particuliers ne con- 
fère aucun des attributs de la propriété et la revendication de l'État est im- 
prescriptible, sous la seule condition d’indemniser équitablement les posses- 
seurs de sommes qu'ils justifieraient avoir dépensées par leur acquisition. 

Hiezu wird bei Dalloz, »Jurisprudence gen6rale«, folgender Kom- 
mentar gegeben: 

L'attribution à l'État des biens des anciens ordres monastiques 
supprimés pendant la révolution résulte de la loi du 5 nov. 1790, mais 
non leur passage dans le domaine public. C’est la loi du 7 mess. an 
2, sur l’organisation des archives qui a conféré ce caractère aux do- 
cuments provenant des abbayes; son art. 12 ordonne expressément 
au comité chargé du triage des titres de faire rentrer dans les dépôts 
publics d'archives les documents »qui peuvent se trouver dans les 
collections et cabinets des particuliers« et notamment »les chartes et 
manuscrits qui appartiennent à l’histoire«e. (Bull. des lois t. 7 p. 247: 
jurispr. gén. v. Archives n° 18 note 2.) 

Danach ist Dufresnes Einspruch abgewiesen. Es genügt der Be- 
weis, dass die Archivalien ursprünglich Bestände der in Beschlag ge- 
nommenen Klosterarchive gewesen sind. Man wird nicht verkennen, 
dass diese Entscheidung von ausserordentlicher Tragweite ist; denn 
gerade in Frankreich sind in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts 


— 510 


ausserordentlich viele Archivalien den Öffentlichen Beständen entzogen 
worden. Ich erinnere nur an die wertvolle Sammlung Clouet, in welcher 
sich eine Reihe deutscher Kaiserurkunden vorfindet. 

Aber selbst wenn die französischen Gerichte in höherer Instanz 
sich dieser Auffassung über die Eigentumsrechte des Staates nicht an- 
schliessen sollten, so wird das für den schliesslichen Ausgang des 
Prozesses ohne Einfluss sein; denn Dufresnes Behauptung, dass die 
Archivalien schon vor 1790 den Kirchen- und Klosterarchiven ent- 
fremdet seien, lässt sich schlagend widerlegen. 

Im Jahre 1848 hat gleichzeitig mit Dufresne der Baron de Salis 
die Metzer Archive durchforscht. Wie die französischen Experten fest- 
gestellt haben, ist das in der Weise geschehen, dass die einzelnen Ur- 
kunden erst die Hand Dufresnes passierten, »qui ne prenait aucune note 
et se bornait à parcourir les cartons«. Dann kamen sie an den Herrn 
v. Salis, der von sämtlichen Urkunden mehr oder weniger genaue 
Notizen in sein Notizbuch eintrug. Dufresne hatte im Arbeitszimmer 
einen Platz am Stehpulte, sodass seine Manipulationen weder vom 
Archivar noch vom Baron de Salis gesehen werden konnten. So hat 
zwar Salis im allgemeinen nur diejenigen Urkunden aufzeichnen können, 
die Dufresnes Händen entgangen waren: eine Reihe von Diplomen 
hat aber der Präfekturrat doch noch nachträglich an sich genommen, 
nachdem sie sein Gefährte registrirt hatte. Das Notizbuch des Herrn 
v. Salis war in Prosts Besitz gekommen und nach dessen Tode ist es 
mit dem gesamten übrigen Nachlass an die Nationalbibliothek in Paris 
übergegangen. 

Die Experten haben dieses Heft jetzt einsehen können, und wenn 
sie auch bei der grossen Fülle der Regesten nicht jedes mit dem Ver- 
zeichnis der beschlagnahmten Urkunden verglichen haben, so genügt 
es jedenfalls, dass die Untersuchung für eine Reihe der wichtigsten 
Urkunden vorgenommen ist. 

Seite 25 des Notizbuches steht: 

»Confirmation de l’église de Saint-Thiebaut ; grande et belle piece 
avec plomb. Victor ep. serv. serv. Dei... avec rota et signat. Dat. 
Metis..... 6 kal. nov. indie. II inc. Dom. a°. 1163 pontif. vero do- 
mini Victoris pp. IV a° 4.« 

Diese Urkunde befindet sich heute unter den bei dem Ehrennotar 
Dufresne beschlagnahmten Stücken. 

Seite 47 des Notizbuches: 

»Folmarus Dei grä comes de Castel dilecto fratri Isembaldo abbati 
Gorz ..., audivi quod Becelinus de Asinantia pro tribus carratis vini 


— 311 — 


quae in curia vestra de monte Ruronis per sing. annos injuste exigit 
sententiam anathematis incurrerit....testes: Henricus Tullensis eps. 
Henricus comes de Salmes... avec un sceau plaqué en cire pareille 
à une terre d’un brun rouge, équestre et circulaire de six centimètres 
de diamètre: + Folmarus comes de Castrch T«. 

Diese Urkunde befindet sich heute unter den bei dem Ehrennotar 
Dufresne beschlagnahmten Stücken. 

Seite 46 des Notizbuches: 

»Confirmation de la donation de la dime de 57 vignes faite à 
l'abbaye de Gorze par Etienne évêque de Metz: In nom. s. et ind. 
Tr. Ego Adalbero permissione divina Treverorum humilis minister .... 
avec monogramme et grand sceau ogival en cire grise... Acta sunt 
hec Treveri 8 kl. decemb. a° ine. D. 1137 ind. 1 presidente sce. romane 
sedi domino Innocentio pp. II a° ordin. ejus 9, regnante Conrado rege II, 
a° regni ejus [°, ordin. dni Adelb. 7. — 

Autre original de la confirm. précédente avec monogr. et de plus 
souscription de la main même d’Adalberon. Date identique, plus de sceau. « 

Diese beiden Urkunden befinden sich heute unter den beim 
Ehrennotar Dufresne beschlagnahmten Stücken. 

Seite 28 des Notizbuches unter der Aufzählung der aus Villers- 
Bettnach herrührenden Stücke: 

»Titre de 1287 avec le sceau bien conserve.« 

Die Experten identifizieren diese Notiz mit der Urkunde Herzog 
Friedrichs III. von Lothringen von 1287 für Villers-Bettnach, die sich heute 
unter den beim Ehrennotar Dufresne beschlagnahmten Stücken findet. 

Seite 30 des Notizbuches unter der Aufzählung der aus Ste. Glos- 
sinde stammenden Stücke: 

»Bulle de Nicolas III de 1279 avec plomb.« 

Die Experten identifizieren diese Notiz mit einer Bulle Nikolaus II. 
für Ste. Glossinde vom Jahre 1278. Zwar differiert das Jahr. Bei 
päpstlichen Bullen kann aber ein derartiger Irrtum sehr leicht unter- 
laufen, da bei der Datierung nur das Pontifikatsjahr genannt wird. 
Unsere Bulle ist datiert: 2 nov. apr. a° pontif. 1. 

Diese Bulle des Papstes Nikolaus befindet sich heute unter den 
beim Ehrennotar Dufresne beschlagnahmten Stücken. 

Seite 90 des Notizbuches: 

»Accord entre Pierre de Bourmont et l’abh& de Saint-Arnould, 
mai 1235, en francais.« 

Die Experten identifizieren diese Urkunde mit einem Vergleich 
zwischen Pierre de Bourmont und der Abtei St. Arnulf. Derselbe ist 


SU 


abgefasst in französischer Sprache, trägt jedoch das Datum 1245. Sie 
nehmen an, dass beim Lesen des Datums eine X übersehen worden ist. 

Diese Urkunde befindet sich heute unter den beim Ehrennotar 
Dufresne beschlagnahmten Stücken. 

Das sind die sieben Urkundennotizen, welche die drei Sachver- 
ständigen aus dem Notizbuche des Herrn ‚v. Salis herausgegriffen und 
mit Urkunden der Collection Dufresne identifiziert haben. 

Doch auch für andere Stücke ist mittlerweile der Beweis er- 
bracht, dass sie dem Bezirksarchiv thatsächlich angehört haben: 

So notiert v. Salis in einem »Inventaire des archives de la Mo- 
selle«, das er leider nicht weit geführt hat: 

»1148. Confirmation par le pape Eugene III (de la fondation de 
N. D. la Ronde).« An den Rand aber hat er mit Bleistift geschrieben: 
»J’ai vu cet original chez M. Dufresne le 16 août 1878.« 

Sodann: »Après 1189: Confirmation par le donateur Henri de 
Salm (du patronage de la cure de Retonfait à l'église de N. D. la 
Ronde), original vu par moi à la préfecture en 1848 et que je n’y ai 
pas retrouvé en 1878. Le sceau en était magnifique.« 

Und am Rande: »Cette pièce fait actuellement partie de la col- 
lection Dufresne (sic) où je l’ai vue le 16 août 1878.« 

Endlich 1202: »Original de l’empereur Philippe. Original vu par 
moi à la préfecture en 1848 et que je n'ai pas revu en 1878.« 

Das Original dieses Kaiserdiploms findet sich heute unter den 
beim Ehrennotar Dufresne beschlagnahmten Urkunden. 

Aber so überzeugend diese Feststellungen auch erscheinen mögen, 
Dufresne hat einen weiteren Einwand erhoben, mit dem man sich 
jedenfalls abfinden muss. 

Im Jahre 1825, 1849 und 1850 wurde in Metz der Nachlass 
eines Grafen Emmery verkauft, der wertvolle Bücher und Manuskripte 
in grosser Zahl enthielt. Emmery hatte seiner Zeit in naher Ver- 
bindung mit den Verfassern der »Histoire de Metz« Tabouillot und 
Francois gestanden und vor allem die Kopien zu erwerben gewusst, 
deren sich die beiden Benediktiner bei Herausgabe ihrer »Preuves« 
bedient hatten. 1823 war Emmery gestorben und seitdem war seine 
Sammlung naturgemäss nicht mehr erweitert worden. 

Auf zahlreichen Urkunden der Collection Dufresne findet sich 
nun von Dufresne des Aelteren Hand der Vermerk »Vente Emmerye. 
Dahinter steht dann regelmässig der Erwerbspreis »3 fr.«, »sept francs 
soixantc-quinze centimes« u. Ss, w, 


— 313 — 


Sollte es nicht möglich sein, dass die betreffenden Urkunden be- 
reits der Comte Emmery erworben und dass Dufresne Vater diese 
Stücke in gutem Glauben und für sein gutes Geld an sich gebracht hat? 

Nun, die Experten sind dieser Frage nachgegangen und sie geben uns 
Aufschlüsse, die geradezu schmachvoll für das Andenken Dufresnes sind, 
Man wird angesichts dieser Enthüllungen nur schwer begreifen können, wie 
der Ehrennotar Dufresne nur noch einen Augenblick zaudern kann, die ge- 
stohlenen Dokumente sofort ihrem rechtmässigen Besitzer zurückzugeben. 

Zunächst haben die Experten die Auktionskataloge, die beim 
Verkauf des Emmeryschen Nachlasses aufgestellt worden sind, durch- 
geprüft und dabei hat sich ergeben, dass nicht eines der von Dufresne 
mit Ursprungszeugnis versehenen Stücke in den Katalogen aufgeführt 
war. Doch wir müssen korrekt sein. Ein Stück findet sich allerdings 
im Kataloge erwähnt, es ist dies die Bulle Leos IX. von 1049 für das 
Arnulfskloster. Und wirklich steht auch auf dem Originalexemplar 
der Collection Dufresne »Vente Emmery 9 fr.« Aber leider ist der 
Auktionskatalog zu korrekt, als dass sich auf Grund desselben die 
Identifizierung der beiden Stücke ermöglichen liesse. Was der Katalog 
angiebt, ist eine Kopie dieser Bulle von der Hand des Benediktiners 
Francois und sie ist mit 71 andern Kopien für 28 fr. verkauft worden. 

Die schweren Bedenken, die mit dieser Feststellung gegen die 
Richtigkeit der Dufresneschen Ursprungszeugnisse entstehen müssen, 
finden ihre volle Bekräftigung durch eine Reihe anderer Urkunden mit 
dem typischen Vermerke »vente Emmery«. Unglücklicherweise hat 
nämlich Dufresne gerade solchen Stücken seine Notiz beigesetzt, von 
denen soeben nachgewiesen worden ist, dass sie der Baron v. Salis 
noch 1848 im Bezirksarchive gesehen hat. 

So trägt die Urkunde Philipps von Schwaben den Vermerk »Vente 
Emmery 3 fr. 50«, die Urkunde des Grafen Folmar ist bezeichnet 
» Vente Emmery 7 fr. 50 c.«, diejenige des Erzbischofs Adalbero » Vente 
Emmery 7 fr. 75 c.«. 

Auf Grund dieser Thatsachen wird man unbedenklich das Urteil 
der französischen Gelehrten unterschreiben dürfen: »que ces mentions au 
crayon paraissent n'être que de faux certificats d’origine au moyen 
desquels on aurait essayé de masquer la véritable provenance des 
documents auquels on les ajoutait.« 

Fügen wir hinzu, dass es Dufresne für gut befunden hat, gerade 
den wertvollsten Urkunden seiner Sammlung diese Notiz aufzusetzen. 

Man wird sich angesichts dieser erdrückenden Beweise ohne 
weiteres der Folgerung der französischen Gelehrten anschliessen dürfen, 


Br 


welche erklären: »que les constatations faites a propos de ces docu- 

ments et notamment la preuve que certaines pieces faisant actuellement 

ou ayant fait partie de la collection Dufresne se trouvaient en 1848 

aux archives départementales de la Moselle semblent suffisantes pour 

faire présumer que tous les documents de cette provenance qui nous 

ont été soumis ont été distraits de ce dépôt vers cette époque et que 

par conséquent peuvent être considérés comme faisant partie du domaine 

publie imprescriptible et inaliénable les documents désignés dans le pré- 

sent rapport sous les 

2. Evêché de Metz. 

3. Chapitre de la cathédrale de Metz. 

4. Eglise collégiale de Mars-la-Tour. 

5. welise collégiale de Saint-Sauveur de Metz. 

6. Abbaye de Gorze. 

7. Abbaye de St-Vincent de Metz. 

8. Abbaye de St-Arnould de Metz. 

. Abbaye de St-Pierremont. 

10. Abbaye de St-Clément de Metz. 

11. Abbaye de St-Symphorien de Metz. 

12. Abbaye de Villers-Bettnach. 

13. Abbaye de Bouzonville. 

14. Abbaye de Ste-Glossinde de Metz. 

15. Abbaye de St-Pierre-aux-Nonains de Metz. 

15bis. Abbaye de Ste-Croix de Metz. 

16. Etablissements ecclésiastiques divers de l’ancien département 
de la Moselle.« Wolfram. 


CN AN AN Se AN AN AND AS AN> ASS IN US AN AP AND AIS 
CO 


Zu dem Aufsatze über Bischof Bertram von Metz (Ib. IV, 2. H., 
S. 1 ff.) bemerke ich ergänzend, dass in P. Joerres, Urkunden- 
buch von St. Gereon, Bonn, Hanstein 1893, auf S. 20 f. eine 
Urkunde abgedruckt ist, in welcher Bertram unter seinem ursprüng- 
lichen Namen Bertolf, als Kanonicus von St. Gereon Zeuge ist. Die 
Urkunde ist zwar nicht datiert; aber wesen des Zeugen Bruno, Propst 
von St. Georg, kann sie nicht vor 1157 und wegen des Propstes Gode- 
frid von St. Gereon nicht später als 1164 entstanden sein. Dr. Korth, 
der die Urkunde schon vorher in Zeitschr. des Berg. Geschichtsv. 20, 
59 regestiert hatte, setzt dieselbe wegen der Zeugen und wegen anderer 
datierten Urkunden mit Recht in c. 1160. — Es könnte auffallen, dass 
Bertolf nicht noch einmal später als Zeuge in Urkunden von St. Gereon 
auftritt; dies ist aber deswegen unmöglich, weil aus der Zeit zwischen 
1159 und 1178 sonst keine aus St. Gereon stammende Urkunde be- 
kannt ist. Dr. Joerres. 


— 315 — 


Note sur les armoiries des Évêchés souverains de Metz, 
Toul et Verdun et sur celles du Vestrich '). 

La Bibliothèque publique de Metz possède un rarissime Wappen- 
buch?) imprimé en 1581 à Munich chez Adam Berg, dont les blasons 


B.3. Verdun. 


sur la Lorraine sont des plus curieux à étudier, En laissant de côté 


') Wir halten es für eine Ehrenpflicht, diese letzte Arbeit des unermüdlichen 
lothringischen Forschers und langjährigen Vorstandsmitgliedes A. Benoit hier 
unverändert zum Abdruck zu bringen, obgleich wir überzeugt sind, dass der Ver- 
fasser Manches nachträglich darin geändert haben würde, wenn es ihm vergönnt 
gewesen wäre, die Korrektur selbst zu lesen. 

>) Ce bel exemplaire porte le n° 12496. Le titre rouge et noir a 28 lignes. 
On y lit: 2. M. V. in Vadegotia, 1754, fr. Ferange, et plus haut d'une écriture du 


Be a 


le blason du duché de Lorraine!) aux armes simples surmontées du 
bonnet de prince d’empire et ceux bien connus des villes de Metz 2) et 
de Toul) et du comté de Bitche*) (un lion couronné), je ne m’oceu- 
perai ici que des armoiries des Évêchés souverains de Metz, Toul et 
Verdun qui sont entièrement ignorées, et de celles du Westrich qui 
ne sont guère plus connues. 


Mais avant citons le quatrain qui accompagne chacune de ces 
« villes impériales ». 
Pour Metz (p. 103): 


Metz in Westrich ein alte Statt, 

Beim Reich sich nit gehalten hat, 
Bald frembde gäst gelassen ein, 

Nit waisz ich vz die schuld musz sein. 


Que l'on peut traduire: 


« Metz est une vieille ville du Westrich, qui n’est pas restée avec 
«l'Empire et a laissé entrer des étrangers dans ses murs, on ne sait 
«pas pour quel motif. » 


Martin Schrot, d’Augsbourg, l’auteur du Wappenbuch, blasonne 
les armoiries de la ville de Toul «de gueules au T d’or» et écrit Zholl, 
Doll et Tulln; on lit au-dessous du blason: 


In Lothringen ein Statt haist Toll, 
Welch auch zum Reich gehôren soll, 
Die ursach min noch nit bewist, 
Wie die vom Reich geschieten ist. 


«En Lorraine il y a une ville qui se nomme Toul. Elle doit égale- 


« ment appartenir à l’Empire. On n’a pas encore trouvé le motif de sa 
« séparation d'avec celui-ci. » 


Schrot ne mentionne pas le blason de la ville impériale de Verdun, 
et il donne un blason fruste de la ville de Sarrebourg i. L. 


1 


En revanche, les Évêchés souverains de Metz, Toul et Verdun 
ont chacun des armoiries propres. Qui en a fourni le dessin à Schrot ? 


XVII siècle: Mathieu Simon. A la suppression des ordres religieux, les livres et 
les manuscrits de l'antique abbaye furent envoyés à Metz. Une importante verrerie 
remplace près de la Saar le monastère des prémontrés entièrement ruiné. 


Le Wappenbuch des heiligen Reichs, etc., est un gros in-folio de 22 feuillets 
liminaires non chiffrés et de 267 feuillets paginés au recto seulement. Les blasons 
sont supérieurement dessinés; plusieurs sont doubles. Rosenthal, antiquaire a Mu- 
nich, estimait en décembre dernier le volume 70 M. Il y a une édition du même 
Wappenbuch datant de 1576 et sortant des mêmes presses. 

1) 50; 75. 

2.35, 86. 

3) 55, 107. 


4) 72. 


ee 


Quelle valeur historique ont ces blasons'!)? Dans tous les cas, l'Évêché 
de Metz porte: «d'argent au lion couronné passant de sable>; celui de 
Toul: « d’azur au massacre de cerf surmonté d'une croix d'or»; et enfin 
celui de Verdun: «de sable à la croix pattée d'argent >». 

Ils sont reproduits dans l’Atlas de Mathias Merian (Francfort-sur- 
le-Main. XVII siècle); pour variantes, le champ de l'Évêché de Verdun 
est d'azur ainsi que le lion de l'Évêché de Metz. Le Wappenbuch de 
Nuremberg (1657) indique aussi ces trois blasons. Il est à remarquer 
que le glaive de justice ne se voit pas sur ces armoiries. Les évêques 
précités avaient cependant le droit de le prendre, et on le voit sur les 
armoiries du dernier évêque de Metz avant la Révolution, le cardinal 
de Montmorency, mort en 1808. Il figure en pendant de la crosse épis- 
copale et au-dessous du bonnet de prince d’empire sur une plaque de 
cheminée représentant le blason de ce prélat. On le voit aussi sur les 
sceaux, les ex-libris, etc., de ce haut dignitaire ecclésiastique. Les &ve- 
ques de Toul et de Verdun de cette époque avaient les mêmes insignes 
pour leurs armoiries. Le Parlement de Metz qui avait tant houspillé 
M. de Saint-Simon, évèque de Metz, à ce sujet, ne disait plus rien. 

Ajoutons que dans le courant du XV® siècle ou au commence- 
ment du siècle suivant, on s’avisa de ranger par quatre toutes les par- 
ties du Saint-Empire. Les quatre Haubstatt furent: Augsbourg, Aach, 
Metz et Lubeck. Mais cette division, soigneusement observée par Schrot, 


ne fut toujours que de la haute fantaisie et disparut dans le courant 
du XVIIE siècle. 


JE, 


Il me reste à parler du dernier blason lorrain donné par Martin 
Schrot, c’est celui du Westereich (Westrich) «coticé d'argent et de 
gueules de six pièces?)» et surmonté du bonnet de prince d’empire. 
La division par quatre de l'empire allemand a ce classement: 4 vica- 
riats: Brabant, Westrich, Westphalie, Silésie. 

- Le Westrich était à peu près tout le diocèse de Metz, compre- 
nant en 1789: la Lorraine allemande ou duché de Lorraine, le dépar- 
tement et frontières de la Saar au roi de France, les comtés de Nassau 
et de Saarverden aux princes de Nassau, la seigneurie de Diemeringen 
au prince de Salm-Salm, etc., ete. J.-P. Croll, le savant professeur de 


1) Ce sont les blasons reproduits ci-dessus. 

?) Sur la carte du Vastum regnum, Strasbourg, 1513: Coticé d'argent et d'azur 
de 8 pièces; en 1657: de 6 pièces; en 1679: d'argent et d'or de 8 pièces (Armo- 
rial, Paris). 


— 318 — 


Deux-Ponts, auquel on doit tant de travaux sur le Haut-Saargau — un 
peu trop méconnus — a publié en 1751 une étude très estimée de 


Vestrasia, regione Germanie Cisrhénanæe, et Mone, l’&rudit archiviste de 
Carlsruhe, n’a pas hésité à déclarer que le mot de Westereich ne si- 
onifie pas le royaume de l’Ouest du Saint-Empire en opposition à l'Ost- 
reich, le royaume de l'Est, comme le pretendaient les érudits, mais que 
le mot provenait de l’ancienne langue parlée dans le pays, de la langue 
celtique, et signifiait le Haut-Pays, das Hochland, véritable position 
géographique d'après feu Dagobert Fischer, maire de Saverne, de la 
région en question, et son plateau élevé semble en effet justifier Pinter- 
prétation du savant Badois. 

En 1861, Louis Benoit a fait paraître une brochure sur le Westrich. 
Il cite les auteurs qui en parlent; parmi ceux du XVI siècle, Sébastien 
Münster, Jean Herkel, Woleyr, Specklin, le président Alix, Mercator; au 
XVIII siècle, Rice, et parmi les contemporains, de Bouteiller à Metz, 
Louis Spach, le savant archiviste à Strasbourg, etc. D’après le biblio- 
thécaire de la ville de Nancy, le Westrich comprenait plus de vingt lieues 
carrées. 

Feu Henri Lepage, archiviste du département de la Meurthe (1862), 
se contenta de die que le Westrich est le nom donné par quelques 
géographes à une portion arrosée par la Sarre et dans laquelle était 
comprise la principauté de Lixheim. Ce qui est bien peu, car le Vastum 
regnum de Schot comprenait les comtés de Blamont. Ruxinga, Sarverden, 
Sarbruc, Zweibruc, les baronnies de Kriechingen, Bentsdorf, Bolchen, 
Vinstinga, Bitsch‘'), etc. 

D'après Croll, Westereich, Westrich se traduisait en latin par 
Westrasia: «Comitatus Sarengau situs in Westrasia haud dubie fuit 
pars regni, posteà Ducatus Lotharingiæ (Originum Bipontinum. Pars I. 
p. 9. Biponti 1761.) Les ducs de Lorraine ne venaient-ils pas du comté 
de Bitche ? 

Comme l’on voit, le blason du Westrich était bien le blason du 
Haut-Saargau, et il méritait bien qu’on le tire de l'oubli; mais quelle 
valeur historique ont les blasons des Évêchés de Metz, Toul et Verdun? 
C’est une question que je laisse à un plus compétent que moi à résoudre. 
La question en vaut la peine. A. Benoit. 


‘) Bitsch fut toujours qualifié de comté, 


— 319 — 


Fundberichte. 


Durch Vermittelung des Herrn Lieutenant Ernarpr vom 131. Inf.- 
Regt. wurden der Gesellschaft in der Sitzung vom 24. Februar mehrere 
Broncefiguren und Köpfe, desgleichen Münzen vorgelegt, die bei den 
‚Erdarbeiten am Deutschen Thore gefunden und in Besitz eines hie- 
sigen Althändlers gekommen sind. 

1 und 2. Zwei Statuetten, welche die sitzende Isis mit dem 
Horusknaben darstellen (die eine 6, cm, die andere 10 cm hoch); 
beide wohl erhalten, aber mit einer Kiesschicht überzogen. 

3. Den Torso eines Merkurs (?). Kopf, Hände und die Beine vom 
Knie abwärts sind abgebrochen. Länge des verbliebenen Stückes 5 cm. 

4. Die schön gearbeitete und wohlerhaltene Büste eines Adlers. 
An der Rückseite der Brust sitzt ein Zapfen, mit dem das Stück ent- 
weder dem Körper eingefügt oder an einem andern Gegenstand befestigt 
war. Von der Schnabel- bis zur untern Brustspitze 4 cm. Wohl modern. 

5 und 6. Zwei kleine Köpfe. Nase platt, Augen geschlitzt. Der 
eine, anscheinend eine Frau darstellend, trägt um den Kopf eine nach 
Nonnenart straff umgelegte Binde, die auch unter dem Kinn durchgeht. 
Die Rückseite des Gesichts ist hohl und bildet ein kreisrundes Loch. 
Höhe der Köpfe 3 und 3,; cm. 

7. Eine keltische Münze (schlecht erhalten) mit springendem Pferd. 

8. Acht römische Münzen des III. und IV. Jahrhunderts (schlecht 
erhalten). W. 


Herr Hauptmann a. D. Hoffmann auf Schloss Tivoli-Queuleu 
überreichte der Gesellschaft zwei schön erhaltene Broncecelte, die bei 
Corny in der Mosel gefunden wurden. Das eine der beiden Stücke ist 
ein Lappencelt (häche à aileron), das andere ein Hohlcelt (häche à 
douille). W. 


An der Strasse von Busendorf nach Saarlouis, etwa 500 m östlich 
des erstgenannten Ortes, wurden in einem Steinbruche 4 Gräber der 
allemannisch-fränkischen Zeit aufgedeckt. Es fanden sich Bronceringe, 
ein Bronceschwert, Beschlagstücke, Schnallen und Glasperlen. W. 


Bei Algringen wurden durch die Herren Leo Huck und P, Sche- 
necker die Reste einer römischen (?) Niederlassung aufgefunden. Römische 
Rand- und Hohlziegel, sowie Reste von irdenen Gefässen wurden zu 
Tage gefördert. W, 


ee 


Zu Hültenhausen oberhalb Lützelburg in den Vogesen wurde 
von einem Arbeiter hinter seinem Hause ein Schatzfund gemacht. Der- 
selbe enthielt Metzer und Strassburger Münzen. Sie waren in ein leinenes 
Säckchen, von dem sich Reste erhalten hatten, verpackt und mit diesem 
in ein irdenes Gefäss gethan. 

Fast der gesamte Fund wurde von der Gesellschaft für lothringische 
Geschichte erworben. Er enthielt folgende Stücke: 

1. 40 Stück Groschen des Bischof Theoderich Boppard von Metz 

(1365 — 1384), 
Av. Stehender Bischof: THEODE'* EPS’* METE’*, 
R. Kreuz. Legende in 2 Kreisen. 
Aeusserer: T BEDICTV’ SIT. NOME’ DEI. NRY’ IHU’ XPT * 
Inneres: GROSVS. METE’S. 

2. 5 Stück aus derselben Zeit oder wenig später. 

Av. Der heilige Stephan leicht nach rechts gewandt, in der 
linken Hand eine Palme, in der rechten einen Stein haltend. 
Die Figur von einem ovalen Rande umgeben. 
»S’*» STEPH’* x PROThO’x 

R. Kreuz. Legende in 2 Kreisen. 

Aeusserer: TBENEDICTV SIT. NOME’ DNF NRP 

IH RBT 

Innerer: GROSSVS x METE 

3. 17 Strassburger Groschen. 

Av. Strassburger Lilie im Achtpass, in dessen Ecken je ein 


Stern. 
+GROSSVS TARGENTINENSIS. 


R. Kreuz. Legende in zwei Kreisen. 
Aeusserer: f GLORIA : IN - EXCELS’ ET : IN- 
Innerer: TRA’ PAX--hOIBVS : 

4. Etwa 800 Strassburger Brakteaten: 

Silberblech von 15—16 mm Durchmesser. Im Perlenkranze 
die Strassburger Lilie. Bei mehreren Stücken ist aus der 
Lilie ein Adler, bei andern eine schreitende menschliche 
Figur mit Flügeln (Engel?) geworden. W. 


In Lellingen bei Falkenberg wurden im Herbste vergangenen 
Jahres 254 Stück Metzer Groschen gefunden. 
Av. Der heilige Stephan mit Heiligenschein knieend nach links 
gewandt. Rechts und links von ihm das Metzer Wappen 
(schwarz und weiss geteilter Schild). 
= S': STEPh’» PROThO’* M:: 


a 


R. Kreuz, in dessen vier Feldern je ein Stern. Legende in 
zwei Kreisen. 
Aeusserer: BEDICTV’ SIT’ NOME’ DN! NR! IhV’ XP/ 
Innerer: GROSSVS + METE. 

Durch Vermittelung des Herrn Bürgermeister SiByzz wurde der 
gesamte Fund der Gesellschaft zum Ankauf. zur Verfügung gestellt. 
Nach Erwerbung einer grösseren Zahl (40) für das Museum und für 
einzelne Mitglieder wurde der Rest dem Besitzer wieder zurückgegeben. 

W. 


In der Gemarkung Schalbach bei Lixheim auf dem Felde »Vor- 
derster Forst beim Bürgerwald«, etwa 120 m von der östlichen Ecke 
dieses Waldes und des von Schalbach nach Weyer führenden Weges 
wurde im Dezember 1897 beim Suchen nach Kalksteinen ein Tumulus 
abgetragen, der nach Aussage des Ackerers etwa 25—50 Gräber be- 
deckte. Herr Schlosser aus Drulingen, der von der Entdeckung hörte, 
begab sich sofort an Ort und Stelle und konnte noch zwei Gräber 
aufdecken lassen. Es waren Skelettgräber, von SSW. nach NNO. ge- 
richtet; auch die übrigen Leichenreste zeigten nach Angabe des Fin- 
ders dieselbe Richtung. Die einzelnen Gräber scheinen von aufrecht- 
stehenden Kalksteinplatten oder kleinen Trockenmauern eingefasst ge- 
wesen zu sein. 

Gefunden wurden: 

1. Ein Paar hohle, nach der Hinterseite offene Bronzearmringe, 
mit quergestellten Rippchen geziert. 

2. Ein anderes Paar von etwas kleinerem Formate. 

Ein einzelner Armring in gleicher Form und Grösse. 

(Alle fünf Stück sind in der Mitte am dicksten, ver- 
Jüngen sich nach den Enden, sind aber hier abgeschlossen 
durch eine breite, gegossene Scheibe.) 

4. Ein massiver Armring aus Bronze mit gleicher Verzierung. 

Ein paar Armringe, aus einem einfachen, spiralförmigen Bronze- 

draht bestehend. 

6. Ein Armring aus einem schmalen und dünnen Bronzeband, 
das an beiden Enden hakenförmig umgebogen ist. In der 
Längsrichtung ziehen sich zwei Rillen, in denen sich eine 
zackenartige Verzierung befindet. 

7. Massives Bronzearmband eines Kindes; ohne Verzierung, in 
der Mitte breiter, nach den Enden zu sich verjüngend, am 
Abschluss wieder breiter werdend. 


LE 


(Dr! 


21 


ee 


8. Ein einfacher, massiver Bronze-Armring, geschlossen ; der 
Durchschnitt spitzoval (©). 

9. Vier Lignitringe, von denen einer noch gut erhalten ist. 

10. Eine Bronzehaarnadel mit breitem Kopf, 0,135 m lang; das 
oberste Viertel abgeschlossen durch eine Verzierung: zwischen 
zwei Ringen ein Sparrenornament. In der Mitte dieser Ver- 
zierung eine kleine, runde Oese. 

11. Bruchstücke eines mit der Hand, ohne Töpferscheibe, gear- 
beiteten irdenen (refässes; ohne Verzierung. 

12. Bruchstücke von 2 irdenen Gefässen, gleichfalls Handarbeit, 
mit parallelen Linien umzogen. 

13. Eine Fibel, die zerbrochen wurde und nicht mehr besichtigt 
werden konnte. 

Eisen wurde hier nicht aufgefunden. Doch war solches in be- 
nachbarten Hügelgräbern, die Herr Schlosser in den achtziger Jahren 
aufgedeckt hatte, vorhanden. 

Die Funde des ausgegrabenen Hügels dürften der Hallstatiperiode 
angehören. 

Wenn auch der grösste Teil des Hügels ohne fachmännische Auf- 
sicht ausgegraben wurde, so sind doch wenigstens die Fundstücke nicht 
zerstreut und dem Lande entzogen worden. Wir danken dies dem 
raschen und energischen Eingreifen des Herrn Gutsbesitzer Schlosser, 
der auch die Liebenswürdigkeit hatte, sämtliche Fundstücke unserer 
Gesellschaft in ihrer Sitzung vom 20. Januar vorzulegen. Einen Teil 
der Altertümer gedenkt Herr Schlosser der Gesellschaft zu überweisen. 
Der unter 3 aufgeführte Armring, der im Besitze des Finders geblieben 
war, konnte durch Vermittelung des Bürgermeisters von Schalbach, 
Herrn Becker, bereits erworben werden. WW. 


Zwischen Kleinhettingen und Metrich, auf den Grundstücken des 
Bürgermeisters Brauer und des Gastwirts Brauer sind seit Jahren beim 
Ausheben von Kies irdene und gläserne Gefässe sowie eiserne Waffen 
gefunden worden. Nachdem Herr Pfarrer Thilmont in Kerlingen der 
(Gesellschaft hiervon Mitteilung gemacht hatte, begab sich der Unterzeichnete 
an Ort und Stelle, um sich über die Bedeutung der Funde Klarheit zu 
verschaffen. Die Fundstätte liegt dicht bei Metrich, etwa 100 Meter links 
von der nach Kleinhettingen ziehenden Strasse. Wie sich sofort ergab, 
handelt es sich um ein ausgedehntes Grabfeld der fränkisch-alemannischen 
Zeit. Die beiden Besitzer des Feldes hatten im Laufe der Jahre zahl- 


reiche irdene Gefässe verschiedenster Form und Farbe ausgehoben, 
hierzu kam eine Reihe einfacher Gläser von grünlicher Farbe und 
mehr oder weniger gerundetem Boden. An Waffen fand sich vor 
ein Schildbuckel, eine grosse Zahl von Franzisken, Kurz- und Lang- 
schwerter, ein Ango und zwei Halsketten aus bunten Glas- und Thon- 
perlen. An der einen hing ein grösserer Bernsteinring. Auch bron- 


zene Gürtelschnallen und ein Salbstichel waren vorhanden. — Herr 
Gastwirt Brauer war so liebenswürdig, einen Teil der ihm gehörigen 
Altertümer der Gesellschaft zur Besichtigung vorzulegen. W. 


Auf dem Herapel (bei Kochern, Kanton Forbach) wurde von Herrn 
Huger zu Saargemünd gelegentlich seiner grossen planmässig betrie- 
benen Ausgrabungen folgende Inschrift (ausserdem Münzen von 
Augustus bis Honorius) gefunden : 


NENNIC : ADCENEC : Nennic(o) Adcenee(o) 
L:MARIVS : SECVNDVS: L(ucius) Marius Secundus, 
ONDES ELLE Amandi filius), 
Se SaL. M v(otum) s(olvit) I(ibens) m(erito). 
Buchstabenhöhe ungefähr cm 31/2 (Z. 1) bis em 41/2 — Die 


Buchstaben NN der ersten Zeile sind auf dem Steine verbunden 
(»ligiert«). 

(Nach einem von Herrn Pfarrer Paurus gütigst überlassenen 
Papierabklatsch.) 

Die Inschrift ist einer oder mehreren keltischen Gottheiten geweiht. 
Der zweite Name »Adcenec(us)« erinnert an den Beinamen »Adcenei- 
c0S«, den Juppiter Optimus Maximus auf einer Mailänder Inschrift 
der einstmaligen Gallia citerior führt (C.I.L. V, 5783). Da dieser Bei- 
name auf einer zweiten Inschrift von Pavia » Agganaicus« lautet (C. I. L. 
V, 6409), so liegt es nahe, denselben in Verbindung zu bringen mit 
dem Namen, welchen Bewohner einer Ortschaft auf einer dritten 
oberitalischen Inschrift aus Galliano bei Como führen: »Adganai« 
(C. LL. V, 5671). Vgl. Holder, Alt-Celtischer Sprachschatz I, Sp. 38. 
40 und 57; Ihm, Bonn. Jahrb. 83, S. 37. Auch auf unserer Inschrift 
müssen die Namen »Nennic(us)« und »Adcenec(us)< als die Namen ört- 
licher Gottheiten gefasst werden; ob sie aber allein standen oder ob 
sie einem römischen Götternamen oder den Muttergöttinnen (Matres) 
als Beinamen beigegeben waren, hängt von der anderen Frage ab, ob 
das über dem Inschriftstein einst lagernde Gesimsstück des Weihdenk- 


DIE 


ne 


mals die erste Zeile der Inschrift (wie: I: 0 : M oder DEO : MERCVRIO 
oder DIS: MATRIBVS u. dgl.) getragen'!). Natürlich darf der örtliche 
Name »Adcenecus« nicht mit jener oberitalischen Dorfschaft in Ver- 
bindung gebracht, sondern muss auf einen gleichnamigen Dorf- oder 
Flurbezirk Lothringens, ebenso wie der andere Name, bezogen werden. 
Ueber die Namen des Stifters, welche lateinisch sind?), aber auf 
einheimischen Ursprung ihres Inhabers hinweisen, vel. oben S. 194, 
Anm. 3. Keuhe. 


An derselben Stelle, wie die vorher besprochene Inschrift, wurden 
bei den erwähnten Ausgrabungen die folgenden beiden Bruchstücke 
gefunden, von denen Herr Huber mir mit dankenswerter Liebens- 
würdigkeit Abschriften und Papierabklatsche übersandt hat. 


% .DEO-SOLI INH-D-DDEA 
VSLEVINVS  (Anker.) | (Anker) M LI À OI VSL 
T. M | V SE 0 


Wie schon die gleichen, ankerartigen Verzierungen rechts bezw. 
links von den beiden Inschriften beweisen, waren diese Gegenstücke; 
von der einen Inschrift ist die rechte, von der anderen die linke Hälfte 
erhalten. Es enthielten aber beide Inschriften Weihungen des nämlichen 
Mannes (M. Liaoius Laevinus) zu Ehren des göttlichen d. h. kaiserlichen 
Hauses an den Sonnengott (Deus Sol) bezw. an die Mondgöttin (Dea 
Luna); denn sie sind folgendermassen zu lesen und zu ergänzen: 


[In h(onorem) d(omus)| d(ivinae) Deo Soli 
|M(arcus) Liaoijus L(a)evinus 
[v(otum) s(olvit)] l(ibens) m(erito) 


1) Wie Herr Huber mir auf meine Anfrage mitzuteilen die Güte hatte, ent- 
behrt der Stein der Gesimse, ist aber unversehrt (»La pierre est intacte, sans 
moulures mais sans cassures«). Dies schliesst natürlich nicht aus, dass ein be- 
sonders gearbeitetes Gesims darüber lag, dessen Leiste den Anfang der Weih- 
inschrift und dessen Oberfläche ein Standbild trug; vgl. z. B. Hettner, Stein- 
denkmäler, Nr. 118; »Der Obergermanisch-Raetische Limes des Roemerreiches« IV, 
B, Nr. 42, S. 27, 2 mit Abbildung S. 26; auch Brambach, C. I. Rhen., 1556. 1562. 

?) Der lateinische Name »Amandus« ist nicht selten (Belege z. B. bei Wil- 
manns, Exempl. inscript. Lat., II, S. 370). Herr Huber macht darauf aufmerksam, 
dass auch einer der beiden Führer der gallischen Aufrührer des Jahres 284 n. C., 
welche das Volk mit einheimischem Namen Bagauden nannte, »Amandus« hiess 
(der andere hiess: »Aelianus« ; die Belegstellen bei Holder, Alt-Celt. Sprachschatz, 
I, Sp. 329—331 u. d. W. »bagaudae«). Einen von diesem Beinamen weitergebildeten 
Beinamen »Amandio« führte ein Arzt nach dem oben S. 189, Anm. 10 heran- 
gezogenen, in Lothringen (Daspich) gefundenen Arzneistempel. 


— 325 — 


In h(onorem) d(omus) d(ivinae) Deafe Lunae] 
Marcus) Liaoius L[(a)evinus| 
v(otum) s(olvit) I(ibens) | m(erito) | 
Die Buchstabenformen weisen die Inschrift in das III. Jahrhundert n. C. 
Der Stifter führt einen römischen Vornamen (Marcus), einen von 
einem einheimischen keltischen Namen abgeleiteten Geschlechtsnamen 
(Liaoius) und einen römischen Zunamen (Laevinus): eine Namengebung, 
welche oben S. 184 besprochen ist. — Zur Schreibung des Namens 
»Levinus«< statt »Laevinus« vel. Brambach C. I. Rhen. 1336 = Wil- 
manns Exempl. inser. 2278 (Castel bei Mainz, J. 236 n. C.): »Leviniuse; 
Steinsaal des Metzer Museums Nr. 81: »pref(ectus)« nebst der Be- 
merkung zu dieser Inschrift in der oben S. 201, Ende, genannten Zu- 
sammenstellung unter A IL, Nr. 21. Keune. 


Im Jahre 1897 wurde im Walde bei Hültenhausen ') das Bruchstück 
einer oben abgerundeten, mit erhabenem Rande umrahmten Reliefplatte 
aus rotem Vogesensandstein mit dem (bis unterhalb des Nabels er- 
haltenen) Oberkörper eines in griechisch-römischer Weise dargestellten 
Merkur aufgefunden. Die Darstellung ist überaus roh, insbesondere 
fallen auf der lange Schwanenhals und die steifen Arme. Rechts und 
links von Kinn und Hals steht die Weihinschrift: 


MER CVRIO Mercurio 
ESVNER SOVNIF Esunertus, Souni fiilius), 
LVS VS LM v(otum) s(olvit) I(ibens) m(erito). 


(Höhe des Bruchstückes 76 bis 85 cm, Breite 75 cm.) Jetzt im Alter- 
tumsmuseum der Stadt Metz; Geschenk der Gesellschaft für lothringische 
Geschichte. 

Dass der Stifter des rohen Bildes ein fast romanisierter Kelte 
war, der jedenfalls in einer der altkeltischen bäuerlichen Niederlassungen 
bei Hültenhausen ?) wohnte, und dass er demnach unter dem Namen 


1) Herrn Förster Hedder (Forsthaus Gewinnwald) verdanke ich die genauere 
Bezeichnung der Fundstelle: »im Kessel«, Distrikt 115, Abteilung d, unweit der 
Grenzen des Garburger Gemeindewaldes und der Försterei Garburg. Ebendaher 
stammt das gleichzeitig von der Gesellschaft für lothr. Geschichte dem Museum 
als Geschenk überwiesene Relief-Bruchstück (Unterleib und Oberschenkel, hoch 
45 cm) einer nackten männlichen Gestalt, vermutlich gleichfalls von einer Dar- 
stellung des Merkur. 

?) Im Bannwald bei Hültenhausen (Distrikt No. 89 und 90) liegen zwei 
Grabstätten nahe bei einander, Ein Grabstein in Gestalt eines Häuschens mit 


= 


Mercurius den diesem entsprechenden keltischen Handels- und Ver- 
kehrsgott verehrte'), lehrt sein keltischer Name. Denn »Esunertus 
Souni filius« ist lediglich eine Uebertragung des keltischen »Esunertos 
Souniknos« oder »Esunertos Sounios«, d. h. Esunertos des Sounos 
Sohn; vel. S. 180f. Der Name Esunertus (Holder I, Sp. 1478/1479) ist 
bereits bekannt aus einer Inschrift vom. Jahre 8 v. Chr. zu Landecy 
bei Genf (C. I. L. XI, 2623) sowie aus einem Töpferstempel einer 
Schüssel im britischen Museum zu London (C.1.L. VI, 1334,61); in 
beiden erscheint derselbe als Zuname neben römischem Vor- und Ge- 
schlechtsnamen; der erstgenannte Esunertus, der Sohn eines zweifellos 
keltischen Vaters, bekennt sich durch Angabe der Tribus ebenso zweifel- 
los als römischen Bürger. Der Name »Esunertus« setzt sich aber 
zusammen aus den beiden Bestandteilen Esus + nertos. »Esus« (Holder I, 
Sp. 1479; Lehner, Westd. Korr.-Bl. XV, 19) ist der Name des keltischen 
Handels- und Verkehrsgottes und ist auch zur Bildung von anderen 
Personennamen (z. B. Esuios oder Esuvius, Esumagius) verwendet; 
»nertos« (Zeuss, Gramm. celt., 1853, I, S. 12; Belloguet, Glossaire Gau- 
lois ?, 1872, S. 362, No. 374) bedeutet »Stärke« und findet sich z. B. 
in den Personennamen Nertomarus (Steinsaal des Metzer Museums 
No. 351; Westd. Korr.-Bl. V, 16, Sp. 20, Zinsweiler bei Niederbronn: 
Adnamus Nertomari fil.; vgl. Brambach, C. I. Rhen. 29: Sext. Nerto- 
marius Nertonius), Cobnertus (Holder I, Sp. 1054: z. B. Brambach 
1902, bei Hagenau gefunden), Nertomir (Stempel einer Spange: Bram- 
bach, Add. 1376, 11, S. XXXI), Nertovalus (C. I.L. XII, 88) und in dem 
Ortsnamen Nertobriga (in Spanien; — Starkenburg). 

»Sounus» steckt als zweiter Bestandteil in dem auch auf Metzer 
Inschriften mehrfach vorkommenden Namen Carasounus, Carathounus, 
Carassounus (auch mit durchstrichenem DD geschrieben); vgl. Holder I, 
Sp. 771. 773. 765 und oben S. 159, Anm. 3 und 4. Keune. 


Auf der Höhe des Waldes Neu-Scheuern (Neuve-Grange), Distrikt 
No. 242, zwischen Niederhof und S. Quirin (Kanton Lörchingen), wurde 
von Herrn Notar Welter aus Lörchingen eine jener Grabstätten ent- 
deckt, wie sie sich vielfach auf den Höhen des Wasgenwaldes in der 
roher Büste auf der Vorderseite, jetzt im Metzer Museum, stammt aus der einen 
dieser Grabstätten (Distrikt No. 90); über Funde, welche auf der anderen (No. 89) 
im Sommer 1897 gemacht wurden (in einem Grabe: eine Schnalle und eine 
emaillierte Spange), s. den Bericht im nächsten Jahrbuch. 

') Vgl. »Gallo-römische Kultur in Lotliringen«, unter Religion. 


FE — 


Gegend von Alberschweiler Pfalzburg und Zabern finden ''). Die Grab- 
stätte wurde von Herrn Welter im Auftrage der Gesellschaft für loth- 
ringische Geschichte planmässig untersucht: über den Erfolg der Aus- 
grabung wird deren Leiter im nächsten Jahrbuche ausführlich unter 
Beigabe von Abbildungen Bericht erstatten. Vorläufig sei über die von 
der Gesellschaft für lothringische Geschichte dem Metzer Museum über- 
wiesenen Funde folgendes bemerkt: 

Es fanden sich ausschliesslich Brandgräber. Die Asche der 
verbrannten Toten (und der mit ihnen verbrannten Haustiere) war 
meist in Thongefässen (worunter ein verziertes) geborgen, in mehreren 
Fällen auch in Glasgefässen. Als Beigaben hatten gedient u. a. eine 
emaillierte kreisrunde Brosche und Thongefässe, insbesondere aus terra 
sigillata, meist schlechter Ware, teilweise aber auch von trefflicher, 
harter Beschaffenheit und tiefroter Farbe. Mit Bildwerk sind geschmückt 
ein zur grösseren Hälfte erhaltenes Gefäss aus terra sigillata (mit auch 
sonst ähnlich vorkommender Darstellung eines Adlers zwischen Orna- 
menten) und ein kleineres Bruchstück eines andern Gefässes. Von den 
Bruchstücken aus terra sigillata tragen mehrere den gleichen Zeichen- 
stempel, mehrere andere waren mit dem Namen des Cassius?) gestempelt?). 
Auch Steinkapseln, wie sie in Lothringen nicht selten sind, fanden sich 
vor*); ferner zwei bärtige Köpfe, herrührend von Porträtstatuen oder 
Büsten der Verstorbenen, welche auf der Vorderseite von Grabsteinen 
angebracht waren, wie für den einen Kopf das Bruchstück der Grab- 
steinspitze, an dem er angebracht ist, beweist; weiter inschriftlose 
Grabsteine, mehrere von der auch sonst in der Gegend vorkommenden 
einheimischen Gestalt, von ganz eigenartiger Form aber insbesondere 
einer, alle mit ausgehöhlter Standfläche; dann Abdeckungssteine des 
Grabinnern mit den gewöhnlichen Löchern in der Mitte, davon einer 
rund, andere viereckig; schliesslich als einziger Inschriftstein ein Grab- 
stein mit breiter Standfläche und Giebel. Unter dem Giebelfeld drei 
männliche Büsten mit langem, der Haartracht von Frauen ähnlichem 


1) Vgl. meinen Museumsbericht in der Westdeutschen Zeitschrift XVI (1897), 

S. 316, und im folgenden Bande dieses Jahrbuchs. 

?) Der Stempel des Cassius gehört zu denjenigen Töpferstempeln, welche 
von rund 70 bis 250 n. Chr. nachweisbar sind: s. Dragendorff, Bonn. Jahrb. 99, 5. 70. 

») Von sonstigen Beigaben fanden sich eine Gewandnadel (fibula), das End- 
stück einer spatula, Bruchstücke von dem Belag eines Messergriffes (?) und ein 
einer Patronenhülse ähnlicher Gegenstand aus Metall. Thonlampen dagegen und 
Münzen wurden keine gefunden. 

+) Diese Steinkapseln enthielten die Aschenreste nebst Beigaben oder dienten 
zur Aufnahme von Aschenurnen aus Thon und Glas, 


nee 


Haar (also in der altkeltischen Haartracht), der eine links (vom 
Beschauer) mit Bärtchen, der mittlere jünger; das Gesicht der Büste 
rechts ist leider abgeschlagen. Unter den Büsten die Grabschrift: 


SACCOMAINOCANTOGNATIFIL Saccomaino Cantognati fil(io), 

S ACCETIO SACCOMAINI Saccetio Saccomaini, 

BELLATORT BELATVIMFI Bellatori Belatulli fi(lio): 
SANCTVS CVRAVIT Sanctus curavit. 


D. h.: Dem Saccomainus, des Cantognatus Sohn, dem Saccetius, 
des Saccomainus (Sohn, und) dem Bellator, des Belatullus Sohn, hat 
Sanctus (diesen Grabstein mit Grabschrift) besorgt. 

Höhe 79 + (Giebel) 33 = 118 cm, Breite 79 cm. 

Dass die Verstorbenen, selbstverständlich Bewohner der in der 
Nähe des Begräbnisplatzes gelegenen Niederlassung, keltischer Abkunft 
waren, beweisen die Namen, sowohl die ganze Namengebung (s. oben 
S. 181) wie die einzelnen Namen. Der erste Bestandteil!) des Namens 
Saeco-mainus findet sich, ausser in dem Namen seines Sohnes 
Saccetius, z. B. noch in dem von Sacco (GC. I. L. XII) weitergebildeten 
Geschlechtsnamen eines Metzers aus der ersten Hälfte des dritten 
Jahrhunderts auf einer Inschrift von Lyon: «Sacconius» (Henzen 5530; 
derselbe Name auch im C. 1. L. XI), ferner in dem von Saccus abge- 
leiteten Geschlechtsnamen »Saccius« in der Inschrift der Igeler Säule 
(Brambach Nr. 830); der zweite Bestandteil findet sich in dem daraus 
gebildeten Geschlechtsnamen » Mainius« z. B. auf einer Trierer Inschrift bei 
Hettner, Steindenkmäler, Nr. 489, sowie in dem ähnlich gebildeten 
»Sacromaini«, welches Holder I, Sp. 63 (unter »ai«), anführt?); vgl. 
auch Brambach 324: Mainonius. — Der Name des Vaters des Sacco- 
mainus: »Cantognatus« setzt sich zusammen aus »CGanto« (Holder I, 
Sp. 752—754) und aus »(znatos« (Holder I, Sp. 2029 f.). Mit den 
gleichen Bestandteilen sind zusammengesetzt einerseits z. B. Gantorix, 
Cantosenus u. s. w., anderseits Ollognatus (Inschrift aus Neumagen 
im Trierer Museum), Cintugnatus u. s. w. — Zum Namen des Sohnes 
des Saccomainus, des Sacc-etius, vgl. den Namen eines Metzer Bür- 
sers Mogetius (Westd. Korr.-Bl. II, 118, vgl. oben S. 181) und den 
gewöhnlich dem Mars gleichgestellten keltischen Gott Loucetius oder 
Leucetius (Zangemeister, Westd. Korr.-Bl. VII 76; vel. Westd. Korr.- 
Bl. XV, Sp. 57, Anm. 20); mehr Beispiele bei Holder I, Sp. 1481 
(>-et1o-e). 

1) Es wird das Wort »saccus« (Sack) sein, welches die Römer schon früh 
den oberitalischen Kelten entlehnt und sich zu eigen gemacht hatten. 
Ucher das keltische »Sacro-<, »Sacer« vgl, oben S. 191, Anm. 1. 


BE 


— 329 — 


Auch »Bellator« ist trotz seines lateinischen Aussehens ein 
keltischer Name (vgl. oben S. 191), denn er ist meines Wissens in 
Italien überhaupt nicht nachweisbar, unter den auf gallischem Boden 
gefundenen Beispielen aber hat eines die vermutlich der ursprünglichen 
Namensform näher kommende Schreibung »Bellatur« (C. I. L. XI, 
5819). Der, wie viele andere Namen, von Bellus (Holder I, Sp. 395; 
die Ableitungen: Sp. 387 ff.) abgeleitete Name Bellator findet Sich auch 
auf einer Metzer Inschrift (Steinsaal No. 56, nachzutragen bei Holder I, 
Sp. 387). — Ebenso war auch aus einer lothringischen Inschrift von 
Decempagi (Tarquinpol) bekannt der Name »Belatullus«, welchen der 
Vater des Bellator trägt: Steinsaal des Metzer Museums No. 361 = Wich- 
mann in diesem Jahrbuch IV, 2, S. 125/126 (zweimal: Belatulla); mehr 
Belege bei Holder I, Sp. 368/569. 

Die Abkürzung FIL (Z. 1) ist häufig. Die daneben angewendete 
Abkürzung FI (Z. 3) beruht auf dem Gesetz der Silbentrennung (vgl. dieses 
Jahrbuch VII, 1, 5. 83), sie findet sich auch auf der Rückseite des 
Metzer Denkmals im Steinsaal des Museums, No. 5, ferner auf dem 
vorhin erwähnten Grabstein eines Metzer Bürgers (Westd. Korr.-Bl. Il, 
118) ; ausserdem z. B. bei Henzen No. 5982 — Wilmanns 1762 (Ravenna). 

Durch den blossen Genitiv (wie im Griechischen) ist das Ver- 
hältnis des Sohnes zum Vater ausgedrückt in Z. 2. Vgl. die im übrigen 
keltische Inschrift bei Holder I, Sp. 1223/1224: »Martialis Danno- 
talie, ferner die lateinischen Inschriften im Metzer Museum No. 34 (aus 
Soulosse): »Regulus Rebrici«, im Trierer Museum (Hettner, Steindenk- 
mäler) No. 45: »Inecius Iassie und im C. I. L. XII, Index, S. 962, wo 
über 20 Beispiele aus der Narbonensischen Provinz aufgeführt sind’). 

Der Mann, welcher dem Saccomainus und dessen Sohn Saccetius 
sowie einem vermutlichen Verwandten derselben Bellator nach römischer 
Sitte eine Grabschrift gesetzt hat, führt einen auch in Metz nach- 
weisbaren?) zweifellos lateinischen Namen: »Sanctus« (vgl. z. B. Wil- 
manns 2605 und 27710). Selbstverständlich ist derselbe aber deshalb 
kein Italiker, sondern entweder ein Einheimischer, der diesen lateinischen 
Namen, wie andere Eingeborene (z. B. Brambach No. 1764), führte, 
oder — was mir wegen der Auslassung des Vatersnamens wahrschein- 
licher vorkommt — ein Sklave oder Freigelassener. — »Curavit«: 
vgl. z. B. Wilmanns, Exempl. inser. No. 1516. 1535. 2553; gebräuch- 


1) Auch bei lateinischen Schriftstellern, vorwiegend freilich zur Bezeichnung 
von griechischen und anderen fremden Persönlichkeiten; vgl. Dräger, Histor. Syntax 
der lat. Sprache, 1°, S. 485, $ 208 b. 

?) Steinsaal des Metzer Museums No. 101 = Robert Il, S. 38 (Veteran). 


— 330 — 


licher ist die vollere Formel »faciendum curavite (abgekürzt: F-C) 
oder »ponendum curavit« (abgekürzt: PC), z. B. auf den Metzer In- 
schriften im Steinsaal des Museums No. 97 und 300 = Robert II, 
S. 39 und 72, ferner (die letztere Formel) auf den verschollenen In- 
schriften bei Robert II, S. 106 und 158; noch häufiger freilich ist auf 
Metzer Inschriften das einfache »posuit«. 


Die geschwungenen Buchstabenformen weisen die Inschrift etwa 
in die Mitte des zweiten Jahrhunderts. Keune. 


Beim Neubau des Klosters der Karmeliterinnen in der Trinitarier- 
strasse zu Metz wurde Ende 1897 eine bemalte Holzdecke gefunden), 
welche in dieselbe Zeit fallen dürfte, wie die im April 1896 in einem 
Seitenflügel der städtischen höheren Töchterschule in der Poncelet- 
strasse zu Metz entdeckten, im Altertums-Museum der Stadt Metz 
untergebrachten?) bemalten Holzdecke (13. Jahrh... Denn in Kon- 
struktion wie Technik stimmen beide bemalte Holzdecken überein. 
Die Bretter beider Decken sind nämlich ohne Anwendung von Hobel- 
werkzeug ganz zimmerwerksmässig bearbeitet und waren »auf Nut 
und Feder« miteinander verbunden, das heisst: die zugeschärfte Stirn- 
seite je eines Brettes war in die ausgenutete Stirnseite des anstossenden 
Brettes hineingeschoben; auch ruhten die Bretter beider Decken quer- 
gestreckt auf gleichfalls bemalten Balken, und über beiden Holzdecken 
lagerte ein Mörtelestrich. Während jedoch auf der in der Poncelet- 
strasse gefundenen Decke auf den weissen Untergrund von Kalkfarbe 
Tier- und Menschengestalten, Fabelwesen und Karikaturen aufgetragen 
sind, ist die Bemalung der Decke aus dem Kloster der Karmeliterinnen 
wesentlich einfacher: Hier ist nämlich auf den weissen Untergrund 
aufgetragen ein rotbraunes verschlungenes Bandmuster, durchsetzt mit 
sleichfarbigen Rosetten. Die Rosetten aber gleichen den Rosetten, mit 
welchen die Zwischenräume zwischen den Tiergestalten und Rittern 
auf der ebenfalls dem 13. Jahrhundert angehörigen Holzdecke, sowie 
zwischen den Heiligendarstellungen auf den zugehörigen teilweise noch 
erhaltenen Fresken im Refektorium (oder sog. Kapitelsaal) der Templer 


') Möglicherweise war mit dieser Decke ein einstmaliges Zimmer des Wohn- 
sitzes der bekannten Metzer Adelsfamilie de Heu ausgestattet: ich vermute dies, 
weil Baron Clervant, der Erbe dieser Familie. später (im 16. Jahrhundert) dort 
wohnte (s. dieses Jahrbuch VII, 1, S. 5—6). 

*) S. über diese Decke den Museumsbericht des nächsten Bandes. 


— 331 — 


auf der Citadelle zu Metz besetzt waren bezw. noch sind’). Auch 
die Balken, auf welchen im Kloster der Karmeliterinnen die Bretter 
auflagen, waren wesentlich einfacher bemalt, als die Balken der Holz- 
decke aus der Ponceletstrasse und als die der Deckenmalerei auf der 
Citadelle?). 

Dass die jüngst entdeckte Deckenmalerei in wesentlichen Stücken 
erhalten blieb und teilweise im Dezember 1897 ins Altertumsmuseum 
der Stadt Metz überführt werden konnte, ist der Fürsorge des Bau- 
führers Herrn Girardin, zu verdanken; bei der Untersuchung der 
Holzdecke stand mir Herr Baurat Wahn mit seinem bewährten Rat 
zur Seite. Keune. 


Beim Neubau der Kirche St. Segolena zu Metz’) wurde im Jahre 
1896 ein Grabstein aus römischer Zeit gefunden, welcher — auf der 
Bild- und Schriftseite aufliegend — einem Pfeiler der alten Kirche als 
Untersatz gedient hatte. In einer oben rund auslaufenden Nische steht 
unter einem Baldachin eine Frau, und auf dem oberhalb der Relief- 
darstellung freigelassenen Raume ist die nur mehr höchstens zur Hälfte 
erhaltene Grabschrift eingehauen. Der Grabstein gleicht also mehr 
oder weniger den Metzer Grabsteinen, welche Robert, Epigraphie de 
la Moselle, pl. X, zusammengestellt und Il, S. 65 ff, besprochen hat, 
sowie anderen, welche verloren sind und von denen uns Meurisse 
(1634) und die Benediktiner (1769) auf ihren Tafeln — meist freilich 
wenig zuverlässige — Abbildungen erhalten haben. Vgl. insbesondere 
Robert, pl. X, 3 und 4 = Steinsaal des Museums No. 53 und 29; 
ferner den Schirm-Baldachin auf den Grabdenkmälern aus Metz No. 26 
und 10 des Steinsaales und bei den Benediktinern pl. XVII, 2; ebenso 
auf dem Grabstein aus Soulosse No. 37 des Steinsaales. Dem neu- 


1) Die Litteratur bei Kraus, Kunst u. Altert. in Elsass-Lothringen, III, S. 630 ff. 
(vgl. auch Champfleury, histoire de la caricature au moyen äge et sous la re- 
naissance, 2e édition, S. 211—214.) — Von der Regierung überwiesene Nach- 
bildungen der Fresken in Originalgrösse befinden sich im Altertums-Museum der 
Stadt Metz. — Mehr oder weniger abweichende Rosetten finden sich auch in den 
Ecken der Felder der Decke aus der Ponceletstrasse. 

>) Ausser diesen drei ungefähr gleichzeitigen Deckenmalereien ist in Metz 
noch eine vierte aus späterer Zeit bekannt: die einzig erhaltenen Balken 
zeigen Adler, Fische und Flächenbemalung (Wappenschilde ?). 

3) Bei der nämlichen Gelegenheit wurden römische Säulenstücke (Kapitäle 
mit Blattverzierung und kannelierte Schäfte) sowie Münzen (Tiberius, Tetricus, 
Claudius?, Valentinianus), ausserdem Steinsärge (römisch??) und anderes ge- 
funden. 


gefundenen Grabstein gleichgeartete Bildersteine mit Grabschriften waren 
aber auch sonst in Gallien gebräuchlich: dafür mag der Hinweis auf 
den bei Caumont, Abécédaire d'archéologie, Ere gallo-romaine (2° édi- 
tion, 1870) S. 502, abgebildeten Frauengrabstein zu Auxerre genügen. 

Der Anfang der Inschrift, welche von der Nische durch eingetiefte 
gerade Linien abgetrennt ist, fehlt. Die Schlusszeile lautet: 


AINI- FIL : MEDICA 


Der Rest des ersten Buchstabens weist auf M, so dass man 
Namen wie »[Fir|mini«, »[Maxilmini«, »|Ge]mini«, »[Ger|mini« zu er- 
gänzen hätte. Vor diesem Namen des Vaters wird nur der Geschlechts- 
name der Frau und allenfalls auf einem überragenden Giebelfeld: D : M 
gestanden haben. Die Frau nannte demnach ihren Vater mit seinem 
Zunamen, was auf Einwirkung der alteinheimischen (keltischen) Namen- 
gebung zurückzuführen sein wird: vel. oben S. 194. Eine weitere Ab- 
weichung von der gewöhnlichen Fassung einer römischen Grabschrift 
ist die Anwendung des Nominativs zur Bezeichnung der darunter ab- 
gebildeten Verstorbenen, während das Uebliche ist der von »D(is) 
M(anibus)< abhängige Genitiv oder der (auch nach D : M angewendete) 
Dativ, welcher abhängig ist von einem in der Grabschrift stehenden 
oder zu ergänzenden »fecite, »posuit«, »ponendum curavit« u. dgl. 
Dieser selbständige Nominativ findet sich öfter auf gallischen Grab- 
inschriften: Vgl. den Grabstein aus Metz im Steinsaal des Museums 
No. 61 = Robert IL, S. 60 f. mit pl. IX, 5, sowie die Steine aus Sou- 
losse im Steinsaal No. 31. 34 und 35. Bei mehreren der ge- 
nannten Beispiele könnte man freilich an Anwendung oder doch Ein- 
wirkung der keltischen Dativform -« statt des römischen -«e denken !), 
zumal wenn die Namen keltische sind (Caraÿÿouna, lassia); zweifellos 
liegt aber ein Nominativ vor in der angeführten No. 34 des Steinsaales: 
»Regulus Rebriei (filius)«?). Dieselbe Eigentümlichkeit findet sich z. B. 
auf den bei Caumont a. a. 0. S. 477. 478. 492. 493 abgebildeten 
Grabsteinen. 

Der Beiname »Medica« von »Medicus« (Arzt) ist wohl denjenigen 
Beinamen zuzuzählen, welche von Haus aus ein Gewerbe bezeichnen, 
ebenso wie »Tignuarius« (Zimmermann, auf der Weihinschrift der vom 

1) S. oben S. 160. 

°) Vgl. die verlorene Grabschrift bei Robert II, S. 163, No. IV. Dagegen 
sind von Bégin und Boissard gefälscht Robert I, S. 105; S. 127 (vgl. Jahr- 
buch VII, 1, S. 40 £.) und S. 141, ebenso wie No. 147 des Steinsaales (vgl. Jahr- 
buch VIII, 1, S. 41). 


== 838 — 


Stifter unter römischem Namen »M(ater?) oder »M(aia?)« verehrten 
Nantosvelta aus Saarburg i. L.'); vgl. Westd. Korr.-Bl. XV, Sp. 61. 


Beispiele für den Namen »Medicus« bei De Vit, Onomasticon ?). 
Keune. 


Grabfunde aus dem südlichen Gräberfeld des römi- 
schen Metz. Im April 1894 stiess Herr Eduard Colin, Eigentümer zu 
Sablon (Waschhausstrasse 57), bei Anlage eines Spargelfeldes auf einem 
ihm gehörigen Grundstück, etwa 150 m nördlich vom Pachthof La 
Horgne und etwa 60 m westlich vom Eisenbahn-Durchschnitt, in einer 
Tiefe von ungefähr 40 em unter der Erdoberfläche auf ein römisches 
Brandgrab, welches das ansehnliche Gesamtgewicht von rund 15 
Zentnern hat: Das 58 cm hohe Stück eines auf der vorspringenden 
Vorderseite kannelierten (d. h. abwechselnd mit viereckigen und ge- 
wölbten Leisten verzierten) ehemaligen Baupfeilers von 68 cm Breite 
und 56 cm Tiefe ist ausgehöhlt; in die bis zu etwa 30 cm ausgetiefte 
Höhlung aber war ein runder, einer Fischglocke ähnlicher Glasbehälter ®) 
gestellt, welcher die Asche der verbrannten Leiche enthielt (Höhe des 
Glasbehälters 23 cm; äusserer Umfang des Bauches 72 cm; Lichtweite 
der Halsöffnung 9 cm; ganze Breite des Halskragens 19 cm); als Deckel 
war ein schwerer, auf der einen Langseite gewölbter Block, gleich- 
falls ursprünglich ein Architekturstück von etwa 48 cm Höhe, 68 cm 
Länge und 47 cm grösster Breite über jenes ausgehöhlte Pfeilerstück 
gelegt. Von Herrn Stadtarchivar Fridrici auf diesen beachtenswerten 
Grabfund aufmerksam gemacht, konnte ich denselben auf Kosten der 
Gesellschaft für lothringische Geschichte im Juli 1897 für das Alter- 
tums-Museum vom Eigentümer erwerben. 

Dieses Brandgrab in Verbindung mit dem vor wenigen Jahren 
in der Ferme La Horgne selbst entdeckten Bleisarg (vgl. Jahrbuch 


1) Auch »Mercator« auf der jetzt abgeschlagenen Seite von No. 5 des Stein- 
saales (vgl. oben S. 191, Anm. 5). 

?) Eine Ableitung des Beinamens >Medicuse von dem Lande »Media« 
halte ich in unserem Falle für ausgeschlossen. Dass freilich ein orientalischer 
Sklave diesen Namen »Medischer« getragen und später, freigelassen, als Zunamen 
weitergeführt haben könne, ist denkbar. 

3) Einen Glasbehälter von gleicher Form, aber kleiner (Höhe 16 em, Durch- 
messer 17 cm) besitzt das Provinzial-Museum zu Trier (Saal 20, VI: PM 709); 
derselbe ist nebst einem zweiten Glasbehälter, welcher aber zertrümmert wurde, 
auf dem Banne von Manderscheid in der Eifel gefunden: beide Glasgefässe standen, 
mit Schieferplatten umgeben und bedeckt, etwa 2 Fuss unter der jetzigen Erd- 


= 


oberfliche. 


VI, 1894, S. 342), wie auch frühere Funde !) beweisen, dass das südliche, 
an die Strasse von Metz nach Toul sich anlehnende Gräberfeld des 
römischen Metz wenigstens bis zu jenem Pachthof sich erstreckt hat, 
also eine ganz beträchtliche Ausdehnung hatte. Der erwähnte Blei- 
sarg (lang 1,83, breit 0,50, hoch 0,32 m ungefähr) trägt drei gerippte, 
quergestellte Kreuze X auf dem Deckel, gleicht also Bleisärgen, wie 
sie schon früher im Gelände von Sablon freigelegt wurden (vgl. Bulletin 
de la Soc. d’arch. de la Moselle VII, 1864, S. 143, und Mém. de l’Acad. 
de Metz 59, 1877—1878, S. 258— 260). Den Bleisarg von La Horgne 
hat der Eigentümer des Pachthofes, Herr Notar Martzloff zu Metz, der 
Gesellschaft für lothringische Geschichte und diese dem Metzer Museum 
überwiesen; die beiden darin gefundenen schönen Glasgefässe hat deren 
Besitzer nach Paris verschenkt. 

Im Anschluss hieran sei noch einer Grabung gedacht, welche 
im Auftrag der Gesellschaft für lothr. Geschichte der Unterzeichnete 
im November 1896 auf dem Platze neben dem Bürgermeisterei- und 
Schulgebäude der Gemeinde Sablon, anknüpfend an Erdarbeiten 
dieser Gemeinde, veranstaltete. Diese Grabung legte eine Anzahl von 
Skelettgräbern bloss, welche infolge des seit alters hier betriebenen 
durchgreifenden Gartenbaues nahezu alle zerschlagen waren, aber an 
ihrer ursprünglichen Stelle aufgefunden wurden. Es fanden sich ins- 
besondere Eisennägel von Holzsärgen; ferner auch Nägel mit einem 
länglichen, gerundeten Kopf T, bestimmt den First dachförmig gestellter 
Ziegel eines Ziegelplattengrabes zu halten; weiter das Bruchstück eines 
sestempelten Flachziegels (tegula), welcher mit anderen ungestempelten 
Dachziegeln die Umfassung eines Plattengrabes für ein Skelett bildete. 
Der Stempel (in erhabenen Buchstaben mit Randleiste) lautet: MANVR, 
d. h. Janu(a)rli|?; die Buchstaben V und R sind verbunden, und das 
N hat unten rechts einen kleinen Ansatz, wie von einem L. — Ueber 
Grabfunde, welche früher (1895) in der Nähe der Fundstelle gemacht 
wurden, s. dieses Jahrbuch VI, 1, S. 195 f.; die Fundstelle des im 
Jahrbuch VI, S. 327 besprochenen Ziegelplattengrabes liegt weiter nach 
Metz zu. Keune. 


Steinbild einer sitzenden Göttin mit Füllhorn und 
Opferschale; Hochrelief in einer Nische. Grösste Höhe (Giebel- 


') Ich nenne die wichtige, oben S. 178 herangezogene Grabschrift, welche 
beim Bau der diesseits des Forts Prinz August von Würtemberg, wsw. von La 
Horgne au Sablon gelegenen Kirche S. Privat (Saint-Privé-aux-Champs) im Jahre 
1522 gefunden wurde; vgl. dieses Jahrbuch II, S. 363—365. 


— 35 — 


seite): 38 cm, Höhe an den beiden Seiten und auf der Rückseite: 
33 cm, Breite: 26 cm, Dicke 15 bis 14 cm; die Nische hat eine lichte 
Höhe von 30 cm (in der Mitte) und eine lichte Breite von 20 em. — 
Das Steinbild wurde im ‚Jahre 1897 von einem Bauersmann beim 
Pflügen seines Ackers auf dem (Gremeindebanne von Settingen (Kreis 
‚und Kanton Saargemünd) gefunden und durch Vermittlung des Herrn 
Abbe Bour (jetzt in Saaralben) von der Gesellschaft für lothringische 
Geschichte erworben: diese überwies das Bild als Geschenk dem Alter- 
tums-Museum der Stadt Metz. 


Die Göttin sitzt auf einem 
nicht erkennbaren Sessel, ge- 
schmückt mit einer Krone (Ste- 
phane) auf dem gescheitelten 
Haar und bekleidet mit einem 
Untergewand (Chiton, Tunica) 
und einem Obergewand (Himation, 
Pallium), welch letzteres über 
ihre linke Schulter und den lin- 
ken Arm herabfällt. Im linken 
Arm, oberhalb des überhängen- 
den (Gewandzipfels, trägt die 
Göttin ein Füllhorn (cornu co- 
piae), aus dessen Ocffnung Blu- 
men und Früchte herausragen. 
In der rechten Hand hält sie, 
an den Körper angelehnt, einen 
Opferteller (patera). Links zu 
ihren Füssen liegt eine Kugel, 
und rechts von ihr steht seit- 
wärts im Hintergrund aufrecht ein Schild, dessen Innenrand und 
Handhabe (?) sichtbar sind. 

Füllhorn und Kugel sind Abzeichen der römischen Glücksgöttin 
Fortuna. Dass das Bild aber dennoch keine Fortuna vorstellt, ergiebt 
sich einerseits aus dem Fehlen des Steuerruders'), des stehenden 
Kennzeichens dieser Göttin neben Füllhorn und Kugel, »welches sie 
als Lenkerin der Geschicke bezeichnet«, zugleich aber auch wohl ihr 
wetterwendisches Wesen andeutet, anderseits aus dem Vorhandensein 


1) Vgl. z.B. das im Jahrbuch VIII, 1, S. 77, Anm. 7, angeführte pompejanische 
Wandgemälde und die Darstellungen im Trierer Museum bei Hettner, Steindenk- 
mäler, No. 93— 97. 


a 


von Abzeichen. welche der römischen Glücksgöttin fremd sind (Schale 
und Schild). Nun finden wir aber das Füllhorn auch im Arme von 
zweifellos einheimischen, keltischen Göttinnen des Segens und der 
Fruchtbarkeit. So führen dieses Abzeichen öfters die Muttergôttinnen !) 
und ebenso mehrfach die Pferdegöttin Epona?). Auch andere Göttinnen, 
für welche wir keinen Namen kennen, haben auf einheimischen Bild- 
werken das Füllhorn, wie auf einem Trierer Steinbild eine Göttin, 
deren Tracht Aehnlichkeit hat mit der Tracht des Settinger Bildes 
und an deren Knie sich schutzflehende Menschenkinder anschmiegen ?); 
ferner Thonfiguren von Göttinnen der Fruchtbarkeit, wie sie auch im 
Metzer Museum in mehreren Stücken vertreten sind, darunter eines 
mit Füllhorn*). Ebenso wie das Füllhorn, finden wir auch die Opfer- 
schale”) in den Händen von einheimischen Göttinnen. So halten, 
in Anlehnung an Darstellungen der Juno, Nantosvelta auf dem älteren 
Saarburger Altar®) und ebenso die Göttin mit dem Eberscepter ?) Opfer- 
schalen in der Hand: und auch die Epona hat öfters eine Schale, 
welche mehrmals mit einem Füllhorn in der anderen Hand verbunden 
erscheint®). Der Schild schliesslich gehört zum Waffenschmuck der 
Minerva’). 

1) S. Jahrbuch VII, 1, S. 69. — Auf ihren Weihdenkmälern sind auch öfters 
Füllhörner auf den Seitenflächen dargestellt: Ihm, Bonn. Jahrb., 83, S. 200. 

?) Jahrbuch VIII, 2, S. 59. 

®) Hettner, Steindenkmäler, No. 98: die Menschen sind erheblich kleiner 
dargestellt als die Schutzgöttin, eine Andeutung der menschlichen Schwäche, 
welche die christliche Kunst übernommen hat. — Uebrigens stellt auch das zu 
Pölich an der Mosel (Landkreis Trier) gefundene Marmorbild (thronende Göttin 
mit Füllhorn) sicher einheimischen Ursprungs, welches sich jetzt im Trierer 
Museum befindet und von Lehner bei Hettner, Steindenkmäler, No. 681 besprochen 
ist, keine Fortuna dar, sondern eine einheimische Segensgottheit. 

#) Jahrbuch VI, S. 318 ff., besonders S. 319. 

5) Ueber paterae in den Händen von Götterbildern vgl. z. B. Cicero, Brutus... 
de nat. deor. III, 34, 84. 

5) S. nachher zu dem Fund aus Kirchnaumen. — Auch das Steinbild im 
Steinsaal des Metzer Museums No. 28 (abgebildet bei Bégin I, pl. 38) stellt eine 
Göttin dar, welche mittels einer Schale über einem viereckigen Altar opfert. 

7) Abbildung im Jahrbuch VIII, 2, S. 60. 

$#) Jahrbuch VIII, 2, S. 59, Anm. 7. — Auch auf einigen Viergötteraltären er- 
scheint eine Göttin mit Füllhorn in der Linken und Opferschale in der Rechten: 
Haug, Westd. Zeitschr. X, S. 300. Auf Münzen: Concordia, vereinzelt auch Feli- 
citas, Juno. 

*) Vgl. z. B. die Viergöttersteine (Westd. Zeitschr. X, S. 303), wie den zum 
Säulendenkmal von Merten gehörigen Viergötterstein (Steinsaal des Museums 
No. 294a, Hoffmann), oder die Steine des Trierer Museums bei Hettner, Stein- 
denkmäler, No. 25 ff., ausserdem No. 54 f. 


Aus dem Gesagten folgt, dass wir in dem Steinbild aus Settingen 
die Darstellung einer einheimischen Göttin in griechisch-römischer 
Tracht vor uns haben, mit Abzeichen, welche der griechisch-römischen 
Kunst entlehnt sind"). 

Die Göttin gehört aber zu jenen zahllosen keltischen (Gottheiten 
des Segens, welche überwiegend örtlich sind, wie ja auch die allge- 
mein keltischen Muttergöttinnen durch ihre örtlichen Beinamen zu 
solch örtlichen Schutzgeistern gestempelt werden?) Durch Beigabe 
der Kugel, welche die Wandelbarkeit des Glückes bezeichnet, ist das 
Wesen der Göttin von Settingen der Fortuna näher gebracht. Dabei 
ist zu bedenken, dass der Name der Fortuna in einigen gallischen In- 
schriften als Bezeichnung einer einheimischen örtlichen Segensgottheit 
auftritt, während freilich gewöhnlich die in gallischen Landen verehrte 
Fortuna als eine durch die Römer eingeführte römische Göttin anzu- 
sehen ist?). Den Schild, der unserer Göttin beigegeben ist, weiss ich 
aber nicht anders zu erklären als durch die Annahme, dass das Wesen 
derselben auch verwandt ist mit dem der Minerva, indem sie als Be- 
schützerin handwerksmässiger Arbeit und künstlerischer Fertigkeiten '), 
vielleicht auch zugleich als Heilgöttin?) betrachtet wurde.  Keune. 


Steinbild einer keltischen Göttin (wahrscheinlich Nan- 
tosvelta). Zweihundert Meter südlich des Dorfes Kirchnaumen (Kanton 
Sierck, Kreis Diedenhofen), in der Nähe der auf dem rechten Mosel- 
ufer von Metz nach Trier führenden Römerstrasse, wurden beim Pflügen 
zwei Bruchstücke des Steinbildes einer Frau, zweifellos einer Göttin, 
gefunden. Die Bruchstücke (grösste Länge derselben etwa 35 bezw. 
20 cm) lagen innerhalb der Grundmauern eines Gebäudes, jedenfalls 
eines Tempelchens, von etwa 12x 7 qm; Herr Rentner Schmit- 
Weistroffer zu Kirchnaumen hatte die Freundlichkeit, die beiden 


1) Vgl. »Gallo-römische Kultur in Lothringen« unter ‚Religion‘. 

?) Vgl. ebenda und Jahrbuch VII, 1, S. 70 ff. 

3) Vgl. ebenda. — »Dea Fortuna domestica«: Museum zu Nancy I, 
(L. Wiener, Catalogue ? 1895, S. 31) aus Grand, Vosges; Fortuna Arelatensis 
Nemausenis (oder Arausensis): CIL. XII, No. 656. Von den bei Holder, Alt- 
Celt. Sprachschatz, I, Sp. 1499 angeführten Inschriften gehört nur CIL. V, 778 hier- 
her. — Ebenso ist die römische Bezeichnung »Genius« von den einheimischen 
Schutzgeistern gebraucht, z. B. »Genius Leucorum« im Steinsaal des Metzer Museums 
No. 158 (vgl. Jahrbuch VII, 2, S. 57), und die Schutzgöttin von Vesunna (Périgueux) 
wird als Tutela bezeichnet; vgl. Jahrbuch VII, 1, 5. 74. 

#) Vgl. Caesar, bell. Gall. VI, 17, 2. 

5) Vgl. die »Minerva medica Cabardiacensise: CIL. XI, 1306. 


226 


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Stücke nebst mehreren ebendaselbst gefundenen römischen Münzen!) 
dem Altertums-Museum der Stadt Metz zum Geschenk zu machen. 
Das eine Bruchstück stellt 
den Oberteil der Göttin dar, mit 
beiderseits lang herabfallendem 
Haar und einem Kopfschmuck’) 
auf dem Scheitel; ein Gewandzipfel 
fällt über ihren linken Oberarm. 
Hinter dem linken Arm erhebt sich 
auf plumpem Untergestell ein Ge- 
senstand, der die Gestalt eines 
viereckigen Häuschens mit Giebel- 
dach hat. Daher halte ich es für 
wahrscheinlich, dass das Bild die- 
selbe Göttin darstellt, wie die bei- 
den im Jahre 1895 zu Saarburg 
i. L. entdeckten Altäre, von wel- 
chen der eine die Göttin »Nantos- 
velta« nennt?). Freilich trägt die 
Göttin auf diesen Altären ihr Sinn- 
bild, das (hier auch durch Thor- : 
öffnungen gekennzeichnete) Häus- 
chen auf einem Herrscherstab, aber diese Abweichung ist offenbar 
keine wesentliche, sondern findet ihre Erklärung in der Anlehnung an 
Götterdarstellungen der griechisch-römischen Kunst‘). Dazu wird die 
Deutung der Göttin von Kirchnaumen als Nantosvelta unterstützt durch 


1) Die neun Münzen gehören der späteren Kaiserzeit an, wie dem Claudius 
(268--270 n. Ch.) und dem Constantinus (7337 n. Ch.). — Nach Mitteilung des 
Herrn Weistroffer waren vor einiger Zeit an der Fundstelle beim Umgraben 
andere Gegenstände gefunden worden, so ein Halsband und ein Medaillon. 

?) Einen ähnlichen, insbesondere der Juno eigenen Kopfschmuck (Westd. 
Zeitsch. X, S. 298), nämlich eine Scheitelkrone mit glattem Rand tragen die Göttin 
mit dem Eberszepter (Jahrbuch VII, 2, S. 60) und die Göttin mit dem Füllhorn 
(s. vorher S. 335). — Auf dem älteren Saarburger Altar trägt Nantosvelta eine 
Scheitelkrone mit gezacktem Rand, auf dem jüngern vielleicht einen Kranz. 

#) Abbildungen der beiden Saarburger Altäre im Jahrbuch VII, 1, S. 155 
und Tafel IT (erstere wiederholt in der Westd. Zeitschr. XV, S. 340/341, und im 
Archäolog. Anzeiger XII, S. 9/10; vgl. Revue celtique XVII, S. 46), ferner im Jahr- 
buch VII, 1, S. 169, ausserdem in den »Lothringischen Kunstdenkmälern, in 
Gemeinschaft mit Wahn und Wolfram herausgegeben von Hausmann«, Lieferung 1, 
1897, No. 1. 

*) Vgl. Michaelis im Jahrbuch VII, 1, S. 142/143. 


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das zweite Bruchstück, den rechten Oberschenkel nebst der rechten 
Hand, welche eine runde Schale (patera) hält. Denn auch auf dem 
älteren Saarburger Altar hält die Göttin in Anlehnung an die Dar- 
stellungen der Juno eine Schale in der Hand, mit der sie hier eine 
Opferspende in die Flamme eines Opferständers ausgiesst'). 

Ist diese Deutung richtig, so haben wir hier das dritte in 
Lothringen gefundene Bild der keltischen Göttin Nantosvelta vor uns, 
deren Schutz nach dem ihr beigegebenen Sinnbild die menschlichen 
Wohnungen anvertraut gewesen zu sein scheinen?). Da wir Anhalts- 
punkte dafür haben, dass die keltische Nantosvelta verwandt war mit 
der von den Römern verehrten Erdmutter (Maia, Terra mater, Magna 
Mater deum, Bona Dea*) und dass sie gleich dieser von den Mithras- 


1) Vgl. die opfernde Juno bei Hettner, Steindenkmäler, No. 42, und auf 
Viergöttersteinen, worüber s. Haug, Westd. Zeitschr. X, S.298. — In Anlehnung 
an diese Darstellungen der Juno wurde auch die Minerva manchmal opfernd 
dargestellt, s. Haug, Westd. Zeitschr. X, S. 303 mit Anm. 5, und Hettner, Stein- 
denkmäler, No. 55. — Unbestimmt ist die opfernde Göttin des Metzer Museums, 
Steinsaal No. 28 (vorher S. 336, A. 6). — Herakles opfernd : Westd.Zeitschr. X, S. 306. 

?) Dies wird bestätigt durch die jüngere Saarburger Darstellung, auf welcher 
die Göttin auch ein Häuschen in der einen Hand trägt. Denn die Vermutung von 
Michaelis im Jahrbuch VII, 1, S. 157, Anm. 74 (Ende), dass dieses Häuschen ein 
Hinweis sei auf den vom Stifter der Göttin geweihten Tempel, lässt sich mit 
einem hierher gehörigen Denkmal nicht belegen (auch die Annahme, »tignuarius«, 
d. i. Zimmermann, sei das Handwerk und nicht der Zuname des Stifters, dessen 
Name nur durch einen Buchstaben angedeutet werde, lässt sich meines Wissens 
durch nichts belegen; vgl. Westd. Korr.-Bl. XV, 20, Sp. 61). Die Göttin 
trägt meines Erachtens die ihr verdankte Wohnstätte ebenso auf ihrer Hand, 
wie etwa die griechisch-römische Athene-Minerva die Siegesgöttin Nike-Victoria 
(um auf die andern Kennzeichen in der Hand von Göttern, wie die Aehren in 
der Hand der Demeter-Ceres, die Füllhörner u. s. w. nur im Vorbeigehen hinzu- 
weisen). 

3) Das M zu Anfang der Weihinschrift des jüngeren Saarburger Altars kann 
nichts anderes sein, als der Anfangsbuchstabe des römischen Namens, unter 
dem Nantosvelta verehrt wurde (über solche Abkürzungen der Götternamen vgl. 
z. B. Jahrbuch VII, 1, S. 69/70; die Formel »in honorem domus divinæ+< nach- 
gestellt wie z. B. auch im Steinsaal des Metzer Museums No.5, wozu vgl. 
Robert I, S. 33, Anm. 1). Ich glaube aber, dass dieser Name zu Maia zu 
ergänzen ist; über Maia — Terra — Mater Magna = Bona Dea s. Macrobius, 
saturnal. I, 12, 20—21. Eine Ergänzung des M zu »M(inervae)« halte ich trotz des 
in der vorhergehenden Anmerkung Gesagten aus verschiedenen Gründen für aus- 
geschlossen. Die Inschrift hat folgenden Wortlaut (vgl. Westd. Korr.-Bl. XV, 20, 
Sp. 61): »M{aiae?) in ho(no)r(em) d(omus) d(ivinae) M. J(ulius) Tignuarius v(otum) 
s(olvit) I(ibens) m(erito)<. Zur Abkürzung HOR = »honorem« vgl. noch C. I. L. VIT, 
180: NVB=numinibus; CAVTP und CP — Cautopati, u.a. 

99% 


A 


gläubigen in Verbindung mit dem Sonnengott in den Mithräen verehrt 
wurde!), da ferner der erste Bestandteil ihres Namens doch wohl mit 
»nant(o)« = »Thal«?) zusammengestellt werden muss, so ist es ver- 
ständlich, warum sie auf dem älteren Saarburger Altar mit Sucellus 
gepaart ist). Denn der auch dem Donnerer Juppiter nahe stehende?) 
keltische Sucellus ist insbesondere verwandt mit dem — wie Jup- 
piter — zu den Berggöttern?) gerechneten Waldgott Silvanus, unter 
dessen Namen er vielfach verehrt wurde‘). Des Silvanus Verbindung 
mit dem Mithraskultus ist aber erwiesen‘). 

Schliesslich sei noch bemerkt, dass das Steinbild der Göttin von 
Kirchnaumen an der Tempelwand befestigt war, denn die Rückenseite 


1) Die in einer Entfernung von 30 m vom Eingang zum Spelæum gefundenen 
drei Altäre (Jahrbuch VIII, 1, S.168 ff. No. 1—3) scheinen aus dem bis auf wenige 
Spuren verschwundenen Vorraum (Pronaos) desselben verschleppt zu sein. 
Während die Vorderseite des grossen Altars (No. 3) vollständig abgeschlagen ist, 
wohl weil sie mithräische Darstellungen trug, sind die beiden andern Altäre ähn- 
licher Form, ebenso wie die römische Götterversammlung des Hauptreliefs, un- 
versehrt geblieben. 

Zur Verbindung der Erdmutter mit dem Mithraskult vgl. z. B. die Inschriften 
bei Cumont, Textes et monuments figures relatifs aux mystères de Mithra (I), 
S. 476, No. 560e; S. 96f., No. 17, 19ff. und Cumont, S. 418. 

Zu einer Erdgöttin passt auch der Rabe, welcher auf den beiden Saarburger 
Altären — auf dem jüngeren mit zweifelloser Beziehung zur Göttin — dargestellt 
ist. Derselbe Vogel ist auf einem für die Deutung der Viergöttersteine wichtigen 
Denkmal des Trierer Museums bei Hettner, Steindenkmäler, No. 25, einer Ceres 
beigegeben. 

2) Vgl. Zeuss, Grammatica celtica, I, S. 177; IL, S. 782; Westd. Korr.-Bl. XV 
(1896), 20, Sp. 58, Anm. 23. j 

#) Weihinschriften von Kreuznach, aus der Pfalz und dem Unter-Elsass 
stellen »Maia« mit »Mercuriuse zusammen (Brambach, C. I. Rhen. 721, 722, 
1763, 1845, 1876), nach einer Pfälzer Inschrift (Brambach 1835) ist sie allein 
durch einen Tempel: geehrt. 

*) Keune, Westd. Korr.-Bl. XV (1896), 20, Sp. 56f. (wozu vgl. XVI, 33, 
Sp. 85, Anm. 5). — Vgl. Michaelis, Jahrbuch VII, 1, S. 149. 

5), Vgl.. GIL. V], 377 (Orelli 1238) — 'Cumont a. a. 0. 5.173 Norss 
Henzen 5944. — Die »di montensese werden auch genannt von Lactantius und 
Commodianus (Cumont zu No. 553). 

°%) Michaelis, Jahrbuch VII, 1, S. 141/142; Keune, Westd. Korr.-Bl. XV, 20, 
Sp. 54/55, Anm. 15. — Die Einwendungen, welche S. Reinach, Revue celtique XVII 
(1896), S. 52ff. macht, sind unberechtigt. 

‘) Cumont, Revue archéologique, 3° série, tome XIX, janvier-juin 1892, 
D. 186—192. 


rar. 


des grösseren Bruchstückes ist nicht bloss rauh bearbeitet, sondern 
auch mit einer senkrechten Leiste ausgestattet!). Keune. 


Steinbild der reitenden Epona. Herrn Dr. Wendling?) 
zu Diedenhofen verdanke ich Kenntnis und photographische Nachbildung 
des Reliefs einer reitenden Epona®), welches Herr Kreissekretär 
_Meessen in die Hofmauer seines Hauses zu Künzig bei Diedenhofen 
(an der Eisenbahnstrecke nach Busendorf—Teterchen) hat einmauern 
lassen. Nach Angabe des Besitzers befand sich dasselbe früher in der 
Aussenmauer der Kirche von Niederham bei Diedenhofen (an der 
Eisenbahnstrecke nach Königsmachern—Sierck). Das Denkmal, dessen 
grösste Höhe 42 cm und dessen grösste Breite 30 cm misst, hat die 
gewöhnliche Gestalt der in einen runden oder spitzen Giebel oben 
auslaufenden gleichartigen Denkmäler der Epona‘). Die Göttin, eine 
Turban-Haube auf dem Kopfe, reitet in der gewöhnlichen Sitzweise 
auf einem kräftigen, nach rechts (vom Beschauer) schreitenden Acker- 
pferde; den Zügel hält sie mit der linken Hand. Auf ihrem Schoss 
trägt sie im Bausch ihres Gewandes sechs rundliche, äpfel- oder 
knollenartige Früchte’). Eine Weihinschrift fehlt dem Denkmal, wie 


1) Eine solche Rückenleiste hat auch z. B. das im Mithräum zu Saarburg 
in Lothringen gefundene Steinbild No. 33: Jahrbuch VII, 1, S. 148. 


?) Herr Dr. Wendling hatte auch die Güte, den Stein nochmals an Ort 
und Stelle für mich zu vergleichen. 

3) S. über diese keltische Pferdegôüttin: Jahrbuch VII, 2, S. 56ff., wo 
S. 57—59 die beiden Darstellungen der reitenden Epona im Metzer Museum 
(Steinsaal No. 23 und 27) besprochen sind. 


#) Vgl. die Abbildungen der Denkmäler der reitenden Epona aus Lothringen 
und den benachbarten Gegenden (mit einer Ausnahme auch bei S. Reinach, 
Revue arch£ol., 1895, 1, S. 163ff.): Mém. Acad. Metz 1850/1851, Pl.1, Fig, 1-3; 
Robert I, Pl. I, Fig. 4; Jahrbuch VII, 2, S. 58; Austrasie I (1853), Tafel zu S. 612, 
Abb. 6; Hettner, Steindenkmäler Trier, No. 104; vgl. auch Wiltheim, Lucili- 
burgensia, Fig. 483 (Contern, sö. von Luxemburg). 

5) Vgl. Jahrbuch VII, 2, S. 59. — Von den Denkmälern der reitenden Epona 
in den soeben genannten Gegenden sind dem Relief von Niederham—Künzig am 
ähnlichsten eines aus Cutry bei Longwy (Austrasie, a.a.0.) und eines aus 
Weimerskirchen bei Luxemburg (Wiltheim, Luciliburgensia, Fig. 207): auch 
hier trägt die Göttin eine Turban-Haube und hat Früchte im Schoss. — Auf einem 
Relief aus Scarponna, später in Luxemburg, hält die Göttin die Früchte in 
einem Korbe auf ihrem Schoss (Ortelius-Vivianus, Itinerarium per nonnull. Gall. 
Belg. partes, S. 45; Wiltheim, Luciliburg., Fig. 112 = Prat, Arlon, Atlas, pl. 16). 


-— 342 — 


ja überhaupt die häufigen Darstellungen der reitenden Epona und 
ebenso die sonstigen, weniger häufigen Darstellungen dieser Pferdegöttin 
— soweit bekannt — einer Inschrift entbehren, mit Ausnahme je eines 
Denkmales, welche letzteren beide das Altertums-Museum der Stadt 
Metz birgt!). Es ist dies Fehlen einer Inschrift für einheimische Denk- 
mäler überhaupt charakteristisch’). Dafür hat eine moderne Hand 
die untere Leiste mit Schriftzeichen versehen, welche nach der Photo- 
graphie und Wendlings Vergleichung so aussehen: 1514 N!R°’X 
Keune. 


1) Steinsaal No. 23 und 158 (Jahrbuch VII, 2, S.58 und 57). Um im 
Giebel eine Inschriftfläche zu gewinnen, schliesst die Nische bei No. 23 oben 
gradlinig ab, während sie sonst der Gestalt des Denkmals (s. Anm. 3) angepasst 
ist. — Weihinschriften ohne Zugabe des Bildes der Göttin giebt es eine ziemliche 
Anzahl: Holder, Alt-Celt. Sprachschatz, I, Sp. 1448—1450. Limesblatt No. 27 
(1898), Sp. 762. 

?) Vgl. oben S. 197, Anm. 4 und 5. 


— 343 — 


Bücherschau. 


H. Baumont, Etudes sur le règne de Léopold duc de Lorraine et de Bar 
(1697—1729). Paris-Nancy, Berger-Levrault, 1894. 

Fast um dieselbe Zeit sind zwei dereinst lebenskräftige Staaten, Polen und 
Lothringen, von der europäischen Karte verschwunden, und für den Untergang 
beider sind ungefähr dieselben Ursachen wirksam gewesen. Abgesehen von innern 
Missständen, die in Polen allerdings ungleich schärfer in die Erscheinung treten 
als in Lothringen, ist es hier wie dort die Erstarkung der Nachbarstaaten, die 
dem morschen Staatsgefüge ein Ende bereitet. Während aber der Auflösungs- 
prozess des östlichen Nachbarlandes in der deutschen Geschichte eingehende 
Würdigung gefunden hat und findet, hat sich unsere Forschung den analogen 
lothringischen Vorgängen auffallend fern gehalten. So sind wir denn ganz auf 
französische Forschung und Darstellung angewiesen. Wir können nun zwar gerade 
auf diesem Gebiete nicht darüber klagen, dass es die Franzosen an Objektivität 
der Auffassung hätten mangeln lassen; immerhin fehlte es aber an gründlichen 
Einzelstudien, die unter Ausnützung alles urkundlichen Materials eine wesentliche 
Vertiefung unserer Kenntnisse ermöglicht hätten. 

Erfreulicher Weise scheint aber hier seit einer Reihe von Jahren energisch 
Wandel geschaffen zu werden. Die Universität Nancy hat es sich unter Pfisters 
Einfluss und Leitung zum Ziele gesetzt, insbesondere die lothringische Geschichte 
zu fördern, und man wird gern eingestehen, dass die Erfolge den Bemühungen 
entsprechen. Schon die Regesten des Herzogs Mathäus II. zeigen, mit welchem 
wissenschaftlichem Ernste gearbeitet wird, eine geradezu hervorragende Leistung 
aber ist das Baumontsche Werk. Bis in die Fasern legt uns der Verfasser die Ge- 
schichte Lothringens unter Leopold klar und eröffnet uns damit erst das volle 
Verständnis für die letzte Katastrophe des Landes. 

Im Mittelpunkte der Forschung steht naturgemäss Herzog Leopold selbst. 
Sein leutseliges Wesen hat dem Fürsten schon zu seinen Lebzeiten eine gewisse 
Beliebtheit im Lande verschafft, in spätern Jahrzehnten aber hat sich beim Volke 
die Erinnerung an die dereinstige staatliche Selbständigkeit des Herzogtums in 
seinem Bilde verkörpert, und es umstrahlt ihn seitdem in der Tradition und selbst 
in der wissenschaftlichen Forschung ein Nimbus, der ihn als einen der trefflichsten 
Regenten Lothringens erscheinen lässt. Nicht wenig zu diesem glänzenden Rufe 
hatte auch das Urteil Voltaires, der geraume Zeit Gast am Hofe von Lunéville 
gewesen war, beigetragen. Diese Auffassung von Leopolds Persönlichkeit hat Bau- 
monts Werk gründlich zerstört. Wenn er auch unbedingt anerkennt, dass sich das 
Land während der verhältnismässig langen Friedensjahre, die ihm unter Leopold 
beschieden waren, wesentlich in seinem Wohlstande gehoben hat, wenn er dem 
Herzog auch das Verdienst nicht bestreitet, dass er durch Erlass seines Gesetz- 
buches dem Wirrwarr der Gewohnheitsrechte ein Ende zu machen gesucht hat, 
so geht doch aus der gesamten Darstellung hervor, dass dem Herzog jedes Gefühl 
für die Verantwortlichkeit, die ihn als Staatsleiter trifft, durchweg abgeht. Pracht- 
liebend und verschwenderisch, vergeudet er die Einkünfte des Staates und lädt 


— 34 — 


ihm allmählich eine ungeheure Schuldenlast auf. In seinen Entschlüssen fehlt 
ihm jede Bedächtigkeit und Ueberlegung, nicht das Wohl des Staates, sondern 
der persönliche Vorteil, vielfach auch die blosse Eitelkeit ist es, was seine Beschlüsse 
bedingt; impulsiv leitet er die auswärtige Politik, ohne die schweren Folgen zu 
bedenken, die seine von einem zum andern Tage geänderten Pläne für das Land 
schliesslich nach sich ziehen müssen. Gerade die Schilderung dieser auswärtigen 
Beziehungen Leopolds ergiebt auch wertvolle Aufschlüsse für die Geschichte der 
europäischen Politik. Konnte doch besonders für diese Teile seines Buches der 
Verfasser Akten des Pariser Kriegs- und Wiener Staatsarchivs benutzen, die grossen 
Teils hier zum ersten Male verwertet werden. 


Am wichtigsten sind die Ergebnisse des Werkes natürlich für Lothringen 
selbst. Wir lernen jetzt aktenmässig die weit zurückreichenden Verhandlungen 
über die Cession Lothringens kennen und sehen deutlich, wie wesentlich zum 
schnellen Untergange des Landes Leopold selbst beigetragen hat. Ein Herz für 
sein Volk hat er nicht gehabt; Lothringen ist ihm lediglich Handelsobjekt zu 
eigener Bereicherung, und sobald die Mächte zu dieser Erkenntnis gekommen 
sind, folgt Frankreich nur dem Gebote einer folgerichtigen Politik, wenn es mit 
allen Mitteln die Inkorporation des Herzogtums betreibt und damit verhindert, 
dass sich Oesterreich in einem rings von französischem Gebiete umgebenen Lande 
eine feste Position schafft. 

Höchst wertvoll sind auch die Kapitel über die Finanzwirtschaft, die innere 
Verwaltung, über Künste und Wissenschaft, Handel, Industrie und Ackerbau. 


Die deutsche Wissenschaft, insbesondere aber die lothringischen Forscher 
sind Baumont für seine hervorragende Leistung zu aufrichtigem Danke verpflichtet 
und werden sich gern der Anerkennung, die sein Buch in Frankreich findet, be- 
dingungslos anschliessen. m: 


Lerond, H., Lothringische Sammelmappe, VII. Teil. Metz 1897. 

Der Verfasser, dessen Sammeleifer für alles, was lothringische Geschichte, 
Sprache und Leben betrifft, rühmlichst bekannt ist, und der deshalb in dieser 
Zeitschrift schon zu verschiedenen Malen Erwähnung gefunden, hat den siebenten 
Teil seiner lothringischen Sammelmappe der Oeffentlichkeit übergeben, der wiederum 
beredtes Zeugnis ablegt von der Liebe zur lothringischen Heimat und dem Be- 
streben, das lothringische Volkstum auch einem weiteren Kreise bekannt zu machen. 
Während er früher sein Hauptaugenmerk richtete auf die Gebräuche der Loth- 
ringer, uns mit Liedern, sprichwörtlichen Redensarten und Bauernregeln bekannt 
machte, Mitteilungen gab über Hochzeitsgebräuche und Totensitten: kurz alles in 
den Bereich seiner Forschungen zog, was dem lothringischen Volke lieb und 
eigentümlich was das Wesen dieses äussersten deutschen Volksstammes im Westen 
ausmacht, wendet er sich in dem vorliegenden Bändchen der Sprache des Volkes 
zu und bietet uns zunächst verschiedenes aus dem Wortschatze der deutsch-loth- 
ringischen Mundart; diesem schliesst er wälsche Brocken in der deutsch-lothringi- 
schen Mundart an, um endlich dann einige besondere Merkwürdigkeiten derselben 
aufzuführen. So lobenswert nun auch der Eifer des Verfassers ist, und so sehr 
es Anerkennung verdient, dass er auf diesem immerhin nicht leichten Gebiete 
sich versucht hat, so hätte Rezensent es doch lieber gesehen, wenn Lerond auf 


— 345 — 


seiner früheren Bahn geblieben wäre; denn die Sprachforschung ist ein schlüpf- 
riges Feld, auf dem mancher schon ausgeglitten, und mit einfachem Sammeln ist 
es da nicht gethan. 

So bietet uns der Verfasser in der ersten Abteilung 500 Worte, die den 
lothringischen Mundarten eigentümlich sein sollen, und doch ist reichlich mehr 
als die Hälfte in anderen deutschen Mundarten auch anzutreffen, teils in derselben 
Form, teils nur wenig verändert. Da es zu weitläufig wäre, vieles hier anzu- 
führen, will ich mich nur mit einigen wenigen Beispielen begnügen. Baden — 
helfen, nützen kommt in ganz Nieder- und Mitteldeutschland vor. Backen = 
Wangen ist allgemein deutsch; bambeln = nd. bammeln, hd. baumeln. Batsch — 
Patsche. Blank ist allgemein, ebenso findet sich Bless — Kuh mit weissem Fleck 
auf der Stirne überall. Buchs — Hose, Beinkleid ist nd. Buckel = Rücken kommt 
in jedem Dialekt vor. Dippen = nd. Düppen. Duppmieser ist verdreht aus Duck- 
mäuser. Friesle — hd. Frieseln. Gerimpel = Gerümpel. Grätz — Krätze; Grimmel 
= nd. Krümmel, hd. Krume. Grusig — grausig. Imm — hd. Imme. Mutzen ist 
wohl weniger ein Wamms, als die gute deutsche Mütze. Sich lumpen lassen 
heisst wohl weniger »sich als einen Feigling hinstellen lassen<, als »sich 
als Lump zeigen. Die Worte Dalkes und schofel sind Judendeutsch; Sikret, 
stellasch und veiletter stammen aus dem Französischen und gehören daher in 
die zweite Abteilung. 

In dieser finden sich unter den wälschen Brocken anderseits manche, die 
entweder nicht wälsch oder aber nicht auf dem Wege des Französischen in die 
lothringische Mundart eingedrungen sind. Zu ersteren gehören z. B. der Ausruf 
Hä, säwern (seiwern), Rapp für Reibeisen, und wannen = Futter reinigen, ferner 
babble — pappeln, schwätzen. Gälätt, Goldammer hat mit dem französischen 
gelinotte wohl kaum etwas zu thun, sondern ist das gleiche Wort mit dem nd. 
Gällert (hochdeutsch in einigen Gegenden Gelbgänschen). Zu der zweiten Klasse 
ist u.a. zu rechnen Kamp, ein uraltes deutsches Lehnwort. Maläschten ist wohl 
verdreht aus Molästen, also lateinisch, Kumplet ist aus der Kirchensprache über- 
nommen. Andere Worte, wie Adress, Azdek, Depesch, Fawrik, Kusin, Kolik, Mod, 
Sos, Schandarm, Torte, Dokter sind so allgemeine Lehnworte, dass sie wohl kaum 
mehr als Eigentümlichkeiten der lothringischen Mundart bezeichnet werden können. 

Was schliesslich die Merkwürdigkeiten der lothringischen Mundart angeht, 
deren der Verfasser 25 anführt, so habe ich unter ihnen leider nichts gefunden, 
was wirklich Lothringen ausschliesslich eigen wäre, sondern es sind lauter alte 
Bekannte, wie sie ein jeder Dialekt aufweist, und die sich leicht erklären lassen 
durch die Lautverschiebung, durch das Bestreben des Volkes die Doppellaute in 
einfache Vokale zu verwandeln, u. a. wenn der Verfasser unter No. 12 sagt, dass 
»au< sich zuweilen bei der Mehrzahlbildung in »ie verwandelt, so würde wohl 
besser zu sagen sein in »ü«, das nach »i« überwiegt. »Auf« deckt sich wohl 
auch im Lothringischen nicht genau mit »nach«, sondern der Ausdruck »ich geh’ 
uff Metz« besagt wohl mehr »ich gehe auf Metz zu, gen Metz«. In der Redensart 
‚>an de Stross boue«, ist »de« eben der vierte Fall, und die Meinung des Ver- 
fassers, dass man den vierten Fall nicht hörte, ist wohl nicht ganz richtig. Als 
völlig falsch muss ich aber die 16. Regel bezeichnen, dass ein Zeitwort(!) zum 
weiblichen Dingwort erhoben werden könne durch die Endung »sch«. Diese 
Endung ist die überall im Niederdeutschen und Fränkischen vorkommende »sche«, 
die aber nicht an das Zeitwort, sondern an das männliche Dingwort gehängt 


wird: der Schaffer — die Schaffersch; der Fullenzer — die Fullenzersch; der 
Wäscher — die Wäschersch u. s. w. 

Die letzten Ausführungen sollen nun durchaus nicht den Wert des Lerond- 
schen Buches herabsetzen; trotz manchem Fehlerhaften bleibt noch soviel Wissens- 
wertes in dem Büchlein, dass es wohl Beachtung bei allen verdient, die sich mit 
dem Sprachschatze des lothringischen Volkes bekannt machen wollen, und wir 
können dem Verfasser nur wünschen, dass er in seinem Eifer, Deutsch-Lothringen 
in seinen Eigentümlichkeiten immer mehr zu erforschen, nicht erlahmen möge. 

Grimme. 


Ortsnamen aus dem Kreise Zabern. Unter diesem Titel erschien in den 
Nummern 12—18 der els.-lothr. Lehrerzeitung, Jahrg. 1897, eine Reihe von Be- 
trachtungen historischer Natur auf toponymischer Grundlage von A. Fuchs. Es 
ist dieses eine Arbeit, welche die Beachtung der Geschichtsfreunde verdient. 


Zunächst versucht der Verfasser eine Anzahl von Ortsnamen auf Grund 
der alten urkundlichen Formen zu erklären. ! 

Es zeigt sich dabei, dass auch hier eine grosse Anzahl von Ortsnamen auf 
Personennamen, meist germanische, manchmal auch prägermanische, zurückzu- 
führen ist. 

Auch hier, wie anderwärts, drängt sich aber auch die Annahme auf, dass 
Korruption der Formen, sei es in der Original-Urkunde, sei es im Abdruck in 
Sammelwerken u. dergl., die Untersuchung erschwert. 

So, wenn Dehlingen 737 Diluquifiaga heissen soll, frägt man sich, ob hier 
nicht »finga« statt »fiaga« stehen soll? Die Annahme des Verfassers, es liege eine 
gallo-römische Gründung vor, verlöre damit die Unterlage. 

Auch wegen Adamsweiler möchten wir dem Verfasser unbedingt nur darin 
zustimmen, dass der Name mit Adam nichts zu thun hat. Ist Adaimareia villa 
777 auf unsern Ort zu beziehen, so wäre wohl an Ademar, Hademar, nicht aber 
an einen gallo-römischen Namen zu denken; andernfalls ist kein Grund, Adel- 
mann als den Personennamen abzuweisen, nach dem der Ort genannt wurde. 
Uebrigens "scheint der Verfasser deskriptiven Ursprung der Orisnamen sogar in 
Fällen zu vermuten, wo wohl sicher auch Personennamen zu Grunde liegen. 


Schweinheim, 827 Svenheim, deutet doch sicher auf den germanischen 
Personennamen Sven hin; Schwebweiler, Svabes vilare 827 auf Svabo, Silzheim 
dürfte wie Siegolsheim (im Volksmunde Seglse) auf Sigilo oder einen ähnlichen 
Namen deuten, nicht auf Sülze; auch Bokenheim scheint nichts mit Buchen zu 
thun zu haben, sondern auf einen germanischen Personennamen zurückzudeuten. 
(Vgl. den gleichnamigen Ort bei Frankfurt.) 

Der Verfasser verwertet dann das gefundene Namensmaterial, das un- 
beschadet der wenigen Ausstellungen uns rccht lehrreich scheint, für seine 
historischen, enger: siedlungsgeschichtlichen Betrachtungen. 

Dabei vermeidet er wenigstens den Fehler, dem noch neuere, ja neueste 
Autoren verfallen, derartigen Fragen mit rein philologischen Erörterungen zu 
Leibe gehen zu wollen. Als ob die Linguistik, so hoch man sie auch immer 
stellen muss, geeignet wäre, Dinge zu beleuchten, bei denen es auf soziale, wirt- 
schaftliche, politische Verhältnisse wesentlich ankam. 


— 47 — 


Wie sollte z. B. die Philologie allein die Frage lösen, ob der Sigo, Varno, 
Walter pp., nach dem ein Ort benannt ist, ein Germane oder ein Romane mit 
germanischem Namen war ? 

Der Verfasser nun stellt sich, gestützt auf toponymische Betrachtungen 
und in Anlehnung an die von ihm mehrfach angezogene Schrift Schibers: »Ueber 
die fränkischen und alemannischen Siedlungen in Gallien«, die Germanisierung des 
Elsasses so vor, dass er auf die Mediomatriker die germanischen Tribocker, die 
alemannische Volkssiedlung folgen lässt, der er, gewiss mit Recht, die Haupt- 
grundlage der germanischen Ortsbezeichnung des Elsasses im Grossen und Ganzen 
zuschreibt. 

Freilich, dass Rhein und Ill germanische Benennungen sind, werden wir 
dem Herrn Verfasser zunächst noch nicht glauben. 

Ebensowenig scheint glaubhaft, dass irgend welche germanische Lokal- 
namen auf die Tribocker oder andere germanische Stämme, die vor Cäsar schon 
im Lande waren, zurückzuführen sind, es müssten denn Berg- und Flussnamen 
sein, die sich bekanntlich besonders hartnäckig erhalten, da unsere Flüsse meist 
keltische Namen haben, wie eben Rhein, Ill und andere. 

Die Tribocker und ihre Nachbarn aber sind in der Zeit von Cäsar bis zum 
IV. Jahrhundert jedenfalls gründlich romanisiert worden, wenigstens ist nicht er- 
wiesen, dass die germanische Sprache sich in diesen Gegenden, die stets voll 
römischer Truppen lagen, erhalten hätte. 

Ueber die alemannische Siedlung lagerte sich infolge der fränkischen Er- 
oberung eine neue Siedlungsschicht infolge der Besitzergreifung einiger Striche 
durch die Merowinger und ihre Gefolgsleute. Es waren dies fränkische Herren- 
siedlungen. Auch der Verfasser weiss das massenhafte Auftreten der Ortsnamen 
auf »heim« im alemannischen Elsass, »gruppenweise und offenbar nicht ohne be- 
stimmten Plan verteilte, wie Grober und Schiber nur als eine Art »Heerlager 
von Frankenorten< zu erklären und glaubt auch in den zu Grunde liegenden 
Personennamen meist fränkische Namen zu finden (ein Beispiel wäre wohl das 
oben erwähnte Bokenheim ?). 

Bezüglich der Ortsnamen auf »ingen«, die Schiber für die ersten germanischen 
Sippen-Siedlungen erklärt, nimmt auch der Verfasser ein hohes Alter an und 
macht die bemerkenswerte Wahrnehmung, dass gerade die so benannten Orte 
häufig Pfarrdörfer sind, was immer auf ein hohes Alter schliessen lasse. 


Auch darin stimmt die Untersuchung mit den »fränkischen und alemannischen 
Siedlungen« überein, dass angenommen wird, die Franken, nach denen jene heime 
benannt wurden, seien dabei gegenüber der alemannischen Masse der Bevölkerung 
in der Minderzahl gewesen, woraus auch Sprache und Charakter der heutigen 
Elsässer (doch wohl besonders Unter-Elsässer) sich erkläre. 


Es folgen dann S. 303 eine Anzahl von Ortsnamen, in denen ein späteres 
»heim« die Endung »vilare« in alten Urkunden ersetzt, und spricht sich Verfasser 
gegen Wittes Ansicht‘ aus, dass diese »weiler«e nach Romanen benannt sein 
könnten. Anderseits weist er darauf hin, dass die Verteilung dieser »weiler« 
nicht in dem Masse, wie Schiber annimmt, auf das Gebirge beschränkt erscheint, 
wenn man jene früheren villaria, später heim, berücksichtigt. 

Es ist dieser Punkt, wenn auch durchaus nicht ausschlaggebend für Schibers 
Weiler-Theorie, doch sehr beachtenswert. Insbesondere wäre vielleicht noch zu 


— 348 — 


prüfen, ob nicht das »heim« der Volkssprache in den Urkunden bisweilen statt mit 
»villa« mit »villare« übersetzt wurde? 

Wenn aber Verfasser meint, dass wir in Baden und Würtemberg keine 
Romanen ständig vorfinden (S. 390), so muss er unter Romanen etwas anderes 
verstehen, als die romanisierten Einwohner Frankreichs und Süd-Deutschlands, 
die man doch gewöhnlich mit diesem Namen bezeichnet. 

Auch das heutige Oberschwaben war doch einmal romanisiert, und gerade 
die Gegend, wo sich dort die Weiler am meisten häufen, hiess noch im X. Jahr- 
hundert comitatus Walahes, so dass wohl selbst in jener Zeit dort die romanische 
Sprache noch nicht ganz erloschen war! 

Besonders interessierte uns aber die Ansicht des Verfassers (S. 340), dass 
die Ortsnamen auf »dorf« regelmässig ältere Gründungen sind, die einst eine 
andere Benennung (heim, weiler oder dergl.) aufwiesen und erst später ihren 
jetzigen Namen erhielten — natürlich nach einem Feudalherren, der solchen Ort 
an sich gerissen, welcher früher vielleicht eine Sippensiedlung auf »ingen« war. 
So möchten wir wenigstens annehmen, und dies scheint auch die Ueberzeugung 
des Verfassers zu sein, der diese Namensbildung überwiegend der völlig ent- 
wickelten Feudalzeit zuweist. Diese Ansicht gewinnt besonders an Wahrschein- 
lichkeit, wenn man die Ortsnamen im mehr oder weniger germanisierten, einst 
slavischen Osten Deutschlands betrachtet. 

Es erhellt wohl aus dem Gesagten, wie die anregenden Gedanken der 
besprochenen Arbeit nicht fehlen, und würden wir uns freuen, für jeden Kreis 
eine ähnliche Untersuchung entstehen und veröffentlichen zu sehen. S. 


H. Omont. Catalogue des collections manuscrites et imprimées relatives à 
l’histoire de Metz et de la Lorraine léguées par M. Auguste Prost. Paris 1897. 

Die vorliegende ungemein sorgfältige Publikation Omonts bringt uns Metzern 
eine niederschlagende Ueberraschung. Wir hatten zwar gewusst, dass Prost Vor- 
arbeiten zu einer Geschichte von Metz in denkbar weitestem Umfange hinterliess, 
es war uns auch bekannt, dass eine Reihe wertvoller Handschriften in seinem 
Besitze waren, aber völlig neu ist die Thatsache, dass der bei weitem wertvollste 
Teil des Metzer Stadtarchivs mit zahlreichen äusserst wichtigen politischen Urkunden 
in seinem Besitze war. Wir müssen heute sagen, die Geschichte von Metz kann 
nur in Paris geschrieben werden. 

Die Metzer Urkunden sind auf durchaus rechtmässige Weise in Prosts Besitz 
gekommen. Die meisten sind aus der berühmten Sammlung des Comte Emmery 
gekauft, andere bei Althändlern oder sonstigen Sammlern erworben. Prost war 
dabei von der Absicht geleitet, die wertvollen Schätze vor der Zerstreuung zu 
schützen und sie später seiner Vaterstadt testamentarisch zu vermachen. Infolge 
gewisser politischer Vorgänge, deren Beurteilung uns nicht zusteht, hat Prost sein 
Testament umgestossen und im Jahre 1894 den ganzen herrlichen Besitz der 
Nationalbibliothek in Paris vermacht. Wenn uns eins bei diesem unersetzlichen 
Verluste trösten kann, so ist es die Erwägung, dass die jetzige Hüterin der Samm- 
lung ein so vornehmes wissenschaftliches Institut ist, dass die Urkunden unter 
allen Umständen der wissenschaftlichen Benutzung zur Verfügung bleiben. 

Gehen wir näher auf den Inhalt der Sammlung ein, so brauchen aus der 
Reihe der Urkunden nur einzelne Stücke angeführt zu werden, die aber zur Genüge 
die Wichtigkeit der Sammlung charakterisieren dürften. 


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(371) Ordonnance du duc de Guise, gouverneur de Metz. pour faire sortir 
les bouches inutiles de la ville avant que les impériaux ne commencent le siège. 
(21. Oct. 1552.) 

(454) Minutes de la réponse des magistrats de Metz à Loys filz de jadis 
roy de France et au roy de France Charles VI au sujet des prétentions de Thiel- 
mann Wuisse que se dit évèque de Metz. (XVe siècle.) 

(461) Minute de lettre des magistrats de Metz au roi de France Charles VII. 
(30. Oct. 1444.) 

(230) Droits de l'abbé de S. Arnoul de Metz. (Fin XIVe siècle.) 

(584) Jugements des maîtres-échevins de Metz. (1335—1586.) La plupart 
originaux ! 

(719) Quittance donnée aux habitants de Metz par Jean, roi de Bohême, 
de Pologne et comte’ de Luxembourg et Édouard, comte de Bar, pour la contri- 
bution de guerre qu'ils avaient reçue d'eux. (1327.) | 

(725) Lettre de l’empereur Charles IV aux habitants de Metz pour leur 
demander d’enyoyer cent hommes d’armes à Toul au secours de Charles dauphin 
fils aîné de Jean II, roi de France. (1358, Sept. 13.) Original! 

(730) Confirmations des privilèges de la cité de Metz par les rois des Ro- 
mains Wenceslas (1384), Rupert (1404), Sigismond (1415); par l’empereur Sigis- 
mond (1434), Frédéric III (1441 et 1442), Maximilian (1492), Charles-Quint (1522 
et 1541), Lettre de Charles IV aux habitants de Metz au sujet de son couronne- 
ment. (8. Juli 1355.) 

(830) Minute de lettre des magistrats de Metz au roi de France Henri II, 
(1555, Oct. 22.) 

(962) Liste des bourgeois de Metz en 1239, 1240, 1241, 1242. 

Von ausserordentlicher Bedeutung sind auch die Handschriftenbände, die 
Prost hinterlassen hat. Wenn ihre Zahl auch nur 40 beträgt, so finden sich 
darunter doch Wertstücke allerersten Ranges. Ich nenne vor allem die Nieder- 
schrift der Mémoires de Philippe de Vigneulles, die von der Hand des Verfassers 
selbst herrührt. Von demselben Chronisten ist geschrieben der Auszug aus der 
heute verlorenen Chronik von Robert Gaguin. Sie wird uns gleichzeitig einen 
charakteristischen Hinweis für die Arbeitsweise Philipps von Vigneulles geben. 

Von der Metzer Reimchronik hat Prost nicht weniger als fünf Handschriften 
zusammengebracht, die bei einer Neuausgabe dieses Werkes jedenfalls wesentlich 
mit in Betracht kommen. 

Die wichtige Chronik der Kaiser und Könige aus dem Luxemburger Hause 
ist gleichfalls durch eine Handschrift des XV. Jahrhunderts vertreten; auch dieses 
Manuskript muss bei der demnächst bevorstehenden Ausgabe des Werkes heran- 
gezogen werden. Ebenso überraschend ist die Nachricht, dass auch die Chronik 
des Doyen von S. Thiebaut durch ein Manuskript des XV. Jahrhunderts, die Metzer 
Bischofschronik durch eine Niederschrift des XVI Jahrhunderts vertreten ist. 
Gleichfalls aus dem XVI. Jahrhundert stammt ein Journal des maîtres échevins 
de Metz,1200—1527. 

Wie von Philipp von Vigneulles so hat Prost auch aus Paul Ferrys Nach- 
lass einen umfangreichen Autographen »M&moires de ce qui me concernes 
erworben und der Nationalbibliothek übergeben. 

Schliesslich erwähnen wir noch die Originalregister der Metzer Kaufmanns- 
und Krämerzunft von 1394—1666, die nicht weniger als 265 + 267 Blätter umfassen. 


— 350 — 


Die dritte Abteilung des Prostschen Legates besteht in einer Sammlung 
seiner eigenen handschriftlich hinterlassenen Arbeiten, die zwar zum grössten 
Teile bereits gedruckt sind, deren ausserordentlicher Wert aber für die Metzer 
Geschichte darin besteht, dass ihnen auch sämtliche Vorarbeiten, Urkundenab- 
schriften und Auszüge beigefügt sind. Es ist geradezu staunenswert, was Prost 
auf diesem Gebiete geleistet hat. Kaum eine Frage der Metzer Geschichte ist in 
dieser Sammlung ausser Acht geblieben. Um aber leicht über das einschlägige 
Material zu orientieren, hat Prost ein alphabetisches Generalverzeichnis über den 
Inhalt seiner Papiere verfasst, das nicht weniger als 24 Bände, jeder von durch- 
schnittlich 350 Seiten, umfasst. 


In den „Deutschen Reichstagsakten unter Kaiser Karl V.“, die von der 
historischen Kommission der Münchener Akademie seit einigen Jahren heraus- 
gegeben werden, ist auch die Stadt Metz vielfach erwähnt oder sogar durch be- 
sondere sie betreffende Aktenstücke vertreten. Insbesondere verweise ich auf 
den 1896 herausgegebenen zweiten Band. Derselbe bringt eine ganze Reihe von 
Beweisstücken, die aufs neue darthun, wie unhaltbar das von lothringischer und 
französischer Seite geflissentlich genährte Märchen ist, Metz habe als »selbständige 
Republik« mit dem Reiche eigentlich nichts zu thun gehabt, und seine Beziehungen 
zum Kaiser seien nicht andere gewesen als etwa die von Mailand oder Lyon. So 
findet sich eine Instruktion des Rates für die zum berühmten Reichstage von Worms 
1521 abgehenden Gesandten. Wir erfahren beiläufig aus derselben, dass die Herren 
nach Worms den Wasserweg einschlagen, dass sie angewiesen werden, dem Kaiser 
den Treueid zu leisten, sobald dieser die Privilegien der Stadt bestätigt hat, dass 
man (nach den Erfahrungen, die man mit Maximilian gemacht hat) fürchtet, der 
Kaiser werde bei der Stadt eine Anleihe machen und dem durch Vorzeigen alter 
nicht eingelüster Schuldbriefe vorzubeugen sucht u.a. m. 

Ein weiteres Stück, p. 441, ist bezeichnend für die Machtstellung, die Metz 
unter den deutschen Städten einnimmt. Es ist dies der Anschlag für Reichs- 
kammergericht und Romfahrt. Metz figuriert darin mit 500 Gulden, 40 Reitern 
und 250 (225) Mann. Da Frankfurt mit derselben Summe, 20 Reitern und 140 
Mann, Strassburg mit 550 Gulden, 40 Reitern und 225 Mann, Basel mit 325 Gulden, 
10 Reitern und 180 Mann angegeben ist, lässt sich schon daraus ein Schluss auf 
die Grösse und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Stadt während der 
damaligen Zeit ziehen. — Den Reichstagsabschied vom 26. Mai unterzeichnen als 
Vertreter von Metz Franz von Gournay und Johann von Gournay. W. 


Longwy. — De Louis XIV a la Revolution. (Annales de l'Est. Octobre 1897.) 
M. E. Duvernoy, le sympathique archiviste de Meurthe-et-Moselle, nous presente 
sous ce titre une excellente étude de la vie municipale de cette localité, sous 
l’ancien régime. 

Le Longwy actuel se composait autrefois, comme aujourd'hui d’ailleurs, 
de deux parties bien distinctes: la ville haute avec son vieux château-fort, perchée 
sur le plateau, et la ville basse qui s’allongeait dans la vallée de la Chiers. — 
Par ordre de Louis XIV, Vauban fit raser la ville haute, et bâtir, en 1679, à 800 


Sen 


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POS M EU) 


an — 


mètres de là, la forteresse actuelle. Des lettres patentes en date de décembre 1684 
conférèrent à la ville neuve des privilèges précieux, auxquels vinrent se joindre 
ceux possédés autrefois par l’ancien Longwy. 

Ces deux villes bien distinctes, et par leur position et surtout par les élé- 
ments qui les composaient, étaient réunies en une seule communauté, chacune 
d'elles conservant d’ailleurs son administration spéciale. — Se fondant en parti- 
culier sur les titres nombreux déposés dans ses archives, M. Duvernoy dépeint 
avec sa clarté et son érudition si connues, les multiples rouages de ce dualisme 
administratif, en signale avec raison la faiblesse et les inconvénients, passe en 
revue les rapports multiples de l'administration locale avec les autorités gouverne- 
mentales, civiles, militaires et religieuses, et conclut que le régime municipal ancien 
avait été funeste à la prospérité de cette petite ville. E. P. 


Les Seigneurs de Chäteau-Voue (966—1793). Nancy, Crépin-Leblond 1897, 
que M. l’abhé Louis Jean, curé de Château-Voué, présente au public, il le déclare 
lui-même dans sa préface, ne sont pas une réédition des essais publiés par lui 
il y a quelques années dans le Lorrain et dans le Journal de la Société d'Archéo- 
logie Lorraine, mais un livre nouveau. 

En effet, l’auteur est sorti des hésitations et de l'incertitude de ses deux 
premières notices, il a considérablement élargi le cercle de ses recherches. Les 
documents publics, qui avaient servi de base à ses premiers travaux, en particulier 
le cartulaire et l’histoire de la famille de Hunolstein, ont été soumis par lui à 
une sérieuse revision. L'auteur n’a pas craint de remonter aux sources, de consulter 
les archives de Nancy, Coblentz, Metz, de la Bibliothèque nationale à Paris, et de 
procéder ainsi d’une manière vraiment scientifique. Le résultat obtenu par une 
patience et une activité dignes d’eloge a été considérable, étant donnée l'importance 
relative de la Seigneurie dont il s'était fait l'historien, et nous ne pouvons que 
l’en féliciter. 

Néanmoins l’auteur a voulu rester modeste, il a reculé devant une histoire 
proprement dite de la Seigneurie de Château-Voué. Il s’est contenté de publier 
un excellent recueil de documents ou les chercheurs pourront puiser avec sûreté 
et avec fruit, d'excellents matériaux. 

Quant à l’agencement du travail, il est bien simple. Les documents réunis 
sont classés dans l’ordre simplement chronologique, cités avec indication de sources, 
parfois in extenso, le plus souvent en résumé, mais dans leur forme originale ils 
constituent ainsi des espèces de regestes (expliquées par des commentaires et par 
des notes trop multipliées) destinées à former l’histoire des familles ayant fondé 
la Seigneurie de Chäteau-Vou&: les Volmerange, les Morsberg, Guermange, Haulze 
von Divelich, Pfaffenhoven, Helmstadt, enfin les Voués de Hunolstein. 

En somme, malgré quelques petites erreurs de détails, surtout dans les notes, 
un ouvrage qui sera bien accueilli des travailleurs, un bon exemple auquel nous 
souhaiterions une foule d’imitateurs aussi sincères et aussi zélés. E. P. 


Dr. Paul Darmstädter, Die Befreiung der Leibeigenen in Savoyen, der 
Schweiz und Lothringen. Strassburg 1897, J. Trübner. 


D2 — 


CO 


Das neueste Heft der Abhandlungen aus dem von Professor Knapp so ver- 
dienstvoll geleiteten staatswissenschaftlichen Seminar zu Strassburg enthält eme 
eingehende Darstellung der Befreiung der Leibeigenen (Mainmortables) in Savoyen, 
der Schweiz und Lothringen von Dr. Paul Darmstädter, welche wegen der 
hoch interessanten Untersuchung und Erörterung der geschichtlichen Entwicklung 
der agrarischen Verhältnisse in Lothringen für uns von besonderem Werte ist. 

In Anlehnung an die vortrefflichen Arbeiten des Dr. Wittich über die Grund- 
herrschaft in Nordwestdeutschland und von Ludwig über den badischen Bauer 
im 18. Jahrhundert, giebt der Verfasser einen Ueberblick über die Gestaltung der 
bäuerlichen Verhältnisse in Westeuropa, insbesondere Frankreich, und beschreibt 
dann eingehend den Zustand in den Grenzgebieten romanischer und deutscher 
Zunge, in Savoyen, der Schweiz und dem ehemaligen Herzogthum Lothringen. 
Zum Schluss fasst der Verfasser die Ergebnisse seiner Ermittlungen in geistvoller 
Weise zusammen und stellt dar, wie die französiche Agrarverfassung wesentlich 
auf der Seigneurie, der Gerichtshoheit beruht, während die Grundherrschaft, das 
Obereigentum an Grund und Boden, mehr zurücktritt. Auf der andern Seite ist 
die Hörigkeit der Bauern in den romanischen Landesteilen, die Mainmorte, ein 
an die Person gebundenes Abhängigkeits-Verhältnis gewesen, während. die deutsch- 
rechtliche Leibeigenschaft dagegen an dem Grund und Boden haftete. Die Be- 
freiung von beiden Arten der Hörigkeit in den drei genannten Gebieten, in Savoyen 
insbesondere durch Karl Emanuel Ill. (1730—1774), in den Urkantonen der Schweiz 
schon mit der Loslösung von habsburgischer Gerichtshoheit zu Anfang des XIV. 
Jahrhunderts, in den neueren Kantonen und den unterworfenen Landesteilen viel 
später und grossenteils erst im XVIII. Jahrhundert, in Lothringen endlich wesent- 
lich unter Herzog Leopold (1697—1729), findet in der Abhandlung eingehende 
Darstellung, die nicht nur in hohem Grade interessant, sondern auch in vielen 
Beziehungen sehr lehrreich ist. Zu bedauern ist nur, dass nicht auch die Ver- 
hältnisse in Burgund und den drei Bistümern, insbesondere dem Bistum Metz, 
und in dem Gebiete der Stadt Metz, etwas eingehender behandelt sind, zumal 
namentlich in letzteren Landen die Leibeigenschaft als solche viel früher ver- 
schwunden ist als in dem benachbarten Herzostum Lothringen. Schon das um 
die Wende des XVI. Jahrhunderts zusammengestellte Landrecht des Bistums Metz 
stellt an die Spitze: »en l’évéché de Metz, qui d'ancienneté est dit le Franc- 
Evéché, les personnes sont censées de condition libre jusqu'à ce qu'il appert du 
contraire, und im grossen Gebiete der Reichsstadt Metz beginnen die Coutumes 
mit dem Satze, dass »toutes personnes sont franches, nulles de servile conditions. — 
Dabei waren aber Grundlasten, Abgaben und Dienste an die Seigneurs nicht aus- 
geschlossen. Nur das persönliche Abhängiskeitsverhältnis hatte hier einen andern 
Charakter als im benachbarten Frankreich und Französisch-Lothringen. 

Der Unterschied in der agrarischen Entwicklung der Landesteile deutscher 
und derjenigen französicher Zunge ist denn auch in der Abhandlung mit Recht 
hervorgehoben. In dem Grenzgebiete haben sich die einzelnen germanischen 
und romanischen Einrichtungen und Rechte vielfach vermischt und verändert, 
vielleicht aber dürfte der Unterschied im Grunde noch viel schärfer gewesen 
sein, als der Verfasser annimmt. Wenn z. B. Seite 123 Note 1 der Grundsatz 
angeführt wird, dass nach gemeinem lothringischen und französischen Rechte 
»nulle terre sans seigneur« sei, die Freiheit von Oberherrschaft also in jedem 
einzelnen Falle zu beweisen sei, so trifft das für das französisch-sprachliche Ge- 


— 5993 — 


biet des Herzogtums allerdings zu, während im deutschen Sprachgebiete und im 
Gebiete von Metz umgekehrt die Vermutung für eine franc alleu, für freies Eigen- 
tum spricht und die Unterordnung unter höhere Gewalt erst zu beweisen ist. So 
wird in einem Prozesse der Johanniter wider angebliche hauts justiciers eines 
ihrer Güter vor dem Metzer Parlament noch im Jahre 1727 ausgeführt, dass der 
Teil des Landes, um den es sich hier handelt, alter freier Besitz der Franken 
gewesen sei, das jetzige Frankreich aber von den Franken erobertes Land sei, 
in welchem letztere und ihr König durch die Eroberung ein Obereigentum an 
allem Grund und Boden erworben haben. Damit stimmt, was der Verfasser 
S. 209 ausführt, dass in dem keltischen Gallien zu keltischer und römischer Zeit 
die Grundherrschaft bereits vorherrschend war. 

Wenn aber der östliche Teil Lothringens ursprünglich von freien Leuten 
bebaut wurde, wie kam es dann, dass im Laufe der Jahrhunderte auch hier eine 
Hörigkeit und sogar volle Leibeigenschaft sich entwickeln konnte? Der Verfasser 
schildert uns den Zustand Lothringens zwar gegen Ende des XVII. Jahrhunderts 
und es lag nicht in seinem Plane, der Entstehung der damaligen wirtschaft- 
lichen Zustände und Verhältnisse nachzugehen. Wäre das geschehen, so würde 
sich voraussichtlich ergeben haben, dass ein beträchtlicher Teil der Lasten, denen 
der bäuerliche Grundbesitz damals unterworfen war, in der karolingischen Villi- 
kationsverfassung seinen Ursprung nicht hatte. Diese früh-mittelalterige Ordnung 
ist allerdings, wie der Verfasser hervorhebt, vielfach der Ausgangspunkt der 
späteren Hörigkeitsverhältnisse geworden (S. 211), aber die Ausdehnung der 
bäuerlichen Lasten und die Ausbildung der Hörigkeit beruht doch wesentlich auch 
auf der Ausbildung des Herrschaftsbegriffes des späteren Mittelalters. In gleicher 
Weise, wenn auch nicht in gleichem Masse, wie die Territorialherren sich über 
ihre Stände erhoben und mehr und mehr in ihrem ganzen Gebiete sich zu selbst- 
ständigen Herrschern, obersten Richtern und insbesondere unmittelbaren Herren 
über die Steuerkraft entwickelt haben, ist es auch dem Adel und den Klöstern 
als Grossgrundbesitzern gelungen, ihre Güter, Dörfer und deren Bewohner in 
immer grössere direkte Abhängigkeit zu bringen und auch letzteren mehr und 
mehr persönliche Lasten aufzulegen. Der Unterschied der Bildung, die vielfach 
herrschende Unsicherheit, welche für den kleinen Mann einen kräftigen Schutz 
erforderte, die eingetretene Schwächung der Zentralgewalt oder zunächst der 
karolingischen Grafschaft, welche nicht mehr als ein Organ des Reiches, sondern 
als eigene Macht auftrat, wenn sie nicht andern stärkeren Territorialherren ganz 
gewichen war, das wirtschaftliche Bedürfnis der entstandenen Herrschaften, die 
einseitige juristische Darstellung endlich der von Anschauungen des römischen 
Rechts beherrschten Gelehrten, welche geneigt waren, die Hörigen den römischen 
servi gleich zu stellen, und alles und jedes Recht nur auf der Seite des Herrn 
anzunehmen, gaben vielfach Anlass zu einer ungerechtfertigten, drückenden Be- 
lastung, sodass die Verhältnisse, wie sie sich im vorigen Jahrhundert darstellten, 
jedenfalls nicht allein Ausfluss des mittelalterigen Hofrechts gewesen sind. So 
finden sich in Akten und Urkunden zahlreiche Beispiele der Klagen über un- 
gerechtfertigte Lasten. Ob die Herrschaft in Püttlingen (S. 245) sich neben Ab- 
lösungsgeld für Personaldienste noch diese Dienste selbst hat leisten lassen, mag 
dahingestellt bleiben. Schlagend ist aber z. B. eine Eingabe der Stadt Saarburg 
an den Herzog vom Jahre 1531, in welcher dieselbe sich beschwert, dass ihre 
Nachbarn, die Herren von Lützelburg, von Heringen und von Hassonville, ihre 


23 


— 354 — 


Unterthanen zu Leibeigenen machen wollen, denselben das Leben in und die 
Heirat nach Saarburg verbieten, von den Bürgern Abgaben für Weidgang und 
Holzfuhren verlangen und dergleichen mehr. 

Diese Bemerkungen über den Ursprung der Lasten beeinträchtigen natürlich 
den Wert der Darstellung des Dr. Darmstädter über die Befreiung von denselben 
in keiner Weise. Die Ausführungen desselben über die Loi de Beaumont und 
die vielfachen Bestrebungen der Lothringer Herzoge und insbesondere über die 
Reformen des Herzogs Leopold sind vielmehr erschöpfend und zutreffend, ebenso 
richtig auch die Bemerkung (S. 204), dass in dem deutschen Teile des Herzog- 
tums dieselben nicht Anwendung fanden, dass hier vielmehr erst die Revolution 
Wandel schaffte. Die ganze Arbeit ist überhaupt eine sehr dankenswerte Be- 
reicherung unserer Kenntnisse von den agrarischen Zuständen der Lothringer 
Vorzeit. Wenn endlich erst die Gesetze von 1789 bis 1799 und der Code Napoleon 
den Rest der alten Unfreiheit und der erdrückenden Lasten auch in unseren 
Gegenden beseitigt haben, so sehen wir doch, dass hier die Männer der Revolution 
wesentlich nur die Bahnen weiter verfolgten, auf welchen erleuchtete Lothringer 
Herzoge ihnen rühmlich vorangegangen waren. Talk 


Die „Relation du siège de Metz en 1552“ par Ambroise Paré wird von 
Dr. L. Stern in Metz in der zu Amsterdam erscheinenden medizinischen Zeit- 
schrift Janus (Juli—August 1897) neu herausgegeben. Es sind hauptsächlich 
medizingeschichtliche Gründe gewesen, welche die Publikation veranlasst 
haben; denn Paré, der Arzt war, kommt vielfach in seiner Schilderung auf die 
Heilkunde zu sprechen. Stern giebt seinen Abdruck nach dem Neudruck Chaberts 
von 1846; wir hätten gewünscht, dass er auf den Originaldruck von 1664 zurück- 
gegangen wäre; denn Chabert ist durchaus nicht zuverlässig. Wenn wir dem 
Herausgeber auch dankbar dafür sind, dass er dies hochinteressante geschichtliche 
Denkmal weiteren Kreisen zugänglich macht, so können wir doch einige Bedenken 
gegen seine geschichtliche Auffassung der Belagerung von Metz nicht unterdrücken. 
Er schreibt über die Relation, sie zeige »wie Metz im Jahre 1552 den Kaiser 
Carolus Quintus heimgeschickte und spricht dann weiter über die »glückliche 
Vertreibung Kaiserl. Römischer Majestät von den Wällen des ehrwürdigen Divo- 
durum«. Man braucht kein Verehrer Karls V. zu sein, aber die Thatsache lässt 
sich nicht aus der Welt schaffen, dass er bei seiner Belagerung eine deutsche 
Reichsstadt vom französischen König zurückgewinnen wollte. Es mag 
bei dieser Gelegenheit noch bemerkt werden, dass die Parésche Relation auch 
1885 von L. Dussieux herausgegeben worden ist. W. 


In dem von Reginald Lane Poole herausgegebenen , Historical Atlas of modern 
Europe“ veröffentlicht Walter E. Rhodes auch eine Karte von Frankreich, Loth- 
ringen und Burgund im XI. und XII. Jahrhundert. Für Lothringen speziell bietet 
das neue Werk keinen Fortschritt; Einzelheiten sind so gut wie gar nicht aus- 
gearbeitet. W. 


In dem Bulletin des Sociétés artistiques de l'Est, 1897, veröffentlicht G. Save 
einen auch als Sonderabdruck herausgegebenen Aufsatz über „Les Fresques de 


- 


= can ——- 


Postroff“. Dieser ersten Skizze sollen unter dem Gesamttitel >Les Peintres stras- 
bourgeois en Lorraine au XVe siècles noch weitere Fortsetzungen folgen. Ich 
habe wiederholt darauf hingewiesen, dass in Lothringen auffallend wenig Denk- 
mäler der Renaissance erhalten sind. Es war mir aber nicht zweifelhaft, dass 
in einem Lande, in welchem während des Mittelalters der künstlerische Geist so 
lebendig gewesen ist, auch die Renaissance nicht spurlos vorübergegangen 
sein kann. Die vorliegende Schrift bringt dafür einen Beweis. Unter Bezug- 
nahme auf die tüchtige Arbeit von Lepage über die lothringischen Maler 
im XV. und XVI. Jahrhundert konstatiert der Herausgeber zunächst, wie die 
Renaissance auf dem Gebiete der darstellenden Kunst unter René II. ihren Einzug 
gehalten, dann aber besonders unter Karl Ill. zu breiterer Entfaltung gekommen ist. 
Neben einer grossen Anzahl französischer Malernamen sind nun auch nicht wenig 
deutsche Namen erhalten, und zwar sind es vor allem Strassburger, welche ihre 
von Schongauer und Hans Baldung so glänzend vertretene Kunst auch nach Loth- 
ringen gebracht haben. So werden uns genannt Hans Wachelin von Straszburg, 
Meister Peter von Straszburg und unter der Bezeichnung peintre allemand: Bar- 
tholomaeus Vest, Jacques Monst und Hans Scrobanch (?). Leider kennen wir so 
gut wie nichts von den Werken dieser Künstler und umso höher bewerten sich 
infolgedessen die schwachen Reste der Malerei, welche auf uns gekommen sind. 
Die Fresken in der Kirche von Postdorf bei Finstingen, welche dem XVI. Jahr- 
hundert angehören, wurden 1853 entdeckt und von Benoit kopiert. Leider sind 
auch sie Mitte der 70er Jahre mit der Kirche selbst vernichtet worden, und so 
sind wir für ihre Kenntnis auf die Benoitschen Zeichnungen angewiesen. A. Benoit 
hat weiter gefunden, dass die Kopien der Postdorfer Bilder fast genau die gleiche 
Darstellung geben wie einige alte Holzschnitte, die jüngst von dem Antiquariat 
Rosenthal in München veröffentlicht worden sind. Save sieht in diesen Holz- 
schnitten Schongauersche Schule und glaubt infolgedessen auch die Postdorfer 
Darstellungen einem elsässischen Künstler der gleichen Richtung zuschreiben zu 
sollen. Bewiesen ist das nun keinesfalls, wenn auch die Wahrscheinlichkeit schon 
wegen der geistigen Gemeinschaft, in welcher das Saargebiet jederzeit mit dem 
Elsass gestanden hat, eine sehr grosse ist. W. 


Der Oberbibliothekar der städtischen Bibliothek von Nancy, Herr J. Favier, 
hat soeben einen Catalogue des livres et documents imprimés du fonds lorrain de 
la bibl. municipale de Nancy erscheinen lassen. Wenn das Werk auch in erster 
Linie dazu dienen soll, die Benutzer der Nancyer Bibliothek zurechtzuweisen und 
ihnen das vorhandene Material bekannt zu geben, so hat es doch bei der Voll- 
ständigkeit der lothringischen Sammlung, über welche die Nachbarbibliothek verfügt, 
auch hohen Wert für jeden, der auf dem Gebiete der lothringischen Geschichte 
arbeitet. Es ist gewissermassen eine lothringische Bibliographie, die in nahezu 
erschöpfender Vollständigkeit alle Bücher aufführt, die über Lothringen erschienen 
sind. Die Anordnung und Einteilung ist ausserordentlich übersichtlich und ein 
sorgfältig gearbeitetes Orts- und Autorenregister trägt weiter dazu bei, dieses 
Werk zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel für den lothringischen Geschichts- 
forscher zu machen. Eine bedauerliche Lücke fällt allerdings sofort auf: die 
deutsche Literatur über Lothringen ist recht mangelhaft vertreten, 

23* 


Favier hat mit seinem Werke eine bisher sehr empfindliche Lücke ausge- 
füllt, und wir sind ihm für seine Arbeit zu lebhaftem Danke verpflichtet. Wird 
es ihm nicht möglich sein, in einem zweiten Teile seine Bibliographie auch auf 
die in den zahlreichen, insbesondere lothringischen Zeitschriften (Mémoires, Bulle- 
tins, etc.) zerstreuten Arbeiten auszudehnen? Nach seiner bisherigen Leistung 
dürfte niemand berufener sein als er, dieses mühsame und schwierige Werk 
auszuführen. W. 


In der »Metzer Zeitung« vom Donnerstag dem 12. Mai 1898, und in den folgen- 
den Nummern, desgleichen in der »Lothringer Presse« vom Freitag dem 20. Mai ff. 
findet sich ein von sachkundiger Feder geschriebener Aufsatz über: „Die Kelscher 
Vogtei“ (Vouerie de Chaussy) mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte von 
Urville. W. 


Oberst a. D. E. Hartmann veröffentlicht in der »Metzer Zeitunge vom 
14. und 15. Mai 1898 unter dem Titel: „Aus der alten Reichsstadt Metz“ eine 
Studie über die alte St. Peterskirche in der Citadelle, die Templerkapelle, das 
Kloster Ste. Marie und das Templerrefektorium. Die Arbeit verrät gründliche 
Kenntnis der betreffenden Bauwerke, ist jedoch bezüglich der Peterskirche durch 
Knitterscheidts Ausführungen vollständig überholt. WM. 


Von dem Trierer Stadtbibliothekar Dr. Max Keuffer ist eine neue Zeitschrift 
ins Leben gerufen, die unter dem Titel: „Trierisches Archiv“ in zwanglosen Heften 
Beiträge zur Geschichte der Stadt Trier in mittelalterlicher Zeit bringen soll. Ob 
das Bedürfnis einer solchen Publikation thatsächlich vorhanden ist und wissen- 
schaftliche Arbeiten zur Trierischen Geschichte nicht auch in der zu Trier 
erscheinenden »Westdeutschen Zeitschrifts einem grösseren Leserkreise hätten 
zugänglich gemacht werden können, wird der Herausgeber selbst erwogen haben. 
Das Unternehmen wird sich vor allem dadurch rechtfertigen, dass es sich lebens- 
fähig bewährt. Vom ersten Hefte, das uns in trefflicher Ausstattung 100 Seiten 
stark vorliegt, wird man gern und freudig anerkennen, dass seine Aufsätze wert- 
volle Erweiterung unserer wissenschaftlichen Kenntnisse über die Geschichte der 
Nachbarstadt bringen. Der Herausgeber hat selbst in seiner bewährten, durchaus 
zuverlässigen und gründlichen Art einen kostbaren Trierer Codex, »Das Prümer 
Lektionar«, das zur Zeit in englischem Besitze ist, beschrieben und einige kleinere 
Beiträge zugesteuert. F. Kutzbach beginnt eine Aufzeichnung der alten Trierischen 
Bürgerhäuser und erhebt die Forderung, die hoffentlich an massgebender Stelle 
Gehör finden wird, jedes charakteristische Denkmal der Lebensthätigkeit und 
künstlerischen Empfindung unserer Vorfahren einer Aufnahme mit Massstab und 
Stift und der photographischen Camera zu unterziehen. Man wird übrigens erstaunt 
sein, wie viele Reste der romanischen und gotischen Zeit die alte Bischofsstadt 
noch in sich birgt. Dr. Lager giebt eine Dienstordnung für die Beamten und 
Diener des Trierischen Domkapitels aus der zweiten Hälfte des XII. Jahrhunderts. 
Felten erbringt den Nachweis, dass die Informatio super nullitate processuum 
papae Johannis XXIT contra Ludovicum von Bonagratia verfasst sei, der die Absicht 
gehabt hat, Erzbischof Balduin von Trier zur Appellation an ein Konzil zu ver- 


anlassen. Endlich hat Dr. N. Isay die Geschichte des Trierer Schöffengerichts 
zusammengestellt und das Verfahren vor demselben klargelegt. 

Wir werden uns freuen, wenn es Dr. Keuffer gelingt, der Zeitschrift die 
wissenschaftliche Bedeutung zu erhalten, die ihrem ersten Hefte durchweg zuge- 
sprochen werden muss. W. 


Les anciens pouilles du diocese de Metz. 

Nicolaus Dorvaux veröffentlicht in der Revue ecclésiastique de Metz, 
8e année, n° 12, als vorläufige Frucht seiner eingehenden Studien über die alten 
Polien der Metzer Diözese eine Uebersicht über sämtliche Pfarreilisten, von denen 
wir bis heute Kenntnis haben. 

Die Pouillés haben ursprünglich Steuerzwecken gedient, und zwar war es 
vor allem die Zeit der Kreuzzüge, die eine häufiger wiederkehrende Belastung 
der Gemeinden notwendig machte. Seit etwa 1274 entwickelt sich aus der tempo- 
rären Auflage eine dauernde, und damit braucht die Kurie genaue Listen um die 
Eingänge resp. Ausfälle prüfen und kontrollieren zu können. Das erste derartige 
Verzeichnis für das Bistum Metz stammt aus dem Jahre 1327, und wir sind auf 
Grund desselben wohl imstande, die Organisation der Diözese in grossen Linien 
festzulegen. Viel vollständiger ist die Liste von 1360. Nur fehlen hier diejenigen 
Gemeinden, die wegen allzugrosser Armut von Abgaben frei blieben. 


Aus dem XV. Jahrhundert wissen wir, dass 1496 und 1499 Pouilles aufge- 
stellt waren, die Verzeichnisse selbst aber sind bis jetzt noch nicht aufgefunden. 


Eine viel reichere Thätigkeit hat das XVI. Jahrhundert auf diesem Gebiete 
entfaltet und von diesen Manuskripten ist uns eine ganze Reihe erhalten, so aus 
den Jahren 1539, 1544, 1546, 1570, 1574 und 1576. Leider können wir aber aus 
ihnen kaum irgend etwas für die Entwicklung der Diözese und vor allem über 
den Einfluss der kirchlichen Reformbewegung entnehmen; denn alle diese Texte 
gehen auf dieselbe ältere Vorlage zurück, ohne dem derzeitigen Bestand der 
Diözese Rechnung zu tragen. 

Besser steht es mit dem Pouill& von 1607. Der Verfasser desselben ist mit 
einer Generalvisitation des Bistums beauftragt und verzeichnet durchaus selbst- 
ständig die Feststellungen, die er an Ort und Stelle gemacht hat. Der 30jährige 
Krieg wirft die ganze Organisation, wie sie 1607 festgelegt war, über den Haufen, 
und so entschliesst sich Bischof Coislin im Jahre 1711, dem Pater Benoit, der 
bereits das Pouill& der Diözese Toul bearbeitet hatte, die gleiche Arbeit für Metz 
zu übertragen. Der Bischof selbst erlässt ein Zirkular an die Geistlichkeit, in 
dem er eine sorgfältige und fleissige Beantwortung der ausgesandten Fragebogen 
fordert. Leider ist die Arbeit nicht zur Ausführung gekommen und das wertvolle 
Material bis auf wenige Reste zu Grunde gegangen. 

Ein besseres Geschick haben die umfassenden und gründlichen Sammlungen 
gehabt, die von den Herausgebern der Histoire de Metz für eine Pfarreiliste 
gemacht worden sind. Ihr Pouill& ist uns handschriftlich erhalten und giebt uns 
den Zustand der Diözese kurz vor der grossen Revolution. 

So kurz und knapp die Uebersicht des gelehrten Verfassers ist, so giebt 
sie uns doch die erfreuliche Kunde, dass Herr Abbé Dorvaux das gesamte Material 
bereits völlig durcharbeitet hat. Hoffen wir, dass er uns bald mit einer umfassenden 


— 358 — 


Publikation des Pouillés selbst erfreut; wir wissen, dass seine Bearbeitung an 
kritischer Zuverlässigkeit nichts zu wünschen übrig lässt und dass wir damit ein 
absolut sicheres Fundament für die Diözesangeschichte erhalten werden. W. 


Im Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere Geschichtskunde, Band XXII, 
p. 362, veröffentlicht J. Schwalm nach dem im Staatsarchiv zu Berlin liegenden 
Original den Text des lothringischen Landfriedens vom 23. Oktober 1343, der 
bisher nach einer unvollständigen Kopie Schannats (Schwalm, Die Landfrieden in 
Deutschland unter Ludwig dem Baiern, Göttingen 1889) bekannt geworden war. 
Teilnehmer desselben sind: Johann von Luxemburg, Isabella von Oesterreich, 
Herzogin-Mutter von Lothringen, Margaretha Gräfin von Chiny, Herzog Raoul von 
Lothringen, Graf Heinrich von Bar, die Städte Metz, Toul, Verdun, die Grafen 
Joffrid von Leiningen, Heinrich von Vaudémont, Walram von Zweibrücken, Johann 
von Saarbrücken, Simon von Salm, Ferry von Saarwerden, Symon von Bitsch, 
Ferry von Freiburg, Emich von Leiningen, zahlreiche Herren, der Archidiakon 
von Marsal und die Städte Epinal, Saarburg, Vic und Marsal. Das Gebiet des- 
selben umfasst die Länder vom Vogesenkamm bis zur Maass und von Schleiden 
im Norden bis in das Stromgebiet der Saöne im Süden. 

Um so auffallender ist es, dass der Bischof Ademar von Metz ebenso wie 
die Oberhirten der Verduner und Touler Diözese nicht vertreten sind. Balduin 
von Trier scheint später (Juni 15) seinen Beitritt erklärt zu haben. 

Das Original trägt ein Siegel mit der Umschrift: Sigillum communis treuge 
per Lotharingiam. Das Siegelbild zeigt einen Arm, der ein Schwert hält und 
einen nach rechts geneigten Schild mit doppelküpfigem Adler. Der Adler ist das 
Wappen des Obmanns, des Grafen von Saarwerden; wenn aber Schwalm im 
Schwert eine allegorische Darstellung (etwa der Gerechtigkeit) sieht, so ist das 
ein Irrtum: das Schwert entstammt dem ältesten Wappen der Herzöge von Loth- 
ringen. Es findet sich neben den Alerions schon auf den Münzen des Herzogs 
Mathäus Il. 

In derselben Abhandlung Schwalms, p. 361, ist auch eine in Strassburg 
liegende Urkunde abgedruckt, in der die Stadt Saarburg dem Grafen Friedrich 


von Saarwerden Vollmacht giebt, in ihrem Namen dem Landfrieden beizutreten. 
118 


Wilhelm Schmitz hat seinen Aufsatz aus der Zeitschrift für christliche 
Kunst (Jahrgang X, 1897) „Die bemalten romanischen Holzdecken im Museum zu 
Metz‘ auch als Sonderabdruck in deutscher und französischer Sprache heraus- 
gegeben. Wie man sich erinnern wird, wurde die Decke bei Umbauten in der 
höheren Töchterschule von Baurat Wahn aufgefunden und in Anbetracht ihrer 
Bedeutung für die Geschichte der Malerei sofort in das Museum übergeführt. 
Wahn hatte naturgemäss das Recht der Veröffentlichung. Leider hat Architekt 
Schmitz sich in durchaus illoyaler Weise Eingang zu dem verschlossenen Raume, 
in dem die Decke untergebracht war, verschafft, sie abgezeichnet und trotz des 
ausdrücklichen Verbotes des Bürgermeisters publiziert. Wenn ihm auch straf- 
rechtlich nach der heute bestehenden Gesetzgebung nicht beizukommen war, an 
der Beurteilung seines Verfahrens wird das nichts ändern und die Münchener 
Allgemeine Zeitung sowohl wie die Westdeutsche Zeitschrift haben in schärfster 


I &= 


Weise Schmitz Vorgehen als das bezeichnet, was es war. — Wenn wir auf die 
Beurteilung der Publikation eingehen, so muss anerkannt werden, dass die von 
Schmitz gelieferten Zeichnungen sehr gut sind, und ebenso erfüllen die Buntdrucke 
ihren Zweck. Dagegen ist der von Schmitz in Ueberstürzung beigefügte Text völlig 
ungenügend. Das hat besonders scharf Dr. P. Weber in einem Aufsatze der 
Allgem. Zeitung (Wissenschaftliche Beilage vom 22. Jan. 1898 Nr. 17) betont. 
Weber legt mit Recht Wert darauf zu wissen, welcher Bestimmung das Gebäude 
ursprünglich gedient hat, vor allem ob es ein Profanbau war oder ob er einem 
kirchlichen Institute zugehörte. Nach dem Ergebnisse meiner bisherigen Nach- 
forschungen gehörte der Saal zum Hotel du voué, zum Hause des Vogtes. Der 
Vogt war ein Laie, aber bischöflicher Beamter, so dass seine Wohnung gewisser- 
massen profanen und geistlichen Charakter hatte, vor allem, wenn man annimmt, 
dass der Bischof selbst Bauherr gewesen ist. 

Bezüglich der Zeitstellung bin ich geneigt, die Decke nach der Mitte oder 
der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts zu verschieben. Wenn auch die 
Dekorationsmotive romanischen Charakter tragen, so ist doch zu beachten, dass 
damals die Architektur die führende Kunst war, die Malerei aber in ihrer 
Entwickelung nachhinkte. Wir finden einen Teil der auf der Decke dargestellten 
Figuren noch genau in derselben Art wiedergegeben in einem Missale des ersten 
Viertels des XIV. Jahrhunderts, das dem Bischof von Metz gehörte. W. 


Von Böhmers Regesten erschienen in Neubearbeitung von O. Redlich 
„Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VI1. 1273—1313. 
Erste Abteilung 1273—1281.“ Mehrere Stücke sind darin auch für Metz und 
Lothringen von Interesse. Ich erwähne nr. 169: Rudolf von Habsburg fordert 
infolge der Ermahnung des Papstes einen Grossen (Theobald von Bar oder Fried- 
rich von Lothringen) auf, die vom Herzen des Reichs we.t abgelegene Kirche 
von Metz vor Angriffen zu schützen. nr. 1667: Papst Martin IV. zeigt dem König 
die Ernennung des Burchard von Hennegau zum Bischof von Metz an und fordert 
Rudolf auf, den Bischof und die Rechte seiner Kirche zu schützen. nr. 2136: 
Rudolf schreibt dem Grafen Theobald von Bar, er habe gehört, dass der König 
von Frankreich sich an mehreren Orten und Gebieten des Reichs eingedrängt 
habe und befiehlt dem Grafen bei der Treue, die er ihm und dem Reiche schulde, 
genauen Aufschluss über diese Sache zu geben. Nach nr. 1299 lässt sich Bischof 
Johann, nach nr. 2149a Bischof Burkard von Metz mit den Regalien durch den 
König investieren. 

Auffallend, aber bezeichnend ist es, dass sich unter den 2518 Urkunden 
auch nicht eine findet, welche auf die Stadt Metz Bezug hat, nicht einmal die 
unter den späteren Königen fast regelmässig wiederkehrende Privilegienbestätigung 
scheint von Rudolf eingeholt zu sein. w. 


— 360 — 


BERICHT 
über die Thätigkeit der (Gesellschaft für lothringische Geschichte und 


Altertumskunde 
vom 1. April 1897 bis 1. April 1898. 


Generalversammlung am Samstag, dem 24. April, 
nachmittags 5 Uhr, 
im Erdgeschosssaale des Bezirkspräsidiums. 


Anwesend vom Vorstande: Die Herren von Hammerstein, von Daacke, 
von Fisenne, Dr. Wolfram und ausserdem noch etwa 30 Mitglieder. 

Nach Eröffnung der Versammlung erstattet der Schatzmeister der Gesell- 
schaft, Herr Regierungs- und Forstrat von Daacke, den Rechenschaftsbericht für 
1896—97. Danach belaufen sich 


die@ Einnahmengaufe FM EN VOTESTEME 
die Auspaben auf Ian nl HEN a rer 
Sonach verbleibt ein Ueberschuss von. . . . . . . 28.45 M. 
Hierzu kommen die Baarbestände aus den früheren 
Jahren mite se Ayla Br RER NE CD BDO As 
so dass am Schlusse des Rechnungsjahres 1896/97 der 
Kassenbestand beträgt. . . . + + 17 2BA0.69.ME: 


Zu Rechnungsprüfern waren, wie im Vorjahre, die Herren Kreisschul- 
inspektoren Pünnel und van den Driesch gewählt. Bei Prüfung der Rechnung 
und der Belege wurden von den genannten Herren Anstände nicht erhoben. Auf 
Antrag des Herrn Pünnel wird dem Schatzmeister in der Generalversammlung 
Entlastung erteilt. 

Der Schriftführer, Archivdirektor Dr. Wolfram, verliest den Bericht über 
die Thätigkeit der Gesellschaft im Jahre 1896/97 (abgedruckt in der «Lothringer 
Zeitung» vom 28. April 1897 und in den hiesigen übrigen Zeitungen). 

An Stelle des nach Strassburg versetzten Herrn Majors Geppert wurde 
Herr Oberstlieutenant Weissenborn in den Vorstand gewählt. Der Vorsitzende teilt 
mit, dass für diesen Sommer ein grösserer Ausflug nach Vie (wahrscheinlich im 
Monat Juni) und weitere Ausflüge nach Alberschweiler und nach Moulins-Jussy- 
St. Ruffine in Aussicht genommen sind. 

Auch für das jetzt bereits begonnene Rechnungsjahr hat das kaiserliche 
Ministerium eine Beihülfe in der Höhe von 1000 Mark gewährt. 

Den Schluss der Sitzung bildete ein sehr lehrreicher und interessanter 
Vortrag des Herrn Oberst a. D. Kaufmann über die Reunionspolitik des Kardinals 
Richelieu. Die Reunionstheorie, welche darauf ausging, die angeblichen, mehr als 


— 361 — 


Compte-rendu 


des travaux de la Société d'histoire et d'archéologie lorraine 


du 1er avril 1897 au 1er avril 1898. 


Assemblée générale du samedi 24 avril, à 5 heures de l'après-midi, 
à l'Hôtel de la Présidence. 


Sont présents: MM. le baron de Hammerstein, de Daacke, de Fisenne 
Dr Wolfram, membres du Bureau, et environ 30 sociétaires. 

La séance étant ouverte, M. de Daacke, conseiller des forêts et trésorier de 
la Société rend compte des recettes et des dépenses faites par la Société pendant 
l'exercice 1896-97. 

Les recettes se sont élevées à. . . . . . . 7067.87 M. 

CALE ARDENEeS A 0 ana a a a LAPS OR E 


Reste un excédant de 28.45 M. 
En plus une encaisse provenant des exercices précé- 
HERO MN ET EN Sr MD EST EURE MIN co ni tre 2812285 


En sorte que l’encaisse actuelle de la Société est de . 2840.69 M. 

MM. Pünnel et van den Driesch, inspecteurs des écoles, avaient été chargés, 
comme les années précédentes, de vérifier les comptes. N'ayant trouvé, lors de 
l'examen des comptes et des pièces à l’appui, aucune objection à élever, M. Pünnel 
propose à l'assemblée générale de donner décharge au trésorier de sa gestion. 
Décharge est accordée à M. de Daacke. 

M. le Dr Wolfram, directeur des archives et secrétaire de la Société, donne 
lecture du compte-rendu des travaux de la Société pendant l'exercice 1896-97 
(imprimé dans la <Lothringer Zeitung» du 28 avril 1897, ainsi que dans les autres 
feuilles paraissant à Metz). 

En remplacement de M. le major Geppert, transféré à Strassburg, M. Weis- 
senborn, lieutenant-colonel, est élu membre du Bureau. M. le Président annonce 
que le Bureau a décidé de faire dans le courant de l’été une grande excursion 
archéologique vers la ville de Vic (probablement au mois de juin), une seconde 
dans la direction d’Alberschweiler et enfin une troisième dans les environs de 
Moulins-Jussy-Ste-Ruffine. 

Le ministère impérial a accordé de nouveau à la Société, pour l'exercice 
courant, une subvention de 1000 Mark. 

La parole est accordée ensuite à M. Kaufmann, colonel en retraite, qui 
expose d’une manière particulièrement instructive et intéressante la politique de 
réunion du cardinal Richelieu. D'après M. Kaufmann, la théorie de réunion qui 


zweifelhaften Rechte Frankreichs auf die drei Bistümer Metz, Toul und Verdun 
geltend zu machen, stammt aus den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts, als 
die Geschicke Frankreichs unter der Regierung Ludwig XIII. durch den allge- 
waltigen Minister, Kardinal Richelieu, gelenkt wurden. Bereits 1624 war eine 
Kommission, bestehend aus 3 Mitgliedern: Dubois, Lebret und Dupuy, eingesetzt, 
welche, ‘gemäss dem Edikte und der Dienstanweisung von 1624, den Auftrag 
erhielten, sämtliche in den öffentlichen Beständen niedergelesten Rechtstitel und 
Urkunden zu prüfen. Aus diesen Urkunden wurde mit Fleiss alles herausgegriffen, 
was nur irgendwie dem Könige ein scheinbares Anrecht auf die 3 Bistümer 
liefern konnte. Wo Rechtstitel nicht vorhanden waren oder sich nicht zu Gunsten 
der französischen Politik deuten liessen, wurden Zeugen gehört (tant par litres 
que par témoins). Diese vom Kardinal Richelieu eingesetzte Kommission von 3 
Mitsliedern, deren eifrige Thätigkeit, Umsicht und Klugheit übrigens sehr bewun- 
dernswert ist, bezeichnet der Redner als Vorreunionskammer. Erst 1679 wurde 
die eigentliche Reunionskammer eingerichtet. Ihre Aufgabe war nun eine leichte, 
nachdem ihre Vorgängerin bereits alle Schwierigkeiten zur Ausführung der 
Reunion entfernt hatte. In kurzer Zeit war die Vereinigung der 3 Bistümer Metz, 
Toul und Verdun rücksichtslos durchgeführt. Die Nachbarstaaten, insbesondere 
Deutschland, waren durch die kluge Politik Richelieus hingehalten und dachten 
nicht daran, Einspruch zu erheben. 

Der Vorsitzende sprach dem Herrn Oberst Kaufmann für seine wertvollen 
Mitteilungen den warmen Dank der Versammlung aus. 


Schluss der Sitzung 6'/ı Uhr. 


Vorstandssitzung. vom 2. Juni, nachmittags 2 Uhr, im 
Bezirkspräsidium. 


Anwesend: Der Vorstand mit Ausnahme der Herren von Fisenne, de Verneuil, 
Dorvaux und Besler (entschuldigt). 

Der Vorsitzende teilt mit, dass am 24. Mai Ministerialrat Du Prel im Auf- 
trage des Herrn Staatssekretärs in Metz war, um mit einigen Vorstandsmitgliedern 
eine Vorbesprechung über die zu bildende historische Landeskommission abzuhalten. 
Die damals entworfenen Leitsätze hat der Schriftführer, Dr. Wolfram, mittlerweile 
codificiert und sie werden nummehr dem Vorstande zur Durchberatung und 
Beschlussfassung vorgelegt. 


Ausflug nach Vic am Donnerstag, dem 9. Juni 1897. 


Von Metz, Saarburg, Saargemünd, Diedenhofen, Dieuze und Strassburg 
waren etwa 50 Mitglieder der Gesellschaft mit dem Zehnuhrzuge in Vie einge- 
troffen, wo sie von dem Gemeinderate mit dem Herrn Bürgermeister Chaligny an 
der Spitze feierlich auf dem Bahnhofe empfangen wurden. Der Zug der Gäste 
bewegte sich sodann durch die reichgeschmückten Strassen nach dem Stadthause. 
Dort hatten sich noch zahlreiche Bewohner der Stadt Vie zur Sitzung eingefunden, 
so dass der geräumige Saal kaum die Teilnehmer zu fassen vermochte. In 


EP ADS y 


tendait à prouver les droits fictifs et très douteux de la France sur les Trois- 
Evêchés Metz, Toul et Verdun, prend son origine déjà dans la première vingtaine 
du XVIIe siècle, alors que, sous Louis XIII, les destinées de la France étaient 
dirigées par le puissant cardinal Richelieu. Dès l’année 1624 une commission 
composée des trois membres bien connus: Dubois, Lebret et Dupuy, avait été 
instituée, qui reçut pour mission, conformément à l’edit et à l'instruction de 1624, 
d'examiner dans les dépôts publics tous les documents et titres. Parmi ces docu- 
ments la commission sut faire adroitement un choix de tous les titres qui accor- 
daient en apparence au roi un droit de propriété quelconque sur des Trois-Evêchés. 
Lorsque les titres faisaient défaut ou qu'ils ne prouvaient pas en faveur des 
prétendus droits du roi, la commission avait recours aux témoins (l'édit royal 
leur intimait l’ordre de vérifier les droits du roi »tant par titres que par témoins+<). 
Cette commission de 3 membres instituée par Richelieu, à laquelle il faut d’ail- 
leurs reconnaître une activité, une circonspection et une prudence vraiment 
étonnantes, est désignée par M. Kaufmann sous le nom de »Chambre de réunion 
préparatoires. Ce n’est qu’en 1679 que la Chambre de réunion proprement dite 
a été instituée. La tâche de cette dernière fut bien facile, depuis que la 
Chambre de réunion préparatoire avait réussi à écarter toutes les difficultés 
qui empêchaient d'exécuter la »Réunion«. La preuve, c'est que peu de temps 
après, la réunion des Trois-Evêchés de Metz, Toul et Verdun à la France était 
chose faite. Les Etats avoisinants, entre autre l'Allemagne, se laissèrent éblouir 
par l’adroite politique de Richelieu et ne songèrent aucunement à protester contre 
les empiétements de la France. 

M. le Président exprime à M. Kaufmann les remercîments de l’assemblée 
pour sa conférence si intéressante. 

La séance est levée à 6/4 heures. 


Séance du Bureau du 2 juin, à 2 heures de l'après-midi, à l'Hôtel 
de la Présidence. 


Sont présents: Les membres du Bureau à l'exception de MM. de Fisenne, 
de Verneuil, Dorvaux et Besler (ce dernier s’est fait excuser). 

Le Président annonce que M. le baron du Prel, conseiller ministériel, s’est 
rendu, sur l’ordre de M. le secrétaire d'Etat, à Metz afin de s’entretenir avec quel- 
ques membres du Bureau au sujet du projet de la création d'une commission 
historique pour l’Alsace-Lorraine. Les principes fondamentaux fixés dans cette 
conférence ont été codifiés entretemps par M. le Dr Wolfram, et le Bureau est 


x 


prié de les soumettre à sa délibération. 


Excursion à Vic du jeudi 9 juin 1897. 


Environ 50 sociétaires de Metz, Saarburg, Saargemünd, Diedenhofen, Dieuze 
et Strassburg arrivèrent à Vic par le train de 10 heures. Ils furent reçus solen- 
nellement à la gare par M. Chaligny, maire, entouré des conseillers municipaux. 
De la gare, les hôtes se rendirent à travers les rues de Vic richement décorées 
vers l'hôtel de Ville, où un grand nombre d'habitants de la ville avait déjà pris 
place pour assister à la séance, de sorte que la salle, quoique grande, put à 
peine contenir le grand nombre d’auditeurs. En l'absence du Président de la Société, 


— 564 — 


Abwesenheit des Vorsitzenden eröffnete Archivdirektor Wolfram die Sitzung und 
erteilte zunächst Herrn Bürgermeister Chaligny das Wort zu einer Begrüssungs- 
rede. Nach der Antwort des Vorsitzenden begann Herr Abb& Chatelain seinen 
Vortrag über die Geschichte der Stadt Vic. In ausserordentlich gründlicher Weise 
hatte sich Herr Chatelain in die reiche Vergangenheit des Ortes eingearbeitet und 
wusste fast eine Stunde lang das Interesse der Zuhörer zu fesseln. Nach ihm 
sprach Archivdirektor Dr. Wolfram über das Vicer Handwerk im 15. Jahrhundert. 
Auf Grund eines reichen Urkundenmaterials führte er aus, dass es in erster Linie 
die Bischöfe Conrad und Georg waren, denen Vic nicht nur die zunftmässige 
Organisation seines Handwerks zu danken hat, sondern die auch zahlreiche 
deutsche Handwerker hier angesiedelt haben. Sodann wurde die recht reichhaltige 
Ausstellung von Vicer Altertümern, die durch die Bemühungen des Herrn Bau- 
inspektor Rueff und Pfarrer Petit in Marsal zusammengebracht war, besichtigt. 

Nach Schluss der Sitzung fand ein gemeinsames Mittagessen im Amts- 
gerichtssaale statt, an dem 45 Mitglieder teilnahmen. 

Gegen 3 Uhr begann unter Führung der Herren Chaligny und Erzpriester 
Villaume die Besichtigung der hochinteressanten Stadt und der Kirche. In letzterer 
erregten besonders die reizvollen Statuen und die herrlich gestickten kirchlichen 
Gewänder die allgemeine Aufmerksamkeit. 

Um 5 Uhr versammelten sich die Gäste mit den Einheimischen noch bei 
einem guten Glase Münchener Bieres, um sich gegen sechs Uhr mit den besten 
Eindrücken von dem gutgelungenen Feste, der freundlichen Stadt und ihren 
Bewohnern zu verabschieden. 


Vorstandssitzung am Mittwoch, dem 7. Juli, mittags 12 Uhr. 


Anwesend: Die Herren von Hammerstein, Wichmann, Paulus, Grimme, von 
Daacke, Wolfram. 

Der Herr Vorsitzende wurde bei einer dienstlichen Anwesenheit in Strassburg 
angegangen, mit den Herren Professoren Bresslau, Varrentrapp, Wiegand über die 
Vorschläge betr. Bildung einer Landeskommission ins Benehmen zu treten. Für 
Herbeiführung einer Einigung machen die Herren Professoren eine Reihe von 
Vorschlägen. Der Vorstand der Gesellschaft für lothringische Geschichte und 
Altertumskunde acceptiert diese Vorschläge nicht in vollem Umfange. Ueber das 
Nähere muss auf die Protokolle verwiesen werden. 

Für die Untersuchungen der Kirche St. Peter in der Citadelle wird auf 
Antrag des Archivdirektors Wolfram ein Kredit von 300 Mark bewilligt. 

Von den Skulpturen bei Lemberg (pompöser Brunnen) soll, wenn die 
Kosten 100 Mark nicht übersteigen, ein Abguss gefertigt werden. Die Gesellschaft 
zur Erhaltung historischer Denkmäler im Elsass soll zum Ausflug am 17. Juli 
eingeladen werden. 


Ausflug nach Lörchingen, Alberschweiler, Hültenhausen 
und Lützelburg am Samstag dem 17. und Sonntag dem 
18. 111,.1897 


Unter Führung des Vorsitzenden brachen etwa 15 Teilnehmer mit dem 
Zuge 8 Uhr morgens nach Lörchingen auf. Aus verschiedenen Orten des Landes 


— 365 — 


M. le Dr Wolfram, directeur des archives, ouvrit la séance et accorda la parole 
à M. Chaligny, maire, qui exprima en termes chaleureux à l'assemblée quelques 
paroles de bienvenue. Après quelques paroles de remerciment de la part du 
secrétaire de la Société, M. l'abbé Chatelain commença sa conférence sur l’his- 
toire de la ville de Vic. M. Chatelain avait étudié de la manière la plus appro- 
fondie les temps passés de la ville et sut éveiller l'attention des auditeurs 
pendant toute une heure. Après M. Chatelain, M. le Dr Wolfram, directeur des 
archives, parla sur les corporations des métiers de la ville de Vic au XVe siècle. 
En se basant sur une riche collection de documents inédits, M. Wolfram prouva 
que la ville de Vic devait l’organisation des corporations de métiers en première 
ligne aux évêques Conrad et Georges de Metz, qui créèrent à Vic une nombreuse 
colonie d'artisans allemands. L'assemblée procéda ensuite à l'inspection de la 
riche collection des antiquités de Vic qui avait été réunie par les soins de 
M. Rueff, ingénieur d'arrondissement et de M. l'abbé Petit, curé de Marsal. 

La séance terminée, les sociétaires s’assemblerent à un dîner en commun 
daus la salle du tribunal cantonal, auquel 45 membres prirent part. 

Vers 3 heures, l'assemblée commença, sous la conduite de MM. Chaligny 
et Vuillaume, archiprêtre, la visite de la ville si intéressante et de son église. 
Dans l'église, ce furent particulièrement les charmantes statues et les admirables 
ornements d'église brodés qui attirèrent l'attention générale. A 5 heures, les hôtes 
se réunirent une dernière fois avec les habitants de Vic pour déguster ensemble 
de la bonne bière de Munich, après quoi ils prirent, vers 6 heures, congé de la 
ville et de ses aimables habitants, en emportant les meilleurs souvenirs de la 
fête qui avait si bien réussi. 


Séance du Bureau du mercredi 7 juillet 1897, à midi. 


Sont présents: MM. de Hammerstein, Wichmann, Paulus, Grimme, de Daacke 
et Wolfram. 

A l’occasion d’un voyage à Strassburg, M. le Président a été interpellé par 
MM. Bresslau, Varrentrapp et Wiegand, professeurs à l'université de Strassburg, 
au sujet de la formation d’une commission historique pour l’Alsace-Lorraine. 
Afin d’amener une entente, ces messieurs ont fait une série de propositions qui 
ne sont pas entièrement acceptées par le Bureau. Pour plus de détails, nous 
renvoyons au procès-verbal dressé lors de la réunion de la commission prépara- 
toire pour la création de la commission historique. 

Le Bureau vote une somme de 300 Mark pour opérer des fouilles dans l’an- 
cienne église St-Pierre. 

On fera faire un moule des sculptures de Lemberg (Pompöserbronn), à 
condition cependant que les frais ne dépassent pas la somme de 100 Mark. 

La Société alsacienne pour la conservation des monuments historiques a 
été invitée à prendre part à notre prochaine excursion du 17 juillet. 


Excursion à Lörchingen, Alberschweiler, Hültenhausen et Lützelburg 
du samedi 17 et dimanche 18 juillet 1597. 


15 sociétaires environ, sous la conduite de leur président, prirent le train 
de 8 heures pour se rendre à Lürchingen. Plusieurs autres sociétaires de difré- 


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kamen auf den Eisenbahnstationen weitere Herren hinzu, so dass etwa 30 Teil- 
nehmer die in Lörchingen am Bahnhofe bereit stehenden Wagen bestiegen. Nach 
kurzer Besichtigung der Altertümersammlung, welche Dr. Marchal seiner Vaterstadt 
Lörchingen hinterlassen hat, begaben sich die Teilnehmer zu den industriellen 
Anlagen, welche Herr Vallet, Landesausschussmitglied, in der Nähe der Stadt ge- 
schaffen hat. Es sind dies die Centrale für die elektrische Beleuchtung des Ortes, 
eine Holzschuhfabrik und ein elektrisches Sägewerk. In schneller Fahrt näherten sich 
dann die Wagen den naheliegenden Bergen; bei Neuscheuern wurden die Fuhrwerke 
verlassen und zu Fusse die Höhe erstiegen, auf welcher Herr Notar Welter im Auftrage 
der Gesellschaft seit einiger Zeit Ausgrabungen veranstaltet hatte. Das bisherige 
Resultat seiner Arbeit war überraschend reich gewesen. Nicht nur waren zahl- 
reiche Urnen, Glasgefässe, Steinkisten etc. zu Tage gefördert, auch einige Schmuck- 
stücke hatten sich gefunden, vor allem aber wertvolle gallorömische Grabdenk- 
mäler, von denen eines mit Inschrift versehen war. In Gegenwart der Anwesenden 
wurde durch Herrn Welter auch eine schöne verzierte Urne freigelegt. — Nach 
längerer Waldwanderung gewann man am Fusse des Berges die Wagen wieder. 
Die nächste Rast wurde in der Forellenfischzuchtanstalt des Herrn Gerard bei 
Wasperweiler gemacht. Nach Besichtigung der überaus praktischen Einrichtungen 
innerhalb des Gebäudes und der Fischteiche bot Herr Gerard den Anwesenden 
einen Imbiss, der mit grossem Danke angenommen wurde. So war die Zeit all- 
mählich herangekommen, die für die Ankunft in Alberschweiler festgesetzt war. 
Die freundliche Vogesenstadt war durch die Bemühungen des Herrn Oberförsters 
Reinartz. und Bürgermeisters Gasser reich mit Tannengrün geschmückt, aber auch 
aus den Häusern der Bewohner wehten grüssende Fahnen. Die Zahl der Teil- 
nehmer war mittlerweile immer grösser geworden, aus Saarburg war noch eine 
Reihe von Herren direkt eingetroffen, so dass an der gemeinsamen Tafel 46 Gäste 
gezählt werden konnten. Nach dem Essen fand noch eine weitere Fahrt auf die 
Höhen von La Valette statt, wo gleichfalls gallo-römische Reste in Gestalt von 
Ringwällen gefunden worden waren, die das Bild, welches am Nachmittage von 
der gallo-römischen Kultur dieser Gegend gewonnen war, ergänzten. Nach der 
Rückkehr von La Valette blieben die Mitglieder der Gesellschaft und ihre Gäste 
noch bis gegen Mitternacht bei einem Trunke frischen Bieres in frohem Gespräche 
beieinander. Am andern Morgen erfolgte schon um 6 Uhr der Aufbruch nach 
Lützelburg. Vom Bahnhofe folgte man der neugebauten Strasse und gelangte 
nach 1'/»stündigem Marsche nach dem hinter Hültenhausen gelegenen Tannen- 
walde. Hier hatte Herr Forstrat von Daacke drei gallo-römische Grabfelder entdeckt. 
Da Arbeiter zur Stelle waren, beschloss man, sofort einen Ausgrabungsversuch 
zu machen und stiess auch bald auf Reste von Thonurnen und Glasgefässen. In 
einem Grabe fand sich des weiteren eine Bronzeschnalle, im andern eine wert- 
volle Emaillefibel. Nach etwa vierstündiger Arbeit trat man den Rückweg an; in 
Hültenhausen wurde eine kurz zuvor gefundene Skulptur besichtigt, die sich als 
Merkurstein herausstellte. Während des Mittagessens in Lützelburg erschien 
zu allgemeiner freudiger Ueberraschung die gesamte Schule mit ihrem Lehrer, 
Herrn Gläser, an der Spitze und erfreute die Tischgäste durch den Vortrag mehr- 
stimmiger Lieder. Als Dank wurden an die Kinderschar nach einer kurzen herz- 
lichen Ansprache des Vorsitzenden die Kuchen verteilt, welche auf dem Tische 
zum Dessert bereit standen. Die Rückkehr nach den verschiedenen Heimatsorten 
erfolgte mit den Zügen zwischen 5 und 6 Uhr. 


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— 367 — 


rentes localités se joignirent à eux durant le trajet, de sorte que près de trente 
excursionnistes profitèrent les voitures qui les attendaient à la gare de Lürchingen. 
Après une courte visite de la collection d’antiquités que M. le Dr Marchal avait 
léguée à sa ville natale, les sociétaires se rendirent vers les établissements 
industriels que M. Vallet, membre du Landesausschuss, a créés dans les 
environs de la ville. Ces établissements se composent d'une fabrique centrale 
pour l'éclairage électrique de la ville, d'une fabrique de sabots et d’une scierie 
électrique. Dans une course rapide les voitures atteignirent les montagnes 
voisines; on descendit à Neuscheuern pour gravir la côte, sur laquelle M. Welter, 
notaire, avait fait exécuter depuis quelques temps des fouilles au nom de la 
Société. Les résultats de ses travaux furent très satisfaisants. On découvrit 
non seulement de nombreuses urnes, des vases en verre, des récipients en 
pierre, etc., mais encore quelques ornements et avant tout de précieuses pierres 
tumulaires gallo-romaines, dont l’une était revêtue d’une inscription. En pré- 
sence de l'assemblée, M. Welter mit à jour une belle urne coloriée. Apres une 
promenade assez longue à travers la forêt, les excursionnistes regagnèrent les 
voitures au pied de la montagne. La première halte eut lieu à l'établissement de 
pisciculture de M. Gérard, près de Wasperweiler. Après leur avoir montré les 
installations si pratiques de l'intérieur du bâtiment, ainsi que le réservoir de 
poissons, M. Gérard offrit aux sociétaires une collation qui fut acceptée avec 
plaisir. L'heure arriva bientôt où il fallut songer à partir pour Alberschweiler. 
L’aimable ville vosgienne avait été richement décorée par les soins de M. Reinartz, 
sous-inspecteur des forêts, et de M. Gasser, maire. Les habitants, de leur 
côté, avaient hissé des drapeaux devant leurs maisons en signe de bienvenue. Le 
nombre des excursionnistes augmentait entretemps de plus en plus. Plusieurs 
étaient venus directement de Strassburg, de sorte que l’on put compter 46 hôtes 
qui prirent part au repas en commun. Après le repas, la Société entreprit une 
nouvelle excursion vers les hauteurs de La Valette, où l’on avait découvert égale- 
ment des restes d’antiquités gallo-romaines sous forme d'enceinte préhistorique, 
etc., qui servirent à compléter l’image qu'on s'était faite d’abord de la civilisation 
gallo-romaine. Au retour de La Valette, les membres de la Société ainsi que leurs 
hôtes se restèrent réunis jusque vers minuit en se rafraichissant avec de la bonne 
bière et en s’entretenant avec animation et gaieté. Le lendemain matin, dès 6 heures, 
l'on se mit de nouveau en marche pour Lützelburg. De la gare, les excursionnistes 
suivirent la route nouvellement construite et après une heure et demie de marche; 
ils atteignirent la forêt de sapins située derrière Hültenhausen. M. de Daacke, 
conseiller des forêts, avait découvert à cet endroit 3 cimetières gallo-romains. 
Comme il y avait des ouvriers sur place, l’on fit faire des fouilles sur place, au 
courant desquelles on mit à jour des restes d’urnes et de vases en verre. Dans 
un des tombeaux l’on découvrit en outre une broche en bronze, dans un autre 
un objet précieux en émail. Après avoir fouillé ainsi pendant 4 heures, la Société 
reprit le chemin de Hültenhausen, où l’on avait découvert quelque temps aupa- 
ravant une sculpture représentant le dieu Mercure. Pendant le diner à Lützel- 
burg, les enfants des écoles, sous la direction de leur instituteur, M. Gläser, firent 
une surprise aux hôtes en exécutant plusieurs morceaux de chant. M. le Prési- 
dent leur exprima ses remerciments en quelques mots très affectueux et leur fit 
distribuer les gâteaux et friandises qui se trouvaient sur la table. Le départ des 
différents excursionnistes s’effectua par les trains entre 5 et 6 heures. 


Be 


Neu aufgenommen wurden die Herren: Chaligny, Bürgermeister, Vie; 
Georges, Kaufmann, Vic; Jeanpierre, Kreistagsmitglied, Klein-Bessingen; Kühne, 
Lieutenant im Regt. 136, Dieuze; Lang, Buchdruckereibesitzer, Metz; Mansuy, 
Bürgermeistereisekretär, Vic; Rehme, Redakteur, Metz; Roos, Rentamtmann, 
Lörchingen; Schillings, Polizeikommissär, Vic; Dr. Thrämer, Professor, Strassburg ; 
Vallet, Landesausschussmitglied, Lörchingen; Villaume, Erzpriester, Vic; Winkert, 
Kaufmann, Vic; Welter, Symphorian, Redingen. 


Vorstandssitzung am 30. August, vormittags 11 Uhr. 


Anwesend: Freiherr von Hammerstein, von Daacke, Wolfram. Mit Ent- 
schuldigung fehlen: Die Herren Wichmann und Weissenborn. 

Zu der Generalversammlung der deutschen Geschichtvereine, welche zu 
Dürkheim a. d. R. vom 3.—7. September tagt, sollen die Herren Dr. Wichmann 
und Dr. Wolfram als Delegierte der Gesellschaft gesandt werden. 

Herrn Dr. H. V. Sauerland sollen 600 Mark bewilligt werden, damit er bei 
seiner Anwesenheit in Rom Urkunden, Regesten und Abschriften zur lothringischen 
Geschichte sammelt. 


Besichtigung des Templerrefektoriums, der Templer- 
kapelle und der Kirche St. Peter in der Citadelle zu Metz, 
am Freitag, dem 8. Oktober, nachmittags 3 Uhr. 


Dank der Zuvorkommenheit der Fortifikationsbehörde, insbesondere der 
Herren Major Marcard und Hauptmann Thelemann, hatte die Gesellschaft Ge- 
legenheit, drei historisch und architektonisch höchst bemerkenswerte Bauten zu be- 
sichtigen, die den meisten Mitgliedern wohl noch völlig unbekannt waren. Die Ver- 
sammlung — etwa 50 Mitglieder an der Zahl — begab sich zunächst nach dem so- 
genannten Refektorium. Die Wände dieses schlichten zweischiffigen Saales sind mit 
Wandmalereien bedeckt, welche dem 13. Jahrhundert angehören. Dargestellt ist die 
Verkündigung Mariæ; zwischen den Fensternischen sind des weitern 5 Apostel- 
figuren wiedergegeben, die auf Maria hinweisen. Auf dem Querbalken, der die Decke 
trägt, sind turnierende Ritter dargestellt. Die Wandmalereien haben seit einer 
Reihe von Jahren sehr gelitten, die Holzdecke, die wohl auch bemalt war, ist 
abgebrochen. Dr. Wolfram, der über die Geschichte und Bedeutung des Bauwerks 
orientiert, spricht die Hoffnung aus, dass die wertvollen Malereien in Zukunft 
mehr geschützt werden; aus dem Interesse, das auch die anwesenden Herren 
Offiziere an dem Bauwerke bekunden, glaubt er mit Zuversicht schliessen zu 
dürfen, dass sie sich des Refektoriums thatkrättig annehmen und dasselbe vor 
weiterem Verfalle schützen werden. Einen Vergleich mit dem früheren Zustande 
der Malereien ermöglichen die ausgestellten Oelbilder, welche die Regierung 1874 
hat aufnehmen lassen und ein treffliches Aquarell, das Herr Oberbauwart Unter- 
mann in den 80er Jahren angefertigt hat und vorlegt. Hieran schliesst sich der 
Besuch der Templerkapelle. Dieselbe ist ein achteckiger Rundbau, an den sich 
eine halbkreisförmige Altarnische mit quadratischem Vorsatz anschliesst. Die 
Kapelle gehört der Uebergangszeit vom 12. zum 13. Jahrhundert an und ist in 
ihren Verhältnissen so harmonisch gehalten, dass sie auch auf den Laien nie 
ihren Eindruck verfehlen wird. Sie ist die einzige derartige Anlage auf deutschem 


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Furent admis au nombre des membres de la Société: MM. Chaligny, maire 
de Vie; Georges, négociant à Vic; Jeanpierre, membre du Conseil d'arrondissement 
à Klein-Bessingen ; Kühne, lieutenant au 136° rég. d’inf. à Dieuze; Lang, proprié- 
taire d'imprimerie à Metz ; Mansuy, secrétaire de mairie à Vic; Rehme, rédacteur 
à Metz; Roos, receveur d'enregistrement à Lörchingen; Schillings, commissaire 
de police à Vic; Dr Thrämer, professeur de l'Université de Strassburg; Vallet, 
membre du Landesausschuss à Lörchingen; l'abbé Vuillaume, archiprêtre de Vie; 
Winkert, négociant à Vic; Welter Symphorien à Redingen. 


Séance du Bureau du 30 août, à 11 heures du matin. 


Présents: MM. de Hammerstein, de Daacke et Wolfram. MM. Wichmann 
et Weissenborn se sont fait excuser. 

Il est décidé que MM. Wichmann et Wolfram se rendront au nom de la 
Société à Durkheim s.R. du 3 au 7 septembre pour prendre part à l’assemblee 
générale des Sociétés d'histoire de l’Allemagne. 

Un crédit de 600 Mark est voté pour mettre M. le Dr Sauerland en état de 
se rendre à Rome et d'y faire les regestes et les copies de documents qui con- 
cernent l'histoire lorraine. 


Visite du refectoire et de la chapelle des Templiers, ainsi que de l'église 
St-Pierre à la citadelle de Metz, le vendredi 8 octobre, à 3 heures de 
l'après-midi. 

Grâce à la prévenance de l'administration de la fortification, entre autres 
de MM. le major Marcard et le capitaine Thelemann, la Société d'archéologie a 
eu l’occasion de visiter trois monuments excessivement remarquables par leur 
histoire et leur architecture, qui étaient probablement encore inconnus à la plu- 
part des membres. La Société — environ 50 membres — se rendit d'abord dans 
le local appelé communément réfectoire. Les murs de cette salle à 2 nefs sont 
ornés de peintures murales du XIIIe siècle qui représentent l’annoneiation de la 
Vierge Marie; entre les niches des fenêtres on remarque l’image de 5 apôtres 
qui montrent sur la Vierge. Sur la poutre transversale qui supporte le pla- 
fond sont représentés des cavaliers combattant en tournois. Les peintures murales 
ont souffert beauconp depuis plusieurs années, tandis que le plafond en bois, 
qui a aussi dû être orné de peintures, est enlevé. M. le Dr Wolfram donna des 
renseignements détaillés sur l'histoire et l'importance du monument et exprima 
en même temps l'espoir que ces peintures si précieuses seront mieux conservées 
à l'avenir. A en juger par le grand intérêt dont MM. les officiers présents ont 
fait preuve, il croit pouvoir conclure qu'ils ne manqueront pas de prendre le 
réfectoire sous leur protection afin de le préserver dorénavant contre tout autre 
endommagement. On put établir une comparaison de l'état actuel de ces pein- 
tures avec leur ancien état au moyen de tableaux à l'huile, exposés à la séance, 
que le gouvernement avait fait faire en 1874, ainsi qu'au moyen d’une aquarelle 
que M. Untermann, inspecteur des fortifications, avait faite vers 1880. De là, on 
passa à la visite de l’oratoire des Templiers. Cet oratoire est un bâtiment octo- 
gone auquel s'adapte une niche d’autel demi-circulaire, précédée d'une saillie en 
pierre de forme carrée. L'oratoire date de la période de transition du XI au 
XIIIe siècle et présente dans ses différentes parties une telle harmonie qu'il ne 

24 


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Boden. Die Templerkapelle hat ein günstigeres Geschick gehabt als das Refek- 
torium, insofern schon die französische Regierung ihre Aufnahme in die klassierten 
Denkmäler des Landes verfügt hat. Trotzdem hat auch sie durch Benutzung seitens 
des Militärfiskus stark gelitten; insbesondere sind die alten Wandmalereien, die 
sie bedecken, fast ganz verschwunden. Um so höher ist das Verdienst des Herrn 
Oberstlieutenant Krebs anzuschlagen, der sie im vergangenen Jahre der Verwen- 
dung als Telegraphistenschule entzogen hat. Dr. Wolfram, der auch hier eine 
Uebersicht über Geschichte und Bedeutung des Bauwerks giebt, drückt unter der 
allgemeinen Zustimmung der Anwesenden den Wunsch aus, dass die Regierung 
Mittel und Wege finden möge, das Innere des Gotteshauses, vor allem die Wand- 
malerei in würdiger Weise zu restaurieren und der allgemeinen Besichtigung zu- 
gänglich zu machen. Die Kapelle würde dann, so klein sie auch sei, nächst der 
Kathedrale sicher die erste Sehenswürdigkeit der Stadt bilden. 

Die Versammlung begab sich sodann nach der schräg gegenüberliegenden 
St. Peterskirche, die heute als Brieftaubenstation dient. Baurat Knitterscheid hat 
auf Veranlassung des Vorstandes eine gründliche Untersuchung des Gebäudes 
vorgenommen und legt in längerem Vortrage die Resultate seiner Forschungen 
dar. Er ist dabei zu dem hochwichtigen Ergebnis gekommen, dass wir in dem 
heute vorhandenen Bauwerke im wesentlichen noch die merowingische Kirche 
des 7. Jahrhunderts vor uns haben. Im 10. Jahrhundert ist durch Einbau und 
Ausscheidung eines Narthex innerhalb der merowingischen Umfassungsmauern 
eine romanische Kirche entstanden, die endlich im 15. Jahrhundert abermals 
gründlich der Zeit entsprechend umgebaut und vor allem eingewölbt wurde. Eine 
ausführliche Würdigung des hochinteressanten Vortrages kann unterbleiben, da 
derselbe oben, 8. 97 ff., abgedruckt ist. 


Vorstandssitzung am 11. Nov. 1897, nachmittags 3 Uhr. 


Tagesordnung: 


1. Antrag des Herrn Redakteur Houpert betr. Herausgabe eines Wörter- 

buchs der deutsch-lothringischen Dialekte. 

2. Welche Schritte sollen geschehen zur Erhaltung der historischen Bau- 

denkmäler in der Citadelle ? 

3. Vorbesprechung über die Wahl zweier neuer Vorstandsmitglieder. 

Anwesend sind: Die Herren von Hammerstein, Weissenborn, Paulus, Grimme, 
Fridrici, von Daacke, de Verneuil, Wolfram. Entschuldigt sind Benoit und 
Wichmann. 

Herr Redakteur Houpert hat seinen Antrag in einem Schreiben ausführlich 
begründet. Er denkt an eine Publikation, die der von Martin und Lienhardt 
für den elsässischen Dialekt herausgegebenen gleichartig ist. Allseitig wird anerkannt, 
dass eine derartige Arbeit dringend wünschenswert ist. Freiherr von Hammerstein 
beantragt eine Kommission zu ernennen, bestehend aus den Herren Grimme, Paulus, 
Wolfram, die mit Houpert in Verbindung treten und den Entwurf eines Arbeits- 
programms dem Vorstande vorlegen soll. 

Zu Punkt 2 einigt sich der Vorstand dahin, dass er dem Herrn Bezirks- 
präsidenten den Wunsch ausspricht, staatlicherseits zu bewirken, dass die Tem- 
plerkapelle allgemein zugänglich gemacht und für ihre Erhaltung Sorge getragen 
wird, Bezüglich des Templerrefektoriums beschliesst der Vorstand, ein Schreiben 


— di — 


manque jamais de produire son effet sur toute personne qui le voit pour la pré- 
mière fois. C'est le seul monument de ce genre dans tout l'Empire d'Allemagne. 
L’oratoire des templiers a eu un meilleur sort que le réfectoire, en ce sens que 
déjà le gouvernement français l'avait fait classer parmi les monuments historiques 
du pays. Néanmoins, il a été très détérioré par l'usage qu’en a fait le fisc mili- 
taire. Les antiques peintures murales, entre autres, ont presque complètement 
disparu. Le mérite de M. Krebs, lieutenant-colonel, est d'autant plus grand, puisque, 
grâce à lui, on a cessé, l’année dernière, de s'en servir comme école de télé- 
graphie. M. le Dr Wolfram donna également un aperçu sur l'histoire et l’impor- 
tance du monument et exprima, sous l'approbation générale de l'assemblée, le 
désir que le gouvernement trouvât les moyens de restaurer d'une manière 
digne l'intérieur de l’oratoire, avant tout les peintures murales, et de le rendre 
accessible au public. L’oratoire, tout petit qu'il est, serait, après la cathédrale, 
certainement une des premières curiosités de la ville. 

L'assemblée se dirigea ensuite vers l’ancienne église de St-Pierre qui se 
trouve presque vis-à-vis de l’oratoire et sert aujourd’hui de station de 
pigeons voyageurs. M. Knitterscheidt, conseiller d'architecture, a, sur la demande 
du Bureau, fait une inspection approfondie de l'édifice et expose dans une longue 
conférence les résultats de ses recherches. M. Knitterscheidt est parvenu à dé- 
montrer que le bâtiment actuel est, en principe, encore l'église mérovingienne 
du VII siècle. Au Xe siècle, par suite de la construction d’un narthex à l’inte- 
rieur des murs d'enceinte mérovingiens, l’église est devenue romane, pour être 
enfin, au XVe siècle, de nouveau complètement restaurée et voûtée. Comme la 
conférence si intéressante de M. Knitterscheidt a paru dans le présent annuaire, 
il est inutile d'en donner ici une appréciation plus étendue. 


Séance du Bureau du 11 novembre, à 3 heures de l'après-midi. 
L'ordre du jour porte : 


1. Proposition de M. Houpert, rédacteur, relative à l'élaboration d'un dic- 

tionnaire des dialectes allemands en Lorraine. 

2. Quelles sont les démarches à faire pour la conservation des monuments 

historiques de la citadelle ? 

3. Proposition pour l'élection de deux membres du Bureau. 

Sont présents: MM. de Hammerstein, Weissenborn, Paulus, Grimme, 
Fridrici, de Daacke, de Verneuil, Wolfram. MM. Benoit et Wichmann se sont 
fait excuser. B 

M. Houpert, rédacteur, a motivé sa proposition dans un mémoire qu'il a 
présenté au Bureau. Il propose un travail semblable à celui publié par 
MM. Martin et Lienhardt de Strassburg. On est unanime à reconnaitre qu'un 
tel travail est absolument nécessaire. M. le baron de Hammerstein propose de 
nommer une commission se composant de MM. Grimme, Paulus et Wolfram, qui 
se mettront en rapport avec M. Houpert et présenteront au Bureau un programme 
sur le travail projeté. 

Quant au point 2, les membres du Bureau sont d'accord pour demander 
à M. le Président du département de bien vouloir servir d’interprete auprès du 
gouvernement, afin de rendre l’oratoire des templiers accessible au public et 
pour pourvoir à sa parfaite conservation. Quant au réfectoire des templiers, 


24* 


an die Fortifikation zu richten und dieser den Wunsch auszusprechen, dass das- 
selbe der bisherigen Benutzung entzogen und für möglichste Erhaltung Sorge 
getragen wird. Was endlich die Peterskirche angeht, so soll die Knitterscheidtsche 
Publikation abgewartet und ein Sonderabzug derselben dem Kriegsministerium, 
dem Ministerium von Elsass-Lothringen, dem Herrn Statthalter, dem komman- 
dierenden General, dem Gouverneur etc., unter Hinweis auf die ausserordentliche 
Wichtigkeit dieses Gebäudes und mit der Bitte um dessen Erhaltung überreicht 
werden. 

Als Vorstandsmitglieder werden in Vorschlag gebracht die Herren Oberlehrer 
Dr. Keune und Notar Welter in Lörchingen. Der Schriftenaustausch mit dem 
Vereine für Meiningensche Geschichte und Landeskunde wird genehmigt. 

Auf ein Ansuchen der Herren Professor Dr. Köcher in Hannover, Professor 
Dr. Prutz in Königsberg und Geheimrat Dr. von Weech in Karlsruhe um Mithülfe 
bei der Wiederbelebung der Konerschen Repertorien soll geantwortet werden, 
dass die Gesellschaft gerne bereit ist, ein Verzeichnis sämtlicher in ihren Jahr- 
büchern enthaltenen Arbeiten einzusenden, dass es ihr aber an Arbeitskräften 
fehlt, um sämtliche lothringische Zeitschriften von 1850 an in derselben Art durch_ 
zuarbeiten. 


Wissenschaftliche Sitzung am 11. November 1897, 
nachmittags 4 Uhr. 


Anwesend die obengenannten Vorstandsmitglieder und Professor Wichmann, 
dazu gegen 40 Mitglieder. 

Der Vorsitzende teilt mit, dass einer der Gründer der Gesellschaft, Herr 
Abbé Cavillon, verstorben sei. Um sein Andenken zu ehren, erheben sich die 
Anwesenden von ihren Sitzen. : 

Der Herr Bischof von Metz hat der Gesellschaft in Anerkennung ihrer 
nützlichen Thätigkeit und in der Hoffnung, dass sie ihre Forschungen über die 
kirchlichen Gebäude der Stadt und des Landes fortsetzt, 200 Mark überwiesen. 
Der Vorsitzende spricht den Dank der Gesellschaft aus und betont, dass es 
derselben wertvoll sei, sich in der Art und Weise ihres Arbeitens der Zustimmung 
Seiner bischöflichen Gnaden sicher zu wissen. 

Dankschreiben für das Jahrbuch sind eingegangen aus dem Civilkabinet 
Seiner Majestät des Kaisers, vom Herrn Statthalter, dem Reichskanzler Fürsten 
Hohenlohe, dem Altreichskanzler Fürsten Bismarck und von Seiner Königlichen 
Hoheit dem Grossherzog von Baden. Letzterer giebt sein reges Interesse an 
dieser neuesten Publikation zu erkennen und spricht seine Freude darüber aus, 
dem Jahrbuche entnehmen zu können, welche Fortschritte in den letzten acht 
Jahren seit Gründung der Gesellschaft auf dem Gebiete historischer Forschung 
gemacht wurden. Gleichzeitig übersendet er eine Photographie der in Baden 
s. Z. gefundenen Mithräen, um dadurch Gelegenheit zu wissenschaftlichen Ver- 
gleichen und Forschungen zu geben. Der Vorsitzende bringt das Gefühl dank- 
barer Freude, das die Anwesenden bei Vorlesung dieses Briefes erfüllt, in warmen 
Worten zum Ausdruck. 

Neu aufgenommen werden: Die Herren Rentner Faye, Lörchingen; Pro- 
fessor Dr. Follmann, Metz; Gymnasiallehrer Dr. Gnädinger, Metz; Leo Hück, 
Busendorf; Erzpriester Kremer, Mörchingen ; Major Lücker, Metz; Abbé Dr. Mar- 
tin, Nancy; Bauinspektor Mavkiechel, Metz; Generalsekretär Rägoözy, Metz; Pro- 


— 373 — 


le Bureau décide de faire exprimer à la fortification le désir qu'il soit tiérer 
de l'usage auquel il a servi jusqu'ici, et qu'il soit pourvu autant que possible 
à sa conservation. 

Quant à l’ancienne église St-Pierre, il est décidé que l'on attendra la fin 
du travail de M. Knitterscheidt pour en envoyer un exemplaire au Ministère de 
l’Alsace-Lorraine, au Statthalter, au général commandant le corps d'armée, au 
Gouverneur, etc., en les priant, de bien vouloir pourvoir à la conservation de cet 
édifice, vu sa grande importance. 

Sont proposés comme membres du Bureau MM. Keune et Welter, notaire 
à Lörchingen. 

L’échange de publications avec la Société d'histoire de la province de 
Meiningen est approuvé. 

A la demande de MM. les professeurs Dr Köcher à Hannovre, Dr Prutz 
à Königsberg et D' von Weech, conseiller intime à Karlsruhe, tendant à faire 
revivre les répertoires appelés communément «répertoires de Koner», le Bureau 
décide de répondre que la Société est toute disposée à envoyer un tableau de 
tous les travaux contenus dans ses annuaires, mais qu'il lui est impossible, à 
cause du manque d’un nombre suffisant de collaborateurs, de faire un tableau 
semblable pour toutes les publications parues depuis 1850. 


Séance scientifique du 11 novembre 1897, à 4 heures de l'après-midi. 


Assistent à la séance: les membres du Bureau, ainsi que M. le professeur 
Wichmann; en outre 40 sociétaires. 

M. le Président annonce la mort de M. l'abbé Cavillon, un des fondateurs 
de la Société. Pour honorer sa mémoire les assistants se lèvent de leurs sièges. 

Mgr l’évêque de Metz a fait don à la Société d’une somme de 200 Mark, 
comme témoignage de son estime pour les mérites que la Société s'est acquis en 
travaillant à la conservation des monuments religieux de la ville et du départe- 
ment. Le Président exprime les remerciments de la Société et ajoute qu'il lui est 
agréable de constater, que la manière de travailler de la Société a été honorée 
de l’assentiment de Sa Grandeur. 

Des lettres de remerciments pour le dernier annuaire ont été adressées 
‘à la Société de la part du Cabinet civil de sa Majesté l'Empereur, de son Altesse 
le Statthalter, du prince de Hohenlohe, chancelier, du prince de Bismarck et de 
Son Altesse royale le grand-duc de Bade. Ce dernier exprime son plus vif intérêt 
pour la récente publication et constate avec plaisir les progrès qui ont été faits 
par la Société dans les huit dernières années sur le terrain de l'histoire. Il 
envoie en même temps une photographie du monument de Mithras, qui a été 
découvert dans le grand-duché de Bade, pour en faire une comparaison avec 
celui de Saarburg et poursuivre les recherches scientifiques. Le Président 
exprime en paroles bien senties la satisfaction que produit cette lettre sur toute 
l'assemblée. 

Sont admis au nombre des membres de la Société: MM. Faye, renier à 
Lörchingen; Dr Follmann et Dr Gnädiger, professeurs à Metz; Léon Hück à 
Busendorf; l'abbé Kremer, archiprêtre à Mörchingen; Lücker, major à Metz; 
l'abbé Dr Martin, à Nancy; Maykiechel, inspecteur d'architecture à Metz; Rägöezy, 
secrétaire général à Metz; Dr Seyfert et Dr Stünkel, professeurs à Metz; l'abbé 


— 314 — 


fessor Dr. Seifert, Metz; Professor Dr. Stünkel, Metz; Pfarrer Thilmont, Ober- 
ginningen; Pfarrer Wagner, Freisdorf; Regier.-Bauführer Trapp, Saarburg. 

Herr Schlosser in Drulingen überreicht eine Abhandlung über den auf 
lothringischem Boden bei Butzel gefundenen Viergötterstein. — Dank. 

Der Herr Bürgermeister von Bischdorf übersendet ein Schwert, eine Lanze, 
eine Schelle und eine römische Münze des 4. Jahrhunderts, die in der Dorfflur 
gefunden sind. — Dank. 

Herr Pfarrer Paulus überreicht einen bei Craincourt gefundenen wohl 
fränkischen Elfenbeinkamm. — Dank. 

Der Vorsitzende teilt mit, dass Herr Sauerland in Trier vom Vorstande der 
Gesellschaft und demjenigen des Vereins für rheinische Geschichtskunde nach 
Rom gesandt wurde, um Forschungen im Vatikanischen Archive vorzunehmen. 
Die Verhandlungen resp. der mit Herrn Dr. Sauerland geschlossene Vertrag liegt 
bei den Akten. 

Der Vorsitzende der Gesellschaft zur Erhaltung geschichtlicher Denkmäler 
im Elsass, Herr Kanonikus Dacheux, teilt mit, dass der elsässische Nachbarverein 
auf Vorschlag unserer Gesellschaft beschlossen hat, gleichfalls Grundkarten zu 
publizieren. Eine Kommission ist ernannt, die mit der unsrigen in Verbindung 
treten soll. Der Vorsitzende bringt zur Kenntnis, dass die Herren von Fisenne 
und Besler aus dem Vorstande ausgeschieden sind. Da die Vorstandswahl nicht 
auf der Tagesordnung steht, so fragt er an, ob sich ein Widerspruch erhebt, wenn 
‚dieselbe trotzdem stattfindet. Da dies nicht der Fall ist, wird zur Wahl geschritten, 
deren Resultat die Ernennung der Herren Oberlehrer Dr. Keune und Notar 
Welter in Lörchingen ist. Nach Vorlegung der während des Sommerhalbjahres 
eingegangenen Tauschschriften wird Herrn Pfarrer Poirier aus Peltre das Wort 
erteilt zu einem Vortrage über: Les registres des églises de Metz (1541—1790). 
Der Vortragende hat dem spröden Material überaus reiche geschichtliche Ergeb- 
nisse abgewonnen und trägt dieselben in fesselnder Weise vor. Die wertvolle Ar- 
beit wird demnächst veröffentlicht werden. 


Sitzung vom 10. Dezember 1897, nachmittags 5 Uhr, im 
Bezirkspräsidium. 


Anwesend die Herren: Freiherr von Hammerstein, Wichmann, Weissenborn, 
Keune, Paulus, Wolfram und 47 Mitglieder. 

Ein Antrag auf Schriftenaustausch seitens eines polnischen historischen 
Vereins in Lemberg wird abgelehnt, da kein Mitglied der polnischen Sprache 
mächtig ist. 

Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Die Herren Oberforstmeister 
Ney, Metz; Lehrer Richard, Moulins; prakt. Arzt Dr. Schrön, Moulins; Pfarrer 
Becker, Chanville; Oberlehrer Müller, Forbach. 

Nach Vorlegung der eingegangenen Tauschschriften erteilt der Vorsitzende 
Herrn Stadtarchivar Dr. Winkelmann aus Strassburg das Wort zu einem Vortrage 
über: Den Anteil der deutschen Protestanten an den kirchlichen Reformbestreb- 
ungen in Metz 1552. Auf Grund eines reichen, bisher unbekannten oder wenig- 
stens unbenutzten urkundlichen Materials führt der Vortragende aus, wie die 
Metzer Reformbewegung jederzeit in engster Beziehung zu den Protestanten im 


\ 
4 


Sasha 


— 33 — 


Thilmont, directeur de l’orphelinat à Oberginingen; l'abbé Wagner, curé à Freis- 
dorf; Trapp, surveillant de travaux à Saarburg. 

M. Schlosser à Drulingen fait don à la Société d'un travail sur un « Vier- 
götterstein » découvert sur le territoire lorrain près de Butzel. 

M. le Maire de Bischdorf envoie une épée, une lance, une sonnette et une 
monnaie romaine du IVe siècle. Ces objets ont été trouvés sur le ban de Bisch- 
dorf. M. l’abbe Paulus présente un peigne en ivoire trouvé près de Craincourt. 
Le Président exprime ses remerciments aux donateurs. 

_ Le Président annonce à l'assemblée que M. le Dr Sauerland de Trêves a 
été envoyé à Rome par le Bureau de notre Société et par celui de la Société 
d'histoire rhénane, à l’effet de faire des recherches dans les archives du Vatican. 
Les correspondances ainsi que le contrat passé avec M. le Dr Sauerland se trouvent 
dans les archives de la Société. 

M. le chanoine Dacheux, président de la Société alsacienne pour la con- 
servation des monuments historiques, annonce que la Société alsacienne, faisant 
droit à notre proposition, a également décidé de faire publier des cartes primi- 
tives (Grundkarten). Une commission a été nommée qui se mettra en rapport 
avec la commission de notre Société. 

M. le Président fait savoir que MM. de Fisenne et Besler ont demandé à 
ne plus faire partie du Bureau. L'élection du Bureau n'étant pas à l'ordre du 
jour, M. le Président demande si cette élection ne pourrait avoir lieu quand 
même, et comme il n’y a aucune opposition, on procède de suite à l'élection de 
deux membres du Bureau. MM. le Dr Keune, professeur, et Welter, notaire à 
Lörchingen, sont élus. 

On passe en revue les publications envoyées par d'autres Sociétés dans le 
courant du semestre d'été. M. l’abb& Poirier, curé de Peltre, fait ensuite une 
conférence sur »les registres des églises de Metz (1541—1790)«. M. Poirier a su 
tirer, parmi des matériaux épars, des conclusions historiques excessivement pré- 
cieuses qu'il a communiquées à l'auditoire d'une manière très attrayante. Ce 
précieux travail sera publié sous peu. 


Séance du 10 décembre 1897, à 5 heures de l'après-midi, à l'Hôtel 
de la Présidence. 


Assistent à la séance: MM. de Hammerstein, Wichmann, Weissenborn, 
Keune, Paulus et Wolfram, membres du Bureau, ainsi que 47 sociétaires. 

La demande d’une Société d'histoire polonaise à Lemberg tendant à entrer 
en voie d'échange avec notre Société est rejetée, parce qu'aucun membre de 
notre Société ne possède la langue polonaise. 

Sont admis au nombre des membres de la Société : MM. Ney, conservateur 
des forêts à Metz; Richard, instituteur à Moulins; Dr Schrün, médecin à Moulins ; 
l'abbé Becker, curé à Chanville; Müller, professeur à Forbach. 

Après avoir passé en revue les publications données en échange par d’autres 
Sociétés, M. le Président accorde la parole à M. le Dr Winckelmann, archiviste de 
la ville de Strassburg, pour sa conférence sur la »participation des protestants 
allemands aux tendances de réforme à Metz en 1552«. En se basant sur de 
nombreux documents qui étaient jusqu'ici à peu près inconnus, l'orateur expliqua 
comment le mouvement réformateur à Metz a toujours été lié intimement au 


Be pe 


Reiche (Städten und Fürsten) gestanden hat. Dem °/sstündigen Vortrag, der im 
Jahrbuche zum Abdruck gelangt ist und deshalb nicht weiter analysiert zu 
werden braucht, folgt der laute Beifall der Zuhörer. 

Nach Dr. Winkelmanns Vortrag legt Oberstabsarzt Dr. Ludwig römische 
Terra sigillata-Scherben von schöner Erhaltung und einen kostbaren goldenen 
römischen Ring mit geschnittener Gemme vor. Indem er sich die Mitteilung des 
Fundortes vorbehält, fragt er an, ob die Gesellschaft Mittel zu systematischer 
Ausgrabung zur Verfügung stellen würde. Der Vorsitzende erklärt die Bereit- 
willigkeit der Gesellschaft, diese Nachforschungen vorzunehmen. Da die Zeit 
schon vorgerückt ist, werden die Mitteilungen des Archivdirektors Dr. Wolfram 
über Metzer Kunstdenkmäler auf eine spätere Sitzung verschoben. 


Sitzung der Kommission zur Herausgabe eines Wörter- 
buchs der deutsch-lothringischen Dialekte am Samstag, 
dem 15. Januar 1898, nachmittags 3 Uhr, im Archi 


Anwesend: Die Herren Professor Dr. Follmann, Pfarrer Paulus, Archiv- 
direktor Dr. Wolfram. Mit Entschuldigung fehlt Herr Redakteur Houpert, ausserdem 
Herr Oberlehrer Dr. Grimme. 

Archivdirektor Dr. Wolfram eröffnet die Sitzung mit dem Ausdrucke des 
' Dankes für die gefällige Mitwirkung des Herrn Dr. Follmann. Sodann teilt er mit, 
dass er zur bessern Information Herrn Professor Martin in Strassburg aufgesucht 
habe, der in liebenswürdiger Weise seinen Rat und seine Hülfe zur Verfügung 
gestellt hat. Gestützt auf diese Ratschläge werden folgende Beschlüsse gefasst: 


1. Das Wörterbuch soll durchaus wissenschaftlich gehalten sein nach der 
Art von Schmellers bairischem Wörterbuch und dem Wörterbuch der 
elsässischen Dialekte. 


2. Die Aussprache soll durch Lautschrift angegeben werden und zwar soll 
die Kräutersche Lautschrift Verwendung finden. 

3. Die Sammlung geschieht auf einzelnen Zetteln, auf denen auch das 
Genus der Substantiva, die Pluralformen und bei Verben die Conjugation 
anzugeben ist. 

4. Die Redaktion übernimmt ein Fachmann. 


5. Der Redakteur wird honoriert; ebenso werden die Mitarbeiter für jeden 
Zettel mit 5 Pfg. bezahlt. 

6. Die hieraus entstehenden Kosten von jährlich 1000 Mark werden auf 
5 Jahre bei der zu bildenden historischen Landeskommission beantragt. 

7. Einstweilen sollen vom Ministerium die vom Pfarrer Liebich gesam- 
melten Fragebogen, ebenso von Bibliothekar Wenker in Saarburg das 
Material zu seinem Sprachatlas erbeten werden. 

8. Herr Professor Follmann erklärt sich bereit, die Gesamtredaktion zu 
übernehmen. 

9. Die gefassten Beschlüsse sollen dem Vorstande der Gesellschaft für 

lothringische Geschichte und Altertumskunde in seiner nächsten Sitzung 

zur Bestätigung vorgelegt werden. 


4 
| 


ua u mi di mé le LS ét de 


— 317 — 


protestantisme de l'Empire {villes et princes régnants). Cette lecture qui a duré 
cinq quarts d'heure sera imprimée dans l'annuaire, de sorte qu'il n'y a pas lieu 
de l’analyser ici plus amplement. L'assemblée exprime sa satisfaction. 

Après M. le Dr Winckelmann, M. le Dr Ludwig, médecin-major, montre à 
l'assemblée un anneau romain en or, très précieux, muni d'une pierre gemme 
divisée au milieu. M. le Dr Ludwig se réserve d'indiquer exactement l'endroit 
où la trouvaille a été faite et demande si la Société est disposée à accorder 
les fonds pour opérer des fouilles systématiques. Le Président déclare que la 
Société sera tout disposée à faire faire ces fouilles. L'heure étant déjà avancée, 
les explications que M. le Dr Wolfram voulait donner sur quelques monuments 


x 


d'art de Metz sont remises à une séance ultérieure. 


Séance de la Commission pour la publication d'un dictionnaire des dialectes 
allemands de la Lorraine, du samedi 15 janvier 1898, à 3 heures de 
l'après-midi, aux archives départementales. 


Sont présents: MM. le Dr Follmann, professeur, l’abbe Paulus, curé, 
Dr Wolfram, directeur des archives. Se sont fait excuser MM. Houpert, rédac- 
teur, et Dr Grimme, professeur. 

M. Wolfram remercie d'abord les membres de la commission d’avoir bien 
voulu prêter leur concours pour le travail qui va être entrepris. Puis il leur 
annonce que pour mieux se renseigner sur la marche à suivre, il est allé 
trouver M. Martin, professeur à l'Université de Strassburg, qui a déclaré vouloir 
contribuer par ses ecnseils à l'exécution du travail de la commission. En se basant 
sur les conseils donnés par M. Martin, la commission prend les décisions suivantes : 


1. Le dictionnaire sera absolument scientifique, dans le genre du diction- 
naire des dialectes bavarois par Schmeller et du dictionnaire du dialecte 
alsacien. 

2. La prononciation sera indiquée d’après la méthode de Kräuter. 

3. La collection sera faite sur différents billets sur lesquels on indiquera 
aussi le genre des substantifs, les formes du pluriel et la conjugaison 
des verbes. 

4. Un rédacteur spécialiste se chargera de la rédaction. 

5. Le rédacteur touchera des honoraires; les collaborateurs toucheront 
également 5 Pf. pour chaque billet. 

6. Les frais qui se monteront à 1000 Mark par an seront répartis sur 5 ans 
et les fonds nécessaires seront demandés à la commission historique 
de l’Alsace-Lorraine. 

. Provisoirement on priera le ministère de vouloir mettre à la disposition 
de la commission les questionnaires réunis par M. Liebich, ainsi que 
les matériaux dont s’est servi M. Wenker, bibliothécaire à Saarburg, 
pour son atlas des langues. 

8. M. le professeur Follmann déclare être disposé à entreprendre la 

rédaction générale. 

9. Les délibérations prises seront soumises à l'approbation du Bureau de 


-] 


la Société d'histoire et d'archéologie lorraine dans une de ses prochaines 
séances. 


en 


Sitzung amDonnerstag, dem20. Januar, nachmittags 4 Uhr, 
im Bezirkspräsidium. 


Anwesend vom Vorstande: die Herren von Hammerstein, Paulus, Keune, 
Fridrici, Grimme, Wolfram und ungefähr 30 Mitglieder. 

Neuaufgenommen wurden: Die Herren Realschullehrer Jung, Metz; Apo- 
theker Dr. Werner, Bolchen; Dr. Hund, Hülfsarbeiter im Bezirksarchiv Metz; 
Kommunalbaumeister Ernst, Saarburg; Amtsrichter Dr. Schulz, Lörchingen; Guts- 
besitzer Brandt, Gut Kammerholz bei Lörchingen ; Alphons Müller, Berlin. 

Nach Vorlegung der eingegangenen Tauschschriften teilt der Vorsitzende 
mit, dass die Bollandisten in Brüssel um Schriftenaustausch nachgesucht haben. 
Angenommen. 

Durch das freundliche Entgegenkommen des Herrn Schlosser in Drulingen 
sind der Gesellschaft die Funde von Schalbach, hauptsächlich bronzene Armringe 
vorgelegt worden. Archivdirektor Dr. Wolfram spricht die Ansicht aus, dass die- 
selben der Hallstattperiode angehören. Darauf weisen insbesondere die Reste von 
irdenen Gefässen hin, die noch ohne Drehscheibe gefertigt sind. Oberregierungs- 
rat Pöhlmann schliesst sich diesen Ausführungen hauptsächlich mit Hinweis auf 
die gleichartigen Funde in der Sammlung des Herrn Staatsrat Nessel zu 
Hagenau an. 

Weiter sind vorgelegt Funde aus Kleinhettingen, die dem Gastwirt Herrn 
Brauer daselbst gehören. Sie entstammen einem alemannisch-fränkischen Grab- 
felde, das zwischen Hettingen und Metrich liest. Der Vorsitzende spricht namens 
der Gesellschaft den Herren Schlosser und Brauer den besten Dank für ihr 
freundliches Entgegenkommen aus. 

Darauf erteilt der Vorsitzende Herrn Dr. Grimme das Wort zu einem Vor- 
trage über die Besitzungen Rheinischer Klöster in Lothringen. Hauptsächlich 
kommen in Betracht die Klöster von Trier, Wadgassen, Tholey, Mettlach und 
St. Cunibert in Köln. Die Regesten der bezüglichen Urkunden werden im Jahr- 
buche veröffentlicht werden. Der Vorsitzende spricht namens der Anwesenden, 
welche die Ausführungen des Redners mit lautem Beifall aufgenommen haben, 
den Dank aus. 

Nach Dr. Grimme erhält Herr Pfarrer Chatelain aus Wallersberg das Wort um 
über »La vouerie de Metz« zu sprechen. Leider muss der Vortrag, der an neuen 
Ergebnissen reich ist und vielfach Anregung zu weiteren Forschungen geben wird, 
wegen der vorgerückten Zeit abgebrochen werden. Er wird im Jahrbuche Auf- 
nahme finden. 

Endlich legt Herr Oberstabsarzt Dr. Ludewig neue römische Funde aus 
einer in der Nähe von Metz gelegenen Kiesgrube, deren Ort vorläufig noch nicht 
genauer bezeichnet wird, vor. Es sind das: ein eisernes Werkzeug, ein grosser 
eiserner Nagel, Reste einer Amphora und ein Bronzelöffelchen. Wie schon in der 
letzten Sitzung beschlossen wurde, sollen an der betreffenden Stelle Ausgrabungen 
vorgenommen werden. 


Vorstandssitzung im Anschlussan die öffentliche Sitzung. 


Beschlussfassung über die Abtretung der Niederrentgener Münzen an die 
Stadt wird wegen Unwohlseins des Antragstellers, Herrn Professor Dr. Wichmann, 
vertagt. : 


— 319 — 


Séance du jeudi, 20 junvier, à 4 heures de l'après-midi, à l'Hôtel 
de la Présidence. 

Sont présents: MM. de Hammerstein, Paulus, Keune, Fridriei, Grimme et 
Wolfram, membres du Bureau, et environ 30 sociétaires. 

Sont admis au nombre des membres de la Société: MM. Jung, professeur 
à l'Ecole reale de Metz; Dr Werner, pharmacien à Bolchen ; D' Hund, aux archives 
départementales de Metz; Ernst, architecte communal à Saarburg; DT Schulz, 
juge de paix à Lörchingen; Brandt, propriétaire à Kammerholz près Lörchingen; 
Alphonse Müller à Berlin. 

Après avoir passé en revue les publications données en échange par 
d’autres Sociétés, M. le Président fait savoir que la Société des Bollandistes de 
Brüssel a demandé à entrer en voie d'échange de publications avec notre Société, 
L’&change est approuvé. 

Par une prévenance de M. Schlosser à Drulingen, la Société a eu occa- 
sion d'admirer les trouvailles qui ont été faites à Schalbach, consistant princi- 
palement en bracelets en bronze. M. le Dr Wolfram est d'avis que ces objets 
appartiennent à la période dite de Hallstatt, ce qui serait indiqué entre autres par 
les pots de grès qui ont été fabriqués sans avoir été tournés. M. Pöhlmann, 
conseiller supérieur, partage l'avis de M. Wolfram et cite entre autres les trou- 
vailles de la collection de M. Nessel, conseiller d'Etat à Hagenau, qui contient 
des objets exactement pareils à ceux présentés à la séance. 

On fit voir ensuite à l'assemblée une série de trouvailles qui ont été faites 
à Kleinhettingen, appartenant à M. Brauer. Ces objets proviennent d’un cime- 
tiere franco-allemand situé entre Kleinhettingen et Metrich. M. le Président 
exprime à MM. Schlosser et Brauer les meilleurs remerciments de la Société 
pour leur prévenance. 

La parole est accordée ensuite à M. le Dr Grimme pour sa lecture sur 
les possessions des monastères rhénans en Lorraine. Parmi ces monastères il y 
a lieu de prendre particulièrement en considération ceux de Trêves, Wadgassen, 
Tholey, Mettlach et St-Cunibert à Cologne. Les regestes des documents en ques- 
tion seront publiés dans l'annuaire. M. le Président remercie l’orateur au nom 
de l’assemblée. 

M. l'abbé Chatelain, curé de Wallersberg, reçoit ensuite la parole pour sa 
lecture sur »La vouerie de Metz«. Malheureusement, cette lecture, remarquable 
par ses nouvelles conclusions qui donnent lieu à de nouvelles recherches, a dû 
être coupée à cause de l'heure avancée. Le travail sera publié dans l'annuaire. 

Finalement, M. le Dr Ludewig, médecin-major, présente à l'assemblée 
quelques nouvelles trouvailles romaines, découvertes dans une carrière de sable 
aux environs de Metz. M. Ludewig n'indique préalablement pas le lieu précis de 
découverte. Parmi ces objets on remarque: un ustensile et un grand clou de 
fer, les restes d'une amphore, ainsi qu'une petite cuillère en bronze. 

Ainsi qu'il a déjà été indiqué dans la dernière séance, il est décidé de 
faire exécuter des recherches à cet endroit. 

Séance du Bureau après la séance scientifique. 

La délibération qui devait être prise au sujet des monnaies romaines de 
la trouvaille de Niederrentgen à donner à la ville est ajournée, M. le Dr Wich- 
mann étant absent pour cause de maladie. 


— 380 — 


Herr Dr. Sauerland in Rom hat beantragt, die Kameralnotizen aus dem 
vatikanischen Archiv mit den Metz betreffenden Bullen aus derselben Zeit 
gemeinsam zu veröffentlichen. Der Vorstand beschliesst, Herrn Dr. Sauerland 
vollständig freie Hand zu lassen. 

Die Beschlüsse der Kommission zur Herausgabe eines Wörterbuchs der 
deutsch-lothringischen Dialekte werden genehmigt. 

Der Anfang der Sitzungen wird auf 5 Uhr festgesetzt, da diese Stunde den 
meisten Mitgliedern passend erscheint. 

Einer Anregung des Herrn Dr. Grimme entsprechend, wonach auf die 
Zahlungsaufforderungen der Vermerk gesetzt werden soll, dass es den Mitgliedern 
freisteht, den Beitrag in 2 Hälften zu entrichten, beschliesst der Vorstand, von 
einer schriftlichen Benachrichtigung abzusehen; selbstverständlich soll es aber 
jedem Mitgliede freigestellt sein, seine Zahlung so einzurichten, wie es ihm am 
bequemsten ist. Schluss der Sitzung 1/7 Uhr. 


Sitzung am Donnerstag, dem 3. Februar 1898, nachmittags 
5 Uhr, im Bezirkspräsidium. 


Anwesend vom Vorstande: die Herren Oberstlieutenant Weissenborn, Dr. Keune, 
Dr. Wolfram und gegen 30 Mitglieder. 

Der stellvertretende Vorsitzende, Archivdirektor Dr. Wolfram, eröffnet aie 
Sitzung, indem er das Bedauern des Herrn Bezirkspräsidenten von Hammerstein 
übermittelt, dass er verhindert ist, der heutigen Versammlung beizuwohnen. 

Neu aufgenommen werden als Mitglieder: Die Herren Apotheker Schrader, 
Mondelingen; Notariatsgehülfe Schenecker, Busendorf. 

Das Gesuch des kroatischen historischen Vereins um Schriftenaustausch 
wird abgelehnt, da kein Mitglied der Gesellschaft für lothringische Geschichte 
und Altertumskunde der kroatischen Sprache mächtig ist. 

Ein russisches emailliertes Triptychon, das noch ganz byzantinische Formen 
zeigt, ist zum Ankauf angeboten und wird ausgelegt. 

Sodann erhält Dr. Keune das Wort zu einem Vortrage über »Das Kultur- 
leben in Lothringen zu gallo-römischer Zeit«. Der mit vielem Beifall aufgenom- 
mene Vortrag hat im Jahrbuch Aufnahme gefunden und braucht deshalb hier nicht 
eingehender besprochen zu werden. 


Sitzung am Donnerstag, dem 24. Februar 1898, nachmittags 
5 Uhr, im Bezirkspräsidium. 


Anwesend vom Vorstande: Die Herren von Hammerstein, Weissenborn, 
Paulus, Keune, Welter, von Daacke, Wolfram und gegen 30 Mitglieder. 

Der Vorsitzende gedenkt in warmen Worten des verstorbenen Vicepräsi- 
denten Herrn Arthur Benoit zu Berthelmingen. Benoit gehört zu den Gründern 
unserer Gesellschaft und ist ihr allezeit ein treues und thätiges Mitglied gewesen. 
Insbesondere vermittelte er die Beziehungen zu denjenigen Teilen des Bezirks, 
die früher zum alten Meurthedepartement gehörten und infolgedessen zu franzö- 
sischer Zeit mit Metz wenig Fühlung gehabt hatten. Als Mann des Volkes war er 
wie kein andrer vertraut mit den Regungen der Volksseele und war durch diese 
Kenntnis besonders befähigt, auch die Bewegungen und Strömungen des Volks- 
lebens der vorangegangenen Zeit zu erkennen und zu verfolgen. Die lothringische 


— 3831 — 


M. le Dr Sauerland à Rome a fait la proposition de faire publier les notices 
camérales des archives du Vatican en même temps que les bulles de la même 
époque concernant la ville de Metz. Le Bureau accorde à M. le Dr Sauerland 
liberté entière en cette matière. 

Les délibérations de la commission pour la publication d’un dictionnaire 
des dialectes allemands en Lorraine sont approuvées. 

L'heure du commencement des séances est fixée à 5 heures, cette heure 
étant à la portée de la plupart des sociétaires. 

Sur la remarque de M. le Dr Grimme, demandant qu'on fit marquer 
sur les quittances des cotisations, qu'il est loisible aux membres de payer la 
somme en 2 moitiés, le Bureau décide de ne pas faire imprimer cette remarque, 
mais que liberté est laissée aux sociétaires de solder leur cotisation de la ma- 
nière qui leur paraîtra la plus commode. 

La séance est levée à 7!/a heures. 


Séance du jeudi 3 février 1898, à à heures de l'après-midi, à V Hôtel 
de la Présidence. 


Assistent à la séance: MM. Weissenborn, lieutenant-colonel, Dr Keune, 
Dr Wolfram, membres du Bureau, et environ 30 sociétaires. 

En remplacement de M. le Président empêché, M. le Dr Wolfram, directeur 
des archives, ouvre la séance et exprime les regrets de M. le baron de Hammer- 
stein de ne pouvoir assister à la séance. 

Sont admis au nombre des membres de la Société: MM. Schrader, phar- 
macien à Mondelingen, et Schenecker, clerc de notaire à Busendorf. 

La demande de la Société historique de Croatie tendant à entrer en voie 
d'échange de publication avec notre Société, est repoussée parce qu'aucun de nos 
membres ne possède langue croate. 

Un triptyque émaillé, d’origine russe, présentant des formes tout à fait 
byzantines, est offert en vente. 

M. le Dr Keune recoit ensuite la parole pour une conférence sur »la civi- 
lisation en Lorraine sous la période gallo-romaine. Cette lecture est accueillie 
avec satisfaction et sera publiée dans l'annuaire, de sorte qu'il est inutile d’en 
faire ici une analyse plus détaillée. 


Séance du jeudi 24 février 1898, à 5 heures de l'après-midi, à l'Hôtel 
de la Présidence. 


Sont présents: MM. de Hammerstein, Weissenborn, Paulus, Keune, Welter, 
de Daacke, Wolfram, membres du Bureau, et environ 30 sociétaires. 

M. le President rappelle en termes chaleureux la mémoire de M. Arthur 
Benoit de Berthelmingen, vice-président de notre Société, décédé récemment. 
M. Benoit est un des fondateurs de notre Société et a toujours été un de ses 
membres les plus fidèles et les plus actifs. C’est lui qui a inauguré les relations 
avec les parties du département qui appartenaient autrefois à l’ancien départe- 
ment de la Meurthe et avaient, par conséquent, à l'époque française, peu de 
rapports avec la ville de Metz. Comme homme du peuple, il connaissait mieux 
que n'importe qui les tendances populaires et était, par conséquent, particulière- 
ment à même de reconnaître et poursuivre le mouvement et le courant de 


— 382 — 


Geschichtswissenschaft erleidet durch seinen Heimgang einen herben Verlust. 
Der Vorsitzende fordert die Anwesenden auf, sich zu Ehren des Verstorbenen von 
ihren Sitzen zu erheben. 

Herr Hauptmann a. D. Hoffmann übersendet der Gesellschaft zwei wohl 
erhaltene Bronzezelte, die bei Corny in der Mosel gefunden sind. — Dank. 

Herr Lieutenant Ehrhardt legt eine Reihe von Bronzefiguren vor, die bei 
den Erdarbeiten vor dem Deutschen Thor gefunden sind. Herr Dr. Keune erklärt 
sie für Statuetten der Isis mit dem Horusknaben. 

Nach Mitteilung der eingegangenen Tauschschriften erteilt der Vorsitzende 
Herrn Domkapitular Lager aus Trier das Wort zu einem Vortrage über Jacob von 
Sierck, Erzbischof von Trier. 

Lager bespricht besonders die reichsgeschichtliche Wirksamkeit des Kir- 
chenfürsten, berücksichtigt dabei aber vor allem die Beziehungen, in die er zu 
Metz und Lothringen getreten ist. Dem Beifall der Anwesenden schliesst sich der 
Vorsitzende bei Aeusserung seines Dankes an. 

Neu aufgenommen wurden: Die Herren Bazin, Notar in Metz; Uhl, Salinen- 


Ingenieur, Dieuze. 


Sitzung am Donnerstag, dem 10. März, nachmittags 5 Uhr, 
im Bezirkspräsidium. 


Anwesend die Vorstandsmitglieder: Freiherr von Hammerstein, Wichmann, 
Keune, Paulus, Grimme, Wolfram, von Daacke und etwa 50 Mitglieder. 

Als Mitglieder werden aufgenommen: Die Herren Professor Rehbender, 
Metz; Dr. med. Hasse, Diedenhofen. 

Nach Vorlegung der Tauschschriften werden zwei durch Vermittelung des 
Herrn Lieutenant Ehrhardt eingesandte Statuenköpfe besichtigt. Der eine, der im 
Valliöresbache gefunden ist, gehört dem 18. Jahrhundert an, der andere, ein 
Christuskopf, dessen Herkunft nicht bekannt ist, gehört wohl in die gleiche Zeit. 

Herr von Hammerstein spricht über »Einen Prozess beim Reichskammer- 
gericht über die staatsrechtliche Stellung der Stadt Saarburg im 16. Jahrhundert«. 
Der Vortragende hat ein ausserordentlich umfangreiches und verworrenes Urkun- 
denmaterial durchgearbeitet und giebt auf Grund desselben ein überaus klares 
und durchsichtiges Bild der verwickelten Vorgänge. Es ist charakteristisch für 
die Zeit, dass man in Zweifel sein konnte, ob eine Stadt Reichsstadt, bischöflich 
oder herzoglich sei. Von grossem Interesse für die Verfassungs- und Kulturver- 
hältnisse der Stadt sind auch die Ergebnisse, welche der Vortragende den als 
Beweismaterial von Seiten der streitenden Parteien beigebrachten Urkunden 
abgewonnen hat. Ueber den nähern Inhalt des mit grossem Beifall aufgenommenen 
Vortrages kann auf den Druck desselben im Jahrbuche IX, Seite 237 ff., hingewiesen 
werden. 

Darauf spricht Archivdirektor Dr. Wolfram über die gleichartigen Reliefs 
in der Trinitarierstrasse, an der Kirche von Mey, in Rozérieulles und im Museum 
(früher in Moulins). Dieselben sind bisher der römischen, merowingischen oder 
karolingischen Zeit zugeschrieben worden. Der Vortragende weist nach, dass diese 
Datierungen falsch sind und dass wir es mit Bildwerken des 11. Jahrhunderts 
zu thun haben, die ihre Entstehung dem Einflusse der schottischen Mönche des 
Clemensklosters danken. 


ar RT 


— 383 — 


la vie du peuple des temps antérieurs. Par la mort de M. Benoit, la Société d’ar- 
chéologie et d'histoire lorraine a subi une perte bien sensible. M. le Président 
invite les membres à se lever de leurs sièges pour honorer la mémoire du regretté 
défunt. M. Hoffmann, capitaine, offre à la Société deux objets en bronze qui ont 
été trouvés dans la Moselle près de Corny. La Société exprime ses remerciments. 

M. Ehrhardt, lieutenant, présente une série d’autres figures en bronze qui 
ont été trouvées lors des travaux de terrassement devant la porte des Allemands. 
M. le Dr Keune déclare que ces statuettes représentent la déesse Isis avec le petit 
dieu Horus. 

Les publications données en échange par d’autres Sociétés ayant été passées 
en revue, M. le Dr Lager, chanoine capitulaire à Trêves, reçoit la parole pour sa 
lecture sur Jacques de Sierck, archevêque de Trêves. M. Lager traite particulière- 
ment l’activité du prélat dans ses rapports avec l'Empire et rehausse entre autres 
les rapports qu’il a eus avec Metz et la Lorraine. M. le Président se fait l’inter- 
prète de l’assemblée en exprimant à M. Lager les remerciments de la Société. 

Sont admis au nombre des membres de la Société: MM. Bazin, notaire à 
Metz, et Uhl, ingénieur des salines à Dieuze. 


Séance du jeudi 10 mars, à 5 heures de l'après-midi, à l'Hôtel 
de la Présidence. 


Sont présents: MM. de Hammerstein, Wichmann, Keune, Paulus, Grimme, 
Wolfram, de Daacke, membres du Bureau, et environ 50 sociétaires. 

Sont admis au nombre des membres de la Société: MM. Rehbender, pro- 
fesseur à Metz, et Dr Hasse, médecin à Diedenhofen. 

On passe en revue les publications données en échange; puis l’on examine 
deux têtes de statues qui sont présentées par M. Ehrhardt, lieutenant. L’une de 
ces têtes a été trouvée dans le ruisseau de Vallières et date du XVIIE siècle, l’autre, 
une tête de Christ, dont l'origine est inconnue, appartient probablement à la 
même époque. 

M. de Hammerstein fait ensuite une conférence sur un »proces soutenu 
devant la cour impériale de Spire, concernant les rapports de la ville de Saar- 
burg avec l'Empire, etc., au XVIS siècles. M. de Hammerstein a étudié un 
fond de documents excessivement riches et difficiles et a réussi à présenter 
à l'assemblée une image très claire des circonstances les plus compliquées. 
Ce qu'il y a de caractéristique pour cette époque, c’est qu’on a pu avoir des 
doutes, si une ville était impériale, épiscopale ou ducale. Ce qui présente le plus 
grand intérêt pour la constitution de la ville de Saarburg, ce sont les résultats 
que M. le Président a puisés dans les documents qui ont été présentés comme 
preuves par les parties plaignantes. Les sociétaires auront la satisfaction de lire 
cette conférence in extenso dans le présent annuaire, 92 année. 

M. le Dr Wolfram, directeur des archives, donne ensuite quelques explica 
tions sur les reliefs de même nature de la rue des Trinitaires, de l’église de 
Mey, de Rozérieulles et du nusée (autrefois à Moulins). Jusqu'ici on avait attribué 
ces reliefs à l’époque romaine, puis à l’époque mérovingienne et enfin à l’époque 
carlovingienne. M. le Dr Wolfram prouve cependant que ces dates ne sont pas 
exactes, puisque les reliefs proviennent du XIe siècle et qu'ils ont pour auteur 
les moines écossais du monastère de St-Clément. 


EE 


Ebenso ist die Madonna in der Gangulfstrasse, die man bisher gleichfalls 
dem karolingischen Zeitalter zuwies, falsch datiert worden. Durch Vergleichung mit 
Bildwerken an den Kathedralen von Chartres und Corbey, sowie mit den Statuen 
des Odilienberges konnte besonders auf Grund der absolut gleichen Tracht und 
Haarfrisur auch für die Metzer Madonna das 12. Jahrhundert als Entstehungszeit 
erwiesen werden. 


Sitzung am Donnerstag, dem 17. März, nachmittags 5 Uhr, 
im Stadthause zu Saarburg. 


Auf Antrag der Saarburger Mitglieder findet am genannten Orte eine Sitzung 
statt, zu der sich ausser den Mitgliedern noch geladene Gäste eingefunden haben. 
Die Zahl der Teilnehmer beläuft sich auf etwa 120. 

Den Vorsitz führt Herr Notar Welter aus Lörchingen, der die Sitzung mit 
einem Dank an die Stadt Saarburg für Bewilligung des Versammlungsraumes und 
an die Gäste für ihr Erscheinen eröffnet. Hierauf erteilt er dem Herrn Bezirks- 
präsidenten Freiherrn von Hammerstein zu seinem Vortrage über die staats- 
rechtliche Stellung der Stadt Saarburg im 16. Jahrhundert das Wort. Auch hier 
finden die Ausführungen des Redners lauten Beifall. Herr Notar Welter spricht 
namens der Gäste und der Mitglieder der Gesellschaft dem Vortragenden den 
herzlichsten Dank aus. Nach der Sitzung vereinigen sich Mitglieder und Gäste 
noch zu einem Glase Bier im Hotel Baiersdörfer und bleiben hier in angeregter 
Unterhaltung bis gegen 9 Uhr zusammen. 


Der erste Schriftführer: 


Archivdirektor Dr. Wolfram. 


À 
4 
4 


— 585 — 


La statue de la rue St-Gengoulf représentant la madonne, qu'on avait attri- 
buée jusqu'ici à l'époque carlovingienne, n’a également pas été datée exactement. 
Par la comparaison avec des sculptures semblables des cathédrales de Chartres 
et de Corbeil et celles du Mont-St-Odile, M. le Dr Wolfram a prouvé que le 
costume et la coiffure sont absolument identiques à ceux de la madonne et que 
par conséquent il y avait lieu d'attribuer cette statue au XIIe siècle. 


Séance du jeudi 17 mars, à 5 heures de l'après-midi, à U Hô!el 
de ville de Saarburg. 


Sur la proposition de différents sociétaires de Saarburg, une séance de la 
Société d'histoire et d'archéologie lorraine a eu lieu en cette ville, à laquelle 
assistèrent les sociétaires de la ville et des environs, ainsi que de nombreux 
hôtes qui y avaitent été invités. Leur nombre se monte à 120. 

M. Welter, notaire à Lörchingen, remplissant les fonctions de président, 
remercie d’abord la ville de Saarburg d’avoir bien voulu mettre un local à la 
disposition de la Société, ensuite les hôtes qui ont bien voulu honorer la séance 
de leur présence. M. Welter donne ensuite la parole à M. le baron de Hammer- 
stein, président du département, pour sa conférence sur »les rapports de la 
ville de Saarburg avec l’Empire au XVIe siecle«; cette conférence fut très applaudie. 
M. Welter se fait l'interprète de l'assistance en exprimant à M. le baron de 
Hammerstein les plus vifs remerciments de l'assemblée. Les sociétaires, ainsi que 
les hôtes se réunirent ensuite à l'hôtel Baiersdörfer pour s’entretenir avec ani- 
mation et gaieté jusqu'à 9 heures, en se rafraichissant avec de la bière. 


Le secrétaire: 
Archivdirektor Dr. Wolfram. 


— 386 — 


Vermehrung der Sammlungen. 


Angekauft wurden: 

Ein Armring aus Bronze durch Vermittelung des Herrn Bürgermeisters 

Becker in Schalbach. Fundort: Gräber bei Schalbach. 
Als Geschenke wurden der Gesellschaft überwiesen: 

1. Von Herrn Bürgermeister in Bischdorf ein Schwert, eine Lanze, eine 
Schelle und eine römische Münze des IV. Jahrhunderts, die in der Dorf- 
flur bei Bischdorf gefunden wurden. 

2. Von Herrn Pfarrer Paulus ein bei Craincourt gefundener Elfenbein- 
kamm. 

3. Von Herrn Hauptmann a. D. Hoffmann in Queuleu 2 in der Mosel bei 
Corny gefundene Bronzebeile. 

4. Von Herrn Felix Thouveny in Montigny ein römisches Gefäss, ein Schwert 
und eine Gürtelschnalle. Fundort: Craincourt. 


Auch an dieser Stelle sei den Gebern der verbindlichste Dank der Gesell- 
schaft ausgesprochen. 


Collection des antiquités. 

Par l'intermédiaire de M. Becker, maire à Schalbach, la Société a acheté 

pour ses collections un bracelet en or, trouvé dans les tombeaux de Schalbach. 

Les dons suivants ont été faits à la Société: 

1. De la part de M. le Maire de Bischdorf: un glaive, une lance, une 
sonnette ainsi qu’une monnaie romaine du IVe siècle trouvés sur le ban 
de Bischdorf. 

2. De la part de M. l'abbé Paulus, curé de Moulins: un peigne en ivoire 
découvert près de Craincourt. 

3. De la part de M. Hoffmann, capitaine en retraite, à Queuleu: 2 haches 
en bronze découvertes dans la Moselle pres de Cornv. 

4. De la part de M. Félix Thouveny à Montigny: un vase romain, un glaive 
ainsi qu'une boucle de ceinture trouvés à Craincourt. 

La Société a l'honneur d'exprimer aux donateurs ses meilleurs remerci- 

ments. 


Verzeichnis 


der 
Mitglieder der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde 


nach dem Stande vom 1. April 1898. 


TABLEAU 
DES 


MEMBRES DE LA SOCIÉTÉ D'HISTOIRE ET D'ARCHÉOLOGIE LORRAINE. 


A. Ehrenmitglieder. — Membres honoraires. 


. Herr Dr. Kraus, Professor an der Universität Freiburg. 
„  E. Huger, Fabrikant, Saargemünd. 
3. „ LEeuPrrin, Gymnasialdirektor, Thann. 


D — 


B. Ordentliche Mitglieder. — Membres titulaires. 


4. Herr Apr, Kommerzienrat, Forbach. 

5. ,, G. Apr, Fabrikbesitzer, Forbach. 

6. ,, ALBERT, Notar, Saargemünd. 

7. ,„ ALEXANDER, Ludwig, Saarburg. 

8. ,„.  ALFELD, Stadtbibliothekar, Metz. 

9. ,„ Amier, Generaldirektor der Kristallfabrik, Münzthal-St. Louis. 
10. ,„ Dr. Anacker, Kreisarzt, Diedenhofen. 

11. ,, De. Asverus, Sanitätsrat, Metz. 

12. ,„ Ausry, Kaufmann, St. Quirin. 

13. ,„ AÄUupEBERT, Direktor der Mittelschule, Metz. 

» BACH, Lehrer, Longeville. 

15. , Dr. Baier, Regierungs- und Schulrat, Metz. 

16. ,, Bargier, Niederlinder. 

17. , von BARDELEBEN, Generallieutenant z. D., Berlin W. 
18. ,„ Dr. Bastıan, prakt. Arzt, Lixheim. 


19. ,„ Bayer, Apotheker, Metz. 
20. ,„ Bazin, Notar, Metz. 


25* 


— 388 — 


21. Herr v. n. Becker, Hüttendirektor, Ückingen. 


22. 
23. 
24. 


- 


29: 
26. 
2e 
28. 


29. 


30. 
31. 
32. 
33. 
34, 
35. 
36. 
37. 
38. 
39. 
40. 
41. 
42. 
43. 
44. 
45. 
46. 
47. 
48. 
49. 
20. 
51. 


64. 
65. 
66. 


BECKER, Pfarrer, Chanville. 

Becker, Bauunternehmer, Metz. 

Becker, Hauptmann, Dieuze. 

Bentz, Abbe, Oberlehrer, Montigny bei Metz. 

BerGrozp, Mittelschullehrer, Metz. 

BERR, I. Beigeordneter, Saarburg. 

Bester, Professor, Direktor des Progymnasiums, Forbach. 


Bibliothek des Bezirksarchivs, Metz. 


3) 


2) 


Bezirkspräsidiums, Metz. 
Landesausschusses für Elsass-Lothringen, Strassburg 1. E. 


LE] 


LE] 


Herr Bıckern, Apotheker, Bolchen. 


Dr. Bıscnorr, Notar, Diedenhofen. 

Biscnorr, Regierungsassessor, Strassburg 1. E. 
Bzumnaarpr, Regierungs- und Baurat, Metz. 

Bock, Vic a. d. Seille. 

Bouchnorrz, Förster, Forsthaus Hoheyerstein, Kr. Saarburg. 
Bour, Abbe, Professor, Saaralben. 

Bovr, Pfarrer, Deutsch-Oth. 

Dr. BRAND, Sanitätsrat, Bürgermeister, Saarburg. 
BRAnDT, Gutsbesitzer, Auf Kammerholz bei Lörchingen. 
BraAuBACH, Bergrat, Metz. 

Braun, Pfarrer, Mécleuves. 

Dr. BREMER, Professor, Bonn. 

BrıckA, Ingenieur, Direktor der Glashütte, Vallervsthal. 
BRoICHMANN, Gymnasiallehrer, Saarburg. 

Dr. Brucx, Regierungsrat, Metz. 

Buch, Ingenieur, Longeville. 


Bürgermeisteramt Bitsch. 


Diedenhofen. 
= Dieuze. 

= Forbach. 

> Metz. 

5 Saaralben. 

% Saargemünd. 
5 St. Avold. 


. Herr Dr. Büsıng, Landgerichtsrat, Metz. 


CAıLLoup, Kreisbauinspektor, Weissenburg. 
CHALER, Pfarrer, Waldwiese. 

CHALIGNY, Bürgermeister, Vic. 

CHATELAIN, Pfarrer, Wallersberg. 
CHATELAIN, Pfarrer, Reichersberg. 
CHAZELLE, Lehrer, Metz. 

CHrisTIANY, Abbé, Seminarlehrer, Pfalzburg. 
CHristıany, Archiv-Sekretär, Metz. 
CozBus, Pfarrer, Altrip. 

von CoLMAR, Generalmajor, Saarburg. 
Courte, Hauptlehrer, Metz. 


— 389 — 


69. Herr CrüGEr, Hauptmann, Dieuze. 

70. ,, von Daackz, Regierungs- und Forstrat, Metz. 
71. ,„ Dazz, Polizeipräsident, Strassburg i.-E. 

72. ,„ Decker, Notar, Kattenhofen. 

73. „ Dr. DerıcnswEiter, Gymnasialdirektor, Saarburg. 
74. ,„  Dönmer, Apotheker, Metz. 

75. ,„  Döur, Baurat, Metz. 

76. ,, Dorvaux, Direktor am Priesterseminar, Metz. 

77. ,„  Dresster, Regierungs- und Forstrat, Metz. 

78. , VAN DEN Driescx, Kreisschulinspektor, Metz. 

79. ,„ Duyarpin, Bildhauer, Metz. 

80. ,„ Dr. Dünmter, Professor, Kaiserl. Geheimer Regierungsrat, Berlin. 
81. „ Durıtz, Oberst, Montigny. 

82. ,„ Dr. EnLer, Oberstabsarzt, Metz. 

83. ,„  EHRHARDT, Lieutenant, Inf.-Rgt. 131, Metz. 

84. ,„ Dr. Ernst, Regierungs- und Schulrat, Metz. 

85. ,„ Dr. men. Ernst, prakt. Arzt, Metz. 

86. ,„ Ernst, Kommunalbaumeister, Saarburg i. L. 

87. ,, ETTINGER, Pfarrer, Puzieux. 

88. ,,  Fave, Rentner, Lörchingen. 

89. ,„ von Fisenne, Garnison-Baurat, Spandau. 

90. ,„ Frrzau, Rechtsanwalt, Diedenhofen. 

91. , FLEISCHER, Baumeister, Metz. 

92. ,„ FLorAnGE, Numismatiker, Paris. 

93. ,„  Firorange, Tu., Ingenieur, Brüssel. 

94. ,„ Dr. Fozzmann, Professor, Metz. 

95. ,, FoLscHhwEiter, Pfarrer, Morsbach. 

96. , Dr. FrEUDENFELD, Kreisdirektor, Saarburg i. L. 
97. ,, Friprici, Stadtarchivar, Metz. 

98. ,„ Fritsch, Abbe, Montigny. 

99. ,„ FRoMMHAGEN, Oberstlieutenant, Weissenburg. 
100. ,„  Froraru, Kommunalbaumeister, Diedenhofen. 
101. ,„ Fürst, Apotheker, Chäteau-Salins. 

102. , Freiherr von GAGErRn, Kreisdirektor, Hagenau. 
103. ,„ Gairscu, Regierungsbaumeister, Strassburg i. E. 
104. , Freiherr von GEMMINGEN, Kreisdirektor, Forbach. 
105. , _GEoRGEL, Bezirkstagsmitglied, Foulcrev. 

106. ,, GeorGes, Kaufmann, Vic. 

107. , _GEPPERT, Major, Strassburg i. E. 

108. ,, GERBERT, Pfarrer, Saarburg. 

109. ,„ Dr. GnÄpinger, Gymnasiallehrer, Metz. 

110. ,  GoETz, Regierungssekretär, Metz. 

111. ,„ Dr. Grar, Oberlehrer, Montigny. 

112. ,, von GRAFENSTEIN, Rittmeister z. D., Neunkirchen. 
113. ,„ von Grimm, Hauptmann, Feld-Art.-Regt. 33, St. Avold. 
114. ,„ Dr. Grimme, Oberlehrer, Metz. 

115. ,„ Dr. Grorkass, Bürgermeister, Rodemachern. 

116. Gymnasialbibliothek, Saargemünd. 


— 390 — 


117. Herr Haas, Erster Staatsanwalt, Geh. Justizrat, Metz. 
118. , Haren, Justizrat, Metz. 

119. , Hann, Oberlehrer, Berlin. 

120. ,„ Hamm, Justizrat, Metz. 

121. , Freiherr von Hammersteın, Bezirkspräsident, Metz. 
122. ,„ Dr. Hanıer, Landrat a. D., Landonvillers. 

123. ,„ Dr. Hasse, prakt. Arzt, Diedenhofen. 

124. , Haupt, Oberst a. D., Giessen. 

125. , Freiherr von Hausen, Hauptmann z. D., Loschwitz. 
126. ,, HEBBERLING, Baurat, Saargemünd. 

127. ,, v. HEERINGEN, Oberstlieutenant, Inf.-Regt. 20, Wittenberg. 
128. ,„ Hein, Bürgermeister, St. Avold. 

129. , Heister, Bezirkstagsmitglied, Metz. 

130. ,, Hemneguın, Notar, Wallersberg. 

131. HERMESTROFF, Photograph, Metz. 

132. HERRMANN, Lycealdirektor, Metz. 

133. ,, Dr. Herrmann, Professor, Montigny. 

134. ,, Herrzoc, Architekt, Metz. 

135. , Dr. Hertzoc, Spitaldirektor, Colmar. 

136. ,,  HEYDEGGER, Baurat, Metz. 

137. ,„  Hıeckmann, Hauptmann, Inf.-Rgt. 97, Saarburg. 
138. ,„  Horrmann, Kreisbauinspektor, Saarburg. 

139. ,, Dr. Horrmann, Oberlehrer, Longeville. 

140. ,  Houpert, Redakteur des « Lorrain », Metz. 

141. Hück, Leo, Busendorf. 

142. ,„ Dr. Hunp, Archivassistent, Metz. 

143. , JEAN, Pfarrer, Dürkastel. 

144. ,„ JEANPIERRE, Bezirkstagsmitglied, Falkenberg. 
145. , JEANPIERRE, Kreistagsmitglied, Klein Bessingen. 
146. ,, Josst, Major, Metz. 

147. IRLE, Amtsgerichtsrat, Bitsch. 

148. ,, Jung, Realschullehrer, Metz. 

149. ,, Dr. Kaxz, Regierungs- und Forstrat, Metz. 
150. ,, Karcher, Gutsbesitzer, Neunkirchen. 

151. ,„ Kayser, Regierungsrat, Colmar i. E. 

152. Keiz, Kommunalbaumeister, Metz. 

153. ,, KETTLER, Major, Saarburg. 

154. ,„ Dr. KEuxE, Oberlehrer, Montigny. 

155. , Kircaner, Regierungsbaumeister, Saarburg. 
156. Kırcıs, Bezirkstagsmitglied, Dieuze. 

157. ,  KrorstecH, Ober-Stabsarzt, Saarburg. 

158. v.D KNESEBECK, Major, Strassburg i. E. 

159. ,„ Freiherr von Kramer, Bürgermeister, Metz. 
160. ,„ KREMER, Erzpriester, Mörchingen. 


161. ,„  KrıescHe, Bauinspektor, Saargemünd.. 

162. „  Krürer, Hauptlehrer, Metz. 

163. ,„ Kücuzy, Erzpriester, Saarburg. 

164. ,„ Künne, Lieutenant im Inf.-Reg. 136, Dieuze. 


— 391 — 


165. Herr Kunn, Pfarrer, Lixheim. 

166. ,, Lagroise, Bezirkstagsmitglied, Wuisse. 

167. ,„ Dr. LaGer, Domkapitular, Trier. 

168. , Lang, Buchdruckereibesitzer, Metz. 

169. ,„ LanIQuE, Gemeinderatsmitglied, Metz. 

170. ,„ LanzBErG, Amtsgerichtsrat a. D., Vic. 

171. ,, Larue, Mittelschullehrer, Metz. 

172. ,, Lause, Festungs-Bauingenieur, Ars a. d. M. 
173. ,, Lazarn, Kommerzienrat, Metz. 

174. , Leiser, Gerichtsvollzieher, Château-Salins. 
175. ,, Lemoine, Kreisschulinspektor, Chäteau-Salins. 
176. ,, Leronn, Lehrer, St. Julien. 

177. ,  LEUCHERT, Notar, St. Avold. 

178. „ Levy, J., Notar, Saarburg. 

179. , Freiherr von Liesenstein, Polizeipräsident, Metz. 
180. „ Loesricn, Major, Sächs. Fuss-Art.-Regt. 12, Metz. 
181. ,„ von LoErer, Bürgermeister, Saargemünd. 
182. , Lorenz, Ingenieur, Karlsruhe. 

183. Lothringer Zeitung, Metz. 

184. Herr Lücker, Major im Fuss-Art.-Reg. 8, Metz. 
185. ,„ Dr. LunewiG, Oberstabsarzt, Metz. 

186. Lyceum, Metz. 

187. Herr Dr. Marckwarn, Bibliothekar, Strassburg i. E. 
188. ,„ Freiherr MarscHaLL VON BIEBERSTEIN, Lieutenant, Inf.-Regt. 98, Metz. 
189. ,„ Dr. Marrım, Professor, Strassburg i. E. 

190. ,„ Dr. Marrın, Abbe, Nancy, Ecole St. Sigisbert. 
191. ,, Marrzorr, Oberförster, Chäteau-Salins. 

192. ,„ Mayxiecxer, Bauinspektor, Metz. 

193. ,„ Dr. Meiner, Geh. Sanitätsrat, Metz. 

164. „ Menxpter, Kreisschulinspektor, Saargemünd. 
195. ,„ MExxy, Kreisdirektor, Chäteau-Salins. 

196. ,„ Meruıng, Rentamtmann, Chäteau-Salins. 

197. Messin, le, Metz. 

198. Metzer Presse, Metz. 

199. Herr MEurIN, Hypothekenbewahrer, Château-Salins. 
200. „ Dr. Meyer, prakt. Arzt, Saarburg. 

201. „ Morrock, Kreisbauinspektor, Diedenhofen, 
202. Mosel- und Niedzeitung, Diedenhofen. 

203. Herr MüLrer, ALpnons, Berlin. 

204. „ Mürrer, Oberlehrer, Forbach. 

205. „ Ners, Konsul, Johannesburg in Transvaal. 

206. „ NeurourG, Hauptmann, Dieuze. 


207. „ Ney, Oberforstmeister, Metz, 

208. „ NieperkoRN, Pfarrer, St. Johann-Rohrbach. 
209. „ NicErıEr, Seminardirektor und Schulrat, Metz. 
210. Dr. Oper, praktischer Arzt, Grossblittersdorf. 


211. Oberröniiehale, Metz. 
212. Herr Dr. von ÖESTERLEY, Regierungsassessor, Saarburg. 


— 392 — 


213. Herr OuxGer, Mittelschullehrer, Metz. 


214. 
215. 
216. 
217. 
218. 
219. 
220. 
221. 
222. 
223. 
224. 
225. 
226. 
227. 
228. 
229. 
230. 
231. 
232. 
233. 
234. 
235. 
236. 
237. 


2 


OrrLer, Landrichter, Metz. 

Orro, Lieutenant, Inf.-Regt. 174, Metz. 

PAEPKE, Garnisonbauinspektor, Saarburg. 

Parıs, St. Julien. 

Pauzus, Pfarrer, Moulins. 

Dr. Paworeck, Sanitätsrat, Bolchen. 

Freiherr von PEGHMANN, Brigade-Kommandeur, Dieuze. 
PeriT, Pfarrer, Marsal. 

Pônzmanx, Oberregierungsrat, Metz. 

Poirier, Pfarrer, Peltre. 

Poırson, Seminarlehrer, Metz. 

Poren, Premierlieutenant, Drag.-Regt. 6, Diedenhofen. 


Progymnasium, Forbach. 
Herr Pünner, Kreisschulinspektor, Metz. 


RAcoczy, Generalsekretär, Metz. 

Dr. Rech, Gymnasial-Direktor, Montigny. 
Rech, Mittelschullehrer, Metz. 

REHBENDER, Professor, Metz. 

Renune, Redakteur der Metzer Zeitung, Metz. 
Reixarz, Forstmeister, Alberschweiler. 
REITERHART, Banquier, Saarburg. 

Reuter, Kommunalbaumeister, Bolchen. 
RHEINART, Regierungsassessor, Saargemünd. 
Rıcnarn, Bürgermeister, Rozérieulles. 
Rıcnarp, Mittelschullehrer, Metz. 

Rıcnarp, Lehrer, Moulins. 

Freiherr von RICHTHOFEN, Baurat, Metz. 
Rıck, Gewerberat, Metz. 

Rırr, Oberförster, Alberschweiler. 

Rönrıs, Rechtsanwalt, Metz. 

Roos, Rentamtmann, Lörchingen. 
RoTHERMEL, Ingenieur, Chäteau-Salins. 
Rugrr, Kreisbauinspektor, Chäteau-Salins. 
Sanson, Pfarrer, Aulnois. 

SAUERESSIG, Oberlehrer, Metz. 

Dr. H. V. SAuERLAND, Trier. 

ScABELL, Major, Saarburg. 

J. Scuaack, Apotheker, Hayingen. 

VAN DER SCHAAF, Amsterdam. 

ScHArrr, Buchhändler, Diedenhofen. 
ScHEMMEL, Wasserbauinspektor, Saargemünd. 
SCHENECKER, Notariatsgehilfe, Busendorf. 
ScHißEr, Landgerichtsrat, Metz. 

ScHiLziNGs, Polizeikommissär, Vic. 
ScHLosser, Gutsbesitzer, Drulingen. 

Dr. J. von ScHLUMBERGER, Präsident des Landesausschusses 
SCHOEMANN, Bürgermeister, Hayingen. 


. Gebweiler. 


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— 393 — 


261. Herr Scnörruın, Major, Inf.-Regt. 53, Köln. 


262. 
263. 
264. 
265. 
266. 
267. 


268. 
269. 


270. 
271. 


272. 
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278. 
279. 
280. 
281. 
282. 
283. 
284. 
285. 


286. 


281. 
288. 
289. 
290. 
291. 
292. 
293. 
294. 
295. 
296. 
297. 
298. 


239. 


300. 


301. 


302. 


303. 
304. 


22 


29 


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ScuraApEr, Apotheker, Mondelingen (Lothr.). 
SCHREIBER, Amtsrichter, Sierck. 

Dr. Schrick, Sanitätsrat, Metz. 

SCHRÖDER, Oberfürster, Bolchen. 

Dr. Schrön, prakt. Arzt, Moulins. 

Dr. Scnurz, Amtsrichter, Lörchingen, 

ScriBA, Hofbuchhändler, Metz. 

SEEGER, Kreisdirektor, Bolchen. 

SEICHEPINE, Kaufmann, Chäteau-Salins. 

Seminar für Geschichte des Mittelalters an der Universität Strassburg. 
Dr. SENGEL, Sanitätsrat Forbach. 

Dr. SEvFERT, Professor, Metz. 

SIBILLE, Notar, Vic. 

SıpıLLe, Bürgermeister, Lellingen, Kr. Forbach. 
Srerz, Sec.-Lieutenant, Inf.-Regt. 131, Longeville. 
SonMER, Generalmajor, Saarburg. 

Dr. Sorcıvs, Notar, Bolchen. 


Staatsarchiv, Coblenz. 
Herr Dr. SracH von GOLTZHEIN, praktischer Arzt, Dieuze. 


Dr. Stern, praktischer Arzt, Metz. 

Stirr, Notar, Busendorf. 

Strasser, Generallieutenant z. D., Wiesbaden. 
Dr. StünkeL, Professor, Metz. 

Trırmont, Pfarrer, Oberginingen. 

Trırıa, Glasmaler, Metz. 

Tairior, Mr des Frères-Prêcheurs, Corbara (Corse). 
Dr. Tunis, Oberlehrer, Strassburg 1. E. 

Tuısse, Lehrer, Delme. 

Tuomas, Amtsgerichtssekretär, Lörchingen. 
THorRELLE, Pfarrer, Lorry-Mardigny. 

Dr. TurAEMmER, Professor, Strassburg. 
Torxow, Regierungs- und Baurat, Metz. 
Trapp, Regierungs-Bauführer, Saarburg. 
Traur, Amtsrichter, Saargemünd. 

Uxz, Salineningenieur, Dieuze. 

Urv, Oberrabiner, Metz. 

Baron Üxkürt, Les Bachats b. Langenberg. 
Vater, Peter, Landesausschussmitglied, Loerchingen. 
DE VerNeuIz, Kreistagsmitglied, Fleury. 
VETTER, Amtsrichter, Weiler b. Schlettstadt. 
Dr. VizpuauT, Oberlehrer, Forbach. 

Graf v. Vizrers, Kreisdirektor, Diedenhofen. 


Vıorzann, Landesausschussmitglied, Pfalzburg. 


305. Herr VuıLLaume, Erzpriester, Vic. 

306. „ Wasser, Ingenieur, Beauregard b. Diedenhofen. 

307. ,„ WAGNER, Pfarrer, Freisdorf. 

308. „ Wann, Stadtbaurat, Metz. 

309. ,„ WALTHER, Oberzollinspektor, Saarburg. 

310. ,, Dr. WALTHER, Notar, St. Avold. 

311. „ Weser, Banquier, Bolchen. 

312. „ Dr. C. Weser, praktischer Arzt, Metz. 

313. „ WeEIssEnBoRN, Oberstlieutenant, Metz. 

314. „ WELTER, Notar, Lörchingen. 

315. ,„ WELTER, Symphorian, Redingen. 

316. „ Dr. Werner, Apotheker, Bolchen. 

317. „ Werter, Pfarrer, Deutsch-Avricourt. 

318. „ Dr. Weyrann, Pfarrer, Germingen. 

319. „ Dr. WıcHmann, Professor, Metz.’ 

320. „ Professor Dr. WieGanp, Archivdirektor, Strassburg 1. E. 
321. 
322. 


Dr. WiNGkELMANN, Stadtarchivar, Strassburg 1. E. 
Wixpr, Oberst des Infanterie-Regiments 67, Metz. 
323. ,„ Wiınkert, Kaufmann, Vic. 

324. „ Dr. Wırte, Professor, Hagenau. 

325. .„ WirrzinGer, Bürgermeistereiverwalter, Zabern. 
326. „ Dr. Worrram, Archivdirektor, Metz. 

327. ,„ Wozter, Bürgermeister, Forbach. 

328. ,, ZEHLER, Major, Weissenburg. 

329. „ Dr. Z£rıgzon, Oberlehrer, Metz. 

330. „ ZIMMERMANN, Apotheker, St. Avold. 

331. „ Abbé ZwickeEL, Metz. 

332. „ Zwirring, Oberförster, Dieuze. 


Von den 306 Mitgliedern des Vorjahres sind 32 ausgeschieden. Neu ein- 
getreten sind 58, sodass ein Zuwachs von 26 Mitgliedern zu verzeichnen war. 


L'année dernière, la Société comptait 306 membres, sur lesquels 32 ont 
donné leur démission. Depuis, 58 nouvelles inscriptions ont eu lieu, en sorte 
que cette année le chiffre des membres est en avance de 26 sur celui de l’année 
précédente. 


al re 


Der Vorstand besteht bis zum 1. Okto- Jusqu'au 1er octobre 1898 le bureau 
ber 1898 aus den Herren: se compose des messieurs: 


Freiherr von Hammerstern, Vorsitzender. 

Archivdirektor Dr. WoLrram, Schriftführer. 

Professor Dr. Wıcnwann, stellvertretender Schriftführer. 
Regierungs- und Forstrat von Daacke, Schatzmeister. 
Oberlehrer Dr. Keune, Montigny 

Kreistagsmitglied DE VERNEUIL, Fleury 

Professor Abbé Dorvaux, Direktor am Priesterseminar 
Stadtarchivar Friprici 


Notar WELTER, Loerchingen a 
Oberlehrer Dr. GRIMME 
Abbé Pauzus, Pfarrer, Moulins 
Oberstlieutenant WEISSENBORN 
Der stellvertretende Vorsitzende A. | M. A. Benoit, vice-président, est 
Bexorr ist am 15. Februar 1898 in Berthel- | décédé à Berthelming le 15 février 1898 
mingen gestorben. (Siehe Sitzungsproto- | (v. le procès verbal de la séance du 
koll vom 24. Februar 1898). ı 24. février 1898). 
Der erste Schriftführer — Le Secrétaire : 


Archivdirektor Dr. Wolfram. 


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Fig. 2. 
Ansicht von Südost. 


Fig. 3. 


Fig.A. 


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Figur 2-4stellen den Zustand des Gebäudes vor 50 Jahren dar 


nach dem,„Atlas des Batiments militaires” 1849. 


Abteikirche St.Peter in Metz 


auf der Citadelle. 


Tafel I. 


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Wahrscheinlich Apsisanbau 
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Fig.6,7. | 

Goth.Säule im Mittelschiff. 3 


Fig.10. 
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Abteikirche St.Peter in Metz 
auf der Citadelle. 


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Ansicht der Narthexwar 
mit Fortlassung der Ausmauerungen 2 


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Bruchstücke von meroyingischen (?) Friesen, 
vermauert in romanischen Wandpfeilern 


Tafel V. 


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Hoheitswappen und Stadtwappen der Stadt Saarburg im XVI. Jahrhundert. 


(1. Uff der drinckhstuben an der Hower porten. 2. Am rhathus neben der uren). 


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