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Full text of "Jahrbuch der Kais. Kön. Geologischen Reichs-Anstalt"

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KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


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LXIV. BAND 1914. 


Mit 40 Tafeln. 
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Wien, 1915. 


Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 


In Kommission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. u. k. Hofbuchhandlung, 
I. Gräben 31. 


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"Die Autoren allein sind für den Inhalt. 


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Inhalt. 


Seite 
Personalstand der k. k. geologischen Reichsanstalt (Ende Dezember 1915). . V 
Korrespondenten der k. k. geologischen Reichsanstalt 1915 . ....... VII 


1. und 2. Heft. 


K. C. von Loesch: Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 
Mit 3 Tafeln (Nr. I—III), einem Schollenkärtehen und 4 Illustrationen 
RE NO Er ar NEE 
Dr. K. A. Weithofer: Über Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. . . . . 99 
Dr. Richard Schubert: Pavonitina styriaca, eine neue Foraminifere aus dem 
mittelsteirischen Schlier. Mit einer Tafel (Nr. IV) ..... a 
Dr. Georg Gillitzer: Geologie des Südgebietes des BeiBeabeeen Konlerle 
reviers im Kg]. bayr. ärar. Reservatfeld. Mit einer geologischen Über- 
sichtskarte (Taf. Nr, V) und 4 Profilen (Taf. Nr. VI-VIID.. ee 0) 
Max Bamberger und Karl Krüse: Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität 
der Mineralquellen Tirols. (VI. Mitteilung). Aus dem Laboratorium für 
anorganische Chemie an der k. k. Technischen Hochschule in Wien und 
aus dem chemischen Laboratorium der k. k. Lehrerbildungsanstalt in 


Innsbruck. Mit einer Textillustration . . . . 189 
Ernst Nowak: Geologische Untersuchungen im Südflügel Er mittelböhäktech&n 

Silur. Mit 1 Tafel (Nr. VII) und 11 Textfiguren ..... re 
Richard Beck in Freiberg: Die Zinnerzlagerstätten von Graupen in Bölken. 

Mit 5 Tafeln (Nr. IX— XIII) und 15 Textfiguren. ... . . 269 
Dr. Otto Ampferer: Über den Bau der westlichen Lechtaler En Mit einer 

Tafel (Nr. XIV) und 4 Textfiguren . . . . 30 
Prof. Dr. Rudolf Zuber: Beiträge zur Geologie des Pihjäb (Ostiodien)” Mit 

3 Tafeln (Nr. XV— XVII) und 19 Textfiguren . . . . 827 
Kustos F. Siebenrock, Wien: Testudo kalksburgensis Toula aus dern alkha, 

gebirge. Mit einer Tafel (Nr. XVII) ..... . 857 


Erwin Kittl: Geologisch - petrographische Studien im ee Eö: he 
masse (Rottenmanner Tauern). Mit Benützung der Aufnahmen von Ernst 


Kittl (7). Mit einer Kartenskizze (Tatel Nr. XIX). . ... . . .:.863 
3. Heft. 
Eberhard Fugger: Das Tennengebirge. Mit einer Tafel (Nr. XX) und 5 Illu- 
strationen im Text . .. . 369 


Wilhelm Hammer: Das Gebiet der Biindserschiefer im mölischen Oberinnlı 
Mit 31 Figuren im Text, einer Übersichtstabelle (Tafel Nr. XXI) und 
RR TE RER ee ee ee 


IV 
4. Heft. N 


Bruno Sander: Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteins- 
gefüge. (Erste und zweite Folge, November 1914) Mit 12 Tafeln 
(Nr. XXVU-XXZVID SE far 5 BASE 


Franz Toula: Über den marinen Tegel von en an der March (Deveny- 
Ujfalu in Ungarn) und seine Mikrofauna. Mit einer Textfigur und einer 


Tafel (Nr. XXZIR) .. ; 2 a AA ER er Ra 
E. Stolley in Braunschweig: Über einige Brachyuren aus der Trias und dem 
Dogger der Alpen. Mit einer Tafel (Nr. XL) . .. . 22.2 2.020.676 


Verzeichnis der Tafeln: 


Tafel Seite 

I—Ill zu: K. C. von Loesch: Der Schollenbau im Wetterstein- 
und Mieminger-Gebirge . . . De - 1 

IV zu: Dr. Richard Schubert: Benanlin ac eine neue 
Foraminifere aus dem mittelsteirischen Schlier. . . 143 

v—VIl zu: Dr. Georg Gillitzer: Geologie des Südgebietes des 

Peißenberger Kohlenreviers im Kegel. er ärar. 
Reservatfeld‘  .. s.,%2: . 149 

VII zu: Ernst Nowak: Ge Enteruhnngen im Süd 
flügel des mittelböhmischen Silur. . . . . 215 

IX— XII zu: Richard Beck: Die Zinnerzlagerstätten von Geaupen 
in: Böhmen 7 a a OR 

XIV zu: Dr. Otto Ampferer: Über den Bau der westlichen 
LeechtalersAlpen. a IE ©.%. . A a 

AV—XVIl zu: Prof. Dr. Rudolf Zuber: Beiträge zur Gevlogie des 
Punjab (Ostindien) mr. ... 3 . 327 

XVIl zu: F. Siebenrock: Testudo hngenais, Toula ans "den 
Leithagebirge . . . . 307 

XIX zu: Erwin Kittl: Beoei eraphische Stindien im 
Gebiete der Bösensteinmasse (Rottenmanner Tauern) 363 
xXX zu: Eberhard Fugger: Das Tennengebirge . . . . . 369 

XXI—XXVI zu: Wilhelm Hammer: Das Gebiet der Dindefersahieier 
im tirolischen Oberinntal. . . . . . 443 

XXVI—-XXXVII zu: Bruno Sander: Beiträge aus den Zentrelpen zur 
Deutung der Gesteinsgefüge eu: © . 567 

XXXIX zu: Franz Toula: Über deu marinen Tegel von Neudorf: 

an der March (Deveny-Ujfalu) in Ungarn und seine 
Mikrofauna . ... . 635 

XL zu: E. Stolley: Über er Brachguan aus de N a 


dem Dogger der Alpen. . . me SEE 


Personalstand 


der 


k. k. geologischen Reichsanstalt. 
(Ende Dezember 1915.) 


Direktor: 

Tietze Emil, Phil. Dr., Ritter des österr. kaiserl. Ordens der Eisernen 
Krone III. Kl., k. k. Hofrat, Ehrenpräsident und Inhaber der 
Hauermedaille der k. k. Geographischen Gesellschaft in Wien, 
III. Hauptstraße Nr. 6. 


Vizedirektor: 
Vacek Michael, k. k. Hofrat, III. Erdbergerlände Nr. 4. 


Chefgeologen: 


Geyer Georg, Ritter des kais. österr. Franz Josef-Ordens, k. k. Re- 
gierungsrat, korr. Mitglied der kaiserl. Akademie der Wissen- 
schaften, III. Hörnesgasse Nr. 9. 

Bukowski Gejza v. Stolzenburg, III. Hansalgasse Nr. 3. 

Rosiwal August, a. o. Professor an der k. k. Technischen Hochschule, 
UI. Kolonitzplatz Nr. 8. 

Dreger Julius, Phil. Dr., k. k. Bergrat, Mitglied der Kommission für 
die Abhaltung der ersten Staatsprüfung für das landwirtschaft- 
liche, forstwirtschaftliche und kulturteehnische Studium an der 
k.k. Hochschule für Bodenkultur, Ehrenbürger der Stadt Leipnik 
und der Gemeinde Mösel, III. Ungargasse Nr. 71. 


Ober-Bibliothekar: 


Matosch Anton, Phil. Dr., kais. Rat, Besitzer der kais. ottomanischen 
Medaille für Kunst und Gewerbe, III. Geusaugasse Nr. 35. 


Vorstand des chemischen Laboratoriums: 
Eichleiter Friedrich, kais. Rat, III. Kollergasse Nr. 18. 


VI 


Geologen: 

Kerner von Marilaun Fritz, Med. U. Dr., k. k. Bergrat, korr. 
Mitglied der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, III. Keil- 
gasse Nr. 15. 

Hinterlechner Karl, Phil. Dr., XVIIL Klostergasse Nr. 37. 

Hammer Wilhelm, Phil. Dr., XIII. Waidhausenstraße Nr. 16. 


Adjunkten: 
Waagen Lukas, Phil. Dr., Besitzer des Goldenen Verdienstkreuzes 
mit der Krone, III. Sophienbrückengasse Nr. 10. 
Ampferer Otto, Phil. Dr., II. Schüttelstraße Nr. 77. 
Petrascheck Wilhelm, Phil. Dr., XVIII. Scherffenbergstraße 3. 
Ohnesorge Theodor, Phil. Dr., k. k. Landsturmleutnant, Besitzer 
des Sienum laudis (derzeit eingerückt zur militärischen Dienst- 
- leistung), III. Hörnesgasse Nr. 24. . 
Beck Heinrich, Phil. Dr. (z. M. eingerückt), III. Erdbergstraße Nr. 35. 
Vetters Hermann, Phil. Dr., Privatdozent an der k. k. montanistischen 
Hochschule in Leoben, k. k. Landsturmingenieur (z. M. eingerückt), 
V. Stollberggasse Nr. 11. 


Assistenten: 


Hackl Oskar, Techn. Dr., IV. Schelleingasse 8. 

Götzinger Gustav, Phil. Dr., Preßbaum bei Wien. 

Sander Bruno, Phil. Dr., Privatdozent an der k. k. Universität in 
Wien, 1. Valeriestraßbe Nr. 44. 


Praktikanten: 
Spitz Albrecht, Phil. Dr. (z. M. eingerückt). 
Spengler Erich, Phil. Dr., Privatdozent an der k. k. Universität in 
Graz (z. M. eingerückt), III. Marxergasse 39. 


Für das Museum: 
Zelifzko Johann, Amtsassistent, III. Löwengasse Nr. 37. 


Für die Kartensammlung: 
Zeichner: 


Lauf Oskar, I. Johannesgasse 8. 
Skala Guido, III. Hauptstraße Nr. 81. 
Huber Franz (z. M. eingerückt), VIII. .Hamerlingplatz 3. 


v1 
Für die Kanzlei: 
Unbesetzt. 


Kanzleioffiziantin: 
Girardi Margarete, III. Geologengasse Nr. 1. 


Diener: 
Amtsdiener: 

Palme Franz, III. Rasumofskygasse Nr. 23, 

Ulbing Johann, Besitzer des silbernen Verdienstkreuzes, II. 
Rasumofskygasse Nr. 23, 

Wallner Mathias, k. k. Offiziersstellvertreter, Besitzer der 
kleinen Silbernen Tapferkeitsmedaille (z. M. eingerückt), II. 
Rasumofskygasse Nr. 25. 

Präparator: Spatny Franz, III. Rasumofskygasse Nr. 25. 

Laborant: Felix Johann, III. Lechnerstraße 13. 

Amtsdienergehilfe für das Museum: Kreyeda Alois, III. Erd- 
bergstraße 33. 

Amtsdienergehilfe für das Laboratorium: Bartl Anton (z. M. 
eingerückt). 


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Korrespondenten 


der 


k. k. geologischen Reichsanstalt. 
(Ende Dezember 1915.) 


Aus Anlaß seines siebzigsten Geburtstages am 20. Dezember 1915 

wurde Herrn Hofrat Dr. Franz Toula dessen Diplom als Korre- 

spondent der k. k. geologischen Reichsanstalt vom Jalıre 1869 
erneuert. 


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| hi Ausgegeben Mitte August 1914. 


JAHRBUCH. 


KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


GEOORSCHEN EICHSANSTALT 


JAHRGANG 1914. LXIV. BAND. 


1. und 2. Helft. 


Wien, 1914. 
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 


In Kommission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. u. k. Hofbuchhandlung 


l. Graben 31. 


Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger- 
Gebirge. 
Von K. C. von Loesch. 


Mit 3 Tafeln (Nr. I—lII), einem Schollenkärtchen und 4 Illustrationen im Text. 


I. Einleitung. 


A. Begrenzung des Gebietes. 


Die Arbeit beschränkt sich in der Hauptsache auf die Darstellung 
des Wetterstein- und Miemingergebirges und ihrer Vorberge. Doch 
wurden das westliche Karwendelgebirge, ferner die im Westen und 
Norden anstoßenden Gebiete, soweit sie zum Schollenbau Beziehungen 
haben, mitbesprochen. 

Es wurde absichtlich vermieden, über die beiden letzteren 
Theorien aufzustellen, da für sie hinreichende Grundlagen noch fehlen. 
Eine geologische Karte des Gebietes der Bichelbacher Mulde ist zwar 
im Blatt Zirl-Nassereith veröffentlicht worden, doch steht eine Be- 
schreibung noch aus. Das Kramergebiet!) ist seit 1894 nicht mehr 
bearbeitet worden, über das des Krottenkopfes liegt seit Gümbels 
Zeit nur ein Profil im Rothpletzschen Querschnitt (13) vor. 


B. Ziele der Arbeit. 


Das Ziel dieses Versuches ist, genauere Vorstellungen von der 
Natur der tektonischen Vorgänge zu gewinnen und sie chronologisch ?) 
einzuordnen. 

Dazu war es unumgänglich notwendig, die Gebirgsmassen in 
größere und kleinere Einheiten zu trennen. Eine solche Einheit, für 


!) Nachdem diese Arbeit im wesentlichen vollendet und ihre Ergebnisse in 
einem Vortrage (4. März 1913) veröffentlicht waren, begann Herr cand. geol. Otto 
Wolf die Neuaufnahme des Kramers und nach W angrenzenden Gebiete. 

Im gleichen Sommer 1913 fing Herr Dr. J. Knauer die Aufnahme des 
zwischen Loisach, seiner Herzogstand—Heimgarten-Karte (16) und der Reisschen 
Karte gelegenen Gebirges an. 

Mit Herrn Otto Wolf undin Gesellschaft von Herrn Dr. OttoSchlagintweit 
besuchte der Verfasser das Arbeitsgebiet des erstgenannten. Mit Rücksicht auf dessen 
bevorstehende Publikation hat sich der Verfasser eine größere Beschränkung in 
der Außerung über das Kramergebiet auferlegt, als sie ursprünglich vorgesehen war. 
Vgl. die Bemerkungen zur Profiltafel pag. 29. 

2) Es handelt sich vorerst um eine nur relative Chronologie. Vgl. pag. 5 ff. 


Jahrbuch d. k, k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64, Bd., 1. u. 2. Hft. (K. C. v. Loesch.) 1 


2 K. C. von Loesch. [2] 


die die neutrale Bezeichnung Scholle gewählt wurde, hat ein bestimmtes, 
ihr eigentümliches Schicksal erlitten: während in frühen Faltungs- 
zeiten das ganze Gebirge einem Prozeß mehr oder weniger einheitlich 
unterworfen war, erlitten nach Eintritt der Schubphasen die Einzel- 
schollen abweichende Geschicke, wirkten in unserem Gebiete zunächst 
aktiv (Hammer) und wurden zum Teil später passiv (Ambos). 
Durch die Gemeinsamkeit der Schicksale wurden Bruchstücke ver- 
schiedener Herkunft unter Umständen zu einer tektonischen Einheit: 
zu einer Scholle. 

Der Herkunft dieser Schollen wird nachgeforscht, die gegenseitige 
„Wertigkeit“ in tektonischem Sinne erwogen, die Schubbewegungen 
werden auf ihre Richtung und ihre Natur (primär, sekundär, aus Schub 
entstehende Faltung) geprüft. 

Die Verhältnisse bringen es mit sich, daß die Untersuchungen 
über die zeitlich am kürzesten zurückliegende Schubphase fast den 
gesamten Raum einnehmen. Unsere Vorstellungen von den Vorgängen 
vor der Schubphase sind heute noch recht unbestimmt; mit dem Fort- 
schritte der Untersuchungen über die Schubphase, die vor allem nottun, 
werden sie von selbst Gestalt annehmen. 

Diese Untersuchungen sind erst dann als erfolgreich anzusehen, 
wenn es gelungen sein wird, alle Schubvorgänge über weite Gebiete 
ohne innere Widersprüche chronologisch einzuordnen. 

Die Arbeit schließt mit einem solchen Versuch für unser ver- 
hältnismäßig kleines Arbeitsgebiet ab: er muß noch primitiv sein, da 
natürlich nur die gerade hier deutliche Spuren hinterlassenden_ Vor- 
gänge erfaßt werden konnten und bedarf des Ausbaues und der Über- 
prüfung durch die Verfolgung der hier gewonnenen Richtlinien zunächst 
in die Nachbargebiete, wobei sich für das Wetterstein- und Mieminger- 
gebirge zahlreiche neue Gesichtspunkte wiederum ergeben dürften. 


Es darf nicht der Zweck einer tektonischen Untersuchung sein, 
etwas „beweisen“ zu wollen; mit Recht ist man Arbeiten gegenüber 
mißtrauisch, die zum Beweis einer Theorie unternommen zu sein 
scheinen. Diese sind dann auch zumeist geringwertiger als die, an welche 
ein unbefangener Verfasser heranging: der nicht das Endurteil schon 
mitgebracht und nur die Mühe hat, sich und andere davon zu über- 
zeugen, daß im untersuchten Gebiete keine seiner — vorausgesetzten, 
ihm vielleicht ganz anderswo bewiesenen — Theorie entgegengesetzten 
Tatsachen vorhanden sind. 

Ein Verfasser hat zunächst alle kombinationsfähigen Momente 
auf ihre Erheblichkeit kritisch zu prüfen: nach Erlangung eines voll- 
kommenen Überblicks wird aus der Versenkung in die Materie erst 
der Aufbau einer wertvollen Lokalarbeitshypothese möglich sein. 

Ist sie gewonnen, so beginnen die größten Schwierigkeiten 
vielleicht erst jetzt mit der Darstellung. Denn es ist unmöglich, den 
Werdegang der Hypothese, die anfangs beständig sich wandelnden 
Ideen, die sich allmählich um einen ruhenden Punkt, den Angel- 
punkt, kristallisierten, wiederzugeben: eine so angelegte Arbeit wäre 
unlesbar. 


[3] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 3 

Vielmehr muß er — wenn auch im einzelnen viele verschiedene 
Methoden der Darstellung möglich sind — stets als Endziel die Moti- 
vierung seiner Ergebnisse im Auge haben. 

Von Fall zu Fall wird er die Kombinations- und Erklärungs- 
möglichkeiten, die sich bieten, vortragen, abwägen und seine Ent- 
scheidung rechtfertigen. Die Beobachtungen, die er für seine Auffassung 
anführt, mag man als „Beweise“ bezeichnen. 

Sie nehmen oft einen größeren Raum ein, als dem Verfasser 
wünschenswert erscheinen mag, besonders wenn schon eine reichlich 
vorliegende Literatur polemische Verbreiterung erheischt. 


II. Allsemeiner Teil. 


A. Voraussetzungen und ‚„Boeweisführung“. 


Bisweilen ist es schon nicht leicht, der Beweisführung über die 
Tektonik eines Gebietes zu folgen, dessen Morphologie und Schicht- 
verteilung man, vielleicht durch Exkursionen [mit einer geologischen 
Spezialkarte] kennt. 

Handelt es sich aber um noch nicht besuchte Gebiete, so wird 
das Folgen schwerer, selbst wenn — ein besonders günstiger Fall — 
genügend Muße zum Studium der unerläßlichen Spezialkarte, die 
noch dazu unparteiisch sein muß, zu Gebote steht. 

Doch sind diese beiden Hindernisse zweifellos überwindbar. 

Schlechter steht es mit der Beweiskraft der Argumentierung 
selbst. Mathematische „Beweise“ wird niemand in geologischen Arbeiten 
erwarten. 

Es kann sich vielmehr nur um Wahrscheinlichkeitsurteile handeln, 
wobei die Wahrscheinlichkeit irgendeines Nachweises dem Leser um 
so zwingender erscheinen wird, je mehr die Prämissen des Ver- 
fassers sich mit den seinen decken. Je mehr Deutungen von Tatsachen- 
komplexen (vielleicht aus anderen Gegenden) von beiden anerkannt 
werden und vorausgesetzt gesetzt werden können, umso mehr Ver- 
ständigungs- und damit Beweismittel stehen zu Gebote. 

Darum ist es verhältnismäßig leicht, einem Kreise von Gleich- 
erfahrungsreichen und damit Gleichvoraussetzenden, ja ein ähnliches 
Resultat Erwartenden etwas zu „beweisen“: ein Ziel, mit dem nur 
Bescheidene sich begnügen. 

Dieser Kreis wird weiter oder enger sein, je nachdem die 
Voraussetzungen des Verfassers sich mit denen der größeren oder 
kleineren Gruppen decken, in die die Alpengeologen nach ihren so 
entgegengesetzten Anschauungen sich einteilen lassen. 

Weil mancher Verfasser zunächst keine gleichvorbereitete 
Leserschaft finden konnte, verhallten manch treffliche Arbeiten zunächst 
fast völlig; sie wurden nicht immer, wie so oft behauptet wird, aus 
Voreingenommenheit totgeschwiegen, sondern begegneten nur einem 
verständlichen Unverständnis und die so oft erlebte glänzende Auf- 
erstehung, die manche Werke feierten, mußte mit dem Augenblick 

1* 


4 K. C. von Loesch. [4] 


eintreten, in dem die Leserschaft in die vorauseilenden Voraussetzungen 
des Verfassers hineingewachsen war. 


Hierfür gibt es Beweise in jedem Zweige der Naturwissenschaften. 


Wie für jene grundlegenden Arbeiten, so gilt das im kleinen 
für alpentektonische Spezialuntersuchungen. 


Wem ist es nicht schon so ergangen, daß er einer Beweisführung zu 
folgen suchte und beim besten Willen das Beweisende nicht perzipieren 
konnte ? Es fehlte an den Voraussetzungen, die dem Verfasser so 
selbstverständlich waren, daß er nicht auf den Gedanken kam, sie 
seinen Ausführungen voranzustellen. Beabsichtigt man aber eine solche 
Vorauseinandersetzung, so ist die Auswahl aus der Materie eine neue 
Schwierigkeit, mit der man sich so gut als möglich abfinden muß. 
Daß man bei solcher Gelegenheit dem einen oder anderen Selbstver- 
ständliches sagt, ist ein geringes Übel; jeder Leser kann ja über- 
schlagen. 


Zur Natur der „Beweise“ selbst. Einzelbetrachtete Beobachtungs- 
tatsachen sind meist vieldeutig; örtlich kann eine vielleicht näher- 
liegende Deutung den Vorzug verdienen, die in Ansehung eines größeren 
Komplexes unhaltbar wird. So entsteht aus dem Bedürfnis, vermeid- 
baren Irrtümern aus dem Wege zu gehen, der Wunsch, immer größere 
Gebiete zu überblicken, was vorderhand mangels guter Detailauf- 
nahmen vieler Gegenden noch unmöglich ist. 


Dieser Beschränkung wegen sich von tektonischen Untersuchungen der schon 
gutbekannten Gebirgsstöcke abhalten zu lassen, sie etwa auf die Zeit nach der 
Vollendung der Gesamtalpenaufnahme zu verschieben und auf diese alle Kraft zu 
konzentrieren, wäre verkehrt. 

Denn eine kritische Untersuchung der gut durchforschten Gruppen auf ihren 
Bau und ihre Entstehung — so ist der Begriff „tektonische“ Untersuchung aufzu- 
fassen — ist für das Weiterschreiten geologischer Untersuchungen und die Ver- 
feinerung ihrer Methoden unbedingt erforderlich. 

Zudem wird nach Vollendung der Alpenaufnahme das Bedürfnis nach Her- 
aushebung der den einzelnen Gebirgsgruppen eigentümlichen Erscheinungen noch 
immer bestehen. 


Für gewisse Beobachtungen (wie zum Beispiel für die Richtung 
eines Schubes) gibt es eine Anzahl positiver Beweismittel, von denen 
dem einzelnen (wie zum Beispiel den Rutschflächen, den Schubstreifen, 
dem Neigungswinkel und der Neigungsrichtung der angenommenen 
Schubfläche) allein noch keine Überzeugungskraft innewohnt. Sie 
werden erst durch den Nachweis wirksam, daß sie alle oder mehrere 
von ihnen gleichzeitig beobachtet wurden, daß sie sich nicht wider- 
sprechen und daß sie mehr als lokale Bedeutung haben. 


In einem Gebiete können zum Beispiel viele Lokalüberschiebungen, 
jedesmal von verhältnismäßig großem Ausmaße, beobachtet werden 
und doch kann die Frage berechtigt sein, ob sie nicht als Neben- 
erscheinungen unwesentlich sind und ob die Haupthorizontalbewegung 
sich nicht anders als in Form von einer flach deckenförmigen Über- 
schiebung, wie man sie sich leicht nach Analogie der obigen Lokal- 
erscheinungen vorstellen könnte, vollzogen hat? 


[5] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 5 


“ Solche Fragen von grundlegender Wichtigkeit entziehen sich meist 
einer exakten Beantwortung: je peinlicher der Untersucher vorgeht, 
um so schwerer gelangt er zu einer Entscheidung, um so öfter wird er 
sich mit einer negativen Außerung begnügen müssen. 

Noch schlechter steht es mit den Beweisen, die auf gewisse 
Voraussetzungen und solchen, die auf Ergebnisse anderer Abschnitte 
der Arbeit aufgebaut sind. 

Während im letzteren Falle das Versagen auch nur eines Gliedes 
in einer langen Kette logischer Schlußfolgerungen ein scheinbar fest- 
gefügtes Gerüst von gedanklicher Arbeit zu erschüttern vermag, bewegt 
man sich beim Beweise durch Voraussetzungen in einem eirculus 
viciosus. 

Teilt man zum Beispiel ein Gebiet nach Bezirken unterschied- 
lichen Schichtenreichtums in gegensätzliche Einheiten, so dürfte — 
streng genommen — nicht in Zweifelsfällen aus der vorausgesetzten 
Einteilung für irgend etwas, wie zum Beispiel für Schübe Beweiskraft 
hergeleitet werden. 

In der Praxis dürfte das kaum immer zu umgehen sein und in 
der Tat ist der Fehler geringer als oben dargestellt. 

Die Zurechnung zu einer Einheit soll ja selbst, wenn sie viel- 
leicht bei der Darstellung vorausgesetzt wird, auch das Resultat der 
gedanklichen Gesamtarbeit sein, die kein entgegenstehendes Argument 
ergeben und jede weitere Einteilungsmöglichkeit erwogen und verworfen 
hat, was dann im Laufe der Deduktion nachgewiesen werden muß. 

Das, was sich aber der Darstellung entzieht, weil es allzuweit 
abführt und nur angedeutet werden kann, sind Beziehungen, die feinen 
Fäden gleich zwischen fast allen Teilen eines noch so kompliziert 
gebauten Gebirges gefunden werden können. Da finden sich Analozien, 
Wiederholungen, abweichende und gleichsinnige Lösungen der ähnlichen 
Probleme, die ohne für die Erkenntnis des Gebirgsbaues gerade aus- 
schlaggebend zu sein, vielleicht der beste Prüfstein des Wertes der 
sefundenen Bauformel sind. 


B. Die Faltungen vor der Schubphase. 


(Grundsätzliche Erwägungen.) 


In Übereinstimmung mit Reis, Ampfererund Schlagintweit 
wird angenommen, daß die Schubphase ein bereits gefaltetes Gebirge 
erfaßte. 

Die primären Falten streichen longitudinal und sind scheinbar 
lokal verschieden kräftig: nie sind sie, wenn nicht nachweislich 
jüngere Kräfte tätig waren, sehr eng, ja manchen Ortes, wie im 
Puitental und in der Hohen Kranzberg-Scholle recht flach. 

Die Faltung muß nachneokomisch sein: das zeigt die Mitfaltung 
des Neokoms, sonst bietet unser engeres Gebiet keine Anhaltspunkte 
für die absolute Altersbestimmung. 

Ampferer unterscheidet in den benachbarten Lechtaler Alpen analog den 
Beobachtungen in anderen Alpengegenden vor der Schubphase zwei Faltungen, auf 
die Meereseinbrüche erfolgten, welche marine Sedimente hinterließen: 


6 K. C. von Loesch. [6] 


die präcenomane mit geringerer Faltung, 

die prägosauische mit kräftigerem Faltenwurf. 

Die der letzteren folgende Überflutung hinterließ die Gosauablagerungen des 
Muttekopfes innerhalb der Fortsetzung unserer Mieminger Scholle; die der ersteren 
folgende cenomane Kreideschiefer, die von den in Inseln zerlegten Frontteilen der 
gleichen Schubmasse noch überschoben werden. 

Hieraus folgt, daß sowohl die präcenomane als auch wahrscheinlich die 
prägosauische Faltung und die gosauische Sedimentationsperiode der Schubphase 
vorangingen. 

Die Annahme eines weittragenden Ostschubes der Mieminger Scholle 
(= Ampferers Inntaldecke) in nachgosauischer Zeit würde das Vorkommen der 
Grauwackengerölle in der Muttekopfgosau ungezwungen erklären. Die heute etwa 
100 km betragende Entfernung bis zum nächsten Anstehen von Grauwacken wäre 
ganz oder zum Teil das Resultat des Ostschubes?). 

Es scheint nach Sachlage keineswegs ausgeschlossen, -daß auch 
in unseren Gebieten zwei Faltungen vor der Schubphase stattgefunden 
haben: zur Zeit ist es aber noch unmöglich, sie nachzuweisen, ja 
selbst von der Konfiguration der damals geschaffenen Gebirge ein 
auch nur einigermaßen anschauliches Bild zu entwerfen. 

Denn die Schubphase mit ihren gewaltigen Veränderungen hat 
die vorherbestehenden Züge stark verundeutlicht. 

Heute sieht man Reste einer westlichen Urscholle mit Haupt- 
dolomit an den Rändern und Jura im W, Neokom noch im O im 
Kern unter und neben den Schollen der östlichen Triasurschubmasse 
liegen, deren Basis im Frontteil des Nordflügels aus Muschelkalk, 
Partnachschichten und Wettersteinkalk besteht. 

Dieser Nordflügel enthält im Kern westlich der Isar noch Haupt- 
dolomit, östlich derselben scheinbar dieselbe junge Serie wie die west- 
liche Urscholle; im Leitersteiggewölbe sind noch zum Teil ältere Schichten 
als an der westlichen Schubfront entblößt (Reichenhaller Schichten). 

Der Südflügel dagegen zeigt?) an den westlichen Frontteilen 
Hauptdolomit, später erst (gegen O) stellt sich ältere Trias ein; cha- 
rakteristisch 3) scheint: für ihn das Fehlen aller jüngeren Schichten 
als Hauptdolomit (mit Ausnahme der transgredierenden Muttekopfgosau) 
zu sein. 

Hieraus ergibt sich, daB eine bedeutende Erosionsdiskordanz 
vorliegt, die auf eine lange dauernde Abtragungsphase vor Eintritt 
der Schübe schließen läßt. 

Betrachtet man nur den Schichtreichtum der Mulden — und 
sieht man vom Schichtbestand der Schollen, für den die Abscherungs- 
(die Abhubs)fläche noch wichtiger ist, ab.) —, so scheint der gegen O 


') Vgl. 0. Ampferer, Über die Gosau des Muttekopfes. Jahrb. R.-A. 1912, 
62, Bd., 2. Heft. Diese Lösung ist einfacher als die entsprechenden nappistischen 
Erklärungsversuche. 

*) Ich hoffe, Ampferer, auf dessen Angaben ich mich stütze, nicht miß- 
verstanden zu haben. 

®) Ampferer, l. c. pag. 303. 

*) Bis nicht die Beschreibung und die Karten [Ampferers] von den Lech- 
taler Alpen vorliegen, muß die Diskussion der an den unterschiedlichen Schicht- 
reichtum der westlichen Frontteile der Einzelschollen sich anknüpfenden Fragen 
zurückgestellt werden. 


[7] Der Schollenbau im. Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 7 


zunehmende Schichtreichtum mit der Tendenz von W nach O abzu- 
sinken!) ursächlich verknüpft. 

Diese scheint vor der Schubphase schon vorhanden gewesen zu 
sein und bei Eintritt, des O—W-Druckes den Ausgleich der Spannung 
durch westgerichtete Überschiebungen erleichtert zu haben : ostgerichtete, 
die theoretisch durch den gleichen Druck gleich leicht hätten entstehen 
können, fehlen in den nördlichen Kalkalpen fast immer). 

Es wäre ein Zirkelschluß und hieße die allgemeine Bedeutung 
dieses Phänomens verkennen, wenn man das Absinken nur als die 
Folge der Ostschübe ansehen wollte. 


Die Faltungsphasen scheinen also durch Vertikalsprünge [vor 
der Schubphase noch] gefolgt worden zu sein, zu deren Ostseite eine 
Hebung, zu deren westlicher eine Senkung der Mulden erfolste. 
Dagegen kann die heutige Transversaiverteilung von Gruppen ge- 
ringeren Schichtreichtums im S (und im äußersten N) und größeren 
nördlich von ihnen (Mesozoikum sowohl in der westlichen Urscholle 
als auch im Nordflügel der Urtriasschubmasse) erst eine Folge der 
Bewegungen der Schubphase gewesen sein. 

Das Wiedereinstellen von Neokomschichten im 
östlichen Kern des Nordflügels ist hochbedeutsam und 
wird sicher einmal ein gutes Hilfsmittel zur Wiederherstellung des 
Faltenverlaufes vor den Schubphasen abgeben. 


Das sollte bei der von vielen Seiten so beliebten Aufstellung 
großzügiger nappistischer Einheiten zur Vorsicht mahnen, zumal der 
sroße Unterschied im Schichtbestande zwischen westlicher Urtrias- 
kreidemulde und Nordflügel der Triasschollenmasse nur am 
Westrande des Wettersteingebirges und teilweise am Nordrand sehr 
groß ist, der zum Teil?) mit den gewaltigen Erhebungen durch die 
Östschübe und die stark verarmende Wirkung der Erosion nach der 
Schubphase erklärt werden kann. 


Ampferers Zurechnung der Wettersteinscholle zur „Lechtaldecke“ trägt 
dieser Erwägung Rechnung und es besteht zweifellos eine gewisse Gemeinschaft 
zwischen beiden, besonders wenn man das noch nicht hinreichend durchforschte 
nördliche Vorland von dem westlichen und der Jurakreidemulde trennt. Die Prä- 
judizierung durch den vorgreifenden Gebrauch des vieldeutigen Ausdruckes „Decke“ 
erschwert die Verständigung ungebührlich: der Deckenbegriff ist so dehnbar, daß 
jeder ihn scheinbar in einem etwas anderen Sinne anwendet; dabei ist er doch 
nicht plastisch genug, um den eigentümlichen Erscheinungen des bewegten Schollen- 
gebirges gerecht zu werden. Ich wende ihn nur dann an, wenn eine klare decken- 
förmige Überlagerung vorliegt, wie zum Beispiel in unserem Arbeitsgebiet in be- 
schränkter Ausdehnung am Westende des Wettersteingebirges und im Puitental. 

Es steht keineswegs fest, wie sich die Schubmassen nach unten zu in größerer 
Entfernung von den Westenden verhalten und es müßte erst ein prägnanter Ausdruck 


!) Es erübrigt, Beweise dafür, die so häufig sind, einzeln aufzuführen. 

2) Anmerkung während der Korrektur. F. Broili nimmt in einer erst nach 
Abschluß des Manuskriptes erschienenen Arbeit (Neues Jahrbuch für Mineral. etc., 
Stuttgart 1914) an der Kampenwand in der bayrischen Voralpenzone eine west- 
gerichtete UÜberschiebung an. 


°®) Zum anderen Teile durch Vertikalverschiebungen vor der Schubphase. 


8 K. C. von Loesch. [8] 


für ihr so wechselvolles Verhalten, das den raschen Übergängen von Arlagerung 
(steile Randspalte) und Überlagerung (Überschiebung) gerecht wird, gefunden 
werden. 

Dazu fehlt aber noch die Vorbedingung, die genaue Erkenntnis dieser 


Vorgänge. 


Die Schubphase wird also, da die Gosauschichten noch mit- 
geschoben zu sein scheinen, wohl der dritten Bewegungsperiode, der 
tertiären, angehören. 

Reis glaubt, daß wegen anfänglich noch größerer Hangend- 
belastung zuerst gefaltet wurde und daß nach der Erleichterung durch 
die Erosionsperiode Überschiebungen auftreten konnten und mußten. 

Ich meine, wichtiger ist ein Wechsel in der Richtung des ein- 
tretenden Druckes: denn wäre der Druck gleichgerichtet geblieben, 
so hätten im Sinne von Reis wohl Uberschiebungen folgen müssen, 
aber nordgerichtete. Solche von Bedeutung sind aber (trotz der gegen- 
teiligen Behauptung von Schlagintweit) noch nie beobachtet worden. 

Mir scheiut, als wäre der Druck in der zweiten gebirgsbildenden 
Phase senkrecht zur Richtung des Druckes desjenigen der ersten 
gerichtet gewesen und darum liegt die Rothpletzsche Erklärung 
näher, welche annimmt, daß dann erst UÜberschiebungen eintreten 
müssen, wenn ein neuer, senkrecht zum früheren Druck und gleich- 
gerichtet mit den durch jenen geschaffenen Längssätteln und Mulden 
eintretender Druck nicht mehr falten kann (Beispiel: Wellblech) und 
sich jetzt in Überschiebungen entspannen muß. 

Ferner habe ich mit Reis an der Rothpletz’schen Auffassung 
festgehalten, daß wir uns in Mitte der in ihrer Gesamtheit nach W 
bewegten rhätischen Schubmasse befinden. Naturgemäß kann aus einem 
so zentral gelegenen Gebiete kein Argument für die Richtigkeit dieser 
Anschauung, die übrigens für die Erklärung der lokalen Erscheinungen 
des Wettersteingebietes von geringer Bedeutung ist, erwartet werden. 
Momente, die gegen diese Auffassung sprächen, wurden nicht beobachtet. 

Nur in einem kann sie hier Bedeutung gewinnen. Die oben 
charakterisierten Urschollen erscheinen im Wettersteingebirge in 
einem schroffen Gegensatze: die westliche vorwiegend aus jungen 
Schichten stets leidend, über- und verschoben, die östliche Trias- 
urscholle schiebend. Letztere zerfällt in zahlreiche Einzelschollen mit 
eigenen Geschicke, die teils frühzeitig in eine leidende Stellung ge- 
drängt werden. Eine solche Teilung muß naturgemäß am [westlichen] 
Stirnrand stärker sein als in den östlichen Enden einer Hauptscholle ; 
immerhin entspringt es der Annahme einer rhätischen, ostwärts be- 
wegten Masse, auch in der westlichen [Lechtaldecke] einen Schollen- 
zerfall anzunehmen und vor allem in der Zone junger Schichten am 
südlichen Wettersteinugebirgsrand eine zurückgebliebene Scholle zu 
sehen. Hier muß ich mich mit dieser Andeutung begnügen. 

Die Frage nach der Form der westlichen Grenzlinie der Trias- 
urscholle in der Zeit vor der Schubphase ist ziemlich gleichbedeutend 
mit der Frage nach dem Ausmaße der durch die einzelnen Schübe 
zurückgelegten Entfernungen. Sie ist heute noch keineswegs einwandfrei 
zu beantworten, aber von höchster Wichtigkeit. 


[9] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 9 


Schließlich sei die Aufmerksamkeit auf die Form der Unter- 
einheiten, in die die Urschollen zerfallen, gelenkt. Sie sind alle schmal 
in transversaler, lang in longitudinaler Richtung und ähneln im kleinen 
jener Inntaldecke Ampferers, die bei einer Erstreckung von 136 km 
vom Spuller See im W bis Münster im OÖ nur eine Durchschnittsbreite 
von etwa 10 km haben soll. 


III. Literaturbesprechung- 


A. Allgemeiner Rückblick. 


Während alle noch älteren Arbeiten über unser Gebiet heute nur 
ein literarisches Interesse besitzen, bleibt die Karte der Gümbel- 
schen Generalaufnahme aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts 
für Gebietsteile, die bislang keine monographische Bearbeitung wieder 
erfahren haben, die einzige Quelle, aus der wir schöpfen können. 

Das benachbarte Karwendelgebirge hat in neuerer Zeit zweimal 
von österreichischer Seite eine eingehende Bearbeitung erfahren !), 
während für den bayrischen Anteil die von Rothpletz und einigen 
Fachgenossen (1888) unternommene Kartierung die Grundlage ge- 
blieben ist. 

In den Bereich unseres Gebietes fällt noch die 1895 erschienene 
Aufnahme Heimbachs in den Farchanter Alpen (Kramergebiet, 10). 
Ihre Karte (1:50.000) gewinnt dadurch an Bedeutung, daB Roth- 
pletz an einigen Begehungen teilgenommen hatte. Sie ist heute bis 
zu einem gewissen Grade veraltet. 

Noch unter Gümbels Leitung begann die geognostische Abtei- 
lung des Oberbergamts in München 1893 eine umfangreiche Aufnahme 
des Wettersteingebirges im Maßstabe 1:25.000, deren Karte nach 
18jähriger, freilich nicht ununterbrochener Arbeitszeit zur Veröffent- 
lichung gelangte (2). Ihr Titel nennt O. Reis und F. Pfaff als Ver- 
fasser. Da die uns hier interessierenden Teile der Arbeit fast aus- 
schließlich von Reis verfertigt sind, dürfen wir — der Kürze wegen 
— ihn schlechtweg als Autor nennen, zumal auch der I. Teil des be- 
gleitenden Textes von ihm ausschließlich herrührt. 

Die Karte stellt ein Gebiet von beiläufig 320 km? geologisch 
koloriert dar und ist die Grundlage aller weiteren Arbeiten. Reis’ 
Sachlichkeit ist vorbildlich. Ihre schon von Ampferer?) gerühmte 
Zuverlässigkeit kann ich besonders im eigentlichen Wettersteingebiete °), 
das heißt den zwischen Isar, Leutascher Ache, Gaistal, Loisach und 
Kankerbach gelegenen Teilen auf Grund zahlreicher Begehungen vollauf 
bestätigen. 


!) Ampferer und Hammer 1898 für das südliche Karwendelgebirge (11), 
Ampferer 1903 für das nördliche Karwendelgebirge (3). 

2), 7,.Dag. 197. 

®) In den angrenzenden Gebieten, die noch auf dem Kartenblatt zur Dar- 
stellung gelangten, fand ich einige Ungenauigkeiten. Vgl. pag. 28, 37, 39 und 41. 
Hier mußte sich Reis wohl auf ältere Aufnahmen stützen und mit kursorischen 
Begehungen begnügen. 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. C. v. Loesch.) 9 


10 K. C. von Loesch. [10] 


Sie ist um so höher einzuschätzen, als bei der Größe des Gebietes 
und seiner bedeutenden Höhenlage, wie Reis es mitteilt, nicht überall 
jene Reambulationen durchführbar waren, die nach völliger Fertig- 
stellung einer Aufnahme oft noch wünschenswert sind. 

(Leider läßt die topographische Unterlage einiges zu wünschen 
übrig. Sie bietet nur Höhenkurven von 100 zu 100 m, während die 
entsprechenden Positionsblätter des gleichen Maßstabes, die für den 
bayrischen Anteil die Grundlage der Karte bildeten, Abstände der 
Niveaukurven von 10 m aufweisen. Diese Verarmung des Kartenbildes 
ist wohl darauf zurückzuführen, daß auch österreichische Gebietsteile 
in die Karte einbezogen wurden, in denen es an Zehner-Kurven 
mangelte. Vielleicht wäre es — unter Verzicht auf eine Gleichartigkeit 
der Unterlage — günstiger gewesen, alle Details des bayrischen Anteils 
in die Gesamtkarte zu übernehmen und im Österreichischen Gebiete, 
so gut es eben das grundlegende Kartenmaterial zuließ, sich zu be- 
helfen. 

lange Dauer der Wettersteinaufnahme brachte es mit sich, 
daß Reis während ihrer die Entwicklung der verschiedenen modernen 
Ideen über Tektonik erleben konnte, Die uns heute scharf begrenzten 
Fragen nach der Chronologie, nach der Natur, auch nach Richtung 
der alpenbauenden Krustenbewegungen der Erde waren bei Beginn 
der Aufnahme noch keineswegs — wenigstens nicht in einer vergleich- 
baren Form — öffentlich gestellt. Reis trat also auch nicht, wie es 
heute vielfach geschieht, mit fertigen tektonischen Theorien an die 
Arbeit, sondern er durfte und mußte sich die seinen erst während 
der Wettersteinaufnahme und an ihr bilden, zugleich konnte er die 
in anderen Gegenden gewonnenen Theorien während ihrer prüfen. 
Das war sicherlich in vielen Beziehungen ein Vorzug, der, soviel Un- 
bequemlichkeiten er ihm auch mitbrachte, in der Qualität des Resultats 
und in der hohen Brauchbarkeit der Arbeit zum Ausdruck kommt. 

Leiderist der begleitende Text bisher unvollständig, da nur Teill(1) 
erschienen ist; in ihm kündigt Reis an, daß er „eine Zusammen- 
stellung der gesammelten Faunen und eine größere Anzahl der vom 
Verfasser dieser Begleitworte (d. h. von ihm Verf.) aufgenommenen, für 
die Schichtfolge innerhalb der Formationen und für die Tektonik 
wichtigen Profile in einer eigenen Abhandlung als II. Teil der Er- 
läuterungen zur Wettersteinkarte zusammenstellen will“. 


Also fehlt uns bis heute noch ein wichtiges Moment zur Er- 
kenntnis des Wettersteingebirgsbaues und der Anschauungen, die Reis 
über dessen Bau gewonnen hat. 


Es ist vielleicht mehr wie ein glücklicher Zufall, daß die Landes- 
aufnahme des anderen Ostalpenstaates, die k. k. Geologische Reichs- 
anstalt in Wien, die Untersuchung der dem Wettersteingebirge be- 
nachbarten, jenseits der Grenze liegenden Alpenteile gleichzeitig 
unternahm. Sie betraute mit diesen Arbeiten O. Ampferer, der 
durch seine kurz vorher mit W. Hammer unternommene Aufnahme 
des südlichen Teiles des Karwendelgebirges (1898, 3) dazu prä- 
destiniert war. 


as] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 11 


[Diese schließt mit ihrer gleichfalls im Maßstab 1:50,000 gehaltenen geo- 
logischen Karte an die ältere bayrische (Rothpletzsche etc.) unmittelbar nach S an.] 


Zunächst untersuchte Ampferer — nunmehr für die Reichs- 
anstalt — das nördliche Karwendelgebirge (4) und dessen östliche 
Anschlußgebiete von neuem, später das Seefelder- und das Mieminger- 
Gebiet (5), denen sich in neuerer Zeit die weiter westlich gelegenen 
Gebiete anschlossen. 

Während der Begehung der zwischen dem Mieminger Zuge und 
der Landesgrenze (Kammhöhe im Südzuge des Wettersteingebirges), 
gelegenen Gebiete lag ihm die dort schon in der Hauptsache fertig- 
gestellte Reissche Manuskriptkarte vor. 

Anderseits haben die südlich des Gaistals und von Scharnitz 
gelegenen Teile der Reisschen Karte eine auf Ampferers Auf- 
nahmen basierte Darstellung gefunden — ein vorbildliches Zusammen- 
halten zweier Forscher und zweier Anstalten. 

Kürzlich sind als Resultat dieser Aufnahmen drei Kartenblätter 
von der Reichsanstalt (27 bis 29) herausgegeben worden, die aber 
nur noch teilweise in dieser Arbeit verwertet werden konnten, da 
das Manuskript schon fast vollendet war. 

Endlich hat Ampferer im Querschnitt (6) nur streifend, in 
seinen Gedanken über die Tektonik des Wettersteingebirges (7) aus- 
führlicher (diesmal in einer Kontroverse mit OÖ. Schlagintweit) 
seine neueren Anschauungen über den Bau unserer Gebirge niedergelegt. 

Kurze Zeit nach dem Erscheinen der Reisschen Karte und 
unmittelbar nach dem des Ampfererschen Querschnitts (6) erschien 
OÖ. Schlagintweits „Die Mieminger - Wetterstein - Überschiebung“ 
(8, vgl. daselbst pag. 92), auf die er nach Ampferers herber Kritik 
(in 7) noch eine Entgegnung folgen ließ: Zum Problem des Wetter- 
steingebirges (9). 


B. Die Auffassung von O. Reis. 
1. Allgemeine Ergebnisse. 


Reis äußert keinerlei extreme Anschauungen und ist in seiner 
Ausdrucksweise sehr vorsichtig, ja gelegentlich so einschränkend, daß 
es nicht immer gelingt, ohne Gefahr eines Irrtums seine Stellung 
festzulegen und kurz zusammenzufassen. Es mag sein, daß er manches 
für den uns versprochenen II. Teil zurückhält. 

Im allgemeinen steht er auf dem Boden der Rothpletzschen 
Anschauungen von 1905 (15). Er sieht in dem von ihm untersuchten 
Gebiete einen Teil der in ihrer Gesamtheit nach W bewegten 


Rhätischen Schubmasse. 


„Es ist die Rothpletzsche Lehre des Alpinen Ost-Westschubes, 
welche hier von Reis auf das Wettersteingebirge übertragen wird.“ 
(Ampferer, 7, pag. 199.) Reis kommt dabei zu folgenden Resultaten: 

Es trat eine ältere Faltungsperiode ein, darauf folgte ein Zeit- 
raum starker Längs- und Quererosionen und endlich „eine durch 


die so vorhandenen vielfältigen Öberflächen- 
N. 


12 K. C. von Loesch. [12] 


sestaltungengeleiteteundgerichteteMöglichkeitder 
Abspaltung und Überschiebung.* (1, pag. 105). 

Präalpine Faltungs-, Verwerfungs- und Erosionsstadien also gingen 
der Schollenabspaltung voraus. Diese Faltungen konnten durch die 
Schubbewegung gelegentlich noch Verstärkungen erfahren !). 

Tangentiale Verkürzung unter großem Druck soll (also vor 
der Erosionsperiode) zu einer ungestörteren Faltenbildung geführt 
haben; später dann aber, nachdem die Hangendbelastung geringer 
wurde, sollen die Überschiebungen eingetreten sein. 

Die Gesamtbewegung soll von OÖ nach W stattgefunden 
haben (in longitudinaler Richtung). 

Transversale Schiebungen vonS und N dagegen seien „nur 
notwendige Begleiterscheinungen“. 

Als der östliche Druck eintrat — Reis denkt sich diesen als 
Folge der durch die Südnordfaltung nur einseitig gelösten Entspannung 
(nach Rothpletz, 15, pag. 234) — und es zu einer flachen Abspaltung 
und zu Schüben kam, zerriß die abgescheerte Masse (den Ausdruck 
Decke gebraucht Reis im allgemeinen nur für die Ostalpine = Rhä- 
tische Decke) in 

Längsschollen. 


Ein typisches Beispiel für diese soll die Wettersteinscholle sein, 
„die sich von O nach W in die Höhe hob und das wohlausgeprägte 
Bild eines mächtigen Stirnrandes bildet“. 

Diese Bewegung der Schollen soll eine doppelte sein. Einmal 
sollen sie 


„als Teilschuppen der rhätischen Überschiebung‘ 


den Weg der ganzen Ostalpinen Decke zurückgelegt haben (als 
Folgerung aus der Annahme der Ostalpinen Decke, von der Reis 
darum sich angezogen fühlt, weil sie ihm die alleinige Möglichkeit 
zu bieten scheint, einheitlich das Bau- und Bewegungsbild der 
Kalkalpen zu erfassen). Ferner sollen sie noch einen 


Teilweg für sich 


zurückgelegt haben, entweder weil sie rascher vorrückten als die 
Gesamtheit oder weil die Nachbargebiete zurückblieben. Letzteres ist 
ihm wahrscheinlicher. 

Die Längsschollen, deren Bewegung keineswegs als eine gleich- 
mäßig ostwestliche gedacht ist, haben sich nebeneinander (bisweilen 
ungleichschnell) an ihren ostwestlich gerichteten Randspalten bewegt 
(longitudiuale Verwerfungen). 

Dabei kann es möglich sein, daß am „transversalen Neben- 
einander (in nordsüdlicher Richtung, d. Verf.) der Teile (Schollen, 
d. Verf.) sich wenig* geänderthat, während beträchtliche 
Verschiebungen inostwestlicher Richtung stattfanden. 

Dieser Art Bewegungen, meint Reis können daran erkannt 
werden (ihr Charakteristisches ist), „daß an ihren beiden Seiten 


!) Nur so kann der Relativsatz am Ende des ersten Abschnittes auf Seite 
105 zu verstehen sein. 


[13] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 13 


Uberschiebungen (plötzlich, d. Verf.) auftauchen, aber auch 
scheinbar plötzlich verschwinden.“ 

Die Sperrung auch der wörtlich zitierten Stellen rührt stets vom Verfasser 
her, der sich in diesem Abschnitt eng an Kapitel 12 von Reis gehalten, jedoch 
seine Äußerungen etwas weniger eingeschränkt als der Autor selbst vorgetragen hat. 


In einer Zusammenfassung sagt Reis, „das sei als sicher 
zuzugestehen, daß man mit Hilfe der Rothpletzschen An- 
schauung in die verwirrende Tektonik ostalpiner Ge- 
biete, zum Beispiel das Wettersteingebirge eine gewisse 
Klarheit und Einheit der Auffassung bringen kann“, daß man 
aber aus dem Wettersteingebirge Gegengründe nicht ableiten 
könne. 

Er betont, daß zum Beispiel die Wamberger Scholle anders nur 
durch Annahme einer totalen faziellen Vertretung des Wetterstein- 
kalkes durch die Partnachschichten erklärbar sei. (Vgl. Ampferers 
diesbezügliche Erklärungsversuche [7)). 

Als Beispiel des Überganges einer scheinbaren Nord- 
überschiebungin eine Westüberschiebung wird auf das Karwendel- 
gebirge und auf die Beziehungen zwischen der Nordgrenze des Zentral- 
alpinen Massivs (Inntal) und der Aufrichtung von Karwendel- und 
Wettersteingebirge hingewiesen. 


2. Die Scholleneinteilung durch ©. Reis. 


Nach Reis teilt sich das Wettersteingebirge in 2 Hauptschollen, 
in die Sattelscholle von Wamberg (II) mit ihren mehrfachen Teilauf- 
wölbungen im N und in 


I. die Wettersteinscholle 
im S, welche die vorige teilweise (tektonisch) einfaßt. 


Sie stellt nach Reis ein (enger zusammengehöriges) tektonisches 
Ganzes dar mit den höchsten Erhebungen und den ältesten Schichten 
(Muschelkalk und Wettersteinkalk) im S und W. Sie bildet eine große 
Mulde, die sich nach OÖ (ONO) senkt und in der sich in normalem 
Verbande gegen O immer jüngere Schichten einstellen. 

Während aber nach NW, W und S (an den Muldenrändern 
aufgebogener) Muschelkalk und Wettersteinkalk die Basis 
der Schubmasse bilden, wird diese im N von Raibler 
Schichten gebildet. 

Die nördlich der Wamberger Scholle liegenden Raiblerkomplexe 
hängen nach Reis tektonisch mit der Wettersteinscholle zusammen, 
sodaß dieser sich folgende (Unter-) Schollen anschließen. 

1. Die Risserkopfscholle, nach SW, S und SO gegen die Wam- 
berger Scholle abstoßend (überschiebend), nach den anderen Richtungen 
heute [durch Erosion] freistehend: in spiegelbildlicher Lagerung zur 
südlich (jenseits der Wamberger Scholle) gegenüberliegenden Kreuzjoch- 
scholle. 

2. Die Partenkirchen— Barmseescholle, im Westen noch ausschlieB- 
lich aus den 3 Gliedern der Raibler Schichten bestehend, die sich mit 
einer eigenen Sattelung diskordant an die Wamberger Scholle legen. 


14 K. C. von Loesch. [14] 


Grenze nach N gegen den Hauptdolomit und Plattenkalk bis zur Linie 
Gschwand—Roßhütte tektonisch, von da an nach OÖ legt sich der 
Hauptdolomit konkordant auf die Raibler Rauhwacken. Östgrenze etwa 
das Isartal und dessen südnördliche Verlängerung über Wallgau hinaus; 
südöstlich zwischen Weigmannsee und Barmsee scheint diese Scholle 
und die Hohe Kranzbergscholle zusammenzuhängen. 

3. Die Hohe Kranzbergscholle und ihre direkte Fortsetzung nach 
W, die Kreuzjochscholle, sind aus den gleichen Elementen aufgebaut ; 
sie bilden eine Mulde mit Hauptdolomit im S als Kern; noch weiter 
südlich sollen sich am anderen Muldenflügel darunter normal wieder 
Raibler, später auch Wettersteinkalk und Muschelkalk einstellen. 

Jenseits der Isar setzt die Wettersteinmulde nach OÖ fort; hier 
stellen sich im S noch ältere Schichten, im Muldenkern noch jüngere, 
freilich in etwas gestörter Lagerung ein. 

Für die 

Il. Wamberger Scholle 
gebraucht Reis verschiedene Ausdrücke gleichsinnig: Sattelscholle, 
Wamberg—Partnach— Hammersbacher Scholle, Sattelzug, Waldeck— 
Wamberger Scholle. 

Er teilt sie in den Wamberger Rücken (Wamberger Muschel- 
kalkzug, Muschelkalkzug Drehwiesen, Partnachklamm, Hirzeneck) im O, 
den Drehwiesen—Waldeckzug (mittlere Muschelkalkscholle oder 
Muschelkalkrücken Waldeck—Rimlermoos) in der Mitte und einen 
westlichen Zug, der 750 m östlich des Eibsees endet. 

Er lehnt die Möglichkeit einer völligen faziellen Vertretung des 
Wettersteinkalkes durch Partnachschichten ab?!) und hält diesen für 
erodiert. 

Über eine alte Erosionsbasis der Sattelzüge sollen die heute in 
der Mitte und im O begrenzenden Raibler geschoben sein. 

„Hat es nicht den Anschein, als ob eine Decke der höheren 
Trias sich an diesem Muschelkalksattel geteilt, gegabelt hätte und die 
Gabelteile sich an ihr entlang auf über 15 km vorgeschoben hätten, 
so daB ein nach W offenes Fenster oder fensterartiger Schlitz, das 
gewiß auch zu einem nicht geringen Teil Erosionsfenster sein könnte, 
entstand ?* 


Die Karwendelüberschiebung setzt sich nach Reis über das 
Arnspitzenmassiv (Nordrand — Wildsteigkopfüberschiebung) ins Puiten- 
tal fort (pag. 92), wo Muschelkalk Neokom überschiebt. „Ihr nördlicher 
Stirnrand setzt über den Öfelekopf (Nordhang) nach W fort und die 
Schubfläche scheint steiler geworden, an dem hohen Auftauchen des 
Muschelkalkes im hinteren Schüßel- und Oberreintalkar schuld zu sein.“ 

Also rechnet er Arnspitzenmassiv, Ofelekopf, Gehrenspitz, ferner 
die Gaistalmulde (? und wohl auch das Mieminger Gebirge implicite) zur 


Ill. Karwendelüberschiebungsmasse. 
Die Schichten(Einfallens)umkehr am Westende des Gehrenspitz 
soll die Folge einer „präalpinen“, starken, vertikalen Senkung an 


') Freilieh nicht gänzlich. Vgl. pag. 21, letzter Absatz in dieser Arbeit. 


[15] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 15 


einer „Querstörung“ oder aber, was ihm wahrscheinlicher dünkt, „einer 
einfachen flachen, durch die späteren Prozesse verstärkten Sattelung“ 
mit nachträglichen Firsteinbrüchen oder Einfaltungen aufzufassen sein, 
deren Achse mit der späteren Längsrichtung der heutigen Schollen- 
zerteilung einen Winkel bildet. 

Daß er die Vorbergstrias (ohne die Gehrenspitzen) zur Jura- 
Trias-Mulde (vgl. unten) rechnet, wird durch folgende Bemerkung, 
die sich auf das Verhältnis der Jura-Kreideschichten zur südlichen 
Trias bezieht, erhellt: „Das, was noch in der Leutasch und Puitalpe 
Überschiebung ist, das ist im Predigtsteinzug einfache Zusammen- 
faltung ._. :* 

Wie die Wamberger Scholle im N, so stößt am Südrand des 
Wettersteingebirges eine enge, steilgestellte, ostwestlich streichende 


IV. Trias-Jura-Mulde 


ab. Im Kern enthält sie noch Kreideschichten, an den (nach S ausstreichen- 
den) aufgebogenen Muldenrändern ferner noch Trias (Wetterstein- 
schichten, jaam Vorderlähnskopf noch Muschelkalkschichten). Sie reicht 
von den Issentalköpfln bis zu den Gehrenspitzen, „...einungeheurer Teil 
von den tieferen Schichten des Nordflügels fehlt, wobei aber weder 
am Ostrand noch am Westrand dieser Scholle das Bild einer einfachen 
linearen Absenkung oder von entsprechenden inneren Ablösungen 
deutlich ist“. 

Zur Erklärung des fehlenden Hauptdolomits werden Flächen- 
abtragungen, Zusammendrückungen und UÜberschiebungen im Sinne 
von Ampferers!) hier ausklingender Karwendelüberschiebung her- 
angezogen. Die Grenze zwischen den Jura-Kreide-Schichten im N 
und der triassischen Vorbergszone (Issentalköpfl—Gehrenspitz) wird 
als eine ältere (präalpine) Störung aufgefaßt. 

Als die westliche Fortsetzung dieser Trias-Jura-Mulde, genauer 
der Jura-Neokom-Mulde vom Hohen Kamm, wird die 


V. liegende nordsüdlichgestellte Quermulde 


von Jura-Neokom-Schichten unter der Wettersteinwestwand aufgefaßt. 
Sicher sei, daß ihr die Wettersteintrias (hier einen Stirnrand bildend) 
eine kleine Strecke weit + flach aufgelagert ist. Dies sei eine Folge 
der schon nördlich vom Gaistal durch Querstellungen bemerkbaren 
Longitudinal-(O—W)Bewegung, „gleichsam als ob hier die Schubmasse 
mit steilerer Grenzfläche vorrückend eine letzte Stauung vor dem 
Stillstand erfahren und die jurassisch-kretazischen Schichten vor sich 
hergeschoben, gefaltet und nach W umgelegt habe“. 
Diese Trias-Jura Mulde steht mit der 


VI. Großen Hauptdolomit-Jura-Mulde 
westlich Ehrwald scheinbar in Verbindung und hängt selbst wieder 
mit dem westlichen Kramergebiet zusammen. Sie umfaßt das Gebiet 


‘) Ampferer, dem Reis mit diesen Ausführungen folgt, hat diese Auf- 
fassung inzwischen aufgegeben. Er zieht jetzt die Nordgrenze der Mieminger Scholle 
längs dieser Grenze. 


16 K. C. von Loesch. [16] 


um den Eibsee, die Thörlen, das Lermooser Gebiet und zieht nach 
dem Fernpaß. Ihre Muldenachse soll sich nach O senken. 


C. Die Anschauungen O. Ampferers. 


Bei der Verarbeitung, ja schon bei der Besprechung der Ampfererschen 
Arbeiten begegnet man der eigentümlichen Schwierigkeit, daß er seine Grund- 
anschauungen über den Gebirgsbau erheblich geändert hat. 

Eine weitere, nunmehr glücklich behobene war die, daß uns bisher außer 
seiner Karte des südlichen Teiles des Karwendels keine Kartierungen vorlagen. 
Die nunmehr erschienenen (27—29) leiden sehr unter dem für diesen verwickelten 
Gebirgsbau viel zu kleinen Maßstab 1:75.000, der zu Schematisierungen zwang, 
ferner der allzu breiten Eintragung von Verwerfungen, die das Kartenbild in 
unerwünschter Weise vergröbern. 


Er stand anfänglich auf dem Boden einer rein lokalen Erklärungsweise und 
sah zum Beispiel, obschon er 1903 die Überschiebungen im Karwendelgebirge als 
erster erkannt hatte, noch 1905 die jungen Schichten am Südrand des Wetterstein- 
gebirges als „eingebrochen“ an. 


Erst 1911 mit dem Querschnitt (6) geht er zur Annahme großer Decken 
über, modifizierte jedoch 1912 seine 1911 vorgetragenen Anschauungen über den 
Bau von Wetterstein- etc. Gebirge wiederum. 


Das ist nicht nur sein gutes Recht und es wäre unbillig, [ohne Beibriugung 
von neuen sachlichen Gründen] zum Beispiel seine früher geäußerten Grundanschau- 
ungen nunmehr, nachdem er sie aufgegeben hat, gegen ihn auszuwerten, wenn 
sie mit den unseren zusammenpassen sollten. Im Gegenteil, es spricht für den 
hohen Wahrheitssinn Ampferers, daß er unbekümmert um die Folgen das einmal 
für richtig Erkannte vertritt und Überlebtes fallen läßt. 


Bisher hat Ampferer leider noch nicht Gelegenheit gefunden, den Teil 
seiner früheren Ergebnisse, den er aufrechtzuerhalten gedenkt, genau auszuscheiden 
und ihn mit seinen neugewonnenen regionalen Hauptanschauungen zu verbinden. 

Das ist ja auch gerade bei ihm bis zu einem gewissen Grade weniger 
dringlich als bei anderen, die sich etwa in der gleichen Lage befänden, da er 


sich stets bemüht hat, das „Beobachtete* von dem „Dazugedachten“ zu trennen. 
(Vg). 4, pag. 169.) 


Bis das nicht geschehen ist, werden wir die Resultate seiner Arbeiten nicht 
ausschöpfen, nicht voll genießen können. Denn die einschlägigen Abschnitte im 
(JQuerschnitt und in seinen „Gedanken“ (7) können nicht als eine Auseinandersetzung 
mit seiner Vergangenheit angesehen werden, da er in dem ersteren nur Theorien 
aufgiebt, ohne auf Einzelheiten einzugehen, letztere aber durchaus den Charakter 
einer bis zu einem gewissen Grade vergänglichen Streitschrift trägt. 


Von einer Besprechung seiner älteren Anschauungen aus der 
Zeit der lokalen Erklärungen darf um so eher abgesehen werden, als 
ihrer bei Besprechung der Reisschen?!) Ausführungen Erwähnung 
getan ist. (Vgl. pag. 14, 15.) 


') Reis sagt in der Vorrede (1, pag. 62), daß sich Ampferers (ältere) 
Anschauungen und die seinen „sowobl in sachlicher Hinsicht als auch in den, wie 
ich meine, letzten Endes nicht unvereinbaren tektonischen Anschauungen gegenseitig 
ergänzen.“ 


[17] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 17 


3 1. Im Querschnitt (1911) 


äußert sich Ampferer über unsere, von seinem eigentlichen Thema 
abliegenden Gebiete summarisch. 

„Für das Wettersteingebirge“, sagt er in bezug auf die tekto- 
nische Skizze (Fig. 24), „wurde von einer völligen Umgrenzung ab- 
gesehen, da die Verhältnisse an seinem Nordrand in dieser Hinsicht 
nicht genügend studiert werden konnten.“ 


Dagegen faßt er eine 


Große südliche Scholle 


zusammen, welche von einer einheitlichen zusammenhängenden Schub- 
fläche begrenzt, westlich von Innsbruck beginnend, das südliche Kar- 
wendelgebirge umfaßt und, am Mieminger Nordrand weiter ver- 
laufend, sich (gradlinig) bis zum Ausgang des Alperschontales er- 
streckt. Nach S soll sie, von dem äußersten W abgesehen, unter 
dem kristallinen Gebirge verschwinden. Sie soll (wie er in 7, pag. 204, 
ausführt, wo eine genaue Beschreibung gegeben wird) bei einer Länge 
(von O nach W) von 130 km im Durchschnitt 10 km (von S nach N) 
breit sein. 

Ohne diese Scholle direkt hier schon als Decke!) zu bezeichnen, 
nimmt er für sie eine große, einheitliche, basale Bewegungsfläche an, 
was das gleiche bedeutet, und läßt sie von S?2) herkommen, da 
man sie „wegen ihrer weiten Erstreckung nicht gut von O her ab- 
leiten könne*, 

Hiermit gibt er seine früheren lokal tektonischen Erklärungen 
auf und meint, „die fast der ganzen Nordfront folgende, so äußerst 
intensiv verfaltete und verkeilte Zone der jungen Schichten“, für die 
er früher äußerst komplizierte, heute noch von Reis (vgl. pag. 15) 
in ähnlicher Form vertretene Erklärungen abgegeben hatte, sei „als 
Schub- und Schürfzone doch ungleich verständlicher und in ihrer so 
hoch komplizierten und variablen Architektur viel besser in der Ge- 
folgschaft von großen Horizontalbewegungen erklärbar“. 

Freilich sei das Freischwimmen nur für den Westrand beweis- 
bar, für das größere östliche Stück der Scholle ließe sich die Decken- 
natur nicht direkt beweisen, aber auch nicht direkt widerlegen. 

Diese durchaus unmißverständlichen, über fast zwei Druckseiten 
sich hinziehenden Ausführungen stehen in einem gewissen Gegensatze 
zu einem an ihren Anfang gestellten Satze, über den hinweggegangen 
werden könnte, wenn nicht Schlagintweit (in 9) hieran eine 
Kontroverse geknüpft hätte. 

Nachdem gesagt war, daß in der Gegend des Querschnittes 
keine einheitliche UÜberdeckung, sondern eine Zerfransung in Schollen 
vorhanden sei, fährt Ampferer fort, daß weiter gegen OÖ eine ge- 
waltige geschlossene, bis in die Gegend von Schwaz verfolgbare 


!) ..., für welche die Auffassung als frei schwimmende Decke wahrschein- 
lich ist (6, pag. 681). 

?) In seiner jüngsten Veröffentlichung, erst am 16. November 1913 mir zu- 
gekommenen Publikation, nimmt er Ostschub für diese Scholle und damit auch für 
die Inntaldecke an (siehe 30, pag. 12ff. Vgl. pag. 84, Anm. 1 in dieser Arbeit). 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. C. v. Loesch.) 3 


18 K. C. von Loesch. [18] 


Decke auftrete, die unter anderem das Mieminger-, Wetterstein- und 
Karwendelgebirge umfasse. 

Damit stellt Ampferer, freilich nur programmatisch, eine große 
Decke auf, die das Wettersteingebirge mitumfaßt, trennt es dann aber 
auch auf dem Kärtchen (pag. 668, Fig. 24) wieder ab und setzt es 
zur „südlichen Scholle“ in betonten Gegensatz. 


So hat er als erster den Deckenbau in diese Teile der Kalk- 
alpen getragen (wenn man von Rothpletz’ Rhätischer Decke und 
mehr theoretischen Erwägungen von nappistischer Seite absieht) und 
für die südliche Scholle Südschub, freilich nur per exclusionem an- 
genommen. 


2. „Gedanken über die Tektonik des Wettersteingebirges“ 
(1912). 

Inzwischen war die Arbeit von O. Reis und die erste Schlagintweits 
erschienen, in der letzterer unabhängig von Ampferer!) und aus anderen Gründen 
gleichfalls zur Annahme eines Südschubes gekommen war und die Einheit von 
Wetterstein und Miemingern in einer Decke behauptete. Gegen diese Arbeit wendet 
sich Ampferer mit schrofister Kritik. 


Auf Grund der Reisschen Arbeit spezialisiert Ampferer nun- 
mehr seine Einteilung. 


Jetzt benennt er die Süddecke 


Inntaldecke. 


(Da er nichts über ihre Schubrichtung sagt, so hält er wohl 
noch ?2) an der Südrichtung [siehe oben] fest.) Sie soll nirgendwo mit 
der Wettersteindecke zusammenhängen. Ihre Nordgrenze zieht er 
längs der Jurakreidemulde (rechnet also die Vorberge dazu) durch das 
Puitental, weiterhin durch das untere Tal der Leutascher Ache, läßt sie 
an der Wildsteigkopfüberschiebung aufsteigen, ins Isartal gegen S 
zurückspringen und endlich in die Nordgrenze der vorderen Kar- 
wendelüberschiebung fortsetzen. 

Die Inntaldecke soll nur Triasschichten von Buntsandstein bis 
zum Hauptdolomit enthalten. 

Die Scholle älterer Trias zwischen Eng- und Unterinntal (im 
östlichen Karwendelgebirge) wird als ein Teil der Inntaldecke, als 
ein „ganz abgetrennter, mächtiger Deckenzeuge*, der nach N vor- 
geschoben ist, angesprochen (pag. 207). 

Die Inntaldecke liegt entweder auf der Wettersteindecke oder 
neben ihr, durch jüngere Schichten getrennt. „Wo ihre Grenze mehr 
gradlinig verläuft, haben wir steile Stellung, sonst flach ausgreifende 
Uberschiebung.* „Diese ganze, von einer zusammenhängenden Be- 
wegungsfläche unterfahrene Gebirgswelt* sei sehr wahrscheinlich „als 
eine tektonische Einheit, als eine Schubdecke aufzufassen.“ 


ı) 8, letzte Seite, letzter Absatz. 


?) Anmerkung während der Korrektur. Neuerdings nimmt Ampferer Ost- 
schub an. Vgl. pag. 84, Anm. 1. 


[19] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 19 


-Ihr lagere nach N 
die Lechtaldecke 


vor, die große Teile der Allgäuer und Lechtaler Alpen und in unserem 
Gebiete das ganze Hauptdolomit — bis Kreidevorland umfaßt, ferner 
die Teildecke des Wettersteingebirges und den Zug von Jura-Kössener 
Schichten, der sich innerhalb des Karwendelgebirges vom inneren 
Johannistal bis Schwaz erstreckt (vgl. 7, Fig. 1, pag. 203). Also be- 
steht ein ungewöhnlicher Schichtreichtum von den Reichenhaller 
Schichten bis zum Neokom. (Von den transgredierenden jüngeren 
Schichten ist hier stets abgesehen.) 


Innerhalb der Lechtaldecke soll der „Untergrund“ in den 
Fenstern von Hinterhornbach, Nässelwängle-Reutte und von Wam- 
berg!) aufgeschlossen sein. 


Die Wettersteindecke 


wird als eine unselbständige Teildecke der Lechtaldecke aufgefaßt, 
weil sie einerseits nirgends mit der Inntaldecke zusammenhängt, son- 
dern sogar auf weite Strecken von dieser überschoben wird, „ander- 
seits das Wettersteingebirge und dessen östliche Fortsetzung im Kar- 
wendelgebirge gegen N zu größtenteils normale Schichtverbindungen 
zeigt.“ 

Die Südgrenze schildert er dann als tektonisch scharf begrenzt, 
die mit Ausnabme des östlichen Abschnittes von einer steilgestellten 
Bewegungsfläche (Randspalte) gebildet wäre. Die Westgrenze wird als 
unzweifelhafter Uberschiebungsrand aufgefaßt (einer der wenigen 
Punkte, über den allseitige Übereinstimmung zu konstatieren ist). 
Im N jedoch, von der Zuggasse bis zum Enstal im Kar- 
wendel, soll eine regelmäßige Verbindung mit den tie- 
feren nördlichen Schichten derLechtaldecke i.e.S. be- 
stehen. 


Für diese unselbständige Wettersteindecke wird ein Schub von 
OÖ angenommen, der dies höher gelegene Stück der Lechtaldecke 
eine Strecke weit über die tieferliegende Nachbarschaft derselben 
Decke schob, ohne daß sie im allgemeinen aus ihrer Nachbarschaft 
losgerissen wurde (pag. 207). 

Die Möglichkeiten, daß der Nordrand maskiert ist und daß die 
Decke nach N zu tiefer taucht und jüngere Schichten aufnimmt, wird 
erwogen und abgelehnt. Wie lang die Strecke des Wettersteinost- 
schubes ist und wie sich das Fehlen der jüngeren Trias am Süd- 
abbruch des Wettersteingebirges [wo Wettersteingebirge und die junge 
Mulde zu Lechtaldecke gerechnet werden] erklärt, wird nicht aus- 
geführt. 


1) Vergl. 7, Fig. 1 und pag. 212. Ampferer hält außer dieser Annahme, 
die ihm die „gehaltvollere* zu sein scheint, noch eine Erklärung der Wamberger 
Scholle durch Fazieswechsel für möglich. 


3*+ 


90 K. C. von Loesch. [20] 


D. Schlagintweits einheitliche Wetterstein- 
Miemingerdecke. 


Als Ampferers Querschnitt erschien, war diese Arbeit (8), wie schon 
erwähnt, bereits gesetzt. 

Diese Decke (im nappistischen Sinne) soll von S gekommen sein. 
Die Jurakreidemulde vom Leutaschtale bis Ehrwald wird als ein 
„Fenster“ aufgefaßt, in dem das basale Gebirge herauslugt. 

In seiner neuesten Veröffentlichung!) rechnet er sie zu Amp- 
ferers „Lechtaldecke® und nennt die hangende Triasdecke Inntal- 
decke, indem er — durch Einbeziehung des Wettersteingebirges in 
diese — einer Bezeichnung Ampferers einen neuen Sinn unterlegt ?). 

Erstere soll wie die Mieminger-Wettersteindecke ein Teil der 
ostalpinen Decke sein und mit dem „Fenster* der Jurakreide-Mulden 
von der Ehrwalderalm bis zum Puitental in die letztere hereinreichen. 
Dieses Fenster soll teils tektonischer Entstehung sein auf Grund einer 
Emporwölbung des Untergrundes während oder kurz nach dem Süd- 
schub, im Puitental dagegen erosiv. 

Die Bichelbachermulde Ampferers und der Zug junger 
Schichten am Westrand vom Mieminger- und Karwendelgebirge sollen 
zum basalen Gebirge, dagegen die älteren Triasschichten bis zum 
Hauptdolomit inklusive (der Seefelder Berge und des Wetterstein- 
vorlandes) der Mieminger-Wettersteindecke angehören, welche im OÖ 
des Puitentales im Arnspitzenmassiv zusammenhängen soll. 

Die Überschiebungen ‚am Westrand der Wetterstein- und Mie- 
mingergebirge sollen keine Stirnränder sein, da der Schub von S an- 
genommen wird; sondern es wird die inzwischen durch Ampfe- 
rers Arbeiten als irrig erwiesene Möglichkeit erwogen, daß die Decke 
nördlich der Heiterwandlinie und westlich des Wettersteinabbruches 
sich fortgesetzt habe und dort vielleicht noch in später auffind- 
baren Schollen (Inseln) vorhanden sei. 

Vorläufig wird für diese Decke eine Schichtverarmung (Trias 
bis Hauptdolomit) in der näheren und weiteren Umgebung Ehrwalds 
und im Karwendelgebirge festgestellt: „Es wird sich noch zeigen 
müssen, ob dieses Gesetz für die ganze Erstreckung der Wetterstein- 
decke gilt oder ob in anderen Gegenden nicht doch noch jüngere 
Schichten über dem Hauptdolomit liegen.“ 

Wo der Nordrand der Decke liege, sei noch nicht abzusehen 
(pag. 87). 


‘) Diese ist hier mitbesprochen, da sie in der Hauptsache nur eine Polemik gegen 
Ampferer enthält. 


°) Die Folge ist natürlich eine Verwirrung, da unter Ampferers und Schlag- 
intweits Inntaldecken etwas grundsätzlich Verschiedenes zu verstehen ist. 


Man hat zu unterscheiden: 


Ampferers Inntaldecke; 

. Ampferers Wettersteindecke; 

. Ampferers Lechtaldecke; 

. Schlagintweits frühere Wettersteis-Mieminger-, jetzt Inntaldecke. 
. Schlagintweits frühere ostalpine, basale, jetzt Lechtaldecke. 


spomH 


[21] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 21 


. Möglich sei, daß auf große Strecken hin gleichalterige Glieder 
(z. B. Hauptdolomit) als Überschobenes und Übergeschobenes aneinander 
stießen, möglich, daß der Nordrand in der Nordgrenze der Wamberger 
Scholle gegen die Raibler zu sehen sei. 

Doch zur Diskussion dieser Fragen bedürfe es noch weiterer 
geologischer Aufnahmen. „Wie jedoch immer die Verhältnisse im NO 
liegen mögen, es genügt vollauf, daß sich die Wettersteinüberschie- 
bung bis zum Zugmösel verfolgen läßt, um ihre Natur als Decken- 
überschiebung erkennen zu können!“ (pag. 88). (Das Ausrufungs- 
zeichen ist von Schlagintweit.) 

Den Schwierigkeiten, die der höchst ungleichmäßige Bau der 
Triasdecke gegen diese Auffassung biete, begegnet Schlagint- 
weit, der sich ihrer bewußt ist (pag. 85), durch die Annahme von 
östlich und westlich auskeilenden Schuppen innerhalb derselben. 

In 9 wird das eigentliche Wettersteingebirge und dessen öst- 
liche Fortsetzung als eine untere Schuppe, die tiefer als Ampferers 
Inntaldecke liegt, aufgefaßt, an der höheren Einheit beider aber fest- 
gehalten. 

Nur für die Wamberger Scholle werden weitere Erklärungs- 
versuche gegeben. 

1. Entweder soll sie als eine Anschoppung weicherer Gesteins- 
massen (Anhäufung der Partnachschichten) beim Überschiebungs- 
vorgang verstanden werden oder 

2. es ist an die totale fazielle Vertretung des Wettersteinkalks zu 
denken oder 

3. die Wamberger Scholle soll als ein Teil der Lechtaldecke 
aufgefaßt werden [während, im Gegensatz zum Ampfererschen Pro- 
fil in 7, Fig. 4II, das Wettersteingebirge zur Wetterstein-Mieminger- 
decke zu rechnen wäre]. 


E. Zusammenfassung. 


Die in den vorigen Kapiteln kurz charakterisierten Anschauungen 
von Reis, Ampferer und Schlagintweit [sowie die des Ver- 
fassers] weisen, trotzdem sie heute noch in vielem weit auseinander- 
gehen, manche Übereinstimmungen auf. So scheint eine !) frühe Faltungs- 
phase und eine darauffolgende Überschiebungsphase allgemein ange- 
nommen zu werden, ferner auch flache Abspaltungen und horizontale 
Schübe, wern auch im Einzelnen in recht verschiedener Auffassung. 

Im Speziellen weist niemand den Gedanken an eine totale fazielle 
Vertretung des Wettersteinkalkes in der Wamberger Scholle gänzlich 
von der Hand, wenn Reis ihn auch für unwahrscheinlich hält. Dieses 
Problem kompliziert bedauerlicherweise die anderen großen Wetter- 
steinfragen übermäßig und allem Anschein nach ist wenig Aussicht 
vorhanden, daß es je mit absoluter Gewißheit gelöst werden könnte. 

Leider kann es nicht von der Diskussion der tektonischen 
Fragen abgelöst (ausgeschaltet) werden, (was um so wünschenswerter 


1) Mindestens. 


22 K. C. von Loesch. [22] 


wäre, als es scheinbar die Aufstellung phantastischer Theorien heraus- 
fordert 

ve jungen Schichten am Südrand des Wettersteingebirges werden 
heute nur noch von Reis als „eingesunkene“* Teile der an sie gren- 
zenden Vorbergscholle aufgefaßt. Ampferer, der als erster dieser 
Auffassung Raum gab, hat sie inzwischen aufgegeben und nimmt mit 
Schlagintweit [und dem Verfasser] an, daB die Vorbergzone und 
die Wettersteinscholle nur durch tektonische Vorgänge in die [heute] 
unmittelbare Nähe dieser fremden, zum westlichen Vorland gerechneten 
Zone junger Schichten gebracht worden sind. Die drei letztgenannten 
sind indessen über die Natur und die Richtung!) der Schübe, ferner 
über die Wertigkeit der Schollen uneins. 


F. Die Hauptmängel der vorstehenden Auffassungen. 


Die Auffassung der Jurakreidemulde und der Vorbergscholle als springender 
Punkt für die Erklärung von Wetterstein- und Miemingergebirge. 


1. Einwendungen gegen 0. Reis. 


Reis’ Erklärung der Verhältnisse am Wettersteinsüdrand muß 
ich — als einzigen, freilich hochwichtigen Punkt — (mit Ampferer 
und Schlagintweit) ablehnen. 

Reis faßt die Vorbergscholle, das Gehrenspitz- 
massivund dieJurakreidemulde alseineursprüngliche 
Einheit auf: das heißt er erklärt lokal und wie man sehen wird 
auf überkomplizierte Weise. 

So faßt er?) den Wechsel im Einfallen der Trias der Gehren- 
spitze (im OÖ) einer- und der Vorbergscholle (im W) anderseits 

entweder „als Folge einer starken vertikalen, in ‚präalpiner‘ Zeit 
erfolgten Senkung an älterer Querstörung* 

oder „als Folge einer einfachen flachen, durch die. späteren 
Prozesse verstärkten Sattelung, deren Achse mit der späteren Längs- 
richtung der heutigen Schollenzerteilung einen Winkel bildet“ mit 
schmalen Einbrüchen im First (Feldabhang) auf. 

Für die westlichen Gebiete muß er sich zu einer noch umständ- 
licheren Hypothese entschließen, da hier außerdem noch das Fehlen des 
Hauptdolomits und das oft abweichende Verhalten der jungen Schichten 
(verschiedene Intensität ihrer Faltung) zu erklären sind: im Puitental 
waren sie, was Reis betont, noch überschoben. Er.hält die Gehrenspitzen 
für von S überschoben (eine Wiederholung der tektonischen Verhältnisse 
am westlichen Karwendelgrat, für den er — uns nicht zustimmlich — 
mit Ampferer eine UÜberschiebung von S annimmt); das Ofelekopf- 
massiv soll aber, sagt er, außerdem noch (?) von N überschoben sein. 

Da die jungen Schichten nun westlich vom Karlsjoch nicht mehr 
unter die begleitende Trias einschießen, sie sogar gegen S hin über- 
lagern, folgert er, 


!) Vgl. pag. 18, Anm. 2, der vorliegenden Arbeit. 
2) 1, pag. 93. 


[23] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 23 


- daß hier nur eine einfache Zusammenfaltung vorläge. 

Das dem widersprechende Fehlen des Hauptdolomits will er 
durch Annahme 

„bedeutender Flächenabtragungen von der Zusammendrückung“ 
erklären ; die jungen Schichten sollen hier später von N her auf die 
Abrasionsfläche der Trias geschoben sein. 

Der Bewegung von N soll dann rasch eine von OÖ gefolgt sein, 
die die Vorberge zerlegte und die bekannte Verschiebung der Bruch- 
stücke bewirkte. 

Die schwindende Karwendelüberschiebung soll in der nordsüd- 
lichen Überschiebung zum letzten Ausdruck gelangen (?). 

Wenn man sich überhaupt zur Annahme größerer Horizontal- 
schübe entschlossen hat, wird man diesen Erklärungen kaum mehr 
zustimmen können. 

Dem Verfasser scheinen sie [in Voraussetzung, daß er Reis nicht 
mißverstanden hat]. bisweilen einander zu widersprechen ; zudem setzen 
sie höchst merkwürdige Vorgänge voraus, wie die Teilerosion des 
Hauptdolomits in einer Mulde, in der noch sehr junge Schichten [wie 
das Neokom] in großem Areale erhalten sind. Für diese ältere Abra- 
sionsfläche innerhalb der einheitlichen Mulde findet man im Felde 
keinerlei Anhaltspunkte. 

Die Natur der OW- und der NS-Bewegungen bleibt im Dunkeln: 
der Zusammenhang mit den Bewegungsbildern der anderen Gebirgs- 
teile fehlt fast völlig. 

M. E. muß mit den Folgen eines vielgestaltigen Schubes ge- 
rechnet werden, der die Triasschubmasse in die unmittelbare Nach- 
barschaft der jungen Schichten brachte (Regionale Erklärung). Der 
Schub hatte Lokalstörungen zur Folge, die die Einzelerscheinungen 
(Überlagerung der jungen Schichten auf die Vorbergstrias usw.) ver- 
ursachten (Lokale Erklärung). 

Hierbei mache ich die Trennung von Triasschubmassen und jungen 
Schichten nach Ampferer und Schlagintweit) zur Voraussetzung. 

Die übrigen Unterschiede in der Auffassung sind gegen diesen 
gering und größtenteils Folgen des Ausbaues der Auffassung dieser 
Gegenden. 


2. Einwendungen gegen O. Ampferer. 


Während m. E. Wetterstein-, Mieminger- und Vorbergscholle 
[hier wenigstens] als gleichwertige Einheiten anzusehen sind, die ein- 
ander gegenüberstehen, rechnet Ampferer 

die Vorbergscholle zur Mieminger Scholle („Inntaldecke“): lokal 
ist das zu weitgehend, da die Trennung sehr scharf ist, im höheren 
Sinne (historisch aufgefaßt) jedoch vertretbar. Unbedingt irrtümlich 
ist seine Trennung von Gehrenspitz- und Ofelekopfmassiv. Sie wider- 
spricht dem Augenschein im Felde, der nicht nur eine Einheit beider 
mit flachen Schubflächen versehenen Massive, die nurdurch ein „Fenster“ 
nachträglich gespalten sind, ergibt, sondern auch den Gegensatz im 
Einfallen der Trias zwischen Vorbergscholle und Gehrenspitzen. 

Die Wettersteinscholle rechnet er zur Lechtaldecke, wogegen 
schon Schlagintweit (9) sich gewendet hat. Das Unzutreffende 


94 E. C. von Loesch. [24] 


liegt einmal an der Schiefheit des hier wenig passenden Begriffs 
„Decke“ im allgemeinen, zudem in der übermäßigen Ausdehnung der 


„Lechtaldecke“ }). 


3. Einwendungen gegen 0. Schlagintweit. 


Beizustimmen ist Schlagintweit in der Teilung in zwei Ober- 
einheiten, von denen die Jurakreidemulde die eine, die Triasschub- 
massen eine weitere darstellen. 

Diese Einheit der Triasschubmassen ist aber meiner Ansicht nach 
in allererster Linie durch den Schub geschaffen, der die andere 
zur basalen macht. 

Was die Herkunft, den ursprünglichen Zusammenhang der 
Schollen vor der Schubphase angeht, so kann sehr wohl die Wetter- 
steinscholle die Jurakreidemulde ursprünglich einfach gegen O fort- 
gesetzt haben, was Ampferer wohl durch die Zurechnung der 
Wettersteinscholle zur „Lechtaldecke“ zum Ausdruck ?) bringen wollte. 

Die von Schlagintweit behauptete deckenförmige UÜber- 
lagerung ist nicht allgemein nachweislich; sie besteht an den aus- 
gehenden Westenden der Einzelschollen: sonst ist sie nirgends aufge- 
schlossen und es fragt sich, wie die Sohlen der Schubmassen gestaltet 
sein können ?). Die zahlreichen Ostwest streichenden steilen Randspalten 
widersprechen jedenfalls seiner Auffassung vom 


Südschub 


Es fehlt ein Stirnrand im N, statt dessen sind nur westliche 
Stirnränder bekannt geworden.’ 

Die Parallellagerungen von drei Nordgewölbeschenkeln längs der 
Jurakreidemulde *#) verweisen seine Auffassung ins Reich der Un- 
möglichkeit: die ostweststreichenden Schubstreifen®) an der Basis der 
Schubmasse beweisen im Gegenteil direkt Ostwestbewegungen. 


IV. Eine neue Scholleneinteilung. 


Diese Einteilung ist zur Erleichterung der Übersicht ohne Begründung vor- 
ausgestellt. Die Grenzen selbst sind in das Übersichtskärtchen eingetragen, vgl. die 
Bemerkung zu demselben pag. 27. 


A. Westliche Urscholle. 


In unserem Gebiete sind zwei fast stets mit Leichtigkeit gegen 
einander abgrenzbare Komplexe zu scheiden: ein ursprünglich östlicher 


!) Vgl. Anm. 2, ferner pag. 19 und 91. 

?) Es ist unbedingt erforderlich, wenn man irgendeine Einheit aufstellt, an- 
zugeben, worin diese besteht. 

®) Es steht nicht fest, daß die Jurakreidemulde unter die Wetterstein- und 
die Miemingerscholle über beträchtliche Strecken fortsetzt. 

*) Vel. pag. 66 und 67, Anm. 1. 

°) Vgl. pag. 39 und 55. 


25 Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge, 25 
g 


ausschließlich aus Trias mit aktiver tektonischer Bewegung (B — 
östliche Urscholle) und ein ursprünglich westlicher aus Kreide bis 
junger Trias, der hier stets leidend ist (A = westliche Urscholle). 

[Schlagintweit verbindet letztere mit dem nördlichen Vorland 
in Umdeutung von Ampferers Lechtaldecke, eine Frage, auf deren 
Beantwortung mangels hinreichender Durchforschung der Grenzgebiete 
vorerst verzichtet wird]. 

Hier sind die Gebiete der Thörlen, die unter dem Wetterstein- 
westabbruch und die Bichelbacher Mulde zu A. gestellt, im Einzelnen 
jedoch nicht gegliedert. Nur die heute rings von Triasmassen einge- 
schlossenen Gebiete zwischen Ehrwald und dem unteren Leutaschtal 
wurden als — die östlichste Scholle junger Schichten [als Jurakreide- 
mulde —= A,] abgetrennt. Ihr Schichtreichtum besteht in Rhät (Haupt- 
dolomit?) bis Neokom. 

[Die Frage, ob die Jurakreidemulde eine zurückgebliebene Scholle 
sei, deren ursprünglich transveral nebengelagerte Schollen nach W 
weggeschoben sind, kann erst nach Vollendung der Detailaufnahmen 
untersucht werden]. 


B. Östliche Urscholle. 


Die Triasschubmassen können nach verschiedenen Gesichts- 
punkten !), [wie es zum Beispiel auf dem Übersichtskärtchen nach der 
Breitenerstreckung von N nach S geschehen ist], eingeteilt werden. 

Die hier vorgenommene Einteilung trägt dem jeweils verschieden- 
zeitig eintretenden Verluste der Eigenbewegung Rechnung, der zu einer 
passiven Beanspruchung der abgelösten Schollen führte. 

In frühen Schubphasen von den nachdrängenden Triasmassen 
abgetrennte und zum Teil überschobene, zum Teil anderweitig gestörte 
Schollen sind 5 1—3. 


Bı. 


1. Die Wamberger Scholle vom Weigmannsee bis etwa 
750 m östlich des Eibsees; Muschelkalk-Partnachschichten ; 

la. westliches Viertel, gegen S von der Vorschuppe begrenzt; 

1b. östliche drei Viertel, von den Raiblerschichten der östlichen 
Hauptwettersteinscholle umgeben. 

o) Waldeckscholle (Reis) in einfacher Lagerung. 

ß) Wamberger Sattelscholle im engeren Sinne mit Sattelmehrung 
vom Rimlermoos gegen ©. 

2. Die Vorschuppe(n) der Hauptwettersteinscholle = Muschel- 
kalkscholle des Ehrwalder Köpfls (mit Dj zusammen besprochen). 
Muschelkalk-Partnachschichten, stets von der westlichen Hauptwetter- 
steinscholle überlagert. 

3. Die Vorbergscholle zwischen Feldernalm und Gehren- 
spitzmassiv (beide ausschließlich) ; 


!) Eine Einteilung nach der ursprünglichen Ostwestlage der Massen vor der 
Schubphase ist heute noch nicht durchführbar. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. C, v. Loesch.) 4 


96 K. C. von Loesch. [26] 


Muschelkalk bis Hauptdolomit. Gegen N von der Jurakreidescholle 
A,, gegen S von der Mieminger Scholle Bır6, gegen OÖ von der 
Leutaschscholle Bir 5, begrenzt. 


B II. 


Ursprünglich weiter östlich als die ihnen entsprechenden Schollen 
von Br gelagerte, diese überfahrende oder pressende Schollen. 


4. Die Wettersteinscholle. Muschelkalk bis Hauptdolomit. 
(Von der gleichnamigen Reisschen Scholle ist das zwischen Wetterstein- 
wandzug, Dreitorspitzenzug und Ofelekopf liegende Massiv abgetrennt 
und zur Leutaschscholle Bjr 5 gestellt.) Die Vorschuppe gehört [nach 
anderer Einteilung] eng zu dieser Scholle. | 


4a. Westliche Hauptwettersteinscholle. Muschelkalk 
und Wettersteinkalk. Waxensteinzug, Plattsüdbegrenzung bis zum 
Gatterl. 


4b. Östliche Hauptwettersteinscholle 


im N Raibler Schichten und (?) Hauptdolomit, 
im Kern Raibler Schichten und Hauptdolomit, 
im OÖ Raibler Schichten und Wettersteinkalk, 
im S Raibler Schichten, Wettersteinkalk und etwas Muschelkalk. 


«) nördliche Umrahmung der Wamberger Scholle bis zum Risserkopf. 
«4. Risserkopfscholle mit Loisachrauhwacken. 
%». Partenkirchen—Barmseescholle. 

ß) Kreuzjoch—Bodenlähnscholle westlich der Partnach. 

x) Hohe Kranzbergscholle östlich der Partnach. 
{ı. Das Schollendreieck des Schachen. 

[6) Karwendelvorgebirge !) östlich der Isar.] 


4c. Die Zwischenscholle. Muschelkalk-Raiblerschichten; an 
der südlichen Talwand des Partnachoberlaufes, vom Gatterl bis zur 
Schüsselkarspitze; zum Teil auch aus fremden Elementen zusammen- 
gesetzt und von der Wettersteinscholle durch 5 abgerissen und an 
ihren heutigen Platz geschoben. 


5. Leutaschscholle. Muschel- und Wettersteinkalk. Arn- 
spitzenmassiv, Gehrenspitzen und die sub 4 (in der Klammer) er- 
wähnten Massen. Die Leutaschscholle ist die westliche Fortsetzung der 
vorderen Karwendelschubmasse. 

6. Mieminger Scholle. Keine jüngeren Schichten als Haupt- 
dolomit mit Ausnahme der Muttekopfgosau. 

[e) Das westliche Gebiet in den Lechtaler Alpen außerhalb des 
Rahmens unserer Arbeit.] 

b) Der isolierte Südgewölbeschenkel westlich des Mariabergjochs. 
Muschelkalk-Hauptdolomit in der südlichen anschließenden Mulde. 

c) Der eigentliche Mieminger Sattel mit nördlichem und südlichem 
Gewölbeschenkel und südlich anschließender Mulde. Muschelkalk bis 
Hauptdolomit. 


!) Mit größerem Schichtenreichtum nach oben und unten hin. 


[27] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 27 


- d) Die nördlichen Randzonen. Wettersteinkalk-Hauptdolomit. (Im 
Schachtkopf Partnachschichten angefahren.) 
e) Seefelder Hochfläche. Hauptdolomit. 
f) Seefelder Hochgebirge. Hauptdolomit und älteren Schichten 
(im S und N Raibler, Wettersteinkalk). 
[Westliche Fortsetzung in den südlichen Ketten des Karwendel- 
gebirges. ] 
B; ist ein — in früher Schubphase — abgelöster Bestandteil 
dieser Scholle. 


C. Bemerkungen zu dem Übersichtskärtchen. 


Die Umrisse der Schollen mußten schematisiert werden, weil 
über die Zurechnung im einzelnen nicht immer entschieden werden 
konnte, ferner damit die Grenzlinien nicht durch zu großen Detail- 
reichtum [wie durch Eintragung aller jüngeren oft bedeutungslosen 
Störungen] unklar würden. Näheres vgl. die Besprechung der einzelnen 
Schollen. Hier nur soviel, daß 


im Gebiete der Raibler Schichten des Schachen, 

in der Abgrenzung der Zwischenscholle gegen N, 

in der Abgrenzung der westlichen und östlichen Haupt- 
wettersteinscholle und 

im bunten Wechsel von Muschelkalk und Partnach- 
schichten westlich des Hammersbaches 


die Grenzeintragungen provisorisch sind. 


[Von einer Scholleneinteilung des westlichen und nördlichen 
Vorlandes (= Schlagintweits Auslegung von Ampferers Lechtal- 
decke) wurde mangels gründlicher Durchforschung abgesehen. 


Die durch Signaturen angedeutete Verteilung von älteren und 
jüngeren Schichten ist nach Erscheinen der Karte Ampferers!) 
großenteils bedeutungslos geworden. 

Sie sollte einen schwachen Begriff wenigstens von den dortigen 
Verhältnissen geben. ] 

Die unweit Garmisch im Loisachtale eingetragene Rauhwacke 
ist tektonisch wichtig. 

Einmal kann sie zur Partenkirchen—Barmseescholle und zur 
Risserkopfscholle gestellt werden, von denen sie durch Erosion und 
nachträgliche Verwerfungen getrennt sein könnte. 

Reis hat (1, pag. 101) schon darauf hingewiesen, daß sie in 
der Fallrichtung der Katzensteinrauhwacke (Risserkopfscholle) liegt; 
es ist noch hinzuzufügen, daß sie ferner das Streichen der Raibler Rauh- 
wacken von der Faukenschlucht bei Partenkirchen nach W fortgesetzt. 

Die andere Möglichkeit besteht darin, in ihr das wahre Liegende 
des Kramerhauptdolomits aufgeschlossen zu sehen. 

Letzterer zeigt an der Nordseite zweifaches Einfallen : in den 
oberen Lagen im O söhlige Lagerung (diese stellt Heimbach auf 


!) Vgl. pag. 16. 
4* 


98 K. C. von Loesch. | [28] 


dem Hauptprofil und dem Profil auf pag. 22 dar), die nach W hin 
in ein schwaches westliches Fallen übergeht. 

Ferner in den tieferen ein ziemlich steiles S-Fallen, das bei 
Reis durch Fallzeichen schon vermerkt ist. 

Diesem S fallenden Hauptdolomit ist die Rauhwacke der Loisach 
örtlich benachbart, der Kontakt jedoch allseitig verdeckt. 

Daher wird wohl nie Gewißheit über die Zusammenhänge erbracht 
werden können. Um nicht eine überkippte Lagerung anzunehmen, 
habe ich der vorgenannten Deutung den Vorzug gegeben und die 
Loisachrauhwacke zur Risserkopfscholle gestellt. [Reis läßt es offen, 
welcher Auffassung er zuneigt.] 

Dazu kommt, daß nördlich der Loisach die (bisweilen gedoppelte) 
durch den Schubfetzen [Aptychenkalk !)] der Ochsenhütten deutlich 
offenbarte, große tektonische Linie von OÖ nach W verläuft gegen den 
Plansee hin. 


Textabbildung 1. 


Aufschluß von Aptychenkalken zwischen Hauptdolomit und Plattenkalk im Brand- 
graben bei den Ochsenhütten. 


J = Aptychenschichten. — Pl = Plattenkalk. — HD = Hauptdolomit. 


Der Talboden der Loisach liegt 800 m hoch und wird durch den Schuttkegel des 
Brandgrabens erhöht. 


Diese wenig mächtigen, höchst gequälten bunten Kalke können 
als analoge Erscheinungen zu jenen Schubfetzen des ehemaligen 
Scharnitzer Bleibergwerks (pag. 39), der Sulzleklamm (pag. 34), des 
Brunnensteinecks (pag. 38) und des Hochjochs aufgefaßt werden. Sie 
sind geradezu ein Charakteristikum der großen longitudinalen Be- 
wegungen. 

Die Vorschuppe(n) 2) ist der Übersichtlichkeit wegen durchgezogen 
worden. Möglicherweise besteht sie aus 2, ja vielleicht mehr Schuppen. 


!) Reis verzeichnet in seiner Karte Neokom, das Herr O. Wolf und ich 
nicht auffinden konnten. Dagegen steht etwa 2—300 westlich der Reisschen Ein- 
tragung im Bachriß des Brandgrabens, dessen Schuttdelta in unmittelbarer Nähe 
der Ochsenhütten aufgebaut ist, ein kleiner Fetzen von Aptychenkalken an, dessen 
Lagerung aus dem Profil hervorgeht. 


2) Vgl. pag. 89. 


[29] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge: 29 


-Der Issentalköpflkomplex ist als ein Unterteil der Mieminger 
Scholle, als ein Teil der Randzonen des nördlichen Gewölbeschenkels 
bezeichnet. Von der nächstsüdlicheren Zone hebt er sich deutlich ab, 
so daß es keine Schwierigkeiten macht, wenn man ihn zur Vorberg- 
scholle rechnen will). 


D. Bemerkungen zur Profiltafel. 


Nach Skizzen des Verfassers von Herrn A. Birkmaier in München ausge- 
führt. Bei einer Änderung der ursprünglichen Anordnung der Zeichen wurde be- 
dauerlicherweise die chronologische Folge nicht innegehalten. 


Anfänglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt, soll die Profil- 
tafel lediglich zur besseren Übersicht und zur Veranschaulichung hier 
vorgetragener Ideen dienen. 

Keineswegs lag es in der Absicht des Verfassers, 
durchsie einen Ersatz für die [schon angekündigten] schmerz- 
lich entbehrten Profile von O. Reis zu geben, was.aus der 
Wahl eines sehr kleinen Maßstabes (1:135.000), der nur eine stark 
schematisierende Darstellung zuläßt, und der systematischen Vertei- 
lung der Profile hervorgeht. 


Außer der freilich guten Reisschen Karte waren fast keine 
brauchbaren Vorarbeiten (Profile) vorhanden oder solche, deren 
Mängel (Heimbach) schon die ersten Begehungen ergeben. Eine 
Ausnahme bildet der Südrand des Wettersteingebirges und die Mie- 
minger Kette, für die prächtige Profile aus Ampferers Hand vor- 
liegen. 

Für das übrige Gebiet lagen nur die wenigen Profile des Roth- 
pletzschen Querschnitts und die veralteten Gümbels und noch 
früherer Autoren vor. 

So war die Aufgabe des Verfassers, der das Gebiet ja nicht 
kartiert, sondern nur auf Exkursionen von schließlich doch beschränkter 
Dauer untersucht hat, schwierig. Dementsprechend möge man bei 
Benützung der Profiltafel vor etwaigen Fehlern auf der Hut sein. 

Alle Profile verlaufen von N nach S und sind, soweit es anging, 
in regelmäßigen Abständen voneinander gelegt worden. Darüber kann 
man sich auf der Übersichtskarte, in die ihr Verlauf eingetragen ist, 
am schnellsten orientieren. 


Wenn ich mich entschlossen habe, die Heimbachschen Profile 
— mit den allernötigsten Verbesserungen — wiederzugeben, so geschah 
es nicht zum geringsten Teile, weil diese [nur als Dissertation ge- 
druckte] Arbeit heute schon recht selten geworden ist. Dadurch, daß 
das Kramergebiet in die Profile einbezogen worden ist, kommt auch 
erst die Tatsache so recht zur Anschaulichkeit, daß die Wamberger 
Scholle in einer (alten) Depression liegt. 

Erst nachdem die Profiltafel (März 1913) vollendet war, begann 
Herr OÖ. Wolf seine Neuaufnahme des Kramer etc.- Gebietes. Hätte 


') Vgl. pag. 33, 77 und 81 ft. 


30 K. C. von Loesch. [30] 


ich gewußt, daß eine solche in so kurzer Zeit bevorstände, würde ich 
das dargestellte Gebiet beschränkt haben. 

Was die einzelnen Profile anlangt, so bin ich in der Hauptsache 
den Anschauungen, denen Reis mit seiner Karte Ausdruck gegeben 
hat, gefolgt und nur dort abgewichen, wo neue oder abweichend ge- 
deutete Beobachtungen vorlagen. 

Denn es handelt sich für unsere Zwecke in erster Linie um 
die Darstellung der großen tektonischen Bewegungen, deren Narben 
als Schollengrenzen in die Übersichtskarte eingetragen wurden. In 
der Profiltafel kommen sie als die roten Verbindungslinien zum Aus- 
drucke, die von einem Profil zum anderen leiten und jeweils die Schnitt- 
punkte der Schollengrenzen verbinden. Minder wichtige, aber weithin 
verfolgbare Verwerfungen wurden durch geringer kräftige, punktierte 
rote Linien verbunden. Da auch punktierte Linien innerhalb der ein- 
zelnen Profile unvermeidbar waren (letztere sind schwarz angelegt), 
so ergab sich eine unerwünschte Häufung und Kreuzung. Man wird 
am leichtesten durchfinden, wenn man erst die Einzelprofile und später 
die [roten] Verbindungslinien betrachtet. 


Die Besprechung der Einzelprofle geht stets von N aus, von 
links nach rechts. 


Profil: 1; 


Die ganze nördliche Hälfte wird durch die östliche Wetterstein- 
scholle eingenommen, deren Störungen, da unwesentlich, fortbleiben 
konnten. 

Das Einfallen der Raibler Schichten nördlich der Leutaschklamm 
ist wohl nicht hinreichend steil eingetragen. Auf die Darstellung der 
lokalen Mulden und Sättel im Wettersteinkalke mußte hier wie in den 
folgenden Profilen verzichtet werden. 

Die Wildsteigkopfüberschiebung der Leutaschscholle kommt deut- 
lich zum Ausdruck. Die Störung zwischen dem Muschel- und Wetter- 
steinkalk der letzteren ist schematisiert. 

Von grundlegender Bedeutung ist die dritte tektonische Linie, 
welche, hier noch zwischen zwei Wettersteinkalkmassen durchstreichend, 
den Südflügel der Triasschubmassen gegen N abgrenzt. 


Profil 2. 


Der nördliche Hauptdolomit scheint hier noch zur östlichen 
Hauptwettersteinscholle zu rechnen zu sein. Die in Frage kommen- 
den Aufschlüsse habe ich nicht besuchen können. 

Die Raibler liegen mit abweichendem Faltenwurf über der Wam- 
berger Scholle, die überschoben zu sein scheint (Erosionsfenster). 

Ihre Falten sind hier wie unten schematisch dargestellt, auf die 
Einzeichnung der meisten Längsstörungen wurde verzichtet. 

Die Längsstörungen des Wettersteinkalkes wurden angedeutet. 

Die Nordgrenze des Südflügels scheint hier durch zwei Bruch- 
spalten gebildet zu werden, zwischen denen der Hauptdolomit wider- 
sinnig südlich fällt. Die Aufschlüsse sind zum Teil mangelhaft. 


[31] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. sl 


-Die schwarzen Verbindungslinien unter den Profilen sollen nicht 
etwa den ungefähren Verlauf des Schubmassenfußes darstellen, sondern 
nur gewisse Einheiten andeuten. Es wäre ein Mißverständnis, nach 
Profil 3 und 5 etwa schließen zu wollen, daß die Wamberger Scholle 
und die Jurakreidemulde ein einheitliches Basalgebirge bildeten. Viel- 
mehr sind beide nur Fenster in Teilschollen der Hauptschubmasse, 
die Wamberger Scholle selbst ein Teil dieser Schubmassen. Es wäre 
vielleicht besser gewesen, die punktierten Linien auch unter der 
Wamberger Scholle durchzuführen (Profile 2, 3, 5—7). 


Pronl 3. 


Von diesem Profile an tritt das nördliche Vorland in den Bereich 
der Tafel. Hier erreicht die Leutaschscholle ihre größte Breite. Die 
Puitalpüberschiebung ist nicht hinreichend flach gezeichnet. 


Profil 4a 


soll die deutliche Diskordanz zwischen dem nördlichem Vorlande und 
den Raiblern, welche noch eine kleine lokale Sattelvermehrung auf- 
weisen, zeigen. 


Profil 4. 


Die Störungen des Schachengebietes kommen hier zur Darstel- 
lung. Ferner ist der eigentümliche Bau der Wettersteinsüdwand an- 
gedeutet. Die Vorbergscholle tritt zum erstenmal ins Profilbild; der 
Unterschied ihres Baues von dem der Mieminger Scholle [und der 
Gehrenspitze (Leutaschscholle) in Profil 3] ist auffallend. 

Die partielle Überlagerung der jungen Schichten über die Vor- 
bergscholle (Profil 5 und 6) wurde fortgelassen, ebenso die Über- 
schiebung des Muschelkalkes der Vorbergscholle über die nördliche 
Randzone der Mieminger Scholle in Profil 6. 


Profil 5. 


Die im äußersten N des Profiles beobachteten Plattenkalke sind 
versehentlich fortgeblieben. Für unsere Zwecke sind sie ohne Belang. 

Die (von der westlichen nicht abgetrennte) östliche Hauptwetter- 
steinscholle gelangt zum letztenmal zur Darstellung. 

Bezüglich der Hauptdolomitmulde und der Hohen Munde vgl. 
pag. 84 ff. 


Profil 6. 


Bei Heimbach legt sich im Südflügel der Steppbergmulde noch 
Hauptdolomit unter den Plattenkalk. Ich beobachtete mehrfach im 
Lahnewiesgraben (vielleicht etwas östlich von unserem Profil), wie die 
Steppbergmulde mit dem Plattenkalk abschließt, der vom flachliegen- 
den Kramerhauptdolomit wenigstens lokal flach überschoben wird. Diese 
charakteristischen Verhältnisse habe ich wiedergeben zu sollen ge- 
glaubt. [Dabei ist es durchaus möglich, daß das Heimbachsche Profil 
seine Richtigkeit an anderen Stellen erweist.] 

Neuerlich ist es mir fraglich geworden, ob das Einfallen des 
Hauptdolomits zwischen der Loisach und Ober-Greinau richtig ein- 


32 K. €. von Loesch. [32] 


gezeichnet ist. Das gleiche gilt für seine Fortsetzung im Gschwand- 
wald (Profil 7). Doch kann ich keine diesbezügliche Notiz in meinen 
Aufzeichnungen finden. Dieser tiefgelegene Hauptdolomitzug ist, weil 
mit diehtem Walde bedeckt, schlecht aufgeschlossen. 

Die Liegendgrenze der [westlichen] Hauptwettersteinscholle am 
Nordfuße des Waxensteines mag besser zwischen die Partnachschichten 
und den Muschelkalk zu legen sein. 

Hier versagt der Maßstab unserer Profile; denn bei der erforder- 
lichen Vereinfachung können so schwierige Verhältnisse [wie die in 
und um den Stangenwald] nicht auch nur annähernd wiedergegeben 
werden. 

In den oberen Partien des Wettersteinkalkes ist noch ein Teil 
der östlichen Wettersteinscholle enthalten, der über die westliche ge- 
schoben ist. Der Maßstab ließ leider die Trennung beider nicht zu. 
Die UÜberschiebung ist vom Platt aus leicht erkennbar. 


Im Hohen Kamme erreicht die Zone junger Schichten ihre größte 
Höhe. Beachtenswert sind Muschelschichten, die sich im Gaistale nord- 
fallend unter dem Wettersteinkalk der Vorbergscholle einstellen. (Man 
vergleiche dieses Profil mit Schlagintweits Fig. 1 in 8, pag. 83.) 


Pronl 7. 


Zum letztenmal ist die Wamberger Scholle dargestellt. Mit ihrem 
Verschwinden nimmt [nehmen] die Vorschuppe[n] der westlichen Haupt- 
wettersteinscholle an Mächtigkeit zu! Südlich des Wettersteingebirges 
geht das Profil gerade durch jenen Abschnitt, in dem Schutt- und 
Moränenmassen die westliche Fortsetzung der Vorbergscholle (Feldern- 
alm) verdecken. Da hier erhebliche Zweifel über die Gestaltung des 
Anstehenden vorliegen !), wurde von einer Eintragung abgesehen. 


Profil 8 und Profil 9. 


Wenizer weit voneinander entfernt, als die anderen Profile unter- 
einander, geben sie die Verhältnisse am Issentalköpflkomplex wieder. 

In beiden ist der Hauptdolomit zur Triasschubmasse und nicht 
zum basalen Gebirge gestellt worden. Vgl. die eingehenden Bespre- 
chungen pag. 77 und pag. 81 ff. Die Schichtenwiederholungen sind hier 
sehr auffallend; der Maßstab ließ hier eine Eintragung von Verwer- 
fungslinien nicht zu. 


Versehentlich blieben hier [wie in Profil 7, 10 und 11] die Ver- 
werfungen im Wettersteinkalke, welche die hintere nördliche Randzone 
gegen S begrenzen, fort. Die „Terrasse“ tritt ganz schön heraus. 


Profil 10. 
Die jungen Schichten (J) am Südfuße des Raueck sind die ein- 
geklemmten Aptychenschichten vom Brandgraben (vgl. pag. 28). 


Die Vorschuppe und die Wettersteinscholle werden unmittelbar 
hinter dem Stirnrande von Profil 10 geschnitten. 


ı) Vgl. pag. 82 ft. 


E 


[33] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 33 


» Prone It: 


Nur noch der Südflügel reicht bis in unser letztes Profil hinein. 
Die Störungen des Drachensees deuten schon die anormale Entwick- 
lung im W des Mieminger Gewölbes an. 


Die roten Verbindungslinien. 


Um das Bild nicht allzu sehr zu belasten, wurde von einer Ab- 
trennung in eine westliche und eine östliche Hauptwettersteinscholle 
abgesehen. 

Die Absonderung der hinteren nördlichen Randzone in den Pro- 
filen 6 bis 11 unterblieb jedoch aus Versehen. 

Mit Absicht wurde bei der Abgrenzung der Vorbergscholle die 
Version dargestellt, die den Issentalköpflkomplex zur Vorbergscholle 
rechnet (vgl. pag. 81 ff.). N 

Wer die andere, auf dem Übersichtskärtchen dargestellte, be- 
vorzugt, wird die Vorbergscholle zwischen Profil 6 und 7 ausgehen 
lassen. 

Die Verbindungslinien im nördlichen Vorgebirge westlich der 
Loisach sind nur approximativ. 


V. Die Begründung der Scholleneinteilung. Besprechung 
der einzelnen Gebirgsteile. 


A. Karwendelabbruch und Arnspitzenzug. 


Während die Gipfel der östlichen Isartalseite von N nach S an 
Höhe im allgemeinen verlieren!) und dieser westliche Karwendelzug ’’) 
bei Scharnitz das Tal erreicht, bietet die gegenüberliegende westliche 
Talseite ein gerade entgegengesetzes Bild: im N liegen geringere 
Höhen °), die noch dazu durch das Leutaschtal getrennt sind; allmählich 
steigt der Arnspitzenkamm *) gegen S hin an, um dann fast schon in 
der Breite von Scharnitz wieder abzusinken. 

Die Isar läuft diesen SSW gerichteten Kämmen nicht parallel, 
da ihr Oberlauf von der Porta Claudia bis zur Breite des Schwarz- 
waldes und Tiefen Tales NNW gerichtet ist: eine Folge des Wetter- 
steinkalkquerriegels vom Arntalkopf (1524 m). 

Nördlich vor diesem liegt der Riedboden, eine sehr bemerkens- 
werte Erweiterung des Talbodens der Isar, welche die Enge von 
Scharnitz durchbrochen hat. 


‘) Von der vorderen Karwendelspitz [2373 m] im N bis zur Brunnenstein- 
spitz [2044 m] im S = 25 km. 

?) Von dort bis Scharnitz (960 m) fällt der Kamm stark [wiederum 2°5 km]. 

®) Burgberg 1194 m, Wildsteigkopf 1422 m. 

4) Schartenkopf 1619 m, die Scharte selbst mit 1447 m, hinter ihr die Vor- 
gipfel |1743 m, 1931 m und 2008 m) und die Arnspitze mit 2196 m. Von hier biegt 
der eigentliche Kamm gegen WSW ab. 


Jahrbuch d. K. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. C. v, Loesch.) 5 


34 K. C. von Loesch. [34] 


Der Wettersteinkalk zu beiden Seiten dieser Enge muß einer 
tektonischen Einheit zugerechnet werden; die auf beiden Talseiten 
unmittelbar und konkordant!) auf dem Wettersteinkalk folgenden 
Raibler Schichten bei Eisack und im Arntalwalde!) beweisen dies und 
lassen erkennen, daß nicht einmal eine [junge] Blattverschiebung hier 
stattgefunden hat. 

Dafür scheint aber der Riedboden eine Folge hier sich sammeln- 
der, zu Tale gehender Störungslinien zu sein. 

Dahin konvergieren einmal von NNO und NNW die Schubflächen 
der Vorderen Karwendel- und der Wildsteigkopfüberschiebung; ferner 
streichen hier ostnordost-westsüdwest verlaufende Längsstörungen durch, 
die sowohl am Karwendel- als auch am Arnspitzenzuge auffallen. 

Während die Schubflächen (im O stärker und im W weniger 
stark) geneigt sind, stehen die Longitudinalstörungen steil. 

Die Wildsteigkopfüberschiebung, deren Fallwinkel am Würzberg- 
gewölbe feststellbar ist, muß zwischen überschobenem und überge- 
schobenem Muschelkalke etwas südlich von P. 957 am Ausganz des 
„Tiefen Tales“ zu Tal- gehen. 

Die nach Rothpletz SO fallende Schubfläche der [von Ampferer 
als erstem nachgewiesenen] Vorderen Karwendelüberschiebung ist in den 
höheren Lagen des Westabbruches des Karwendelgebirges ziemlich 
gut aufgeschlossen. Sie gliedert sich nach Ampferer (3, Fig. 49) in 
mehrere Schuppen. Sie liegt in größeren Höhen ziemlich flach und 
soll etwa vom Wasserfalle an steiler fallen. 

Wo sie zu Tal geht, konnte bisher nicht einwandfrei nachge- 
wiesen werden, da das Schuttdelta der Roßlahne viel Gelände bedeckt 
und eine nördlich von ihr talabwärts streichende Verwerfung (?) eine 
Rolle spielen mag. Wenn es darum zweifelhaft bleibt, ob der Wetter- 
steinkalkklotz des Brunnensteinköpfls noch zur Schubmasse oder zu 
deren Unterlage zu rechnen ist, so kann doch mit Sicherheit an- 
genommen werden, daß die vordere Karwendelüberschiebung nicht 
wesentlich südlicher als das Brunnensteinköpfl zu Tale geht. 

Mit der Wildsteigkopfüberschiebung wird sie wohl unter der 
Sohle des Riedbodens [vielleicht 500 m nördlich P. 954 am Knick des 
Weges Porta Claudia- ehemaliges Scharnitzer Bleibergwerk der Reis- 
schen Karte] zusammenhängen. 

An den aus Muschelkalk und Wettersteinkalk unterschiedlicher 
Schollenzugehörigkeit bestehenden Isartalgehängen sind drei getrennte 
Vorkommen von jüngeren Schichten, jedesmal von sehr geringem Um- 
fange aufgeschlossen. 

Das erste bei der Sulzleklamm in Höhe von rund 1600 »» wurde 
durch die Rothpletzsche Karwendelaufnahme bekannt und weist 
Kössener- und Juraschichten auf. 

Das zweite |von Ampferer entdeckte] liegt an der anderen Tal- 
seite unmittelbar über der Talsohle beim Scharnitzer Bleibergwerk 
(941 m) und besteht aus Juraschichten 2). 


.‘) Ampferer zeichnet unrichtigerweise in Blatt Zirl eine Störungslinie 
hier ein. Näheres siehe pag. 41. 


?) Schlagintweit beobachtete hier noch Neokomschichten. 


[35] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 35 


„Ein drittes [suchte und] fand ich am Brunnensteineck, wiederum 
auf der Karwendelseite, wo die Rothpletzsche Karte ein kleines 
Muschelkalkvorkommen eingezeichnet enthält. Nur Aptychenkalke [und 
Muschelkalk|. 


[Näheres über dieses Vorkommen s. pag. 39. Vorgreifend sei bemerkt, daß 
das Sulzleklammvorkommen mit den Überschiebungen des Karwendel- und Arn- 
spitzenzuges zusammenhängt. 

Die beiden anderen sind durchaus anderswertig, weil anders gelagert: sie 
sitzen auf steilgestellten Längsspalten innerhalb der Schubmassen.] 


(Die Auffassungen anderer Autoren.) 


Während Schlagintweit (ohne Angabe von Gründen) einen ur- 
sächlichen Zusammenhang dieser Vorkommen sowohl mit den Über- 
schiebungen als auch „mit anderen Schuppen innerhalb der Trias- 
massen* ablehnt, sehen Rothpletz und Ampferer sie als Charak- 
teristika der Schollenbewegung des Karwendelgebirges an, die über das 
Ausmaß der Fortbewegung unter Umständen Anhaltspunkte geben 
können. Dem schließt sich der Verfasser vollkommen an. 

Rothpletz!), der nur die Sulzleklammschichten bespricht, will 
sie als notwendige Folgen von großen Schollenverschiebungen gelten 
lassen. 

Dagegen hält Schlagintweit das Sulzleklamm- und das Blei- 
bergwerkvorkommen „für ein emporgepreßtes Stück des Unter- 
grundes“, der „vielleicht sogar aus dem Zusammenhang mit dem 
basalen Gebirge gelöst“ ist. 

Es ist auffällig, daß er, der doch das ganze Wetterstein- und 
Mieminger Gebirge durch den horizontalen S-Schub über eine Basis 
von jungen Schichten gleiten läßt, hier mit einer rein vertikalen Auf- 
pressung des Untergrundes rechnet. 

In diesem Aufschluß erblickt er eine Bestätigung dafür, „daß 
die Zone der jungen Schichten“ [sc. des Puitentales und südlich 
der Wettersteinsüdwand] „entsprechend ihrem Absinken nach O vom 
Scharnitzjoch an unter das Arnspitzenmassiv untertaucht und unter 
ihm nach O fortsetzt.“ (Eine weitere Fortsetzung dieser jungen 
Schichten soll in denen des östlichen Karwendels „unter der lasten- 
den Decke wieder ans Tageslicht treten“. Für die letzte Annahme 
fehlt jeder Beweis, doch scheint Ampferer von ähnlichen Vorstel- 
lungen beeinflußt zu werden.) 

Mir erscheint es zweifelhaft, ob überhaupt junge Schichten unter 
dem ganzen Arnspitzenmassiv liegen. Denn wenn es auch den An- 
schein hat, als ob die Jurakreidemulde des Puitentales nach O hin 
unter das Arnspitzenmassiv sänke, so wissen wir nichts davon, wie 
weit sie reicht. 

Eine „Aufpressung“ so kleiner Mengen von der Tiefe kann man 
sich nicht leicht vorstellen. Es ist natürlicher, sie als mitgerissene 
Fetzen bei Horizontalbewegungen aufzufassen, die dann freilich nur 
als longitudinal gerichtet aufzufassen sind. 


!) 15, pag. 200. 


36 K. C. von Loesch, [36] 


Schlagintweit (8, pag. 80) und Ampferer (4, pag. 454) 
vermuten, daß die Vorkommen an der Sulzleklamm und am Bleiberg- 
werk zu ein und derselben Störungslinie gehören (Schlagintweit), 
daß sie einander fortsetzen (Ampferer). Wäre das zutreffend, so 
müßte gefolgert werden, daß eine gleiche Ursache (derselbe Schub) 
sie abgerissen und an ihren heutigen Platz gebracht hätte, ferner 
daß sie zwischen zwei jeweils gleichwertigen ‚Schollen auf ein ‚und 
derselben Spalte säßen. 


Identität von Karwendel- und Wildsteigkopfüberschiebung. 


Selbst wenn man davon absieht, daß an der Sulzleklamm Kössener 
Schichten vorkommen, die am Bleiberg fehlen, dort aber Schlag- 
intweit wiederum Neokom beobachtet hat, so kann aus anderen 
Gründen die obige Vermutung als unwahrscheinlich erwiesen werden. 

Das Sulzleklammvorkommen ist nämlich an die Basis der schräg- 
fallenden Karwendelüberschiebungsschubfläche angeklebt, deren öst- 
liche Fortsetzung die Wildsteigkopfüberschiebungist (Reis, Ampferer), 
was Schlagintweit freilich nicht wahr haben will. 

Der Aufschluß nördlich des Bleibergwerks liegt aber etwa 800 m 
südlich der Stelle, wo die Wildsteigkopfüberschiebung zu Tale gehen 
muß. Auch ist er zwischen zwei senkrecht stehenden Wänden von 
Wettersteinkalk eingeschlossen, die man noch mehrere hundert Meter 
bergauf bis etwa Punkt 1340 an der bayrisch-tirolischen Grenze un- 
schwer verfolgen kann. Er liegt also an einer sehr steilstehenden 
Störungslinie, die eben darum schon, weil sich junge Schichten hier 
eingeklemmt finden, als eine solche erster Ordnung bezeichnet wer- 
den muß (vgl. Ampferer 4, pag. 453 und 454, Fig. 2, steilstehende 
Rutschflächen!),. Ampferers Annahme, daß er „ungefähr an der 
Sohle der Überschiebungsdecke“ liegt, ist darum nicht aufrechtzu- 
erhalten. | 

Anderseits ist aber der innige Zusammenhang zwischen Schollen- 
bewegung und dem Einschlusse junger Schichten ebensowenig : zu 
leugnen, wie — ganz im allgemeinen — die Herkunft beider junger 
Schichteinschlüsse aus dem Anstehen dieser Schichten im östlichen 
Karwendel in Frage zu ziehen. Sie entsprechen den Juraeinschlüssen, 
„wie wir, solche durch das ganze Karwendelgebirge am Fuße der 
großen ÜUberschiebungsdecke verfolgen konnten (Ampferer 35, 
pag. 240). Das Vorkommen an der Hochalp zum Beispiel ist als ein 
analoges, vermittelndes anzusehen. 

Hier gewinnen wir also ein sprechendes Argument für die öst- 
liche Herkunft der großen Triasschollen. 

Was spricht nun dafür, daß die Wildsteigkopfüberschiebung die 
des vorderen Karwendelzuges fortsetzt? (Daß das Juravorkommen am 
Scharnitzer Bleibergwerk hier nicht in Betracht kommt, ist oben 
nachgewiesen. Das gleiche gilt für das Brunnensteineckvorkommen.) 

l, Beide Schubflächen konvergieren auf den Riedboden zu. 

2. Der Bau der Schubmassen ist ein ähnlicher, im N und zu- 
unterst Muschelkalk, im S darauf Wettersteinkalkschichten, die zu- 
meist SO bis SSO fallen, 


[37] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 37 


3. Schuppen sind in beiden Schubmassen häufig. Im Karwendel 
hat Ampferer sie nachgewiesen. Im Arnspitzenmassiv ist der Bau 
wohl verwickelter, als die Profile von Ampferer es angeben !). 

4, Die erhebliche Höhendifferenz erklärt sich großenteils aus 
der. verschiedenen Höhenlage des unterliegenden Gebirges zu beiden 
Seiten der Isar. Denn während die Schubmasse auf der Karwendel- 
talseite dem fast saiger stehenden Leitersteiggewölbe (Rothpletz 15) 
aufruht, das an der Sulzleklamm 1400—1650 m, dessen nördlicher 
Wettersteinkalk aber mit dem Gerberkreuz (= südlich Karwendel- 
kreuz) 2300 m erreicht, liegt die Arnspitzenschubmasse. auf dem sehr 
flachen und niedrigen Würzberggewölbe. Es ist wohl nichts gegen die 
Annahme einzuwenden, daß dies Würzberggewölbe die westliche, an 
Höhe und Steilheit verlierende Fortsetzung des Leitersteiggewölbes sei. 


[Ob zwischen der Höhe der Aufrichtung sowohl der Überschiebung als auch 
des überschobenen Gebirges direkte Wechselbeziehungen bestehen, kann die 
Frage sein. 

Für unsere Untersachungen ist es nicht von Belang, ob das Leitersteig- 
gewölbe in der Tat so regelmäßig gebaut ist, wie es Rothpletz (15, pag. 199) 
gemäß den Aufnahmen Jaeckels annimmt. Ampferer will im südlichen, süd- 
fallenden Muschelkalkzuge des Rothpletzschen Leitersteiggewölbes die Fort- 
setzung der überkippten Schollen des östlichen Karwendelkammes’ erkennen.] 


Entsprechend der stärkeren Auffaltung sind im Leitersteiggewölbe 
noch Reichenhaller Schichten entblößt. Diese finden sich auch in der 
Karwendelschubmasse, fehlen aber jedoch — das ist der einzige Unter- 
schied — auf der westlichen Talseite. 


Longitudinale Störungen innerhalb dieser Schubmassen. 


Nunmehr bleiben noch die longitudinalen Störungen zu besprechen, 
die in der Hauptsache südlich der Linie zu finden sind, auf der Kar- 
wendel- und Wildsteigkopfüberschiebung zu Tale gehen. 

Sie scheinen jünger als die UÜberschiebungen zu sein, da sie die 
Schubmassen abschneiden. Sie durchlaufen gleichfalls den Riedboden 
und lassen diese Talerweiterung als tektonisch angelegt erscheinen. 

Eine vordere zieht, wie schon erwähnt, von der Rothwand im 
(und später, wenn die Auffassung der Rothpletzschen Karte richtig 
ist, etwas nördlich vom) Tal der Roßlähne herab und schneidet mög- 
licherweise noch einen Teil des Leitersteiggewölbes (siehe oben) ab. 

Jenseits der Isar setzt sie wohl in die Schlucht der Hasellähne 
fort und verbindet sich mit jener Störung am Nordabbruch der eigent- 
lichen Arnspitz (2196°9 m), auf die Ampferer (in 4) schon hinge- 
wiesen hat. Der neue Arnspitzenweg der Sektion Hochland hat eine 


!) Das sehr unregelmäßige Einfallen ist durch den neuen Gratweg der 
Sektion Hochland von der „Scharte* bis zum Riedkopf sehr schön aufgeschlossen, 
an welchem ferner gut zu beobachten ist, daß der Muschelkalk über die Scharte 
am Nordhang des Achterkopfes noch weit heraufreicht. [Dieser Teil der Reisschen 
Karte ist nicht ganz einwandfrei. Man beachte die erheblichen Abweichungen auf 
dem Blatt Zirl und Nassereith.] 

Die starke Quelle unterhalb der Scharte selbst, am Wege vom Wirtshaus zur 
Mühle spricht für das Durchstreichen einer nicht unbedeutenden Verwerfung. 


38 K. C. von Loesch. [38] 


ausgesprochene Mylonitzone im Wettersteinkalk unter der Scharte 
bei 1979 m aufgeschlossen. 

Ob und inwieweit diese tektonische Linie mit einer der gleich- 
gerichteten jenseits des Leutaschtales (vielleicht mit jenen am Süd- 
abhang des Öfelekopfes oder im Puitalpfenster selbst?) zu verbinden 
ist, wird um so schwerer feststellbar sein, als gerade hier das Leu- 
taschtal durch eine jüngere Verwerfung zerschnitten ist. 

Erst nach Vollendung dieses Manuskriptes war mir die Wichtigkeit 
dieser Linie vollkommen klar geworden und damit der Wunsch ent- 
standen, ihre Fortsetzung im Karwendelgebirge zu untersuchen. Ich 
besuchte das Brunnensteineck, wo die Rothpletzsche [und die 
Reissche] Karte ein kleines Muschelkalkrechteck anzeigt. 


Hier fand ich die Fortsetzung unzweifelhaft belegt durch einen 


weiteren 
Jurafetzen, 


dessen Vorhandensein ich gewissermaßen als Prüfstein der Richtigkeit 
meiner Anschauungen gefordert hatte !). 


Den Aufschluß, dessen rote Gesteine man schon von der Mitten- 
walder Bahn und Straße mit bloßem Auge erkennen kann, besucht man 
am leichtesten vom Leitersteigwege, wenn man etwa in Höhe der beiden 
etwas vom Wege abliegenden Aussichtsbänke auf dem Brunnenstein- 
köpfi nach S ohne Höhenverlust erst durch jungen, aber ziemlich lichten 
Föhrenwald, später über geneigte kahle Wettersteinkalkplatten traver- 
siert. Man gelangt dann auf ein nach unten breiter werdendes Schutt- 
feld, das von Wettersteinkalkwänden eingeschlossen wird, die sich 
nach oben hin zu einer Schlucht verengen, am Talboden aber über 
200 m von einander entfernt sind. 


Unterhalb dieser Verengung stehen, unter einer Bergahorngruppe, 
steilgestellte Juraschiefer — typische, meist sehr gequälte Aptychen- 
kalke?) — etwa in 1200 m Höhe an, welche ein reichliches Schutt- 
material ins Tal senden. Wie mir Herr Dr. Schlagintweit, der 
gleichfalls an der Schlußexkursion teilnahm und nach mir diesen Auf- 
schluß aufsuchte, mitteilt, sollen noch erheblich tiefer, unweit der 
südlichen Wettersteinkalkmauer, wo ich nur Juraschutt fand, an- 
stehender Aptychenkalk aufgeschlossen sein. (Unteres Profil.) 


Etwas tiefer und nördlicher als der erste Juraaufschluß fand ich 
gleichfalls im Schuttkegel braunen Muschelkalk in geringer Ausdehnung. 
Dieser war es wohl, den die Rothpletzsche Karte anzeigt. Steigt 
man die meist nur 10 m breite steile, mit Muschelkalkschutt erfüllte 
Schlucht zwischen den beiden Wettersteinkalkmauern an (mittleres 
Profil), so gelangt man nach etwa 70 m an einen Abbruch. Während 
die südlich begleitende Wettersteinwand bis zu diesem Abbruch reicht, 
tritt die nördliche vorher gegen N zurück und verliert an Höhe. 


'!) Am Tage zuvor gesprächsweise Herrn Privatdozenten Dr. Leuchs und 
einigen Teilnehmern der von ihm und Herrn Privatdozenten Dr. Dacque& geführten 
Sommersemesterschlußexkursion der Münchener Universität gegenüber. 


?) Fossilleere rote, blaßgelbe, graulichgrünliche oder bunte Mergelkalke mit 
Tonhäutchen und vielen Spiegelflächen, zum Teil hornsteinführend. 


[39] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 39 


Der Abbruch selbst besteht aus Muschelkalkschichten, die gegen 
N verhältnismäßig gut erhalten sind, nach S hin immer mehr gequält 
erscheinen, um mit einer typischen Reibungsbreceie abzuschließen. 
(Oberes Profil.) 

Zwischen dieser Breccie, von der schon am Einstieg in die 
Schlucht Reste [an der nördlichen Wettersteinwand] zu beobachten 


Textabbildung 2. 


N S 
ca. 1300 m 
{ I 
ur nt 
R Fran K ca. 1250 m 
ca, 1200 m 


Schubfetzen von Aptychenkalk zwischen alter Trias am Brunnensteineck. 
(Karwendelgebirge), 


Zeichenerklärung: 


Mk —= Muschelkalk. — Wk —= Wettersteinkalk.. — A = Aptychenschichten. 
$ — Schutt. 


= Ungequäiter Muschelkalk. — 2 == Gequälter Muschelkalk. — 3 = Reibungs- 
breccie. — 4 = Rutschfläche. Die Kluft zwischen den beiden letzteren ist in den 
unteren Partien zu einer kleinen Höhle erweitert. 


waren, und der südlichen Wettersteinwand klafft eine deutliche, 
wenn auch enge Spalte, die sich nach unten hin zu einer Art Höhle 
erweitert. Der Wettersteinkalk selbst ist abgeschliffen und zeigh liegende, 
in den Berg hineinstreichende Rutschstreifen. 


Dieser neue Aufschluß liegt dem länger bekannten vom Schar- 
nitzer Bleibergwerk, nur duch das Isartal getrennt [1'5 bis 1'6 km', 
gegenüber. Beide sind von steilen Wettersteinkalkmauern umgeben, die 


40 } K. C. von Loesch. [40] 


bergan sich verengernd noch über eine gute Strecke!) hinaus ver- 
folgbar sind. i 
Es wird wohl niemand daran zweifeln, daß hier nur ein und 
dieselbe Störungslinie aufgeschlossen ist und daß ihr eine 
erhebliche Bedeutung zukommen muß. TEE WERE 


In diesem Falle würde also der Wettersteinkalk südlich 
dieser Linie [mit dem Arntalkopf (1524 m) und vielleicht auch dem 
Arnkopf 1750 m], welcher ja ziemlich normal (Ampferer 4, pag. 455!) 
unter die Raibler des Arntalwaldes und damit unter den Hauptdolomit, 
des Hohen Sattels einfällt, zur Seefelder Hauptdolomit- 
scholle [Mieminger Scholle] zu rechnen sein. 


Nach meinen (allerdings flüchtigen) Beobachtungen im Arnspitz- 
gebiete hat Reis dem Wettersteinkalk eine zu große Ausdehnung 
gegeben. Dessen Areal auf der Karte entspricht etwa dem des 
Wettersteinkalkschuttes, der von der Arnsteinspitze herabkommt. Aus 
ihm ragen aber Raibler Schichten (Rauhwacken !) sicher noch weiter 
ostnordöstlich hervor 2). 

In der direkten Fortsetzung der oben charakterisierten Linie 
liegt der Unterlauf der auf pag. 37 besprochenen Hasellähnestörung. 
Vielleicht haben wir mit einer Gabelung und einer Verzweigung der 
Störungen so gut zu rechnen, wie mit der längst bekannten Duplizität. 
Welche Rolle die etwas anders gerichtete Verwerfung spielen mag, 
welche den Arntalkopf selbst vom Hauptteil des Wettersteinkalkes 
abschneidet, mag unerörtert bleiben. 


Wenn auch der genaue Nachweis des Verlaufes der Hauptstörung 
im Wettersteinkalk über eine kurze Strecke hinweg noch aussteht, 
so ist doch sicher: 

daß die Hauptstörungslinie des Bleibergwerks- und des Brunnen- 
steinecks identisch ist und 

daß sie mit der Nordgrenze der Mieminger Scholle (Unterahren— 
Hoher Sattel—Arntalwald) konvergiert. 

Daraus schließe ich, daß die Nordgrenze der Mieminger 
Scholle am Scharnitzer Bleibergwerk und am Brunnen- 
steineck fortsetzt. 

Die westliche Verlängerung der Nordgrenze über die Leutascher 
Ache hinaus ist auf pag. 53 besprochen. 

Die wichtigste Frage ist jetzt, wohin diese Störung in ihrem Verlauf 
nach W streicht, ob nördlich oder südlich um den Arnkopf (P. 1750 m) 
herum. In diesem Gebiete liegen keine neueren Beobachtungen. vor. 


‘) Die tektonische Linie des Bleibergwerks habe ich bis zur Landesgrenze _ 
abgegangen, die des Brunnensteineck jedoch nicht weiter als bis zum oben ge- 
schilderten Abbruch. Möglicherweise steht sie mit der der Roßlahne in höheren 
Lagen in irgendeinem Zusammenhang. Es ist sehr schwer, ohne so schlagende An- 
haltspunkte, wie Einschlüsse fremder Schichten, eine tektonische Linie innerhalb 
von Wettersteinkalkmassen zu verfolgen, da in diesem einmal das Einfallen oft 


a sennbar ist, zum anderen andere mehr untergeordnete Verwerfungsklüfte 
nie fehlen. 


.) Bei 1660 m nach meiner Barometerablesung, am Wege vom Arntalwalde 
zur Hinteren Arnsteinspitze. Das Schuttband zwischen Wettersteinkalk und Raiblern 
ist von Reis zu schmal gezeichnet worden. 


[41] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 41 


Es mag sein, daß sie mit jener Linie im Wettersteinkalk zu 
verbinden ist, die am Südfuße der Arnspitz (P. 21969 m) durch- 
streichend, die unbedeutende Vorerhöhung P. 1967 m [oberhalb der 
Hütte und südlich des Gipfelweges] abschneidet. Diese läßt sich, so- 
weit sie nicht mit Schutt bedeckt ist, gut nach WSW, immer parallel 
mit dem Gipfelzuge Arnspitz — Hinter-Arnsteinspitz (P. 2172 m) ver- 
laufend, verfolgen. Hier sind stets zwei verschiedene voneinander ab- 
stoßende Wettersteinkalkmassen unterscheidbar, bis mit dem Absteigen 
in ein niedrigeres Niveau Geröll- und Latschenbedeckung jeden sicheren 
Einblick verwehrt. Es scheint, daß diese Linie die direkte Fortsetzung 
jener Verwerfung ist, die am Hohen Sattel durch das schräge Abstoßen 
der Raibler und des Hauptdolomits der Seefelder Scholle vom Arn- 
spitzen — Unter-Ahrenkopf-Wettersteinkalk auf der Reisschen Karte 
leicht erkennbar ist. 

Die Lösung der Frage nach Fortsetzung der Nordgrenze über 
den Arntalwald nach O, welche Reis (durch eine punktierte Linie) 
andeutet, entbehrt nämlich des Zwingenden; die neuerdings von 
Ampferer im Blatt Zirl — Nasserreith versuchte — er trennt die 
Raibler vom Wettersteinkalk durch eine Verwerfung — widerspricht 
seinen früheren Angaben (4, pag. 455). 

Der Wettersteinkalk der Mieminger Scholle findet in den Massen 
des Brunnsteinspitz und des Brunnsteinkopfes seine östliche Fortsetzung. 
Diese fallen in schöner Regelmäßigkeit gegen S ein und stehen dabei 
in deutlichem Gegensatze zum Wettersteinkalk nördlich von ihnen. 
Ihr Zusammenhang mit den südlich bei Eisack angrenzenden Raiblern 
ist nicht gut aufgeschlossen : die Ampferersche Karte verzeichnet hier 
keine Störung. 

Die Verfolgung des Verlaufes unserer Nordgrenze, die als steil- 
stehend angenommen werden muß, noch weiter nach OÖ fällt außer- 
halb des Rahmens der Arbeit. 


B. Wo setzt die Wildsteigkopfüberschiebung nach W fort ? 


Zurück zur Wildsteigkopfüberschiebung, die Reis 
einmal in den Ferchenseestörungen (die Leutasch überquerend) sich 
äußern, zum anderen mit Ampferer (7)!) durchs Leutaschtal auf- 
wärts sich fortsetzen läßt. Während aber letzterer die Nordgrenze 
[seiner Inntaldecke] durchs Puitental legt, läßt sie Reis vorher schon 
nach W abbiegen und den Ofelekopf[nordfuß] von der Wetterstein- 
scholle abtrennen, ein Gedanke, an den Schlagintweit (in seiner 
Polemik gegen Ampferer, 9, pag. 321) anknüpft. 

Die von Ampferer bevorzugte Möglichkeit dürfte durch 
Schlagintweit (9) hinreichend widerlegt sein. Gegen die von Reis 
vorgeschlagene (Ofelekopfnordfuß) habe ich gleichfalls Bedenken. Denn 
es ist willkürlich, die Wildsteigkopfüberschiebung durch das Leutasch- 
tal über eine kürzere oder längere Strecke verlaufen zu lassen, da 
in diesem nur eine an der Verschiebung des Arnspitzenmassivs nach 


!) Vergl. Ampferers interessante Ausführungen in 4, pag. 542. 
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Htf. (K. C. v. Loesch.) 6 


49 K. C. von Loesch. [42] 


N nachweisbare junge Querverwerfung zu beobachten ist. Letztere 
verschiebt die Nordgrenze von Mieminger Scholle (Gaistalmulde) und 
Seefelder Hauptdolomitscholle von der Oberen Gasse in Leutasch nach 
Ahren. 

Noch weniger Anlaß liegt vor, am Nordfuß des Öfelekopfes eine 
tektonische Grenze zwischen diesem und der „Wettersteinscholle* zu 
konstruieren. Wo soll sie denn verlaufen ? Durch die Berglklamm ? 
Am Südabhang des Ofelekopfes mag eine wenig bedeutende Störung 
durchstreichen (Neokomaufschluß an der Ostseite), weiter nördlich 
aber bietet sich — auch auf der Reisschen Karte — gerade das Bild 
einer für diese Gegenden selten kompakten Muschelkalk-Wetterstein- 
kalkmasse mit nur wenigen, fast nördlich verlaufenden Verwerfungen. 

Eine der schon von Ampferer beobachteten ostwestlichen 
Störungen !), etwa die nördlich des Arnspitzgipfels, mag sich im 
Puitental fortsetzen und neben anderen Ursachen Anlaß zu 
der dort fensterbildenden Erosion gewesen sein. 

Das Hervortreten von Muschelkalk im Oberreintalkar etc. ist, 
wie an anderer Stelle auszuführen sein wird, auch anderweitig er- 
klärbar. 

Für die Unbefangenheit von Reis spricht, daß er die Störungs- 
linie nördlich der Leutascher Dreitorspitze viel tiefer als das Aus- 
streichen des Muschelkalkes (etwa 2050 m), in zirka 1800 m Höhe 
durchs Schüsselkar streichen läßt. R 

Es liegt also kein zwingender Grund vor, den Ofelekopf vom 
Wettersteinwandmassiv abzureißen. 

So bleibt nur übrig, die Überschiebungsgrenze beim Gasthaus 
„zur Mühle“ die Leutasch überqueren zu lassen. 

Wie schon erwähnt, verbindet Reis die Diskordanz zwischen 
dem Muschelkalk vom Südfuße Wettersteinspitz und dem Wetterstein- 
kalk des Grünkopfes mit der großen Blattverschiebung des Ferchen- 
seeraumes. 

Meines Erachtens ist der Zusammenhang zwischen der letzteren 
und der Wildsteigkopfüberschiebung höchstens ein indirekter. Das geht 
schon daraus hervor, daß solche Blattverschiebungen bis weit nach O 
hin [im Zuge der Ferchenseewände] zwischen Raiblern und Wetterstein- 
kalk häufig sind und darum wohl auf die gleichen Ursachen, wie diese 
westlichste und bedeutendste zurückgeführt werden müssen. Zu ihrer 
Verstärkung mag die Wildsteigkopfüberschiebung immerhin + direkt 
‚beigetragen haben; in ihr kann aber unmöglich eine Bewegung, 
die das Arnspitzenmassiv, Gehrenspitzen und Ofelekopf 
vortrug, ausgegangen sein. [Eher scheint die von der Scharte 
(zwischen Achterkopf und Schartenkopf) nach SO zwischen Wetter- 
steinkalk und Muschelkalk offenbar werdende, auf Punkt 941 beim 
Scharnitzer Bleibergwerk laufende Störungslinie mit der Ferchensee- 
störung verknüpft werden zu dürfen.] 

Reis weicht auch mit seiner Linienführung von der durch die 
Grenze zwischen Muschelkalk und Wettersteinkalk nordwestlich des 
W. H. an der Brücke vorgezeichneten Störungslinienrichtung ab, was 


') Siehe oben, pag. 37. 


[43] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 43 


durch den Böschungswinkel nicht hinreichend motiviert wird. Ampferer 
deutet im Blatt Zirl—Nassereith (27) diejenige an, der ich den Vorzug 
geben möchte, eine ausgesprochen nordwestliche. 


Die S-Grenze der Hohen-Kranzbergscholle. 


Ich glaube, daß die Grenze am Nordabhang der Wetterstein- 
spitze dann nach W umbiegt und allgemein auf eine größere Strecke 
diese Richtung beibehält, ziehe also die ganze Wettersteinwand, 
Musterstein und Dreitorspitzen zum ÖOfelekopfmassiv und zur Arn- 
spitzengruppe. 

Hierfür sind folgende Erwägungen maßgebend. Die Kranzberg- 
scholle, die östliche Fortsetzung der Wettersteinmulde, erreicht nach 
W ihre breiteste Ausdehnung. „Unter den Wänden“ streicht steil- 
gestellt, aber normal (nur mit den schon erwähnten transversalen 
Blattverschiebungen) die Raibler Folge und der Wettersteinkalk heraus. 
Die tiefsten Depressionen finden sich im Gebiete der weichen Raibler 
(etwa in 1000 m Höhe). Der wenig gestörte, meist nordfallende Wetter- 
steinkalk, der ja härter ist, erreicht Höhen von 1200— 1589 m (Grün- 
kopf). Dann folgt das Leutaschtal (hauptsächlich hier ein Erosionstal) 
und schließlich stellt sich südlich des Würzberges der Muschelkalk 
unter dem Wettersteinkalk ein (kleines Würzberggewölbe). Alles in 
allem eine recht einfache Lagerung!), trotzdem dieses Gebiet mit 
südfallender Schubfläche vom Arnspitzmassiv überschoben ist. 

Diese Höhen vom Grünkopf bis zum Burgberg sind erheblich 
niedriger ?), sowohl als die ihnen im SW benachbarten des Wetter- 
steinwandzuges als auch als die im O im Karwendelgebirge. 

Nachdem wir dort mit einer großen UÜberschiebung rechnen und 
diese mit der Wildsteigkopfüberschiebung, wie im vorigen Kapitel 
nachgewiesen wurde, identisch ist, so liegt es nahe, die große Höhen- 
lage des Wettersteinwandzuges auf die gleichen Ursachen zurückzu- 
führen, indem man die Wildsteigkopfüberschiebung nördlich von ihm 
weiterlaufen läßt und den Wettersteinwandzug zur gleichen Schubmasse 
[Leutaschscholle] rechnet. 

Wie schon darauf hingewiesen ist, liegt uns in den Bergmassen 
der Wettersteinwand bis zum Ofelekopf trotz unverkennbarer nord- 
südlicher Dislokationslinien ein selten kompaktes Massiv vor. Wir 
haben aber noch mehr Gründe), es von der eigentlichen Wetter- 
stein[mulden]scholle abzutrennen. 


!) Vergl. das pag. 55 f. über lokale Sattelungen, die erst weiter westlich 
und nördlich sich finden, Gesagte, 

?) Sicherlich ist der Abtrag durch (Glazial-) Erosion am Grünstein und am 
Burgberg nicht gering zu veranschlagen. Er langt aber nicht hin zur Erklärung 
dieser eklatanten Höhendifferenz, zumal ein solcher ja auch am Wetterstein- und 
Karwendelzuge, wenn auch in etwas geringerem Maße, stattgefunden hat. 

®) Hier stellen sich an der Fleckalpe (in gestörter Lagerung?) Partnach- 
schichten ein, die abgesehen vom äußersten westlichen Norden, dem Nordabfall 
des Waxenstein, der Wettersteinscholle fremd sind, in der östlichen Haupt- 
wettersteinscholle aber gänzlich fehlen. Ihr Anstehen an der Fleckalpe 
darf vielleicht für die allogene Herkunft der Scholle als Symptom mitverwendet 
werden. Ich erinnere hier an die durch Stollen am Schachtkopf (Westabfall der 


6* 


44 K. C. von Loesch. [44] 

Es mag etwas Bestechendes haben, in den Wettersteinkalk- und 
Muschelkalkmassen dieses Massivs das natürliche Liegende der west- 
lichen Teile der Hohen Kranzberg-Scholle zu erblicken, wie wir es 
mit den entsprechenden Schichten des Grünkopfes und Würzberges für 
deren östlichen Teil getan haben. 

Dann bleibt aber einerseits die Frage nach der Fortsetzung 
der Arnspitzenmasse ungelöst, nachdem wir es für unmöglich gefunden 
haben, die Grenze nordöstlich des Öfelekopfes oder durchs Puitental 
zu legen und man müßte die Arnspitzenüberschiebung mit dem Leu- 
taschtal überhaupt endigen zu lassen, wozu die Verhältnisse keines- 
wegs auffordern. (Übergreifen des Muschelkalks beim „W.H. an der 
Mühle“ über das Tal der Leutascher Ache.) 


Anderseits ist die große Mächtigkeit des Wettersteinkalkes 
[der Dreitorspitz— Wettersteinwand-- Öfelekopfmasse] und die Ver- 
mehrung der Raibler Züge vom Gamsanger unter der oberen Wetter- 
spitz bis zum Aussichtspunkt am Königshaus dann völlig unerklärlich. 


Hier bedarf es eines weiteren Ausholens, einer Einschaltung 
morphologischer Betrachtungen. 


C. Der Verlauf der Gipfelzüge in den beiden Haupt- 
wettersteinschollen. 


Sicher ist, daß mit der — ich sage der Kürze wegen nur — Wetterstein- 
wandmasse ein fremdes Element [von O her] in (den Bau und) die Anordnung der 
Züge des Wettersteingebirges tritt. ; 

Vorgreifend bemerke ich hier, daß ich den Wettersteinkalkzug vom Zug- 
spitzgatterl bis zum Schüsselkar als Zwischenscholle gleichfalls von der Haupt- 
wettersteinscholle abtrenne und ihn in eine gewisse, später näher zu bezeichnende 
Verbindung mit der Leutaschscholle bringe. 

Morphologisch zeigt das Wettersteingebirge zumeist Längstäler, einige un- 
bedeutende Diagonaltäler und ein ausgesprochenes Quertal, das des Partnach- 
Südnordverlaufes von der Bockhütte bis zum Eintritt des Baches in die Loisach- 
niederung. 

Diese Längstäler!) entsprechen dem Gebirgsstreichen, und zwar entweder 
dem der gleichfalls meist O—W streichenden tektonischen Linien (zum Beispiel 
Ferchenbach—Düsselgraben) oder — seltener — sind sie direkt aus dem Faltenbau, 
respektive dem Schichtstreichen zu erklären. (Beispiele Bodenlähne und die De- 
pression am Ferchensee und Lautersee.) 

Im allgemeinen kann gesagt werden: die Hauptkamm- und die Haupttalzüge 
entsprechen dem ursprünglichen Muldenbau der Schollen vor der Schubphase, 
die die Unregelmäßigkeiten (außer jenen durch die verschiedene Härte der Gesteine, 
die jungen Störungen und die Ereignisse der Vergletscherungsperiode bedingten) 
im Gebirgsbau und der Talanlage erst geschaffen hat. 


Mieminger Berge) aufgeschlossenen Partnachschichten und ähnliche Vorkommen, 
ohne weitgehende Schlüsse ziehen zu wollen, für die hinreichende Argumente noch 
nicht beisammen sind. 


!) Das Entwässern, das heute manche Anormalitäten zeigt, wäre gesondert 
zu untersuchen, würde aber zu weit vom Thema abführen. 


[45] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 45 


Im Westen begrenzen ein südlicher Zug (Wettersteinwände—Gatterköpfe) und 
ein mittlerer Zug (Zugspitze—Höllentalspitzen) die primäre Plattmulde der west- 
lichen Hauptwettersteinscholle. Der nordöstliche Verlauf des Höllentalzuges, der 
durch das Partnachdurchbruchstal im O durchschnitten wird, zeigt dieses Bild 
weniger klar: hier mag neben anderen Ursachen!) die schuppende Heraufschiebung 
der östlichen Hauptwettersteinscholle über die westliche als Hauptgrund der Ano- 
malie angesehen werden. 


Diese Scholle, die deutlich?) von Osten heraufgeschoben ist — Reis hat die 
Schuppungszonen sehr deutlich dargestellt — unterscheidet sich zwar nicht uner- 
heblich im Bau von der westlichen, [indem ihr nach N zu die Muschelkalk- und 
Wettersteinkalktrias fehlt], ist aber doch als die ursprüngliche direkte östliche 
Fortsetzung der westlichen anzusehen: in der allgemeinen Längenerstreckung wird 
durch den Schub eine Verkürzung eingetreten sein, deren Folgen wir in dem sonst 
keineswegs erklärbaren Erscheinen eines zweiten nordsüdlichen Zuges 
erblicken müssen. Dieser läuft dem westlicheren [Wetterwandeck— Schneeferner- 
kopf und Zugspitz-Riffelwand] parallel und ist [ähnlich wie dieser] als ein — 
jedoch etwas maskierter — Stirnrand anzusehen. 


Sahen wir einerseits nun in der östlichen Scholle die natürliche Fortsetzung 
der westlichen, so muß anderseits konstatiert werden, daß der Zusammenschub 
nicht ganz rein [d. h. nicht in der primären O—W-Folge] die in nunmehr ostwest- 
licher Richtung aufeinander folgenden Teile — wenn auch mit Auftürmung des am 
meisten zerpreßten Mittelstückes — aneinander gebracht hat. Ein Blick auf die 
Karte von Reis (und anf meine Übersichtskarte) zeigt, daß die östliche Scholle 
nach N vorspringt. Aber auch schon in der westlichen Scholle ist [von W nach O] 
nördlich der Linie Wiener-Neustädterhütte — Zugspitz ein solches Zurückweichen 
und Vorbiegen nach N der östlicheren Teile zu beobachten. 

Wir erhalten den Eindruck, daß der ursprüngliche Verlauf der Urwetter- 
steinmulde (vor der Schubphase) wohl kein rein westöstlicher war. 


Ob die Gebiete nördlich und südlich des „mittleren Zuges“ der östlichen 
Scholle nicht wiederum in manchem als einander gegenüberstehende Einheiten von 
gewisser Selbständigkeit aufzufassen sind, kann erwogen werden; desgleichen die 
Frage, ob nicht die Urwettersteinscholle eine Anschwellung nach S (Plattmulde) 
besaß und sich nach O zu verjüngte. Immerhin scheint diese Annahme nicht un- 
bedingt nötig, da die Tatsachen des Zusammenschubes und der Abweichung vom 
reinen Westoststreichen nach N die heutigen Verhältnisse hinreichend erklären 
dürften. 


Ferner beobachten wir, wie im oberen Partnachtale (östlich der nach O ab- 
sinkenden Plattmulde) ein Querriegel, der jenem nördlich des „mittleren Zuges 
(von der Alpspitz über den Höllentorkopf zum Schwarzenkopf) entsprechen 
sollte, fehlt. 


Daraus schließen wir, daß die östliche Wettersteinscholle entweder nie nach 
S bis ins Partnachoberlauftal reichte oder daß sie dort nur noch so schwach ver- 


ı) Die Vorschuppe, die Aufwölbung des Höllentalangers und vielleicht noch 
andere mehr. 


2) Die Verhältnisse liegen dabei hier sehr kompliziert: die Störungen im 
Wettersteiukalk sind zahllos; zunächst sind sie leicht aufzufinden, aber dann un- 
endlich schwer mit Sicherheit zu verfolgen, so daß eine sichere Trennung der zu 
der westlichen und der östlichen Scholle zu stellenden Komplexe kaum je exakt 
durchführbar sein wird. 


46 K. C. von Loesch. [46] 


treten war, daß sie der Erosion keive wesentlichen Hindernisse entgegenzustellen 
vermochte. 

Am Aufbau des „mittleren Zuges“ mögen beide beteiligt sein, die westliche 
stärker im W und in den unteren Wettersteinlagen, die östliche im (äußeren) Osten 
und hauptsächlich in der Gipfelregion. Letzterer scheint mit dem Hohen Gaif- 
kopf das Tal zu gewinnen und möglicherweise sich mit dem Zunderkopf — das 
heutige Partnachtal übergreifend — am Aufbau von dessen Südwand noch zu 
beteiligen. Doch handelt es sich hier, ganz ausdrücklich bemerkt, erst um Wahr- 
scheinlichkeitsurteile. Weiter nach O hin wird die östliche Scholle durch die Part- 
nach mit ihrem Nordsüdlaufe quer durchschnitten. 

Die Mehrzahl der Täler dieser Region folgt nicht dem Muldenkern, der durch 
den verhältnismäßig harten, noch dazu etwas aufgewölbten Hauptdolomit gebildet 
wird, sondern den ihn unterteufenden Raiblern, wenigstens im N und östlichen S, 
während diese im SW eine sehr hohe Lage und eine Vermehrung der Züge er- 
fahren haben. 

Sehen wir noch von der Wettersteinsüdwand zwi- 
schen Gatterl und Schüsselkarspitz ab, so können wir 
nunmehr zum eigentlichen Thema zurückkehrend, fest- 
stellen,daß sichim Wettersteinwand-, Dreitorspitz- und 
Ofelekopfgebiet neue Gipfelzüge, sowohllongitudinale 
als auch ein transversaler einstellen. 

Allein hieraus schon sollte man auf die Möglichkeit schließen, 
daß sich hier eine neue tektonische Einheit einstellt. 

Mag man auch noch vorerst im Öfelekopfzug, der freilich stark 
aus der rein ostwestlichen Richtung des Zuges Gatterl— Scharnitzspitz 
abbiegt, seine Fortsetzung erblicken wollen, so ist es ganz aus- 
geschlossen, im Zuge Törlspitz — Musterstein— Wettersteinwand eine 
Fortsetzung des vorbesprochenen „mittleren“ Zuges (Zugspitz-—-Gaif- 
kopf) zu sehen und ersteren über den Grünkopf nach O verlängern zu 
wollen. Die wahre, freilich durch Erosion teilweise auf- 
velöste Fortsetzung dieses „mittleren® Zuges ist die 
GipfelreiheSteilenberg— Kämikopf—Zirbelkopf,denen 
sich nach W der niedere, aber geschlossene Zug Grün- 
kopf— Burgberg unmittelbar anschließt. Hier haben wir 
das natürliche südliche Ausstreichen der östlichen Wettersteinmulde 
vor uns. Die Gipfel werden hier (wie dies schon im „mittleren“ Zuge 
jenseits der Partnach vereinzelt der Fall war) bisweilen auch von 
Raibler Gesteinen gebildet. Zu dieser aufgelösten Gipfelreihe sind auch 
in gewissem Sinne die aus der Zuganordnung nach S vorgeschobenen 
Gipfel des Schachentorkopfes und des noch südlicheren Schachen- 
kopfes zu rechnen. 

Wir haben es mit einem großen mittleren Zuge, der sich von 
der Zugspitze über den Gaifkopf (das Partnachdurchbruchstal über- 
setzend) in die Reihe der aufgelösten Kette bis zum Burgberg an der 
Isar fortsetzt, zu tun, dessen Gipfel etwa vom Hohen Gaif an nach 
O von unter dem Hauptdolomit zu Tag streichenden Raibler- und 
Wettersteinschichten gebildet wird. 

Der diesem Zuge unmittelbar südlich vor- [und orographisch 
höher] gelagerte Zug der Wettersteinwand von der Törlspitze bis zur 
Wettersteinspitze verläuft im Gegensatz zu dem vorigen rein ostwest- 


[47] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 47 


streichenden in westsüdwest-ostnordöstlicher Richtung und gabelt sich 
mit ihm gerade dort, wo die Wildsteigkopfüberschiebung in nord- 
westlicher Richtung jenseits des Leutaschtales zu Berge steigt. Es 
ist auffallend und sichertektonisch begründet, daß der 
Wettersteinwandzug nicht in einer Geraden verläuft. 
Genau die gleichen Erscheinungen (Richtung und Un- 
gradheit) bemerken wir im Zuge Schüsselkarspitz (ex- 
klusive»—Öfelekopf und dem zwischen beiden lie- 
genden Tale. 

Ein weiterer nordsüdlicher Querzug, der der beiden Dreitor- 
spitzen, bildet ein Analogon zu dem oben besprochenen (Alpspitz- 
Schwarzenkopf) und ist wie dieser als Stirnrand zu deuten, der das 
Wettersteinwandmassiv nach W abschließt. Die Dreitorspitzen hängen 
nach O über den Söllerpaß mit dem Öfelekopf zusammen. Letzterer ist, wie 
pag. 50 ausgeführt, nicht vom Gehrenspitzmassiv zu trennen. Beide 
finden ihre Westgrenze an der gleichfalls unten besprochenen Schichten- 
umkehr. Nach S hin ist die Gehrenspitze vom Hauptdolomit der Gais- 
talmulde leicht zu unterscheiden. 

So sehen wir nach N und W das Wettersteinmassiv gut abge- 
schlossen. Gegen SO grenzt es mit dem Arnspitzenmassiv längs der 
Leutascher Ache. Da wir für dieses keinen nordwestlichen Abschluß 
finden konnten, das Leutaschtal aber nur ein Erosions- und Ver- 
werfungstal ist, so vereinigen wir Wettersteinwandzug, Ofelekopf, Gehren- 
spitzen- und Arnspitzenmassiv als eine neue Scholle und nennen sie 
die Leutaschscholle. 


D. Das Puitental. 


Auf den von Ampferer zu Unrecht bestrittenen hohen Er- 
kenntniswert der Puitalpaufschlüsse zuerst hingewiesen zu haben, ist 
ein Verdienst von Schlagintweit. 

In der Verallgemeinerung seiner Schlußfolgerungen wird ihm jedoch 
kaum jemand folgen wollen. 

Anderseits sind manche wichtige Einzelheiten !) von ihm nach- 
lässig oder unrichtig dargestellt worden. 


!) So besteht die von ihm (8, pag. 79) behauptete spiegelbildliche Lagerung 
der Trias zu beiden Seiten des Puitentales, wie allein schon ein Blick auf die 
Reissche Karte lehren sollte, keineswegs. 

Der Muschelkalksockel der Gehrenspitze (S) ist weit schmäler als der ent- 
sprechende im N und nur in der östlichen Hälfte vorhanden. Sein Verschwinden iu 
zirka 1600 m Höhe ist leicht zu beobachten. Überquert man gerade von dort aus 
die Puitalpe, um den rauhen Pfad zum Söllerpaß (2200 m) hinaufzusteigen, so bleibt 
man fast bis zur Paßhöhe (bis etwa 2100 m) im Muschelkalk. Eine so beschaffene 
Lagerung sollte man nicht als „genau die gleichen Verhältnisse“, als „genaue 
Spiegelbilder“ bezeichnen. 

Damit werden für die Gesamtauffassung wichtige Tatsachen, die später be- 
sprochen sind, unterdrückt. 

Dementsprechend sind auch die Formationen auf dem Lichtbild Nr. 14 durch 
Schlagintweit unzutreffend eingetragen. 

Der Muschelkalk reicht [auf dessen rechter Seite] noch mindestens über 
die Buchstaben e und = von Wettersteinkalk herauf. Der Söllerpaß oder doch 
dessen allernächste Umgebung sind von dem Photo noch getroffen. 


[48] 


K. C. von Loesch. 


[0 2) 
= 


Schematische 


um... Kammzüge 


NN IN Isolierte Gipfel 
Östliche 


8 Mieminger-(Gaistal-) und 


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9,00 ) 8,00% 


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Übersichtskarte der Leutaschscholle und ihrer Umgebung. 


Maßstab: 1:100 000. 


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Haupt-Wetterstein-Scholie 


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[49] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 49 


Erklärung zu vorstehender Karte, 


Das halbdiagonal stehende, schrägschraffierte Fastrechteck gibt etwas sche- 
matisiert die Lage der Leutaschscholle wieder; die der südlichen Haupt- 
scholle ist durch senkrechte Striche, die der Jura-Kreidemulde, die noch 
unter die Leutasch-Scholle einschießt und dort ein Erosionsfenster bildet, durch 
etwas unregelmäßig verteilte Kreischen signiert, die Vorbergscholle schwarz. 


- Die wagrechten, sehr schwachen aber engen Striche zeigen die Gegenden 
an, wo im Tal der Leutascher Ache und im Isartal (im äußersten Osten) das an- 
stehende Gebirge unter Schutt etc. versinkt. 

Weiß gelassen ist das Gebiet östlich der Isar (Karwendelgebirge), das der 
östlichen Haupt-Wettersteinscholle im Nordosten, das der Schmalen- 
Schollenregion, welche durch die punktierten Linien (= Längsverwerfungen) 
begrenzt werden, und die Zwischenscholle [ein fast rechtwinkliges Dreieck, 
das nach NNW durch die (längere, stark punktierte) Linie @ (= Zugspitz—Gatterl) 
bis F (= Frauenalp) als Hypotenuse, nach Osten durch den Dreithorspitzzug der 
Leutaschscholle und nach Süd durch die Nordgrenze der Jura-Kreidemulde als 
Katheten begrenzt wird]. Die kürzere, stark punktierte Linie zeigt die Nordgrenze 
der oberen Etagenschuppen der Zwischenscholle an. 

Die an den Längsverwerfungslinien (punktierten Linien) oft auftretenden 
Überschiebungen haben keine gesonderte Darstellung gefunden. 

Die Signaturen für de Kammzüge und die isolierten Gipfel sind auf 
der Figur selbst erklärt. 


Der Pfeil zeigt die ungefähre Hauptschubrichtung der Leutasch-Scholle an, 
die der allgemeinen Schubrichtung entsprechen dürfte. 

Der nördlichste eingetragene Gipfelzug [rö. des Partnach-WO-Laufes und 
des kurzen Leutascher Achen-WO-Laufes kurz vor deren Mündung in die Isar] ist 
der unterbrochene „mittlere Kammzug des Wettersteingebirges, den die drei nörd- 
lichen isolierten Gipfel des (von W nach O) Steilenbergs, Kämikopfs und Zirbel- 
kopfs repräsentieren. 

Die ostwestlich bewegte, aber wie der Verlauf ihrer Gipfelzüge schon an- 
zeigt, halbdiagonalachsige Leutaschscholle hat vom mittleren Wettersteinkamm, 
den sie unter einem spitzen Winkel traf, die obgenannten schmalen Längsschollen 
abgespalten und nach W bewegt. 

Die Südgrenze der normal unter dem Hauptdolomit der östlichen Haupt- 
wettersteinscholle herausstreichenden Raibler liegt fast stets nördlich des mittleren 
Kammzuges, der von Wettersteinkalk gebildet zu sein pflegt. 

M = Mittenwald. — $S = Seefeld. — a—a —= SO-Grenze der Leutasch- 
scholle (zwischen Unterahren und dem ehemaligen Scharnitzer Bleibergwerk). 


Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1 u. 2. Hft. (K. C. v. Loesch.) gi 


50 K. C. von Loesch. [50] 


Freilich, daß im Puitental eine deckenförmige Überlagerung des 
Neokoms durch die Trias vorliegt, hatte Reis schon vor ihm erkannt. 

Ampferer (4, pag. 554) sieht im Puitental nur eine beschränkte Über- 
lagerung. Schon 1905 rechnete er nur die Gehrenspitze zum Arnspitzenmassiv und 
stellte sie in einen tektonischen Gegensatz zum Öfelekopfmassiv, das erst mit der 
Wettersteinsüdwand (von W bis zur Scharnitzspitze), dem Dreitorspitzenzuge und 
dem Wettersteinwandzuge als den Südflügel seiner Wettersteinmulde?!) ansieht. 

Es ist meines Erachtens nicht erforderlich, die schon von Schlag- 
intweit (8) zusammengestellten Beweise für die Annahme der flachen, 
nach N wenigstens ziemlich weitreichenden Puitalpüberschiebung zu dis- 
kutieren, bis nicht Ampferer, der in seiner letzten Veröffentlichung noch 
die gegenteilige Ansicht vertritt oder ein anderer zwingende Gegengründe 
gebracht hat. 

Nur ein bisher unbetont gebliebenes, sehr starkes Argument sei hier heraus- 
gehoben: die auffallende und anderweitig nicht hinreichend erklärbare Tatsache, 
daß das Einfallen ihrer Triasschichten sich gleichzeitig an den Westenden 
sowohl der Gehrenspitzen als auch des Öfelekopfes (in Höhe von Punkt 1860 
unterhalb des Karlsjoches) ändert. Diese Änderung vollzieht also auf einer nord- 
südlich verlaufenden Linie und es spricht stark für die tektonische Einheit der 
Leutaschscholle, daß gerade auf dieser Linie sich der Anschluß des NS ver- 
laufenden Dreitorspitzquerzuges nach N vollzieht. 

Daß die steile Auffaltung der Jurakreidemulde nicht zufällig gerade an 
dieser Linie beginnt, ist weit unter als Erklärungsmoment verwertet. 


Das Puitalpfenster beweist unter anderem für die Triasdecke, 
daß im N wohl gewisse Störungen die Erhebung des 
Muschelkalkes am Söllerpaß verursacht haben, für die 
esim S (Gehrenspitzen) kein Gegenbeispiel gibt, für das 
überfahrene Gebiet, daB die ziemlich flach (vgl. 4, pag. 542) gelagerten 
Neokomschichten durch den Überschiebungsvorgang nur gepreßt und 
gequält 2), aber nicht gefaltet wurden. 

Nirgendwo in der ganzen Umgebung sind uns so wenig gefaltete 
Neokomschichten bekannt, selbst die Bichelbacher (Jura) Mulde scheint 
stärkere "Aufrichtungen zu zeigen. Diese Tatsache muß um so mehr 
überraschen und von einem um so höheren Erkenntniswert sein, als 
wir uns ja hier mitten in einem Gebiete gewaltiger Gebirgsaufrichtung 
befinden. 

Unter dem Öfelekopfmassiv sind noch kleine Partien von Aptychenkalken 
an der Sohle der Decke aufgeschlossen und zum Teil ins Neokom eingepreßt. Die 
Reissche Karte gibt sie nicht an. Wenn ich nicht irre, machte Schlagintweit 
mündlich mich auf sie aufmerksam. Der Augenschein überzeugte mich davon, daß 
hier nicht etwa die aufgebogenen Ränder der unter dem Neokom liegenden 
Malmes vorliegen, wie im W des Scharnitzjoches, sondern gequälte Schubfetzen wie 
am Scharnitzer Bleibergwerk, Brunnensteineck, an den Ochsenhütten etc. 


!) Bisweilen gebraucht Ampferer (4, pag. 550) den Ausdruck Wetterstein- 
kamm, der, weil mißverständlich, besser vermieden würde. 

Man unterscheidet den Wettersteinwandzug im O vom Hochwannerzuge im 
W [= Südabbruch oder Südkette des Wettersteingebirges], letzteren wiederum vom 
Öfelekopfzuge, seiner östliehen Fortsetzung über die Scharnitzspitze. 

?) Die Schichtenverknitterung ist unter dem Öfelekopfabbruch besonders 
stark; sie mag hier auf örtliche Sonderbewegungen zürückführbar sein. 


[51] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 51 


Wer, wie der Verfasser, im Puitental ein Erosionsfenster sieht, 
muß auch annehmen, daß der Erosion tektonisch vorgearbeitet war. 


Daß Längsverwerfungen (nur solche können in Betracht kommen) 
die Leutaschscholle zerlegen, ist schon in pag. 37 bemerkt, wo die- 
jenige nördlich des Arnspitzgipfels besprochen ist. 


Gerade weil sie auf die von Reis auch eingezeichnete, durch 
den Südbruch des Ofelekopfes gehende (heute) zuläuft, möchte ich 
beide in Berücksichtigung der jungen Leutaschtalverwerfung (pag. 42) 
nicht verbinden, sondern halte sie eher für identisch mit der Puit- 
alpverwerfung. 


Die Öfelekopfverwerfung mag etwas nördlicher durchs Arnspitzenmassiv setzen 
und heute vielleicht nicht erschlossen sein. „Es ist sehr wahrscheinlich, daß in den 
mächtigen Kalkmassen vielfach kleinere Störungen durchlaufen, doch vermögen sie 
nicht den einheitlichen Bauplan zu ändern.“ (Ampferer 4, pag, 455.) Es wäre 
aber auch möglich, daß die Öfelekopfstörung dem östlichen Leutaschtal eigentüm- 
lich wäre und zum Ausgleich von — während des Schubes über eine ungleich kon- 
figurierte Oberfläche entstandenen — Spannungen diente. 


Heute sehen wir im Puitalpfenster die nördliche Decke nach 
N, die südliche nach S fallen: es bietet sich uns das Bild eines in 
seinem First gebrochenen Sattels, in dem die Erosion natürlich leicht 
einsetzen konnte. 

Hierbei ist es ganz a ob der Sattel schon während der 
Schubphase in der Leutaschscholle ganz oder teilweise vorhanden war 
oder nicht. Es wäre nämlich möglich, daß die starke Hebung des 
Neokoms am Westende des Puitentalfensters eine Folgeerscheinung 
der starken Emporfaltung der Jurakreidemulde westlich des Karlsjoch 
war, eine Erscheinung, die unter dem Druck der Leutaschschollen-Trias 
rasch gegen O hin abgenommen haben müßte. 


[Immerhin ist sie leicht vorstellbar; denn die Decke war, wie 
wir unten sehen werden, schon vor der Hebung zerrissen. ] 

Die völlige Abtragung der Decke wird aber erst durch die Berück- 
sichtigung des ungleichen Schicksals verständlich, das wie wir sehen 
werden, “den Öfelekopf einer- und die Gehrenspitzen anderseits traf. 
Es führte mit Notwendigkeit schon vor der Hebung zu einer völligen 
Zerstörung ihres beiderseitigen Verbandes. 

Einmal ist es durch die von Schlagintweit übersehene Er- 
hebung des Muschelkalkes am Söllerpaß, der gerade 
ein Verschwinden an den Gehrenspitzen gegenüber- 
steht, charakterisiert. 

Diese Erhebung ist nur als Stauungserscheinung 
bei Ostschub zu deuten; die Gehrenspitzen sind nicht auf- 
gepreßt. 

Was sind die Gründe hierfür ? Sie liegen wohl in der verschiedenen 
Beschaffenheit des Vorlandes, auf das diese beiden Teile der Leutasch- 
scholle stießen. 

Die Gehrenspitze im S traf auf die Vorbergscholle, das Ofele- 
kopfmassiv im N auf Wettersteinkalkmassen, die zur Hauptwetterstein- 
masse gehören. 

7* 


52 K. C. von Loesch. [52] 


Während die Gehrenspitze keine Stauung erfuhr — die ihr vor- 
gelagerte Vorbergscholle !) zerbrach — mußte sich das Ofelekopf- 
massiv stauen: auf Widerstand der westlichen Hauptwetterscholle, der 
durch die dazwischenliegende Zwischenscholle vermittelt wurde. 

Vor ihrem Stirnrande haben sich sehr komplizierte, an ver- 
schiedenen Stellen dargestellte Vorgänge ?) in der Zwischenscholle ab- 
gespielt. 


E. Die Leutaschscholle. 


Einen ursprünglichen Zusammenhang von Gehrenspitzen und 
Öfelekopf mit dem Arnspitzenmassiv nahmen Reis und Schlag- 
intweit bereits an. Neu ist nur die Hinzuziehung des Wetterstein- 
wand-Dreitorspitzenzuges. 

Die Absonderung einer Leutaschscholle schließt die Annahme 
ein, daß ihr nördlicher Wettersteinkalk (des Wettersteinwandzuges) 
und der diesem benachbarte der östlichen Hauptwettersteinscholle un- 
gleichwertig sind, wogegen keine gegenteiligen Tatsachen bekannt sind. 

Damit erklärt sich die geringe Höhe des Grünkopfzuges im Ver- 
hältnis zum Wettersteinwandzug von selbst und zum erstenmal, während 
alle früheren Auffassungsvorschläge versagten. 


Die Grenzen und der Schichtbestand der Leutaschscholle. 


Da wir mit Ampferer und Reis (s. oben) ein Fortsetzen der 
Karwendelüberschiebung nach W durch die Leutaschscholle ange- 
nommen haben, so können wir in ihr nur einen westlichen Teil der 
vorderen Karwendelschubmasse erblicken. 

Die heutige Ostgrenze der Leutaschscholle gegen das Isartal 
wäre demnach als das Resultat der in diesem besonders kräftig 
wirkenden Erosion anzusehen. 

Bis zum Wettersteinwandzug ist ihre NO-Grenze schon oben ver- 
folgt worden. Die N-, genauer NNW-Grenze scheint am Nordabbruch 
dieses Zuges zu liegen, und zwar wird unter den vor ihm hinziehen- 
den zahlreichen, später noch eingehend zu besprechenden °) Störungs- 
linien wohl die südlichste, orographisch höchste den eigentlichen NNW- 
Rand der Scholle bezeichnen. (Die Raibler Schichten sind sämtlich 
zur vorgelagerten östlichen Hauptwettersteinscholle zu stellen.) 

Wie schon gesagt, ist ihre Westgrenze ein zunächst maskierter 
Stirnrand, der westlich vor dem Querzug der beiden Dreitorspitzen 
liegen mag, weiter nach S hin jedoch tadellos durch die Einfallens- 
umkehr an den Westenden des Öfelekopfzuges der (Scharnitzspitze) 
und der Gehrenspitze aufgeschlossen ist. 


!) Schon Ampferer und Reis haben das Zerbrechen der Vorbergscholle 
auf Ostdruck zurückgeführt. 

Ob die Querstellung der jungen Mulde vor dem Issentalköpflkomplex eine 
Folge des Östschubes der Gehrenspitzen oder des Südflügels ist, wird pag. 77 erwogen. 

2) Vgl. pag. 60 und pag. 75, 

3) Über diesen letzteren möge man den Abschnitt, in dem die Verhältnisse 
um den Schachen dargestellt sind, vergleichen (pag. 57 ff). 


[53] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 53 


Die Südgrenze der Leutaschscholle ist im Gegensatz zur West- 
und wohl nur teilweise zur Nordgrenze eine steile. Wir haben sie 
schon vom Scharnitzer Bleibergwerk bis Ahren an der Leutasch ver- 
folgt. Jenseits dieser Ache ist sie durch den freilich schlecht aufge- 
schlossenen Gegensatz von Wettersteinkalk und Hauptdolomit gekenn- 
zeichnet. 

Da sie weit nach W hin als Grenze zwischen der Vorbergscholle 
im N und der Gaistalmulde (Mieminger Scholle) im S bis zur Pest- 
kapelle fortsetzt (vgl. pag. 65), so kann geschlossen werden, daß die 
Mieminger Scholle noch westwärts bewegt wurde, als die Leutascher 
schon zum Stillstand gekommen war. Denn die Nordgrenze der Mie- 
minger Scholle ist die längste der ostwestlichen Verschiebungslinien 
und bis auf untergeordnete Querverwerfungen vollkommen intakt. 

Die Länge der Leutaschscholle beträgt zirka 10 km, die Breite 
zirka 5 km. Ihre Tiefe ist nicht sicher zu fixieren, sie war vielleicht 
vom Anfang an ungleich (vgl. die schräge Abscherungsfläche unten 
pag. 53). Die durchschnittliche Mächtigkeit des Muschelkalkes ist mit 
200—250 m wohl nicht zu hoch angesetzt, die des Wettersteinkalkes, 
zumal da hangende Raibler fehlen, nur zu schätzen (500—700 m). 
Danach hätte man mit einer (heutigen) Gesamtmächtigkeit von 700 
bis 950 m zu rechnen. 

Die Verteilung von Muschelkalk und Wettersteinkalk erscheint 
zunächst als unregelmäßig. 

Im Arnspitzenmassiv !) überwiegt der Wettersteinkalk bei weitem, 
nur im NÖ streicht unter dem Achterkopf noch Muschelkalk heraus. 
Im kleinen besteht hier noch die Schichtverteilung des Vorderen Kar- 
wendelzuges. 

Im W der Leutasch dagegen ist längs des Leutaschtales ein 
nach SW freilich schwächer werdender Muschelkalkstreifen überall 
aufgeschlossen, über dem der Wettersteinkalk folgt. 

Die Beziehungen zwischen dieser Verteilung des Muschelkalkes 
und den Erhebungen der beiden von ihr überfahrenen Schollen (siehe 
unten) sind augenfällig. 

Der [teils sehr gut aufgeschlossene] Sockel der Schubmasse läßt 
im Puitental erkennen, daß der unterlagernde Muschelkalk von N 
(NO) nach SW an Mächtigkeit verliert. 

Auf der Nordseite ist er überall aufgeschlossen, an der Südseite 
nur im W unterhalb 1600 m; daß er im O durch Schutt verdeckt 
sei, ist unwahrscheinlich. 

Diese Verteilung zeugt für eine ungleichmäßige Abscherung der 
Leutaschscholle von ihrer natürlichen Unterlage. 

Der Muschel- und der Wettersteinkalk fallen an der Südseite 
des Wettersteinwandzuges meist nach NW, doch sind Abweichungen 


') Uber den Bau des Arnspitzenmassivs vergleiche man Ampferers an- 
schauliche Schilderungen (4, pag. 452ff). Es sei auf eine kleine Inkongruenz hin- 
gewiesen. Ampferer betont lebhaft die konkordante Schichtfolge von Muschel- 
kalk und Wettersteinkalk zwischen Schartenkopf und Achterkopf (Arnspitzenkamm), 
zeichnet aber zwischen beiden an der allein kolorierten nordwestlichen Hangseite 
eine Dislokation ein (die bei Reis dort fehlt, aber auf der bei Ampferer nicht- 
kolorierten östlichen dafür sich findet). (27 und 2.) 


54 K. C. von Loesch. [54] 


wie das widersinnige Einfallen der unteren Lagen über Unterleutasch 
häufig. Gegenüber der Kirche ist in dem Muschelkalk sogar ein 
kleiner Fleck Wettersteinkalk eingemuldet. [Bezüglich der Partnach- 
schichten der Fleckalpe siehe oben.] | 

In der Gipfelregion des Wettersteinwandzuges überwiegt saigere 
Stellung, doch ist ein nördliches und südliches steiles Fallen nicht 
selten. Vielleicht sind auch hier lokale Mulden anzunehmen und als 
Folgen des stauenden Schubes zu erklären, womit zugleich ein Argu- 
ment für die übergroße Anhäufung des Wettersteinkalkes gefunden wäre. 


Der Untergrund der Leutaschscholle. 


Im SW ist sie flach auf die (Jura-) Kreidemulde des Puiten- 
tales geschoben, die im Zentrum der Leutaschscholle, am Puiten- und 
Bergltalausgang bei 1200 m, noch aus dem Schutt herauslugt. Trotz- 
dem an der östlichen Leutaschtalseite die Aufschlüsse um über 100 m 
tiefer reichen, tritt diese Basis nirgends mehr zutage, was mit Schlag- 
intweit als ein Zeichen für das energische Absinken der Schub- 
fläche nach OÖ aufgefaßt werden mag, zu dem noch ein Absinken der 
Arnspitzenseite und eine Querverschiebung nach N hinzutritt. 


Dagegen ist es fraglich, ob die Mulde am Westende sich’ schon 
zur Zeit der Leutaschschollenschubphase zu solchen Höhen, wie heute 
erhob. Diese extreme Erhebung scheint erst später im Zusammenhang 
mit der intensiven Auffaltung westlich des Karlsjoches erfolgt zu sein ?). 
Immerhin mag mit einem wenn auch minderen Ansteigen der Schub- 
fläche nach © schon während der Schubphase gerechnet werden. 

Im NO lagert die Leutaschscholle der östlichen Hauptwetter- 
steinscholle auf, und zwar — an der Wildsteigkopfüberschiebung lokal 
wenigstens — ziemlich flach. Diese Basis sinkt von O, wo sie unter 
der Vorderen Karwendelüberschiebung erhebliche Meereshöhen noch 
einnimmt, gegen W immer mehr ab. 

Doch ist es schwer, auf ihre Konfiguration vor der Schubphase 
der Leutaschscholle — und es wäre nötig, diese festzustellen, um 
damit die Anomalien der Leutaschscholle zu beleuchten — aus ihrer 
heutigen Gestalt zu schließen, da diese sicherlich in höchstem Maße 
durch den Schub der Vorderen Karwendel- und der Leutaschschollen- 
überschiebung beeinflußt wurde. 


Eher gelangen wir zum Ziele, wenn wir berücksichtigen, daß die 
südlichen Randteile der östlichen Wettersteinscholle ursprünglich ebenso 
aufgebogen waren, wie es die relativ weniger gestörten Teile dieser 
und der westlichen (Plattmulde) noch heute sind (vgl. pag. 59 u. 61) und 
daß der „mittlere“ Zug allmählich nach O niedriger wurde. Wie waren 
die primären Grenzen zwischen der östlichen Wettersteinmulde und 
der Scholle junger Schichten beschaffen ? Das ist nicht mehr mit Sicher- 
heit anzugeben, da das Zentrum der Leutaschscholle sich ja gerade 
hierüber geschoben hat; wahrscheinlich lag hier eine Depression, in 
welche, falls ein größerer Zwischenraum zwischen den einzelnen Schub- 


1) Vgl. pag. 5l und pag. 70 ff. 


[55] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 55 


phasen lag, eine Urpartnach, wie an anderer Stelle erwähnt, hatte ent- 
wässern müssen. 

Auch wenn die heutige Erhebung des Neokoms am Westende des 
Puitentales größtenteils erst während und nach Leutaschschollenbewegung 
bewirkt wurde, so bestand wahrscheinlich doch bereits eine Art Hohl- 
form, über die die Leutaschscholle hinweg mußte: eine Wanne, deren 
Achse in der Tiefe etwa O—W oder SO—NW strich. 

Daß eine über einen so konfigurierten Untergrund geschobene 
Scholle zerbrechen mußte und der Erosion geringen Widerstand leisten 
konnte (Puitentalhalbfenster und Leutaschtal) ist sicher. 

Den Brüchen bei der Anpassung an die Unterlage sind wohl die 
zahlreichen, etwa NS verlaufenden Verwerfungen des Wettersteinwand- 
zuges zuzurechnen; ob dagegen die oben erwähnten Anomalien, z. B. 
der Feldalp mit Resten der Tektonik der Leutaschscholle vor dem 
Schube in Verbindung zu bringen sind, kann unentschieden bleiben. 


Aus welcher Richtung kam die Leutaschscholle ? 


Da wir in ihr einen westlichen Teil der Vorderen Karwendel- 
überschiebung sehen, so könnte ebensogut nach deren Schubrichtung 
gefragt werden. 

Ampferer und Rothpletz beantworten sie verschieden; 
ersterer läßt sie gemäß ihrem Schubflächenwinkel aus S kommen, 
letzterer weist (15, pag. 200) nach, daß sie — theoretisch genau so 
leicht — von O gekommen sein kann. Aus der Vorderen Karwendel- 
schubmasse sind keine Schubstreifen bekannt geworden; an der Basis 
der Leutaschscholle fand !) ich im Puitental, wo sie unter dem Muschel- 
kalke des Ofelekopfes oft so prächtig aufgeschlossen ist, jene 


liegenden ostwestlichen Schubstreifen, 


die ein Beweismittel sind. 


Die Neigungswinkel der Schubflächen können ja — wie oft und von 
vielen Seiten betont wurde — über die Schubrichtung keine Aufklärung 
geben, in unserem Falle natürlich um so weniger, als ja die Neigungs- 
winkel der Leutaschscholle im NO und in SW fast aufeinander senk- 
recht stehen. 

Gerade dort, wo die Schubfläche der Leutaschscholle nach S 
(genauer SSW) fällt, im Gebiete der Hohen Kranzbergscholle, war das 
Vorland schon vor dem Schube in Falten gelegt, die senkrecht dazu 
strichen. (Longitudinale Faltung der Hauptwettersteinscholle.) 

Darum kann, wenn man auch die Steilerstellung des Südflügels 
der Wettersteinscholle als Folge des Schubes der Leutaschscholle an- 


!) Die Teilnehmer der auf pag. 38, Anm. 1 schon erwähnten Schlußexkursion 
hatten Gelegenheit, sich von den Schubstreifen zu überzeugen. Sie finden sich in der 
äußersten Tiefe der Höhlungen (Guffeln) unter der überhängenden Triaswand, deren 
Neokom-usw.-Unterlage weggewittert ist. Man besucht sie auf einem von dem wald- 
losen Almboden der Puitalp bei zirka 1610 m zunächst nach der großen Schuttreiße 
nord- und abwärtsführenden Pfade. Steigt man diese herauf, so gelangt man rasch 
zu diesem weithin sichtbaren Aufschlusse, zu dem Herr Dr. Schlagintweit die 
Exkursion führte. Im Sommer 1913 waren sie in den westlichsten Guffeln gerade 
am deutlichsten. 


56 K. C. von Loesch. [56] 


sehen will, daraus kein Argument gerade für den Südschub gewonnen 
werden. Denn jeder — gleichviel wie gerichtete — Schub (außer den 
nicht in Betracht kommenden Schüben von NW, N und NÖ) muß in 
einem aus so starren Massen (wie Wettersteinkalk) bestehenden Kom- 
plex bis zu einem gewissen Grade gleichsinnig mit der schon herr- 
schenden Faltung ‚gewirkt haben. 

Gegen einen Südschub, für einen Schub von Osten zeugt, daß 
gegen W, gegen das Schachengebiet?!) hin, Zerreißungen 
und Verschiebungen der abgerissenen Teile die (sekun- 
dären) Falten immer mehr ablösen. 

Für einen Ostschub ?) sprechen ferner folgende Gründe: 

Die im Puitalphalbfenster aufgeschlossenen jungen Schichten sind 
trotz ostwestlichen Streichens, trotzdem sie [durch Überfahrung] in 
höchstem Maße tektonisch beansprucht sind, nur schwach gefaltet: 
sobald sie aber — jenseits des Karlsjochs — aus der Leutaschschollen- 
decke heraustreten, sind höchstmöglich gefaltet. 

Wäre die Leutaschscholle von S geschoben, so hätte sie diese 
widerstandsunfähigen Neokomschichten sehr stark falten müssen, so 


stark wie diese im W gefaltet sind — und weit leichter als die 
Raibler-, vor allem aber als die Wettersteinkalkschichten des mittleren 
Zuges. 


Nur beiAnnahme eines mit dem ursprünglichen OW- 
Streichender Neokommulde gleichgerichtetenSchubes 
derLeutaschscholle istdie geringe AuffaltungdesNeo- 
koms verständlich. 

Auch Reis und Ampferer erklären die Störungen der 
Vorbergszone durch Druck von OÖ, der nur durch die Leutasch- 
scholle ausgeübt sein kann. (Vgl. pag. 51.) 

Das gleiche gilt für die durch Längsdruck flach wurzellos ab- 
gespaltene Zwischenscholle von der Scharnitzspitze bis zum (Zug- 
spitz-) Gatterl. (Vgl. pag. 60 ff.) 

Der Dreitorspitzenzug bildet"einen deutlichen 
Stirnrand, der der Urpartnach vielleicht ihren natürlichen Abfluß 


nach O verlegte und sie zur Entwässerung nach N — zur Anlage 
eines Durchbruchtales, das tektonisch vorbereitet gewesen sein mag 
— zwang. 


Während, wie wir oben sahen, die südliche Grenze der 
Leutaschscholle eine steilstehende Bewegungslinie ist, an der die 
Mieminger Scholle auch noch nach der Verankerung der ersteren weiter 
westwärts glitt, während im Puitental und am Wildsteigkopf die Über- 
schiebung eine mäßig geneigte ist, so wird sowohl am Stirnrande im 
W, als auch im eigentlichen NNW das tektonische Bild dadurch un- 
klar, daß Wettersteinkalk auf Wettersteinkalk?) zu liegen kam. 


!) Näheres siehe pag. 59 ft. 

2) Vielleicht war es kein reiner Ostschub, sondern ein Schub von OSO. 

») Wo iınmer im Gebiete des Wettersteinkalkes zwei Schollen dieses Gesteins 
aufeinander liegen, werden wir — zumal er häufig nur undeutlich, oft gar nicht 
gebankt ist — solange Wahrscheinlichkeitsurteile gelten lassen müssen, als es nicht 
gelingt, diese Massen von oft 800 und mehr Metern Mächtigkeit zu gliedern, was 
noch vorderhand ausgeschlossen erscheint. 


[57] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 57 


Am Nordrand haben wir vielleicht gleichfalls mit einer flachen 
Überschiebung zu rechnen, vielleicht aber auch mit einer steilen 
Stellung, die veranlaßt wäre durch den Widerstand des nach W gleich- 
mäßig an Höhe gewinnenden „mittleren Zuges“. 

[„Theoretisch verlangt meine Auffassung des Vorganges“, so 
sagt Rothpletz in 15, pag. 201 von der Vorderen Karwendelüber- 
schiebung, „daß im allgemeinen die Schubfläche sich sowohl nach der 
Tiefe immer steiler stelle, als auch da, wo eben der nachbarliche 
Widerstand ein größerer war“.] 


Die Halbdiagonalstellung der Leutaschscholle. 


Während Diagonalstellungen im kleinen (nach Reis) nicht selten 
sind, so weichen die Hauptschollen doch nur wenig von der OW- 
Richtung ab. Die Halbdiagonalstellung der Leutaschscholle, der NNW- 
Verlauf des sie beherrschenden Wettersteinwandzuges bedarf daher 
einer Erklärung. 

Offensichtlich steht sie mit dem Bäaue der nordöstlich vorge- 
lagerten Zone der Raibler Längsschöllchen in engem Zusammenhange. 
Beide sind bei Annahme eines Ostschubes am leichtesten verständlich. 

Die Leutaschscholle kam von O [vielleicht von OSO], wie es 
Rothpletz für die vordere Karwendelüberschiebung annimmt, fand 
zunächst keine Hindernisse vor, die nicht leicht zu überfahren ge- 
wesen wären (Würzberggewölbe) oder richtete das sich entgegen- 
setzende Ostende des „mittleren“ Zuges auf. An dessen nach W 
hin ansteigender Kette fand sie härteren Widerstand, spaltete vom 
Vorland die nachher in ein Dreieck!) zusammengeschobenen Raibler 
Längsschollen nacheinander ab, mußte sich dann aber verbiegen (un- 
gerader Kammverlauf) und die ursprüngliche Richtung aufgeben. 

Die Veränderungen, die der Schub der Leutaschscholle im W, 
in den vor seinem Stirnrande gelegenen Gebieten hervorrief, sind 
auf pag. 60 und 68 ff. besprochen. 


F. Das Schachengebiet. 


Leider bespricht Reis die in den vorigen Kapiteln behandelten 
Gebiete so knapp, daß seine Stellung zu einzelnen Problemen un- 
sicher bleibt, 

Dagegen widmet er dem Schachengebiete etwas eingehendere 
Ausführungen, denen wir — abgesehen von den aus der abweichenden 
Scholleneinteilung sich ergebenden Konsequenzen — im ganzen zu- 
stimmen (1, pag. 90 und 97, 98). 

Er schildert, wie am Jägersteig und an der Südwestecke des 
Schachenplateaus ie eine flach südeinfallende Überschiebung von 
Wettersteinkalk über Hauptdolomit und Raibler Schichten auftritt; 
beide lassen sich nach O (die letztere weit bis zum Zirbelkopf) ver- 
folgen ; nordfallende Überschiebungslinien kleineren Ausmaßes sollen 
auch nicht selten sein. 


!) Vgl. das Kärtchen auf pag. 48, 
Jahrbuch d, k. k. geol, Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u, 2. Hft, (K. ©. v. Loesch,) 8 


58 K. C. von Loesch. 58] 


Außer diesen flachfallenden Überschiebungen ist am Teufels- 
gesaß „eine steile, die Überschiebungen scheinbar begleitende, vertikale 
Schubfläche bloßgelegt, welche liegende Schubstreifen hat. Die Fläche 
streicht NO bis SW (also etwa parallel dem Wettersteinwandzuge, 
d. Verf... Hieraus ist auch einerseits das ausgeprägte Bild verti- 
kal übereinander geordneter Schuppen, anderseits durch einander ent- 
gegengesetzte Bewegungen auch das Auftreten so schmaler Einbrüche 
wie am Schachensee verständlicher“. 

Ganz ähnliches soll auch für den südlichsten Raiblerzug Fauen- 
alp—Hirschbühl, „was die Anzeichen kleiner Schubwirkungen betrifft“, 
gelten. 


Es ist am einfachsten, mit derBesprechung desSchachen- 
gebietes im O zu beginnen, wo am Lauter- und Ferchensee Raibler 
Schichten !’) und Wettersteinkalk unter dem Hohen Kranzbergdolomit 
der östlichen Hauptwettersteinscholle konkordant zutage streichen. 

Der Nordrand der Leutaschscholle ist hier noch über 15 km 
entfernt. Wir befinden uns hier im Gebiete der schon oben besprochenen 
Blattverschiebungen. 

Diesen Raibler Zug können wir — westlich von der letzten und be- 
deutendsten Blattverschiebung — nach einigen Unterbrechungen durch 
Gehängeschutt über den „Schützensteig“ zur Quelle [w. s. w. der Wind- 
fallhütte] verfolgen und finden ihn am flachen Bergrücken westlich des 
Kämitales, an der Schwarzen Leine und über dem Keilschrofen 
wieder. Weiterhin fehlt er am Jägersteig, wo dafür (vgl. pag. 57) 
Wettersteinkalk flach von S sofort den Hauptdolomit überschiebt: eine 
Uberschiebung, die sich nach O zu am Steilenberg und der Schwarzen 
Leine [wo sich die Raibler, wie gesagt, normal wieder einstellen] 
deutlich, aber mit steilerem Einfallen fortsetzt (Reis, l. c., 
pag. 90). 

Der orographisch über, tektonisch unter dem ersten Raibler 
Zuge liegende Wettersteinkalk scheint am Kämikopf und Zirbelkopf 
mit ihm in normalem Verbande zu stehen; freilich ist ihr Kontakt 
nicht aufgeschlossen. 

Außer diesem ersten bemerkt man einen zweiten, süd- 
licheren, der vom Gamsanger unter der Oberwettersteinspitze über 
den Zirbelkopf (SW-Seite) und die Kämialpe hinzieht und meist aus 
Raibler Sandsteinen besteht, ferner noch weiter gegen S einen 
dritten vom Kämitor bis zum Schachentor und schließlich einen 
vierten in höchster und südlichster Lage an der Frauenalpe unter 
dem Nordabbruche des Musterstein-Dreitorspitzgrates. 

Diese nur teilweise durch eingeschalteten Wettersteinkalk ge- 
trennten Züge setzen sich nicht über das Partnachtal nach W fort; 
dort fehlt es an einigermaßen ähnlichen Parallelerscheinungen. 

Die im folgenden vorgeschlagene Deutung dieser Erscheinungen rechnet 
damit, daß alle Raibler Schichten hier der östlichen Hauptwettersteinscholle an- 


gehören (vgl. pag. 43), da Raibler Schichten, wenn wir von den weit abliegenden 
Mieminger und Vorbergschollen absehen, allein in ihr aufgefunden wurden. 


!) Vgl. pag. 42. 


[59] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 59 


Die steilen, mit liegenden Schubstreifen versehenen Schubflächen 
sind von ungleich größerem Erkenntniswerte für die Eutstehung des 
Gebirges als die flach [nördlich oder südlich] fallenden, die einen 
lokalen Sonderfall!), bedingt durch den Vorstoß der Leutaschscholle 
und die größere Höhenlage des südlichen Wettersteinwandgebietes etec., 
bilden. 

Die Richtung dieser langen und schmalen Parallelzüge?) — im 
OÖ sind es zwei, im W drei bis vier —, die meist durch steile Schub- 
flächen begrenzt werden, ist weiterhin für die Auffassung wichtig). 

Für die nördlicheren ist noch die Richtung der Hohen Kranz- 
bergscholle maßgebend, im südlichsten herrscht schon die des Wetter- 
steinwandzuges und damit der Leutaschscholle: die mittleren sind allzu 
stark gestört. 

Innerhalb dieser Parallelschöllchen. bemerkt man öfters größere 
und kleinere, offenere und engere Muldchen, die um so ausgesprochener 
werden, je näher sie dem Wettersteinwandzuge liegen (Frauenalpe, 
Gamsanger). 

Daraus wird wahrscheinlich, daß die Leutaschscholle am Nord- 
fuß des Wettersteinwandzuges noch südlich des südlichsten Raibler 
Schollchens endet, daß die Südgrenze des ungestörten Verbandes der 
östlichen Hauptwettersteinscholle erst südlich des nördlichsten Raibler- 
und Wettersteinkalkzuges beginnt. 

Sicher ist, daß die Störungen und die Zahl der Züge von OÖ 
nach W zunehmen: denn deren Vermehrung beginnt gerade dort, 
wo die Leutaschscholle mit der Wettersteinspitze in die unmittelbare 
Nähe der Raibler Zone tritt: wo die Kammzüge (vgl. pag. 46) sich 
gabeln: wo die sonst aller Orten herrschende OW-Richtung teilweise 
verlassen wird. Diese Erscheinungen verschwinden in der Höhe des 
Partnachtales, denn dort erreicht auch mit dem quergestellten Stirn- 
rand der beiden Dreitorspitzen die Leutaschscholle ihr Westende. 

Unbeschadet der später folgenden Erwägungen kann ferner hier 
gefolgert werden, daß die Anordnung der mehrfachen Raibler- und 
Wettersteinkalkzüge in schmale longitudinal streichende Schollen, deren 
Randklüfte liegende Schubstreifen zeigen, auf eine gleichfalls longitu- 
dinale Bewegungsrichtung hinweist. 


Da die Verhältnisse im O (am Ferchensee) und im W (jenseits der Partnach) 
in der östlichen Wettersteinscholle heute noch einfacher sind als im Schachen- 
gebiet, so ist es wohl zulässig, aus dem Mittel zwischen beiden das ungefähre Bild 
zu rekonstruieren (vgl. pag. 44), daß vor Eintritt der Störungen der jüngeren Schub- 
phase (vor dem Heranrücken der Leutaschscholle) bestanden haben mag. 

Im Westen zeigt die Reissche Karte im Gebiete der Bodenlähnemulde 
zwischen Stuibenwald—Stuibenspitz und Partnachsüdnordlauf weite Flächen von 
Raibler Schichten. (Die flächenhafte Verbreitung ist hier eine so große, weil die 
Neigung des Geländes mit der der Schichtung ziemlich zusammenfällt. Die Schichten 
dieser S-Flanke der Bodenlähnemulde stehen keineswegs steil.) 


!) Nach Reis. 

?) Parallel ist nicht allzu eng zu fassen, sie ist nur fast parallel. . 

°) Darum habe ich im Profil 3 und 4 der Profiltafel die unwichtigen Über- 
schiebungen fortgelassen. 


8* 


60 K. C. von Loesch. [60] 


Im Osten ist der Muldenkern des Kranzbergs schwach gefaltet, nur der 
Muldenrand steil aufgerichtet (saigere Raibler!) ete.).. Diese Aufrichtung ist aber 
möglicherweise eine Folge der Wildsteigkopfüberschiebung, der Stauung vor der 
nur noch 1'5 km entfernten Leutaschscholle. (Näheres pag. 55/56.) 

Für die geringe Intensität der Faltung(en) vor der Schubphase spricht das 
große Areal des Hauptdolomits im N mit seinen lokalen Sattelungen. Ähnliche 
zeigt der Wettersteinkalk nicht nur am Würzberggewölbe, sondern auch zwischen 
Wasserfall und Gamsanger, nahe der Leutaschscholle. 

Hieraus folgt, daß im westlichen (Schachen) Gebiete ursprünglich, wenn 
wir aus den Lagerungsverhältnissen östlich und westlich der Hauptstörungszone ein 
Bild der vormaligen Verhältnisse machen, wohl eine durch die Gleichsinnigkeit von 
Böschungs- und Fallwinkel begünstigte weite fächenhafte Ausdehnung der Raibler 
Schichten vorhanden war; sie mag nur wenig der heutigen — westlich der Partnach 
— nachgestanden haben. Damit ist eine Erklärung für die heute bei weitgehender 
Zerstückelung noch so große Verbreitung von Raibler Schichten im Schachen- 
gebiet gefunden. 

Im östlichen Gebiete ist wohl ursprünglich durchweg eine so schwache Faltung 
verbreitet gewesen, wie sie heute noch die unberührteren Kernteile und die Raibler 
im N zeigen. Daß die für dieses Gebiet so charakteristischen Lokalmulden erst durch 
die Stauungen beim Zusammenstoß von Leutaschscholle und östlicher Hauptwetter- 
steinscholle entstanden, wird dadurch wahrscheinlich, daß sie gerade längs der ersteren 
angeordnet sind. 


G. Die Zwischenscholle. 


So bezeichne ich ein rechteckig begrenztes, morphologisch ein- 
heitliches Gebiet, dessen westlichster spitzester Winkel am Zugspitz- 
gatterl liegt. Von hier reicht die längere Kathete entlang dem S-Ab- 
bruch des Hochwannerzuges bis zur Schüsselkarspitz und bildet mit 
dem Stirnrand der Leutaschscholle (Dreitorspitzzug) [= die kürzere 
Kathete] einen nach NW geöffneten annähernd rechten Winkel. Etwa 
in der Höhe des unteren Karbodens des Oberrheintals (15 bis 1600 m) 
zieht sich die Hypotenuse zum Zugspitzgatterl. 

Das Westende der eigentlichen Leutaschscholle und den Beginn 
der Zwischenscholle bezeichnet die Umkehr im Einfallen der Trias 
an der Schüsselkarspitze. Hier hört das vom Söllerpaß an herrschende 
flache Nordfallen der Ofelekopftrias auf und der Muschelkalksockel 
verschwindet. Es wird durch ein sehr steiles Einfallen ?2) abgelöst, mit 
dem gleichörtlich das beispiellose Auftreten von Muschelkalk in den 
nach N geöffneten Karen (Oberreintal- und Schüsselkar) des Hoch- 
wannerzuges einsetzt. 

In dieser Steilheit des Einfallens erkennen wir ein Charakte- 
ristikum der hohen Lagen der Zwischenscholle: es erhält sich durch 


!) Die Raibler Schichten im Profil1 der Profiltafel sind versehentlich nicht 
steil genug gezeichnet worden. 

?) „Während ... am Ofelekopf und an der Leutascher Dreitorspitze flach nord- 
fallende Muschelkalk- und Wettersteinkalkschichten die hohe Begrenzungswand der 
jungen Schichten aufbauen, zeigt diese vom Scharnitzjoch an bis gegen den West- 
abbruch des Wettersteingebirges sehr steile, oft saigere Schichtstellungen. Dieser 
Übergang zu steilerer Aufrichtung fällt zusammen mit dem Wechsel der Fallrichtung 
im westlichen Abschnitt der Gehrenspitzen.“ (Ampferer, 4, pag. 543.) 


[61] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 61 


den ganzen Hochwannerzug und endet mit diesem am Zugspitzgatterl], 
wo diese auf die nur mäßig geneigten Schichten der Plattmulde der 
westlichen Hauptwettersteinscholle stößt. Der Gegensatz zwischen den in- 
takten, wenig stark (NO) geneigten Wettersteinkalkschichten der Platt- 
mulde und den steilgestellten, stark zertrümmerten der Zwischen- 
scholle ist am „Gatterl“ gut zu beobachten; dort liegen zahlreiche 
Muschelkalkblöcke, die für einen westlichen Stirnrand in Auspruch 
genommen werden können. 

Gegen S grenzt sie über 7'5 km gegen die Juraneokommulde. 
Von der WNW-Grenze [und der Liegendbegrenzung] wird unten 
Näheres gegeben werden. 

Diese Scholle ist aus mehreren inhomogenen Stücken zusammen- 
gesetzt, deren Gemeinsames es ist, daß sie in der Schubphase von 
anderen Schollen abgespalten wurden, nunmehr wurzellos sind und 
von der Leutaschscholle vor sich hergeschoben in ihre heutige Lage 
gebracht wurden. Die Zerstückelung in ihrem Areal ist die größte, 
die im Wettersteingebiet beobachtet wurde und übertrifft wohl noch 
die des im vorigen Kapitel geschilderten Schöllchendreiecks am Schachen, 
mit dem sie viele Züge und manche Schicksale gemein hat. 

Für ihre Entstehung ist vor allem der Ostschub der Leutasch- 
scholle, speziell der des Öfelekopfmassivs!) wichtig. 

Doch ist die Bewegung, die zur Emporfaltung der ihr südlich 
unmittelbar benachbarten Jurakreidemulde führte, in ihr noch gleich- 
falls wirksam gewesen. 

Der schon auf pag. 5dff. besprochene Ostschub der Leutasch- 
scholle äußert sich in der Zwischenscholle in zahlreichen Verwerfungs- 
klüften ?) mit Rutschstreifen von O nach W. 

Diese Verwerfungsklüfte ziehen vielfach in die Trias [in spitzem 
Winkel zum Streichen des Gipfelzuges] hinein?) und stehen wohl 
in engstem Zusammenhange mit der durchgehends zu beobachtenden 
höchst auffälligen Tatsache *), daß das Schichtfallen sich mit dem 
Gipfelzugstreichen in spitzem Winkel schneidet. 

Schon innerhalb des Ofelekopfmassivs sind (nach Scehlagint- 
weit) solche Klüfte mit Rutschstreifen zu bemerken. Dieser sagt: 
„Ihre Häufigkeit in dieser Gegend wird verständlich, wenn man sie 
als Zerrungs-, besser Pressungserscheinungen auffaßt, Folgen der Ver- 
biegung der Schubmasse .. 

Sie können nur durch Östdruck, durch Ostschub hervorgerufen 
sein und finden durch die von Schlagintweit übersehene 5) Empor- 
pressung des Muschelkalkes am Söllerpaß ihre Bestätigung. 


!) Vgl. pag. 51f. 

®) Von denen Ampferer eine der größten, die schön aufgeschlossen ist, 
in 7, pag. 206, Fig. 2 darstellt. „Jedenfalls“, sagt er dazu, „illustrieren diese Ver- 
hältnisse in ausgezeichneter Weise die Mitwirkung von starken ostwestlichen Ver- 
schiebungen, für die in der Arbeit von O. Reis so viele wertvolle andere Beweise 
gegeben wurden.“ (7, pag. 211.) 

3) Schlagintweit 9, pag. 324 

*) Auf die Reis aufmerksam macht. 

5) Vgl. pag. 47, Anmerkung 1, und pag. 51. 

Schlagintweit erwäbnt diese Rutschstreifen des Öfelekopfes, um zu be- 
weisen, wie wenig Rutschflächen zu bedeuten haben! Das ist verkehrt; sie sind 


62 K. C. von Loesch. [62] 


In der Zwischenscholle herrscht Wettersteinkalk vor. Muschel- 
kalk und Raibler finden sich nur in sehr kleinen Partien, doch ist 
ihr Vorkommen für die Gliederung der Scholle ausschlaggebend. 

Ihre Unhomogenität ist zweifach: nach der Vertikalen und nach 
der Horizontalen. 

Von O nach W stehen (in der oberen „Etage“, siehe unten) 
zwei fremdartige Bestandteile sehr verschiedener Größe einander 
gegenüber: ein östlicher, dessen Südabbruch ausschließlich von Wetter- 
steinkalk gebildet wird und in welchem Muschelkalk nur in den nörd- 
lichen Karen austritt, und ein westlicher bis zum Gatterl, in dem am 
Südabbruche stets Muschelkalk den Wettersteinkalk unterteuft. 


Eine tektonische Linie zwischen beiden schneidet den Kamm 
schräg von SO nach NW, sie zieht von dem östlichsten Muschelkalk- 
vorkommen an der Südseite im westlichen Teil zum westlichen des 
östlichen Teiles an der Nordseite des Hochwannerzuges. Beide 
Muschelkalkvorkommen verlaufen hier über eine Strecke von etwa 
700 m einander parallel. 

Daß von oben nach unten (topographisch) verschiedene Bau- 
glieder unterschieden werden müssen, lehrt schon der Blick auf die 
südliche Partnach (-Oberlauf) -Talwand [vom Stuiben und vom Aus- 
sichtspavillon am Königshaus des Schachen]. Man vergleiche die hier 
aufgenommene höchst instruktive Photographie (beiReis, 1, pag. 91). 


Ohne weiteres sind trennbar (von oben nach unten): 


1. Die schief zum Grat gestellten (schon oben erwähnten), meist 
steil NW fallenden Schichtkomplexe des Gipfelzuges; 


2. darunter — an den nach N vorspringenden Quergraten schön 
aufgeschlossen — Komplexe mit vorwiegend saigerer Stel- 
lung, die gegen N zum Teil mit deutlicher Muldenbildung 


3. einen tieferen — in Höhe der unteren Karböden liegenden — 
Komplex von nahezu horizontaler Lagerung überschieben. 


Nur 1 und 2 sind zur Zwischenscholle gerechnet worden, 3 da- 
gegen zur östlichen Hauptwettersteinscholle. 


Darauf einzugehen, ob diese Einteilung zweckmäßig ist, lohnt nicht recht, 
da einmal die Einteilung ja nur die Übersicht erleichtern soll und in manchen 
Fällen zweifelhaft bleiben muß. Zum anderen kommt der Zwischenscholle nur eine 
untergeordnete Stellung zu und es wäre möglich gewesen, sie wie das Schöllchen- 
dreieck unselbständig zu lassen. Doch läßt sich dessen natürlicher Verband noch 
nachweisen, was für manche Teile der Zwischenscholle noch nicht gelungen ist. 

Eine Lösung, die nur 1 als Zwischenscholle ablöst, 2 und 3 dagegen zur 
östlichen Hauptwettersteinscholle schlägt, hätte auch manche Vorzüge. 


ein wichtiges Symptom für den Nachweis der Richtung der Schübe, wobei natür- 
lich zu prüfen ist, inwieweit nur örtliche Erscheinungen vorliegen oder ob es sich, 
wie im Wettersteingebirge, um wichtige, allerorten gefundene handelt. So findet 
man sie am Brunnensteineck, an der Schubfläche der Leutaschscholle im Puiten- 
tal, im Schachengebiet (1, pag. 91), in der Höllentalklamm etc. Dagegen fehlen 
südnördliche fast immer. 

Schlagintweit kehrt (8, pag. 91, 92) die Sachlage gerade um. 


[63] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 63 


Abgesehen von den Raiblern der Stuibenspitze findet man im 
oberen Partnachtal nur in 2 und 3 noch Raibler Schichten !), und 
zwar in Vorkommen von geringem Umfange. 

Sie stehen — nach der Reisschen Karte zu urteilen ?) — mit 
dem jeweils sie unterlagernden Wettersteinkalke in ungestörtem 
Verbande. Nur an einer Stelle zeichnet Reis nördlich der Raibler 
Schichten eine Störungslinie ein. 

Da, wie oben ausgeführt ®), Raibler Schichten aus der Leutasch- 
scholle nicht bekannt sind, so ergibt sich ohne weiteres für die durch sie 
charakterisierten Teilstücke eine Herkunft aus Wettersteinscholle, 
und zwar wahrscheinlich aus der östlichen, wenn auch der Gedanke 
an die westliche, die sich ja gegen ONO herabsenkt und in der sie 
sich nach oben einstellen könnten, nicht unmöglich #) ist. Viel stärker 
weisen sie aber auf das Schöllchendreieck im O. Reis hat diesen 
Beziehungen in seinem Übersichtskärtchen Ausdruck verliehen. 

Er nimmt an, „daß die westliche Fortsetzung der Überschiebung 
am Jägersteig als Längsbewegung durch das obere Partnachtal zieht 
und am Gatterl in einer diagonalen Verschiebung ausläuft“ 5). 

Das ist nicht direkt nachweisbar. Der ihr Streichen fortsetzende 
westöstliche Lauf der Partnach, durch deren Talsohle Reis diese 
tektonische Linie legt, entspricht zugleich dem Absinken der Platt- 
muldenachse, braucht also in keinem ursächlichen Zusammenhange 
mit der Störung zu stehen. 

Die Verbindung der Störungen, die oberhalb des Zundernkopfes 
nach W in den großen und den kleinen Hundstall streichen, mit denen 
der Schachenalp und der Frauenalp ist jedenfalls sicherer, zumal die 
Strecke gering ist, welche durch Schutt und Latschen im Oberrhein- 
tal verdeckt ist. Ich möchte hier der von Reis in der Karte ange- 
deuteten Lösung folgen. 


Folgende Merkmale sind den Schollengebieten westlich und nörd- 
lich der Leutaschscholle eigentümlich: 


l. das Vorkommen von langen, longitudinalgerichteten, dabei sehr 
schmalen Schöllchen ; 

2. diese sind: 

a) (Normalfall) mit steilen Randspalten versehen, welche bisweilen 

b) (Spezialfall) in flache Überschiebungen übergeben, eine Folge 
vom. S-Druck. 


1) Welche (nach Reis) von Dr. F. W. Pfaff untersucht wurden. 

?) Verf. hat diese Plätze nicht besucht. Oft behinderte die Witterung die 
Untersuchung an Ort und Stelle, wie überhaupt der regenreiche Sommer 1912 das 
Arbeiten, ‚zumal in größeren Höhenlagen, allzuoft nicht zuließ. 

3) Vgl. pag. 52. 

*#) Ebenso schwer ist die Frage zu entscheiden, wie weit sich die westliche 
Hauptwettersteinscholle noch an der Bildung des südlichen Partnachgehänges be- 
teiligt. Vielleicht geschieht dies mit den flacher fallenden Schichten östlich der 
Angerhütte. Daß die westliche Hauptwettersteinscholle das Liegende zum mindesten 
der westlichen Partien der Zwischenscholle bildet, steht außer Frage. 

°) 1, pag. 98. 

Im Gegensatz hierzu scheint in seinem Übersichtskärtchen angedeutet zu 
sein, daß sie durch eine Diagonalverwerfung abgeschnitten wird. 


64 K. C. von Loesch. [64] 


Die Folgen des Ostdruckes können von denen des Süddruckes 
unterschieden werden; ersterer ist der der westwärts vordringenden 
Leutaschscholle: er spaltete die schmalen Längsschollen von der öst- 
lichen Hauptwettersteinscholle ab und 

co) schob!) sie teils vor sich her (Zwischenscholle), 

ß) teils drängte er sie in das spitzwinkelige Dreieck ?) zusammen, 
das die Leutaschscholle heute mit den noch unzerstörten Teilen der 
östlichen Hauptwettersteinscholle bildet (Schollendreieck). 

Während, wie wir sahen, die Bauteile der unteren Etagen mit 
der Schöllchenregion und damit der östlichen Hauptwettersteinscholle 
in organischem Zusammenhange stehen oder standen, haben wir für 
die Herkunft der oberen keine Anhaltspunkte. Das allein schon recht- 
fertigt die Abtrennung der Zwischenscholle. 

Diese obersten Bauteile bestehen nur aus Wettersteinkalk, der 
einen schmalen Muschelkalksockel hat. Sie können nicht von der west- 
lichen Wettersteinscholle stammen, da sie über Teilen der östlichen 
liegen, die diese überschiebt. 

Die Umkehr im Einfallen an der Schüsselkarspitze, die erst 
durch die Gleichzeitigkeit der Umkehr an dem Westende der Gehren- 
spitze ihre richtige Beleuchtung erhält, beweist, daß sie, falls sie aus 
dem Zusammenhange der Leutaschscholle stammen sollten, dort ab- 
gerissen und in eine leidende Rolle gebracht wurden. Möglicherweise 
aber sind sie bereits in einer früheren Schubphase (im ganzen oder 
zum Teil) durch die Leutaschscholle irgendwo im O von einer vielleicht 
später überfahrenen Scholle abgerissen und vor sich hergeschoben 
worden. (Leitersteig- oder Würzberggewölbe ?) 

Die horizontalen Bewegungen der Zwischenscholle mußten am 
Gatterl ein Ende finden, als sie auf die große Masse der Plattmulde 
trafen. Letztere sinkt nach ONO ab, wodurch die geringe Höhenlage 
des Wettersteinkalkes sowohl der Plattmulde als auch der Zwischen- 
scholle eine Erklärung findet. 

Zugleich ist das allmähliche Verjüngen der Zwischenscholle gegen 
W zur Erklärung der Gatterldepression heranzuziehen. 

Letzten Endes ist auch hier die Ausbildung der heutigen, so 
extremen Verhältnisse mit der erst nach?) dem Ostschub der Zwischen- 
scholle eintretenden lokalen Faltungsbewegung von S?) in Verbindung 
zu bringen. 

Der Süddruck, der östlich der Frauenalp und des Dreitorspitz- 
zuges auftritt, ist eine Folge der Raumverengung’), die bei dem Ost- 
schube der Mieminger Scholle durch das Zurückbleiben der Vorbergs- 
scholle entstand; er legte die Jurakreidemulde zwischen den Issen- 


') Und bildete damit zunächst die untere Etage der Zwischenscholle. Anfäng- 
lich lag wohl die heutige obere transversal neben der unteren und wurde erst zur 
Zeit der Aufrichtung und engen Faltenlegung der südlich benachbarten Jurakreide- 
mulde auf diese geschoben. 

?) Vgl. die Erläuterungen zu dem Übersichtskärtchen auf pag. 49. Die vier 
heute nebeneinander liegenden Längsschöllchen haben scheinbar durch Verkürzung 
die Zahlvermehrung erfahren, wofür die Ineinanderschiebung am Kämitor zeugt. 

®) Oder ungefähr gleichzeitig, siehe pag. 73—76. 

*) pag. 71. 

5) Näheres vgl. pag. 84. 


[65] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 65 


talköpfln und dem Scharnitzjoch in enge Falten und bewirkte (vgl. 
pag. 64, Anm. 1) die Überschiebungen des Hochwannerzuges. 

Reis glaubt, daß diese Überschiebungen bei S-Druck um so 
leichter eintreten konnten, als ja das Gebirge von N nach S stufen- 
weise ansteigt. Dies mag für den Wettersteinwandzug gelten, keines- 
falls aber für den Hochwannerzug von der Scharnitzspitze bis zum 
Gatterl, denn dieser scheint seine Aufrichtung erst dem Süddrucke 
zu verdanken. 

3. Auffallend ist die so oft wiederkehrende Dreieckform ; nicht 
nur die Zwischenscholle und die Schollenregion sind dreieckig be- 
srenzt, sondern deren Einzelschöllchen haben zumeist diese Gestalt; 
natürlich ist das kein Zufall, sondern die Folge davon, daß einmal 
die Achsen von Hauptwetterstein- und Leutaschscholle in einem spitzen 
Winkel zu einander stehen, daß die Bewegungsrichtung der Leutasch- 
scholle keine rein longitudinale ist, daß die Plattmulde nach ONO 
absinkt und schließlich daß der S-Druck nach N überschob. 


H. Die Vorbergscholle. 
Ihre Grenzen. 


[Ihre Grenze gegen W hängt von der Frage der Zurechnung 
des Issentalköpflkomplexes ab, die [vgl. pag. 77 und pag. 82] nicht 
mit Sicherheit entschieden werden kann. 

Rechnet man die Issentalköpfl zur Vorbergscholle hinzu, so liegt 
deren Westgrenze östlich der quergestellten Juraneokommulde der 
Ehrwwalder Alm, andernfalls östlich des großen Schuttfeldes der 
Feldernalp.] 

In diesem Abschnitte ist stets diese engere Begrenzung unter 
Vorbergscholle verstanden, die Schicksale des Issentalköpflkomplexes 
sind an den oben zitierten Stellen besprochen. 

Da der Schichtbestand der Vorbergscholle !) ein anderer ist, als 
der der Jurakreidemulde ?), so kann über die Nordgrenze so wenig 
ein Zweifel aufkommen, wie über die Südgrenze. Soweit letztere auf- 
geschlossen ist, stoßen NO fallender Wetterstein- und Muschelkalk 
der Vorbergscholle gegen die nördlichen Raibler oder den Haupt- 
dolomit der Mieminger Scholle ab oder überschieben diese lokal. 

Gegen S folgt vielmehr (abgesehen von der hier unwesentlichen 
Randzone) sofort der weitere Nordschenkel desMieminger 
Gewölbes, dem sein Südschenkel unmittelbar, aber nicht ohne daß 
im Gewölbefirst eine bedeutende tektonische Linie durchzöge, folst. 

Hier liegen also zwei getrennte Einheiten nebeneinander, deren 
Sekundärstörungen auch nicht durchsetzen. Darum ist die Vereinigung 
beider zu einer tektonischen Einheit?) nicht ohne weiteres zu- 
lässig. 

!) Muschelkalk bis Hauptdolomit. 


h *) Der längs dieser Abschnitte der Vorbergscholle aus Kössenern bis Neokom 
besteht. 


®) Wie Ampferer es in der Inntaldecke tut. Sicherlich gehörte die Vorberg- 
scholle einst der „Inntaldecke“ an, trennte sich aber in einer relativ frühen 
Schubphase (vgl. pag. 94) ab und blieb zurück. Ampferer müßte die Nordgrenze 


Jahrbuch d. k. K. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. €. v. Loesch.) 9 


66 K. C. von Loesch. [66] 


Die Ostgrenze zieht längs der Westgrenze des Gehrenspitzen- 
massivs mit seinem saigeren oder südfallenden Wettersteinkalk (Leu- 
taschscholle), während die Raibler und der Wettersteinkalk der Vor- 
bergscholle gegen NNO fallen. Ein Zwickel Neokom zwischen beiden 
Schollen (4, pag. 533, Profil 31) erleichtert die Auffindung der Grenze 
in den oberen Partien. 


Der Bau der Vorbergscholle 


ist ein beispiellos klarer, trotz zahlreicher sekundärer (unten be- 
sprochener) Störungen, weil diese durchaus regelmäßig sind und eine 
Rekonstruktion des vormaligen Zustandes zulassen. 

Vor der Zerlegung und der Abdrehung der Teilstücke strichen 
alle Schichten der Vorbergscholle ostwestlich, ausgesprochen longitu- 
dinal und fielen gegen N ein. 

Zuunterst und gegen S lag ein heute noch teilweise erschlos- 
sener Muschelkalksockel, auf diesem Wettersteinkalk, zuoberst und 
gegen N Raibler und endlich noch bisweilen Hauptdolomit, der jedoch 
zur Zeit der Schubphasen schon zum größten Teil abgetragen war. 


Die Vorbergscholle stellt sich also als ein Nord- 

schenkel eines Gewölbes!) dar. Diesem folgt gegen S nicht 
der entsprechende Südschenkel; er ist also isoliert. 
Am Südrande der Plattumrahmung des Wettersteingebirges fällt 
gleichfalls die Trias nach S. Zuunterst und am meisten südlich liegt 
hier — wie auch in der Zwischenscholle — Muschelkalk unter steil- 
stehendem oder nordfallendem Wettersteinkalk. 


Also liegt nördlich parallel zur Vorbergscholle ein dritter 
Gewölbenordschenkel im Wettersteingebirge, dem wie 
dem des Vorbergs der Südschenkel fehlt, nur getrennt von 
ihm durch die Jurakreidemulde. 


Diese Paralleilagerung von drei Nordschenkeln kann nur die 
Folge von Ostschub sein, der die Längsschollen eines längs- 
streichenden Gebirges ungleich weit vorschob und ur- 
sprünglich einander nicht benachbarte Schollenteile 
nebeneinander brachte. 


Daß sie keineswegs mit einer Theorie, die Wetterstein- und 
Miemingergebirge von S über die Jurakreide schiebt, in Einklang zu 
bringen ist, geht schon aus dem sorgfältigen Studium der Karten von 
Reis (2) und Ampferer (27) hervor. Wer für diese Fragen Inter- 
esse hat, der möge an der Hand der Karten diese großartigen Ver 
hältnisse südlich des Wettersteingebirges aufsuchen, um selbst zu ent- 
scheiden. 


der „Inntaldecke“ längs des Nordrandes meiner Mieminger Scholle ziehen, südlich 
der Gehrenspitze [der Leutaschschollej, welche ein ganz entgegengesetztes Ein- 
fallen als die Vorbergscholle zeigt, längs der Juraaufschlüsse des ehemaligen Schar- 
nitzer Bleibergwerkes und des Brunnensteineck. 


...) Das bei dem später eintretenden sekundären Südschub mit der Jura- 
kreidemulde gehoben und nach N ein wenig verschoben wurde. 


[67] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 67 


Mit kleinen Mitteln dieses Großzügige verkleinern zu wollen, 
wie Schlagintweit es unternahm !), ist ein Versuch der Rettung 
der Süddecke mit untauglichen Mitteln. 


ı) Es ist nicht nötig, in eine Polemik einzugehen. Man möge nur die von 
beiden Seiten vorgebrachten Gründe nebeneinander stellen und womöglich im Ge- 
lände prüfen. Nur soviel sei zur Richtigstellung bemerkt: 

Ein Schuppenbau, wie Schlagintweit ihn [innerhalb seiner großen Decke] 
glaubhaft machen will, besteht südlich der Jurakreidemulde nicht. Hier liegen Vor- 
bergscholle, „nördliche“ und Sattelzone der Mieminger Scholle transversal neben- 
einander mit OW streichenden steilen Randspalten. Eine Überlagerung besteht 
nur — von der hypothetischen Ostüberschiebung der Tajaköpfe und der Sonnspitze 
über die Lange Lähnstufe (pag. 81), einer Nebenwirkung des Ostschubes, abgesehen 
— am Südfuße der Vorderen Oberlähnkopfswand. Hier überschiebt lokal die Vor- 
bergscholle (von N) die „nördliche Zone“ der Mieminger Scholle. Diese Erscheinung 
kann nie für, nur gegen Schuppenbau sprechen, da sie der partiellen Überlagerung 
der Jurakreidemulde über die Vorbergscholle analog [von N gegen S gerichtet] 
als eine Rückstauerscheinung bei der sekundären SN-Faltung anzusehen ist oder 
als Folge des Schubes der Zwischenscholle (pag. 60). Höchstens für einen Rückstau 
kann auch die Zurückbiegung”des Hochwannerkopfes (nach S), der Schlagintweit 
Erklärungswert beimessen will (8, pag. 83, Fig. 1), sprechen, nie aber für eine 
Umbiegung der Decke nach N über die Jurakreidemulde. Trägt man sich die 
vonSchlagintweitvermiedene Schichtenverteilung in dessen Fig. 1 
ein (etwa gemäß Profil 7 der Profiltafel) und verbindet man dann die Vorberg- 
scholle durch einen kühnen Luftsattel mit dem Wettersteingebirge, wie Schla- 
gintweit es im Sinne hat, so trifft normalliegender Wettersteinkalk auf über- 
kippten Wettersteinkalk. Die Raibler der Vorbergscholle treffen auf den Muschel- 
kalk des Wettersteingebirges! 

„Der Unterschied (sc. im Bau der Schlagintweitschen „Fensterränder“ 
[der Verf.]) ist wohl nicht gar so groß, als er auf der Karte erscheint“ (8, pag. 84). 
Eines der kleinen Mittel, diesen Unterschied zu verringern, findet Schlagintweit 
in dem Nachweis, daß Reis in seiner Karte dem Muschelkalk eine zu große Ver- 
breitung am Südfuße des Wettersteingebirges zugewiesen habe (8, pag. 84). 

Als ob das für die Gesamtauffassung, für die das Einfallen der Trias maß- 
gebend ist, nicht ganz gleichgültig wäre. Wem es einmal gelungen ist, diese sich 
klar zu machen, für den kommt es nicht darauf an, ob der Muschelkalk etwas zu 
breit gezeichnet ist, ein belangloses Versehen, was Reis (1, pag. 113, Nr. 14), wie 
Schlagintweit hätte nachlesen können, selbst schon vorher richtig ge- 
stellt hatte. 

An der gleichen Stelle bezweifelt Schlagintweit — ein weiteres kleines 
Mittel — „ob sich Wettersteinkalk und Raiblerkalk stets mit Sicherheit unter- 
scheiden lassen, wenn man von den Lagerungsverhältnissen absieht.“ 

Zugegeben, daß ihm die Unterscheidung [subjektive] Schwierigkeiten machen 
kann. Der aufnehmende Alpengeologe jedoch, der mit der Fazies vertraut ist, ein 
so feiner Beobachter wie Reis, wird sie stets überwinden. 

Seine Verlegenheit diesen [zwingenden] Tatsachen gegenüber gibt er, der 
sonst so sicher erscheint, zu und bringt’allerhand nur unklar angedeutete, einander 
widersprechende Vorschläge zur Beseitigung der den Südschub ausschließenden 
Schwierigkeiten. Wer ihn um jeden Preis retten will, der muß die Einzelheiten 
des Deckenbaues vor der Südüberschiebungsphase irgendwo fern in S entstanden sein 
lassen. Selbst dann aber fehlen noch immer alle Beweise für Südschub (Stirnrand, 
Schubstreifen) und die Aufpressung des basalen Gebirges im Gebiete der Decke 
wäre noch nicht erklärt. Anderseits müßte man noch immer den Bau innerhalb 
der Decke doch durch Ostschub erklären und seine Entstehung nur zeitlich vor 
den Südschub und nach 8 hin verlegen. 

Endlich blieben die Querstellungen der jungen Schichten am Westrande 
unter dem Stirnrande, die für den Ostschub der Triasmasse so beweisend sind, 
ungeklärt; denn daß sie, wie Schlagintweit will, auch durch Südschub bewirkt 
sein könnten, ist unrichtig. 

Schlagintweit irrt, wenn er die Verhältnisse im O und im W als zwin- 
gend beweiskräftig für Südschub ansieht (pag. 85, 2. Absatz). Besser sind sie — 

9* 


68 K. C. von Loesch. [68] 


Die Störungen der Vorbergscholle. 


Die Störungslinien streichen [heute] NNO—SSW, NO—SW und 
ONO-—WSW. Die Stärke der Ablenkung des Streichens, das stets zu 
den Störungslinien senkrecht steht, von der Longitudinalrichtung !) ist 
[nicht regellos, sondern] in der einzelnen Berggruppe ungefähr gleich- 
stark und durch Übergänge mit dem der benachbarten Berggruppe ver- 
bunden. Man kann Komplexe mit intensiverer Ablenkung (Roßkopf, 
Vorderer Oberlähnskopf) solchen mit geringerer (Feldalpe, Hinterer 
Oberlähnskopf) gegenüberstellen. 

Ich kann Reis nur zustimmen, wenn er die Abbiegungen der 
einzelnen Teilschöllchen auf longitudinalen Druck zurückführt (1, 

ag. 94). 
R ; n scheint, daß wir hier zwei modifizierte Außerungen des Ost- 
druckes unterscheiden können, die jedesmal auf die passive, das heißt 
schon an Ort und Stelle befindliche Vorbergscholle, die keine Figen- 
bewegung mehr hatte, wirkten. 

1. Ostdruck der Leutaschscholle. Diese prallte mit dem 
Gehrenspitzmassiv auf die Vorbergscholle und zerlegte sie in Bruch- 
schöllchen, deren Brüche N—S senkrecht zur Druckrichtung verliefen. 


[Noch nie ist eine Zerlegung dieser Art so gut bekannt geworden. Freilich 
liegen hier auch die Verhältnisse für eine Kartierung selten günstig. Die reiche 
transversale Gliederung und die Regelmäßigkeit der sekundären Ablenkung der 
Teilschöllchen gestatten eine gute Übersicht.] | 


Für die Zerlegung kann wohl nur das Gehrenspitzmassiv in Be’ 
tracht kommen, das allein an das Ostende der Vorbergscholle stößt- 

Die einzelnen NS-Bruchlinien lassen sich weder in die Jura- 
kreidemulde noch in die nördliche Zone der Mieminger Scholle hinein 
verfolgen. Sie sind der Vorbergscholle eigentümlich und bilden zu- 
gleich einen Beweis für die Ostbewegung der Leutaschscholle (des 
Gehrenspitzenmassives). 

2. Der Ostschub der Mieminger Scholle. Man kann 
sich kaum vorstellen, daß der Ostschub der Gehrenspitze auch die 
Ablenkung der Teilschöilchen hätte bewirken sollen, zumal die Ab- 
lenkung in den unmittelbar der Gehrenspitze benachbarten Partien 
sehr gering ist. 


dieser Nachweis zieht sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit — durch Ost- 
schub erklärbar. Er sagt: „Unter ihrer meines Erachtens zwingenden Beweiskrafi 
muß eben auch das abweichende Verhalten eines Teiles der Vorberge unter An- 
nahme dieser Schubdecke zu verstehen gesucht werden.* 

Mit diesem „muß“, mit dem Verstehenmüssen von Unverständlichem mutet 
er dem Leser zuviel zu. Nur wer für eine Anschauung voreingenommen ist, wird 
vor den beiden großen Hindernissen, die sich seiner Auffassung entgegenstellen, 
nicht zurückschrecken: 

1. dem Parallelbau von Mieminger Gebirge, Vorbergen und Wettersteingebirge; 

2. dem Mangel eines nördlichen Stirnrandes, 

Sie allein reichen zur Ablehnung des Südschubes vollkommen aus, so daß 
es nicht nötig ist, die vielen anderen widersprechenden Einzelbeobachtungen auf- 
zuführen. Sie würden diese Arbeit übermäßig belasten. 


!) Die Ursprünglichkeit der Längsrichtung vor der Bruchphase ist voraus- 
gesetzt (und noch nie bezweifelt worden). 


[69] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 69 


Dagegen besteht ein örtlicher und wahrscheinlich auch ein ur- 
sächlicher Zusammenhang zwischen dem Bau des Nordrandes!) der 
Mieminger Scholle und den Stärkegraden der Ablenkungen der Vor- 
bergschollteilchen. Der Nordrand der Mieminger Scholle springt bald 
nach N vor, bald wieder nach S zurück. Je nördlicher er vordringt, 
um so größere Höhen nimmt er auch ein. Die Zonen seiner tiefsten 
südlichsten Lagen entsprechen denen der geringsten Ablenkung in 
der Vorbergscholle und nehmen den äußersten O und den äußersten 
W ein (Feldalpe und hinterer Oberlähnskopf), die dazwischenliegende 
des stärksten Vorstoßes der Zone der stärksten Abdrehungen in der 
Vorbergscholle. [Innerhalb dieser mittleren Zone ist die Nordgrenze 
(nach den schlechten Aufschlüssen zu urteilen) wiederum ungleich: 
mäßig beschaffen und — analog der verschiedenen N-Erstreckung der 
einzelnen Teile — scheinen auch die Vorbergschöllchen verschieden in- 
tensiv abgedreht zu sein.] 

Die Komplexe mit stärkster Abdrehung?) liegen stets etwas 
nordwestlich der höchsten (nördlichsten) Erhebung der Mieminger 
Scholle, die Zonen relativer Breite der Jurakreidemulde ?) wiederum 
etwas nordwestlich der Komplexe größter Abdrehung in der Vorberg- 
scholle. 

Daraus ist die Chronologie der Ereignisse abzulesen. Die Mie- 
minger, die an der Vorbergscholle vorbeiglitt, übte zugleich mit ihrem 
Vorschreiten nach W den (faltenden) Sekundärsüddruck aus. Süddruck 
und Ostdruck mußten also die einzelnen Teilchen der Vorbergscholle 
aus der NS-Lage in eine NO—SW-Lage abdrehen. Da der Nordrand, 
wie die Randzone beweist, ungleich konfiguriert war, da die Hebung 
der Vorbergscholle (und der Jurakreidemulde) ihrer Intensität nach 
ganz von den örtlichen, raumverengenden und darum druckverstärken- 
den Schollenbreiten abhing, so wurde die wohl anfänglich gradlinige 
Südgrenze der Vorbergscholle durch ungleiches Nachgeben gegen 
einen ungleichen Süddruck ungleichförmig. Bei fortschreitendem 
Östschube der Mieminger Scholle mußten deren vorspringende Rand- 
teile diejenigen der Vorbergscholle, die ihnen nunmehr gegen W be- 
nachbart waren und im Wege standen, abdrehen. Darum liegt die Zone 
der intensivsten Störung stets westlich des nördlichsten Mieminger Vor- 
stoßes. Die benachbarten Teilschöllchen der Vorbergscholle folgten 
automatisch nach, doch wurde die Intensität der Abdrehung von Schöll- 
chen zu Schöllchen geringer. Im O, wo die weit nach S reichende 
Gehrenspitzenmasse schützte, und im W, wo die nördliche Zone der 
Mieminger Scholle sich verjüngte (wenn nicht auskeilte), war die Ab- 
drehung am geringsten. 


Wenn der Ostschub des Gehrenspitzenmassivs die Abdrehung 
bewirkt hätte, so müßte sie im Gebiete der Feldernalpe am stärksten 
sein (Reibung am Stirnrand); hier ist sie aber am schwächsten. In den 
Issentalköpfin fehlt eine analoge Erscheinung überhaupt oder sie ist 
durch die nachfolgenden Freignisse völlig verwischt worden. 


!ı) Vgl. pag. 79fE. 
?) Plattert, Vorderer Oberlähnskopf, Predigtstein, Roßberg. 
°) Vgl. pag. 70 ff. 


70 K. C. von Loesch. [70] 


Wer mit einem Ostschub der Triasmassen rechnet, der kann 
Fragen, welche die Anhänger der großen Südschubdecke in Verlegenheit 
setzen, leicht beantworten. Warum fehlt der Mieminger Scholle jen- 
seits des Mariabergjoches der nördliche Gewölbeschenkel, warum der 
Vorbergscholle der entsprechende südliche? Aus welchem Verbande 
stammte die Vorbergscholle ? 

Die Antwort lautet: Die Vorbergscholle ist der westlich des 
Mariabergjoches fehlende Gewölbeschenkel, transversal neben dem einst 
[in einer vergangenen Schubphase]| der heute um 16 km nach W 
vorbeigeschobene Südschenkel lag. Warum blieb die Vorbergscholle 
zurück? Weil die westlich von ihr gelegene westliche Wetterstein- 
scholle ihr den Durchzug nach W verwehrte, sei es direkt sei es in- 
direkt durch Auffaltung der Jurakreidemulde westlich der Vorberg- 
scholle im engeren Sinne. 


I. Die Jurakreidemulde. 


Die Vorbergscholle, die für die Erkenntnis der Jurakreidemuldenschicksale 
so wichtig ist, ist auf pag. 65 ff., das Puitentalneokom auf pag. 50 u. 56 besprochen. 


Die Jurakreidemulde hängt im W mit dem „Vorland“, der 
Region der vor dem Stirnrand der Hauptwettersteinscholle quer- 
gestellten Schichten und der offenen Bichelbacher Mulde zusammen. 
Ihre Westgrenze zieht man am besten dort, wo sie aus der unmittel- 
baren Nachbarschaft der Triasmassive heraustritt, also längs der Linie 
Wettersteinwestabbruch—Westabbruch der Sonnspitze im Mieminger 
Gebirge. 

Gegen N grenzt sie bis zum Zugspitzgatterl an die westliche 
Hauptwettersteinscholle, von da bis zur Einfallensumkehr an der Schüssel- 
karspitze an die Zwischenscholle. 

Im O verschwindet sie unter der Leutaschscholle. 

Im S grenzt sie (von der Einfallensumkehr im O bis zu den Issen- 
talköpfin im W) an die Vorbergscholle. 

Weiter nach W hin — mit dem Zurücktreten der letzteren — 
legt sie sich an die Mieminger Scholle, der sie schon vorher im „Loch“ 
der Feldernaipe nahe kam. 

Die Gründe für ihre grundsätzliche Abtrennung von der Vor- 
bergscholle, mit der sie Reis noch verbindet, sind auf pag. 22 und 
23 dargelegt und werden im folgenden bestätigt. 

Die Jurakreidemulde ist hauptsächlich aus Jura- und Neokom- 
gesteinen gebildet. Im O im Puitental besteht sie entsprechend der 
geringen Auffaltung nur aus Neokomschichten. (Die Juravorkommen 
sind wohl an der Basis der Schubmasse mitgeschleppte Schubfetzen). !) 

Vom Karlsjoch nach W treten oberer Jura und Lias hinzu und 
nehmen beträchtliche Areale ein. Kössener Schichten spielen erst von 
der Feldernalpe ab gegen W eine Rolle. Ob und von wo an Haupt- 
dolomit noch zu unserer Mulde gestellt werden muß, ist kaum zu ent- 
scheiden und für unsere Zwecke von geringem Belang. 


!) Vgl. pag 55, Anm. 1. 


[71] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 71 


Die eruptiven Ehrwaldite wurden nach Reis, was ich bestätigen 
kann, bisher stets in den unteren Lagen der oberjurassischen Horn- 
steine gefunden. 


Wir können in der Jurakreidemulde verschiedene Stadien der 
Intensität der Faltung unterscheiden. Das der geringsten entspricht 
der (präcenomanen?) primären Faltung, die der Schubphase voranging. 
Vgl. pag. 6ft. ' 

Die der höheren Faltung dagegen sind keine allgemeinen Er- 
scheinungen, sondern rein lokale, die lokal erklärt werden müssen: 
und zwar aus dem Verhalten der Schubmassen während der Schub- 
phasen, deren Vorgänge sie widerspiegeln. 


1. Stadium der Erhaltung des Zustandes vor der 
Schubphase (östlich vom Karlsjoch) im Bereiche der Leutaschscholle. 

Recht flache Lagerung mit leichten O—W streichenden Falten; 
diese blieb erhalten, da die UÜberschiebung der Triasdecke in der 
Richtung der Faltenachse erfolgte und darum die Intensität der Faltung 
nicht vermehren konnte. Unter dem Druck der lastenden Triasdecke 
ist eine Quälung der Oberfläche des Neokoms eingetreten. 


2. Stadium der mittleren Verstärkung der Faltung 
(zwischen Ehrwald im W und der Ehrwalder Alm im OÖ): im N im 
Bereiche der westlichen Hauptwettersteinscholle, im S im Bereiche 
der Mieminger Scholle. 

Mittelenge, W—0O streichende Falten, die auf erneuten N- oder S- 
Druck schließen lassen. 

Auffallende Längsstörungen, fast mit den Faltenachsen gleich- 
laufend. (Blätter.) 


Quälung fehlt, da nie eine Decke über den jungen Schichten lag. 


3. Stadium der höchsten Verstärkung der Faltung 
(zwischen der Ehrwalder Alm im W und dem Karlsjoch im O): im 
N im Bereiche der westlichen Hauptwetterstein- und der Zwischen- 
scholle, in S im Bereiche des Issentalköpflkomplexes und der Vor- 
bergscholle. 

Sehr enge, oft saigere Falten, die auf einen höchsten Sekundär- 
druck von S oder N schließen lassen. Teilweise Überlagerung der 
südlich anschließenden Trias. 


Quälung fehlt (s. oben). 

1. Unterstadium im ©. Mittlere Breite der jungen Schichten 
(zwischen Karlsjoch und Mitterjöch!). 

Verhältnismäßig einfachere Sekundärfaltung. 


. 2. Unterstadium im Zentrum. Größte Breite (zwischen Mitter- und 
Feldernjöchl). 
Weitere Vermehrung der Faltenelemente durch Ostschub. 


Höchste Erhebung des Neokoms, Überragen auch der nördlichen 
Trias. 


12 K. C. von Loesch. [72] 


Aufbruch von Eruptivgesteinen !). 

3. Unterstadium im W. Geringste Breite (vom Feldernjöchl bis 
östlich der Ehrwalder Alm). 

Sehr enge Sekundärfalten; 
ferner: 

a) Einpressung von Muldenteilen nach S zwischen Vorbergscholle 
und Nordrand der Mieminger Scholle. 

b) Fast vollendete Querstellung!) von Muldenteilen vor dem 
Stirnrand des Issentalköpflkomplexes. 


Im Puitentalfenster ist uns das Jurakreidegebirge im Stadium 
der geringsten Faltung wieder erschlossen worden. Dieses kann nur 
den Zustand vor der Schubphase widerspiegeln: den Zustand nach 
der primären Faltung, die der Schubphase vorausgegangen zu sein 
scheint. (Vgl. pag. 6 u. 56.) 

Immerhin sind die Aufschlüsse im Puitental nicht gut [und vor 
allem nicht breit] genug, um uns ein klares Bild von der Intensität 
der primären Faltung zu geben; wir können nicht entscheiden, ob der 
in der Bichelbacher Mulde (im W unseres Gebietes) erhaltene Faltungs- 
zustand dem des Puitalpfensters und damit der primären Faltung ent- 
spricht. Es scheint fast, als ob er dort schon etwas durch Sekundär- 
faltung kompliziert wäre; doch ist eine Gewißheit hierüber kaum zu 
erlangen, für unsere Zwecke hat diese Frage nur untergeordnete Be- 
deutung. 

Denn vom Karlsjoch im W bis zum Westende des Wetterstein- 
gebirges und längs des Teiles der Mieminger Scholle, in dem beide Ge- 
wölbeschenkel nebeneinander liegen [östlich vom Mariabergjoch], ist 
die Faltung erheblich stärker, sowohl als im Puitental, als auch im 
Gebiet der Bichelbacher Mulde. 

Diese Verstärkung der Faltung steht sicher im ursächlichen und 
im örtlichen Zusammenhange mit der Breite der Mieminger Scholle 
und der zwischen dieser und der Jurakreidemulde liegenden Schollen. 


Sie fehlt östlich der Hauptnordsüdliniie — Westrand der 
Leutaschscholle bis Innknie — und westlich der NS-Linie — West- 
rand des Wettersteingebirges bis Mariabergjoch: — ist also als Lokal- 


erscheinung die Folge einer Sekundärfaltung, die, wie wir 
später sehen werden, von S erfolgt ist. 
Westlich der Hauptnordsüdlinie entspricht: 

die Faltung mittlerer Intensität der mittleren Breite der Mie- 
minger Scholle mit zwei Gewölbeschenkeln (Süd- und Nordschenkel); 
die Faltung höchster Intensität der größten Breite der Mieminger 
Scholle mit zwei Gewölbeschenkeln (Süd- und Nordschenkel) und 
der Breite der zwischen Mieminger Scholle und Jurakreide liegenden 
Vorberge. 


') Ahnlich intensive, auf Abscherung durch Schub zurückführbare Störungen 
kennzeichnen die jungen Schichten unter dem westlichen Stirnrand der westlichen 
Wettersieinscholle. Querstellung der vorher longitudinalen Mulde. An der Umbruch 
stelle im Lähngrabenbach Aufdringen von Eruptivgesteinen. (Vgl. 1, pag, 96, 97. 


[73] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 13 


Westlich der zweiten Nordsüdlinie (s. oben) entspricht: 
die geringe Faltung der Bichelbacher Mulde der geringen Breite 
der Mieminger Scholle, die vom Mariabergjoch an nur noch aus dem 
Südschenkel besteht. 

Es sind also Beziehungen zwischen der Breite der Mieminger 
Scholle und der Intensität der Faltung mit Sicherheit konstatierbar. 
Mit anderen Worten je breiter diese ist, desto enger ist jene auf- 
gefaltet. Die Sekundärfaltung ist eine Folge der von W nach OÖ fort- 
schreitenden Raumverengung durch die Mieminger Scholle. Diese, 
scheint es also, hat bei östlicher Bewegung nach S nicht ausweichen 
können. (Die östliche Bewegung der Mieminger Scholle ist in pag. 84 
im Zusammenhange besprochen.) 

Sie mußte nach N ausweichen und die dort liegende, seit der 
primären Faltung nur leicht ostwestlich gemuldete Jurakreidescholle 
stärker falten. Je breiter die Mieminger Scholle war, je stärker raum- 
verengend die zwischen ihr und der Jurakreidemulde liegenden Vor- 
berge wirkten, desto intensiver wirkte auch diese Sekundär-S-Faltung. 

Sie trat wahrscheinlich weder einheitlich ein — das heißt nicht 
gleichzeitig längs ihrer ganzen späteren Erstreckung, sondern zuerst 
im mittleren W und später im OÖ —, noch blieb ihre Intensität gleich. 
Diese steigerte sich allmählich, war lokal bald stärker und bald schwächer, 
indem sie von der jeweiligen Breite der ostwärts geschobenen Schub- 
masse (Mieminger Scholle) und der Breite der passiv wirkenden, raum- 
verengenden Masse, die schon die Eigenbewegung verloren hatte, 
abhing. 

Die Wirkung der Sekundärfaltung hing dabei zum Teil von Be- 
schaffenheit des hinter (n.) der Jurakreidemulde gelegenen vorwiegend 
aus Wettersteinkalk gebildeten Geländes ab. Sie mußte am größten 
sein [und die Jurakreidemulde auf das kleinste Gebiet zusammen- 
drücken], wo der Widerstand am stärksten war. 

Dieses bestand vom W bis zum Gatterl aus der verhältnis- 
mäßig weit nach S (SW) vorgeschobenen westlichen Hauptwetterstein- 
scholle: der aufgebogenen Umrandung der Plattmulde. Daß eine solche 
Masse einem Sekundärdrucke kaum nachgeben konnte, ist einleuchtend ; 
dementsprechend ist die Jurakreidemulde aufs schmalste dort zusammen- 
gedrängt, wo die Vorberge — bis zu den Issentalköpfln noch mit der 
westlichen Hauptwettersteinmulde parallel laufend — raumverengend 
wirkten. Westlich der Issentalköpfl öffnen sich die nördlichen und süd- 
lichen Triasmassen trompetenförmig, geradeso wie die Mulden des 
jungen, Gebirges zwischen ihnen. 

Östlich der Gatterlköpfe dagegen, mit denen die westliche Haupt- 
wettersteinmulde ihren Vorstoß nach SW abschließt, verbreitet sich 
die Jurakreidemulde wieder. 

Zugleich aber springt ihr N-Rand mit einer auffälligen Stufe nach 
N vor. Das beweist, daß der sekundäre S-Druck im Wettersteinkalk 
des Plattmuldengebietes sich nicht geltend machen konnte, wohl 
aber westlich davon. Möglich (aber unentscheidbar) ist es, ob die 
westliche Hauptwettersteinscholle bei ihrem Vorstoß gegen WSW schon 
mit einer Faltung begonnen hatte (ONO-Faltung); höchstwahrscheinlich 
aber, daß die Sekundärfaltung von S zuerst längs der westlichen Haupt- 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd,, 1. u. 2. Hft. (K. C. v. Loesch.) 10 


74 K. €. von Loesch. [74] 


wettersteinscholle begann. Denn das Areal der Jurakreidemulde 
wurde zum erstenmal durch sie (von N her) eingeengt, zu einer Zeit, wo 
im weiteren OÖ die Zwischenscholle sich noch nicht zwischen Jura- 
kreidemulde und die nach NNO zurückweichenden Hauptwetterstein- 
schollen eingeschoben hatte. 

Wir müssen also mit dem Beginn der Sekundär-S-Faltung im 
W rechnen, und zwar konnte sie schon unmittelbar vor und mit dem 
Zurückbleiben der Vorbergscholle (der Folge des WSW-Vorstoßes der 
westlichen Hauptwettersteinscholle) eintreten. 

[Östlich davon begann die Sekundärfaltung erst später, und zwar 
wohl vom Ostende her. Näheres s. unten.] 

Die größere transversale Breite des Jurakreidegebirges westlich 
der Gatterlköpfe ist einmal als die Folge der geringeren Widerstands- 
kraft der Zwischenscholle, die nördlich dieses Abschnitts liegt, anzu- 
sehen. Letztere ist aus heterogenen Elementen erbaut und mußte 
einen Teil des S-Druckes in sich aufnehmen. Dieser. hat die nord- 
gerichteten Überschiebungen der einzelnen Stockwerke (diean seinem 
N-Abfall zu sehen sind, vgl. pag. 62) verursacht, vielleicht auch — 
indirekt — die Steilstellung des Gipfelzuges. 

Ferner mag die Auffaltung im O schon begonnen haben, bevor 
die Zwischenscholle in ihre heutige Lage von O her vollends geschoben war. 

Während dieses Schubes mußte die Zwischenscholle direkt und 
indirekt auf die Faltung beeinflussend wirken. [Bezüglich dieses Ein- 
flusses, der im Gebiete des Hohen Kammes natürlich besonders stark 
wurde, vgl. unten. Die endgültige Gestaltung der Zwischenscholle wurde 
anderseits durch die Auffaltung der Jurakreideschichten und durch den 
Süddruck gleichfalls beeinflußt. ] 

In dem zwischen den Gatterlköpfen und dem Karls- 
Joch liegenden Abschnitte der Jurakreidemulde wechselt die trans- 
versale Breite nicht unerheblich. Die Nordgrenze verläuft im allge- 
meinen gradlinig, von OÖ bis jenseits des Hochwanners ostwestlich, von 
da bis zum Gatterl knickt sie gegen WNW ab; die Südgrenze ist 
höchst wechselreich und folgt den [pag. 68 beschriebenen] Abdrehungen 
der Vorbergschollenteile. Den Komplexen größerer Abdrehung ent- 
spricht eine breitere, denen geringerer Abdrehung eine mindere Breite 
der Jurakreidemulde, und zwar folgt die größte Süderstreckung der 
Mulde gegen O dem Höhepunkt der Abdrehung nach. 

In der Jurakreidemulde scheint sogar die durch die Abdrehung 
geschaffene bald größere, bald geringere Breite in einem lokalen Enger- 
oder Weiterwerden der Falten längs der einzelnen Komplexe sich 
widerzuspiegeln. Dies beweist, daß die Faltung nach der Abdrehung 
noch weiter fortschritt. 

Auch die Elemente des Baues des Jurakreidegebirges bleiben 
nicht immer in diesem Abschnitte die gleichen. Eine sehr breite Neo- 
kommulde im N und ein Sattel mit Lias im Kern im S sind jedoch 
stets vorhanden. 

An diesen Sattel schließt sich noch eine Mulde an, deren Reste 
zumeist jedoch (Neokomtrümmer am N-Rande der Vorbergscholle) undeut- 
lich sind; nur im äußersten O (im Gebiete der Wangalpe) ist sie an- 
nähernd normal ausgebildet. Von dort nach W hin gewinnt der Lias- 


[75] Der Schollenban im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 75 


sattel entsprechend dem fast völligen Auskeilen der südlichen Mulde 
an Breite (zwischen Hinterreintalschrofen und Schönberg). 


Die Verhältnisse um den Hohen Kamm. 


In Höhe des Hochwannerzuges ändert sich das Bild; der Mulden- 
bau wird durch längs der Achsen streichende Longitudinaldislokations- 
linien, die jetzt auftreten, gestört. Es scheint, als ob sich zwischen 
den Liassattelzug (der zum „südlichen“ wird) und die nördliche Neo- 
kommulde ein neues tektonisches Element, das gegen N und S von 
Störungen begrenzt ist (Reissche Karte), einschöbe. 

Dieses scheint aus zwei sehr engen Sätteln zu bestehen, die eine 
sehr enge Mulde einschließen ; letztere enthält fast nur oberen Jura 
mit wenig Neokom (im W) im Kern; ihre transversale Breite ist sehr 
gering. In beiden einander parallelliegenden Sattelgebieten haben Auf- 
brüche von Eruptivgesteinen stattgefunden, und zwar kam es nicht 
zu Deckenergüssen; sondern es scheint, als ob die Ehrwaldite in sehr 
engen Schlöten !), jedesmal an den unteren Hornsteinen empordrangen. 

Im äußersten W dieses Abschnittes, unmittelbar vor der größten 
Verengung der Mulde am Felderjöchl ist diese Gliederung am reichsten. 

Intensive Faltung und transversale Schichtenverdopplungen durch 
Östschub haben das bewirkt. 

Diese abnormen Verhältnisse werden durch das Auftauchen der 
oberen Juraschichten am Mitterjöchl — in dernördlichen Neokommulde — 
ja schon durch eine kleine Adventivsattelung unter dem Hinterreintal- 
schrofen gewissermaßen vorbereitet und lassen Längsstörungen in der 
nichtgegliederten Neokommulde vermuten. 


Die wechselnde Enge der Falten kann auf die wechselnde In- 
tensität des Druckes bei gleichem Ausdehnungsraum und gleicher 
Widerstandskraft des Widerlagers zurückgeführt werden. 

Warum war nun die Wirkung, die Faltungsintensität im Gebiete 
des Hohen Kammes am größten, wo das Widerlager zweifellos am 
schwächsten ?) war? 

Der Grund liegt in der Wirkung des Ostschubes, den die Zwischen- 
scholle ausübte. Wir sahen oben, daß sie während der Sekundär- 
faltung nach W geschoben wurde und westlich des Hochwanners nach 
NW abgedrängt wurde. Der Hochwannerzug mußte also Ostdruck aus- 
üben, einen Ostdruck übte ferner direkt die Leutaschscholle aus. 

Da die westliche Hauptwettersteinscholle mit ihrem SW—NO 
streichenden Rande (Gatterlköpfe—Gatterl) und die Vorbergscholle ein 
Ausweichen nach W nicht erlaubten, so wurden die jungen Schichten 


') Gelegentlich der pag. 38, Anm. 1 schon erwähnten Exkursion wurden noch 
einige neue Vorkommen an den zerrissenen Graten des Südabfalls des Hohen 
Kammes entdeckt. Das Material, welches in der Münchener Staatssammlung liegt, 
ist gleichfalls stark zersetzt. 


2) Denn die Zwischenscholle nimmt von OÖ nach W nicht nur an Höhe, 
sondern auch an Breite ab; im Gebiete des Hohen Kammes stehen ihre Trias- 
schichten durchweg saiger. 


10* 


76 K. C. von Loesch. [76] 


hier gestaut und es kam zu jenen Mulden- und Sättelverdoppelungen, 
die wir oben geschildert haben. 

Dadurch wurde aber eine neue Raumverengung geschaffen, die 
sich in der Erhöhung der Wirkung des Süddruckes bemerkbar machte, 
in einer Hochpressung des Hohen Kammes, in der Überwältigung der 
nördlichen Trias. 

Die Intensität der Faltung hatte schon vorher ein festes Gerippe 
in der Jurakreidemulde geschaffen, welches eine Querstellung der 
zwischen Triasmauern eingeschlossenen jungen Schichten — analog den 
Barren an den westlichen Stirnrändern — nicht mehr zuließ, sondern 
nur noch Steigerungen der Wirkung in den ein- für allemal vorge- 
zeichneten Bahnen: OW streichende Falten und Längsverschiebungen. 
Jede mehr oder weniger gleich gerichtete Kraft mußte sich nach diesen 
Richtungen bewegen und summierend wirken. 

Da Ostschub und S-Faltung gleichzeitig wirkten, so ist der Nach- 
weis des Wirkungsanteils eines jeden Druckes kaum möglich. 

Der Zusammenhang zwischen dem Ostschub der Zwischenscholle 
und den Längsverschiebungen südlich des Hohen Kammes ist nach- 
zuweisen: die Abbiegung der ersteren nach WNW nämlich beginnt 
gleichörtlich mit den Faltenverdoppelungen westlich der Linie Hoch- 
wanner—Mitterjöchl. 


Die Verhältnisse östlich des Feldernjöchls. 


Hier beschränkt der Widerstand der nördlich vorgelagerten 
Plattumrandung die Jurakreidemulde auf ihre kleinste transversale 
Breite längs des verengenden Issentalköpflkomplexes. Westlich des- 
selben werden die Mulden wieder weiter; doch steht die Grenze 
zwischen Trias und Neokom längs des ganzen Wettersteingebirgsrandes 
steil. (Vgl. Textabbildung 4.) 

Leider sind sehr große Areale mit Schutt bedeckt, so daß manch 
wichtige Frage unentschieden bleiben muß. 

Die Enge der Faltung ist die Folge des Süddruckes. Die transver- 
sale Schichtenwiederholung in der Trias, die Querstellung der jungen 
Schichten westlich der Trias [der Issentalköpfl] und die Longitudinal- 
verschiebungen der — westlich der Ehrwalder Alm offener werdenden 
— Kreidejuramulden sind Folgen des Ostschubes. 


Die beiden letzteren Phänomene scheinen nicht von noch jüngeren 
Störungen abgeschnitten worden zu sein, wohl aber das erstere. Da 
wir hier mit zwei Ostschubphasen zu rechnen haben [erstens der Phase, 
die die Vorbergscholle, respektive die nördliche Randzone der Mie- 
minger an Ort und Stelle brachte, zweitens der Phase, in der die 
Leutaschscholle an die Vorbergscholle stieß, ihr den Schub mitteilte (re- 
spektive in der die Vorbergscholle wiederum dem Issentalköpflkomplexe 
diesen zweiten Ostschub mitteilte)], so könnte es sein, daß die Schicht- 
wiederholungen schon in einer früheren Ostschubphase bewirkt wurden 
und vollendet waren, als mit dem zweiten Ostschub der Leutasch- 
scholle die schon vorhandenen mittleren Mulden einmal aufgeschürft 
und quergestellt, ein andermal längsverschoben wurden. 


[77] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 77 


Wie sind die jungen Schichten (nahe der Feldernalphütte 1512 m») 
in jene so weit südliche Lage zwischen die Vorbergscholle und die 
Mieminger Scholle geraten ? 

Es liegt kein Anlaß vor, diesen Vorgang mit Hilfe einer „Dia- 
gonalverwerfung* zu erklären; sondern die S-Faltung, welche die Vor- 
bergscholle (zugleich) zum Teil heben mußte, und der Ostschub durch 
die Leutaschscholle reichen theoretisch zur Vorstellung der hier einst 


Textabbildung 4. 


Neokomaufschluß am S-Fuße der Wettersteinspitzen (P. 2750 m). 


Zeichenerklärung: 
Mk = Muschelkalk. — Wk = Wettersteinkalk. — N = Neokom. — S — Schutt. 


Das gleiche Bild bietet sich an allen Aufschlüssen des Wettersteinschubmassen- 
sockels zwischen den Holzerwiesen im W und dem Goasel im O. 


tätigen Vorgänge aus, ganz gleich, welcher der beiden (pag. 81 f. 
erwogenen) Möglichkeiten man den Vorzug gibt. 

Wer die Issentalköpfl zur Vorbergscholle rechnet, muß annehmen, 
daß der Süddruk ein Zerreißen der Vorbergscholle herbeiführte. Während 
längs der westlichen Wettersteinscholle die jungen Schichten nicht 
gegen N ausweichen konnten, also die ihnen benachbarten Teile der 
Vorbergscholle auch nicht nach N vorgeschoben wurden, so wich — im OÖ 
des Feldernjöchls — die Jurakreidemulde um einige 10OOm gegen N aus!) 
und der östliche Teil der Vorbergscholle mußte nachfolgen. In die 
entstehende Lücke konnten die Jurakreideschichten eindringen und sich 
mit den Trümmern der Trias an der Reißlinie mengen. Der ÖOst- 


1) Vgl. pag. 73 u. 74. 


78 K. C. von Loesch. | [78] 


schub der Leutaschscholle schob später die nunmehr etwas nördlicher 
liegende Vorbergscholle an den jungen Schichten (östlich der Feldalp- 
hütte) teilweise vorbei. 

Stellt man aber die Issentalköpfl zur nördlichen Randzone der 
Mieminger Scholle und läßt man die Vorbergscholle in Höhe des 
Feldernjöchls enden, so muß man mit dem Vorbeigleiten der ersteren 
längs der in Hebung und im Vordringen gegen N begriffenen Vor- 
bergscholle rechnen. 

So entstand wohl ein Dreieck zwischen Wettersteingebirge im 
N, Vorbergscholle im O und Mieminger Scholle im SW, in dem die 
jungen Schichten sich befanden, in das beim Ostschub der Leutasch- 
scholle die Vorbergscholle hereingepreßt wurde. 


Es bedarf wohl keiner näheren Ausführungen, daß so hypotheti- 
sche Vorstellungen nicht zur Entscheidung der Zurechnungsfrage bei- 
tragen dürfen. 


Die Querstellung der jungen Schichten unter dem Westab- 
bruch des Wettersteingebirges 


kann nie, wieSchlagintweit meint, durch Südschub, sondern 
nur durch abschürfenden Ostschub herbeigeführt sein. Die Juraschichten 
südwestlich des Ehrwalder Köpfls liegen genau im Streichen der nach N 
abgebogenen Mulde und sind — wie diese — als vor der Schubmasse her- 
geschobene Teile des Untergrundes anzusehen. Unbegreiflicherweise 
läßt Reis, der sonst den Östschub uns ja als erster gezeigt hat, diese 
Juraschichten das Ehrwalder Köpfl von S her „überschieben“, als ein 
letztes Stadium einer Art Stirnrand,„verkeilung* (1, pag. 95). 

Da die jungen Schichten keinen aktiven Schub hatten, so müßte 
also eine aktiv schiebende Masse einst von S her diese Jura- 
kreideschichten auf das Ehrwalder Köpfl geschoben haben. Eine 
solche gab es aber nie; es ist unendlich viel einfacher, diese Jura- 
schichten mit der quergestellten Mulde gemeinsam abgeschert und 
gemeinsam von der Wettersteinscholle [von O her] geschoben sein 
zu lassen. 


Wann fand der Erguß der Ehrwaldite statt?!). Jedesmal finden 
wir sie an Stellen höchster Intensität der Faltenbildung, einmal süd- 
lich des Hohen Kammes, zum anderen am Lähngrabenbach: dort, 
wo die Jurakreidemulde aus ostwestlicher in die Südnordrichtung um- 
biegt [oder besser umbricht. Denn es scheinen, nach den Aufschlüssen 
des neuen Jagdweges, an der Umbruchstelle stärkere Störungen durch- 
zustreichen, als das die Reissche Karte andeutet.] 

Wenn nun die Ehrwalditaufbrüche auf die Stellen höchster Störung 
beschränkt sind, so liegt der Schluß sehr nahe, sie als eine Folge 
dieser intensiven Faltung?) anzusehen, wogegen keine Beobachtungen 
sprechen. | 


1) Vgl. pag. 75. 
?) Sekundärfaltung, bzw. Sekundärumbiegung. 


[79] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 19 


Reis dagegen läßt sie nach einer „ersten nicht geringen Zu- 
sammenfaltung“ aufsteigen, aber vor der Muldenabbiegung nach N, 
vor der letzten „Aufpressung“. Leider gibt er keine Gründe für diese 
Annahme an. 


K. Die Mieminger Scholle. 


Sie deckt sich mit den Grenzen !) von Ampferers Inntaldecke 
bis auf den Nordrand, den ich südlicher verlaufen lasse, da ich Vor- 
berg- und Leutaschscholle für selbständig halte. 

Die Westgrenze zieht — soweit sie nicht aus dem Gebiete 
herausfällt — am Westfuße der Wettersteinkalkmassen der Sonnspitz 
und des Schachtkopfes entlang. 

In unserem Gebiete lassen sich zwei recht verschieden ausge- 
bildete Abschnitte in der Mieminger Scholle unterscheiden: ein öst- 
licher, mit vorwiegend junger und ein westlicher mit vorwiegend 
älterer Trias, dies- und jenseits der Hauptsüdnordlinie ?2) Innknie— 
Buchen— Wackerle in der Plaik—Westende der Gehrenspitze, der 
schmalsten Einschnürung unserer Scholle. 

Im äußersten W, noch jenseits des Fernpasses liegt das Heiter- 
wandgebiet, das uns jetzt nicht angeht. Anschließend folgt das Mie- 
minger Gewölbe. Dies zerfällt (nach Ampferer) in zwei Abschnitte: 
einen östlichen bis zum Mariabergjoch, in dem nur der Südschenkel 
des Gewölbes erhalten ist, und einen westlichen von dort bis Buchen, 
mit beiden Gewölbeschenkeln. 

Der Sattel ist im First geborsten und bald überschiebt der nörd- 
liche Schenkel den südlichen, bald der südliche den nördlichen (Süd- 
Norddruck!). 


[Nach S folgt eine Mulde mit Hauptdolomit im Kern und alter Trias an den 
aufgebogenen südlichen Rändern.] 


Im Mieminger Gebirge selbst überwiegen Wetterstein- und 
Muschelkalk, die die hohen Lagen bilden. Auch gegen N stellen sich 
immer jüngere Schichten im Nordschenkel ein (Gaistal), in W nur 
Raibler Schichten, in O Raibler und Hauptdolomit; doch sind die ur- 
sprünglichen Verbände stark gestört. 

Jenseits der oben erwähnten Nord-Südlinie des Innknies findet 
man zunächst nur noch Hauptdolomit. Es folgt die Seefelder Hoch- 
fläche, die [bei starker (Glazial-) Erosion] nur verhältnismäßig geringe 
Meereshöhe mehr aufweist, auf sie das Seefelder Gebirge mit be- 
trächtlichen Erhebungen [auf gleichfalls nur aus Hauptdolomit beste- 
hend]. Seinen Faltenwurf konnte Ampferer nicht nur bis ins Kar- 
wendelgebirge hinein verfolgen, sondern er glaubte auch die Identität 
des Mieminger Zuges mit dem vordersten der Seefelder Gebiete zu 
erkennen und sah hierin einen Beweis für den natürlichen Zusammen- 
hang aller dieser Gebiete [und die Scholleneinheit der Mieminger 
Scholle]. 


!, Soweit sie in unser Gebiet fallen. 
?) Vgl. pag. 72 u. 85. 


80 K. C. von Loesch. [80] 


Auf’pag. 40 sahen wir, daß noch Teile des Wettersteinkalkes 
der Arnspitzengruppe und Raibler Schichten zur Mieminger Scholle 
zu stellen sind, die ja — jenseits der Isar-Nord-Südlaufverlängerung 
gegen S — wieder viel alte Trias zutage gehen läßt. 

Solange die Mieminger Scholle an die Leutaschscholle grenzt, 
ist ihre steilstehende Nordgrenze fast gradlinig und ganz regelmäßig 
(vgl. pag. 53). (Nur wurde sie durch den Sprung bei Ahren, der von 
einer Horizontalbewegung begleitet ist, ein wenig nachträglich ver- 
schoben [vgl. pag. 42 u. 51)). 

Vom Hohen Sattel bis zum Westende der Leutaschscholle (aus 
Wettersteinkalk) bilden Hauptdolomitschichten die Nordgrenze der 
Mieminger Scholle. 

Sobald diese an die Vorbergscholle stößt, wird die Grenze un- 
regelmäßig, gleichörtlich (d. h. etwa von der Verlängerung der West- 
begrenzung der Leutaschscholle gegen S nach W an) mit der Auf- 
wölbung des eigentlichen Mieminger Gebirgssattels, der in so auf- 
fallendem Gegensatze zum Hauptdolomit der Seefelder Gebirge und 
zur Seefelder Hochfläche steht. Mit anderen Worten ausgedrückt: So- 
lange die Mieminger Scholle über Tag nur Hauptdolomitschichten zeigt 
und damit einen geringeren Grad von Auffaltung und Abtragung, ist 
ihre Nordgrenze gradlinig. 

Jenseits der Innknienordsüdlinie, mit dem Eintritt in die Region 
der Vorberg- und der Zwischenscholle [in die Region der intensiven 
Auffaltung der Jurakreidemulde] wird die Nordgrenze — gleichzeitig 
mit dem Aufbrechen des Mieminger Sattels — unregelmäßig; sie springt 
bald nach N vor, bald gegen S zurück. 

Zugleich sind Längsstörungen und Querstörungen im Bau des 
nördlichen Gewölbeschenkels zu beobachten. Die ersteren scheinen 
die primären zu sein und sind wohl auf Widerstände gegen die Ost- 
bewegung der Mieminger Scholle zurückzuführen. Diese trennten — an 
longitudinalen Reißlinien — Parallelschöllchen vom Nordrande ab und 
schufen durch das Vorbeigleiten der Hauptmasse an den passiv ge- 
wordenen Randteilen jene Verdopplungen, die auf der Reisschen 
Karte und meinem Übersichtskärtchen gut heraustreten. 

Bis zum Nollenkopf ist der ungestörte Verband der Mieminger 
Scholle, der die Nordgrenze mit Hauptdolomitschichten bildet, wohl 
in der Hauptsache noch erhalten. 

Vom Leithentale bis zu. dem Bache, der von dem Feldernjöchl 
herabzieht, ist sie von verschiedenen Schichten gebildet, die einer 
stark durch Querstörungen zerstückten „nördlichen Randzone“ ange- 
hören. [Die Hauptmasse des Mieminger Gewölbes beginnt erst jen- 
seits der Leutascher Ache.] Bald sind es Glieder der Raibler, bald 
ist es wiederum Hauptdolomit. Wo die Schuttmassen der Vorberge sehr 
weit nach S vordringen, ist sogar bisweilen der Wettersteinkalk als 
nördlichstes Schichtenglied erschlossen; doch darf dann wohl stets mit 
einer Verschüttung jüngerer Schichten gerechnet werden. 

Das ganze Randgebiet nördlich des Mieminger Gewölbes ist früher 
als Gaistalmulde bezeichnet worden; dies ging zu weit. Eine tektonische 
Mulde kann höchstens im geschlossenen Hauptdolomitgebiet zwischen 
Klamm- und Leithenbach gefunden werden, wo im S der Haupt- 


[81] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 81 


dolomit normal nordfällt, im N dagegen bisweilen gegen S (SO). 
Diese verallgemeinernde Deutung [in Profil IV meiner Profiltafel] ist 
also fraglich, da die Abweichungen vom N-Fallen — in Anbetracht 
der für den Hauptdolomit charakteristischen Wechselfähigkeit in der 
Richtung des Einfallens — ganz gut als lokale Erscheinungen ange- 
sehen werden könnten. 

Aus dem gleichen Grunde ist es schwer [in diesen, noch dazu 
schlecht aufgeschlossenen, oft schichtungslosen Massen] die lokalen 
Störungen von den weiterreichenden zu trennen und letztere zu 
verfolgen. Sie werden vielleicht im Hauptdölomitgebiet noch vorhanden 
sein, da sie ja im anstoßenden Raibler Gebiet so häufig sind, in welchem 
die reiche Gliederung an Hand der sorgfältigen Reis’schen Aufnahmen 
einen guten Überblick gestattet. 

Im W fehlen südfallende Schichtenkomplexe nicht. Immerhin 
kann von einer „Mulde“ bei der so weitgehenden Zerstücklung schwer- 
lich die Rede sein. 

Nördlich der eigentlichen Mieminger Sattelscholle kann man 
(vgl. das Übersichtskärtchen) zwei Randzonen unterscheiden, die sich 
mehr oder weniger deutlich voneinander und vom Hauptgewölbe 
abheben, je nachdem die Schuttbedeckung eine größere oder geringere ist. 

Die südlichere und im allgemeinen westlichere besteht aus 
Wettersteinkalk und ist gegen das Hauptgewölbe durch eine höchst 
auffallende Terrasse abgesetzt!). 

Ihr Wettersteinkalk liegt im W wenigstens (westlich der Pest- 
kapelle) zumeist horizontal. 

Sie erstreckt sich von der Langenlähn über die Pestkapelle und 
die Feldernalmhütte (bis hierher ist ihre Nordgrenze leicht zu ver- 
folgen — erst besteht sie in einer Geländestufe, dann folgt sie dem von 
der Quelle bei der Pestkapelle entspringenden Zufluß des Geißkaches) 
bis zur Tillfußalm; ja vielleicht sind die am Leutascher Wege vor 
dem Köthbache anstehenden Wettersteinkalkschichten noch zu dieser 
Zone zu stellen. Gegen S bildet hier die Leutascher Ache die Grenze, 
südlich deren noch die Raibler Schichten des Mieminger Hauptgewölbes 
ins Tal einschießen. Gegen W wird der Nachweis mit dem Auskeilen 
der Raibler schwieriger; doch besagt der Gegensatz zwischen dem steil- 
nordfallenden Wettersteinkalke (Breitenkopf, Igelskopf, Tajakopf, 
Sonnspitz) des Gewölbes und der breiten schutt- und moränenbedeckten 
Terrasse, auf der der Negelsee und die Seebenalmhütte liegen, genug. 

Ob der Schachtkopf zu dieser Zone zu stellen ist, wie es das 
Übersichtskärtchen andeutet, mag dalıingestellt bleiben. 

Diese südlichere Randzone "mußte, weil aus Wettersteinkalk be- 
stehend, besser erhalten bleiben als die nördlichste, in der Raibler 
Schichten den Hauptdolomit und den Wettersteinkalk weit über- 
wiegen. 

Ihr östlicher Abschnitt zwischen dem Leithenbach und dem vom 
Felderjöchl kommenden Bache, [dem Wettersteinkalk fehlt], mag noch 


!) Wer je am Holzereck oder unter dem Wetterwandeckeinstieg gestanden hat, 
dem wird diese so deutliche, so weithin verfolgbare Terrasse sich ins Gedächtnis 
geprägt, den wird sie zum Nachdenken veranlaßt haben. 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. C. v. Loesch.) 11 


32 K. C. von Loesch. [82] 


enge Zusammenhänge mit der südlich benachbarten Zone aufweisen 
und erst in verhältnismäßig später Schubphase von ihr abgetrennt 
sein. Aber er ist weit stärker gestört als jene. Quer- und Diagonal- 
verwerfungen (letztere im „Gaiselt“) sind häufig, korrespondieren aber 
nicht direkt mit den Abdrehungen der Vorbergscholle (pag. 68 ff.). 

Südlich der Westbegrenzung der Vorbergscholle im engeren 
Sinne stellen sich am Westende dieses östlichen Abschnittes ganz 
junge Schichten, Teile der Jurakreidemulde, am Nordrand der Mie- 
minger Scholle ein. 

Im Gebiete der Feldernalm sind die Aufschlüsse spärlich. In den 
Bachrissen sieht man Teilschöllchen älterer und mittlerer Trias (die, 
da der natürliche Verband bei der weitgehenden Zerstückelung fast 
stets gelöst und der Schichtbestand der Vorberg- und der Mieminger 
Scholle der gleiche ist, jeder von beiden ursprünglich angehören 
könnte) mit sicher aus der Jurakreidemulde herrührenden jüngeren 
Schichten gemengt. 

Weiter westlich werden die Aufschlüsse im Issentalköpflkomplexe 
besser und die jungen Schichten sind auf die quergestellte Mulde 
und den Nordrand beschränkt: die Zerstückelung ist aber noch denk- 
‚bar groß. 


Hier stehen wir vor 3 Fragen: 


1. Ist die Herkunft der Einzelschöllchen im Issentalköpflkomplex 
noch auch nur mit annähernder Sicherheit nachzuweisen ? 

2. Ist dieser Komplex überhaupt noch als eine „Einheit“ von 
tektonischer Bedeutung anzusehen und, wenn ja, 

3. ist er dann zur Vorberg- oder zur Mieminger Scholle zu 
stellen ? 


Prüfung der einzelnen Bestandteile. 


Die Kössener Schichten, die gleichfalls (siehe oben) randlich ange- 
ordnet sind und geringe Verbreitung haben, sind in den beiden Trias- 
schollen noch nicht nachgewiesen worden und dürften zur Jurakreide- 
mulde zu rechnen sein. Der Kössener Zwickel am Fuß des vorderen 
Oberlähnkopfes, welcher in der Karte fehlt (vgl. 1, pag. 113, Nr. 13), 
braucht nicht als Zeuge für das Vorkommen von Rhät im normalen 
Verbande der Mieminger Scholle angesehen zu werden; sein Vor- 
kommen muß wohl tektonisch erklärt werden. 

Am unsichersten ist die Herkunft des Hauptdolomits. 

Die Hauptdolomitschichten könnten in allem 3 Schollen ange- 
hören, aber auffallenderweise finden wir sie in keiner der dreien 
in unmittelbarer Nähe des fraglichen Bezirkes. 

Am nächsten noch in der nördlichen Zone unter dem Muschel- 
kalk des Vorderen Oberlähnskopfes; in der Vorbergscholle noch weiter 
westlich erst am Steinernen Hüttl. 

Aus der eigentlichen Jurakreidemulde ist zwar kein einwandfreies 
Vorkommen von Hauptdolomit bekannt, aber wo Kössener Schichten 
gefunden werden, da würde auch eine Entblößung des Hauptdolomiits, 
zumal Plattenkalke fehlen können, nicht unmöglich sein. Es ist viel- 
leicht kein akzidentielles Zusammentreffen, daß der Hauptdolomit 


[83] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 83 


stets neben Gliedern der Jurakreidemulde gewissermaßen in randlicher 
Lage liegt, wie zum Beispiel der den Gipfel der Issentalköpfl bildende 
neben den so versteinerungsreichen Kössenern der Ehrwalder Alm. 
Für eine Zurechnung zur Jurakreidemulde spricht die Tatsache, daß 
hier die Störung und Aufpressung besonders stark war: gegen die zu 
den beiden anderen Schollen, daß in beiden der Schichtbestand von 
OÖ nach W sichtlich verarmt. 

Endlich wäre es nicht ausgeschlossen, daß der Hauptdolomit 
keiner der 3 Schollen entstammt, daß er irgendwo abgerissen und 
vor den Schubmassen hergeschoben ist. Doch fehlen dafür alle 
Anhaltspunkte. 

Die Raibler und der Wettersteinkalk können dagegen nur den 
beiden Triasschollen entstammen. In der Vorbergscholle überwog bis 
dahin der Wettersteinkalk an Areal der Raibler weit, während in den 
nördlichen Zonen und im Issentalköpflkomplex das Verhältnis eher 
umgekehrt ist. 

Die Vergleichung der Areale darf aber kein Argument für eine 
Zurechnung sein, da große Gebiete zwischen den Issentalköpfln und 
den Westenden der beiden in Frage kommenden Schollen durch 
Schutt und Moräne verdeckt sind, in denen sich zum Beispiel eine 
Abnahme des Wettersteinkalkes der Vorbergscholle gegen W hätte 
anbahnen können. Eine solche ist vielleicht schon in den aufge- 
schlossenen Gebieten vorbereitet. (Der Muschelkalk fehlt vom Schön- 
berge ab nach W). 


Wir beantworten Frage 1 folgendermaßen: 


Nur für die Schichten vom Neokom bis zum Rhät einschließlich 
kann die Herkunft mit Sicherheit festgestellt werden. Sie entstammen 
der Jurakreidemulde. Für den Hauptdolomit, die Raibler und den 
Wettersteinkalk ist das nicht möglich. 

Trotz obiger Feststellung kann nach Ausscheidung der älteren 
Schichten bis zu den Kössenern einschließlich hinauf in diesem Kom- 
plexe [unter Bejahung von Frage 2] eine Einheit, die tektonisch ist, 
gesehen werden. 

Sie besteht in dem Gegensatz zu den nachweislich zur Jura- 
kreidemulde gehörigen Gliedern der quergestellten NS-Mulde westlich 
unseres Komplexes. 

Dieser hat, nachdem er die heutige Zusammensetzung erhalten 
hatte, jene Schichten abgeschert und quergestellt. Hätte er nach 
dieser Querstellung noch wesentliche Veränderungen erfahren, so 
würden diese eine erhebliche Störung der Quermulde bewirkt haben 
müssen, was aber nicht der Fall ist. 

Die weite Erstreckung des letzteren steht in einem — nur so be- 
greiflichen — Gegensatz zur kleinlichen Zerstückelung innerhalb des 
Issentalköpflkomplexes, dem die Hauptdolomitmassen [gleichgültig, 
welcher Herkunft sie sind] schon zur Zeit der Querstellung angehörten. 

Die dritte Frage ist folgendermaßen zu beantworten: 


Da die Hauptstreichrichtung innerhalb des Komplexes die gleiche 
ist, wie innerhalb der Vorberg- und Mieminger Scholle (O—W), da 
die Bauelemente die gleichen sind und da er endlich — beiden be- 

11* 


84 K. C. von Loesch. [84] 


nachbart -- in der Verlängerung sowohl der Vorbergscholle als auch der 
Randzone liegt, versagen die Hauptkriterien, die für die Zurechnung 
zu Schollen zu Gebote stehen. 

[Eine Bewegung gegen O, die die Einheitlichkeit des Komplexes 
nachwies, machen gleichfalls beide Schollen durch. Die den Durch- 
schnittshöhen der Vorbergschollengipfel annähernd entsprechende 
Höhenlage der Issentalköpfl kann durch die Hebung beim sekundären 
Südschub hinreichend erklärt werden.]| 

So muß wohl die 3. Frage offen bleiben. 

(Bezüglich der Entscheidung. die eine graphische Darstellung 
verlangte, vgl. pag. 29 und pag. 32). 

Für die Gesamtauffassung ist es ziemlich belanglos, ob der Ost- 
schub der Vorbergscholle oder der der Mieminger Scholle die Fast- 
querstellung ausführte. 


Der Schub der Mieminger Scholle. 


Die Mieminger Scholle geht in unserem Gebiete noch nicht aus,” . 
sondern erstreckt sich weiter nach W in die Lechtaler Alpen. Darum 
kann auch in unserem Gebiete kein so prächtiger Stirnrand, wie er sich 
am Westende des Wettersteingebirges bietet, erwartet werden. 

Jenseits des Madauer- und Parseiertales bieten quergestellte 
Mulden junger Schichten einen sicheren Beweis für einen Ostschub. 
Jenseits dieser Linie löst sich die Schubmasse in immer kleiner 
werdender Inselchen auf, die — entsprechend der Hebung der Schub- 
fläche in den Lechtaler Alpen von OÖ nach W — schließlich nur noch 
die Gipfel krönen (nach Ampferer 30). 

Aber selbst innerhalb unseres Gebietes findet man hinreichende 
Beweise für den Ostschub der Mieminger Scholle: so am Westfuße 
des Schachtkopfes, an welchem Juraschichten mitten im Hauptdolomit- 
Plattenkalkareal des Fernpasses aufgeschlossen sind. Leider ist dieser 
partielle Stirnrand stark verschüttet. 

Die beiden nördlichen Randzonen der Mieminger Scholle und 
ihre Störungen sind hierher zu rechnen: sie sind longitudinal abge- 
spalten, die Negelseeterrassenzone ist vielleicht noch einseitig in ihren 
südlichen Partien durch Ostschub überfahren worden. Der Schacht- 
kopf selbst ist ein Analogon des Ehrwalder Köpfls. 

Endlich sind die Vorbergscholle selbst (ihre heutige transversale 
Lage) und die sekundären Ablenkungen ihrer Einzelschöllchen nur 
durch den Ostschub der Mieminger Scholle zu erklären. 

Gegen Norden und Süden begrenzen Randspalten in steiler 
Stellung die Mieminger Scholle sowohl in unserem Gebiete wie in den 
Lechtaler Alpen !). 


') 30, pag. 12: „Die Grenze zwischen Kalkalpen und Kristallin ist eine 
mächtige Bewegungszone, der entlang verschiedenes Gebirge steil gepreßt anein- 
ander stößt.“ „... daß entlang der ‚Inntallinie‘... nach der Gosauzeit bedeu- 
tende Verschiebungen stattgefunden haben...“ Pag. 13: „Die Grenzfläche steht in 
unserem Bereiche allenthalben steil“. Soweit handelte es sich um die Grenzfläche 
zwischen Kristallin und der Lechtaler Alpen überhaupt. Über die Südgrenze der 
„Luntaldecke“, die in der Gegend von SchönfließB von W her das Inntal erreicht, 


[85] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 85 


An der Nordgrenze scheint die Randspalte nur dann vollkommen 
steil zu stehen, wenn sie auch vollkommen ostwestlich verläuft. So- 
bald diese Grenze im rechten Winkel nach S abbiegt, kommt es zu 
Stirnrand ähnlichen Bildungen mit flacher Schubfläche. So wie sie schräg 
diagonal gegen WSW gerichtet ist, ergibt sich der Effekt eines ein- 
scharigen, einseitigen, einseitig den Untergrund aufrichtenden Pfluges 
(vom Mariabergjoch nach W gegen die Heiterwandlinie). 


Die „Inntallinie* (Ampferers) im Süden ist von fast noch 
größerer Wichtigkeit als die Nordgrenze. Sie muß während der Schub- 
phase der Mieminger Scholle das feste Scharnier gewesen sein, ent- 
lang dem sich diese gegen W schob und das nicht nachgab. So 
erklärt sich, daß aller Druck, welcher beim Ostschub der gegen OÖ 
sich verbreiternden Scholle entstand (deren Durchzugsraum noch da- 
zu durch das Zurückbleiben der Vorbergscholle verengt war), inner- 
halb dieser Scholle und gegen N wirkte. 


Innerhalb dieser Scholle: bald ist der nördliche Gewölbeschenkel des Mie- 
minger Hochgebirges über den südlichen, bald der südliche über den nördlichen 
geschoben. 

Gegen Norden: Quetschung der nördlichen Randzone, Hebung der Vorberg- 
scholle, intensive Sekundärfaltung der Jurakreidemulde. 


Östlich der Hauptnordsüdlinie !) (von der Zone zwischen dieser und 
dem Mariabergjoch mag hier, weil sie „unnormal“ ist, abgesehen werden) 
divergieren die Nordgrenzen von Mieminger Scholle und Kristallin sehr 
stark. Erstere streicht longitudinal mit, einer unbedeutenden Abweichung 
nach ONO bis zum Brunnensteineck — weiter haben wir sie noch 
nicht verfolgt — letztere gegen OSW auf Innsbruck zu. 

In diesem offeneren Felde fehlen nicht nur alle Sekundärstörungen, 
sondern es ist auch fast nur junge Trias aufgefaltet. 


Betrachtet man diese Verhältnisse vom Standpunkt der Ost- 
westbewegungen, so fällt zunächst auf, daß die Leutaschscholle gerade 
an der Hauptnordsüdlinie ihr Westende erreicht, zum Stehen kommt. 


Die Mieminger Scholle gleitet an ihr (mit steiler Randspalte) 
vorbei, erfährt aber von nun an die größten Störungen in sich, Ab- 
spaltungen und Stauungen; diese äußern sich in südlichem Sekundär- 
druck, heben die Vorbergscholle und falten die Jurakreidemulde 
intensiv. 


An anderer Stelle?) wurde der Zusammenhang dieser Erscheinun- 
gen mit den Schubphasen des Nordflügels nachgewiesen. Dieser konnte 


sagt Ampferer pag. 16: „Hier scheint sich diese Bewegungsfläche jener an der 
Grenze von Kalkalpen und Urgebirge anzugliedern.“ 

Damit scheint Ampferer, ohne es deutlich auszusprechen, den Ostschub 
seiner „Inntaldecke“ anzunehmen, im Gegensatz zum Querschnitt (6, pag. 683) in- 
dem er noch sagte: 

„Da wir nun diese Scholle von N nicht aus ihrem Untergrund und wegen 
ihrer weiten Erstreckung auch nicht gut von O her ableiten können, so bleibt nur 
übrig, sie von S her zu beziehen.“ Diese neue Anschauungsweise deckt sich voll- 
kommen mit den Resultaten dieser Arbeit. 


1) Vgl. pag. 72 u. 79. 
2) Vgl. pag. 76, 94 u. 95. 


86 K. C. von Loesch. [86] 


aber nur die Faltung verstärken, konnte den Anlaß bieten zum Zu- 
rückbleiben zum Beispiel der Vorbergscholle. 

Die Vorbedingungen hierzu, dieZertrüämmerung des Gewölbefirstes, 
mußte schon vorher in östlicherer Lage geschehen sein, und zwar war 
dies möglich bei der Passierung der Hauptnordsüdlinie. 

Es hat also den Anschein, daß die Enge von Telfs, der Nord- 
vorstoß des Kristallin schon vor der Schubphase bestand, eine Frage, 
die ich mich mangels hinreichender Detailkenntnisse vom Bau des 
Zentralmassivs nicht zu entscheiden getraue. 

Ampferer hat (unter anderem in 4) die Vermutung ausge- 
sprochen — ich weiß nicht, ob er noch an ihr zurzeit festhält oder 
Gegenbeweise gefunden hat —, daß das Zentralmassiv mit dem Telfser 
Zipfel auf den Kalkalpen läge und die Depression der Seefelder Hoch- 
fläche mitverursacht hätte. Ein solcher Vorstoß müßte also erst nach 
der Schubphase eingetreten sein und zu beiden Seiten der Haupt- 
nordsüdlinie gleichsinnig gewirkt haben, wovon nichts zu sehen ist. 
Da die Hauptnordsüdlinie auch nicht in das Zentralmassiv fortsetzt 
(vgl. dessen regelmäßigen Bau auf Blatt Zirl, 26), so kann kein ein- 
seitiger aus dem Zentralmassiv kommender Stoß von S die Ursache 
der auf die Westhälfte der Mieminger Scholle beschränkten Störun- 
gen sein. 

Nimmt man aber, vorerst als Arbeitshypothese, an, daß der Vor- 
stoß schon vor der Schubphase bestand, so erklären sich die Störungen 
westlich der Nordsüdlinie von selbst. Die Mieminger Scholle, die vor 
Passierung dieser Linie nur schwächer gefaltet war, erlitt, als sie durch 
die Enge gezwängt wurde, Katastrophen. 

Nach Ampferer bestehen die westlichsten Teile der Inntal- 
decke noch aus Hauptdolomit. Als diese Westenden!) des Südflügels 
der großen Schubmassen die Enge überschritten, war [abgesehen von 
ihrer vielleicht geringen Breite] der Ausweichraum nach N hin noch 
nicht durch den erst allmählich sich verkeilenden Nordflügel versperrt. 

Die Ursachen, aus denen die Hinteren Karwendelketten (der 
Mieminger Scholle) so hoch gefaltet sind — das Seefelder Hochgebirge 
vermittelt zwischen diesen und der Seefeider Hochfläche — und die 
östliche Fortsetzung der Leutaschscholle-Vorderen Karwendelschub- 
masse sollen in einer weiteren Arbeit untersucht werden. 


L. Das Problem der Wamberger Scholle und die Vor- 
schuppe(n). 


Der Gedanke an die gänzliche Vertretung des Wettersteinkalkes ?) 
ist, wie schon gesagt, von keiner Seite a limine abgewiesen worden. 
Freilich neigt Reis, auf dessen Urteil es in erster Linie an- 
kommt, ihm nieht zu. Es nimmt eine doppelseitige Vertretung der 
Partnachschichten durch Muschel- und Wettersteinkalk (und umge- 
kehrt) an, glaubt aber, daß stets noch Wettersteinkalk entwickelt war ; 


!) Vgl. pag. 21, 93 u. 9. 
°) Wie er in anderen Gebieten der Ostalpen angenommen worden ist. 


[87] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 87 


wo dieser, wie, über der Wamberger Scholle, fehlt, soll er ero- 
diert sein. 

Dementsprechend sieht er die Raibler Schichten, die die Wam- 
berger Scholle zu Dreiviertel umgeben, für von O her überschoben 
an: „so daß ein nach W offenes Fenster oder ein fensterartiger 
Schlitz, das gewiß auch zu einem nicht geringen Teil Erosionsfenster 
sein könnte, entstand.“ 

Nirgendwo ist ein für eine konkordante Ablagerung der Raibler 
Schichten über die Partnachschichten zeugendes Profil zu beobachten ; 
vielmehr legen sich erstere mit eigenem Faltenwurf neben und über 
die Wamberger Scholle. 

Gleichwohl ist diese weitverbreitete unmittelbare Nachbarschaft 
von unteren Raibler Sandsteinen und Partnachschichten der Wamberger 
Scholle derart frappierend, daß anfänglich ein jeder, der mit jenen 
Verhältnisse sich zu beschäftigen beginnt, dem Vertretungsgedanken 
als der scheinbar einfachsten Lösung Raum gewähren wird. 


Was spricht für fazielle Vertretung? 


Zunächst die große Mächtigkeit der Partnachschichten (400 m und 
mehr); „es ist ausgeschlossen, daß diese Zahl etwa eine mehrfache 
Wiederhulung geringerer Mächtigkeit darstellt“ (Reis). 

Im Falle der totalen Vertretung müßte man also der Mergel- 
fazies mindestens die halbe Mächtigkeit der Kalkfazies!) zuerkennen; 
ja die ursprüngliche Mächtigkeit der recht weichen Mergel könnte 
bedeutender gewesen sein. (Vgl. 1, pag. 65 ff.) 

Ferner ist es gewiß bemerkenswert, daß nirgends im Bereiche 
oder an den Grenzen der Wamberger Scholle Partnachschichten und 
Wettersteinkalk, und sei es nur tektonisch zusammengebracht, anein- 
anderstoßen. 

Daraus freilich, daß beide, die Wamberger Scholle und die sie 
begleitenden Raibler, ausgesprochen längsgesattelt sind, kann kein 
Argument für oder wider eine Lösung gewonnen werden. Denn ähn- 
liche Längssättel [und Längsmulden] finden sich als Folgen der primären 
SN-Faltung überall in unserem Gebiete, wo keine besonders 
unnormalen Verhältnisse vorliegen, und der Schub von O nach W 
mußte ein dem heutigen ähnliches Bild hervorbringen. 

Daß ein Ostschub, wie Reis ihn annimmt, tatsächlich stattgefunden 
hat, das beweisen die zahlreichen Quer- und Diagonalstörungen im 
östlichen Dreiviertel der Wamberger Scholle ?2) einwandfrei, ebenso 
die transversale Vermehrung der Zahl der Sättel an manchen Stellen, 
die nur als eine Verkürzung der Längenerstreckung, als Folgen der 
Ausweichbewegung bei Ostdruck auffaßbar sind. 

Jedoch schließen sich Ostschub und völlige fazielle Vertretung 
nicht aus. Man könnte ersterem Rechnung tragen und trotzdem — um 
der Annahme einer den Wettersteinkalk völlig abtragenden Erosion 


!) Das „Riff“ des Wettersteinkalkes hat über 800 m Mächtigkeit. 


?) Die in gewissem Sinne ein Analogon zur Zerstückelung der Vorberg- 
scholle bilden. 


88 K. C. von Loesch. [88] 


zu entgehen, weil für diese zunächst positive Argumente 
noch fehlen — an der völligen faziellen Vertretung festhalten. 

In diesem Falle müßte man annehmen, daß die Raibler Sandsteine 
konkordant über den obersten Partnachschichten abgelagert wären und 
daß der Östschub wenigstens an manchen Stellen (siehe unten) keine 
erhebliche Längsverschiebung !) hervorgebracht habe. 

Dagegen habe er die Verwischung des ursprünglichen Bildes, vor 
allem die Zerstörung der normalen Profile bewirkt (indem längs der 
Auflagerungsfläche eine solche Abspaltung eingetreten sei, wie sie 
diejenigen annehmen müssen [Abspaltung des Raibler vom Wetter- 
steinkalk], die mit Reis die Raibler von O her über die Partnach- 
schichten geschoben sein lassen). Die nach W bewegten Raibler müßten 
nach der Ablösung partiell dann die tektonisch basal gewordenen Part- 
nachschichten überfahren und gestaut, ja auch den Muschelkalk auf- 
gepreßt haben. Damit wäre zwanglos der Muschelkalkklotz nördlich 
des Salzgrabens und die Anhäufung der Partnachschichten am Fuchs- 
stern nordwestlich der Partnachklamm, ferner die relativ einfache 
Lagerung in dem Teil der Wamberger Scholle zwischen Risserjoch 
und Kreuzjoch erklärt, wenn man nur diese beiden höch- 
sten Erhebungen der Raibler als die am wenigsten weit 
nach OÖ verschobenen Widerlager ansähe, vor dem sich 
die Hauptmasse der Wamberger Scholle gestaut hätte. 
Letztere hätte wiederum das auffällige Ausweichen des nördlichen 
Raibler Zuges [Partenkirchen—Barmsee] nach N verursacht. 

Diese Erklärung hat etwas Bestechendes und doch keinen Be- 
stand; denn die Wamberger Scholle erstreckt sich noch weiter nach 
W bis fast an den Eibsee und die unten besprochenen Zusammen- 
hänge mit den Muschelkalk- und Partnachschichten im Riffel- und 
Stangenwalde sind unverkennbar. 

Warum fehlt dort die Raibler-Nachbarschaft vollkommen ? Be- 
sonders im N, westlich vom Risserkopf, hätte sie sich leicht erhalten 
können und müßte einmal aus der Blockbedeckung herauslugen. End- 
lich ist es doch befremdlich, daß kein einziger gemeinsamer Zug 
durch die Störungen der Wamberger Scholle und der sie begleitenden 
Raibler geht. 


Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei gleich hier bemerkt: 
Aus den Stauungen vor den — aus Risserkopf- und Kreuzjochraiblern 
gebildeten — Widerlagern ist gleichfalls kein Argument für oder wider 
die totale fazielle Vertretung abzuleiten. Hat man die letztere Er- 
klärungsmöglichkeit im Auge, so ist mit mehreren Schubphasen, wie 
an der Südseite des Wettersteingebirges, zu rechnen. Eine erste hätte 
dann eine An- und Überschiebung im Sinne von Reis bewirkt; sie 
wäre mit der Verankerung der Risserkopf- und Kreuzjochschollen be- 
endet gewesen; eine weitere hätte dann die oben geschilderten Stau- 
ungen bewirkt. 


ber, ') Von einem Süddruck ist nirgends etwas wahrzunehmen. Von S her 
kaun die östliche Hauptwettersteinscholle nicht über die Wamberger Scholle hin- 
weggegangen sein; denn sie müßte in den empfindlichen Partnachschichten ent- 
sprechende Störungen hervorgebracht haben. 


[89] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 89 


- Die Vorschuppe(n) der Hauptwettersteinscholle. 


Wie schon ausgeführt, lag das erheblichste Bedenken gegen die 
Reissche Anschauung darin, daß keine Argumente für die Erosion 
des vielleicht einstmals die Partnachschichten bedeckenden Wetter- 
steinkalkes gefunden wurde. Die folgende Erwägung setzt sie in ein 
neues Licht. 

Am Westabbruch des Wettersteingebirges wird die Muschel- 
kalkscholle des Ehrwalder Köpfls durch die Hauptwettersteinscholle 
überschoben. Durch die zwischen beide eingeschalteten Jurafetzen 
wird sie als eigene Vorscholle besonders deutlich gemacht. 

Es ist erheblich, daß sie ausschließlich aus Muschelkalk besteht, 
daß sich in den überschiebenden Triasmassen nach O hin immer 
Jüngere Schichten einstellen. Diese Beobachtung ist nicht für unser 
Gebiet, sondern für große Teile der nördlichen Ostalpen die Regel 
und mag als Gesetz angesehen werden. 

Diese Vorschuppe!) findet in dem Muschelkalk vom Zuggraben, 
vom Riffelwald und Stangenberg eine Analogie. Es ist kein kühner 
Schluß, alle diese Massen älterer Trias (im N stellen sich noch Part- 
nachschichten ein) als Reste des westlichen Frontteiles der Wetter- 
steinschubmasse aufzufassen, die, abgelöst, vorzeitig zum Stillstand 
kamen und dann teils über-, teils angefahren wurden. 

In unmittelbarer Nähe dieser Vorkommen findet sich (in etwas 
tieferer Lage) das letzte westliche Viertel der Wamberger Scholle ?), 
dem, wie schon bemerkt, die Raibler Nachbarschaft fehlt. 

Da beide aus fast gleichaltrigen Schichten bestehen [nur nach 
S hin wiegt der Muschelkalk vor, während gerade der äußerste West- 
teil der Wamberger Scholle fast ganz aus Partnachschichten gebildet 
ist], da ferner die Vorkommen im Stangen- und Riffelwald noch im 
Streichen der Wamberger Scholle liegen, so muß man sie wohl zu- 
sammenfassen und beide, wie die Vorschuppe des Ehrwalder Köpfls 
als die zurückgebliebenen, respektive überschobenen Reste des west- 
lichen Frontteiles der großen Triasschubmassen ansehen. 

Mit dieser auf den ersten Blick vielleicht befremdlichen An- 
nahme lösen sich in der Tat fast alle Schwierigkeiten. 

Der Wettersteinkalk fehlt über den Partnachschichten schon 
seit Zeiten, die vor dem Ostwestschub liegen, und zwar aus gleichen 


!) Die großen Schuttmassen nordwestlich des Zugspitz-Waxensteinzuges 
verdecken den Sockel der Schubmasse. So ist es nicht möglich festzustellen, ob 
eine einheitliche tektonische Linie vom Ehrwalder Köpfl bis Hammersbach durch- 
streicht, etwa so wie das Übersichtskärtchen es darstellt. 

Möglicherweise ist sie innerhalb der gewaltigen Muschelkalkmassen des 
Sockels teilweise aufgeschlossen und es waren nur die Schroffheit der Abstürze im 
W, die Waldbedeckung im N der Auffindung hinderlich. 

Man kann also eutweder mit einer oder mit zwei Vorschuppen rechnen; 
im Grunde ist es ohne Belang, wozu man sich entscheidet. 

Die Partnachschichten am Zuggraben, bei der Alplehütte und im Stangen- 
walde beweisen die Selbständigkeit der Vorschuppe(n). 

?) Wenn auch die Blockanhäufeng und Diluvialbedeckung das westliche 
Viertel in Inseln zerlegen und damit den Zusammeuhang der einzelnen Teile stören, 
so wäre eine Abtrennung von der geschlossenen östlichen Hauptmasse jenseits des 
Hammersbaches durch nichts gerechtfertigt. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd.. 1. u. 2. Hft. (K. C. v. Loesch.) 12 


90 K. C. von Loesch. [90] 


Ursachen, aus denen der Schichtbestand der großen Triasschubmassen 
[gesetzmäßig] von W nach O hin erst zunimmt. 

Seine Erodierung mag durch seine geringere Mächtigkeit auf 
Grund einer partiellen Vertretung durch die Partnachschichten er- 
leichtert worden sein. 

Es ist ein Vorzug dieser Auffassung, daß sie die totale fazielle 
Vertretung keineswegs ausschließt. Wer sie jedoch, wie der Verfasser 
als nicht hinreichend motiviert erachtet, dem erklärt sich das Fehlen 
der Raibler im W damit, daß sie dort nie zur Ablagerung gekommen 
sind, ihr Vorhandensein in O aber, wie schon oben angedeutet, 
durch tektonische Vorgänge. Ein Schub von O hat es bewirkt, daß die 
spiegelbildlich zueinander gelagerten Risserkopf- und Kreuzjochschollen 
etwa auf einer nordsüdlichen Linie ihr Westende erreichen. Während 
sich der Risserkopischolle keinerlei Hindernisse entgegensetzten, kam 
die Kreuzjochscholle, ein Teil der östlichen Hauptwettersteinscholle, zum 
Stillstand, als die Schubenergie nicht mehr hinreichte, die überfahrene 
westliche Hauptwettersteinscholle noch weiter zu überfahren. Dieser 
an sich unmotivierte, gleichörtliche Stillstand der (nördlichen) Risser- 
kopfscholle ist von Erkenntniswert. 

Darin liegt ein Beweis für die Scholleneinheit der gesamten 
Raiblerumrandung der Wamberger Scholle. 

Von der weiteren Schubphase, die die Stauungen etc. herbei- 
führte, ist schon oben ausführlich gesprochen worden. 

Die hier vorgeschlagene Lösung, die eigentlich nur eine Modi- 
fikation der Reisschen ist, rückt manche wenig beachtete Tatsache 
in ein neues Licht. 

Wenn sie auch die Entstehung der Eibseedepression nicht er- 
klärt, so läßt sie diese doch als sehr alt erscheinen. Denn in ihr 
scheint sich die Wamberger Scholle „verfangen“ zu haben. 

Die tiefe Lage der Wamberger Scholle, die höhere der Vor- 
schuppen vom Riffel- und Stangenwald, die höchste der (westlichen) 
Hauptwettersteinscholle scheinen jedoch nicht ohne weiteres als 
Grundlage zu einer Chronologie der Schubphasen ausgewertet werden 
zu dürfen — wegen der Mangelhaftigkeit der Aufschlüsse, die es 
auch untunlich erscheinen lassen, aus der Anordnung des Vorkom- 
mens von Partnachschichten am Nordfuß des großen Waxensteins 
Schlüsse über die Faziesverteilung vor den Schubphasen zu ziehen. 

Dagegen mag die Wamberger Scholle als ein nördliches Gegen- 
stück, das aber im Vorstoß nach W vorzeitig gehemmt wurde, zur 
Mieminger Scholle (Ampferers Inntaldecke) gesehen werden, die sich 
ja weit nach W bis ins Bschlapstal erstrecken soll. 


M. Das nördliche Vorland. 
Für dieses lassen sich aus den Ergebnissen des vorigen Kapitels 


nur wenige Erklärungsmomente gewinnen und ich glaube, daß wir 
erst die Neuaufnahmen !) abwarten müssen. 


!) Vgl. pag. I, Anm. 1. 


[91] Der Schollenbau im Wettersteiu- und Mieminger-Gebirge. 91 


Es handelt sich jetzt nur um die Frage, ob und wie weit die 
Schollen des Wettersteingebirges sich nach N erstrecken. 

Jenseits der Loisach scheinen sich diese, wenn wir von dem 
Raibler Aufschluß am Loisachknie unweit Garmisch absehen !), nicht 
mehr zu erstrecken. Vielmehr bildet der Loisachlauf — von der 
Schmelz bis Garmisch (SW—NÖ) — eine ausgesprochene Grenze: im 
NW liegt Hauptdolomit von eigentümlichem Baue, im SO das Wetter- 
steinkalkgebirgssystem. Diese Grenze läßt sich gradlinig über die 
Schmelz hinaus nach NSW bis in die Gegend des Eibsees—Zuggasse 
verfolgen. Sie markiert sich durch eine von ganz jungen Gebilden 
überdeckte Depression, der auch die Eibseestraße folgt. Hier an der 
Zuggasse stoßen wir auf Kössener, die unzweifelhaft als basal anzu- 
sehen sind. 


Jenseits der Loisach liegen die Verhältnisse schwieriger. Bei 
Partenkirchen sind Vorland (Plattenkalke und Hauptdolomit) von den 
Raiblern der Fauckenschlucht leicht zu trennen. Erstere sind wohl 
einem Vorlandsystem, letztere mit Sicherheit der östlichen Haupt- 
wettersteinscholle zuzurechnen. Je weiter wir aber nach O gehen, 
desto weniger Anhaltspunkte finden wir für eine derartige Teilung. 
Wir müssen uns hier bescheiden, bis die Neuaufnahme unsere Kennt- 
nisse erweitert. 


Aus diesen Gründen, d. h. wegen unzureichender Kenntnis des 
Vorlandbaues vermeide ich es auch, die von Ampferer auf diese Ge- 
biete ausgedehnte Lechtaldecke zu übernehmen. 


N. Die beiden Hauptwettersteinschollen 


sind in den vorstehenden Kapiteln, je nach Erfordernis, schon mit- 
besprochen worden °), so daß nur eine Zusammenfassung erforderlich ist. 

Die Vorschuppen bilden — anfänglich wohl hinter der Wamberger 
Scholle liegend — mit dieser den westlichsten Teil des Nordflügels ?) und 
sind von der westlichen Hauptwettersteinscholle überschoben, diese 
wieder von der östlichen mit einem schönen Stirnrand östlich des 
Höllentalbodens. 

Da beide Schollen aus dem gleichen Material bestehen, ist die 
Trennung der einzelnen Teile oft schwer, besonders im Partnachtale. 

Von W nach O nimmt der Schichtenreichtum zu: so stellen sich 
in der östlichen Raibler und Hauptdolomit ein, während der Wetter- 
steinkalk auf die randlichen Zonen beschränkt wird. Muschelkalk scheint 
nur noch im Würzberggewölbe erschlossen zu sein. 


Die östliche Scholle scheint ihren natürlichen Verband nach N 
besser als die anderen gewahrt zu haben und ich folge Reis, 
inlem ich die Raibler Schichten nördlich des Wamberger Halbfensters 
zu dieser Scholle stelle. 


"). Vgl. Bag. 27. 
?) Vgl. pag. 43—47, 55—66, 73—79 und 89,. 90. 
°) Gemeint ist der Nordlügel der östlichen Urscholle-Triasschubmasse (vgl. 
pag. 25 5). Dieser ist in der Zeichenerklärung des Übersichtskärtchens determiniert. 
1.2* 


99 K. C. von Loesch. [92] 


Die Zwischenscholle besteht zum Teil aus Teilen der östlichen 
Hauptscholle, die die Leutaschscholle abgeschert hat. 

Jenseits der Isar setzt das Karwendelvorgebirge !) die Kranz- 
bergscholle, das Leitersteiggewölbe wahrscheinlich das Würzbergge- 
wölbe fort: beide Male scheinbar mit wachsendem Schichtenreichtum 
nach oben und unten. 

Diese Gebiete sollen in einer späteren Arbeit behandelt werden. 

Dadurch, daß die Vorschuppen an der Wamberger Scholle süd- 
lich vorbeirückten, wurde auch für die westliche Hauptwetter- 
steinscholle gegen N eine Art von Widerlager geschaffen, das zur 
Abdrängung dieser Scholle gegen WSW führte. 


(Übersicht über den Nordflügel.) 


Wir können im N-Flügel einen einheitlichen Faltenbau zurück- 
verfolgen, der durch die Schubstauungen unregelmäßig wurde: einen 
Sattel im N und eine Mulde im S. 


Die Wamberger Scholle freilich besteht scheinbar nur aus dem 
nördlichen Sattel: ob die Vorschuppen, die später an ihr vorbei ge- 
drängt wurden, eine ursprünglich gegen S anschließende Mulde bildeten, 
kann nicht mehr aufgeklärt werden. 

In der westlichen Hauptwettersteinscholle ist auch trotz starker 
späterer Störung eine Sattelanlage (im N, Höllental) und — trefflich 
erhalten — (im S) die Plattmulde zu erkennen. 

Der Raibler-Sattel im N und die Bodenlähnmulde (Hohe Kranz- 
bergmulde) im S der östlichen Hauptwettersteinscholle sind tadellos 
deutlich. 

Durch die transversale Verkürzung und die Abdrängung nach 
WSW wurde nur die primäre westöstliche Mulden- und Sättelfolge 
gestört. 

Der Höllentalsattel legte sich südlich neben dem Wamberger 
Sattel und glitt an ihm vorbei; der Raibler Sattel wich aber wiederum 
gegen N aus und glitt über den Wamberger Sattel, so daß unter Aus- 
schaltung des Mittelgliedes (der westlichen Hauptwettersteinscholle) die 
Longitudinalrichtung wieder hergestellt wurde. 

Dafür kam aber die südlich an ihn anschließende Bodenlähn- 
mulde longitudinal hinter den nördlichen Höllentalsattel der west- 
lichen Hauptscholle zu liegen und das Ostende der Plattmulde mußte 
zunächst frei bleiben. [Hier füllte die Leutaschscholle später mit der 
vor ihr hergeschobenen Zwischenscholle eine „Lücke“ aus.] 

Die neuerliche Abdrängung der Wettersteinscholle kann einfach 
als eine Beibehaltung der primären Ostwestrichtung angesehen werden; 
der Riß zwischen westlicher und östlicher Hauptwettersteinscholle 


‘) Vgl.26, pag. 338, ß, 3 und pag. 3395, «. Hahn irrt, wenn er die „Wetter 
steindecke* dem tieferen (?) Karwendel gleichsetzen will, falls unter „tieferem Kar- 
wendel“ die vordere Karwendelschubmasse verstanden sein soll. Die Wetterstein- 
schubmasse — Nordflügel entspricht seiner „südlichen Kreidemulde von der Ver- 
einsalpe“, dem Karwendelvorgebirge; die gegen W auskeilende Leutaschscholle der 
Vorderen Karwendelüberschiebung und wahrscheinlich erst dessen hintere südliche 
Ketten der Mieminger Scholle — Südflügel der Triasschubmassen. 


[93] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 93 


mußte erfolgen, sobald kräftige Mittelglieder zwischen N- und S-Flügel 
(Leutaschscholle, Vordere Karwendelschubmasse) der westlichen Haupt- 
wettersteinscholle ein Nachfolgen in der WSW-Richtung zur mechanischen 
Unmöglichkeit machten !). 

Rechnet man mit der Verschiebung der Faltenelemente an zwei NS- 
Brüchen und vergegenwärtigt man sich die Zunahme des Schichtreich- 
tums nach oben gegen OÖ, so ist der Bau des nördlichen Wetterstein- 
gebirges aufs einfachste erklärt und die Entstehung der Talungen 
leicht abzuleiten. 


Die Lagerungsverhältnisse zwischen der Zwischenscholle und Jura-Neokom- 
mulde sind nirgends mit hinreichender Deutlichkeit erschlossen. Ihre Grenze kann 
stark geneigt, sie kann auch — was vielleicht wahrscheinlich ist — senkrecht stehen. 

Trotzdem wurde die erstere Möglichkeit im Schollenschema zum Ausdruck 
gebracht; sonst hätte die Längenerstreckung der Jurakreidemulde (im untersten 
Profile des Schollenschema II) nicht dargestellt werden können: auf jene war es 
jedoch in erster Linie abgesehen. Dieses Profil verlauft nicht gradlinig, sondern 
läogs des Kammes. 

Die untere W-Grenze der Wamberger Scholle — im obersten Profile des 
gleichen Schemas — ist gleichfalls recht hypothetisch: - mindestens ebenso wahr- 
scheinlich ist es, daß diese PEual eine größere Tiefe hat: ihr Liegendes ist nicht 
aufgeschlossen. 


VI. Schluss. 


Versuch einer Chronologie der Ostschubphasen, 


Es handelt sich hier um die Festlegung der einzelnen Stadien 
des Baues von Wetterstein- und Mieminger Gebirge durch die (nach 
dem Ende der auf die [letzte] Faltung folgenden Ruhezeit eintretende) 
Schubphase: 

In Sonderheit um den Moment des Eintritts der einzelnen Schub- 
schollen in unserem Gebiet, ihrer Verankerung, ihrer nachträglichen 
Umgestaltung oder des Zeitpunktes ihres Wiederaustritts (Durchzuges 
nach W). 

Die Schubmassen rückten zunächst mit ihrem S-Flügel und ihrem 
N-Flügel gegen W vor und ließen zwischen beiden Flügeln ein Gebiet 
(Jurakreidemulde) anfänglich frei. Dieses wurde in in späteren Phasen 
zum Teil überschoben, zum Teil seitlich eingeengt und sekundär gefaltet. 


I. Schubphase des ersten Vorrückens gegen W. 


Die heute am weitesten westlich oder am tiefsten gelegenen 
Frontteile der Triasschubmasse treten mit Aktivbewegung in unser 
Gebiet von OÖ her hinein. 


') Hier ist zu berücksichtigen, daß die Leutasch- = Vordere Karwendelschub- 
masse wahrscheinlich zur Zeit der Überschiebung der östlichen Hauptwetterstein- 
scholle über die westliche nuch nicht in unsere Gebiete getreten war, sondern noch 
weiter östlich (östlich der heutigen Isar) lag. Trotzdem muß mit ihrem Voriiandensein 
gerechnet werden. 


94 K. C. von Loesch. [94] 


1. Im N. Die westlichste, die Wamberger Scholle, gleitet in eine 
heute noch teilweise erkennbare Depression (Eibseedepression) ein. 

Mit dem Ende dieser Schubphase erreicht die Wamberger Scholle 
mit ihrer heutigen Lage ihren Ruhepunkt: zusammengeschürfte junge 
Schichten werden am Eibsee vor den Hauptdolomit- und Plattenkalk- 
mauern aufgestaut. 

Die Vorschuppen lagern südlich an [und über] die Wamberger 
Scholle; hierin könnte schon eine weitere oder eine Unterphase ge- 
sehen werden. Jedenfalls gleiten sie von O her an der Wamberger 
Scholle vorbei. 

2. Im S gleiten die — später bis weit in die Lechtaler Alpen vor- 
geschobenen — westlichen Frontteile, ohne wesentliche Hindernisse zu 
finden, gegen W vor und durchziehen unser Gebiet, ohne Spuren zu 
hinterlassen. Entweder hat die Bewegung des S-Flügels früher ein- 
gesetzt als die des N-Flügels oder der S-Flügel hatte schon bei Be- 
ginn der Schubphase eine westlichere Erstreckung als. der N-Flügel. 

Die Längenverkürzung des N-Flügels durch den stärkeren Zu- 
sammenschub reicht nicht zur Erklärung seines so beträchtlichen Zu- 
rückbleibens aus. 

Das Jurakreidegebirge innerhalb unseres Gebietes ver- 
bleibt im Stadium der primären Faltung. 


2. Schubphase. Beginn der Verkeilungen im N. 


1. Im N Vorschub und Verkeilung von (Vorschuppen und s. oben) 
westlicher Hauptwettersteinscholle. Letztere wird durch die nördliche 
Vorschuppe nach SW abgedrängt und nähert sich dem Durchzugs- 
wege des S-Flügels. Sie wird von nun an passiv (= „Ambos“). 


2. Im S rückt der S-Flügel frei weiter nach W vor. 


Das Jurakreidegebirge im Innern verbleibt noch in 
seinem Primärstadium. 

Westlich von der Hauptwettersteinscholle wird es aufgeschürft, 
quergestellt und überfahren. (Stirnrand der Wettersteinscholle, Jura- 
keil zwischen ihr und der Vorschuppe des Ehrwalder Köpfls.) 


3. Schubphase. Verstärkung der Verkeilungen. 


Das Westende des nördlichen Flügelvorstoßes ist schon erreicht. 


l. Im N schiebt sich die natürliche Fortsetzung der westlichen 
Hauptwettersteinscholle, die östliche über diese mit einem Stirn- 
rand längs der Linie Henneneck-Schwarzenberg-Alpspitz und Über- 
schiebungen im mittleren Gipfelzuge (Höllentalspitzen), und über die 
Wamberger Scholle mit ihren nördlichen, aus Raibler Schichten be- 
stehenden Teilen. 

2. Im S zunächst weiterer freier Vorstoß nach W. Da die trans- 
versale Breite inzwischen zugenommen hat, findet der S-Flügel nicht mehr 
hinreichend Raum zum Durchzug nach W, weil die westliche Haupt- 
wettersteinscholle (2, 1.) weit nach SW vorgeschoben war. Folgen: 

Zurückbleiben des Nordflügels des Sattelgewölbes. Dieser ver- 
hängt sich an der weit nach SW vorgeschobenen Plattmulde oder 


[95] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 95 


die jetzt beginnende Auffaltung des Jurakreidegebirges versperrt ihm 
den Durchzug — Zurückbleiben der Vorbergscholle. 

Das Jurakreidegebirge wird im W der inneren Mulde 
aufgefaltet, zwischen westlicher Hauptwettersteinscholle und Mieminger 
Scholle, zunächst noch mäßig intensiv. Diese Auffaltung mag sich 
nach OÖ hin noch in der Nähe der Gatterlköpfe bemerkbar gemacht 
und der später dort so hohen Auffaltung vorgearbeitet haben, weiter 
östlich zunächst aber noch nicht, da gegen N ein Ausweichen der 
Jurakreideschichten noch möglich war und auch stattfand. [Die Zwischen- 
scholle wurde erst in 4 vorgeschoben. Das Ausweichen westlich des 
Felderpjöchls tritt auf dem UÜbersichtskärtchen schön hervor.] 


4. Schubphase der höchsten Verkeilung der Triasmassen und der 
höchsten Sekundärfaltung des Jurakreidegebirges. 


1. Im N sind die Schübe im wesentlichen beendet, doch macht 
sich zusammenstauender Östschub vielleicht noch immer geltend. Die 
östliche Hauptwettersteinscholle ist Widerlager geworden. 


2. Der Ostschub der nunmehr in unser Gebiet tretenden, die 
Mittelzone zwischen Wetterstein- und Mieminger Scholle einnehmenden 
Leutasch- [resp. Vorderen Karwendel-] Schubmasse füllt die zwischen 
beiden offen gebliebene Lücke aus. 

Uberfahren von Teilen der östlichen Hauptwettersteinscholle 
und von den östlichsten [noch im primären Faltungszustand verharrenden] 
Teilen des Jurakreidegebirges. Abspaltung von Teilen der östlichen Haupt- 
wettersteinscholle und ihre Anordnung im Schollendreieck (im N) und 
zur Zwischenscholle (im W der Leutaschscholle). Anstoßen und Zer- 
legung der gegen Ende der 3. Phase passiv gewordenen Vorbergscholle. 


3. Im S liegt zu Beginn der Phase die natürliche Südfortsetzung 
der Vorbergscholle, der heute westlich vom Mariabergjoch liegende 
isolierte Südschenkel, noch transversal neben der Vorbergscholle und 
wird während dieser Schubphase um etwa 16 km nach W in ihre 
heutige Lage geschoben. Neben die Vorbergscholle wird die an Breite 
zunehmende Ostfortsetzung der Mieminger Scholle geschoben. Sie 
besteht aus 


einem nördlichen und 
einem südlichen Gewölbeschenkel, ferner 
1—2 „Randzonen*. 


Nebenerscheinungen des Ostschubs der Mieminger Scholle in 
dieser Phase: 


1. Abspaltung der Randzonen vom N-Gewölbeschenkel; 
2. Abdrehung der Teilschöllehen der Vorbergscholle ; 
3. Sekundärer Süddruck: 


a) Zusammenschub in der Mieminger Scholle. 

b) Intensive Südfaltung im Jurakreidegebirge, besonders 
stark längs der raumverengenden passiven Zwischenglieder. 

Ausweichen östlich der Gatterlköpfe nach N, südlich derselben 
höchste Pressung (Feldernalm). 


96 K. C. von Loesch. [96 ] 


Die Ostbewegungen der Zwischen- und Leutaschscholle und der 
Süd(Ost-)Druck der Mieminger Scholle erfolgen zeitweise gleichzeitig. 
Sie prallen an die westliche Wettersteinscholle an. Dazwischen im Gebiet 
der Hohen Munde höchste Hochpressung des Neokoms. 


VII. Literaturzusammenstellung. 
A. Neuere örtliche Literatur. 


1. 1911. Otto M. Reis, Erläuterungen zur geologischen Karte des Wetterstein- 
gebirges I. Kurze Formationsbeschreibung, allgemeine tektonische und 
orographische Übersicht. Geognostische Jahreshefte 1910, XXII. Jahrg,, 
München. 
93. 1911. — u. Friedrich Pfaff, Zwei Kärten usw. Ebenda. 
3. 1903. ©. Ampferer, Geologische Beschreibung des nördlichen Teiles des 
Karwendelgebirges. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. Wien 53. 

1905. —, Geologische Beschreibung des Seefelder, Miemiuger und südlichen 
Wettersteingebirges. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. Wien 55. 

1905. —, Einige allgemeine Ergebnisse der Hochgebirgsaufnahme zwischen 
Achensee und Fernpaß. Verh. d. k. k. geol. R.-A. Wien. 

1911. — u. W. Hammer, Geologischer Querschnitt durch die Ostalpen vom 
Allgäu zum Gardasee. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. Wien 61. 

1912. —, Gedanken über die Tektonik des Wettersteingebirges. Verh. d. k. k. 

geol. R.-A. Wien. 

1912. O0. Schlagintweit, Die Mieminger-Wettersteinüberschiebung. Geol. 

Rundschau III, 2., Leipzig. 

9. 1913. —, Zum Problem des Wettersteingebirges. Verh. d. k. k. geol. R.-A. 

Wien. 


er EN m 


B. Arbeiten über angrenzende Gebiete und ältere Arbeiten 


10. 1895. H. Heimbach, Geologische Neuaufnahme der Farchanter Alpen. Diss. 
München. 

11. 1898. O©. Ampferer und W. Hammer, Geologische Beschreibuug des süd- 
lichen Teiles des Karwendelgebirges. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 48, 2. 

12. 1883. A. Rothpletz, Das Karwendelgebirge. Zeitschr. d. D. u. OÖ. Alpenver. 

13 1894. —, Ein geologischer Querschnitt durch die Ostalpen nebst Anhang über 
die sogenannte Glarner Doppelfalte. Stuttgart. 

14. 1900. —, Alpenforschungen I. München. 

15. 1905. —, Alpenforschungen II. München. 

16. 1906. I. Knauer, Geologische Mouographie des Herzogstand Heimgartengebietes, 
Geogn. Jahresh. München. 

17. 1910. —, Die tektonischen Störungen des Kesselberges. Landeskundl. Forsch. 
(Geogr. Ges. München.) H. 9. 

18. 1912. D. Aigner, Das Benediktenwandgebirge. Geol. Neuaufn. der Lenggrieser 
Berge vom Isartal bis hinüber zu den Bergen bei Kochel. Landeskunül. 
Forsch. (Geogr. Ges. München.) I. 16. 

19. 1912. C. Lebling, Ergebnisse neuerer Spezialforschung in den deutschen 
Alpen. 2. Die Kreideschichten der bayrischen Alpen. Geol. Rundschau, 
Leipzig, III, 7. 

20. 1896. U. Söhle, Das Labergebirge. Geogn. Jabresh. München, Jahrg. 9. 

21. 1898. —, Das Ammergebirge. Geogn. Jahresh. München, Jahrg. 11. 

22. 1893. E. Böse, Geologische Monographie der Hohenschwangauer Alpen. Geogn. 
Jahresh. München Jahrg. 6. 

23. 1861. K. W. Gümbel, Geogun. Beschreibung des bayrischen Alpengebirges und 
seines Vorlandes. Gotha. 

24. 1894. —, Geologie von Bayern. Il. Bd. Kassel. 

25. 1902. I. Blaas, Geol. Führer durch die Tiroler und Vorarlberger Alpen. 

26. 1912. F. F. Hahn, Versuch zu einer Gliederung der austroalpinen Masse west- 
lich der österreichischen Traun. Verh. d. k. k. geol. R.-A. Wien, 


[97] Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 97 


Die drei folgenden Karten und Nr. 30 erschienen erst, nachdem das Manuskript 
in der Hauptsache vollendet war und konnten darum nicht in allen Teilen ver- 
wertet werden. 


27. 1913. GeologischeSpezialkarteder Österreichisch-Ungarischen 
Monarchie. K. k. geol. R.-A. Wien. Blatt: Zirl und Nassereith. Zone 16, 
Kol. 4. 

28. 1913. GeologischeSpezialkarteder Österreichisch-Ungarischen 
Monarchie. K. k. geol. R.-A. Wien. Blatt: Innsbruck und Achensee. 
Zone 16. Kol. 5. & 

29. 1913. Geologische Spezialkarte der Österreichisch-Ungarischen 
Monarchie. K. k. geol. R.-A. Wien. Blatt: Achenkirch und Benedikt- 
beuren. Zone 15, Kol. 5. 

30. 1913. 0. Ampferer, Das geologische Gerüst der Lechtaler Alpen. Zeitschr. 
d. D. u. OÖ. Alpenver. Wien. XLIV. 


VII. Inhaltsverzeichnis. 


I. Einleitung. Seite 


A. Begrenzung des Gebietes 
B. Ziele der Arbeit .. 


II. Allgemeiner Teil. 
Ei Voraussetzungen und „Beweisführung®”. . . 4,4 saw are en 3 


B. Die Faltungen vor der Schubphase. (Grundsätzliche Erwägungen) .... . 5 
III. Literaturbesprechung. 
BR-Allsememer Bückblick.. „|. „ + lontimleloN nr Allen ee 9 
2, Die Auffassung ıv0n OO Bela.. = EN MENT BEN N LE 11 
RrAlgememe; Ergebnisse," 7 SEE DENN RER ET 11 
2. -Die Beholleinteilung‘ durch ©: Bei. GEH Et: 13 
[I. Wettersteinscholle S. 13, II. Wamberger Scholle S. 14, III. Karwendel- 
überschiebungsmasse S. 14, IV. Trias-Jura-Mulde S. 15, V. Liegende 
nordsüdlichgestellte Quermulde S. 15, VI. Große Hauptdolomit-Jura- 
Mulde S. 15.] 
Pmauungen O0: Ampferers. . ..:. ».: nun ee . 16 
EIER EIRERSCHBIIEICLAETIIS 22.0.7 a er a a 7 
2. „Gedanken über die Tektonik des Wettersteingebirges“ (1912) . . . . „18 
D. Schlagintweits einheitliche Wetterstein-Miemingerdecke . . „2... 20 
Pr ZUSENBHORfASSUnE . 0 Ste HS 21 
F. Die Hauptmängel der vorstehenden Auffassungen... 2.2.20... 22 


Die Auffassung der Jurakreidemulde und der Vorbergscholle als sprin- 
gender Punkt für die Erklärung von Wetterstein- und Miemingergebirge 22 


LaBuiwerdangen. geren.O. Beis: nn IN er ARTEN EG 22 

Einwendungen gegen O. Ampfetrer..’.. „u. A men a EL . 23 

3. Einwendungen gegen O. Schlagintweit .. ....: 22222 .. 24 
IV. Eine neue Scholleneinteilung. 

DAEWERTERZRSEUEEeBOllan. 0: en MEET Den ea ee up lg er 24 

Aı. Jurakreide-Mulde . . . .. . ET RE HOIN CAVTERFEIDRIDENG BEN IERSEUL EN IRB, 25 

B. Östliche Urscholle. . . . . Re u ee ET DET EN BE . 25 

Da umiborper Behölleo .... %,. „= enleın autetile ae raten le 25 

BEWMEVOTFERHDUBINN . » = .4 came ne SE RT. 

en 22229 | De Es en. 

BDyurs, WosmnstemzecHollö 7... . . . . . nn una ne RER 

a) westliche Wettersteinscholie. . . -. .. 2 22 2 2 re... .26 

b) östliche Wettersteinscholle ee . 26 

c) Zwischenscholle . . . 2 2. 2 2 2 0. PR 9. 2 0: . 26 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. C. v. Loesch.) 13 


98 K. ©. von*Loesch. [98] 


Seite 
Bir.''5. Leutaschscholle MA BUND RR EN 27 
By. 6. Mieminger Scholle, wu u Ha en a 27 

C. Bemerkungen zu dem Übersichtskärtchen . ... 2.2 22.2... ETEH 

D. Bemerkungen zur Proßltafelu.  ... Mn nv, ulNgU nn ET E BE NIEENE JE 229 
V. Die Begründung der Scholleneinteilung. 

Besprechung der einzelnen Gebirgsteile. 

A. Karwendelabbruch und Arnspitzenzug. .. . 2.2.2220. ne 
Idendität von Karwendel- und Wildsteiekopfüberschiebung N 0388 
Longitudinale Störungen innerhalb dieser Schubmasse . ..:...... 37 

B. Wo setzt die Wildsteigkopfüberschiebung nach W fort? .. . 2. 22.2... 4l 
Die S-Grenze der Hohen Kranzbergscholle .  .. 2. 2.2 2 2 2 2 2 20. 43 

C. Der Verlauf der Gipfelzüge in den beiden Hauptwettersteinschollen.. . . 44 

D. ‘Das Puitental 2.0 „7 7 Se: RR ni. 47 

E. Die Teutaschscholle Ysera 52 
Der Untergrund der Leutaschscholle . . ... 2.2.2 2.2. an ee 54 
Aus welcher Richtung kam die Leutaschscholle? .... 2.2... 22 2.. 55 
Die Halbdiagonalstellung”der Beutaschscholle. .. . ann Bu Er 57 

%. Das (Schachengebiet - 1... 3.0... san „u ..0.) HN 57 

@. Die Zwischenscholle. . . ....... Ben en a 2 Po ee Er 60 

H. Die Vorbergscholle. Ihre. Grenzen’ 22. . x. 2 0 ae Pe ne . 65 
Der"Bau 'deräVorberoseholle’ 7...) „Wer... . 2 ea u ee "ru 
Die "Störungen der Vorbergscholle Wr... .7 „En Re Ne 68 

1..Die Jurakreidamnlde Tem 22 SEE 20 are een 18 IrR7O 
Die Verhältnisse’ um den Hohen Kaum! . !... sm unn 0un 75 
Die Verhältnisse östlich des Feldernjöchls . . .... 2 22.. . 76 
Die Querstellung der jungen Schichten unter dem Westabbruch des Wetter- 

steinwebirsen . ... Ka. Ann. Nun KUREN WRRRETE LERNEN 18 

%. Die Miemmger'Scholle Su... u... EEr, Bun A NITN OR) 2 RURIERRENER BER: le io) 
Der Sehub der. Miemingerischolle men (7 07 SEE Mr 88 

L. Das Problem der Wamberger Scholle und die ee Sa Me ie SR 86 
Was. spricht far fazielle Vertretung 70 . „ms aan. ea 87 
Die Vorschuppe(n) der Hauptwettersteinscholle . .. 2.2... 2 2... 89 

M.. Das "nördliche Morlandy" „nn. Dear. ae 2 20 

N. Die beiden Hauptwettersteinschollen . .... 2 Je... u... PARTIEN, 91 
(Übersicht über: den .Nordilhgel rn 0. le Are LI 
VI. Schluß. 

Versuch einer Chronologie der Östschubphasen. .. . . 22... sl 293 
1. Schubphase des ersten Vorrückens gegen WW... . 2.22.00. 93 
2. Schubphase. Beginn der Verkeilung im N... Ener nn. 94 
3. Schubphase. Verstärkung der Verkeilungen .... .. 94 
4. Schubpnase der höchsten Verkeilung der Triasmassen und der höchsten 

Sekundärfaltung des Jurakreidegebirges . . -. 2. 22.2.2020. 95 

VII. Literaturzusammenstellung . . . . .0..0 u a neuerer 0 A 96 

III. Inhaltsverzeichnis . ..... =... -. 22 See: 97 


Erklärungen zur Profiltafel findet man auf pag. 29, zu dem Übersichtskärtchen 
auf pag. 27 und zu dem Schollenschema auf pag. 93. 


Über Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 
Von Dr. K. A. Weithofer. 


Über Gebirgsschläge !) sind, insbesondere im letzten Jahrzehnt, 
eine ganz ansehnliche Reihe von Veröffentlichungen in verschiedenen 
Fachzeitschriften erfolgt, die über dieses Phänomen bereits eine 
ziemliche Fülle von Material bekannt werden ließen. Nichtsdestoweniger 
ist man sich über die Natur dieser Erscheinungen wie auch über 
deren Ursachen noch immer recht im unklaren. 

So sind sie für die einen — um nur zwei Hauptanschauungen 
hervorzuheben — Ergebnisse ausschließlich des Schweredruckes der 
darüber lastenden Schichten, für andere wieder nur Außerungen eines 
lateral wirkenden Druckes von gebirgsbildenden Kräften. Es wird jedoch 
kaum möglich sein, so einfach eine einzige Ursache als in allen Fällen 
wirksam hinzustellen. Schon die Erscheinungsform dieser Gebirgs- 
schläge ist eine ziemlich mannigfaltige; es liegt nahe, daß auch die 
Ursachen verschiedene werden sein können. Wenn man die bisher 
bekanntgewordenen Tatsachen prüft, wird man in der Tat auch zu 
diesem Schlusse geführt. 

Es sollen im folgenden zunächst die Erscheinungen in der 
Kohlengrube von Hausham beschrieben werden, die als ein her- 
vorragendes Betätigungsfeld für solche Gebirgsschläge seit nahezu 
einem Vierteljahrhundert sich erwies, und daran anknüpfend dann 
jene in anderen Grubengebieten, Tunnelen und Steinbrüchen, um derart 
vielleicht zu gemeinsamen Gesichtspunkten zu kommen, unter denen 
die Natur dieser oft recht bedenklich sich äußernden Kräfte zu er- 
klären ist. 


!) Für Erscheinungen dieser Art sind die verschiedenartigsten Bezeichnungen 
gebraucht worden: Gebirgsschläge, Bergschläge, Gesteiusschläge, Detonationen, 
Abbrennen, Absprengungen, Pfeilerschüsse, Kohlenstoßexplosionen u. dgl. Als ge- 
eignete Ausdrücke, die allgemein genügend alle vorkommenden Äußerungen um- 
fassen, kommen wohl nur die beiden ersten in Betracht. Wenn ich mich dabei für 
das Wort „Gebirgsschläge“ entscheide, so hat dies seinen Grund darin, daß die 
Bekanntschaft mit diesen Erscheinungen wohl in erster Linie aus dem Bergbau 
stammt. Das anstehende Gestein, das die Schläge verursacht, nennt der Bergmann 
aber „Gebirge“, daher Gebirgsschläge. „Berg“ ist das erhauene taube Material, das 
in den Versatz oder auf die Halde wandert; dieses ist unter allen Umständen 
tot, aus diesem kommen keine Schläge mehr. Sonst wird das Wort „Berg“ als Be- 
stimmungswort wohl nur in alten Zusammensetzungen, wie Bergwerk, Bergmann ı.dgl. 
gebraucht, wo es den „Berg“ als Ortsbestimmung gegenüber der Ebene bezeichnete, 
denn bei der geringen Kunst der Alten in die Tiefe zu gehen, war der Bergbau 
damals eben vorwiegend an die Berge gebunden. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. A. Weithofer.) 13* 


100 Dr. K. A. Weithofer. [2] 


Die Grube Hausham, am Alpenrande südlich von München 
gelegen, baut Flöze der oberbayrischen Oligocänmolasse. 

Bezüglich der Schichtenfolge und des Gebirgsbaues dieser letzteren 
sei auf frühere Arbeiten des Verfassers verwiesen!). Nur über den 
Gebirgsbau möge hier folgende Zusammenfassung und Ergänzung, ins- 
besondere mit Rücksicht auf die in Rede stehende Ortlichkeit ge- 
stattet sein. 

Wie in dem Aufsatze vom Jahre 1914 geschildert, lassen sich 
in der oberbayrischen Molasse zwischen Salzach und Lech drei Falten- 
zonen unterscheiden: 

a) Eine südliche Falte, die vom Westen nur bis zum Kochelsee 
oder zur Loisach reicht, sich hier schließt und an einer vorspringenden 
Alpengebirgsstaffel abstößt, sie besteht in ihrem Innern aus wenig 
Cyrenenschichten und hauptsächlich unterer bunter Molasse und ist 
ringsum von unterer Meeresmolasse umgeben. 

b) Eine mittlere Falte, die gegen Osten über erstere hinaus bis 
zum Inn sich erstreckt und hier in ganz gleicher Weise an dem vor- 
springenden Alpenrand abstößt. An der Isar hebt sie sich bei Tölz 
sattelförmig heraus, so daß hier im Streichen die untere Meeresmolasse 
zutage tritt und eine östliche, vollständig in sich abgeschlossene und rings 
von unterer Meeresmolasse umgebene Teilmulde, die Haushamer 
Mulde, von einer westlichen, der Penzberger Mulde, die nur an ihrem 
Südrand untere Meeresmolasse zeigt, trennt. Sie sind über dem tiefsten 
Horizont, der genannten unteren Meeresmolasse, beide von den brak- 
kischen Cyrenenschichten erfüllt, in welche sich nur in der westlichen 
(Penzberger) Mulde die untere bunte Molasse in schon mehrfach 
geschilderter Weise zwischenschiebt. In der Haushamer Mulde scheinen 
höchstens Spuren von letzterer vorhanden zu sein. 

c) Ein nördlicher Faltenzug; dieser enthält keine einheitliche 
Falte, wie unter « und b, sondern meist neben einer Hauptfalte 
noch mehr oder weniger deutlich vorgelagerte Nebenfalten. Die untere 
marine Molasse ist hier wohl nirgends einwandfrei bekannt; dagegen 
alle höheren Schichten bis zur oberen bunten Molasse. 

Uns interessiert hier ausschließlich der mittlere Faltenzug, ins- 
besondere dessen östlicher Teil, die Haushamer Mulde, und auch 
von dieser hauptsächlich der mittlere Teil, vor allem etwa zwischen 
Schlierach und Leitzach, der durch die Haushamer Grubenbaue auf 
über 15 km streichende Erstreckung in sehr eingehender Weise auf- 
geschlossen ist. 

Durch drei bei Hausham im Schlierachtale auf 255 m (Auer- 
sohle), 515 m (III. Tiefbausohle) und 715 m (VI. Tiefbausohle) 
niedergebrachte Förderschächte (Meershöhe des Tagkranzes derselben 
etwa 770 m) werden die zwei bauwürdigen Flöze dieser Mulde (das 


!) Weithofer, Zur Kenntn. der oberen Horizonte d. oligoc. Brackwasser- 
molasse Oberbayerns etc. Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1899, pag. 269. — Einige 
Querprofile durch d. Molassebildungen Oberbayerns. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 
1902, Bd. 52, pag. 39. — Über neuere Aufschlüsse in den jüngeren Molasse- 
schichten Oberbayerns. Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1912, pag. 347. — Die Entwick- 
lung der Anschauungen über Stratigraphie und Tektonik im oberbayr. Molasse- 
gebiet. Geolog. Rundschau 1914, Bd. V, pag. 65. 


[3] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 101 


sogenannte Großkohl- und Kleinkohlflöz) aufgeschlossen. Die obere 
Breite dieser Mulde zwischen Nord- und Südflügel genannter Flöze 
ist etwa 2 km. Der Nordflügel fällt überall ziemlich flach gegen Süden 
ein, das Muldentiefste liegt, soweit heute bekannt, in ca. 800—850 m 
Tiefe unter Tagkranz, der Südflügel steigt daraus steiler empor, geht 
— vornehmlich östlich der Schächte — sogar in überkippte Lage über. 
Die Überkippungsstelle befindet sich dabei in der Nähe der Schächte 
über der Auersohle bei etwa 200 m Tiefe!). Gegen Westen verliert 
sich die Uberkippung sehr bald vollständig und. der Südflügel fällt 
hier dann steil gegen Norden ein). Gegen Osten von den Schächten 
wird die Uberkippung hingegen immer schärfer, sinkt dabei immer 
tiefer, so daß sie 4 km östlich der Schächte bereits in der Mitte 
zwischen Auersohle und dritter Tiefbausohle liegt. Auch legt sich der 
überkippte Schenkel in dieser Richtung immer flacher und hat in 
einer Entfernung von 4 bis 45 km nur mehr ca. 40° südliches Ein- 
fallen 3). 

Aus diesen Profilen ist zu ersehen, daß der Muldenteil öst- 
lich vom Schlierachtal einer ganz außerordentlichen seitlichen Pres- 
sung ausgesetzt war, die schließlich den Südflügel gegen Norden zu 
weit über die Mulde hinüberschob. Im Schlierachtal sind die Schichten 
dabei noch in einem sanften Bogen überkippt, weiter gegen Osten 
wird der überkippte Schenkel immer energischer, förmlich von oben 
her, muldeneinwärts hereingedrückt. er wird flacher, die ÜUberkippung 
selbst schärfer, bis sie zu einer förmlichen Knickung wird. 

Etwa 1 km östlich der Schächte stellen sich dabei in diesem 
Flügel in dem Flöze eine Reihe von kleinen Verwerfungen ein ®). Sie 
fallen sämtlich mehr oder weniger steil gegen das Muldeninnere zu 
ein. Der hangende Teil ist auch stets gegen die Mulde zu abgesunken. 
Diese Verwerfungen bilden fast ausnahmslos einen ziemlich spitzen 
Winkel gegen das Flöz — also gegen die Schichten im allgemeinen 
— und stehen auffallender Weise im allgemeinen desto steiler, in je 
höherem Niveau (über dem Meere) sie auftreten. Sie machen dadurch 
den Eindruck, daß sie zu einer Zeit entstanden sind, da die Haus- 
hamer Mulde noch ganz flach war. Mit der Aufrichtung und schließ- 
lichen Überkippung des Südflügels scheinen dann auch diese ursprüng- 
lich ganz flachen, von der Horizontalen nicht viel verschiedenen Ver- 
werfungen — hier dann besser Uberschiebungen genannt — ge- 
hoben und nach oben zu daher immer steiler aufgerichtet worden zu 
sein. Sie sind daher ebenfalls anfängliche Resultate des gleichen 
Seitenschubes, der dann später den Südflügel samt ihnen emporgehoben 
und überworfen hat. 

Einen Widerspruch zu dieser Präexistenz der Verwerfungen oder 
Überschiebungen scheint allerdings der Umstand zu bilden, daß gerade 
an der Knickungsstelle des überkippten Flügels mehrere derselben 
sich befinden, daher scheinbar wohl auf die Knickung selbst zurück- 


!) Vgl. Weithofer, ]. c. a Tail serot DIT. 

?2) Ebenda Taf. III, Prof. IV 

°) Ebenda Taf. II, "Prof. IT. 

4) Ersichtlich bei Baumgartner, Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hittenw.. 
1900, Taf. XVI, Fig. 1. 


102 Dr. K. A. Weithofer. [4] 


zuführen sind. Man kann sich die Sache aber auch so erklären, daß 
bei der gegen Osten immer schärfer werdenden Umbeugung der 
Schichten die bereits vorhandenen Verschiebungsflächen zu einer 
vollständigen Zerknickung des überworfenen Bogens führten. 
Ähnliche kleine, jedoch zahlreiche und ganz flach liegende Über- 
schiebungen zeigt auch die unmittelbar nördlich vorgelagerte Mies- 
bacher Mulde, die bereits dem nördlichen Faltenzuge angehört. 
Nord- und Südflügel fallen hier annähernd gleich flach südlich, respek- 


tive nördlich eint), so daß sie dadurch etwa das Bild der Haushamer. 


Mulde in einem frühen Stadium bietet zu einer Zeit, als die heutigen 
steilen Verwerfungen sich ebenfalls noch als flache Überschiebungen 
in der flachen Mulde darstellten. 3 

Es mögen diese wie Schuppen sich präsentierenden kleinen Über- 
schiebungen hier ein Vorstadium der ganzen Aktion zeigen, deren 
mächtiger Nachschub dann die Haushamer Mulde in ihrem Südflügel 
auftürmte und überwarf, sowie schließlich die oligocäne Molasse an 
ihrem Nordrande über das vorgelagerte Miocän überschob. 

Bei derartigen Faltungen ist es als weitere Folgeerscheinung 
natürlich unvermeidlich, daß die im Innern der Falten gelegenen 
Schichten eine Pressung in der Richtung längs ihrer Schichtflächen 
erfahren, dagegen die äußeren Schichten mehr oder weniger eine 
Zerrung in gleichem Sinne. Als Folge muß sich einerseits, soweit 
dies nach dem Gesteinscharakter möglich ist, Komprimierung oder 
Dehnung einstellen oder aber anderseits Verschiebungen der einzelnen, 
von der Faltung betroffenen Schichten gegeneinander. 

Bildet nach der Beschaffenheit ihres Materials die Stelle 
geringsten Widerstands irgend eine Schicht selbst, so geht die Ver- 
schiebung unter vollkommener Zerreibung und Durcheinanderknetung 
dieser Schicht vor sich. Jedem Bergmann ist dieses Vorkommen von 
solchen, oft ganz zermahlenen, von Ruscheln und wirren Gleitflächen 
durchzogenen, stets weicheren Schichten im normalen Schichten- 
verbande bekannt). 

Häufig genug bilden die Flöze diese Stelle geringsten Wider- 
stands und diese sind dann nicht gebankt und fest, sondern ihre 
Kohle zerrieben, durcheinandergeknetet und verworren, ohne jeden 
Grobkohlenanfall. Oft genug werden sie dann als allochthon ange- 
sprochen. Es sind dies aber wahrscheinlich meist Flöze, in welchen 
solche Verschiebungsbewegungen der Schichten bei der Faltung, über- 
haupt Biegung, stattgefunden haben. 

Da die einzelnen Bänke eines und desselben Flözes weiter oft 
genug nicht von gleicher Beschaffenheit und Resistenz sind, so kann 
man auch finden, daß ein Teil des gleichen Flözes normal abgelagerte, 


ı) Vgl. Weithofer, a. a. O., 1902, Taf. II, Prof. III und Taf. III, Prof. IV, 


?) Man vergleiche als Beispiel -— das mir aus der Literatur gerade zur Hand 
ist — Briarts Mitteilung und Abbildung in den Annales de la Societe geologique 
de Belgique, Bd. 17, 1889—1890, pag. 129 u. ff., wo von einer Bank bituminöser 
Schiefer die Rede ist, die in den Friauler Alpen bei Resiutta, 15 km von der öster- 
reichischen Grenze entfernt, abgebaut wird, die, vollständig durcheinander- 
gefältelt, zwischen regelmi äßig gelagerten Triaskalkbäuken liegt; weiter wohl 
auch: Katzer, Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1904, pag. 154 und 155. 


[5] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 103 


feste, gebankte Kohle enthält, eine Bank derselben also solche voll- 
kommen mürbe, zerriebene und durcheinandergeknetete Kohle. Man 
kann dies häufig genug beobachten, so zum Beispiel im Bayerschachte 
der Pilsener Kohlenmulde, so auch in Hausham, von wo Baum- 
sartner?!) schon eine Reihe von Flözprofilen abbildet, deren Stö- 
rungen offenbar nur auf diese Ursachen zurückzuführen sind 2). 

Naheliegend ist es nun und nicht ausgeschlossen, daß nach 
solchen heftigen Bewegungsvorgängen allgemein latente Spannungen 
in großem Maße in dem betreffenden Gebirge zunächst zurückgeblieben 
sein mögen. Ein großer Teil mag ja sicher im Verlauf der Jahr- 
millionen infolge nachgiebigem Nebengestein gegen die Oberfläche 
oder gegen seitliche Taleinschnitte zu wieder verloren gegangen sein. 
Man neigt vielfach sogar zur Ansicht, daß solche vorhandene latente 
Spannungen überhaupt nicht aus der Zeit des tektonischen Sturmes 
und Dranges jener Gebirge herrühren. Wo sich Spannungen zeigen, 
seien sie ausschließlich auf den Druck der überlagernden Gebirgsmassen 
zurückzuführen. 

Insbesondere Heim ist ein nachdrücklicher Vertreter dieser 
Anschauungen. Schon im Jahre 1878 scheint er in seinem monumen- 
talen Werk „Über den Mechanismus der Gebirgsbildung“ 3) zu dem 
Resultat zu kommen, daß „der gebirgsbildende Horizontalschub nicht 
mehr fortdauert*, wenn er auch einige Seiten vorher (pag. 99) die 
Antwort auf die Frage, „ob jetzt die Alpen, der Jura und so fort 
gegen den Horizontaldruck, der sie auftürmte, im Gleichgewicht sind 
oder ob*ihre Stauung noch fort und fort wirkt*, für „heute noch un- 
möglich“ hält. Auch in einer seiner jüngsten Schriften über den 
Simplontunnel glaubt er, die Frage, ob statt diesem „allgemeinen und 
mit der Tiefe mehr und mehr hydrostatisch sich verteilenden Druck 
durch die Überlagerung“ „vielleicht noch Reste von Gebirgsspannungen 
aus der Zeit der Gesteinsfaltung“* vorhanden sein könnten, mit Nein 
beantworten zu müssen ®), 

Er glaubt dagegen alle Druckerscheinungen — hauptsächlich 
hat er dabei allerdings die tiefen Alpentunnele der Schweiz im Auge 
— auf Gebirgsdruck infolge der Last der überlagernden Schichten 
zurückführen zu müssen: „Die Schwerelast des Gebirges setzt sich 


ı) Baumgartner, Über Störungen und eigenartige Druckerscheinungen 
(sog. „Pfeilerschüsse* oder „Kohlenstoßexplosionen“ der oberbayr. tert. Kohlen- 
mulde auf Grube Hausham. Österr. Zeitschr. f. B. u. H., Bd. 48, 1900, vag. 461, 
Tat XVI. 


?) Verschiebungen der Kohle zwischen ihrem Hangenden und Liegenden 
sind ja zudem eine sehr häufige Erscheinung. Oft genug ist es zu beobachten, daß 
infol)ge Druckwirkung das Flöz stellenweise förmlich ausgewalzt und die ausgepreßte 
Kohle in der Nähe in einer linsenförmigen Anschwellung des Flözes angehäuft ist. 
Ein bezeichnendes Beispiel bietet die stark zusammengedrückte und in ihrem 
Südflägel gleichfalls überworfene Penzberger Mulde westlich von Hausham. In der 
östlichen und westlichen Muldenecke ist die Kohle in einzelnen Flözen beträchtlich 
‚angereichert, dadurch eine starke Anschwellung der Flözmächtigkeit bildend, doch 
ist sie hier sehr unregelmäßig gelagert und vielfach ganz durcheinandergeknetet. 

°) A. Heim, Untersuchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung. 
Basel 1878, II. Bd., pag. 102. 

*#) A. Heim, Nochmals über Tunnelbau und Gebirgsdruck. Vierteljahrschr. 
d. Naturf. Ges. in Zürich, 1905, 53. Jahrg., pag. 38. 


104 Dr. K. A. Weithofer. [6] 


in einer je nach der Gebirgs- (Gesteins-) Festigkeit ungleichen durch- 
schnittlichen Tiefe in einen allseitigen, dem hydrostatischen ähnlichen 
Gebirgsdruck mit Auftrieb um“). 

Nach ihm ist daher in jedem Teil des Gebirges ein Druck ähn- 
lich dem hydrostatischen vorhanden, dessen Wirksamkeit von der vor- 
handenen Gebirgsfestigkeit — unter Umständen der Gesteinsfestig- 
keit — abhängig ist. Jeder in einem solchen Teil des Gebirges 
künstlich geschaffene Hohlraum ist daher diesem allseitigenDruck 
ausgesetzt; ob und in welchem Grade er in einem gegebenen 
Falle in die Erscheinung tritt, hängt eben von der Gebirgsfestigkeit 
ab. Bei gleicher Tiefe wird er in weicherem Gestein zuerst ausgelöst 
werden, bei gleichem Gestein in entsprechend größerer Tiefe. 

Schmidt in Basel, der sich auch sehr lebhaft mit diesen Druck- 
problemen, besonders soweit sie bei den großen Schweizer Tunnel- 
bauten zum Vorschein kamen, beschäftigte, zollt dieser Anschauung 
zwar volle Anerkennung, findet aber dech, „daß wir in- den Tiefen, 
in denen Bergleute und Ingenieure zu arbeiten haben, nicht mit 
hydrostatischen, sondern mit dynamischen Kräften zu rechnen haben“ ?). 

Es ist nun gewiß das zweifellose Verdienst Heims, diesen frucht- 
baren Gedanken vom Gebirgsdruck eingeführt, scharf formuliert und 
in allen seinen Konsequenzen durchgeführt zu haben, allein es ist doch 
nicht zu verkennen, daß diese These in der Praxis sehr schwierig zu 
handhaben ist, da die dem Gebirgsdruck entgegenstehenden Kräfte, 
und damit das praktisch allein greifbare Resultat dieses Widerstreites, 
nämlich jene der Gebirgs- oder Gesteinsfestigkeit und schließlich all 
die verschiedenen Störungserscheinungen vollkommen unbekannte und 
in der Wirklichkeit unfaßbare Größen sind. Auch darauf weist übrigens 
schon Schmidt hin?°). Gegenargumente vorzubringen, wird dadurch 
eigentlich unmöglich gemacht. 


Allerdings scheint ja Heim selbst, schon nach seinen gesamten 
früheren fundamentalen Darlegungen über Gebirgsbau und Gebirgs- 
bildung, kaum die ausnahmslose Ansicht zu vertreten, daß primär 
laterale Schubkräfte unter allen Umständen auszuschließen seien, oder 
daß sich diese oben zitierten Äußerungen doch in der Hauptsache 
bloß auf jene Regionen der Gebirge beziehen, die über der Talsohle 
liegen. „Sodann kann ich mir nicht denken, daß aus der Zeit des Zu- 
sammenschubes zum Gebirge noch Spannungen übriggeblieben wären, 
weil seither Tausende von Metern der Überlastung abgetragen worden, 
Hunderttausende von Jahren verstrichen sind, und auch weil das vom 
Tunnel durchfahrene Gebirge beiderseits oder in weiterem Umfange rings- 
um durch Täler umschnitten und dadurch vom Horizontaldruck benach- 
barter Gebirgsmassen isoliert ist. Die gebirgsbildenden Kräfte sind in 
diesem oberen Teile des Gebirges über dem Talniveau längst aus- 
geglichen — so wenigstens muß ich es für wahrscheinlich halten ®).* 


!) A. Heim, Tunnelbau und Gebirgsdruck. Vierteljahrschr. d. Naturf. Ges. 
Zürich 1905, 50. Jahrg., pag. 21. 

?) C. Schmidt, Die Geologie des Simplongebirges und des Simplontunnels. 
Rektoratsprogramm d. Univ. Basel f. d. J. 1906 u. 1907. Basel 1908. Pag. 93. 

®) A. a. O., pag. 86. 

*) Heim, a. a. 0. 1908, pag. 38. 


[7) Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 105 


Ex contrario kann man daher vielleicht annehmen, daß auch er 
nicht ausschließt, daß unter der Talsohle einerseits die Horizontal- 
verspannungen dem Schwerdruck als weiteres Moment noch entgegen- 
wirken, und anderseits aus der Gebirgsbildungszeit herstammende 
latente Seitendrücke unter Umständen noch nicht zur Entspannung 
sekommen sind. Da beides aber gegen die Oberfläche zu nach ihm 
dann ebenso eintreten müßte, resultierte auch hieraus, daß ceteris 
paribus solche Gebirgsspannungen, hervorgerufen durch Seitendruck, 
eigentlich ebenfalls mit der Tiefe zunehmen oder überhaupt erst auf- 
treten müßten. Da sich zudem für Anhänger einer flüssigkeitsähnlichen 
Druckverteilung — bei entsprechender Größe des Druckes — aber 
auch hier wieder allseitige Druckverteilung ergeben müßte (wie schließ- 
lich bei jedem Druck, welcher Herkunft immer er sei), wäre für 
diesen also wohl das Endergebnis folgerichtig in beiden Fällen stets 
das gleiche und doch die Ursachen sehr verschieden. 

Selbst über der Talsohle oder in unmittelbarer Nähe derselben 
wird man aber auch noch anderweitige Spannungen, unabhängig vom 
hydrostatisch wirkenden Gebirgsdruck der Schwere, zugeben müssen. 
Finden sich ja sogar aus Steinbrüchen — also über oder nahe der 
Talsohle gelegenen Bauen — Erscheinungen verzeichnet, die nur 
schwer als Wirkungen der Schwerelast der über- oder umliegenden 
Gesteinsmassen gedeutet werden können. 

So die bekannten Angaben von W. H. Niles!) aus einem in 
einem niederen Hügel angelegten Gneissteinbruche bei Monson, Mass., 
in den Vereinigten Staaten; bei dem im Bruche freigelegten Gestein 
bilden sich häufig flache Antiklinalen, welche oft in ihrer Sattellinie 
mit lautem Knall aufbersten, wobei Staub in die Luft geworfen wird, 
oft auch Steine von mehreren Pfund Gewicht; die Knalle sind oft wie 
Sprengschüsse, einmal glaubte man sogar das Pulvermagazin explodiert. 
Eine abgelöste, lange Gesteinsplatte, die jedoch an einem Ende noch 
mit dem Muttergestein zusammenhing, hatte sich, was nach den Bohr- 
löchern, längs denen die Ablösung erfolgte, gut zn beobachten war, 
um 1!/, Zoll gelängt. 

Niles faßt seinen Bericht dahin zusammen ?), daß die Gneise 
unter starkem lateralem Druck stehen, der sich nach ihm sogar nur 
in NS-Richtung geltend macht, welch letzteres später allerdings wider- 
legt wurde. In der zweiten Mitteilung erwähnt er zudem ähnliche Er- 
scheinungen aus einem Sandsteinbruche bei Berea, Ohio, und aus 
einem Kalksteinbruche bei Lamont, Ill. Er betont dabei pag. 275 aus- 
drücklich: „that the lateral compression could not have been caused 
by vertical pressure upon adjacent parts of the beds.“ In der Tat 
wäre es bei der verhältnismäßig geringen Überhöhung der den Brüchen 
benachbarten Gelände schwer denkbar, daß durch diesen recht geringen 
Schweredruck die Gebirgsfestigkeit des Gneises bereits überwunden 
würde. (Vgl. die Bemerkungen am Schlusse dieser Arbeit.) 


!) W. H. Niles, Some interesting Phenomena observed in Quarring. Proc. 
Boston Soc. of Nat. Hist., Vol. XIV, 1870/71, Boston 1872, pag. 80. 

?) Auch in einer weiteren Mitteilung in der gleichen Zeitschrift, Vol. XVII, 
1875/6, pag. 472. — Vgl. auch E.Suess, Über Zerlegung der gebirgsbildenden 
Kräfte. Mitt. d. geol. Ges. Wien, Bd. VI, 1913, pag. 37 u. ff. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. A. Weithofer.) 14 


106 Dr. K. A. Weithofer. [8] 


Ganz ähnliche Verhältnisse beschreibt auch Hankar-Urband), 
der Direktor der Steinbrüche von Quenast in Belgien, aus den dortigen 
Porphyrbrüchen, und in einer weiteren Abhandlung ?) erwähnt er noch 
andere Fälle aus Kalkbrüchen von Yorkshire (nach Mc. Kennedy 
Hughe s, Bursting rock surfaces. The geol. Mag. 1887, pag. 511). Auch 
hier kann die Schwerelast der seitlichen Steinbruchwände wohl nicht 
gut als den seitlichen Druck verursachend herangezogen werden. 

Bekannte Erscheinungen in dieser Hinsicht haben auch die Mar- 
morbrüche von Carrara geliefert: die Sägespalten drücken sich über 
dem Sägedraht wieder zusammen, so daß letzterer oft genug gar nicht 
mehr herausgezogen werden kann; von den freigelegten Wänden springen 
auch hier wie in Quenast unter starkem Knall größere Schalen ab. Del- 
haye?) berichtet hierüber und führt die Sache auf Spannungen zu- 
rück, die von der Gebirgsbildung her zurückgeblieben sind und „en 
relation tr&s intime avec les mouvements de l’Ecorce terrestre et par- 
tieulierement avec les plissements de l’epoque miocene* (a. a. O., 
pag. 38) stehen. Es gibt dort nach ihm auch interessante Unterschiede 
im Auftreten dieser Erscheinungen: der grobkörnige Statuenmarmor, 
der dem oberen Niveau der Marmorlager angehört, hat weicheres Neben- 
gestein, welches die Pressung wie ein Polster aufnimmt, daher er 
weniger Spannung zeigt; der feinkörnige Marmor von Massa ist da- 
gegen in Form von schwächeren Bänken oder Linsen in einem sehr 
harten Triasdolomit eingelagert, daher hauptsächlich in ihm jene oben 
beschriebenen Äußerungen einer vorhandenen Spannung im Gebirge 
auftreten. 

Lassen sich also schon nahe der Oberfläche Spannungserschei- 
nungen verzeichnen, die durch den bloßen Schweredruck nicht gut zu 
erklären sind, so dürfte mit letzterem allein um so weniger auszukommen 
sein, je tiefer man sich von der Oberfläche nach abwärts zu begibt, 
denn nach Heims Annahme selbst wäre mit der größeren Tiefe immer 
mehr und mehr die Möglichkeit einer Entspannung gegen die Ober- 
fläche und gegen die Seiten zu genommen. Ob und wie weit es aller- 
dings möglich ist, daß diese oberflächlichen Spannungen nicht auf 
tektonische Vorgänge, sondern auf andere Ursachen, etwa auf petro- 
graphische Veränderungen zurückzuführen sind, die in den bezüg- 
lichen Gesteinen vor sich gingen und eine Volumenvermehrung bewirkten, 
dies zu beantworten muß berufenerer Seite vorbehalten bleiben ®). 

Uber solche Spannungsäußerungen in Bergwerken sind schon 
zahlreiche Mitteilungen veröffentlicht worden. Auch in der Grube von 
Hausham, deren tektonische Verhältnisse eingangs geschildert worden 
waren, findet sich ein in der Literatur schon mehrfach erwähnter und 


!)A. Hankar-Urban, Note sur les mouvements spontanes des roches 
dans les carrieres. Boll. Soc. Belge de G&ol., de Pal. et d’Hydrol., T. XIX, Me&m., 
Brüssel1905, pag. 527—540. — Ferner: Ebenda, T. XX, 1906, pag. 56—61; T. XXI, 
1907, M&m., pag. 21—42; T.X XIII, 1909, pag. 260— 270; T.XXV,1911, pag. 173— 175. 

°) Ebenda, Mem., 1907, pag 23. 

°) Fer. Delhaye, Les bruits de montagnes aux carrieres de marbre de la 
region de Carrare. Aun. Soc. g&ol. de Belgique. T. 35, 1907/8, Liege, pag. B 35—38. 

*) Vgl. diesbezüglich z. B.: J. Cornet, Sur une des causes de phenomenes 
ae („Bergschläge“ ete.), Ann, Soc. g&ol. de Belgique T. 35, L’ege 1907/8, 
pag. 2lle 


[9] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 107 


behandelter Herd von solchen. Insbesondere durch die Aufsätze von 
H. Müller!) und K. Baumgartner?) sind sie seit längerer Zeit 
bereits bekannt geworden. 

Die Gebirgsspannungen sind hier nicht überall gleich; sowohl 
nach dem Streichen wie nach dem Verflächen (nach der Tiefe) sind 
sie recht verschieden. Aus naheliegenden Gründen sind ihre Auße- 
rungen hauptsächlich in den Flözen bekannt; sie hängen hier aber, 
wie gleich gesagt sein mag, weniger von der Tiefe, als von der Situation, 
der Flözbeschaffenheit selbst, vom Nebengestein und den Zwischen- 
mitteln ab. 

Im Bau sind in Hausham, wie bereits erwähnt, zwei Flöze: das 
ältere Großkohlflöz und das jüngere Kleinkohlflöz, die etwa 5—9 m 
voneinander entfernt sind. Im überkippten Teil des Südflügels ist 
daher das Kleinkohlflöz das liegende, im normal gelagerten Teil das 
Großkohlflöz. Westlich der Schächte ist nur das Großkohlflöz bau- 
würdig entwickelt und reicht in diesem Zustande bis etwa 4500 m 
östlich der Schächte. Die Bauwürdigkeit des Kleinkohls beginnt da- 
gegen erst etwa 700 m östlich der Schächte und reicht in dieser 
Richtung noch weit über das Großkohlflöz hinaus. Nur über eine Er- 
streckung von etwa 83/, km werden daher beide Flöze übereinander 
abgebaut. 

Obzwar der Bergbau hier schon seit den sechziger Jahren datiert, 
hat man die Wechselwirkung der beiden Flöze aufeinander zufolge 
des Gebirgsdruckes doch erst etwa vom Jahre 1890 an verstehen 
gelernt. (Vgl. Müller und Baumgartner a. a. OÖ.) Vorher baute 
man fast nur das schönere und mächtigere Großkohlflöz; jeder Ver- 
such, nach dem Abbau dieses Flözes auch das schwächere Kleinkohl- 
flöz herauszunehmen, scheiterte auf die Dauer an dessen außerordent- 
licher Härte. Es stellte sich aber heraus, daß diese Härte sich stets 
erst nach dem Abbau des Großkohlflözes bemerkbar macht, daß sie 
jedem der beiden Flöze zukommt, wenn es nach dem anderen zum 
Abbau gelangt. Das zuerst abgebaute Flöz ist stets milde, das zweite 
wird erst hart, wenn das erste herausgenommen ist, und zwar genau 
für den Bereich der Abbaufläche des darunter oder darüber zuerst 
abgebauten Flözes. 

Über das Verhalten des seinerzeit fast allein gebauten Großkohl- 
flözes über der Auersohle (255 m), d. h. also über der Uberkippung 
im überworfenen Teil des Südflügels, ist heute nicht viel bekannt; 
wahrscheinlich machte hier der Druck keine sonderlichen Schwierig- 
keiten, da die Tagesoberfläche nicht weit war. Ob man die Schwer- 
kraft als Hauptenergiequelle ansieht oder einen seitlichen Gebirgs- 
druck — im ersteren Falle war eben der Druck nicht besonders groß, 
im zweiten konnte sich eine ursprünglich vorhandene latente Spannung 
gegen oben zum Teil wenigstens verlieren. Druck scheint aber immer- 
hin vorhanden gewesen zu sein, sonst wäre die Verhärtung des Klein- 
kohlflözes nach erfolgtem Abbau des Großkohlflözes nicht eingetreten. 


ı) 1. Müller, Erfahrungen über Abbaumethoden mit Bergvorsatz. Österr. 
Zischr. f. B. u. H., Bd. 48, 1900, pag. 347. 


2) K. Baumgartner, a. a. O,, pag. 461. 
14* 


108 Dr. K. A. Weithofer, [10] 


Als sich die Baue Ende der achtziger und anfangs der neunziger 
Jahre des vorigen Jahrhunderts gegen die Tiefe fortschreitend der 
Überkippung näherten und dieselbe dann nach abwärts überschritten, 
stellten sich als Zeichen einer größeren latenten Spannung des Ge- 
birges die ersten unangenehmen Erfahrungen ein. Vorerst eine erhöhte 
Pressung des Flözes, die man sich zunächst gern gefallen ließ, da 
sie die Hereingewinnung der Kohle außerordentlich erleichterte. Ein 
ständiges Knistern machte sich hörbar, oft genug sprangen auch größere 
Stücke von den Kohlenstößen ab, es bedurfte nur verhältnismäßig 
geringer Nachhilfe, um die Kohle hereinzubringen. Dann kam aber 
die unangenehme Seite: Vorerst in ungefährlicher, wenn auch mehr 
Kosten verursachender Weise; infolge der lebhaften Pressung wurden 
die Kohlenstöße in den Strecken zermürbt und langsam in dieselben 
hereingedrückt. Wo sie nicht rechtzeitig hinter der Zimmerung nach- 
genommen wurde, wurden die Stempel zerknickt, die Kohle „wuchs 
in die Strecke herein“, Sohle und First näherten sich. Wiederholte 
Zimmerung und Nachreißen von Sohle oder First waren die Folge. 

Ähnliche, nur entsprechend modifizierte Erfahrungen machte man 
in den Abbauen. Stellenweise wurde die Pressung aber so stark, 
daß öfter unter lautem Krachen der Kohlenstoß hereinbrach, mehr 
oder weniger große Mengen von Kohlenklein und Kohlenstaub in die 
Abbaue oder Strecken warf und mehrfache Unglücksfälle verursachte: 
die Gebirgs-, oder vielleicht sogar die Gesteinsfestigkeit der Kohle 
war überschritten worden. Es mußte aber nicht immer gerade die 
Kohle sein, es kam auch vor, daß eine besonders spröde Bank von 
Kalkmergel oder Stinkstein sich als locus minoris resistentiae erwies 
und als Opfer des Gebirgsschlages vollständig zertrümmert heraus- 
geschleudert wurde. 

Eine Hauptbedingung dabei war stets, daß es sich ausschließlich 
um harte und spröde Materialien handelte. Eine Einlagerung von einer 
weichen Schicht hob stärkere Spannung auf. So konnte man z. B. 
bei einem kleineren Gebirgsschlag am 21. August 1912 (in einem Ab- 
bau der Brems 1 Ost, VI. T. S.) die Wahrnehmung machen, daß der 
KohlenstoB in dem Abbau nur zur Hälfte „explodierte“ ; die Kohle 
der anderen Hälfte war von einer etwas plastischen Lettenbank durch- 
zogen. Diese scheint also als förmlicher Polster den Gebirgsdruck 
aufgefangen und unschädlich gemacht zu haben. Aus ähnlichen Gründen 
scheint vielleicht auch der ganze westliche Teil der Grube von solchen 
Gebirgsschlägen verschont zu sein, weil hier das Flöz von ähnlichen 
weichen Mergeln und Lettenbänken durchzogen ist. 

Am gefährlichsten waren und sind diese Gebirgsschläge heute 
noch in einem mittleren Teil der streichenden Erstreckung der Grube, 
etwa von Brems 1 West bis Brems 5 Ost auf zirka 3°5 km Länge; 
wo die Kohle am reinsten und das Nebengestein zugleich ein spröder 
Zementmergel und Saudstein ist. In dieser Partie haben sich auch fast 
alle die bisher bekanntgewordenen — insbesondere die katastrophalen 
— Gebirgsschläge abgespielt. Es läßt sich auch nicht sagen, daß sie 
hier irgendwie gegen die Tiefe zu häufiger geworden wären, obwohl 
man gerade hier bereits bis gegen den“ tiefsten Teil der Mulde — 
zirka 800 m vorgedrungen ist. Sie haben sich hier nahe der Über- 


[11] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 109 


kippung — also in 200—300 m Tiefe — zuerst bemerkbar gemacht 
und halten in gleicher Stärke bis zur Tiefe an. 

Wie sie im Westen bis zur heutigen Abbautiefe von 600 m noch 
nicht wahrgenommen wurden, so haben diese Gebirgsspannungen auch 
im Osten an Intensität stark eingebüßt; sie machen sich nur durch 
srößeren — nicht unerwünschten — Druck, mit meist unschädlichem 
Abspringen größerer oder kleinerer Teile bemerkbar, nicht aber in 
jenen oft zu heftigen Unglücksfällen führenden Gebirgsschlägen der 
Mitte. Die Schäden betreffen nur das früher erwähnte Anfangsstadium, 
die Kohle drängt in die Strecke herein, knickt die Zimmerung und 
nötigt zu häufigeren Reparaturarbeiten. Vielleicht hängt diese geringere 
Druckäußerung in diesem östlichen Teile auch damit zusammen, daß 
hier ungefähr jene kleinen Verwerfungen (Überschiebungen) beginnen, 
die, wie früher erwähnt, an der Überkippungsstelle sowie auch darüber 
und darunter gegen Osten sich einstellen. Vielleicht ist dadurch ein Teil 
der ursprünglichen Spannung im Überkippungsbogen verloren gegangen. 

Zu bemerken ist allerdings, daß man aus den bisherigen Er- 

fahrungen auch gelernt hat, den Gebirgsschlägen und ihren ver- 
schiedenen Äußerungen auszuweichen oder zuvorzukommen. Sie müßten 
sonst bei dem überaus lebhaften Betrieb, der gerade in der gefähr- 
lichen Zone jetzt mehr denn je stattfindet, zu viel häufigeren Vor- 
kommnissen gehören. 
.... Normal kommt der Druck vor der Abbaufront dadurch zur 
Außerung, daß die Kohle „arbeitet“, daß sie „lebendig“ ist: sie 
knistert und zerspringt ständig, es bedarf nur verhältnismäßig geringer 
Nachhilfe bei der Gewinnung. Solange dieser Zustand anhält, ist die 
Gefahr nicht groß; sie wächst erst wieder — wie schon Baum- 
gartner.a. a. OÖ. pag. 490, anführt — mit der Wegnahme dieses 
zerknisterten und zerklüfteten Mantels, sowie wenn diese Zerklüftung 
nicht rasch genug im gleichen Schritt mit dem Abbau vom neuen 
entsteht. Oft kommt es dann vor, daß die Kohle hart wird; obige 
Erscheinungen des „Arbeitens“ treten dann nicht mehr auf. Damit 
wird der Zustand erfahrungsgemäß sehr kritisch ; die Kohle muß wieder 
zum „Arbeiten“ gebracht werden, soll nicht größte Gefahr für den 
Eintritt eines Gebirgsschlages entstehen. Schon die Arbeit in Pausen 
ist ein solches Hilfsmittel, indem sich nach gewissem Stillstand der 
Arbeit die Zerklüftung wieder bildet, dem Abbau nachkommt. Man 
beschleunigt dies nun auch dadurch, daß man einen oder mehrere 
Schüsse in der Kohle abtut; meist nimmt man dabei dann zuerst den 
Stoß und Schall des Schusses wahr und einige Sekunden darauf erst 
den in dieser Form immer in harmloser Weise ausgelösten und ver- 
laufenden Gebirgsschlag. Viel Material findet sich in der Regel herein- 
geworfen, meist „arbeitet“ die Kohle dann wieder. 

Auch Spannungen im Sollgestein werden derart oft künstlich 
durch tiefe Sprengschüsse, die mehr lockern, denn werfen, ausgelöst 
und die Gebirgsschläge dadurch gleichsam in statu nascendi unschäd- 
lich gemacht. 

Der hier in Rede gestandene mittlere Teil der Grube, der vor- 
nehmlich Gebirgsschlägen ausgesetzt ist, deckt sich keineswegs mit 
jenem früher erwähnten mittleren Teil, in welchem beide Flöze bau- 


110 Dr. K. A. Weithofer. [12] 


würdig entwickelt sind; er umfaßt im Gegenteil zur Hälfte Flächen, 
wo nur das Großkohlflöz allein bauwürdig vorhanden ist und abgebaut 
wird. In der gefährlichsten Zone mußte sogar das dort gänzlich un- 
bauwürdige Kleinkohlflöz herausgenommen werden, nur um das dar- 
unter befindliche Großkohlflöz zu entspannen, damit es gefahrlos ab- 
gebaut werden konnte. 

Am gefährlichsten sind selbstredend immer jene Situationen 
beim Abbaubetriebe, wo früher (beim Pfeilerbau) der Rückbau sich 
der Bremse näherte, oder jetzt (beim durchweg eingeführten Streb- 
bau) der Abbau an der Feldesgrenze gegen den alten Mann zu heran- 
rückt. Diese führten einigemal zu den bösartigsten Katastrophen. 

Unter den gleichen Verhältnissen befinden sich auch die so- 
genannten „Sicherheitspfeiler* längs der Grundstrecken; im rings 
abgebauten Felde wurden sie zu einer ständigen Bedrohung der 
Grundstrecke, weil sie ein immerwährender Herd von Gebirgsschlägen 


waren, da diese zurückgelassenen, verhältnismäßig schwachen Kohlen- _ 


pfeiler die schließliche Belastung nicht mehr aushielten.: Baum- 
gartner hat mehrere diesbezügliche Unfälle geschildert; sie haben 
sich noch öfters wiederholt. Zu einem neuerlichen katastrophalen Zu- 
sammenbruch kam es auf der Grundstrecke der III. Tiefbausohle im 
Bereiche der Bremse 2 Ost am 21. Januar 1910, wo diese Strecke 
unter gewaltigen Erschütterungen auf etwa 200 m Länge zusammen- 
geworfen wurde; das dadurch hervorgerufene Erdbeben wurde auch 
„och auf der Münchner Erdbebenwarte sehr schön aufgezeichnet. 

Als häufigste Begleiterscheinung dieser Gebirgsschläge zeigt sich 
die Firste durchgebogen oder auch die Sohle aufgeborsten. 

Es wurde schon erwähnt, daß nicht immer die Kohle der von 
der Zerstörung heimgesuchte Teil war; auch spröde Gesteinsbänke 
wurden davon betroffen, die zum Beispiel beim Abbau mitgenommen 
werden mußten und daher vor Ort anstanden, sowie die bei dem vor- 
handenen Einfallen der Schichten im Dreieck nachgerissene Sohlbank, 
die manchmal allein zerquetscht und unter schußähnlicher Detonation 
hereingeworfen wurde. Auch beim Teufen des 735 m tiefen Klenze- 
schachtes, der mit zirka 6,7 m das Flöz durchörterte, machte sich 
unterhalb des Flözes, insbesondere im Schachtfüllort, im Gestein der- 
artige Gebirgsschläge höchst lästig, indem unter Krachen starke 
Schalen absprangen, was zu großer Vorsicht bei der Arbeit nötigte. 

Auf eine nicht zu übersehende Eigentümlichkeit muß bei diesen 
Haushamer Gebirgsschlägen ferner noch hingewiesen werden. Die 
dortige Kohle enthält nur sehr wenig Schlagwetter, so daß die meisten 
Orte trotz Sicherheitsgeleuchte mit offenem Lichte befahren werden 
können. Gelegentlich solcher Gebirgsschläge nun und infolge der da- 
bei vorkommenden Zermalmung der Kohle treten nicht selten Schlag- 
wetter auf. Bei der Katastrophe vom 8. Juni 1892 waren sie sogar 
in sehr bedenklicher Menge bei den damals allerdings sehr reichlich aus- 
geworfenen Kohlenmengen frei geworden!). Auch in anderen Fällen 
konnten sie konstatiert werden, so zum Beispiel bei einem größeren 
Gebirgsschlage im Abbaupfeiler 1 auf Gesenk I West unter der dritten 


') Vgl. die Schilderung bei Baumgartner a. a. O., pag. 477. 


[13] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 111 


Tiefbausohle; daß sie nicht stets beobachtet werden, hat wohl seinen 
Grund in den verhältnismäßig geringen Gasmengen, die noch dazu 
durch den guten Wetterzug sofort verdünnt werden, zumal ja ein 
solcher Ort nach einem Gebirgsschlag, zu befürchtender Wieder- 
holungen wegen, nicht sofort betreten wird. 

Als auffallend muß es immerlin bezeichnet werden, daß selbst 
bei dem geringen Gasgehalt der Haushamer Kohle durch die Zer- 
splitterung derselben infolge eines Gebirgsschlages verhältnismäßig 
so bedeutende Gasmengen entbunden werden können. 

Nicht unerwähnt muß schließlich noch folgende, auch heute 
noch auftretende Erscheinung bleiben, über die auch Baumgartner!) 
schon berichtet. Die Kohle eines der beiden Flöze wurde heraus- 
genommen, der entstandene Hohlraum verzimmert. Als dann das 
andere Flöz darüber oder darunter abgebaut wurde, fielen die 
Stempel der Zimmerung im erstgebauten Flöz um, die Öffnung war 
also weiter geworden. Es geht daraus hervor, daß das Hangende 
oder Liegende des erstgebauten Flözes gegen den neu entstandenen 
Hohlraum des zweitgebauten Flözes hinein ausgewichen war. 

Wenn das zweitgebaute Flöz das untere war, war die Sache ja 
einwandfrei durch ein Nachsinken des stehengebliebenen, 6—9 ın 
mächtigen Zwischenmittels infolge der Schwere zu erklären. Wurde 
dagegen das obere Flöz als zweites herausgenommen, so konnte nur 
ein Auftrieb von unten oder eine seitliche Pressung die Aufwölbung 
bewirkt haben. Es kann dies auf die „hydrostatische“ Wirkung der 
Schwerelast im Heimschen Sinne zurückgeführt werden, kann aber 
auch die Äußerung einer latenten orogenetischen Spannung sein. 

Im ersteren Falle müßte es aber wohl allerdings überall in 
der Grube auftreten und nicht bloß lokal. 

Eine weitere Begleiterscheinung dieser Haushamer Gebirgs- 
schläge sind endlich die Erdbeben, die in ihrem Gefolge obertags 
oft auf beträchtliche Entfernungen wahrzunehmen sind. Erwähnt wurde 
schon das Erdbeben gelegentlich des Gebirgsschlages vom 21. Jänner 
1910, das die Münchner Erdbebenwarte in einer Entfernung von 
etwa 55 km registrierte. Leider besteht diese Warte erst seit 1905, 
so daß man bezüglich der früheren stärkeren Beben nur auf zufällige 
Mitteilungen angewiesen ist. Nach Baumgartner war der Gebirgs- 
schlag vom 8. Juni 1892 sowie jener vom 11. Jänner 1897 weithin 
auf mehrere Kilometer als Erdbeben fühlbar, so letzterer gegen 
Norden in Miesbach und Parsberg in 4 km, nach Südost in Schlier- 
see in 25 km und nach Südwest in Tegernsee in 8 km Entfernung. 
Aus größeren Entfernungen fehlen Beobachtungen; zweifellos reichten 
die Wirkungen noch weiter. Sogar recht schwache und unbedeutende 
Schläge, wie einer vom 2!. August 1912 und besonders ein solcher 
vom 12. Dezember 1912 wurden deutlich von der Nordsüdkomponente 
des Münchener Seismographen als Nahbeben aufgezeichnet (die Ost- 
Westkomponente wies nur Spuren auf) ?). 


!) A. a. O., pag. 492. 

?) Zur genaueren Registrierung von Erschütterungen wurde übrigens im Ein- 
vernehmen mit der Münchener Erdbebenwarte kürzlich ein Seismograph nach 
Prof. Dr. Konrad in Hausham unterirdisch aufgestellt. 


112 Dr. K. A. Weithofer. | [14] 


Aus dem über Hausham im Obigen Gesagten ergibt sich zu- 
nächst als Tatsache: 

1. daß der ganze Westen der Grube von etwa 700 m westlich 
der Schächte bis zur heutigen westlichen Baugrenze in etwa 3 km 
Entfernung und bis zur heute erreichten Tiefe von 600 m nahezu 
druckfrei ist, d. h. kein wesentlich verstärkter Druck ist zu merken; 

2. daß unmittelbar daran gegen Osten der druckhafteste Teil 
der Grube auf etwa 3°5 km streichende Länge sich anschließt. Auf- 
fallenderweise beginnt er gerade dort, wo oberhalb die Überwerfung 
des Südflügels sich einstellt. Gebirgsschläge treten in diesem Teil in 
gleicher Heftigkeit und Zahl von der UÜberkippungsregion in etwa 
200—250 m Tiefe abwärts bis zu den heutigen tiefsten Abbauen in 
etwa 700 m Tiefe auf; wenigstens könnte man keine irgend in die 
Augen fallende Vermehrung gegen die Tiefe zu feststellen. Die aus 
dem letzteren Horizonte (—700 m) in dem aufgerichteten Südflügel 
bis in den horizontalen Teil der Muldenmitte etwa noch bis — 800 m 
vorgetriebenen Untersuchungsstrecken waren bis nun ohne alle jene Be- 
gleiterscheinungen — auch nicht jener der blähenden oder treibenden 
Gebirge —, welche sonst Strecken in diesem druckhaften und ge- 
birgsschlaggefährlichen Teile der Grube zeigen, obzwar doch gerade 
hier der vertikale Druck der Schwerelast sich am günstigsten äußern 
könnte. Vielleicht läßt sich das Fehlen hier durch die tauben Ein- 
lagerungen im Flöz und dessen weichere Kohle erklären, wenn man 
dann allerdings wenigstens „treibendes“ oder „blähendes“ Gebirge 
erwarten könnte; 

3. der weiter anschließende Osten der Grube zeigt Druck- 
erscheinungen nur in weit vermindertem Maße; Gebirgsschläge sind 
hier nur wenig bekannt, obzwar die Abbaue auch hier schon bis zu 
600 m Tiefe allseits vorgedrungen sind; 


4. im Nordflügel, der allerdings Abbaue in größerem Umfange 
nur bis 250 m Tiefe hat und wo erst in jüngster Zeit solche in 500 m 
Tiefe begonnen wurden, hat sich bisher kein bemerkenswerter Druck 
gezeigt. Auch hier könnte das Gewicht der darüber lastenden Schichten 
gutzur Wirkung kommen. Die flachere Lagerung wäre nach Schmidt!) 
gerade geeignet, den Gebirgsdruck viel lebhafter und eher zur Auße- 
rung kommen zu lassen als steil gestellte Schichten, wie sie der Süd- 
tlügel führt. 

Sollte nun — diese Tatsachen im Auge behalten — als Ursache 
die Schwerelast, das Gewicht der darüberliegenden Schichten allein 
in Anspruch genommen werden, so müßte wohl, besonders unter den 
sich gleich bleibenden Gesteinsverhältnissen des mittleren Teiles eine 
sehr merkliche Zunahme ihrer Wirkungen nach der Tiefe zu wahr- 
zunehmen sein, da ja die Tiefe der Baue von der Überkippungsstelle 
nach abwärts sich allmählich verdreifacht, insbesondere wenn man 
dabei berücksichtigt, daß, den vorkommenden Gebirgsschlägen ent- 
sprechend, das betreffende Material bereits oben bis zur Grenze seiner 
Festigkeit beansprucht sein muß. 


) A. a. O., pae. 8% 


Kg EEE 60 er 0 (u 4 ME NT ee ee ee  B 


[15] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 113 


Ähnliches müßte auch im Osten der Fall sein; im Westen könnte 
man ja annehmen, daß die Gesteinsbeschaffenheit nicht danach ist, 
um bis 600 m Tiefe schon Druckerscheinungen zu bringen. 

Es scheint daher, daß mit der Schwerelast oder mit ihr allein 
die hier in Hausham auftretenden Erscheinungen nicht befriedigend 
und restlos zu erklären sind; es scheint da wohl nebst dieser natür- 
lich stets bis zu gewissem Grade wirksamen Last der überlagernden 
Schichten schon auch noch — und zwar in erster Linie — auf 
Spannungen zurückgegriffen werden zu müssen, die für 
die vorliegenden Außerungen ihren Sitz sichtlich in 
dem überworfenen Bogen des Südflügelshaben, dessen 
Entstehung natürlich wieder auf einen seitlichen Ge- 
birgsdruck zurückzuführen ist, der stauchend und faltend 
und überschiebend im übrigen hier ja Arbeit genug geleistet hat und 
nach vielfachen Anschauungen auch heute noch fortgesetzt leisten soll. 

Schmidt meint: „Der faktische Beweis für das Vorhandensein 
derartiger Energiereste wäre, gegeben, wenn ceteris paribus (petro- 
graphische Natur, Lagerung, Überlastung) tektonisch stärker gestörte 
Gebiete stärkeren Sohlauftrieb und stärkeres Zusammengehen der 
Ulme einerseits, energischere Bergschläge anderseits zeigen würden, 
als relativ normal liegende“ ). 

Dies scheint mir gerade auf den mittleren Teil unseres Süd- 
flügels gegenüber dem Westen und Osten sowie dem Nordflügel an- 
wendbar zu sein. 

Zwar sagt auch Heim?) diesbezüglich: „Solche Gebirgsspan- 
nungen“ (d. h. obige Energiereste) „müßten sich in ganz anderer Art 
äußern, vor allem hätten diese keinen Grund, ihre allfälligen Ab- 
schälungen parallel den Stollenwandungen zu legen, dagegen könnte 
dadurch etwa ein Abscheren in irgendeiner Richtung entstehen.“ 
Ich muß jedoch gestehen, es ist mir nicht ganz klar geworden, was 
damit gemeint sein soll, denn schließlich muß sich überdies jeder 
Druck, wenn er vorhanden ist und insbesondere nach Heim flüssig- 
keitsähnlich wirkt, im großen und ganzen gleich äußern. Allerdings 
ist wieder zu berücksichtigen, daß dies in erster Linie wieder für 
Tunnele, daher für Gebirgsschichten oberhalb der Talsohle gesagt 
ist, von Heim selbst daher nach den früheren Ausführungen für die 
Tiefe vielleicht in etwas anderer Weise aufgefaßt wird. 


Für unseren praktischen Gebrauch und für die raschere Ver- 
deutlichung im folgenden möchte ich die einschlägigen Phänomene 
in folgende zwei Hauptkategorien einteilen, wobei nur zu bemerken 
ist, daB der Unterschied nur ein gradueller ist und durch die Tat- 
sache herbeigeführt wird, daß, sofern die Schwerelast mit der Tiefe 
wirksam würde, wohl die meisten unserer Bergbaue noch nicht in 
solche Tiefen gedrungen sind, um an und für sich die Gebirgsfestig- 
keit der gewöhnlich vorkommenden Gesteine zu erreichen oder zu 
überschreiten. Nur die oft sehr spröde, dagegen im allgemeinen nicht 


2) A, 27 0.:pag. 87. 
?) Heim, Nochmals über Tunnelbau etc. 1908, pag. 38. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. A. Weithofer.) ]5 


114 Dr.:Kır A. Weithofer. [16] 


sehr druckfeste Kohle dürfte da vielleicht zuweilen eine Ausnahme 
machen und leichter an die Grenze der Gebirgs- oder Gesteinsfestig- 
keit kommen. 


Wir hätten demnach zu unterscheiden: 


1. Der Gebirgsdruck — gleichgültig welcher Ursache — 
bleibt ziemlich weit unter der Druckfestigkeit der Ge- 
steine (der Gebirgsfestigkeit), wobei weiter auseinanderzu- 
halten wäre: 


a) etwa vorkommende weiche Gesteine werden sich je nach 
dem Grade ihrer Konsistenz bereits treibend oder blähend zeigen, 


b) harte, feste Gesteine werden standhaft bleiben und 
keinerlei Druckerscheinungen erkennen lassen. 


In der Penzberger Mulde, die gleichfalls dem oberbayrischen 
Kohlenrevier angehört, zwar stark zusammengefaltet ist, doch keinen 
dem Haushamer ähnlichen Druck aufweist, sinkt der Südflügel wider- 
sinnig steil und gradlinig zur Tiefe. Nach einer scharfen Muldung 
steigt dann der Nordflügel in ziemlich flacher Lagerung wieder empor. 
Ein Querschlag in 200 m Tiefe traf in der erwähnten Muldenspitze 
unmittelbar in der First gerade eine weiche Lettenschicht. Wie ein 
Keil lasteten daher die jüngeren Schichten der Mulde darauf. Wenn 
nun durch ein Loch in der First dieser Letten in den Querschlag 
gepreßt wurde, und zwar mit solcher Gewalt — Wurstpresse nannten 
es bezeichnenderweise die Arbeiter — daß diese Stelle des Quer- 
schlages nicht zu halten war, abgemauert und durch einen Umbruch 
umgangen werden mußte, so ist dies ein charakteristisches Beispiel 
der Äußerung der bloßen Gebirgslast auf eine weiche Gesteinsschicht. 
Wenn sonst als ungemein häufige Erscheinung in — besonders jüngeren 
— Kohlenrevieren die verhältnismäßig weichen Schiefertone der Sohle, 
zum Beispiel bei horizontaler Lagerung, blähend ständig in die Strecke 
wachsen und diese ohne immerwährende Reparatur endlich vollständig 
zuschließen würden, oft in ganz geringen Tiefen, so ist dies gleich- 
falls der sonst vielleicht noch lange nicht zum Ausdruck kommende 
Druck der hangenden Gebirgslast }). 

In verhältnismäßig geringen und natürlich nach der Gesteins- 
beschaffenheit — und zwar sowohl der gedrückten wiederdrücken- 
den — wechselnden Tiefen genügt aber der durch die Schwere her- 
vorgerufene Gebirgsdruck, um die Konsistenz weicher Materialien 
(Letten, Schieferton, weiche Kohle u. dgl.) zu überwinden und naclı 
der Entlastungsstelle — hier der Stollen — zu drängen: treibendes 
oder blähendes Gebirge. — Härtere und festere Gesteine bleiben 
selbst für längere Zeiträume standhaft; es müßte denn sein, daß sie 
durch lebhaftere Zerklüftung, Verwitterung oder Lockerung ihrer 
Festigkeit aus anderen Gründen dazu kommen, unter die Gesteine 
ersterer Art eingereiht zu werden und dann ähnlich diesen sich zu 
verhalten. Natürlich gibt es Übergänge aller Art. 


!) Vgl. zum Beispiel die Ausführungen und Zeichnungen von Dr. Nieß in 
der Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- und Salinenwesen i. preuß. St., 1900, Bd. 58, 
pag. 420 u. f. 


[ 7) Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge, 115 


c). Nur wenn aus irgend welchem Grunde Pfeiler festeren, normal 

sanz standfesten Gesteines, z. B. Kohle, von Abbauen umgeben, stehen 
bleiben, (auch freistehende Abbaustöße können es sein), das Dach fest 
ist und über den abgekohlten Räumen nicht sogleich zusammenbricht, 
muß es geschehen, daß der Gesamtdruck des Daches, der früher ja 
auf eine vielfach größere Fläche verteilt war, auf diesen stehenge- 
bliebenen Pfeiler oder den Abbaustoß konzentriert wird; der Druck 
auf die Flächeneinheit wird hier daher künstlich vermehrt, ver- 
vielfacht, bis er unter Umständen groß genug ist, die spezifische Druck- 
festigkeit des Pfeilergesteines oder des schwächsten Teiles derselben 
zu überwinden, und durch plötzliche Zermalmung derselben unter 
Krachen und schweren Erschütterungen und gegebenenfalls auch unter 
Freimachung großer Schlagwettermengen aus der plötzlich zerkleinerten 
Kohle einen Gebirgsschlag hervorzurufen. 
. Man sieht, es beruht dies auf künstlich geschaffener, einfacher 
Überlastung, daher auf keinem eigentlich tektonischen Vorgang, höchstens 
kann man einen solchen mitheranziehen, wenn das ganze Geschehnis 
durch vorhandene Verwerfungen oder sonstige Störungen vorbereitet 
und befördert wird, sofern dadurch die lastende Decke günstiger und 
einseitlicher zur Wirkung kommt. 

Es gehören zu dieser Gruppe daher die meisten 
Gebirgsschläge dieser Art, die aus Flözen, insbeson- 
dere beimAbbau bekannt geworden sind. Ich möchte diese 
Art von Gebirgsschlägen Pfeilerbrüche nennen. 


2. Die Gebirgsspannung ist nahe der Druckfestig- 
keit der Gesteine (der Gebirgsfestigkeit) oder dieselbe 
erreichend; 


a) bei weichem Gestein wird sich das Treiben und Blähen 
in immer verstärkterem Maße zeigen; 


b) harte, spröde Gesteine werden schlagend werden; 
häufige Gebirgsschläge als normale Erscheinung; 


c) Überlastungen durch zu weit freistehendes Hangend auf zu 
klein gewordene Pfeiler werden sich mit ihren Wirkungen (Pfeiler- 
brüchen) hier entsprechend früher einstellen. 


Je tiefer die Grubenbaue zum Beispiel, die sonst zu 1) gehören, 
werden, desto stärker wird sich sicherlich — theoretisch wenigstens — 
das Gewicht der auflastenden Schichten geltend machen, desto mehr 
werden sie sich im allgemeinen den Fällen von 2) nähern. Doch 
scheint, daß dies durch die Tiefe, das heißt durch die Schwerelast 
allein bei den heutigen Bergbauen nur ausnahmsweise erreicht wird; 
der große Druck der Fälle unter 2) dürfte vielmehr in erster Linie 
auf noch andere Kräfte, zum Beispiel eben jenen seitlichen Schub 
als die Fortwirkung der gebirgsbildenden Energien oder deren Reste, 
auf petrographische Ursachen, oder drgl. zurückzuführen sein. 

Diese zweite Gruppe wird daher von jenen Vorkommnissen ge- 
bildet, wo von allem Anfang an, schon im unverritzten Ge- 
birge, die Pressung — unabhängig von der Ursache — eine so große 
ist, daß durch diese an für sich schon der Druck auf die Flächen- 
einheit der spezifischen Gebirgsfestigkeit nahe kommt oder sie sogar 

15* 


116 Dr. K. A. Weithofer. [18] 


überschreitet. Wenn nun in diesem unter derartigen Druck stehenden 
Gestein irgendeine künstliche Höhlung geschaffen wird, so trachtet 
sich diese Pressung in den Hohlraum hinein — infolge der Wegnahme 
des Gegendruckes — zu entspannen und es zeigen sich an den Wänden 
im festen, spröden Gestein allüberall die schon vielfach geschilderten, 
meist unter allerlei Lautäußerungen vor sich gehenden Zerknisterungen, 
Ablösungen oder Absprengungen, unter Umständen jene gefürchteten 
Gebirgsschläge, wie sie soeben, als auch in geringeren Tiefen durch 
künstliche Mittel hervorgerufen, geschildert wurden. 


Bei der verderblichen Wirkung dieser Ereignisse kaun es nicht 
Wunder nehmen, wenn sie schon seit längerer Zeit auch in der Lite- 
ratur lebhafte Beachtung gefunden haben; zuerst, soviel bekannt, in 
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts aus Steinbrüchen und 
Tunnelen in Nordamerika, dann aus englischen Gruben, in Deutsch- 
land aus Oberschlesien und Westfalen. 

Um die Jahrhundertwende mehren sich die Angaben ganz außer- 
ordentlich und fließen nun von Jahr zu Jahr verstärkt aus allen Welt- 
teilen herbei, so daß sich seither bereits eine ganze Literatur darüber 
gebildet hat. 1905, 1906, 1907 und 1909 hat Hankar-Urban ge- 
legentlich der interessanten und eingehenden Beschreibung der Ge- 
birgsschlagerscheinungen in seinen belgischen Porphyrbrüchen einen 
sroßen Teil derselben zusammengestellt (a. a. O.), ebenso 1907 C. 
Schmidt!) anläßlich der Besprechung der Gebirgsschläge und Druck- 
äußerungen im Simplontunnel; auch Rzehak hat bezügliche Literatur- 
erscheinungen in der Zeitschrift für praktische Geologie 1906 bis 1908 
und 1910 gesammelt, ebenso R. Hoernes 1907 in der Laibacher 
„Erdbebenwarte“ besprochen. 

Von erfahrenen Beobachtern führte schon Niles 1870 diese 
Erscheinungen (in nordamerikanischen Steinbrüchen) auf lateralen Druck 
zurück und 1900 gab Baumgartner die gebirgsbildenden Kräfte, 
welche auch die Haushamer Kohlenmulde zusammenschoben, im Ein- 
klange mit den allgemeinen Anschauungen an Ort und Stelle als Ur- 
sache an. Auch Hankar-Urban bezeichnet für Quenast 1905 die 
gleichen seitlichen Kräfte als wirksam. Eine eingehende Durcharbeitung 
finden diese Fragen an der Hand des außerordentlich reichen Er- 
fahrungsmateriales der großen Schweizer Gebirgstunnele in den an den 
Bau anschließenden Kontroversen, insbesondere Heims, Schmidts, 
und in jüngster Zeit erst sehen wir wieder Prof. E. Sueß2), sich mit 
ihnen und zusammenhängenden Fragen der Gebirgsbildung beschäftigen. 

Es soll im folgenden unter den durch Veröffentlichungen be- 
kannt gewordenen Fällen von Gebirgsspannungen und deren Auße- 
rungen Umschau gehalten und geprüft werden, auf welche Ursachen 


1) GC. Schmidt, Untersuchungen über die Standfestigkeit der Gesteine im 
Sim plontunnel. Gutachten, abgegeben an die Generaldirektion der Schweizer Bundes- 
bahnen. Bern, 1907. — Später in erweiterter Form in dem zitierten Rektorats- 
programm, 1908. 


2) E. Sueß, Über Zerlegung der gebirgsbildenden Kraft. Mitteilungen der 
Geol. Gesellschaft, Wien, Bd. VI, 1913. 


[19] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 717 


sie zurückgeführt werden können, und gegebenenfalls, wie sie sich zu 
der oben aufgestellten Gruppierung verhalten. 

Aus deutschen Bergbauen dürften die ersten Berichte über 
hier einschlägige Vorkommnisse auf A. v. Lasaulx!) zurückzuführen 
sein. Er macht Mitteilung über einen im Sommer des Jahres 1875 
erfolgten plötzlichen Einsturz der abgebauten Glocken des zur Königs- 
srube gehörigen Krugschachtes zu Kattowitz in Oberschlesien. Das 
Hangende der über vier Lachter mächtigen, abgebauten Flöze scheint 
länger ausgehalten zu haben und dann plötzlich zusammengebrochen 
zu sein; die näheren Vorgänge hierbei in der Grube und ihre Vor- 
bedingungen sind dem Berichte allerdings nicht zu entnehmen. Ein 
sehr heftiges Erdbeben war aber die Folge. Im späteren soll übrigens 
noch darauf zurückgekommen werden. 

Fernere Angaben rühren von L. Cremer?) her, wenn man von 
alten Berichten, wie von dem von B. Baumgärtel?) vom Rammels- 
berg bei Goslar aus dem Jahre 1795 mitgeteilten, vorläufig absieht. 
Cremer beschreibt drei Erdbeben, vom Jahre 1876, 1880 und 1888, 
die in den westlichen Stadtteilen von Dortmund wahrgenommen 
worden waren, die er möglicherweise auf Einsturzbeben unterirdischer 
Hohlräume, entstanden durch abgebaute Pfeiler, zurückführen zu 
können glaubt, wobei er als verursachend damals schon die liegenden 
Fiöze der dortigen Zechen ver. Westfalia und Tremonia vom Flöz 
Sonnenschein aufwärts im Auge hat. 

Eine eingehende Darstellung und Besprechung einer Reihe von 
Gebirgsschlägen aus dem gleichen Revier wurde 1903 von Dill®) ge- 
liefert. „Unter schußartigem Knall und starkem Luftdruck platzen die 
Kohlenstöße auseinander und werfen die Kohlenmassen —- meist fein 
zerkleinert — weit in die Strecken hinein, das Liegende wölbt sich 
mit heftigem Ruck auf, die Zimmerung wird umgeworfen.*“ Nachträg- 
lich „findet man das Hangende gewöhnlich unversehrt, den Kohlen- 
stoß an einer oder mehreren Stellen aufgeklafft und hin und wieder 
eine starke Schlagwetteransammlung“. „Eigentümlich für diese Erd- 
erschütterungen ist, daß sie im allgemeinen nur dort auftreten, wo die 
betroffenen Bauabteilungen sich in unmittelbarer Nähe vom alten Mann 
befinden oder gar inselartig von ihm umringt sind, wo ein schwung- 
hafter Abbau mit ungenügendem oder ganz ohne Versatz zeführt worden 
ist, und wo die Flöze ein äußerst gesundes und kräftiges Hangend 
haben, welches nur schwer zu Bruche geht.“ „Dasjenige Flöz, welches 


!) A. v. Lasaulx, Die Erdbeben. In Kenngott, Handwörterb. d. Min., Geol. 
u. Pal., Breslau, 1882, Bd. I, pag. 301. — Allerdings soll sich in der „Zeitschr. d. 
Oberschles. berg- u. hüttenm, Ver. in Kattowitz“ bereits 1875 eine Mitteilung über 
die Einsturzkatastrophe im Krugschachte befinden, welcher Jahrgang mir jedoch 
nicht erreichbar war. 


?) Leo Cremer, Erdbeben und Bergbau. „Glückauf“, Essen, 31. Jahrg. 1895, 
pag. 367. 
®, B. Baumgärtel, Über einen vor längerer Zeit beobachteten Bergschlag 


im Erzlager des Rammelsberges bei Goslar. Zeitschr. f. prakt. Geol., Bd. XXI, 
1913, pag. 467. 


*) Dill, Die in den letzten Jahren auf Steinkohlengruben des Oberberg- 
amtsbez. Dortmund vorgekommenen Gebirgstöße ete. Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- , 
u. Sal.-W. in preuß. St., Bd. 51, 1903, pag. 439. 


118 Dr. K. A. Weithofer. [20] 


diese Bedingungen erfüllte und daher Jahre hindurch sich als der 
einzige Gefahrenträger erwies, war das Flöz Sonnenschein. Erst in 
jüngster Zeit haben sich zwei andere Flöze, das Flöz Bismarck der 
Gasflammkohlenpartie und das Flöz Finefrau der oberen Magerkohlen- 
partie hinzugereiht.“ 

Die geschilderten Ereignisse sind geradezu typisch für unsere 
Gruppe 1c. Es ist nicht anzunehmen, wenigstens deutet absolut nichts 
darauf hin, daß irgendwelche vorbestehende Spannungen vorhanden 
waren. Durch den äußerst lebhaften und raschen Abbau, wie er betont 
wird, wurde der Druck des sehr festen und guten Hangenden — be- 
zeichnenderweise ist immer von einem bestimmten Niveau die Rede — 
auf immer kleinere Kohlenpfeiler übertragen, der Druck auf die Flächen- 
einheit wuchs hier daher ständig, überschritt endlich stellenweise die 
spezifische Gebirgsfestigkeit der Kohle und die Auslösung mit allen 
ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten trat ein. Es ist dies also 
ein Vorgang, der mit Tektonik nichts zu tun hat, höchstens daß durch 
vorhandene Sprünge eine Unterstützung desselben stellenweise ein- 
treten mochte. 

Hingewiesen sei dabei nur noch auf die mit diesen Pfeilerbrüchen, 
Gebirgsschlägen im allgemeinen, häufig freiwerdenden großen Gas- 
mengen, auf die auch Broockmann!) in dem großen Sammel- 
werk über den westfälischen Bergbau 1903 an einer Stelle aufmerksam 
macht. Was er hier aus Flöz Röttgersbank der Zeche Dannenbaum, 
Schacht I, beim Pfeilerrückbau beschreibt, sind charakteristische 
Pfeilerbrüche mit großer Schlagwetterentwicklung. 

Uber einen im Sommer 1910 auf der Zeche Consolidation auf- 
getretenen Gebirgsschlag, und zwar wiederum im Flöze Sonnenschein, 
macht Rumberg?) ausführliche Mitteilung; auch hier betraf es wieder 
eine Bauabteilung umgeben vom alten Mann, auch hier die zermalmt 
hereingeworfene Kohle, das unbeschädigt gebliebene sehr feste Han- 
gende (und Liegende), auch das Auftreten von großen Schlagwetter- 
mengen in einem vor dem Gebirgsschlag vollständig schlagwetter- 
freien Flöze, sowie eines Erdbebens, das übertags gefühlt wurde. 
Der als Ursache angegebenen Erklärung dürfte aber vielleicht nicht 
beizustimmen sein; auch hier wird ganz augenscheinlich der Druck des 
nachsitzenden festen Hangenden auf zurückgebliebene, zu schwach 
gewordene Kohlenpfeiler schließlich die Festigkeit der letzteren über- 
schritten und dadurch den Gebirgsschlag, beziehungsweise Pfeilerbruch 
hervorgerufen haben. 

Recht wahrscheinlich muß es nach Hollenders?°) eingehender 
Darstellung bezeichnet werden, daß auch das große Unglück auf 
Radbod vom Jahre 1908 primär auf einen Gebirgsschlag zurückzu- 


!) Die Entwicklung des niederrhein.-westfäl. Steinkohlenbergbaues in der 
zweiten Hälfte des 19. Jahrh., 1903, VI. Bd., Wetterwirtschaft, pag. 102. 

2) Rumberg, Der Gebirgsschlag auf der Schachtanlage III/IV der Zeche 
Consolidation am 10. Juni 1910. Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- u. Sal.-W. im preuß. 
St., 1911, pag. 68. 

®) Hollender, Die Explosion auf der Steinkohlengrube Radbod I/II bei 
Hamm in W. am 12. November 1908, Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- u. Sal.-W. im 
preuß. St., Bd. 59, 1911, Hft. 5 und „Glückauf“, 48. Jahrg., 1912, Nr. 5. 


[21] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 119 


führen ist („Glückauf“, 1912, pag. 265). Das Hangende des Unglücks- 
flözes 3 war sehr fest und gut, und es „wird sich also das Gebirge 
trotz des Abbaues recht lange gehalten haben, bis endlich der Zeit- 
punkt eintrat, wo das Gebirge, bis die Spannung zu groß wurde, zu- 
sammenbrach“. Die Schlagwetter in den Klüften und wahrscheinlich 
dem oder den Flözen wurden plötzlich in größter Menge — ähnlich 
wie auf Consolidation soeben geschildert — frei. Auch wurde ja fest- 
gestellt, daß die Grundstrecke von Flöz 3 der II. Sohle auf längere 
Erstreckung stark gehoben und in einem ganzen Klüftesystem aufge- 
borsten war, wie dies als Folgen solcher Gebirgsschläge auch anders- 
wo in die Erscheinung trat. 

Hier anschließend sei auch gleich des „Berichtes der nach Nord- 
frankreich und Belgien entsandten Mitglieder der Stein- und Kohlen- 
fallkommission* !) Erwähnung getan, da er für unsere Zwecke interes- 
sante Momente enthält. Im allgemeinen wird zwar auffallenderweise 
über wenig Druck, auch an den Abbauörtern, berichtet, obwohl das 
Hangende außerordentlich fest ist. Nur gering seien daher die Be- 
wegungen, welche durch den Abbau in demselben hervorgerufen würden. 
Allerdings ist dem gegenüberzuhalten, daß Demanet?) genug von 
sehr großem, ja „ganz unglaublichem“ Druck berichtet, der zum Bei- 
spiel im Serainger Becken Eichstämme von 20 cm über einen Tag 
förmlich zersplittert oder nach einer Schicht Strecken so zusammen- 
drückt, daß 2—3 m rückwärts vom Stoß nicht mehr durchzukommen ist. 


Eine Eigentümlichkeit dieser Gruben sind bekanntlich jene plötz- 
lichenGasausbrüche, die „degagements instantanes“. Nach De- 
manets Beschreibung (a. a. O., pag. 52) wird dabei „infolge der 
Gewalt der losgeschleuderte KohlenstoB in feinsten Staub zermalen 
und vom Gasstrom mitgeführt“. In einem Falle „folgte dieser Staub- 
wolke eine große Masse zerkleinerter, gleichsam gesiebter Kohle, 
welche die Strecke fast 30 m zuschüttete und ein Volumen von 175 cm? 
ergab“. (Ausbruch am 3. Januar 1865 auf Midi de Dour; bei anderen 
Gelegenheiten wurden sogar noch viel größere Kohlenmengen heraus- 
geschleudert.) 

Und die Steinfallkommission berichtet weiter: „daß Kohlen- 
wasserstoffgase eine Zerreißung des Gebirges bewirken, wurde auf 
den belgischen Gruben verschiedentlich behauptet. So wurde auf Grand 
Hornu angeführt, daß durch plötzliche Schlagwetterausbrüche der 
Kohlenstoß hereingeworfen oder mit knisterndem Geräusch abgedrückt 
werde. Auch glaubt man daselbst beim Abbau nahe übereinander 
liegender Flöze ermittelt zu haben, daß der nachfolgende Abbau eines 
tieferen Flözes schwieriger wird, sobald die Kohlenwasserstoffgasse 
Gelegenheit gehabt haben, in die Hohlräume des höher liegenden 
Abbaues zu entweichen.“ „Von der Zunahme des Druckes mit der 
Teufe der Baue konnten sichtbare Beweise nicht erbracht werden 3).“ 


‘) Die Verhandlungen und Untersuchungen der preuß. Stein- und Kohlen- 
fallkommission. Hft. 5, 1902. pag. 425. 


?) Ch. Demanet, Der Betrieb der Steinkohlenbergwerke. 2. Aufl. Deutsch 
v. Dr. Kohlmann u. Grahn. Braunschweig, 1905, pag. 368 u. ff. 


®) A. a. O., pag. 425. 


120 Dr. K. A. Weithofer. [22] 


Sollten bei dieser Standfestigkeit des Hangenden, diesem — 
wenigstens lokal — heftigen Druck, bei dieser ganz auffallenden Über- 
einstimmung der Äußerungen dieser „degagements instantanes“ mit 
unseren Gebirgsschlägen, wie sie insbesondere unter 1c beschrieben 
wurden, die auch schon Dill (a. a. O., pag. 464) auffällt, jene degage- 
ments instantanes nicht doch zum Teil wenigstens auf solche Gebirgs- 
schläge zurückzuführen sein? Sollte das, was oben über das Verhältnis 
zweier nahe beieinander liegenden Flöze beim aufeinanderfolgenden 
Abbau von der Kommission mitgeteilt wird, nicht vielleicht dem ent- 
sprechen, was als Folge des Druckes bei unseren Haushamer Flözen 
erkannt wurde? Es ist jedenfalls auffallend ähnlich. Das Hartwerden 
des später zum Abbau gelangenden Flözes wird dort nur der Ent- 
gasung in den Abbauraum des vorher abgebauten Flözes zugeschrieben, 
während es bei uns die Entlastung vom Drucke bewirkt. (Vgl. auch 
Demanet, a. a. O., pag. 367.) 

In ausführlichster Weise werden diese plötzlichen Gasausbrüche 
in verschiedenen außerdeutschen Grubenrevieren in zwei größeren 
Aufsätzen behandelt, die Schausten und Bracht!) auf Veran- 
lassung des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe veröffent 
licht haben, denen noch im amtlichen Auftrage angefertigte Beschrei- 
bungen der bisher beim Steinkohlenbergbau im Ruhrbezirk und bei 
Saarbrücken beobachteten Fälle angeschlossen sind. 

Bald darauf fanden sie auch in W. Schulz?) einen eingehenden 
Darsteller. Auch er weist dem Druck dabei eine nicht untergeordnete 
Rolle zu (a. a. O., pag. 105). 

Gasausbrüche wurden bisher fast immer ziemlich getrennt von 
Gebirgsschlägen behandelt; nach den bisher maßgebenden An- 
schauungen von Arnould?°) sind ihre Ursachen ausschließlich in den 
unter hoher Spannung in den Poren der Kohle, unter Umständen so- 
gar in flüssigem Zustande, befindlichen Grubengasen zu suchen. 

Eine Grenze zwischen Gasausbrüchen und Gebirgsschlägen läßt 
sich jedoch augenscheinlich nicht gut ziehen. Beiden liegen sichtlich die 
Außerungen zweier Agentien zugrunde, die wohl beide getrennt, aber 
auch beide in verschiedenster Stärke zusammenwirkend auftreten 
können: der Gebirgsdruck, wie wir ihn früber in verschiedener 
Form kennen lernten, und der Gasdruck in hiezu disponierten 
Flözen. Die Kohlenflöze entwickeln ja fast alle mehr oder weniger 
Gase; oft ist ihre Menge nahezu gleich Null, oft hinwiederum so groß, 
daß sie sich, insbesondere bei undurchlässigem Nebengestein, unter 
hohem Druck im Flöze (oder auch im Nebengestein) ansammeln. 

Es liegt nun im Bereiche der Möglichkeit, daß die Gase bei 
solchen stark zusammengepreßten Anreicherungen allein, aber mit Vehe- 
menz in die Grubenräume austreten können, wobei sie auch starke 


!) Gasausbrüche beim Steinkohlenbergbau. A. Sehausten, Gasausbrüche 
beim ausländischen Steinkohlenbergbau, und B. Bracht, Grubengasausbrüche in 
Belgien. Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- u. Sal.-W. im preuß.St., Bd.58, 1910, pag. 1 u. 24. 


®) W. Schulz, Die plötzlichen Gasausbrüche in den belgischen Kohlen- 
gruben während der Jahre 1892-—19C8. „Glückauf“. Essen 1912, pag. 60. 

®) Arnould, Etude sur les degagements instantanes de grisou dans les 
mines de houille du bassin Belge. Ann. trav. publ. de Belgique 1880, pag. 1 u. 419. 


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[23] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 12] 


mechanische Wirkungen wie Zersprengen, Fortschleudern der Kohle 
oder des Gesteines in wechselndem Umfange hervorzubringen im- 
stande sind. 

Kombiniert sich jedoch dieser Gasdruck, wie das häufig genug 
vorkommt, mit heftigem Gebirgsdruck, der die Kohle (oder sogar auch 
das Nebengestein) in den früher öfter beschriebenen Zustand äußerster, 
bis an die Grenze der Gebirgsfestigkeit gehenden Spannung bringt, 
so muß beim erfolgenden Gebirgsschlag die zermalmte Kohle auch 
ungeheure Gasmengen entbinden. Man kennt solche Gebirgsschläge 
mit heftiger Schlagwetterentwicklung, man weiß auch, daß die meisten 
Gasausbrüche von starken, oft sogar ganz außerordentlich starken — 
mehrere 100, ja 1000 2 — Auswürfen von Kohle begleitet wurden. 

Die zahlreichen und heftigen Gasausbrüche von Reschitza im 
Banat erklärt Becker!) geradezu in erster Linie und primär durch 
den Gebirgsdruck bewirkt, „während den Gasen eigentlich die Neben- 
rolle eines das Zustandekommen des Phänomens befördernien Agens 
zukommt“. Durch das in den Streckenraum zufolge des Gebirgsdruckes 
hereingebogene Hangend und Liegend sollen diese den Kohlenstoß vor Ort 
zusammenpressen, wodurch einerseits die gewöhnliche Gebirgsdruck- 
spannung in ihm entsteht und die Kohle zuweilen herausgequetscht 
wird. Ein Teil der ohnedies bereits in verdichtetem und daher ge- 
preßtem Zustande befindlichen Gase wird nach ihm dadurch anderseits 
in das Innere des Pfeilers gedrängt, hier eine Zone größter Pressung 
hervorrufend, die mit dem Fortschreiten der Strecke auch vor sich 
hergeschoben wird. Vor Verdrückungen kann sie nicht mehr weiter, 
die Pressung steigt und unter Umständen erfolgt die Explosion des 
Kohlenstosses mit allen geschilderten Begleiterscheinungen. 

Auch Demanet spricht, wie erwähnt, von den überaus heftigen 
Druckerscheinungen in vielen belgischen Gruben; ebenso führt nach 
Harze der Direktor der Grube Dour, Hecquets, die Gasausbrüche 
auf den durch die Grubenbaue hervorgerufenen Gebirgsdruck zurück ?). 
Daß Gasausbrüche mit letzterem in gewissem Zusammenhange stehen, 
darauf weist die allgemein konstatierte Tatsache hin (Arnould, 
Roberti-Lintermans?), Becker, Schausten), daß dieselben 
mit der Tiefe an Heftigkeit und Stärke rasch zunehmen, ja zum Teil 
der Tiefe erst eigentümlich sind. Es ist dies allerdings gewiß auch 
der hier immer mehr behinderten Entgasung zuzuschreiben. Vor Ein- 
treten solcher Gasausbrüche werden ferner bezeichnenderweise fast 
stets Knalle, oft mehrere und längere Zeit hindurch gehört, was doch 


1) A. Becker, Zur Theorie der plötzlichen Gasausbrüche. Österr. Zeitschr. 
f. Berg- u. Hüttenw., 55. Jahrg., 1907, pag. 269. — Vgl. auch: H. Haßlacher, 
„Glückauf“, 45. Jahrg., 1909, pag. 262, sowie eine während der Korrektur dieses 
erschienene Abhandlung von Dr. K. A. Weber, Der Kohlenbergbau von Anina 
und Resicza unter besonderer Berücksichtigung der Gasausbrüche auf der Doman- 
grube. „Glückauf“. Essen 1914, 50. Jahrg., pag. 701. 

2) E. Harze, Des mesures a prendre en vue des degagements instantands 
de grisou. Ann. trav. publ. T. 43, Brüssel 1885, pag. 11. — Auch die weiteren 
Darstellungen Harzes sind bezüglich Gasausbrüchen von großem Interesse. 

°») Roberti-Lintermaus, Les degagements instantanes de grisou dans 
les mines de houille de Belgique. Annales des travaux publics de Belgique, 1895, 
pag. 75. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd, 1. u. 2. Ilft. (K. A, Weithofer.) 16 


122 Dr. K. A. Weithofer. . [24] 


wohl Spannungsauslösungen im Gebirge durch Bruch vermuten läßt. 
Dazu müssen aber notwendigerweise erst heftige, die Festigkeit 
überschreitende Spannungen vorhanden sein. Auch daß sie mit Vor- 
liebe in der Nähe von Gebirgsstörungen, von. Schichtenbiegungen, 
Sätteln u. dgl., also von sicheren Schauplätzen früherer Druckäuße- 
rungen, deren Reste aber noch vorhanden sein können, auftreten, 
deutet vielleicht auf Ursachen in der gleichen Richtung hin. 


Daß diese hohen und höchsten Gasspannungen anscheinend oft 
genug „nesterweise* vorkommen, mag sich in Wirklichkeit so ver- 


halten — mir fehlen darüber persönliche Erfahrungen — und dann 
mit wechselnden Eigentümlichkeiten — organischen oder physikali- 
schen — der sie bildenden Kohle oder selbst des Nebengesteins zu- 


sammenhängen; oder ihre stellenweisen Ausbrüche und Explosionen 
(aus diesen schließt man ja nur auf stellenweise gesteigertes Vor- 
kommen und gesteigerten Gasdruck) sind eben auf eine lokale Kom- 
bination mit heftigem Gebirgsdruck zurückzuführen. Wäre das „nester- 
weise* Auftreten einwandfrei konstatiert, so kann dies natürlich durch 
letzteres nur noch mehr verstärkt und dem kritischen Punkte rascher 
zugeführt werden. 


Daß auch in Klüften und sonstigen Hohlräumen im Nebengestein 
stark komprimiert vorkommendes Grubengas durch Gebirgsschläge — 
gewiß auch ohne solche durch die Grubenarbeiten — frei werden 
kann, ist selbstredend; es wurde darauf bei Erwähnung der Radbod- 
katastrophe bereits hingewiesen. 


Wir sehen daher Gebirgsschläge (besonders Pfeilerbrüche) von 
Gasausbrüchen begleitet sein. Da es sich dabei aber um zwei ganz 
verschiedene Ursachen handelt, die vollkommen unabhängig voneinan- 
der sich entwickeln und je vom geringsten bis zum höchsten Grade 
vorhanden sein können, wird natürlich auch ihr Auftreten und ihre 
Kombinierung eine sehr verschiedene sein. Es gibt Gebirgsschläge in 
Kohle fast ohne Auftreten von größeren Gasmengen, wenigstens wird 
hierüber nichts berichtet. In nicht ins Auge fallender Weise mögen 
sie immerhin vorhanden sein. Es werden anderseits auch häufig 
Gasausbrüche ohne besondere Druckerscheinungen beschrieben, so, 
wie erwähnt, in Belgien und dem östlichsten Ruhrgebiet (Zechen 
Werne und Maximilian bei Hamm), von der Saar, die aber meist 
alle mit Herausschleudern großer Mengen zermalmter Kohle verbunden 
waren. Weitere Beobachtungen werden über deren Natur wohl noch 
erst volle Klarheit verschaffen müssen. 


Daran anschließend muß auch der Ausbrüche vonKohlen- 
säure Erwähnung geschehen, die bisher zwar nur an wenigen Punkten 
beobachtet wurden, immerhin aber unter ähnlichen Erscheinungen 
vor sich gehen: Im Ostwaldenburger Revier des niederschlesischen 
Kohlenbeckens und im Kohlengebiet des Departements Gard in Süd- 


!) Gasausbrüche beim Steinkohlenbergbau. Zeitschr. f. d. B, H. u. S. im 
preuß. St., Bd. 58, 1910, pag. 41 (für den Saarbezirk, pag. 44). — Hollender, 
Der Gasausbruch auf der Zeche Maximilian bei Hamm am 11. April 1910. Ebenda, 
Bd. 59, 1911, pag. 62. 


[25] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge, 123 


frankreich !). In Niederschlesien sind die von diesen Ausbrüchen her- 
beigeführten mechanischen Wirkungen meist recht unbedeutend, nur 
sehr große Gasmengen — bis 5000 m? — treten plötzlich auf, be- 
gleitet von Auswürfen fein zerkleinerter Kohle (bis 500 £) und bis- 
weilen auch von Gestein. Von Druckäußerungen ist nirgends die Rede; 
es scheint daher, als ob lediglich der außerordentliche Druck der im 
Flöze oder im Nebengestein angehäuften Kohlensäure die Festigkeit 
der Kohle in eine Art labilen Gleichgewichtes gebracht habe, so daß 
bei geringer Veranlassung — meist treten die Ausbrüche infolge 
eines Schusses auf, bisweilen auch schon nach einem Schlag mit 
der Haue — diese Festigkeit bereits überwunden wird und die Kohle 
— vgl. die batavischen Glastropfen — förmlich explodiert unter Frei- 
machung der eingeschlossenen Gasmengen. 

Viel zerstörender zeigen sich diese Kohlensäureausbrüche in Süd- 
frankreich ?2), wie insbesondere aus dem von Werne mitgeteilten 
Falle der Grube „Alais“ hervorgeht, wo bei Erreichung eines 13 m 
mächtigen Flözes beim Schachtabteufen allein nach obertags gegen 
1000 t Staubkohlen ausgeworfen worden waren, die über 23 ha um 
die Schachtanlage herum bedeckten und die gesamte Auswurfsmasse 
die außerordentliche Menge von 4000 £ Kohle überschritt. Der Aus- 
bruch geschah nicht bei der ersten Bloßlegung des Flözes, sondern 
beim Einbruch in das Flöz selbst nach den ersten Schüssen, also 
ähnlich wie in Niederschlesien- Dagegen wird berichtet, daß bei einer 
weiteren Katastrophe auf der Grube Nord d’Alais Ende November 
1912, die 24 Opfer forderte, der Ausbruch „unvermutet mitten in 
der Arbeit ohne jede äußerliche Veranlassung und, wie angenommen 
wird, wahrscheinlich infolge Gebirgsschlages oder Ein- 
sturzes“ erfolgte. 

Nicht zu übersehen sind schließlich Gasausbrüche, die offenbar 
für sich allein wirkend ganz bedeutende mechanische Wirkungen, 
wenn auch unter wesentlich anderen Bedingungen, ausüben. Bekannt 
sind ja die mächtigen Erdölspringbrunnen, deren Energiequelle 
doch gleichfalls nur in hochgespannten Kohlenwasserstofigasen zu 
suchen ist, die in dem Öl sich angesammelt haben. Nach Überwin- 
dung des Bohrlochdruckes werden die geförderten Massen oft noch 
hundert und mehr Meter hoch emporgeschleudert, und zwar nicht 


!) Laske, Der Kohlensäureausbruch auf dem Steinkohlenbergwerk Cons. 
Segen Gottes-Grube bei Altwasser am 7. Dez. 1910. Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- 
u. Sal.-W. i. pr. St., Bd. 59, 1911, pag. 175. — Laske, Der Kohlensäureausbruch 
auf dem Steinkoblenbgw. Cons. Rubengrube b. Neurode am 17. Sept. 1911, ebenda, 
Bd. 60, 1912, pag. 74. — Festschrift z. XII. allg d. Bergmannstag, Breslau 1913, 
Bd. III, Der Waldenburg-Neuroder Industriebezirk, pag. 120, Wetterwirtschaft v. 
Prietze. — Werne, Vortrag bei gleichem Bergmannstag. Festschr. Bd. VI, pag. 98 
und Ref. v. Bartonec, Montan. Rundsch., 1913, pag. 1220. (Anmerkung wäh- 
rend der Korrektur: Inzwischer erschienen: Werne und Thiel, Kohblen- 
säureausbrüche beim Steinxkohlenbergbau in Niederschlesien, Südfrankreich und 
Mähr.-Ostrau. Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- u. Sal.-W. im preuß. St. 1914, Bd. 62, 
pag. 1. Die Kohlensäure ist nach ihnen überall juvenilen Ursprungs — worauf 
durch G. Thiel allein „Glückauf“, Essen 1914, pag. 251, schon eingehend hinge- 
wiesen wird — und lokal in die Kohle eingepreßt; durch Erschütterungen ver- 
schiedenen Ursprungs wird sie befreit). 


?) Schausten, a. a. O. (mit Literaturangaben). — Werne, a. a. O. 
16* 


124 Dr. K. A. Weithofer. [26] 


nur Öl und Wasser, sondern oft genug auch Gesteinsmaterial. Höfer!) 
erwähnt auch trockene, lose Sande, in welchen gespannte Gase sich 
befanden, die dann beim Anbohren als wahre Sandspringquellen sich 
entluden. 

Als auf bloße Ausbrüche von hochgespannten Kohlenwasserstoffgasen 
muß endlich auch noch auf die reinen Gasquellen oder Gas- 
eruptionen hingewiesen werden, die aus verschiedenen Gebieten 
der Erde schon lange bekannt sind und in den letzten Jahren be- 
sonders in Siebenbürgen bei Kissärmäs die Aufmerksamkeit auf 
sich gezogen haben. Diese Erdgasausbrüche schleuderten hier bis 
100 kg schwere Stücke des Gesteins zutage, die nach Böckh um 
die Eruptionsstellen herum über mehrere hundert Meter ausgedehnte 
Schutthalden bildeten. 

Durch die bloße Energie der Gase allein wurde hier demnach das 
Gestein zerrissen und mit Gewalt aus dem Ausbruchsschlote befördert. 

Wie schon im früheren angeführt, liegt keine Beobachtung vor, 
welche auf eine Zunahme des Druckes gegen die Tiefe im nieder- 
rheinisch-westfälischen Kohlenbecken, trotzdem schon recht bedeutende 
Tiefen erreicht wurden, hindeuten würden ?). Ahnliches wird ja auch 
ausdrücklich aus Belgien-Nordfrankreich berichtet (vgl. oben den Be- 
richt der Steinfallkommission). 

Dagegen erwähnt Bernhardi°®) aus dem oberschlesischen 
Kohlenrevier mit der fortschreitenden Tiefe eine erhöhte Spannung 
der Kohle beim Streckenbetriebe. Er könne jedoch keine sichere 
Erklärung dafür geben; mit dem gewöhnlichen Druck hätte es nichts 
zu tun. Die Kohle sei spröder geworden. Es ist ja immerhin möglich, 
daß sich entsprechend der spezifischen Beschaffenheit der ober- 
schlesischen Kohle die Schwerelast hier mit fortschreitender Tiefe 
auf die spröde Kohle immer mehr geltend macht. Anderseits erklärt 
er aber die nach der Tiefe hin zunehmenden Druckerscheinungen 
beim fortschreitenden Abbau durch die immer größer werdenden 
Glocken, die natürlich kuppelförmig das Gewicht der von ihnen ge- 
tragenen Hangendschichten auf die nebenstehenden Kohlenpfeiler 
übertragen und deren Druckfestigkeit endlich überwinden ®). Je fester 
das Hangende, desto auffallender tritt nach ihm bezeichnenderweise 
diese Erscheinung ein (a. a. O., pag. 174); so sind diese letzteren 


') H. v. Höfer, Das Erdöl und seine Verwandten. Braunschweig 1912, 
3. Aufl.,"pag. 197, 

?) Vgl. auch Wolff, Grubenausbau, in dem Sammelwerk über die Entw. d. 
niederrhein.-westf. Kohlenbergbaues, Bd. II, pag. 351. 

°) Fr. Bernhardi, Über den Gebirgsdruck in den verschiedenen Teufen 
und seine Folgen für den Abbau der in Oberschlesien in so großer Ausdehnung 
gebauten mächtigen Flöze. Aus dem Bericht der Abteil. I der Stein- u. Kohlen- 
fallkommission. Berlin 1902, pag. 171. — Ebenso: Friedr. Bernhardis gesam- 
melte Schriften, hrsg. v. Oberschles. berg- u. hüttenm. Ver. Kattowitz 1908, pag. 91. 

*) Vgl. auch Bernhardi, Die durch den Abbau v. Kohlenflözen verursachte 
Wärmeerzeugung. Zeitschr. d. Oberschl. b.- u. h. Ver. 1886, pag. 367 und Ges. 
Schriften pag. 89 ff, wo direkt darauf hingewiesen wird, daß „in Oberschlesien die 
Fälle gar nicht so selten sind, in denen ganze Bremsschachtfelder entweder gar 
nicht oder doch nur durch ganz schwache Holz- oder Steinkohlenpfeiler unter- 
stützt, längere Zeit zum großen Teil offen stehen, eine Quelle der äußersten 
Gefahr für die betreffende Grube“. 


i 


[27] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 125 


also im Wesen wieder genau die gleichen Vorgänge, wie bei unserem 
früheren festen Hangenden, daß sich schließlich auf relativ zu klein 
gewordene Pfeiler stützt. 

Wenn er endlich die auch von Lasaulx schon beschriebene 
(vgl. oben) Zusammenbruchskatastrophe des Krugschachtes der Königs- 
zeche vom Jahre 1873 erwähnt, so spricht er sogar von einer „statt- 
gehabten Zerdrückung der vorgerichteten Pfeiler“. Nach Hoffmann 
waren damals dort „ganze Bremsbergfelder plötzlich zu Bruch ge- 
gangen, als man versuchte, einzelne der — (bei dem schachbrett- 
förmigen Abbau) — stehen gebliebenen Pfeiler nachträglich zu ge- 
winnen. Ein ähnlicher Einsturz infolge schachbrettartigen Abbaues 
ereignete sich 1897 in Rosdzin“!). Wahrscheinlich haben wir also 
bereits damals die gleiche Sache vor uns, wenn auch die Tiefe im 
Krugschachte bloß 160 m betrug: eine Überlastung der stehen- 
gebliebenen Pfeiler. Die geringe Tiefe zeigt deutlich, daß von einer 
Schwerewirkung durch zu große Tiefe keine Rede sein kann ’?). 

Übrigens berichtet über einen durch allzu große Verschwächung 
der Pfeiler im oberschlesischen Kohlenrevier erfolgten Zusammen- 
bruch eines Bremsberges im Heinitzflöz auf der 340 m tiefen Sohle 
im Felde der Königin Luisengrube Ackermann?) ausdrücklich und 
in ausführlicher Weise: Mit Fortschreiten des Abbaues steigerte sich 
der Druck über den immer schmäler werdenden Bremsbergpfeilern 
immer mehr, bis ohne vorherige Anzeichen der Zusammenbruch dieser 
außerordentlich verschwächten und daher nicht mehr tragfähigen 
Kohlenpfeiler sich ereignete: ein typischer Pfeilerbruch. 

Über zum Teil ähnliche Verhältnisse berichtet Krug‘) aus dem 
Lugau-Ölsnitzer Grubenrevier. Auch er unterscheidet, wie Bern- 
hardi, erhöhte Spannung im Flöze beim Vortrieb der Strecken in 
600-900 m Tiefe, die sich darin äußert, daß „unter heftigem Schlage 
bis zu ®/; q schwere Kohlenstücke aus dem Einbruche herausgepreßt 
und auf etwa 6 m Entfernung in die Strecke geschleudert wurden. 
Gleichzeitig sind die drei oder vier letzten Baue umgeworfen worden 
und die ursprünglich 2 m hohe Strecke war auf 12 m zusammen- 
gedrückt“. Schläge geringerer Heftigkeit kamen sehr häufig vor. 

Dann führt er die „eigentlichen Gebirgsschläge“* an, die sich 
in den heftigsten Gebirgserschütterungen äußern, die als Erdbeben 
bis an die Oberfläche sich fortpflanzen. Sie treten nach ihm bei sehr 
festem und kompaktem Hangenden auf und wenn der Abbau sehr 
weit vorgeschritten ist, das tragfähige Hangende daher sehr weit frei 
liegt. Die Erschütterung soll dann durch den plötzlichen Zusammen- 


!) Hoffmann, Die Technik im oberschlesischen Bergbau und Hüttenbetriebe. 
In: Festschrift z. XII. allg. deutsch. Bergmannstag Breslau 1913, Bd. II, pag. 500. 

?) Man vergleiche hierzu übrigens auch die Ausführungen Knochenhauers 
in der Zeitschr. d. oberschles. berg- u. hüttenmänn. Vereines Kattowitz 1912 (Nov.- 
Heft) über „Erderschütterungen und Bergschäden“. Der gleiche Aufsatz auch in 
der „Berg- u. Hüttenmänn. Rundschau“ Kattowitz, 9. Jahrg., 1913, Nr. 7. 

°) Ackermann, Wirkungen des Abbaues mit Sandspülversatz auf das 
Deckgebirge im Felde der Königin Luisengrube. „Glückauf“, 46. Jahrg., 1910, 
pag. 1287. 

*) Krug, Eigene und fremde Beobachtungen über Gebirgsschläge in Lugau- 
Ölsnitzer Gruben. Jahrb. f. d. Berg- u. Hüttenw. im Kgr. Sachsen, 1903, pag. 31 


196 Dr. K. A. Weithofer. [28] 


bruch dieses freigelegten Hangenden erfolgen. Wenn dem wirklich 
so ist und nicht etwa auch hier die überlasteten und plötzlich zer- 
trümmerten Kohlenstöße die Katastrophe einleiten, so hätten wir in 
ersterem Falle allerdings überhaupt bloß eine Einsturzerschütterung 
vor uns, wie solche in geringerem Umfange täglich bei jedem Zu- 
bruchegehen des Hangenden vorkommen. Mit Gebirgsschlägen hätte 
es dann überhaupt nichts zu tun. 

Es sei dem nun so oder so, jedenfalls sind auch hier wieder 
keine eigentlichen tektonischen Vorgänge zu verzeichnen. Der Abbau 
schritt vor, bis die Tragfähigkeit irgendeines Elements überschritten 
war und der Zusammenbruch erfolgte. In den Strecken im freien 
Felde mag auch hier speziell die Kohle infolge der großen Tiefe 
von 600—900 m schon Pressungserscheinungen zeigen, wenn die Ur- 
sache nicht eine andere ist. Denn nach mir gewordenen brieflichen 
Mitteilungen sind diese schon damals nur sehr lokalauftreten- 
den Schläge, die daher auch nicht gut auf irgendwelchen allge- 
meineren tektonischen Vorgängen beruhen können, in den letzten 
Jahren nicht mehr oder doch nur in unbedeutendem Maße vorge- 
kommen. Auf besseren Versatz mit Ausschlämmen, wie vermutet wird, 
kann dies wohl nicht zurückzuführen sein, da diese Schläge ja beim 
Vertrieb im unverritzten Gebirge auftreten. Vielleicht tragen, wie 
stellenweise in Hausham, spezielle lokale Konstitution der Kohle und 
des Nebengesteins, event. der Zwischenmittel zu ihrem Entstehen bei. 

In Böhmen kennt man im Kohlenbecken von Kladno seit 
langer Zeit gebirgsschlagartige Erscheinungen, welche dort Detona- 
tionen heißen. Das mächtige Flöz wird daselbst ohne Versatz gebaut. 
Zeitweise mag es da geschehen, daß das Hangende zuweilen zu lange 
stehen bleibt und dann allein oder durch Zusammendrücken der 
unterstützenden Pfeiler plötzlich unter starker Erschütterung der 
Grubenbaue und der Tagesoberfläche niedergeht. Eine Erklärung für 
diese Erschütterungen suchte man früher nach Schröckenstein?) 
in einer durch den Bergbau herbeigeführten Austrocknung und da- 
durch erfolgenden Zerberstung des ganzen Hangendgebirges. Doch 
hat diese Hypothese dort keine Anhängerschaft erworben, was in 
mehrfachen, von Amts wegen erstatteten Gutachten damaliger Zeit 
(E. Preißig und A. Irmler) über diese Vorkommnisse zum Aus- 
druck kam. „Solange sich der Abbau in der Tiefe bis zu 225 m 
Sohle bewegte, hat sich der Pfeilerbau durchaus bewährt, dagegen 
gestaltete sich der Betrieb wesentlich anders, als der Tiefbau zwischen 
dieser und der tieferen 514 m Sohle eröffnet war. Beim Rückbau 
der vorgerichteten Pfeiler wurde der Druck auf diese immer größer, 
was sich vor den Abbaustößen durch ein Zerfallen der an sich festen 
Kohle äußerte. In den Teilungsstrecken, Bremsbergen und Fahrüber- 
hauen zeigten die Kohlenstöße in ungewöhnlichem Maße das Be- 


streben, in den freien Raum hineinzuwachsen, verengten dadurch 


den Querschnitt und gaben so zu fortwährenden kostspieligen Re- 

') Fr. Schröckenstein, Die Erderschütterungen mit Detonationen in den 
Steinkoblengruben bei Kladno. Montan-Kalender, hrsg. v. Montan.-Ver. f. Böhmen, 
Jahrg. XVII, 1900, pig. 80 (danach auch in einem Vortrag bei der 66. Naturf.- 
Vers. in Wien). 


| 


[29] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 127 


paraturarbeiten Veranlassung. Als dann durch das fortgesetzte 
Schwächen des Kohlenpfeilers diese nicht mehr imstande 
waren, dem auf ihnen lastenden Druck Widerstand zu leisten, be- 
gannen sie zu brechen, was mit heftigem Knallen und Hereinbrechen 
größerer Kohlenmassen verbunden war und sich übertags durch erd- 
bebenartige Erderschütterungen bemerkbar machte“ !). 

Nach einem vorangehenden, bereits am 3. April 1896 erstatteten 
Gutachten traten größere Detonationen inneuaufgeschlossenen 
Felderteilen nie auf, während die Schauplätze für solche stets im 
Bereiche „der verhauten oder im Verhau befindlichen Bremsberge 
oder in schmalen, zwischen abgebauten Feldern noch anstehenden 
Pfeilern liegen“. Man erkennt: genau die gleichen Grundlagen und 
Ereignisse wie in Hausham oder in Westfalen und an anderen Orten 
— die Kohlenpfeiler überlastet und folgender Zusammenbruch. Wenn 
sich die Ereignisse wirklich erst in größerer Tiefe bemerkbar machten 
und hier nicht vielleicht auf andere Ursachen (lebhafterer Abbau 
u. dgl.) zurückzuführen sind, so kommt dadurch noch hinzu, daß die 
Kohle für geringere Tiefen druckfest genug gewesen wäre, daß jedoch 
ihre Gebirgsfestigkeit in größerer Tiefe unter Hinzukommen des 
künstlich vergrößerten (in der Tiefe, wie gesagt, vielleicht durch leb- 
hafteren Abbau stärker vergrößerten) Hangenddruckes bereits erreicht 
und stellenweise überschritten wurde. 

Tektonische Ursachen kämen wieder nur unterstützend in Frage, 
entsprechend den vielen Verwerfungen, welche das Flöz dort durch- 
setzen ?). In diesem Sinne und als Ablehnung der an gleichem Orte 
neuerdings angeführten Austrocknungshypothese sind auch meine 
kurzen Außerungen vom Jahre 19053) über diese Angelegenheit zu 
verstehen, zumal ja aus dieser Veranlassung ganze, auch über die 
Abbaue hinausreichende Gebirgskörper, insbesondere soweit sie von 
Verwerfungen umschnitten und aus dem Zusammenhange mit dem 
Gebirgsganzen gebracht sind, offenbar in Bewegung gesetzt werden 
können. Vielleicht sind unter diesem Gesichtswinkel auch Schröcken- 
steins Angaben a. a. O. bezüglich des Auftretens der von ihm an- 
geführten Detonationsfälle zu betrachten. 

In weit stärkerer Weise läßt Davison*) die Verwerfungen bei 
der Erklärung solcher Gebirgsschläge beziehungsweise Pfeilerbrüche 
eine Rolle spielen. Durch den Abbau würde das Hangende auf große 
Erstreckungen hin seiner Stütze beraubt, trachte daher niederzugehen 
und den Abbauraum auszufüllen. „Nowhere can this tendency be 
greater than where the rock is severed by a fault from that which 
adjoins it. Here the sinking would take place by a series of fault- 


!) E. Preißig und A. Irmler, Gutachten betr. die zur möglichsten Ver- 
hütung von plötzlichen Erschütterungen (Detonationen) in den Steinkohlengruben 
des Kladnoer Reviers zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen. Prag, 15. April 1901, 
pag. 15. 

?2) Vgl. z. B. die Profile in „Die Mineralkohlen Österreichs“. Wien 1903, 
pag. 226. 

®) Weithofer, Verh, d. Naturf.-Ver. Brünn, Bd. 43, 1904, pag. 44. 

#) 6. Davison, On some minor British Earthquakes of the Years 15893 — 1899. 
The geol. Mag. 1900, pag. 176. Vgl. auch: Derzselbe, Ebenda 1905, pag. 220. 


128 Dr. K. A. Weithofer. [30] 


slips, each of which might give rise to a rather strong shock on the 
surface of the ground above.“ Immerhin geht die Sache auch hier 
auf die Überlastung durch zu weit freigelegtes Hangend zurück und 
den dadurch hervorgerufenen Druck. 

In ähnlicher Weise beschreibt Atkinson!) Gebirgsschläge aus 
dem Staffordshire-Kohlenfeld, dort „bumps“ oder „goths* genannt. 
Sie kommen hauptsächlich in mächtigen und tiefen Flözen vor, be- 
gleitet von schuß-, oft donnerähnlichen Detonationen, manchmal ohne 
sichtlichen Effekt, manchmal mit Erschütterungen, Niedergehen der 
First (zuweilen auch Aufbersten der Sohle), Hereinbrechen von Kohle 
und Zertrümmerung der Zimmerung. Manchmal nähme es den An- 
schein, als ob. die ganze Grube zu Bruche ginge. Endlich seien öfter 
als Begleiterscheinungen Gasausbrüche zu verzeichnen. Ursache sei 
nach ihm „the sudden release by fracture of a state of tension in 
the strata either preexistent or brought about by the mine-working“. 
Daß der „Spannungszustand“ nach dem Vorangehenden wohl kaum 
präexistent war, sondern ebenfalls durch den Abbau hervorgerufen 
wurde, dürfte kaum zu bezweifeln sein. Daß er nach seiner Ansicht 
durch keine lateralen Pressungen hervorgerufen werde, teilt er Han- 
kar-Urban mit. 


Interessant sind die Mitteilungen I. E. Carnes?) aus den 
Kannelkohlengruben Genowlan und New Hartley in Neu-Süd-Wales, in- 
sofern, als sie ja nach der Konsistenz der Kohle verschiedenes Ver- 
halten zeigen. Wo weiche bituminöse Kohle in der First ansteht, gibt 
diese nach und mildert so den enormen Druck auf die steife Kannel- 
kohle. Wo jedoch harte Kannelkohle in der First ist, kommt der 
Druck restlos zur Geltung: Ständiges und heftiges Absprengen von 
Materialteilchen findet statt, besonders wo Abbauräume die seitliche 
Spannung der Kohle zum Ausdruck kommen lassen, so daß die Häuer 
nur hinter Schutzschildern und mit Schutzbrillen vor den Augen ihrer 
Arbeit nachgehen können, um sich vor den abgesplitterten, scharf- 
kantigen Schieferstücken zu sichern. Es erinnert dies wechselnde 
Verhalten an gewisse Vorkommen in Hausham, die früher auch er- 
wähnt wurden. 

Die Überlagerung ist hierbei kaum 1000 Fuß, also nicht be- 
deutend. 

Auch aus dem Erzbergbau liegen mehrfache Mitteilungen über 
Gebirgsschläge vor. 

So vor allem aus Przibram von F. Mladek, H. Stefan und N. 3). 

Was Mladek beschreibt, sind wieder die schon mehrfach ge- 


') W. N. Atkinson, Report of H. M. Inspector of Mines for the Stafford 
district for the year 1903, pag. 15 (nach Davison, a. a. O., 1905, und Hankar- 
Urban, a. a. O., T. XXI, 1907, pag. 36). 


?) I. E. Carne, The Kerosene shale deposits of New South Wales. Mem. 
geol. Surv. of N. S. W., Dep. of Mines and Agric. Sydney, 1903, pag. 84. 


°») F. Mladek, Über Erderschütterungen im’ PrzibramerBergbauterrain. Österr. 
Ztschr. f. Berg- u. Hüttenw., 1905, Jahrg. 53, pag. 349. — H. Stefan, Spannungen 
im Gestein als Ursache von Bergschlägen in den Przibramer Gruben. Ebenda, 
54. Jahrg., 1906, pag. 253. — N., Die Spannungen der Gesteine in den Przibramer 
Gruben. Ebenda, 1906, pag. 398. 


[31] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 129 


schilderten Wirkungen des seines unterstützenden Haltes durch den 
Abbau beraubten Hangenden: „Es ist einleuchtend, daß bei stetig 
steigender Wirkung des Pfeilergewichtes schließlich die Grenze der 
Widerstandsfähigkeit der Gebirgsschichten überschritten wird, und die 
durch diese Gewichtswirkung hervorgerufene Spannung der Schichten 
an den hierzu geeigneten Stellen zur Auslösung gelangen muß.“ Diese 
Auslösung „äußert sich durch Ausbauchung des Liegenden oder Han- 
genden eines solchen entblößten Pfeilers, welche in offenen Verhauen, 
Strecken usw. unter Umständen sogar in Berstung und völligen Ver- 
bruch ausartet“. Es erfolgt dies unter kanonenschußartigem Knall und 
Erschütterung der ganzen enorm großen Pfeilermasse, welche sich 
mitunter bis zur Erdoberfläche fortpflanzt.“ (Pag. 350.) 

Die von Stefan als erste beschriebenen Erscheinungsformen 
werden von ihm zwar vor allem auf im Gebirgsbau begründete Pres- 
sungen zurückgeführt, wie sie zum Beispiel „an jenen Stellen ent- 
stehen, wo der Gang ein anderes Streichen oder Verflächen annimmt“, 
er deutet aber selbst darauf hin, daß sich „die Lage verschlimmert, 
und zwar trotz tadellosesten Versatzes, bei fortschreitender Aus- 
dehnung des Abbaues und der hiermit verbundenen Konzentration 
des Hangenddruckes auf immer kleinere Gebirgspfeiler“. (Pag. 258.) 
Wir haben daher offenbar auch hier wieder nur Überlastung des bei 
fortschreitendem Abbau allmählich zu klein gewordenen Pfeilers einer 
harten, spröden Flöz- oder Gangmasse durch das feste, tragfähige 
Hangende vor uns, zumal die daraus resultierenden Gebirgsschläge 
nach dem Autor auch wirklich nur dann auftreten, wenn die Gang- 
masse sehr fest, nicht aber, wenn sie milde und zerrieben ist. 

Was er an zweiter Stelle als tückischere Erscheinungsform der 
dortigen Gebirgsschläge aufführt, daß unter schußartigem Knall oder 
starkem Getöse aus dem Nebengestein größere, „in viele scharfkantige 
Stücke verschiedener Größe zersplitterte Gesteinsmassen“ losspringen, 
geht auf eine bereits erfolgte Überschreitung der Gebirgsfestigkeit 
dieses Nebengesteines durch irgendeinen Druck zurück. Die Vorkomm- 
nisse dieser Art treten nach ihm nur in einer Tiefe von mehr als 
1000 m und nahe der Muldenmitte im flachen Südostflügel auf, niemals 
im steilen Flügel. Oft folgen dem Hauptschlag an gleicher Stelle noch 
mehrere kleinere, so daß „eine solche Firstenstraße stunden-, ja tage- 
lang nur mit größter Vorsicht betreten werden kann“. Und wieder 
betrifft es auch hier nur „harte, dichte, quarzige, keinesfalls milde, 
tonige“ Gesteine. Er zieht den Schluß, „daß die Schlagkraft nicht 
allein in einem senkrecht zur Schichtung wirkenden Drucke der über- 
liegenden Gebirgsmassen, sondern gleichzeitig auch in einer parallel 
zu letzterer gerichteten Pressung an der Muldenmitte zu suchen ist“. 
(Pag. 256.) — Es sollen also nach ihm trotz der Tiefe nicht die 
Schwerelast die allein wirkende Ursache sein, sondern tektonische 
Verhältnisse, die mit der Schiehtenbiegung in der Muldenmitte zu- 
sammenhängen. Nachdem er jedoch vorhin von „Firstenstraßen“ als 
Schauplatz dieser Gebirgsschläge spricht, scheint es, daß auch der 
Abbau uud die dadurch vermehrte Lastung des Hangenden wenigstens 
mit eine Ursache dieser Uberlastungserscheinungen ist, die sich dies- 
mal im Nebengestein abspielen (wie ja öfter auch in Hausham). 

Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1914. 64. Bd, 1. u. 2. Hft. (K. A. Weithofer.) 17 


130 Dr. K. A. Weithofer. [32] 


Daß es nicht mit der Tiefe zusammenhänge, konstatiert über- 
dies ausdrücklich N., jedoch auch, daß diese Erscheinung in beiden 
Muldenflügeln, im flachen und steilen, und zwar ohne Unterschied der 
Tiefe auftritt. Bedingung ist jedoch „dichtes, hartes, und glasiges, 
sprödes Quarzitgestein“. „Die geringere oder stärkere Außerung wird 
allerdings mehr oder weniger auch durch äußere Umstände beeinflußt, 
also durch die Art der Bloßlegung des Gesteines beim bergmännischen 
Betrieb sowie durch sonstige lokale Grubenverhältnisse.“ Die milden, 
sraphitischen Schiefer zeigen bloß Blähung und dabei „große Neigung 
zur Gesteinsabsonderung sowohl der Schichtung wie auch der Trans- 
versalschieferung nach“. 

Da die Tiefe also keinen Einfluß auf die Stärke des Auftretens 
dieser Gebirgsschläge haben soll, bleibt nur die künstliche Schaffung 
derselben durch den Abbau oder irgendwelche tektonische oder sonstige 
Spannungen als Ursache übrig. Erstere sind für einen großen Teil 
der Erscheinungen wohl als einwandfrei festgestellt zu betrachten, 
letztere sind aus dem bisher bekannt Gewordenen nicht klar nach- 
zuweisen. 

Damit im Zusammenhange sei auch eines Berichtes vonBr. Baum- 
gärtel (a. a. O.) über einen bereits im Jahre 1795 im Erzlager des 
Rammelsberges bei Goslar beobachteten Gebirgsschlag gedacht, sowie 
wiederholter erdbebenartiger Erschütterungen über diesem in Abbau 
befindlichen Lager, die er auf Spannungen, verursacht durch Gleit- 
bestrebungen des gewichtigen Erzkörpers auf einer vorhandenen zer- 
rütteten Überschiebungszone zurückführen zu sollen glaubt (pag. 472), 
nachdem er wegen der geringen Tiefe von 230 m die Heimsche Ge- 
wichtshypothese ablehnt, und auch einen tangentialen Schub, als Rest, 
der oberkarbonischen Zusammenfaltung der dortigen Schichten, wegen 
des Vorhandenseins von Verwerfungen mit abgesunkenem Hangenden 
— die also im Gegenteil auf eine Zerrung der Schichten hindeuten 
würden — nicht gut annehmen kann. 

Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß diese Erklärung des Autors 
eigentlich doch nur auf der Heimschen Hypothese beruht, außer man 
zieht auch noch die ja vorhandenen großen Abbauräume, trotz des er- 
wähnten guten Versatzes, zur Deutung heran, gegen und in welche 
hinein sich die ihrer Unterstützung beraubten Erz- oder Gebirgs- 
körper senkten; wir haben aber dann damit wieder den Druck dieser 
letzteren auf kleiner gewordene und deshalb unter Umständen über- 
mäßig beanspruchte Unterlagen als Ursache vor uns?). 


Auch aus außereuropäischen Frzgebieten kennt man solche zu 
den Gebirgsschlägen gehörige Vorgänge. So aus den Goldfeldern von 
Hillgrove, am Bakers Creek in Neu-Süd-Wales gelegen. Andrew?) 


!) Anmerkung während der Korrektur": In jüugster Zeit berichtet B. Baum- 
gärtel, Zeitschr. f. prakt. Geol. 1914, pag. 38, noch über zwei möglicherweise 
gebirgsschlagartige Erscheinungen in den Erzbergwerken von Lautental im Ober- 
harz, von denen man jedoch (1906 und 1912) nur Detonation und Stoß vernahm, 
ohne ihre Ursprungsstelle näher zu kennen. 

?) E. C. Andrew, Report on the Hillgrove Gold-Field. Department of Mines 
and Agriculture, Geol. Survey, Mineral Resources, Nr. 8, Sydney, 1900, pag. 18 


[33] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 331 


machte zuerst Mitteilung von metamorphen Schiefern, die beim Schlagen 
oder Bohren „explodieren“ und mit Gewalt nach allen Richtungen 
zerspringen; tagelang vorher zeigt sich dies oft schon dadurch an, daß 
das Gestein zeitweise „spuckt“. Andrew führt es auf große Pres- 
sungen zurück, die durch die verschiedenen Granitausbrüche dieser 
Gegend verursacht wurden. Dadurch wird beim Beginn der Arbeiten 
erst dieses „Spucken“ oder kleinere Schläge herbeigeführt; wenn aber 
der Abbau fortschreitet und der Druck von allen Seiten fühlbar wird, 
kommt ein Moment, wo das Gleichgewicht gestört und „a disastrous 
explosion* ausgelöst wird. 

Jaquet!) beschreibt dann zunächst, wie in der Nachbarschaft, 
als Folge einer heftigen „Gesteinsexplosion“, am 15. Dezember 1904 
ein Hauptbremsberg zusammengeworfen wurde; an Andrews An- 
nahme der Ursache dieser Pressungen (Granitausbrüche) glaubt er 
jedoch nicht, führt sie vielmehr einmal auf Spannungen in den Stößen 
zurück — woher? — sowie auf den Umstand, daß die bezüglichen 
Schichten spröde sind und sich daher nicht durchbiegen. Aus der bei- 
gegebenen Zeichnung und der Beschreibung des Vorganges ergibt sich 
jedoch ohne weiteres, daß es sich auch hier um ein fortgesetztes 
Verschwächen des tragenden Pfeilers handelt, bis der Gebirgsschlag 
— ein Pfeilerbruch — erfolgt. 

Von großem Interesse für unseren Gegenstand sind Spannungs- 
äußerungen, wie sie zu gleicher Zeit W. F. Smeeth aus den Kolar- 
Goldfeldern von Mysore, in Vorderindien, schildert). Leider war es 
mir ebenfalls unmöglich, mir diese Veröffentlichungen hier zugänglich 
zu machen und ich muß mich im folgenden auf den Auszug in Hankar- 
Urbans Abhandlung (a. a. O., T. XXI, 1907, pag. 30 u. ff.) beziehen. 


Danach unterscheidet Smeeth auch hier wieder „Air Blasts“, 
Gesteinsabsprengungen oder Absplitterungen, wie wir sie im Voran- 
gehenden schon an vielen Orten angegeben fanden. Einige bezeichnende 
Beispiele werden erwähnt: Auf der Oregum-Mine zeigt der gold- 
führende Quarz, ebenso auch Hornblendeschiefer (nach Smeeth basal- 
tische Laven) in zirka 300—350 m Tiefe Zerknisterungen und Ab- 
splitterungen. Auf Champion Reef mußte eine Strecke in zirka 590 m 
Tiefe deswegen sogar eingestellt werden. So heftig trat die Erscheinung 
hier in der Streckenfirst auf, daß diese sich dadurch um 3 m erhöhte; 
wobei nur zu bemerken ist, daß im nächsthöheren und niederen 
Horizonte (zirka 560 und 620 m) nichts zu verspüren war. In der 
Tank-Mine trat diese Absplitterung in zirka 260 m in basaltischem 
Gestein, und zwar sogar mit Funkenbildung auf; auch nach längerer 
Zeit noch löste jeder Hammerschlag diese Absprengungen von Ge- 
steinssplittern aus. 


!) Rapport annuel du departement des Mines de la Nouvelle-Galles du Sud 
pour 1903, pag. 72—76. — Das Original war mir nicht erreichbar; stütze mich 
daher auf A. Hankar-Urbans Mitteilung im Bull. de la Soc. Belge de G£ol., 
Mem., T. XXI, Brüssel 1907, pag. 27 u. ff. 

?) W. F. Smeetb, Air Blasts and Quakes on the Kolar Gold Field. Mysore 
Geo]. Dept., Bangalore, 1904, pag. 45, und nach E. Suess, a. a. O.: Rep. of the 
Chief Insp. of Mines for 1908/09, Madras, 1910 und for 1911/12, Madras, 1913, 

17% 


132 Dr. K. A. Weithofer. [34] 


Diese Air Blasts kämen hier daher in Tiefen von 150— 600 m 
im Quarz, Basalt und metamorphen Schiefern vor, in dem goldführenden 
Quarzgang selbst, wie in größerer Entfernung von ihm, in frisch auf- 
gefahrenen, wie in älteren Strecken. Die Wirkung der Schwere als 
Ursache erscheine wohl ausgeschlossen. Direktor Bosworth Smith 
der Tankgrube erklärt diese Erscheinungen im Quarzgang durch seit- 
lichen Druck infolge der Faltung, im übrigen durch Zugspannungen, 
entstanden durch Kontraktion bei der Abkühlung. Stellenweise wäre 
Entspannung möglich ‚gewesen, daher das lokale Auftreten. Smeeth 
dagegen glaubt alle Außerungen auf Auslösung von Zugspannungen 
zurückführen zu sollen. 

Viel ernsterer Natur sind die Quakes, da sie nicht nur in der 
Grube sehr zerstörend wirken, sondern auch obertags auf 5—6 km 
Entfernung als Erdbeben zu fühlen sind. Selbst das sie begleitende 
Getöse konnte man an der Erdoberfläche zuweilen 1—2 km weit hören. 
Solche Quakes sind sehr häufig; in der Champion Reef-Grube allein 
konnte man im Verlauf von zwei Jahren 70 zählen. Er führt davon 
mehrere Beispiele an: Ein Luftschacht der Oregum-Mine wurde in 
Hornblendeschiefer zwischen 200—230 m Tiefe auf 20 Fuß unter 
starkem Knall auf 1—2 Zoll verschoben und zugleich in der Strecke 
von 230 m Tiefe die Zimmerung auf 20 Fuß Länge niedergebrochen 
und Gestein abgesprengt. Auf Champion Reef wurde eine Strecke in 
400 m Tiefe durch eine Erschütterung auf 140 Fuß Länge zusammen- 
geworfen; die Sohle barst heftig auf und große Gesteinsschalen bis 
12 Zoll Dicke wurden abgeschleudert. Am 13. und 20. März 1903 
gab es auf der gleichen Grube wieder große, auch an der Ober- 
fläche fühlbare Erschütterungen, die von Strecken in der Tiefe von 
zirka 270 und 325 m ausgingen und hier große Gesteinstrümmer 
(Dolerit) weit wegschleuderten. Alles Vorgänge ganz ähnlich wie in 
Hausham. 

Smeeth glaubt die Ursachen dieser Quakes zum Unterschiede 
von jener der Air Blasts in einem Zusammenbrechen der 
Pfeiler unter dem Gewichte des überlagernden Ge- 
birges suchen zu müssen: der goldführende Quarzgang sei dort auf 
große Erstreckung bereits bis zur Tiefe von über 500 m weithin ab- 
gebaut; Hangend und Liegend sehr widerstandsfähig und spröde. 
Darin gerade sieht er aber die Hauptvoraussetzungen für diese Er- 
schütterungen, wenn er sich auch frägt, warum dieselben denn nicht 
auch in den Nachbargruben, wo die gleichen Verhältnisse herrschen, 
vorkommen. Auch Hankar-Urban sieht in dieser Lokalisierung 
des Auftretens ein Hindernis für eine solche Erklärung, zumal nach 
ihm Air Blasts und Quakes überdies doch auf die gleiche Ursache 
werden zurückgeführt werden müssen, die er schließlich am wahr- 
scheinlichsten in seitlichen Pressungen orogenetischer Natur sehen zu 
können glaubt. 

Es scheint mir jedoch diese Schlußfolgerung nicht notwendig 
zu sein. Da Schwerewirkung des überlastenden Gebirges bei der ge- 
ringen Tieie und dem festen Gestein ausgeschlossen sind, die Quakes 
aber hauptsächlich in Abbaufeldern auftreten, kann man sich der Er- 
klärung Smeeths sicherlich anschließen, die auf Pfeilerbrüche 


[35] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 133 


hinausgeht. Wenn solche nur stellenweise auftreten, so kann das seine 
Ursache in lokalen Gesteinsverhältnissen haben, die bisher vielleicht 
nur nicht genügend berücksichtigt werden, in abweichenden Abbau- 
vorgängen u. dgl. Übrigens böte dies stellenweise Auftreten der Er- 
klärung Hankar-Urbans durch seitlichen Druck die gleichen 
Einwände. 


Auch die Air Blasts treten zudem anscheinend nur lokal auf; 
offenbar hängt auch dieses mit der Gesteinsbeschaffenheit zusammen, 
die den wirkenden Kräften, seien sie nun welche immer, lateraler 
Druck, chemische oder physikalische Vorgänge im Gestein, ver- 
schiedenen Widerstand entgegensetzen und damit auch sich verschieden 
äußern. 


Soweit Gebirgsschläge in Tunnelen beobachtet wurden, fällt 
bei ihrer Erklärung natürlich die Möglichkeit weg, sie auf Überlastung 
durch künstlich vergrößerten Hangenddruck zurückzuführen. Es sind 
primäre Gebirgsspannungen, wie wir solche beim Bergbau, beim V or- 
trieb von Strecken oder Querschlägen ins freie Feld, 
kennen gelernt haben (Hausham, Oberschlesien, Sachsen, Indien usw.). 


Die Erscheinungen sind die gleichen: Blähen und Treiben bei 
mildem, Schlagen bei hartem, sprödem Gestein. Selbstredend stellt 
sich ersteres nur schon bei geringerem Drucke ein. 


Das Auftreten von Gebirgsschlägen beim Simplontunnel wurde 
schon anfangs behandelt!); ebenso die verschiedenen Ansichten 
über die Ursachen, wie sie insbesondere in den Kontroversen zwischen 
Heim und Schmidt hervortraten. Ersterer führt sie demnach aus- 
schließlich auf die Überlastung durch die Schwere der über- 
liegenden Gebirgsschichten zurück, wobei sich der Druck flüssigkeits- 
ähnlich nach allen Seiten fortpflanzt, weshalb er unter allen Umständen 
kreisförmige Ausmauerung tiefer Tunnele verlangt, letzterer möchte 
auch die gebirgsbildenden Kräfte mit ihrem tangentialen Schub, die 
„primäre Konsistenz und die Art der Lagerung der Gesteine“ (a.a. O. 
pag. 82, 87 etc.) nicht ausschalten. Stellenweise scheint ja der Druck 
in den Tunnelen entsprechend der Heimschen Ansicht, tatsächlich 
mit der Höhe der Überlagerung zuzunehmen, vielfach wird aber die 
einwandfreie Beobachtungsmöglichkeit dadurch gestört, daß anderes 
Gestein, Störungs- und Zerrüttungszonen eintreten, daß ja überhaupt 
das Gebirgsmaterial kein einheitliches, homogenes ist, sondern ein 
Gemenge verschiedenartiger Bestandteile oder gleicher Bestandteile 
in verschiedenartigem Zustand. 


Auch aus den großen österreichischen Alpentunnelen werden 
ähnliche Erscheinungen berichtet. So traten nach Becke?) solche 
unter Knall erfolgende Absprengungen größerer oder kleinerer Ge- 


1) Über das Auftreten in den Gotthardtunnelen vgl. die Angaben bei 
Schmidt, Rektoratsprogr. a. a. O. pag. 74. 


?) F. Beeke, Bericht über den Fortgang der geologischen Beobachtungen 
an der Nordseite des Tauerntunnels. Anz. d. kais. Akad. d. Wiss. Wien, math.- 
naturw. Kl. 1905, Nr. XII, pag. 152. — Weitere Berichte: Ebenda 1906, Nr. III, 
pag. 31 und 1907, Nr. X, pag. 164. 


134 Dr. K. A. Weithofer. [36] 


steinsstücke im Zentralgneis beim Bau des Tauerntunnels an der Nord- 
seite sehr lebhaft bei einer Überlagerung bis zu 1600 m auf. Aber 
auch hier, wie in der Schweiz, nur in gesundem, kluftarmem, kom- 
paktem Gestein, nie in Zerklüftungszonen. Auch hier wurde die Be- 
nina gemacht, daß die abgesprungenen Schalen größer geworden 
waren, als der Raum, aus dem sie stammten. 


Von der Südseite dieses selben Tunnelbaues erwähnt Berwerth!) 
die gleichen Vorkommnisse, wenn sie hier auch in einer milderen 
Form sich geltend zu machen scheinen, ebenso aus festem Kalkstein 
vom Wocheiner Tunnel Klodiö?). 

Über Druckäußerungen in oberflächlichen Steinbrüchen wurde 
gleichfalls schon anfangs berichtet. Sie sind zweifellos vorhanden, 
und zwar oft in sehr energischer Form. Wenn auch angegeben wird, 
daB sie — zum Beispiel in den Porphyrbrüchen von Quenast in 
Belgien — erst mit 36 m eintreten und weiter in der Tiefe häufiger 
werden, so kann dies doch kaum mit der Schwerewirkung und ihrer 
flüssigkeitsähnlichen Druckverteilung zusammenhängen. Der Steinbruch 
ist dort gegen 80 m tief; selbst eine freistehende Gesteinssäule dieser 
Höhe angenommen, ergibt sich an seiner tiefsten Stelle bloß ein 
Druck von kaum 24 kg/acm. Die Druckfestigkeit des Phorphyrs ist 
dort aber 2344 /g. Es ist daher vollkommen ausgeschlossen, daß bei 
diesen geringen Tiefen irgendeine Äußerung möglich wäre, die auf 
Erreichung oder gar Überschreitung der Druckfestiekeit des Porphyrs 
beruhte. Öbiger Druck von 24 kg/gem ergibt nicht "einmal die Hälfte 
der sogar für Baukonstruktionen zulässigen Spannung. 

Das annähernd Gleiche gilt auch für Granit, der eine nur wenig 
kleinere Druckfestigkeit hat. Die Druckfestigkeit für Kalk- und Sand- 
stein ist allerdings wesentlich geringer, aber selbst bei diesen noch 
außerordentlich viel größer als sie in Tagsteinbrüchen je in Anspruch 
senommen werden kann. 

Nach „Des Ingenieurs Taschenbuch“, hrsg. von Ver. Hütte, 1902, 
ergibt sich als Bruchbelastung für: 


kg/gem 
Granit, Syenit, Diorit . . . 800-2000 
Porphyr We Ser 0023600 
Basalt 7.2.08. 50. SEO 
Grauwacke . . . m... 5900-1500 
Kohlensandstein . . . . ....500-—1800 
Keupersandstein . . 700 —1800 
Bruch- und a 300 — 1000 
Kalkstein , sg Ted 720 
') Fr. Berwerth, Über den Fortgang der geologischen Beobachtungen im d 


Südflügel des Tanerntunnels. Anz. d. kais. Akad. d. Wiss. Wien, math.-naturw. 
Kl.. 1907, Nr. XXVII, pag. 487. 


®) In Kossmat, Denkschr d. kais. Akad. d. Wiss, Wien, 1907, Bd. 82, 
pag. 91. — Ebenso Lußer nach Schmidt, Rektoratsprogr. a. a. O. pag. 73. 


[37] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 135 


Bei angenommen 3 kg spezifischem Gewicht — also reichlich 
gewählt — resultiert für je 100 Meter Gesteinssäule als Sohldruck 
derselben für den gem etwa 30 kg. 

Es ist selbstverständlich, daß diese so errechneten Werte für 
das Gestein im Gebirgszusammenhange nicht direkt verwendbar sind, 
aber mangels anderer Möglichkeiten, den Tiefendruck zahlenmäßig zu 
erfassen, sollen sie zur allgemeinen Veranschaulichung vorerst dienen. 


Man ersieht daraus, daß zum Beispiel für die Przibramer Ver- 
hältnisse Grauwacke oder Sandstein bei den dort erreichten Tiefen 
noch immer nicht an der Belastungsgrenze angelangt ist, selbst wenn 
man den geringsten Wert von 500 kg/gem annimmt. Desgleichen würde 
der gewöhnliche Kohlensandstein, wieder dessen niedrigsten Bruch- 
belastungswert eingesetzt, erst bei 1600 m Tiefe seine höchste Be- 
lastbarkeit erreichen, Bruch- und Quadersandstein bei 1000 m, Kalk- 
stein bei 1300 m. f 


Die schlagenden Mergel Haushams dürften allerdings eine niederere 
Bruchbelastung haben. Da sie zwar bei 300 m Tiefe durch das Ge- 
wicht einer ebenso hohen Gesteinssäule bloß’ gegen 75 kg/gem, bei500 m 
Tiefe erst 125 kg/gem auszuhalten hätten, so wäre es wohl immerhin 
nicht undenkbar, daß besonders wenig druckfeste, doch spröde Partien 
derselben zuweilen nahe an die Belastungsgrenze gelangten. Noch 
mehr wäre dies bei der viel weniger druckfesten Kohle selbst der 
Fall. Dann müßte sie jedoch, besonders in den größeren und größten 
Tiefen das Treiben oder Schlagen (Abspringen) viel allgemeiner zeigen. 
Desgleichen müßten in Hausham in der Muldenmitte — da bei 700 
bis 800 m Tiefe ein Schweredruck von 180—200 kg/gem sich ergäbe — 
jedenfalls alle weichen Gesteine, wie Letten, milde Schiefertone und 
dergleichen, herausgepreßt, das heißt sie müßten treibend werden. 


Es ergibt sich daraus, daß dieses Gewicht einer den Tiefen 
gleich hohen Gesteinssäule nicht ohne weiteres in Rechnung gesetzt 
werden kann, sondern daß der Druck hier im Gesteinszusammenhange 
in ganz anderer Weise zur Geltung gelangt, was wohl auch im voraus 
als wahrscheinlich anzunehmen war. Die Belastungsgrenze muß im 
Gebirgszusammenhange eine viel höhere sein. 


Die Ungleichmäßigkeit, in welcher sich der Druck in Hausham 
in gleichen Tiefen der mehrere Kilometer betragenden streichenden 
Erstreckung der Grube äußert, die Gleichmäßigkeit anderseits in 
sehr verschiedenen Tiefen längs des Überwerfungsbogens, sogar der 
Mangel von solchen Außerungen in der flachen Muldentiefe von 700 
bis 800 m deutet sicherlich darauf hin, daß, wie im früheren schon 
auseinandergesetzt wurde, in erster Linie andere Kräfte als 
die Schwerkraft bei den dortigen Vorkommanissen ihr 
Spiel treiben. 


Ähnlich wird es gewiß auch in manch anderen Gruben sein, 
insbesondere wo Spannungsäußerungen beim Vortrieb ins freie, un- 
zerritzte Feld auftreten, doch möge lokal auch immerhin der Schwere- 
druck eine Rolle spielen, bei größerer Tiefe, wenig druckfestem Ge- 
stein und sonstigen, seine Wirkung begünstigenden Lagerungs- und 
Gebirgsverhältnissen. 


136 Dr. K. A. Weithofer. [38] 


Wir haben ja im Vorangehenden Druckäußerungen beim Strecken- 
vortrieb ins freie Feld kennen gelernt beim Kohlenbergbau in 
Sachsen, Oberschlesien, Ungarn, beim Erzbergbau in Böhmen, Indien, 
und sie werden sich gewiß noch an vielen anderen Stellen finden, 
die bisher in der Literatur nur nicht bekannt geworden sind, wenn 
man der Sache einmal im Detail und mit genauer Scheidung ent- 
sprechend ihrer Natur nachgehen wird. Es scheint jedoch, daß — 
wäre das Gewicht der überlastenden Massen dabei von vorwiegender 
und ausschlaggebender Bedeutung — die Erscheinung eine vielall- 
gsemeinere, zu den gewöhnlichsten Vorkommnissen des Bergbaues 
gehörende sein müßte. 


Geradezu ausschließen müssen wird man jedoch wohl die Wir- 
kung der Schwere in obertägigen Steinbrüchen. Die Überlagerung ist 
dazu viel zu gering. Die Ursachen mögen da tektonischer, vielleicht 
auch petrographischer Natur oder je nach dem Falle sonst auf anderen 
Gebieten zu suchen sein. Ähnlich dürfte dann auch im Bereiche der 
Gruben die Veranlassung eine verschiedene sein. 


Überflüssig ist es, zu bemerken, daß es in jedem Falle immer 
einer speziellen Feststellung bedürfen wird, welche Kräfte als wirk- 
sam anzusehen möglich oder zwingend ist. Vorschnelles Verallgemeinern 
kann auch hier nur von Schaden sein. Einzelne Tatsachen oder be- 
schränkte Reihen werden dabei wohl stets nur zu spekulativer Ver- 
wertung ausreichen. Das Verhalten inmöglichst verschiedenen 
Niveaus auf größere horizontale Erstreckungen unter 
wechselnden Verhältnissen wird herangezogen werden 
müssen, um einen tunlichst zureichenden Schluß zu gestatten. Gerade 
das dürfte aber beim Bergbau am ehesten zu beobachten mög- 
lich sein. 


Die Resultate unseres Versuches, die in Gebirgsschlägen aller 
Art sich äußernden Spannungen im Gestein uns zurechtzulegen, mögen 
daher in nachfolgendem nochmals kurz zusammengefaßt werden: 


1. Die meisten der in der montanistischen Literatur beschrie- 
benen Gebirgsschläge haben mit primären Spannungen des 
Gebirges sehr wenig oder gar nichts zu tun; sie sind ein- 
fache Folgen des Abbaues: Überlastung von allmählich zu schwach 
gewordenen Pfeilern oder Abbaufronten durch größere Freilegung 
eines festen, tragfähigen Hangend. Sie wurden im Vorangehenden 
speziell „Pfeilerbrüche“ genannt. 


Es ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß, wenn auch 
noch primäre Spannungen vorhanden sind, diese dann den Vorgang 
noch unterstützen oder ihn früher zur Auslösung bringen. 


2. Eine häufige Begleiterscheinung dieser Pfeilerbrüche in Kohle 
und der damit verbundenen plötzlichen Zermalmung größerer oder 
kleinerer Flözteile sind Gasausbrüche. Je nach der Menge der 
ausgeworfenen Kohle und je nach der Gashaltigkeit derselben sind 
diese Gasausbrüche sehr verschieden heftig. Ist das Gas unter sehr 
starkem Druck in der Kohle angehäuft, so kann anscheinend sogar 


[39] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 137 


auch durch diesen Druck allein ein Gasausbruch erfolgen. Meist 
dürften sie jedoch mit einem vorangehenden Gebirgsschlag (besonders 
Pfeilerbruch) verbunden sein. 


3. Zeigen sich Gebirgsspannungen, gekennzeichnet durch Zer- 
knisterung des anstehenden Gesteins, durch Hereinwerfen von abge- 
sprengten Gesteinsschalen, von Gesteins- oder Kohlentrümmern ver- 
schiedener Größe und mehr oder weniger zerkleinert unter stärkerem 
oder schwächerem Knall, beim Vortrieb von Strecken oder Quer- 
schlägen ins unverritzte Feld (natürlich auch beim Tunnelbau), 
so handelt es sich im Gegensatze zu den Pfeilerbrüchen um pri- 
mären Gebirgsdruck, der wieder auf verschiedene Ursachen 
zurückgeführt werden kann, auf solche tektonischer Natur, auf den 
Schweredruck überlastender Gebirgsmassen, auf molekulare Verände- 
rungen chemisch-petrographischer Natur, auf physikalische Vor- 
gänge u. dgl.)) 

Ist dieser Druck gering, kann er sich bei festem Gestein nicht 
äußern, bei weicherem höchstens durch „Blähen“ oder „Treiben“. 
Ist er sehr stark, wird dieses Blähen und Treiben milder Gebirgs- 
schichten immer energischer. Feste, spröde Gesteine können bei An- 
näherung an ihre Belastungsgrenze „schlagend*, bei Überschreitung 
derselben explosionsartig zertrümmert werden. 


Übergänge aller Art und Abstufungen sind natürlich möglich. 


Welche Ursache wirksam ist, ist in jedem Falle gesondert fest- 
zustellen. 


München, im Dezember 1913. 


Nachtrag. 


Am 30. Januar 1914, 1/,7 Uhr abends, fand auf der Zeche 
„Minister Achenbach“ bei Brambauer (Kreis Dortmund) eine 
heftige Schlagwetterexplosion statt, der 24 Menschenleben zum Opfer 
fielen. Da die Untersuchungen hierüber zur Zeit noch nicht abge- 
schlossen sind, kann vorläufig über die eigentliche Ursache des Er- 
eignisses kein Urteil abgegeben werden. Im preußischen Abgeordneten- 
hause teilte Handelsminister Sydow nur kurz mit?), daß hier 
zweifelsohne eine Schlagwetter- und keine Kohlenstaubexplosion vor- 
liege, daß die Herkunft der Schlagwetter nicht aufgeklärt sei, da die 
Flöze 19 und 21, der Schauplatz des Unglücks, vorher schlagwetter- 
frei waren. Der Kommissär der Ministerialabteilung habe bei seiner 
Befahrung in der Gegend von Flöz 19 eine Senkung gefunden, welche 
Risse zeigte; allerdings habe er damals keine Schlagwetter entdeckt. 


') P. I. Beger führt neuestens einen von ihm in der Zeitschr. f. prakt. Geol. 
i914, pag. 193, beschriebenen Gebirgsschlag in einem Granititsteinbruch der 
Lausitz auf eine Kontraktionsspannung im Gestein zurück (Anm. während d. Korr.). 


?) Nach der „Deutschen Bergwerkszeitung“ Nr. 29 vom 4. Februar 1914. 
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (K. A. Weithofer.) 18 


138 Dr. K. A. Weithofer. [40] 


Nach einer dem Minister am gleichen Tage zugegangenen neuen Mit- 
teilung habe aber der Bergrevierbeamte bei Befahrung tags vorher 
aus diesen Rissen das Hervortreten von Schlagwettern festgestellt. 
Es ist daher verfrüht, sich über Hergang und Ursachen zu äußern. 

Nichtsdestoweniger versandte Professor Belar, Vorstand der 
Laibacher Erdbebenwarte, Anfang Februar an die Presse eine Er- 
klärung, in der es heißt: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß 
die in den jüngsten Tagen aufgetretene Grubenkatastrophe auf der 
Zeche „Minister Achenbach“ bei Dortmund, die Einstürze bei Beuthen 
in Oberschlesien und auf der Zeche „Fürst Leopold“ bei Dorsten 
durch die seit einer Woche (andere Leseart: einigen Wochen) in ganz 
Europa herrschende starke Bodenbewegung und durch die außeror- 
dentlich starken Fernbebenausläufer vom 30. Januar verursacht wor- 
den sind. Unsere Warte hat am 30. Januar das katastrophale Fern- 
beben bereits am frühen Vormittag angezeigt. Das Grubenun- 
glück auf der Zeche „Minister Achenbach“ wäre leicht 
verhütet worden, wenn man an diesem Tage, an dem 
unser Warnungsruf noch rechtzeitig laut wurde, die 
vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln verdoppelt 
hätte“), 

Also: Zweifel sind ausgeschlossen, die drei erwähnten Gruben- 
unglücke sind auf starke Bodenbewegung und Fernbebenausläufer 
zurückzuführen. 

Was man über den Fall „Minister Achenbach* heute Sicheres 
weiß, wurde soeben erwähnt. Von der Gewerkschaft „Fürst Leopold“ 
erhalte ich die Mitteilung, daß am 30. Januar, vormittags 10 Uhr, 
der untere Teil eines 83 m hohen Aufbruches zu Bruche ging, die 
Ursache sei in dem ungünstigen Gestein (schnittigem Sandstein und 
in Wasser löslichem Schieferton) zu suchen. Unter diesen Umständen 
scheint mir die Ursache in mikroseismischen Bodenbewegungen zu 
suchen etwas weit hergeholt. Sie liegt wohl viel näher. 


Was endlich den Einsturz bei Beuthen betrifft, schreibt mir Herr 
Bergrat Knochenhauer in Kattowitz, daß es sich wahrscheinlich 
um einen Vorgang auf der Schlesiengrube handle, und zwar um das 
Niederbrechen der letzten Bergfeste zwischen zwei Gegenörtern beim 
Abteufen des 4, Schachtes, herbeigeführt offenbar durch eine glatte 
Gesteinsablösung an der Bruchstelle und die Erschütterung durch die 
Bohrmaschinen. Wenn man zudem bedenkt, daß hier beim Schacht- 
abteufen täglich mehrfach eine größere Anzahl von stark geladenen 
Sprengschüssen auf beiden Seiten der Bergfeste abgetan werden, muB 
man zugeben, daß gegenüber diesen gewaltigen Erschütterungen des 
Gebirges irgendeine Bodenunruhe oder Fernbebenwirkung ganz ver- 
schwindet und überhaupt nicht in Betracht kommen kann. 

Ein Echo hat diese Erklärung Prof. Belars jedoch in der 
preußischen, wie in der bayrischen Abgeordnetenkammer gefunden. 


!) Anklingend an Forels etwas „pompös“ — wie Harze bemerkt — 
Gesetz genannten Ausspruch: „Redoublez de pr&cautiones contre le grisou dans les 
Jours qui suivent un grand tremblement de terre dont l’aire sismique s’est &tendue 
jusqu’au territoire de votre mine.“ 


[41] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 139 


Insbesondere in letzterer glaubte der Abgeordnete Prof. Günther 
nachdrücklichst anregen zu müssen, daß „in jeder Grube, vor allem 
aber in solchen Bergwerken, die verdächtig sind, häufig schlagende 
Wetter zu erzeugen, ein genau arbeitender Erdbebenapparat aufge- 
stellt wäre“ !). Für ihn sei es „zur Gewißheit geworden, daß unsere 
zahlreichen Grubenunglücke bis zu einem gewissen Grade durch einen 
gewissen Zustand der Erdrinde mit bedingt sind, den man gewöhnlich 
den der Bodenunruhe nennt und der in gewissen Zeiten eine ganz 
unerwartete und zurzeit auch wissensehaftlich noch nicht ganz klar- 
zustellende Steigerung erfährt.“ Verstärkung von Schlagwetterbildung 
und möglicherweise ein Zusammenbruch kann die Folge sein. Wenn 
aber jede Grube einen Seismometer hätte, „dann wäre iınmerhin eine 
gewisse Gewähr dafür gegeben, daß ein solches Unglück nicht ganz 
unvorhergesehen und unvorbereitet eintreten kann“. Bei besonders 
starken Ausschlägen der Nadel „würde dann selbstverständlich voll- 
ständig von der Befahrung der Grube abgesehen und es würden alle 
Vorsichtsmaßregeln getroffen werden müssen“. Zuletzt bezeichnet er 
die Aufstellung von Seismometern doch nur als Versuch, der auch nega- 
tiven Erfolg — wenn auch gegen seine Meinung — haben könnte. 

Demgegenüber muß betont werden, daß ein Zusammenhang 
zwischen derartigen mikroseismischen Bodenbewegungen und der Aus- 
lösung irgendwelcher Ereignisse beim Bergbau in keinerlei Weise 
nachgewiesen, oder auch nur wahrscheinlich gemacht ist, und heute 
auch immer bloß ins Bereich der Vermutungen gehört. 

Es ist ja sicherlich nicht ausgeschlossen, daß ein Erdbeben 
einmal auch in der Grube Schaden anrichtet, obzwar von solchen 
Wirkungen bisher nicht viel bekannt geworden ist, ja es sogar all- 
gemein als Tatsache gilt, daß Erdbeben in der Grube merkwürdiger- 
weise viel weniger gefühlt werden als obertags. Nach meinen voran- 
gehenden Ausführungen wäre es sogar gewiß nicht unmöglich, daß 
auch eine schwächere Bodenbewegung als Relaiswirkung irgendeine 
labile Spannung frei machte. Bei dem soeben — wenn auch für einen 
akuteren Fall — erwähnten Umstande jedoch, als Flöz und Neben- 
gestein einer Grube täglich mehrfach durch viele Sprengschüsse nach 
allen Richtungen durchschüttert werden, müßte es wohl schon ein 
verhältnismäßig heftiges Beben sein, das eine noch größere Wirkung 
ausübte, also Spannungen zur Auslösung brächte, die durch diese 
künstlichen Erschütterungen noch nicht ausgelöst werden. Es müßte 
doch wohl erst der genügende Nachweis geliefert werden, daß dies 
trotzdem durch jene nur den feinsten Instrumenten fühlbaren „Boden- 
unruhen“ oder Fernbebenausläufer geschehen sollte. Das kann gewiß 
verlangt werden, ehe man von einer zweifelfreien Gewißheit spricht. 

Ein einfaches post hoc, ergo propter hoc für einzeln herausge- 
griffene Fälle ist wohl hier um so weniger zulässig, als solche Boden- 
bewegungen — Bodenunruhen und schwache Beben, denn auch um solche 
handelt es sich — ja ein fast tägliches Vorkommen sind, und ebenso 
auch als eventuelle Folgen zu bezeichnende Ereignisse beim Berg- 


!) Stenogr. Bericht der bayr. Kammer d. Abg. Nr. 227, v. 12. Februar 1914, 
S. 391. 
18* 


140 Dr. K. A. Weithofer. [42] 


bau — sie müssen ja nicht immer katastrophaler Natur sein und schwere 
Unglücksfälle nach sich ziehen — bei den in solchem Falle stets in 
Betracht kommenden großen Gefährdungsgebieten (oft ganze Staaten, 
ja Kontinente) ebenfalls eine tägliche Erscheinung sind. Es wird daher 
nicht allzu schwer sein, zu jeder Bodenbewegung ein zeitlich zusammen- 
stimmendes Ereignis beim Bergbau aufzufinden, besonders wenn es 
zum Beispiel Unfälle in den Schwefelminen Siziliens sein können, bei 
stärkeren Stürmen in der Nordsee !). 

Professor Günther verlangt die Aufstellung von Seismometern 
auf jeder Grube, insbesondere den schlagwetterverdächtigen. Was 
damit erreicht werden soll, ist nicht recht klar. Selbst wenn der 
Zusammenhang Schon erwiesen wäre, und wenn Solche Seismometer 
eine wirksame Voranzeige gewährleisteten, wäre doch eine zentrale 
Warte, mit entsprechenden Instrumenten ausgerüstet, von wissen- 
schaftlich gebildeten Kräften mit der nötigen Sorgfalt und Sachkenntnis 
bedient, sicherlich viel zweckmäßiger als eine derartige Zersplitterung 
der Kräfte, die nie den Grad der Sicherheit und Zuverlässigkeit der 
Instandhaltung und Beobachtung erreichen könnte, zumal es sich dabei 
ja um Außerungen von Bodenbewegungen handelt, die nichts weniger 
als lokaler Natur, über oft weite Gebiete sich gleichmäßig ausdehnen. 

Und solcher gut eingerichteter Warten, die speziell dem Berg- 
bau dienen sollen, besitzen wir ja heute schon nicht wenige; es 
seien nur jene von Aachen ?) (seit 1906), Bochum °) (seit 1908), Krietern 
(Oberschlesien), Claustal, Przibram u. a. erwähnt ®). 

Es ergibt sich daraus, daß man beim Bergbau die Bodenbe- 
wegungen und ihr Studium durchaus nicht außer acht läßt. Irgend- 
welche nennenswerte Resultate auf obigem Gebiete sind aber bis- 
her noch nicht erzielt worden. 

Diese aber abzuwarten, wäre vielleicht zweckmäßiger gewesen, 
als durch vorschnelle Behauptungen, die doch immer nur persönliche 
Vermutungen bleiben, störend und verwirrend einzugreifen, und da- 
durch in der Öffentlichkeit Hoffnungen und Erwartungen zu erregen, 
die hinterher vielleicht doch nicht zu eıfüllen sind, so sehr wir es 
‘ wünschen würden. 


München, Mitte Februar 1914. 


!) Vgl. Belar, Erdbebenwarte, 1908. Bd. VII, pag. 113. — Wenn hier 
Belar zuletzt sagt: „Heute fehlt nur noch das Iuterresse und das Verständnis für 
diese Beobachtungen auf bergbaulicher Seite“, so kann die Versicherung gegeben 
werden, daß das allgemeine Verständnis sofort kommen wird, wenn die seismo- 
logischen Beweise oder selbst Wahrscheinlichkeiten nur etwas greifbarer geworden 
sein werden. Die ist man bis jetzt aber schuldig geblieben. 


’) Haußmann, Die Erdbebenstation d. techn. Hochschule in Aachen. „Glück- 
auf.“ 1907, pag. 801. 


®) L. Mintrop, Die Erdbebenstation d. Westfäl. Berggewerkschaftskasse in 
Bochum. „Glückauf.“ 1909, pag. 393. 


*) Daß auch auf einer der oberbayrischen Gruben ein Seismograph kürzlich 
aufgestellt wurde, wurde schon erwähnt. 


[43] Ueber Gebirgsspannungen und Gebirgsschläge. 14 


Weitere Nachträge während der Korrektur: 


Inzwischen haben auch einige Fachmänner von seismologischer 
Seite zu der durch diese Geschehnisse auf. „Minister Achenbach“® 
angeregten Frage eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen mikro- 
seismischen Bodenunruhen und Fernbebenausläufern einerseits, sowie 
Schlagwetterexplosionen anderseits Stellung genommen, wobei nur zu 
bemerken ist, daß zu einer Schlagwetterexplosion nicht nur das Vor- 
handensein” von entsprechenden Schlagwettermengen gehört, deren 
Auftreten in größerer Menge als Folge der erwähnten mikroseismischen 
Bodenbewegungen eben behauptet wird, sondern auch der gewiß rein 
zufällige zündende Funke, der sicherlich mit letzteren nichts zu tun hat. 


Es müßte daher korrekter eigentlich nachgewiesen werden, daß 
zu den mikroseismisch unruhigen Zeiten weitaus mehr 
Gase in den Grubenräumen vorhanden sind, als normal. 
Meines Wissens ist eine derartige Beobachtung noch nie gemacht 
worden, trotz der hunderttausende von Sicherheitslampen, die in 
Deutschland allein täglich brennen und eine solche auffallende Ver- 
mehrung unfehlbar anzeigen müßten, zumal ja letztere nicht bloß lokal 
auftreten könnte, sondern der Natur der Verbreitung der Bodenunruhen 
entsprechend, ganze Länder und Kontinente umfassen müßte. 


Veranlaßt durch die dem genannten Unglücke vom 30. Januar 1914 
folgenden Erklärungen und Erörterungen in den Tageszeitungen ver- 
öffentlichte im Heft 9 vom 28. Februar 1914, 50. Jahrg. der Zeit- 
schrift „Glückauf“ in Essen der Leiter der Berggewerkschaftl. Erd- 
bebenwarte in Bochum, Dr. L. Mintrop einen eingehenden Aufsatz 
mit ausführlichen statistischen Zahlentafeln über diesen Zusammenhang, 
dessen Ergebnisse er schließlich folgendermaßen zusammenfaßt: „Aus 
den vorstehenden Untersuchungen hat sich ergeben, 
daß zwischen Erdbeben und Schlagwetterexplosionen 
kein Zusammenhang besteht. Die Erscheinung, daß Erd- 
beben und Schlagwetterexplosionen vielfach zeitlich 
annähernd zusammenfallen, ist ganz zufällig und nicht 
häufiger, als nach der Wahrscheinlichkeit des gleich- 
zeitigen Eintrittes zweier voneinander unabhängiger 
Erscheinungen erwartet werden kann. Ebenso hat sich 
kein Einfluß der Bodenunruhe (mikroseismische Un- 
ruhe) ergeben. Auf die Häufigkeit der Unfälle durch 
Stein- und Kohlenfall sind Erdbeben und Bodenunruhe 
im niederrheinisch-westfälischen Steinkohlenbezirk 
ebenfalls ohne nachweisbaren Einfluß * 


Auch die in diesem. Aufsatze angeführte Preßeäußerung des 
Leiters der Potsdamer Erdbebenwarte, Prof. Dr. W. Schweydar, 
in Nr. 65 des „Berliner Tageblattes“ vom 5. Februar 1914, die ich 
erst infolge und nach dieser Mintropschen Abhandlung zu Gesicht 
bekam, geht dahin, daß es nicht gut denkbar sei, daß das Unglück 
auf Zeche Achenbach auf Erdbebenausläufer oder Bodenunruhen zu- 
rückzuführen sei. Auch hält er es „für ganz ausgeschlossen, daB man 


142 Dr. K. A. Weithofer. [44] 


auf Grund von FErdbebenregistrierungen Grubenbesitzer vor Kata- 
strophen warnen kann“. 

„Es ist richtig“, fährt Prof. Schweydar fort, „daß am Unglücks- 
tage größere Bodenunruhen konstatiert worden sind, die aber nur der 
empfindlichste Seismograph durch Zittern angibt. Nach der heutigen 
Kenntnis der Wirkungsweise derartiger Erschütterungen der Erde ist 
es nicht möglich zu behaupten, daß durch sie ein Gruben- 
unglück zustandekommen konnte“. 

Desgleichen teilt, an gleicher Stelle bei Mintrop angeführt, 
Prof. Dr. Gg. von dem Borne, der Leiter der Erdbebenwarte von 
Krietern bei Breslau, in der Schles. Zeitg. vom i3. Februar 1914 mit, 
daß seine Erdbebendiagramme vom Jahre 1908 bis 1911 bezüglich 
eines Zusammenhanges „ein völlig verneinendes Ergebnis* hatten. „Die 
wenigen Fälle eines Zusammentreffens von Erdbeben und Aufflam- 
mungen, die tatsächlich vorkommen, stellen sich in völlig zweifelloser 
Weise als Zufälle dar, wie sie nach den Regeln der Wahrscheinlich- 
keitsrechnung von vornherein zu erwarten waren.“ Er meint schließlich 
ebenfalls, daß noch eine weitere Untersuchung nötig wäre, um einen 
Zusammenhang zwischen den Schwankungen des Gehaltes der Gruben- 
luft an Methan und der Seismizität festzustellen. 

Und in einem späteren Aufsatze in der Zeitschr. des Oberschles. 
Berg- und Hüttenmänn. Vereines (Märzheft 1914, pag. 101) resümiert 
er: „Wir dürfen schließen: seismische Vorgänge üben 
bei uns einen nachweisbaren Einfluß auf Schlagwetter- 
aufflammungen nicht aus. Ein seismischer Warnungs- 
dienst zur Bekämpfung der Schlagwettergefahr ist 
deshalb zwecklos.“ 


München, im Juni 1914. 


Pavonitina styriaca, eine neue Foraminifere aus 
dem mittelsteirischen Schlier. 


Von Dr. Riehard Schubert. 
Mit einer Tafel (Nr. IV). 


Von Herrn Bergrat Dreger erhielt ich vor kurzem eine Mergel- 
probe von Laubegg (südöstlich Graz), in der nebst kohligen Pflanzen- 
resten und Fischschuppen auch schon makroskopisch kleine weiße 
Foraminiferen ersichtlich waren. Im Schlämmrückstande des grauen 
Mergels ist nebst Fischresten, sehr spärlichen Ostracodenschälchen 
und anorganischen Partikeln eine in mehrfacher Hinsicht interessante 
Foraminiferenfauna enthalten, die indessen reicher an Individuen als 
an Arten ist und aus der ich folgende Formen anführen kann: 


Bathysiphon filiformis Sars sh. Fragmente 
Trochammina sp. cf. miocenica Karr. ns. 
Uyclammina gracilis Grzyb. ns. 
Bulimina elongata Orb. Ss. 
R elegans Orb. ss. 
} pyrula Orb. ss. 
Bolivina dilatata Reuss ns. 
Chilostomella ovoidea Kss. SS. 
Allomorphina macrostoma Karr. ss. 
Dvigerina tenuistriata Rss. sh. 
pygmaea Orb. ss. 
Truncatulina af. haidingeri Orb. s. 
r Wuellerstorfi S. 
Pavonitina styriaca n. g. n. sp. DS. 


In dieser Fauna fällt zunächst das Vorkommen der als Pavonitina 
bezeichneten Form auf, die äußerlich etwa das Aussehen flacher 
Textularien oder Spiroplecten besitzt, nur merkt man auch schon 
bei schwacher Vergrößerung, daß der Anfangsteil des Gehäuses stärker 
verdickt ist als das übrige sehr flache Gehäuse. Bei Einbettung in 
Glyzerin wird das Gehäuse vollständig aufgehellt und läßt nun mit 
völliger Deutlichkeit erkennen, daß der verstärkte Anfangsteil des 
Gehäuses wohl aus alternierenden einfachen Textularienkammern be- 
steht, daß jedoch der größere flache Gehäuseteil aus breiten ein- 
reihigen Kammern besteht. Anfänglich textularienartige, dann breite 
einreihige Kammern sind nun für die seltene Foraminiferengattung 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Sehubert.) 


144 Dr. Richard Schubert. [2] 


Puavonina Orb. bezeichnend; die in Rede stehende steirische Form 
dagegen unterscheidet sich von Pavonina wesentlich dadurch, daß die 
einreihigen und vereinzelte der letzten zweireihigen (Textularien-) 
Kammern deutlich durch zahlreiche Quersepten untergeteilt sind. In 
dieser Unterteilung der Kammern liegt ein höheres Entwicklungs- 
stadium der Pavoninen vor, weshalb dafür ein eigener Name gewählt 
wurde. Trotzdem die auf Tafel IV gegebenen Mikrophotographien nicht 
nach Schliffen gemacht wurden, ist der Bau, wie sie zeigen, völlig 
klar, und etwa eine Vortäuschung sekundärer Unterteilung durch In- 
filtrierungserscheinungen völlig ausgeschlossen, da auch angeschliffene 
Exemplare diese Sekundärlamellen zeigen. Der Bau wird dadurch 
noch klarer ersichtlich, daß die Gehäuse partienweise von einer ' 
schwarzen (anscheinend manganhaltigen) Lösung infiltriert sind und 
sich die Kammerausfüllung deutlich von der hellen sandig-aggluti- 
nierten Schalenmasse abhebt. 

Die Unterteilung der Kammern erfolgt in der Art, daß vom 
Dache der Kammern leistenartige Vorsprünge schräg gegen das Innere 
und gegen die Kammerbasis zu wachsen, und zwar bald kürzere, bald 
längere; bisweilen entsprechen diesen von oben herab schräg wach- 
senden Leisten Vorsprünge an der Kammerbasis und in komplizierten 
Fällen kommt es zu einem fast labyrinthischen Bau der Kammern. 

Die Mündung besteht dementsprechend aus mehreren an der 
schmalen Mündungswand unregelmäßig angeordneten Poren. 

Länge der Fragmente: 06—0%9 mm. 

Über die Abstammung der Pavonitina von Textularien kann bei 
dem deutlich ausgeprägten Textularienanfangsteil wohl kein Zweifel 
bestehen. Der komplizierte Bau der einreihigen Endkammern schließt 
übrigens auch bei der Annahme einer umgekehrten Gültigkeit des 
biogenetischen Grundgesetzes in allen Fällen, wo die Festigkeit in 
Betracht kommt, eine entgegengesetzte Deutung aus, daß nämlich sich 
aus der flachen Pavonitina eine festere Textularia zu entwickeln im 
Begriffe stehe. Übrigens sind die flachen Pavonitinenkammern trotz 
der vielfachen Unterteilung immer noch weniger fest als die zwar 
nicht untergeteilten, aber durch die alternierende Anordnung dichter 
aneinandergefügten Textularienkammern, wie schon dadurch erhellt, 
dab sie meist zerbrochen sind und auch während des Präparierens 
leicht brechen, während der Textularia-Anfangsteil ganz bleibt oder 
nur am äußersten Ende leichter abbröckelt. Anschliffe dieser Gehäuse 
sind übrigens nur sehr schwer möglich, da die sandig-agglutinierte 
Schale beim Schleifen leicht zerbricht. 

Ebenso kann auch das Verhältnis zu der nur rezent und aus 
dem südtiroler Unteroligoceän (Pavonina agglutinans Schub.) bekannten 
Gattung Pavonina nicht zweifelhaft sein. 

Der Name Pavonitina wurde eingeführt unter der Voraussetzung, 
daß Pavonina, wie die ganze darauf Bezug nelımende Literatur angibt, 
einfache und nicht untergeteilte Kammern besitzt. An der oligocänen 
Pavonina agglutinans konnte ich dies bei dem Balsampräparat mit 
Sicherheit beobachten und weder Orbigny noch Reuss, Brady, 
Millett, Phumbler, Chapman und die anderen Foraminiferen- 
forscher, die sich mit Pavonina beschäftigten, erwähnten das geringste, 


[3] Pavonitina styriaca, eine neue Foraminifere. 145 


das auf einen labyrinthischen Kammerbau dieser Gattung schließen 
ließe. Höchstens würde die siebartige Mündungswand Bedenken er- 
wecken, doch gibt Brady (im Challenger Bericht) ausdrücklich bei 
Besprechung von Pavonina an, die Schale sei kalkig, dünn und durch- 
sichtig, von zahlreichen und groben Poren durchsetzt und trotzdem ist 
weder aus den Abbildungen noch aus den Beschreibungen auf eine 
Unterteilung der Pavonina-Kammern zu schließen. 

Hätte ich nicht vor einigen Jahren!) die alttertiäre Pavonina 
agglutinans gefunden, so würde die komplizierter gebaute Pavonitina 
styriaca aus dem Miocän und die einfach gebaute Pavonina flabelli- 
formis aus der Gegenwart bekannt sein. Nach meinem damaligen Fund 
ergibt sich der genetische Zusammenhang der Pavonininen, wie man 
diese Zweigreihe der Textularidenfamilie bezeichnen kann, folgender- 
maßen. Aus der sandig-agglutinierten, einfach gebauten Pavonina 
agglutinans entwickelte sich einerseits Pavonitina durch Unterteilung 
der sandig bleibenden, nur dünner werdenden einreihigen Kammern, 
anderseits erhielt sich Pavonina, indem das Gehäuse rein kalkig wurde 
bis in die Gegenwart. Hierbei blieb bei mancher Form das zweireihige 
Ahnenstadium bestehen, während die von Orbigny ursprünglich ganz 
einreihig abgebildete Form darauf hinzudeuten scheint, daß sich unter 
den rezenten Pavoninen auch völlig uniseriale Gehäuse finden. Viel- 
leicht verhält es sich ähnlich wie bei Cycloclypeus, wo namentlich 
(oder stets?) bei der geschlechtlichen Generation noch ein deutliches 
Heterostegina- Anfangsstadium vorhanden ist, das bei der ungeschlecht- 
lichen häufig (oder stets?) fehlt. Auch bei Biloculina ist es ferner 
ähnlich, indem die mikrosphärischen (geschlechtlichen Formen) noch 
einen Miliolina-Anfangsteil besitzen, die makrosphärischen dagegen 
vollkommenen Biloculinenbau aufweisen. Es scheint übrigens nicht aus- 
geschlossen, daß auch die uniseriale Ausbildung der sandigen Pavoni- 
tinen in der (egenwart noch lebt und in der seltenen Neusina agassizü 
Goes zu suchen ist. Diese besteht ja aus breiten aufeinanderfolgenden 
Kammern von bisweilen unregelmäßiger Anordnung mit sandiger Schalen- 
struktur und zahlreichen Mündungen die ja auf ähnlichen Bau hinzu- 
weisen scheinen, wie ihn Pavonitina besitzt. Als sandige „Vorstufe“ 
der seit dem Paläozoikum bekannten Frondicularien kann Neusina 
wohl kaum ernsthaft in Betracht kommen. 


Die verhältnismäßig kleine Foraminiferenfauna, in welcher ich 
die soeben besprochene Form fand, besitzt aber noch in anderer Hin- 
sicht ein größeres Interesse. Wie mir Herr Bergrat Dreger mitteilte, 
stammte die Mergelprobe aus einem räumlich beschränkten Aufschlusse, 
und zwar vom Südrande einer breiten, von Graz südostwärts über 
Wolfsberg-Gleichenberg streichenden Zone sarmatischer (oder wenig- 
stens als solche geltender) Schichten. An Ort und Stelle ist über die 
stratigraphische Stellung der grauen sandigen Mergel nichts Sicheres 
zu erkennen, doch läßt die erwähnte Mikrofauna zunächst mit aller 
Sicherheit auf den rein marinen, nicht brackischen Charakter der 
Mergel schließen, die danach außerdem in beträchtlicherer Tiefe 
zum Absatz gelangt sein mußten. Denn eine der häufigsten Formen 


!) Siehe Beiträge zur Pal. Öst.-Ung. XIV. Bd., pag. 9—26, Taf. I, Wien 1901. 
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Htf. (R. Schubert.) 19 


146 Dr. Richard Schubert. [4] 


— Bathysiphon — ist eine recht bezeichnende Tiefenforaminifere und 
auch die anderen Foraminiferenarten sprechen für den Absatz in 
einigen hundert Faden Tiefe. Auffällig ist dabei das so gut wie völlige 
Fehlen (oder in Wirklichkeit wohl nur eine große Seltenheit) der 
Globigerinen, jener pelagischen Foraminiferen, die. in den kalkigen 
Absätzen aus größeren Tiefen in der Regel nicht fehlen, sogar in 
Küstensedimenten oft vorhanden sind. Gegen einen Absatz in einer 
Seichtwasserzone oder gar im Brackwasser spricht, wie erwähnt, der 
sesamte Charakter der Foraminiferenfauna. Auch eine Umschwemmung 
der Foraminiferen aus älter miocänen in sarmatische Schichten 
scheint mir bei dem Erhaltungszustande ausgeschlossen. Dagegen 
zeigt diese Fauna eine auffallende Übereinstimmung mit der Mikro- 
fauna des Welser Schlier, besonders der tieferen, das heißt 
unteren Lagen. Ich hatte seinerzeit Gelegenheit, die Foraminiferen- 
fauna der zu 1044°5 m niedergebrachten Tiefbohrung durch den Welser 
Schlier mikroskopisch eingehend zu untersuchen und fand in den 
tieferen Partien (aus 384—921'5 m Saigertiefe) ganz analoge Fora- 
miniferenfaunen mit Dathysiphon, Chilostomella ovoidea, Allomorphina 
macrostoma, Trochamminiden, Uvigerinen etc. Freilich Pavonitina lernte 
ich dortselbst nicht kennen, Globigerinen waren dagegen, wenn auch 
spärlich, so doch meist vorhanden; ja in den Proben der aus 10 bis 
400 m stammenden Proben dominierten die Planktonformen über die 
benthonischen Foraminiferen oder waren in manchen dieser oberen 
Proben ausschließlich vorhanden. Da es sich hier bei den Mergeln 
der oberen, etwa 400 m mächtigen Schichten von Wels offenkundig 
nicht um eine Tiefseebildung handelt, kann diese Erscheinung nur so 
gedeutet werden, daß die abnormen physikalischen Verhältnisse, 
welche die eigenartige Mikrofauna des unteren Welser Schliers be- 
dingten, auch während des Absatzes der oberen Welser Schliermergel 
bestanden, ja derart verschärft wurden, daß die Bodenfaune fast 
ganz ausstarb. 

Ich habe auf diese Welser Verhältnisse deswegen hier hinge- 
wiesen, weil es mir scheint, daß sie für die Deutung der mittel- 
steirischen Verhältnisse nicht ohne Bedeutung sein könnten. Ohne 
hier begreiflicherweise auf die ganze Literatur über dies Gebiet ein- 
gehen zu können möchte ich nur kurz darauf hinweisen, daß ein süd- 
lich der Mur weit verbreiteter Mergelkomplex — Sturs „Foramini- 
ferenmergel* von Hilber?) als Schlier angesprochen wurde. Reuss 
untersuchte bereits 1855 (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Bd. VI, pag. 
351—354) von zweien dieser Lokalitäten foraminiferenführende Tegel 
oder Mergel aus dem Liegenden des Leithakalkes, nämlich von der 
Landstraße bei St. Egidy und unweit Spielfeld. Beide sind nach Reuss 
sehr reich an Foraminiferen, unter denen aber nur die pelagischen 
Globigerinen und Orbulinenstadien derselben häufig sind und denen 
gegenüber die Bodenformen bedeutend zurücktreten sollen. Schon 
Reuss fügte hinzu, daß mit Ausnahme einiger weniger neuer Arten 
fast alle in den Leithakalkbildungen vorkommen und in der Tat 


') Mitteilungen d. geol. Ges. Wien I, 1908. pag. 71—76. 


5] Pavonitina styriaca, eine neue Foraminifere. 147 


scheint. die Foraminiferenfauna der beiden erwähnten Lokalitäten ganz 
jener des Badener Tegels zu entsprechen, wobei allerdings die Selten- 
heit der Bodenformen auffällig ist. Stur fügt aber in seiner Geologie 
der Steiermark (pag. 563) den Reuss’schen Foraminiferenlisten die 
Bemerkung an, das Fehlen der für den Leithakalk charakteristischen 
Arten aus den Gattungen Amphistegina, Heterostegina, Verneuilina, Dis- 
corbina, Bulvinolina (wohl Pulvinulina) und Polystomella in diesem 
Foraminiferenmergel beweise, daB dieser Foraminiferenmergel dem 
Niveau des Leithakalkes nicht angehöre. Diese Ansicht, die auch 
A. Winkler!) in seinen „Untersuchungen zur Geologie und Paläon- 
tologie des steirischen Tertiärs“ vertritt, ist jedoch nicht richtig, weil 
die Globigerinenmergel von Egidy und Spielfeld ebensowohl alters- 
gleiche Aquivalente des Leithakalkes sein könnten, wie dies be- 
kanntlich ja beim Badener Tegel der Fall ist. Hiermit soll aber nicht 
gesagt sein, daß die erwähnten Globigerinenmergel gleichaltrig mit 
dem Leithakalk sein müssen, sondern lediglich gegen die Annahme 
Stellung genommen werden, daß durch die Verschiedenheit der offen- 
kundig faziell verschiedenen Mikrofaunen eine Altersverschiedenheit 
bewiesen sei. 

Die Foraminiferenfaunen der beiden von Reuss untersuchten 
Mergelproben, die aus dem Schlierkomplex Hilbers stammen, 'unter- 
scheiden sich nun allem Anschein nach recht auffällig von der Fauna, 
die in der von mir als Schlier angesprochenen Mergelprobe von 
Laubegg enthalten ist. Die Armlichkeit der Bodenfauna im Verhältnis 
zu den Planktonformen, die sie von der normalen Fauna des Badener 
Tegels unterscheidet, erinnert jedoch anderseits auffällig an die Mikro- 
faunen des oberen Welser Schliers (von 10—382 m) und es wäre 
meiner Ansicht nach recht gut denkbar, daß in dem Mergelkomplex 
von St. Egidy— Spielfeld fazielle Aquivalente des oberen Welser Schliers 
vorliegen, wie bei Laubegg ein Rest unteren Schliers. 

- Diesbezügliche Klarheit können nur eingehende mikroskopische 
Untersuchungen geben, die übrigens unbedingt erforderlich sind, bevor 
genaue Gliederungen und Gleichstellungen der mittelsteirischen Miocän- 
sedimente versucht werden. 


!) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1913, 63. Bd., pag. 521, 522. 
19* 


148 Dr. Richard Schubert. [6] 


Erklärung zu Tafel IV. 


Fig. 1—4. Pavonitina styriaca n. g. n. sp. im auffallenden Lichte. 60/1. 
Fig. 5, 6. Pavonitina styriaca n. g. n. sp. im durchfallendem Lichte unter Glyzerin 
(nicht retuschiert). 50/1. 

Fig. 7. Dieselbe Art wie Fig. 5, 6, doch 70fach vergrößert. 

Fig. 8. Dasselbe Exemplar wie Fig. 7 unter Glycerin in durchfallendem Lichte 
stärker (100 fach) vergrößert und unter Vergleich anderer Fragmente 
tuschiert. 

Fig. 9. Pavonina flabelliformis Orb. 60/1. 


Geologie des Südgebietes des Peissenberger 
Kohlenreviers im Kgl. bayr. ärar. Reservatfeld. 


Von Dr. Georg Gillitzer. 
Mit einer geologischen Übersichtskarte (Taf. Nr. V) und 4 Profilen (Taf. Nr. VI-VII. 


Vorwort. 


Die von der Kgl. bayr. Generaldirektion der Berg-, Hütten- und 
Salzwerke seit nunmehr sechs Jahren betriebene Erschließung der 
Kohlenverbreitung und Ermittlung des gesamt vorhandenen Kohlen- 
vermögens im ärar. Reservatfeld setzte in der näheren Umgebung der 
Grube Peißenberg ein und verfolgte die Peißenberger Mulde vom 
neuen Hauptförderschacht bei Peißenberg zirka 10 km gegen Westen, 
wobei sich annähernd gleich bleibende Bauwürdigkeit der Flöze so- 
wohl gegen das Muldentiefste zu (Bohrung III mit 1156 m Teufe) 
als auch im ganzen streichenden Verlauf gegen Westen zu bis nahe 
zum Lech ergab. Im Verlauf der Untersuchungen erstand jener 
Meinungswiderstreit zwischen Koehne und Bärtling einerseits, 
Stuchlik anderseits, welcher sich in einer Reihe von Aufsätzen 
längere Zeit weiter spann. Hierbei wurden auch Fragen angeschnitten, 
welche auf das südlich gelegene Gebiet Bezug hatten und zu durch- 
sreifender Untersuchung und Erschließung des Südgebietes anregten. 

Die geologische Aufnahme dieses Gebietes, verbunden mit 
Schürfungen auf Kohle, wurde im August und September 1912 vor- 
genommen und im Winter 1912/13 vier Bohrungen zur Erschließung 
der Cyrenenschichten niedergebracht. 

Die Kartierung erfolgte auf topographische Blätter 1: 25.000, 
an manchen Stellen auf Steuerblätter 1 : 5000; die Karte wird einst- 
weilen noch nicht veröffentlicht und befindet sich im Besitze der 
Geognostischen Abteilung des Kgl. Oberbergamts München sowie des 
Verfassers. 


A. Einführender Teil. 


1. Topographisches. 


Das zu behandelnde Gelände ist unmittelbar südlich an die 
Peißenberger Mulde angrenzend und wird des näheren durch die 
Linien bestimmt: 


Jahrbuch d. k.k, geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (G. Gillitzer.) 


150 Dr. Georg Gillitzer. [2] 


Süd: Uffing (Staffelsee)—Steingaden—Lechbruch ; 

Nord: Huglfing—Ammer = West — Ost = Lauf—Schnaitberg— 
Lech (bei „Riesen“); 

Ost: Bahnlinie München—Murnau, und zwar zwischen Station 
Oberhausen und Uffing; 


West: Lechfluß von Lechbruck bis „Riesen“. 


Genannte Gegend bildet genau die streichende Fortsetzung der 
Penzberger Südmulde gegen Westen; zwischen der westlichen Rand- 
aufbiegung der Penzberger Mulde und der östlichen Cyrenenschichten- 
aufbiegung unseres Gebietes liegt ein Abstand von etwa 20 km. 

In der Ost—Westrichtung durchmißt das Gelände zirka 30 km, 
in der Querdimension von Süd und Nord rd. 9—8 km. 


In orographischer Beziehung treten am Nord- sowie Süd- 
saume dieses Landstreifens zwei Höhenzüge hervor, welche sich von 
der durchschnittlichen Höhe der Taldepression von 700 m in der Ge- 
bietsmitte bis zu etwa 900 m aufschwingen, so in der'„Schnalz“ (904 m), 
Schnaitberg (905 m), Illberg (938 m), Kirnberg (936 m). 


Die Entwässerung erfolgt im Westen durch den Lech, im 
Osten durch die Ammer und Ach; diese größeren Flüsse vermögen 
in mächtig erodierendem Querdurchbruch die Molasseschichten zu 
durchschneiden, deren Nebenflüsse, die Illach (Lech) sowie die Eyach 
(Ammer) folgen größtenteils dem ostwestlichen Streichen der Molasse- 
schichten und entwässern teilweise die Talsenkung in der Mitte des 
Landstreifens; im allgemeinen ist jedoch die Wasserabflußmöglichkeit 
aus dem tiefer gelegenen Gebiet nicht vollkommen, so daß hierdurch 
auf weite Erstreckungen hin Hochmoorbildungen entstehen, die ledig- 
lich in dürftigen Streuwiesen, Torfstichen und sumpfigen Wäldern wirt- 
schaftlich ausgenutzt werden. 

Höhere Bodenkultur, wie Ackerbau und Wiesenpflege gestatten 
einigermaßen die randlichen Höhenzüge, wo sich auch die Ansiede- 
lungen finden: 

im südlichen: Uffing, Schöffau, Schönberg, Echelsbach, Kirnberg, 
Wildsteig, Steingaden, Lechbruck; 

im nördlichen: Böbing, Holzleiten, Pischlach. 


Kloster Rottenbuch liegt zentral zwischen beiden Höhenzügen 
auf der Sattelhöhe und Wasserscheide (zwischen Lech und Ammer) des 
„Olberges“. 


Für die geologische Aufnahme bildet der Sumpfcharakter 
des Gebietes mit intensiver Überwachsung und Überdeckung, welche nur 
an ganz wenigen Stellen Aufschlüsse zutage treten lassen, ein großes 
Hindernis, mächtige Hangrutschungen und unmerkliche Solifluktionen 
können Anlaß zu schwerem Irrtum geben, so daß ein endgültiges und 
unanfechtbares Ergebnis vom geologischen Aufbau unseres Geländes 
nur durch größte Genauigkeit und eingehendstes Studium auch der 
anscheinend geringfügigsten Einzelheiten zustande kommen kann. 


[3] 


Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 151 


2. Rückblick auf frühere geologische Forschungen. 


a) Literatur. 


Die Moöiasseliteratur bis 1902 gibt erschöpfend Bärtling in 
seiner Dissertation über die Molasse des Hohenpeißenberges etc. 
[s. unter (5) 1903]; die neuere Literatur von 1900 ab wird | im fol- 
genden angeführt: 


(1) 1900. 


(2) 1902. 


(3) 1902. 


(4) 1902. 
(5) 1903. 
(6) 1904. 


(7) 1904. 


(8) 1905, 
(9) 1906. 


(10) 1906. 


(11) 1907. 


(12) 1908. 


(13) 1909. 
(14) 1909. 


(15) 1911. 
(16) 1911. 
(17) 1912. 


(18) 1912. 


(19) 1912. 


(20) 1913. 


L. Ammon; v, Über das Vorkommen von Steinschrauben (Dämonhelix) 
in der oligocänen Molasse Oberbayerns. Geogn. J.-H., Bd. XIII, München. 


Liebus, Ergebnisse einer mikroskopischen Untersuchung der organi- 
schen Einschlüsse der oberbayrischen Molasse. Jahrb. d.-k. k. geol. 
R.-A., Bd. 52, Heft I, Wien. 

C. Weithofer, Einige Querprofile durch die Molassebildungen Ober- 
bayerns. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Bd. 52, Heft 1, Wien. 

H. Stuchlik, Profil der Grube Peißenberg. (Siehe in: Weithofer, 
Einige Querprofile etc.). 


R. Bärtling, Die Molasse und das Glazialgebiet des Hohenpeißen- 
berges und seiner Umgebung. Geogn. J.-H., Bd. XVI, München. 


L. Rollier, Die Entstehung der Molasse auf der Nordseite der Alpen. 
Vierteljahresschr. d. Naturf. Ges. Zürich. 


A. Rothpletz, Die fossilen oberoligocänen Wellenfurchen des Peißen- 
berges und ihre Bedeutung für den dortigen Bergbau. Sitz.-Ber. d. math - 
phys. Klasse d. Kgl. bayr. Akad. d. Wissensch. Bd. XXXIV, Heft III, 
München. 


A. Rösch, Der Kontakt zwischen Flysch und der Molasse im Allgäu. 
Mitteil. d. geograph. Ges. München, Bd. I, Heft III. 

Arnold Heim, Die Brandung der Alpen am Nagelfluhgebirge. Viertel- 
jahresschr. d. Naturf. Ges. Zürich, Jahrg. 51. 


H. Stuchlik, Die Faziesentwicklung der südbayrischen . Oligocän- 
molasse. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. Bd. LVI. 


Arnold Heim, Zur Frage der exotischen Blöcke im Flysch mit einigen 
Bemerkungen über die” subalpine Nagelfluh. Eclogae geologicae Hel- 
vetiae. Vol. IX, Nr. 3, Lausanne. 


OÖ. Ampferer, Bemerkungen zu den von A.Heim und A. Tornquist 
entworfenen Erklärungen der Flysch- und Molassebildung am nörd- 
lichen Alpensaum. Verh. d. k. k. geol. R.-A. Wien. 

L. Ammon, v., Die oberbayrische Pechkohle. Geogn. J,-H., XXII. Jahrg, 
W. Koehne, Über die neueren Aufschlüsse im Peißenberger Kohlen- 
revier. Geogn. J.-H., XXII. Jahrg., München. 


H. Stuchlik. Die Peißenberger Tiefbohrungen im oberbayrischen 
Kohlenrevier. Zeitschr. f. prakt. Geol., XIX, Jahrg., Berlin. 


W. Koehne, Zur Geologie des Peißenberger Kohlenreviers. Geogn. 
J.-H., XXIV. Jahrg., München. 


R. Bärtling, Zur Tektonik des Hohenpeißenberges. Zeitschr. f. prakt. 
Geol. XX. Jahrg., Heft 1II, Berlin. 


W.Koehne, Stratigraphische Ergebnisse einer Tiefbohrung am Bühlach 
im oberbayrischen Koblenrevier. Zeitschr. d. deutsch. -geol. Ges., 
Bd. LXIV, Monatsbericht Nr. 1. 

Koehne, Geol. Rundschau 1912, Heft IIl, pag. 407. 


Weithofer, Die Entwicklung der Anschauungen über Stratigraphie 
und Tektonik im oberbayrischen Molassegebiet. Geol. Rundschau 1914. 


152 Dr. Georg Gillitzer. ve [4] 


b) Bisherige Forschungsergebnisse. 


Die ersten, mehr mineralogisch und wirtschaftlich beachtens- 
werten Nachrichten unserer Gegend gibt Flurl!). In eindringlichen 
Ausführungen hebt er den Nutzwert der Verwendung von Steinkohlen 
hervor, da diese zu jener Zeit nicht recht beachtet wurden und 
namentlich für Hausbrand als gesundheitsschädlich, auch als gemein 
galten; Flurl berichtet von verschiedenen „Steinkohllagern“, so „im 
Grasleitener Wald unweit St. Nikolaus am Kühbach (6 Zoll = 15 cm), 
bei Hirschau (10 Zoll = 25 cm), bei Achelsbach“. 

Emmerich (Südbayrische Molasse, Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 
1855) streift unser Gebiet etwas. 

In weiterer Folge behandelt das Böbinger — Rottenbucher Ge- 
lände Güm bel?).‘ Dessen Darstellung verzeichnet im ganzen Gebiete 
„ältere Süßwassermolasse* (= „untere bunte Molasse“); die aufge- 
führten Kohlenflöze des Gebietes seien als Einlagerung in die bunte 
Molasse aufzufassen. Die Gümbelsche Karte gibt an vielen Stellen 
bunte Molasse an, wo sich nach unserer Beobachtung anscheinend 
sehr gute Aufschlüsse für bunte Molasse fanden, die sich jedoch bei 
näherer Prüfung als „Pseudoaufschlüsse“ bekundeten, derart, daß dilu- 
vial aufgearbeitetes und von Nachbargegend herbeitransportiertes 
Molassegestein (wahrscheinlich bunte Molasse) als eine Art von „Ge- 
schiebemergel“ oder „Geschiebelehm“ das wirklich anstehende Gebirge 
verhüllte; ihrem Aussehen nach ähnelte dieses Gestein anstehender 
bunter Molasse. Dabei sind gerade die Cyrenen führenden Schichten 
meist am schlechtesten aufgeschlossen, so daß ein Urteil, als seien 
Cyrenenschichten überhaupt nicht vorliegend begreiflich erscheint. 

Gümbel gibt eine ziemliche Anzahl von Kohlenflözen in un- 
serem Gebiet an, welche größtenteils wieder aufgefunden werden 
konnten; andere dagegen mußten trotz intensiveren Suchens unent- 
deckt bleiben, wohl deshalb, weil die Angaben nur ganz allgemein 
gehalten sind, wie im „Nesselgraben“, am Schmauzenberg im Kurzen- 
riedengraben. 

In tektonischer BeziehungfaßtGümbel das Gelände als ein- 
heitliche Mulde in bunter Molasse auf. 

Die „Geologie von Bayern“ (1894) stellt die früheren Aus- 
führungen von Gümbels wesentlich im selben Sinne enger zusam- 
mengefaßt dar. 

Bärtling berührt in seiner Abhandlung (5) den nördlichen 
Rand unseres Gebietes; er erwähnt einige Kohlenflöze im Talbach- 
graben bei Rottenbuch, die in Cyrenenschichten gebettet seien; 
zwischen der bunten Molasse im Kohlgraben und jener der „Schnalz“ 
konstatiert er einen wesentlichen Unterschied: die in der Molasse 
der Schnalz vorherrschenden festen und kalkigen Steinmergel- 
bänke fehlten im Kohlgraben fast ganz; die Mergelschichten 
seien hier tonreicher und verwitterten leicht zu grauem, gelbem 


!) M. Flurl, Beschreibung der Gebirge Bayerns und der oberen Pfalz. 
München 1792. 

2) 6. W.v. Gümbel, Geognostische Beschreibung des bayr. Alpengebirges 
und seines Vorlandes. Gotha 1861. 


[5]: / Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 153 


Grus, in dem die rote Farbe nur selten hervortrete, Sandsteine seien 
im Kohlgraben auch nicht so zahlreich eingelagert. 

In seiner stratigraphischen und tektonischen Auffassung reiht 
Bärtling die Molasse im „Krebsbachl“ (bei Ammer-Brücke der Straße 
Peißenberg—Böbing) sowie die im Kohlgraben als zur „oberen bunten“ 
gehörig ein. 

Die Molasse des Schnalzberges sowie der östlich hier anschlie- 
Benden Ammerleite hält Bärtling für „untere bunte Molasse“* und 
nimmt zwischen dieser und den bei Ramsau (am Ammerknie) auf- 
tretenden Cyrenenschichten einen steilsüdfallenden Sprung an („Über- 
schiebung“);!) die Cyrenenschichten am Ammerknie erscheinen bei 
Bärtling als altersgleiche Fortsetzung der Peißenberger (Bühlacher) 
Cyrenenschichten. 

Die nächste Bearbeitung erfuhr unser Gebiet durch Stuchlik 
(10). Dessen Kartierung 1:25.000, welche sich von Peißenberg bis 
nach Murnau erstreckte, wurde nicht im ganzen Umfang veröffentlicht, 
sondern nur für das nördliche Peißenberger Gebiet, und zwar im 
reduzierten Maßstab 1:50.000. 

In dieser Karte ist der nördlichste Rand unseres Geländes, das 
ist die südliche Ammerleite von „Schnalz“ an bis Bruckerhof—Ach- . 
berg—Huglfing zur Darstellung gelangt. Stuchlik unterscheidet 
analog dem Ostgebiete von Hausham, Penzberg: 

„Untere Cyrenenmergel“ („Philipps-, Kammerloher-, 
Echelsbacher-, Ammerleitenflöze“), welche in unserem West- 
gebiete technisch nebensächlichere Bedeutung besäßen und weiter: 

„Obere Cyrenenmergel“*, auf welchen der Bergbau von 
Peißenberg umgehe; zwischen beiden Cyrenenpartien liege die „Untere 
bunte Molasse“. 


Sämtliche Cyrenenschichten am Ammerknie bei 
Ramsau nördlich des Schnalzberges reiht Stuchlik in die Gruppe 
der „Unteren Cyrenenschichten“ ein (Echelsbacher Niveau), 
die bunte Molasse südlich der Ammer sei „Untere, bunte Molasse“, 
der „Krebsbachflöz* indentisch mit dem Echelsbacher Flöz. 

. . Demgemäß mußte auch die Tektonik an der Ammerlinie in einer 
„Überschiebung“ bestehen, welche in zwei Etappen die untersten Mo- 
lasseschollen gegen die jüngsten Schichten emporheben ließ; der nörd- 
lichere Teilsprung streicht nach Stuchlik unmittelbar nördlich des 
Ammerlaufes und hebt die „Echelsbacher Flözgruppe* gegenüber 
dem fast ganz unterdrückten Südflügel der Peißenberger Mulde 
mächtig empor; die gehobene Scholle bestehe im Westen aus dem 
Sattelzug in Cyrenenschichten bei P. 648 am Ammerknie bei Ramsau, 
der nach Osten zu in den Krebsbachlsattelzug .übergehe, beide 
Sattelvorkommen ständen in organischem Zusammen- 
hang und seien ein einziger Sattelzug. 

Diese Sattelscholle werde im Süden durch einen weiteren Sprung 
von überschiebender „unterer bunten Molasse* (Molasse des Schnalz- 


1) Unter „Überschiebung“ wurden in der Molasseliteratur und werden auch 
fürderhin steilfallende (zirka 40— 60°) Sprünge verstanden, welche überschiebende 
Tendenz haben. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd,, 1. u. 2. Hft. (G. Gillitzer.) 30 


154 Dr. Georg Gillitzer. [6] 


berges) getrennt. Stuchlik hebt in der Tektonik des Ammerlaufes 
vom Ammerknie bei Ramsau gegen Ost zu Schuppenstruktur hervor. 

Das von Stuchlik von Peißenberg bis nach Saulgrub 
gelegte Profil offenbart folgende Lagerung: 

Im Süden der Peißenberger Mulde setzt hiernach nach eben ge- 
nannter schuppender Tektonik an der Ammerleite eine Mulde an, 
deren Südflügel nach Norden stark überkippt erscheint; in der Ge- 
gend von Kirnberg-Rottenbuch finden wir einen streichenden 
Sprung vor, welcher diese nördliche Mulde gegen eine zweite im 
Süden sich anreihende Mulde trennt; umgekehrt ist hier der Nord- 
flügel nach Süd überkippt, während der Südflügel ziemlich flach mit 
zirka 40° gegen Nord einfällt. 

Beide Mulden bergen nach Stuchlik in ihrer Mitte je einen 
Kern von Cyrenenschichten, die an sich, da die beiden Mulden nicht 
besonders tiefgreifend zu denken seien, von vornherein als wirtschaft- 
lich belanglos erachtet wurden. 

Der Südflügel dieser südlicheren Mulde setzt im Pro in mäch- 
tiger nach Nord überkippt konstruierter Luftantiklinale zur südlichen 
Bayersoyerner— Murnauer Mulde über. 

Gegenüber genanntem Querschnitt, der durch die Mitte unseres 
zu betrachtenden Geländes gelegt ist, werden die anders lautenden 
Ergebnisse vorliegender Untersuchung vorzubringen sein. 

Im Verlauf der in den Jahren 1909 bis 1912 stattgefunden 
Debatte, die sich an die Peißenberger Tiefbohrungen anschloß, griff 
nun neuerdings Bärtling (17) auch in unser Gebiet über, und zwar 
in Anknüpfung an Veröffentlichungen Koehnes über das nördlichere, 
eigentliche Peißenberger Revier. 

Bärtling und Koehne bringen hier ein ganz neues 
Moment in die Tektonik des Peißenberger lieviers und dies besteht 
in der Geltendmachung der Analogie der Peißenberger Tek- 
tonik mit jener von Penzberg. 

Stuchlik hatte an der Ammer, wie oben angeführt, eine 
Hebungs- („Überschiebungs-“) Tektonik vertreten, Bärtling ver- 
tritt nunmehr eine S enkungstektonik. 

In diesem Sinne mußten die von Stuchlik südlich der Ammer 
als „untere bunte Molasse“ aufgefaßten Schichten als zur „oberen 
bunten“ gehörig umgestempelt werden, und zwar beweist dies Bärt- 
ling durch Identifizierung des „Krebsbachl-“ mit dem „Kohlgraben- 
flöz“; den Beweis der Identifizierung erbringt Bärtling hauptsäch- 
lich mit Hilfe der „Helixschichten“, die Koehne (14) als Orien- 
tierungsmarken bei der Gliederung der mächtigen Serie der 
oberen bunten Molasse im Kohlgraben (Peißenberger Mulde) 
aufstellt. 

Nach dieser Darstellung hätte man die Peißenberger Kohlenflöze 
im Süden der Ammer unter der Ammerleite (Krebsbachl — 
Bruckerhof—Schnalzberg) zu suchen und könnten durch 
Bergbau gar wohl erreicht und mit Vorteil ausgebeutet 
werden. 

Eine Stellungnahme zu dieser wirtschaftlich bedeut- 
samen Streitfrage sollen die auch hierzu konträren Ergebnisse 


[7] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 155 


vorliegender geologischen Untersuchung gleichfalls bezwecken und end- 
gültige Entscheidung in dieser Frage erbringen. 


B. Hauptteil. 
I. Stratigraphie. 


Nach den stratigraphischen Veröffentlichungen über die süd- 
bayrische Molasse durch Gümbel, Wolff, Weithofer, Bärtling, 
Stuchlik, Koehne möchte es ganz überflüssig erscheinen, 
nun noch einmal eine beschreibende Darstellung der Molasseschichten 
zu bringen. 

Trotz alledem erscheint eineendgültigeund unzweideutige 
stratigraphische Sichtung der einzelnen Molasseglieder als ein ganz 
vordringliches Bedürfnis, wenn man in Erwägung zieht, daß 
infolge der bisherigen unzulänglichen Normierung — namentlich be- 
trifft dies den Unterschied zwischen oberer und unterer bunter Mo- 
lasse — die Unsicherheit soweit ging, daß gerade in tek- 
tonisch denkenden Kreisen bislang an zwei verschiedene bunte 
Molassen gar nicht recht geglaubt und ihr lokalgetrenntes Vor- 
kommen durch großartige Ueberschiebungstektonik zu erklären ge- 
sucht wurde. 


Auch dieser Gesichtspunkt, nämlich der Gedanke an eine allen- 
fallsige Identität beider „bunten Molassen“, wurde im Auge behalten 
und die Untersuchung auch nach dieser Hinsicht durchgeführt. 


I. Untere marine Molasse !). 


Dieser Schichtenkomplex dürfte in stratigraphischer Darstellung 
wenig abweichend von früherer zu behandeln sein; gegenüber der 
Unterteilung von Stuchlik (10) in zwei selbständigere Horizonte des 
„oligocänen Tiefseetons* und der „Cyprinenschichten“ möchte ich in 
engerer Zusammenfassung beide Partien formell als „Untere marine 
Molasse“ zusammenreihen, welche eben teilweise durch Tone, teilweise 
durch Sandsteine mit vereinzelter Konglomerateinschaltung vertreten 
wird; gerechtfertigt wird diese Zusammenfassung einmal wegen der 
faziellen Substitution beider Ausbildungsarten an manchen Stellen ?), 


!) Da man sich über die Herkunft des Namens „Molasse“ meist im un- 
klaren ist, sei der Begriff erläutert: Molasse kommt von: pietra molera = Form- 
stein, Wetzstein; molera kommt von modelare oder molare = mahlen, wetzen 
(molette = Wetzstein, molard — Schleifer); Molasse hat mit mollis = weich nichts 
zu tun (efr. Rollier, Die Entstehung der Molasse auf der Nordseite der Alpen. 
Vierteljahrschr. d. Naturf.-Ges., Zürich 1904). 

?) Bei Altenau (Murnauer Mulde) an der Ammer wurde konstatiert, daß 
zirka 400 m nördlich der „Sägmühle“ Sandsteine mit Kohlenschmitzen anstehen, 
die in mehrfachem Wechsel mächtigere Serien von Tonschichten dazwischen ge- 
schaltet hatten und schließlich allmählich im Hangenden (Nord) nach längerer 
Wechselfolge von Sandstein- und Tonschichten endgültig in reinen gleichmäßigen 
Ton übergehen; hier findet sich also die Tonpartie im Hangend der Sandstein- 
partie, was nicht normal erscheinen möchte; Tektonik dürfte hier nicht mit- 
spielen. 

20* 


156 Dr. Georg Gillitzer. [8] 


so daß der engste Verband in Entstehung und im Alter bei beiden Ge- 
steinspartien als zweifellos anzunehmen ist; weiterhin erscheint die Be- 
zeichnung „Cyprinenschichten“ für die Sandsteinpartie deshalb nicht 
angebracht, da einmal gerade das Charakteristikum hierfür, die 
Cyprina rotundata Br. in den Sandsteinen unserer Gegend gar nicht 
(oder höchst selten?) auftritt, andernteils aber die echte Cyprina 
rotundata in dem jüngeren Horizont der „Promberger Schichten“ mit 
Sicherheit!) erwiesen ist. 

Der Vollständigkeit halber sollen kurz die beiden Glieder der 
unteren marinen Molasse skizziert werden: 


Tonpartie: Diese ist normalerweise die liegendere Partie; 
die Farbe der Tone ist: dunkelgrünlichbraun mit schokoladebraunen 
(oder rostfarbig aussehenden) Flecken, Schichtung ist angedeutet durch 
feine, kohlehaltige Schichtstreifen, so daß zarte Bänderung bisweilen 
zu beobachten ist. Der den Tonen beigemengte, ganz feinkörnige Sand- 
gehalt läßt sie nicht so ganz leicht verwittern oder durch Wasser- 
aufnahme in weichflüssigen Brei verwandeln, vielmehr halten sich 
diese Schichten im Wasser (Ammer bei Altenau und Echelsbach) ganz 
widerstandsfähig, auch eine Spaltung oder Zerblätterung infolge Ver- 
witterung findet bei den Tonen nicht statt, so daß sie ein kompaktes, 
klotziges Aussehen besitzen. Versteinerungen finden sich hierin 
gar keine. 

Vorkommen: Unterste Lage im aufgebogenen Südrand der 
Rottenbucher Mulde, anstehend zu treffen spärlich im Osten im Atlas- 
graben, mehr aufgeschlossen an der Ach südlich vom Kirnberg bis 
gegen Echelsbach an der Ammer sowie weiter westlich am Südhang 
des Illberges. 

 Mächtigkeit: 200 (—250) m. 

Sandsteinpartie: Diese Serie kann man auch nach ihrem 
Verwendungszweck als „Steinbruch- oder Baustein“-Schichten 
bezeichnen. 

Die Sandsteine besitzen ziemlich gleichmäßiges Korn (1, —!/; 
Stecknadelgröße) und einförmig graue oder braune Farbe. 

Die Bestandteile sind hauptsächlich : Quarzkörner, heller Glimmer; 
an dunklen Gemengteilen: Biotit, Hornblende, Augit, Grünsteinchen; 
sporadische Einstreuungen von gröberen Quarz-, Kieselkalk- oder 
Kalksteingeröllen finden sich nicht selten und häufen sich manchmal zu 
Konglomeratlinsen im Sandstein. 

Das Bindemittel ist vorwiegend kalkig und tonig, das Gestein 
verwittert verhältnismäßig leicht zu mürber Masse und blättert sich 
in äußerlichen Krusten allmählich ab; in frischem Zustand dagegen 
besitzt es sehr festes, quarzitartiges Aussehen. 

Diese Sandsteine werden gern als Material für Häuser- und 
Brückenbauten in Brüchen gewonnen (Echelsbach—Lechbruck). Ver- 
steinerungen hierin sind außer Blätterresten (Cinammomumarten) 


') Der Nachweis von Cyprina rotundata Br. gegenüber der äußerlich 
ähnlichen Cyrena gigas Hofmann läßt sich ohne Diskussion in der typischen 
Unterscheidung beider in den Schloßzähnen erbringen. Vgl. Lit. (1), pag. 62 und 
(5), pag. 15. 


f9]: Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 157 


sehr selten zu finden, der Fossilreichtum der marinen Molasse nimmt - 
westlich der Isar (bei Tölz), also auch in unserem Gebiete sehr ab; 
jedoch gelang es, im Knollgraben (südlich vom Kirnberg, östlich 
von Echelsbach), Gesteinsplatten mit massenhaften Fossilab- 
drücken aufzufinden, welche durchaus marine Formen zeigten: 
Thracia sp., Cardium sp., Cerithium sp. ete. Weiter ist ein neuer 
Fossilfundort aufzuführen, im nördlichen Muldenrandzug, 
nämlich an der südlichen Ammerleite in der organischen westlichen 
Fortsetzung des „Krebsbachlsattelzuges® (etwa 600 m nordnordwest- 
lich vom „Bruckerhof“, wo zwei Bachrinnsale über die südliche Ammer- 
leite zur Ammer herunterziehen). Hier konnten in Sandsteinen unter 
zahlreichen Blätterresten bestimmt werden: @Quercus furcinervis und 
Oinammomum polymorphum'); in der Gesellschaft der Blätterabdrücke 
konnte deutlich auch ein Cardium-Abdruck konstatiert werden, so daß 
für dieses Vorkommen der marine Charakter gesichert erscheint. 
Bei Horizonteinreihung dieses Vorkommens an der Ammerleite bleibt 
nur die engere Wahl für „Untere marine Molasse“ oder für ‚Prom- 
berger Sandsteine“; der organische Konnex des Vorkommens mit 
dem „Krebsbachlkonglomeratsattel“ sowie weitere im tektonischen 
Teil zu erläuternde Umstände bestimmten jedoch entschieden für 
Einreihung der Sandsteine in „Untere marine Molasse*“. 


Vorkommen: Hauptsächlich verbreitet in der südlichen Mulden- 
aufrandung von Uffing—Schöffau—Echelsbach—Lechbruck, neuent- 
deckt wurde das unerwartete Vorkommen am nördlich aufge- 
bogenen Muldenrandzug der Ammerleite nördlich von 
Bruckerhof in der westlichen Fortsetzung des „Krebsbach- 
sattels“. 


Mächtigkeit: zirka 150 m. 


2. Untere bunte Molasse. 


Auf der Basis der unteren marinen Molasse setzt nun die 
untere bunte Molasse in mächtiger Entwicklung ein; das über- 
leitende Glied zwischen beiden bildet eine Zone, die vorwiegend aus 
Konglomeratbänken besteht; zwischen Konglomeratzone und die 
unteren marinen Sandsteine hinwiederum schaltet sich eine ganz ge- 
ringmächtige kohlenführende Schichtenserie ein. Hiernach 
sind im folgenden zu betrachten: 


a) kohlenführende Zwischenschichten, 
b) Konglomeratzone, 
c) bunte Molasse im engeren Sinn. 


a) Kohlenführende Zwischenschichten. 
(Echelsbacher Kohlenschichten.) 


Wie bereits bei der unteren marinen Molasse erwähnt wurde, 
alternieren in deren hangenderen Schichten vorzugsweise Sandstein- 


') Herr kgl. Universitätsprofessor Rothpletz hatte die Freundlichkeit, 
beide Bestimmungen auszuführen, wofür ihm hiermit bestens gedankt sei. 


158 Dr. Georg Gillitzer. [10) 


bänke mit Konglomeratschichten, die infolge Auftretens zahlreicherer 
Gerölleinstreuungen im Sandstein erstehen. 

Ziemlich unvermutet setzt Kohlengebirgsbildung ein, die 
aber nur in geringmächtiger Folge anhält, um dann der Konglomerat- 
partie das Feld zu räumen. Bei Echelsbach ist beispielsweise fol- 
gendes Schichtenprofil zu verzeichnen: 


Liegendes: Wechsellage von Sandsteinen und Konglomerat. 


Sandstein... Ener 2:00 m 
Kohle und Letten . . 010... 
Kohlendoz N) pn. r .. 0:30 „ 
Kohlenletten «7.7... 025 „ 
Tonmergel\ . 2. 0:20 „ 
Sandstein. . . ....2:00—3:00 m 
Koblenflöiz . . . . 005-010 , 


Hangendes: Sandstein (Staubsandstein gefleckt, bunt). 


Sehr bemerkenswert bezüglich dieses Kohlenvorkommens ist der 
Umstand, daß die beiden Kohlenflöze trotz ihrer an sich geringen 
Mächtigkeit nahezu 30 km im Streichen anhalten, nämlich von 
Schöffau bis Urspring—Lechbruck. 


Schöffau: Östlich des „Spindler“-Anwesens findet sich das 
mächtigere Flöz mit seiner reinen, tiefschwarzen Kohle in einem Auf- 
schluß mit einer Mächtigkeit von 0°5 m, ein Umstand, der das kgl. 
bayr. Bergärar vor einigen Jahren zu weiteren Schurfarbeiten veran- 
laßte; das Flöz wurde im Streichen auf zirka 30 m verfolgt, ergab 
aber an der Schurfstelle Unbauwürdigkeit. Die stellenweise Gering- 
mächtigkeit und das mehrmalige Auskeilen des Flözes, das in dem 
noch gut zugänglichen Stollen beobachtet werden konnte, ist auf die 
Wirkung tektonischer streichender Störungen zurückzu- 
führen, die das Flöz in verschiedenen Varianten auskeilen, daneben 
aber wieder beginnen lassen. Schurfversuche an anderen Stellen sollen 
später folgen. 

Diese streichenden Sprünge verwerfen das Flöz staffelförmig 
und zerreißen es in verschiedene Schollenstücke, die Verwerfungen 
scheinen nicht regelmäßig nach einer Richtung einzufallen, sondern 
teilweise südlich, teilweise nördlich zu fallen; es ist möglich, daß 
zeitlich verschiedene Störungen tätig waren. 

Solche Störungen kommen in der Schöffauer Gegend nicht un- 
erwartet, vielmehr ist deren Auftreten ganz natürlich, da sie als die 
Folgeerscheinungen jener gewaltigen Randtektonik zu deuten sind, 
welche die Murnauer Mulde von der Rottenbucher trennen (siehe 
tektonischen Teil); und eben diese große Störung zwischen den beiden 


!) Der Kohlenbergbaubetrieb in Echelsbach — dem Grafen Dürckheim ge- 
hörig, der die Kohlen fast ausschließlich in Selbstverbrauch zum Betriebe seiner 
Brauerei in Steingaden verwendet — findet nur im kleinen mit drei Mann Beleg- 
schaft in Stollenbau statt; der Betrieb ist hoch romantisch, direkt an der Ammer 
zwischen den steilen Wandhängen der Ammerleiten gelegen, das im Abbau 
stehende Flöz besitzt nur 25—30 cm Kohle, jedoch von sehr guter Qualität. 


[11] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 159 


Mulden - liegt bei der Schurfstelle Spindler in unmittelbarer Nähe 
im Süden. 


Urspring: Bei Urspring im äußersten Westen unseres Gebietes 
gibt ein vortrefflicher Aufschluß in einem Steinbruch bei „Vorder- 
gründl“ (von der Straße aus führt ein versteckter Hohlweg in den 
Bruch) folgendes Profil: 


Liegendes: Mürb verwitternder Sandstein, 
Könglomeral ” . zu 31m 
_ (Gerölle im allgemeinen Biesohe 
kerngroß, einige Lagen besitzen 
Gerölle bis Hühnereigröße ; 
dazwischen gelagert sind körnige 


Sandsteine). 
Kohlenflözchen mit grünem Ton- 

schiefer im Liegenden . . . 10—12 cm 
Saudsten. 7, a sem, 
Konglomerat, feinkömig . . . 6m 
Kohlenflöz . . . 20—25 cm 


in der Mitte zirka 9 cm „Feuer- 
mugel“ (Bezeichnung der 
Peißenberger Bergleute, weil 
dies kieselige Mittel beim 
Schrämen mit dem Pickel 
Feuerfunken gibt) 


Grauer Tonschiefer mit Kohlen- 
schnüren . . . lea EDCHE 


Kohle und as Srnnggel 5 er rem 


Hangendes: Sandsteine (= Bausandsteine des 
Bruches). 


Das Hauptkohlenflöz zeigt sich auch verdrückt und verknetet, 
so daß die normale Mächtigkeit des Flözes noch nicht festgestellt ist. 


Aus den Vorkommen der örtlich zirka 25 km entfernt vonein- 
ander liegenden Aufschlüsse ergibt sich folgendes: sämtliche Vor- 
kommen finden sich in den Grenzschichten zwischen unterer mariner 
und unterer bunten Molasse, an sämtlichen Aufschlüssen sind zwei 
Flöze, ein stärkeres, mit durchschnittlich 25 cm Kohle, und ein 
schwächeres, mit zirka 10 cm vorliegend. Daraus darf geschlossen 
werden, daß, wiewohl die Aufschlüsse im Streichen nicht kontinuier- 
lich sind, die beiden Flöze in den getrennten Aufschlüssen mit 
Sicherheit in sich identisch sind und mit beachtenswerter Ausdauer 
auf mindestens 25--30 km im Streichen aushalten. 


Vorkommen in der Nordrandung: Krebsbachl. Profil etwa 
bei ZusammenflußB der beiden Krebsbachlarme (Nordflügel des 
„Krebsbachlsattels*): 


160 ml 0H TB Georg Gillitzer.' >32: 15301099) [12] 


Liegendes: Konglomerat des Sattelkernes u Süd) 

Sandstein . - ee 
Kalkmergel, lichtgrau, dünnblätterig : SEE 
Sandsteine und Tonschichten .. . . re N 
Sandschiefer (gequält, Verwerfung)). 2 
Massiger Sandstein, körnig und glimmerhaltig . . 3 
Grünlicher Letten mit Pflanzenresten, Helices 10 (—60) cm 
Flöz : schöne schwarze Kohle, verruschelt und 


verdrückt..2 0 9 5 
Tonschiefer, lichtgrünlichgrau REES 7 ir m 
Ton, bröckelig und Sandis Fra WEIT 
Grauer Ton,. etwas geschiefent.. 2.07 in u 20 
Kohlenschmitz; 2.5, ur ie u N Er e 
Grauer Ton . DU es 
Stinkstein, dunkelbraun, mit häufigen Planorbon , 40:% 
Kohlensehmitz : ".s.. Pr ee 
Tonsgrau.n. ib 0 9% 9 uk I ausser ala 
Kohlensehmitz. 2.5. 2m: 1 5.2. Sup Eee 
Ton, bröckelig . . 3A 
Stinkstein, hart, sandig, dunkelbraun, mit zahlreichen 

Abdrücken von Helices oder Planorben Se a 
Tone, Jiehteran, Dlätterie, Er. rt un. Dal 
Sandstein, körnig, glimmerig . u 0.01: 
Tonschiefer, lichtgrau, mit dunkleren Helixzwischen- 

schichten (65° südfallend) .... , ie) 
Bunte Staubsandsteine (seigerfallend) und intensiv 

gefleckte Tonschichten: ...’ „.u....n, . — 


Das Vorkommen im Krebsbachl zeigt unstreitig sowohl in seiner 
Ausbildungsweise als auch nach Maßgabe seines Verbandes mit den Kon- 
glomeratschichten den größten Anklang an die Kohlenschichten der 
Südrandung. Als Unterschiede gegen die südlichen Vorkommen ist 
allenfalls hervorzuheben, daß die Mächtigkeit der kohlenführenden 
Schichten im Krebsbachl zirka 25 m gegen rund 10 m im Süden 
beträgt und daß die nördlichen Vorkommen Helixfunde aufweisen. 

Doch diese Unterschiede müssen der Ausbildungsumänderung 
im nordsüdlichen Verlaufe zugeschrieben werden. Eine Ähnlichkeit 
des Krebsbachlvorkommens mit oberer bunter Molasse (Kohl- 
grabenflöz), wie Bärtling zu beweisen sucht, ist wirklich keines- 
falls zu erkennen. Die wichtigste Stütze dieser Ansicht, die 
„Helixschichten“, ist hinfällig (siehe „Helixtone“ in unterer und oberer 
bunter Molasse später); recht überzeugend erscheint jedoch hier der 
wichtige Konnex: Konglomerat, weiter kohlenführende 
Schichten und marine Sandsteine. 

In paläontologischer Beziehung geben. diese Kohlengebirgs- 
schichten allenfalls Planorben und Helixfunde, aber niemals Cyre- 
nen oder diese begleitenden Fossilien, so daß diese an 
sich auch geringmächtige Schichtgruppe durchaus nicht den 
Cyrenenschichten zugezählt werden darf, wie Stuchlik ver- 
trat. An allen Lokalitäten unseres Gebietes, wo durch unstreitig nor- 


[13] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 161 


malen Verband diese Schichten mit unterer mariner Molasse ver- 
kettet sind, werden sich niemals Cyrenen oder ähnliche Fos- 
silien aufweisen lassen. Wo „untere ÖOyrenenschichten*mit 
Cyrenen früher angegeben wurden, gehören diese Schichten nicht 
unseren jetzt betrachteten unteren Kohlenschichten an, sondern ohne 
jeden Zweifel den Hauptcyrenenschichten, auf denen der 
Peißenberger Bergbau umgeht. 

Die Kohlenbildung unserer älteren Üherkeigssehichten steht 
unmöglich in irgendeinem genetischen oder faunistischen Zusammen- 
hang mit den cyrenenführenden „Kammerloher* und „Philippsflözen“ 
der Penzberger und Haushamer Gegend. Wahrscheinlich ist es jedoch, 
daß diese unsere Kohlenschichten als Alteräquivalente, als fazielle 
Differenzierung der östlichen „Kammerloher und Philippsflöze* zu 
gelten haben, da sie ja analog wie im Osten auch im Westen auf die 
unteren marinen Sandsteine folgen. Mithin ist als Ergebnis des vor- 
liegenden Abschnittes zu verzeichnen: 

Sogenannte untere brackische Cyrenenschichten 
(Kammerloher Flöze) sind im Gebiete von Rottenbuch 
und Peißenberg nicht mehr vorhanden. Das substitu- 
elle Vorkommen ist wohl hier eine Süßwasserbildung. 


b) Konglomeratzone. 


Die petrographische Betrachtung ergibt: 

Grundmasse: Entweder sehr feinkörnig und gleichmäßig (ähn- 
lich wie der Sandstein der unteren marinen Molasse) von dunkel- 
srauer Farbe mit einem schwachen Stich ins Grünliche oder trüb- 
milchige Grundmasse von Kalkspat, wobei dann die Konglomerate 
leicht bei der Verwitterung zu „Kies“ zerfallen. 

Rollstücke: Im allgemeinen gleichmäßig groß, kirschkern- bis 
haselnußgroß, selten über 5 cm Durchmesser, durchaus sehr voll- 
kommen gerollt. Das Material der Gerölle besteht hauptsächlich 
aus schwarzen kieseligen Kalken (Flysch, Hornsteinkalke aus alpinem 
Neokom oder Aptychenschichten etc.), aus helleren Kalkgeröllen von 
weißlicher und gelblicher Farbe. Auch rein weiße Quarzgerölle finden 
sich vor. Jene merkwürdigen Eindrücke von Geröllen auf die benach- 
bart anlagernden finden sich oft (häufiger tritt. diese Erscheinung in 
der südlichen Murnauer Mulde hervor, wo Rollstücke mit über Kinds- 
kopfgröße nicht selten sind. Die Rollstücke sind hier nicht so voll- 
kommen gerundet. Das Bindemittel findet sich auf weite Erstreckungen 
intensiv rot gefärbt). 

Art des Vorkommens: Eingeschaltet in die Konglomerat- 
folge sind körnige Sandsteine und intensiv bunte (rotgefleckte) Stein- 
mergel. In ostwestlichem Streichen halten die Konglomerate im 
allgemeinen gleichartig aus, wiewohl ein verhältnismäßig rascher Über- 
gang in bunte Staubsandsteine und Tonmergel bisweilen beobachtet 
werden kann, ein Umstand, der einiges Licht in die Genese der 
letzteren zu werfen imstande ist. 

In der südnördlichen Erstreckung ist eine beträchtliche Ab- 
nahme der Konglomeratschichten zugunsten der Zunahme der „Staub- 

Jahrbuch d.k. k, geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (G. Gillitzer.) Pal 


162 Dr. Georg Gillitzer. [14] 


sandsteine* und der bunten Tonmergel zu verzeichnen. In dernörd- 
lichen Verbreitung (südliche Ammerleite-Krebsbachlzug) 
bilden die Konglomerate nur mehr Einschaltungen in die bunten 
Mergel, doch ist auch hier festzustellen, daß das ostwestliche An- 
halten dieser Konglomeratzüge in der Nordzone gleichfalls im all- 
gemeinen beständig ist. Freilich ist ein kontinuierliches Ver- 
folgen von solchen, immerhin spärlich gestreuten Konglomeratzügen 
auf weitere ostwestliche Erstreckung nicht möglich. 


Vorkommen: Namentlich in der südlichen Muldenrandaufbie- 
gung von Uffing bis Lechbruck, doch auch im nördlichen Muldenflügel 
anstehend im Zug: 

Lechner—Krebsbachl, 
St. Nikolaus—Sattelzug, 
Schnalzmolasse—Schnaitbereg. 


Mächtigkeit: Eine scharf begrenzte Abtrennung ist hier nicht 
möglich, so daß nur ungefähr eine Mächtigkeit angegeben wird von 
170 m. 


c) Untere bunte Molasse im engeren Sinne. 


Mit Behandlung dieses Schichtgliedes betreten wir umstrittenes 
und noch unentworrenes Gebiet, denn die wünschenswerte Sichtung 
der unteren und oberen bunten Molasse wurde durch die bisherigen 
Untersuchungen noch nicht erzielt und eine auch für die praktische 
Diagnose wertvolle Horizontierung in den beiden Komplexen liegt 
gleichfalls nicht vor, so daß man des Öfteren bei praktischen Fragen 
kaum die Entscheidung treffen kann, ob untere oder obere „bunte“ 
vorliegt, geschweige denn, daß man den näheren Horizont in der be- 
treffenden Schichtfolge anzugeben vermag. 

Das Ergebnis unserer Untersuchung bestätigt einmal das sichere 
Vorhandensein zweier altersverschiedener bunten Molassen, 
einer „unteren“ und einer „oberen“, und erbringt für beide Kom- 
plexe eine Horizontierung, freilich nur in ganz großen Zügen, 
da jeglicher Versuch, eine feindifferenzierende Stufung zu schaffen, 
für die Praxis belanglos erscheint. 


Horizontierung der unteren bunten Molasse. 


In ermüdender Einförmigkeit kehren in der „unteren bunten“ 
scheinbar lithologisch ganz gleichartige Schichten immer wieder. Lei- 
tende Fossilien fehlen vollkommen, doch ist es wohl möglich, im 
Ammerprofil eine Zweiteilung im großen vorzunehmen, welche 
unter Umständen für die Praxis schätzbare Richtpunkte zu bieten 
vermag. Nämlich es ist zu unterscheiden: eine tiefere „rote“ und 
eine höhere „graue“ (beziehungsweise „grüngraue“) Stufe. 


„Rote bunte Molasse.* 
(Tiefere Stufe.) 
Dieser Schichtenkomplex bevorzugt intensiv ziegelrote 
oder violettrote Farbtöne, die in unregelmäßigen maserierten 
oder „großoolithartigen“ Flecken, welche mit einer grellgelben 


[15] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 163 


und sattgrünen Farbflammung abwechseln. Vornehmlich drängt 
sich bei Beobachtung dieser Partie im großen der lebhafte Eindruck 
der intensiv roten Farbe als Charakteristikum auf, wogegen 
die anderen Töne etwas zurücktreten. 
Petrographisch: Den Hauptanteil stellen in petrographischer 

Beziehung: 

die sogenannten Staubsandsteine, 

Tonmergelschichten, 

Konglomerate, nur vereinzelt. 


Als „Staubsandsteine“ seien Gesteine vonganzfeiner,dichter 
Textur bezeichnet, welche in inniger Vermahlung Quarz, Glimmer- 
schüppchen, die an den Schichtflächen angereichert erscheinen, sowie 
Ton und kalkige Gemengteile enthalten. Typisch ist für sie hervor- 
zuheben: 

zähe Konsistenz des Gesteins, rundbucklige, knollig- 
flächige Abwitterung und buntflammige, oft großoolith- 
artige Zeichnung in obig geschilderten Farben !); Bärtling führt 
diese Gesteine an als: „gelb, rot, grau marmorierte Mergel, deren 
oft sehr hoher Kalkgehalt der Verwitterung einen nicht unbedeutenden 
Widerstand entgegenstellt etc.“*, auch die in der Literatur sich bis- 
weilen findende Bezeichnung „Steinmergel“ will wohl das gleiche wie 
„Staubsandstein“ bedeuten. Die petrographische Zusammensetzung der 
Staubsandsteine kann in weiteren Grenzen schwanken, so daß durch 
Zunahme des Quarzgehaltes und der Korngröße graue körnige Sand- 
steine, durch wachsenden Tongehalt Tonmergel oder Ton- 
schiefer erstehen können, die dann meist noch greller bunt ge- 
flammt sind und durch vorzügliche scharfe Bankung und hakige 
Bruchflächen auffallen; doch weisen diese Tonschiefer immer 
noch einen merkbaren Gehalt an Sandbeimengung und Kalk auf, so 
daß die Gehängeböschung (im Gegensatz zur Böschung der „oberen 
bunten*) noch ziemlich steil sind. 

Konglomeratbänke, petrogr. vollständig gleich denen der „Kon- 
glomeratzone*, kommen in Zwischenschaltung in die bunten Mergel 
und Staubsandsteine mehrmals vor. 

Sämtliche bisher betrachtete Gesteine sind meiner Beobachtung 
nach in der Abstammung und Entstehungsart sehr nahe verwandt 
und können gar wohl in derselben Schicht ineinander übergehen. 

Paläontologische Funde wurden in diesen grellbunten 
Gesteinen nicht gemacht, doch finden sich in der Sammlung der Kgl. 
Akademie der Wissenschaften (Neuhauserstraße, München) in den 
gleichen Schichten Blätterreste vor, die meiner Erinnerung nach in 
der bunten Molasse der südlichen Murnauer Mulde gesammelt wurden. 

„Helixtone“. Eine eigene Stellung nehmen hier fettonige, 
dunkel grünlich bis schwarz gefärbte Zwischenlagen ein, 
die eine angenehme Abwechslung durch ihr intermittierendes Auf- 
treten in den bunten Molasseschichten hervorrufen; die ausnahmsweise 


') Die Staubsandsteine können jedoch auch in der einförmig grauen 
Farbe auftreten; man könnte sie auch nenpen: „sandige Kalkmergel mit Glimmer- 
anreicherung an den Schichtflächen,*“ 


21* 


164 Dr. Georg Gillitzer. [16] 


dunklere, manchmal sattblaugrüne Färbung wird zum großen Teil 
durch kohlige Beimengung erzeugt, die manchmal so weit zunimmt, 
daß man unreine Kohlenflöze vor sich zu haben vermeint; die Mäch- 
tigkeit dieser dunklen Tonzwischenschichten beträgt jeweils zirka 
20—40 cm. 

In paläontologischer Beziehung führte das nähere Stu- 
dium dieser an sich auffallenden und darum zu schärferer Augen- 
scheinnahme herausfordernden dunklen Tonschichten zu folgendem 
Ergebnis: fast durchgehends in der ganzen unteren bunten Molasse 
(auch in der oberen, wie später gezeigt wird) enthalten diese dunklen 
Tonzwischenlagen eine relativ individuenreiche Gastro- 
podenfauna (Helices'), Helix cfr. rugulosa von Mart.); in den un- 
tersten Horizonten sind die Helixfunde nicht so häufig, die Indivi- 
duen merklich kleiner, auch die Erhaltung nicht so gut wie in höheren 
Lagen, der Vergleich der aus den verschiedensten Horizonten gesam- 
melten Helixindividuen ergab keine befriedigende Unterscheidungs- 
möglichkeit, da die Schalen verpreßt sind und sich so die Form der 
Mundöffnung nicht bestimmen läßt, auch die Verwendung dieser 
Schichten zum Zwecke einer Horizontierung der unteren 
bunten Molasse ist ausgeschlossen, da man solche „Helixtone“ in den 
verschiedensten Horizonten sehr zahlreich und vollständig gleichartig 
antreffen kann, wenn man darauf besonderes Augenmerk verwendet. 


Die „graue bunte Molasse*. 
(Höhere Stufe.) 


Eine scharfe Trennung von der „roten bunten“ besteht nicht. 

In dieser Partie kommen sämtliche Gesteinsarten wie in der 
„roten* vor mit Ausnahme der Konglomeratzwischen- 
schichten, diehierdurchausfehlenund dieser Umstand 
ist mit für diese Partie typisch; in der Färbung der bunten 
Schichten muß hier hervorgehoben werden, daß intensiv rot ge- 
flammte Tonmergel- und -schiefer zwar in derselben Art wie in 
der roten vorkommen, jedoch mit der Beschränkung, daß die roten 
Schichten hier nur in einzelnen Bänken, auch mehreren Bänken 
hintereinander auftreten, aber der ganze weitere Komplex vor- 
waltend intensiv gelbgrün und grau gefleckt ist; dieser 
Farbeneindruck ist für diese Partie gleichfalls charakteristisch. 

Weiter wird betont, daß die grellbunt maserierten „Steinmergel“ 
der unteren Partie hier mehr zurücktreten und grauen, teilweise fein- 
texturigen, meist aber körnigeren dunkelgrauen Sand- 
steinen, die oft mürb zu Sand verwittern, das Feld räumen; diese 
Sandsteine bilden bereits die Einleitung zur Ausbildungsweise der 
Sandsteine in den nun folgenden Cyrenenschichten. Der allgemeine 
Gesteinshabitus wird in den höheren Lagen toniger und ist am 
tonreichsten in Annäherung an die Cyrenenschichten. Unmittelbar 


!) Nicht bloß „Schalenreste“, sondern ganze, ziemlich gut erhaltene 
Exemplare. 


[17] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 165 


unter den Cyrenenschichten ist die Ausbildung der bunten Molasse 
genau so wie die der oberen bunten und kann also in diesem Fall 
nicht mehr von der oberen unterschieden werden, was bei Beur- 
teilung von Bohrproben große Schwierigkeiten bei der Gesteinsdiagnose 
verursacht. 

Die oben erwähnten Helixtonzwischenschiehten a 
hier ziemlich häufiger vor als in der „roten bunten“, die Helix- 
individuen florieren an Größe sowie an Güte des Erhaltungszustandes, 
namentlich direkt im Liegenden der Cyrenenschichten nimmt die 
Zahl der Helixtoneinschaltungen sehr überhand. 


Die Mächtigkeit beläuft sich ungefähr: 


für die „rote“ Partie auf: im Süd 750 m, im Nord 600. m _(P) 
an WERE Br DIE er a 


Hiermit Gesamtmächtigkeit der unteren bunten Molasse:. 


Ime Sudan 0 Yan 
in Nord. co. 2.0 2 2000.72 


Diese Unterteilung kann jedoch nur für die Gegend von 
Rottenbuch und östlich hiervon bis zur Eyach gelten; 
westlich Rottenbuch ist deutlich zu beobachten, daß die Mäch- 
tigkeit der roten bunten auf Kosten der grauen überhand nimmt 
und diese wohl am Lech ganz verdrängt; verbunden hiermit ist Über- 
handnehmen von mehr sandigen Schichten im Westgebiet. 

Vorkommen: Aufgeschlossen im Ammertal südlich und nördlich 
Rottenbuch, im Eyachtal (an der Mündung des „Kühgraben“), an der 
„Ach“ und im Westen südlich und nördlich der Illach !). 


3. Cyrenenschichten oder produktives Kohlengebirge. 
(Brackwassermolasse.) 


Die Cyrenenschichten als das kohlenführende Gebirge stehen 
im Mittelpunkt unseres bergmännischen Interesses, vorliegende 
Untersuchung bezweckte auch letzten Endes eigentlich die Feststellung 
und Erschließung etwa vorhandener neuer, unentdeckter Kohlenschätze 
im südlichen Teil des ärarialischen Reservatfeldes. 

Eine durchgreifende Erforschung der Cyrenenschichten. stößt 
wegen der Hangverrutschungen, wegen der weitausgedehnten Über- 
deckung mit diluvialen Schichten sowie mit Mooren und Wäldern auf 
große Schwierigkeiten. Durchgehende Profilaufschlüsse durch die ge- 
samten Cyrenenschichten konnten nirgends erhalten werden, sporadisch 
konnte ein Aufschluß an der einen Stelle, ein zweiter meist in weiterer 
Entfernung von ersterer kartiert werden. Aus solchen mühsam ge- 


!) Anschließend ist zu bemerken, daß die Unterscheidungsmerkmale eben 
durchgeführter Horizontierung nicht bei speziellem Studium einzelner Gesteins- 
bänke beobachtet werden können, vielmehr setzt die an sich nicht leichte Unter- 
scheidung eine längere Vertrautheit mit diesen Gesteinen voraus und es ist mehr 
Sache „petrographischen Gefühis“, den relativ größeren oder geringeren Tongehalt 
oder das Vorwalten mehr roter vor gelber Fleckung abzuwägen. 


166 Dr. Georg Gillitzer. [18] 


wonnenen Ergebnissen mußte ein Bild von der Ausbildungsart, der 
Kohlenführung, der Mächtigkeit und des tektonischen Aufbaus unserer 
Gegend kombiniert werden. 

Die Konstellation der Cyrenenschichtenaufschlüsse bei der geo- 
logischen Kartierung, die Art der Schichtenausbildung und der Kohlen- 
führung gaben vorerst ein sehr ee u. von dem Vorkommen in 
unserem Gebiet. 

Petrographisch sind die Oyrenenschichten wie die des Peißen- 
bergs ausgebildet; die Fossilienführuig erwies sich an den zu 
beobachtenden ÖOrtlichkeiten, wie bei Peißenberg reich an brackischen 
Versteinerungen, Lumachellebänke von Cerithien und Cyrenen in 
üppiger Ausbildung fanden sich sowohl in Aufschlüssen des Ostens in 
der Eyach, alsauch weitim Westen im Illachbett nördlich von Staltannen 
(zirka 3 km nordöstlich von Steingaden). Was die Kohlenführung 
betrifft, so wurden insgesamt zirka 15 Flöze mit über 10 cm Kohle 
gefunden, als bedeutendere hierunter sind anzuführen: 


A. Westgebiet: 
Im westlichen Nebenbach des Talbachgrabens bei „Hausgorl“: 


Hang.: 10 cm Kohle (rein) 
7 „ Tonschiefer 
9 „ Kohle 
15 „ Stinkstein 
„ Kohle (rein) 


—= 55 cm Flöz mit 
33 cm Kohle (Nordflügel der Mulde). 


Im Mühleckgraben südlich P. 827 im Südflügel der Mulde: 


Hang.: Cerithienschichten 
12 cm Kohle (rein) 
5 „ Stinkstein 
4 „ Schieferton 
3 „ Kohle 


— 24 cm Flöz mit 15 cm Kohle. 


B. Im Ostgebiet: 


1. An der Eyach in der liegendsten Cyrenenschichtenpartie des Nordflügels 
zirka 220 m nordwestlich der Mündung des Kühbaches am linken Eyachhang: 


Hang.: 4 cm Schiefer 
20 ,„ Stinkstein 
9 „ Kohle (rein) 
3 „ Stinkstein 
13 „ Kohle (rein) 
39 „ Letten 
37 „ Stinkstein 
Lieg.: 14 „ Kohle (rein) 


Hang.: 139 cm Flöz mit zirka 36 cm reiner Kohle. 


2. An derselben Aufschlußstelle zirka 15 m saiger darüber: 


Flöz mit 18—22 cm sehr reiner, tiefpechschwarzer und harter Kohle ohne 
jedes Mittel. 


[19] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 167 


3.-Zirka 400 m südwestlich Mündung des Vogelsbaches an der Stelle, wo 
die Eyach nach Nord umbiegt am rechten, südlichen Ufer: 


Flöz mit 30 reiner, harter Kohle ohne jedes Mittel. 


4. Zirka 7 m saiger darüber: 
Flöz mit 41 bis 45 cm Kohle mit zweimal 2 cm Lettenmittel, 


Hierzu berichtet noch Gümbel von 3 Kohlenflözen am Nord- 
hang des Illberges (westlich von Rottenbuch), wovon eines bis zu 
50 cm Kohle besitzen soll; es gelang nicht, diese Flöze aufzufinden. 

Mit Berücksichtigung der durch günstige Marktlage — weite Ent- 
fernung von den großen Kohlenzentren — unseres Reviers ganz anders 
fixierten Bauwürdigkeitsgrenzen der oberbayrischen Kohlenflöze, 
deren Bauwürdigkeit bereits bei 30 cm Mächtigkeit beginnt, mußte 
nach Maßgabe sämtlicher bei der geologischen Aufnahme gewonnenen 
Ergebnisse dahin geurteilt werden, daß unter Umständen, falls die auf- 
gefundenen Flöze horizontal anhielten und sich vielleicht noch weitere 
bauwürdige Flöze, die unter der Ueberdeckung vermutet werden 
konnten, fanden, die Aussichten auf ein neu zu sowinnendas Kohlen- 
revier nicht ungünstig stellten. 


Die durchgehende Beschaffenheit der Cyrenenschichten unseres 
Gebietes konnte ohne künstliche Aufschlüsse niemals erschöpfend er- 
kundet werden und der Geist unserer Zeit, wo man mit weiter vor- 
sehendem Blick auf künftige Zeitabschnitte das im Schoß der Erde 
ruhende Volksvermögen von Kohle und Eisen zu ergründen strebt 
und bereits sorgsam buchführt mit den noch vorrätigen Bodenschätzen 
gegenüber dem für die Industrie und das Leben nötigen Verbrauch 
an solchen, in der Zeit der „Eisen- und Kohleninventuren“ 
war die durch die Kgl. Bayr. Generaldirektion der Berg-, Hütten- und 
Salzwerke intensive Aufschlußarbeit mittels Bohrungen im ärarischen 
Reservatfeld als Erfüllung eines zeitgemäßen Erfordernisses zu 
begrüßen. 


Vier in der Gegend von Eyachmühle niedergebrachte Boh- 
rungen setzen uns in die Lage, neben Erkundung der Tektonik jenes 
Gebietes das stratigraphische Verhalten der Cyrenenschichten, die im 
Süden nur mehr ganz spärlich bei Sprengelsbach aufgeschlossen sind 
von Nord nach Süd zu, zu verfolgen. 


1. Niveau der Promberger Schichten. 


Nördliches Vorkommen: Die „Hangendsandsteine“ mit 
Kohlenschmitzen und selten Fossilien— eingroßer Querschnitteiner Schale, 
gefunden bei Eyachmühle ist wohl Cyprina rodundata Br. angehörend — 
bestehend aus zirka 10—30 m mächtigen, alternierend härteren und 
weicheren, „faul“ zu Sand (mit Kalk!) verwitternden Sandsteinen; 
häufig sind fingerdicke astförmig verzweigte Bohrgänge,: welche mit 
meist andersgeartetem Gestein ausgefüllt sind. 

Im Vergleich zu. Peißenberg ist zu betonen, daß abgesehen vom 
Unterschied in der Mächtigkeit Fossilführung in den Hangend- 
sandsteinen im allgemeinen sehr gering ist; jedoch zuweilen können 
einzelne Tonmergelbänke mit marinen oder brackischen Fossilien da- 


168 Dr. Georg Gillitzer. [20] 


zwischen geschaltet, bzw. unmittelbar im Hangenden der Sandsteine 
vorkommen, so nördlich Rottenbuch am linken Ammerufer unmittelbar 
am Wasserspiegel. 

Südliches Vorkommen (Bohrung P. VIIa an der Kreuzung 
des Schlichtenbaches mit der Straße Böbing—Schöffau): 2 m mächtige 
Sandsteine mit nicht selten: T’hracia sp. Psammobia und Cardium sp. 
vertreten im Süd die Hangendsandsteine. 

Die typische Ausbildung der Hangendsandsteine mit Verwitterung 
in Sand kann als gut brauchbare Leitschicht in unserem Gebiete gelten 
(Unterlauf des Schichtenbach, Eyachmühle, Ammer). 


2. Darunterliegende Schichten: Niveau der Cyrenenschichten. 


Im nördlichen Vorkommen sind die Cyrenenschichten an der 
Eyach von der Ausbildungsart von Peißenberg kaum verschieden. 

Gegenüber dem Peißenberger Vorkommen ist hervorzuheben, daß 
die Mächtigkeit an der Eyach nur mehr zirka 200 m beträgt und 
daß sich bunte Lagen in die Cyrenenschichten bisweilen einschalten. 

Bezüglich der Kohlenführung an der Eyach sei auf oben ver- 
wiesen. 

Gegen Süden zu werden die Mergelschichten der Eyach durch 
Sandsteine. verdrängt, die nur geringe Einschaltungen von Ton- 
oder Mergelbänken besitzen; auch greifen, wohl von Süd her 
bunte Tonschiefer in die Serie fugenartig herein. Die 
ganze Schichtfolge besitzt etwa eine Mächtigkeit von 200 —240 m. Die 
Sandsteine zeigten in den liegenden Partien dunkle Farbe infolge von 
kohligen Beimengen, welche wohl von abradierten Kohlenflözen 
stammte, sowie dicht nebeneinander gelagerte Kohlenschnürchen in 
wirt „fuidaler“ Struktur und auch häufige Einschlüsse von Tonlinsen 
und nestartige Anhäufungen von gröberem Quarzsand, so daß das 
Gestein im Schliffe ein „großbrekziöses“ Aussehen besitzt. 

In diesen dunklen liegenden Sandsteinen fanden sich an Fossilien: 
kleine Nerita-Arten mit feiner künstlicher Schalenzeichnung, Cerithium 
margaritaceum, Cerithium plicatum, Fusus sp. Psammobia sp. Gervillia 
sp. und zahlreiche Gastropodenindividuen kleinerer Art. 

Gemäß dem marinen Charakter dieses Schichtprofils, 
das eine Bohrung an der Kreuzung des Schlichtenbachs mit der 
Schöffauer Straße aufschloß, trat Kohlenbildung sehr zurück und wur- 
den im Südflügel der östlichen Mulde nur mehr schwache Ausklänge 
von den nördlichen Eyachflözen verspürt. 

Die Aufnahme weiter westlich bei Rottenbuch an der Ammer 
und im: Talbach. ergab: 

Im Nordgebiete bei Pischlach finden sich Kohlenflöze von 
zirka 20—30 cm Kohle; ob daneben noch stärkere Flöze vorliegen, 
darüber kann mangels guter Aufschlüsse nichts ausgesagt werden. 
Petrographische Beschaffenheit und Fossilführung gleichten jener von 
Peißenberg, bunte Einlagerungen kommen vor. Die Mächtigkeit be- 
trägt zirka 220—250 m. 

Im:Südgebiet an der Ammer kann nicht so sehr mariner 
Umschlag der Oyrenenschichten als vielmehr Ueberhandnehmen 


[21] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 169 


von bunten, unproduktiven Einlagerungen konstatiert werden; 
immerhin findet sich im Mühleckgraben im Muldensüdflügel 
noch bemerkenswerte Kohlen- und Stinksteinbildung, welche 
noch eine stärkere Vormacht der brackischen Einflüsse daselbst als 
im Südflügel der Eyachgegend bezeugt. Die Mächtigkeit der Cyrenen- 
schichten mit den bunten Lagen ist im ganzen genommen etwas ge- 
ringer als im Nordflügel etwa 200 m. 

Ein wichtiges paläontologisches Vorkommen bilden die Lagen mit 
Ostrea cyathula, welche durchgehends in den Ammeraufschlüssen so- 
wie im Talbach in der liegendsten Partie der Cyrenenschichten kon- 
statiert werden konnten. Diese Fossilien häufen sich hier zu enormen 
Mengen in einer Bank an und können als Leitschicht für die 
tiefsten Cyrenenschichten des Rottenbucher Gebiets gelten. 

Die Cyrenenschichten westlich Rottenbuch sind mit einer 
einzigen Ausnahme an der Illach nördlich Stahltannen überhaupt nicht 
aufgeschlossen. 

Nach dem Bericht Gümbels müssen sie wohl noch kohlen- 
führend sein. (3 Flöze bis 50 cm am Nordhang des Illbergs), doch 
betont Gümbel Vorwalten von sandiger Schichtbeschaffenheit, was 
wohl auf marine Einflüsse und Faziesumänderung deutet. 

Der tektonische Bau dieses Westgebietes bedingt übrigens ein 
rasches HeraushebendesUyrenenschichten-Muldenkernes, 
so daß am Lech nur mehr liegende bunte Molasse vorhanden sein 
dürfte; die hochgehobenen Cyrenenschichten sind hier bereits der 
Abrasion zum Opfer gefallen. 

Somit ist als abschließendes Urteil nach unserer Untersuchung 
hervorzuheben, daß die Cyrenenschichten der Rottenbucher-Böbinger 
Gegend ein Kohlenvorkommen von größerer wirtschaft- 
licher Bedeutung nicht in sich schließen; lediglich die 
nördlichste Cyrenenschichtenscholle in der Östgegend 
(Eyach) und von hier vielleicht bis Rottenbuch (Talbach) 
reichend, birgt zirka 2 bis 3 Flöze mit 30—45cm Kohlen- 
mächtigkeit. Diese Scholle, welche in sich in einer ziemlich 
schmalen, nicht sehr tief greifenden Muldung mit ganz unter- 
drücktem Südflügel besteht, ist durch eine Ueberschiebungsverwerfung 
von der südlich anstoßenden, breiten und tiefausgreifenden Rotten- 
bucher-Böbinger Hauptmulde getrennt. 

Die Hauptmulde dürfte nach den Bohrergebnissen im ganzen 
streichenden, sowie im querschlägigen Verlauf keine bauwürdigen 
(d. h. über 30 cm starken) Flöze in sich begreifen. Das Verschwinden der 
brackischen Cyrenenschichten am Lech und westlich hiervon mußte aus 
unserer näheren Untersuchung vor allem auf tektonische Einflüsse 
zurückgeführt werden, wiewohl primärsedimentäre Verschiedenheit in 
der Faziesausbildung mit überhandnehmender Vertretung von bunten 
terrestrischen Schichten an Stelle der brackischen im Westen zweifellos 
auch mitspielte. 


4. Obere bunte Molasse. 


Ein Gegenstück zur früher betrachteten „unteren bunten 
Molasse“ bildet die „obere bunte“, die im Hangenden der Cyrenen- 
Jahrbuch d. k. k, geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (G. Gillitzer.) 22 


170 Dr. Georg Gillitzer. [22] 


schichten ansetzt; beide „bunten“ besitzen eine weitgehende litholo- 
gische Ähnlichkeit, so daß eine sichere Unterscheidung bei- 
der oft recht schwierig ist und vielfach Anlaß zu ganz konträren 
stratigraphischen Behauptungen und tektonischen Schlußfolge- 
rungen gab. | 

Petrogr.: Den Hauptanteil am Baumaterial der oberen bunten 
Molasse liefern: 

Tonige Mergel, Schiefertone und Tonschiefer; als 
vornehmlichstes Charakteristikum der oberen bunten 
Molasse gegenüber der anderen möchte ich den überwiegenden 
Tongehalt hervorheben. Die Tonschichten sind bisweilen gut geschichtet, 
manchmal aber auch klotzig entwickelt mit beliebiger Klüftung, so daß 
das Schichtfallen auf weitere Erstreckungen hin undeutlich wird. 
Diese klotzigen Tone fühlen sich oft spezifisch schwer und fett an, 
brechen in klüftigen, hakigen Flächen, verwittern erdig-grusig und 
nehmen, wenn sie mit Wasser zusammenkommen, häufig breiflüssigen 
Zustand an, um so von den Hängen gegen die Bachrinnsale sich zu 
bewegen. Neben dem charakteristischen Tongehalt ist der „oberen 
bunten“ die Farbtonung typisch eigen: Fleckung und Flam- 
mung von lebhaft gelb und grün (dunkles Blaugrün) sind hier 
hauptsächlich hervortretend; violettrote oder dunkelrotweinfarbige 
Fleckung kommt hier zuweilen vor, jedoch — und dies ist hier wieder 
typisch! — nur in einer oder einigen wenigen Zwischen- 
bänken; zum Unterschied der unteren „roten bunten*® 
Molasse sei betont, daB dort sich die Rotflammung über größere 
Schichtkomplexe durchgehend erstreckt und den vorherrschenden 
Farbton bildet; auch glaube ich, daß der Rotton in der oberen 
bunten nicht so intensiv und lebhaft hervortritt als in der unteren; 
dazu ist auch sicher, daß Rotfleckung in der oberen Molasse sehr 
selten ist. Sehr zurücktretend gegen die Tonschichten sind hier 
Sandsteine und Konglomerate. 

Die in der „unteren bunten“ behandelten „Staubsand- 
steine* fehlen hier nahezu ganz, eine Eigenschaft, die hin- 
wiederum als typisch für die „obere bunte“ zu verzeichnen ist. 


Die Sandsteine sind hier fast immer körnig, in den liegenden 
Schichten manchmal etwas härter und widerstandsfähiger, gewöhnlich 
aber mürb verwitternd!) und zu dunkelgrauem, morschem 
Sand zerfallend; ziegelrote Tüpfchen (verwitterte Feldspate) treten 
häufig auf. Die Sandsteine nehmen manchmal gröberes Korn an, ent- 
halten vereinzelt Gerölleinschlüsse, die dann und wann 
schwarmartig in linsenförmiger Anhäufung Konglomerate 
bilden; im Gegensatz zu den Konglomeraten der unteren bunten 
Molasse glaube ich einen Unterschied in der Grundmasse der Kon- 
glomerate zu fühlen; die Konglomerate der oberen bunten Molasse 
besitzen mehr weißliche (allenfalls noch gelbliche) Grundmasse, 
die Hauptbestandteile sind hier mehr reine, weiße Quarzkörnchen, 


!) Ich möchte die Verwitterungsumwandlung als „Fäule“ bezeichnen (vgl. 
hierzu auch Dr. O. Reis, Beobachtungen über Schichtenfolge und Gesteins- 
ausbildungen in der fränkischen Trias. Geog. J. K. 1909, pag. 74, Anm. 


[23] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 171 


die nicht so vollkommen rund gerollt sind und durch kalzitisches 
Caement verfestigt werden; das Aussehen der Konglomerate der 
oberen bunten Molasse ist auch dementsprechend etwas frischer; 
bei den Konglomeraten der unteren bunten ist die Grundmasse mehr 
grau und dunkel. Bezüglich der Rollstücke kann vielleicht der feine 
Unterschied gemacht werden, daß die Gerölle derobere n Konglomerate 
nicht so vollkommen gerundet sind wie die der unteren, so dab 
hieraus der Schluß zu ziehen ist, daß diese Gesteinsmaterialien nicht 
so weit transportiert wurden wie die der unteren bunten. 
Helixtone: Bereits in der unteren bunten Molasse schalteten 
sich dunkle Tonschichten in verschiedenen Abständen beliebig ein, 
die „Helixtone“ benannt wurden; eben diese Helixtone von dunkel- 
grüner bis schwärzlicher Farbe und bisweilen beträchtlichem Kohlen- 
gehalt nehmen in der oberen bunten Molasse stark überhand, sie treten 
auch hier in verschiedenen Abständen zwischen den gelbgefleckten 
Tonmergeln auf und bilden hier einen ganz beträchtlichen Bestand- 
teil am Aufbau der „oberen bunten“. Bei genauerer Beobachtung wird 
man gewahr, daß diese grünen, grusigen Tone Helices in massenhafter 
Zahl und üppiger Ausbildung beherbergen; paläontologisch neu 
tritt in manchen Tonschichten eine größere Gastropodenart 
mit sehr mächtig entwickeltem äußerstem Umgang und großer Mündung 
hierzu, Paludina cfr. pachystoma; in ähnlichen, mehr grauen Ton- 
lagen fanden sich auch verkohlte Baumstämme mit sehr deut- 
lich sichtbaren Jahresringen, Blätterreste und selten auch Süß- 
wasserkonchylien, anscheinend Anodonta oder Unionenarten in großen 
Formen und gut erhaltener Perlmutterschicht. welche leider beim 
Herausnehmen aus dem Gesteinsverbande äußerst leicht zerbrach !). 
Ein weiteres Charakteristikum für die obere bunte Molasse 
bildet eine Beobachtung, die sich meines Erachtens auch als paläon- 
tologisches Vorkommen deuten läßt: es sind anscheinend Konkre- 
tionen?) von sehr hartem Kalkmergelgestein, welche namentlich bei 
Abwitterung der Tone als oberster Besatz von kleinen „Erdpyramiden“ 
oder als sonst umherliegende Kalkstückchen sich bemerkbar machen; 
einige Ahnlichkeit besitzen diese Kalksteinchen mit „Flinzkonkre- 
tionen“, wie denn auch das grüngelbe Tongestein der „oberen bunten“ 
ziemliche Ähnlichkeit mit Flinz hat. Eine Stelle ergab den Schlüssel 
zu ihrer genetischen Deutung: inmitten der Rottenbucher Mulde bei 
Rottenbuch südlich der Ammerbrücke am rechten Ufer fand sich in 
günstigem Aufschlusse ein Querschnitt durch die bunten Tonbänke, 
welcher röhrenförmige, zylindrische Gänge ausgefüllt mit harter Kalk- 
mergelgesteinsmasse zeigte; die Röhren standen senkrecht zur 
Schichtungsebene, indem sie die Tonbänke nach abwärts durchbohrten 
und ließen sich in längeren Stücken schön herausnehmen; die Ober- 
fläche dieser fingerdicken Röhren ist wulstig entwickelt, diese Er- 
scheinung ist wohl als Ausfüllung von Bohrgängen zu deuten und 
möglicherweise dem von Reis (Geogn. Jahreshefte 1910, „Muschelkalk 


!) Solches Vorkommen mit Flelices, großen Konchylienformen und Blätter- 
resten fand ich auch im oberen „Kohlgraben“ der Peißenberger Mulde. 
?) Siehe Stuchliks Dissertat. Pag. 43 unten. 
22* 


172 Dr. Georg Gillitzer. [24] 


von Unterfranken“) als „Spongeliomorphaartige“ Gebilde beschriebenen 
Vorkommen zuzuzählen; eine Tiefbohrung an der Eyachmühle ließ 
solche Bohrgänge in fossilleeren dunkelgrünen Tonschiefer mit fester 
Sandsteinausfüllung und eingeschwemmten Fossilschalen zutage fördern, 
mehrfache Dichotomie dieser Gebilde konnte an den Bohrkernen 
deutlich wahrgenommen werden. 

Kohlenführung: Bezüglich der Kohlenführung der oberen 
bunten Molasse ist einesteils auf die „Helixtone“* zu verweisen, 
die kohlehaltig sind, so daß oft nahezu unreine Kohlenflöze in 
diesen Helixtonschichten erstehen; sonst sind in unserem Gebiete 
im Bereiche der „oberen bunten“ nur Kohlenschmitzen beobachtet 
worden, die ihre Entstehung eingeschwemmten Holzstämmen verdanken. 

In der Peißenberger oberen bunten Molasse verzeichnet dagegen 
die Literatur das „Kohlgrabenflöz“ und das Unterbauflöz. 

Horizontierung: Eine Unterteilung der oberen bunten ist 
als praktisch wertlos zuverwerfen. Koehne versucht in der 
Peißenberger Gegend (im Kohlgraben) eine Gliederung in der oberen 
bunten Molasse mittels drei Helixschichten durchzuführen. Bei ge- 
nauer Betrachtung ist jedoch auch diese Untergliederung hinfällig, da 
sich sowohl in unserem als auch im Kohlgrabengebiet von 
Peißenberg an ganz beliebigen Stellen beliebig viele 
Helixschichten beobachten lassen. 

Mächtigkeit: Nahezu 500 m. 

Vorkommen: Innerste Kernausfüllung der Rottenbucher Mulde 
(analog wie in der Peißenberger Mulde), aufgeschlossen hauptsächlich 
durch die Ammertalung bei Rottenbuch (nördlich und südlich der 
Brücke). 


Zusammenstellung der Mächtigkeiten der Rottenbucher Molasse. 


Meter 
Obere ‚bunte’Molasse- .e .12.. „u 008 
Oyrenenschiehten ., = 2 Nospee . 
Untere. bunte { a). graue -. 20°. „2... . 810600 
Molasse | b) zote‘ „7.0 N > Nee 5007-75 

Konglomeratzone | . 7... me. „gene 
Untere Kohlenschichten . . . . ... .. 10-25 
Untere marine Molasse (Sandsteinzone und 

Tonmolasse).. | 2% 2e ........350—400 


Gesamtmächtigkeit . . 2240—2685 
abgerundet . . 2300-2700 


II. Tektonik. 


Das Eindringen in die Tektonik vorliegenden Gebietes ist durch 
die herrschenden Verhältnisse recht erschwert; einmal sind die Auf- 
schlüsse spärlich, weiter ist die Unterscheidung altersverschiedener 
Horizonte, wie der oberen von der unteren bunten Molasse nicht leicht, 
endlich sind selbst große Störungen, auch wenn sie direkt aufgeschlossen 


[25] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 173 


sind, nicht sonderlich gekennzeichnet, vielmehr scheint normale sedi- 
mentäre Konkordanz vorzuliegen, wo vielleicht gerade hierbei Ver- 
werfungen ersten Ranges durchschneiden. 


I. Allgemeine tektonische Lagerung. 


Im fundamentalen Bau besteht unser Gelände in einer erheb- 
lich weit von Ost nach West streichenden Mulde; die 
Dimension in der Streichrichtung beträgt etwa 20 km, beginnt im Osten 
etwas westlich vom Gut „Grasleiten“ und endet erst gegen den Lech 
zu; die querschlägige Dimension der Mulde beträgt zirka 5—8 km 
(von Süd nach Nord gemessen). 


Sowohl die östliche als auch die westliche Begrenzung der Mulde 
wird durch Hochsteigen des Muldentiefsten bedingt. 


Im Osten bei Grasleiten greift eine ganz allmähliche Her- 
aushebung der Muldentiefe bei immer mehr und mehr ver- 
flächendem bis horizontalwerdendem NordflügelPlatz, 
deren Schichten dementsprechend aus der Ostweststreichrichtung nahe- 
zu bis zu kreisföürmigem Umlauf umstreichen, bei Grasleiten ist an 
Stelle der Mulde die Hebung soweit gediehen, daß ähnlich wie zwischen 
Hausham und Penzberg bei Tölz das liegende Gebirge der unteren 
bunten Molasse in streichender Sattelbildung auftaucht. 


In der Westgegend gegen den Lech zu findet eine Her- 
aushebung der Mulde nicht wie im Osten allmählich, sondern in 
Jäher und gewaltsamer Weise statt. Intensiver Gebirgsdruck 
preßte hier die Schichten stark zusammen von zirka 8 km auf zirka 3 kim 
Muldenbreite; Nord- und Südflügel wurden hierbei steil, ja teilweise 
überkippt gestellt, die liegenderen Schichtglieder emporgehoben und 
die hangenderen Partien, wie zum Beispiel obere bunte Molasse und 
Cyrenenschichten sozusagen ausgequetscht. 

Das Schichtfallen ist im Nordflügel bei Rottenbuch zirka 
45°, im Osten an der Eyach 10—20° bis horizontal, im Westen am 
Lech 60—70° nach Süd; im Südflügel herrscht Nordfallen vor: am 
Lech zirka 70—80°, bei Steingaden 65° am Illberg 45°, an der Ammer 
bei Echelsbach 35—40° am Kirnberg (Kropfleite, Nordhang der Ach) 
40—45°, bei Schöffau 65° (Spindler), nördlich von Uffing bei 'Taferts- 
hofen (Achaufschlüsse) 80—90° bis überkippt. 


Interessant dürfte an dieser Stelle eine Vergleichziehung unserer 
Böbinger-Rottenbucher Mulde mit den tektonischen Formen der östlichen 
Mulden von Hausham und Penzberg (Weithofer, Jahrb. d. k. k. 
geol. R.-A. 1902) sein. 


Hausham besitzt im Osten einen überkippten Südflügel, der 
gegen Westen zu sich allmählich auf den Kopf stellt und dann noch 
weiter westlich normal nordwärts fällt, Penzberg zeigt hierzu die 
spiegelbildliche Erscheinung einer im Westen überkippten und gegen 
Osten zu allmählich in Nordfallen umbiegenden Südflügels; die Rotten- 
bucher Mulde zeigt im Prinzip denselben Bau wie die Penzberger 
Mulde, beide sind ja auch als organische, von Ost nach West streichende 
Fortsetzung aufzufassen. Zwischen genannten drei Mulden kommt je- 


174 Dr. Georg Gillitzer. [26] 


weils in streichenden Sattelwellungen das liegende Gebirge der Cyrenen- 
schichten zutage (an Isar bei Tölz, an Ach bei Grasleiten). 

Wenn wir hier von einer im Streichen begrenzten Mulde reden, 
muß eine an sich nicht ohne weiteres zu erwartende Erscheinung hervor- 
gehoben werden: nur die Gebirgsglieder der oberen bunten, der Cyrenen- 
schichten, sowie der unmittelbar darunter liegenden bunten Molasse 
nehmen an vorgenanntem Sattelbau teil, die unteren Schichten 
der unteren bunten Molasse, der Konglomeratzone und der ma- 
rinen Sandsteinmolasse streichen unentwegt in gleicher Ost- 
Westriehtung und wenig verändertem Fallen weiter, ohne die 
streichendeAuf- undAbwärtsbewegungderMuldenachsen 
ınitzumachen (Ausnahme hiervon der Weilberg am Kochelsee in der 
Murnauer Mulde), so daß die östliche und westliche Begrenzung nur 
für die Muldenkernschichten gilt, während die liegenden Mulden- 
schichten ohne Störung sowohl westlich als auch östlich fortstreichen ). 


Was die Stellung der Rottenbucher Mulde im Gesamtsystem der 
präalpinen bayrischen Molasse anbelangt, so ist sie die zweite ge- 
waltige Faltenwelle und l’egt zwischen der Peißenberger Mulde (im 
Nord angrenzend) einerseits und der Murnauer Mulde (im Süd an- 
grenzend) anderseits. Sämtliche drei Mulden sind gegeneinander durch 
große streichende Störungen abgetrennt. 


Im Verhältnis zur Molasse der Ostgegend von Penzberg gilt: 
Die Rottenbucher Mulde ist die streichende Fortsetzung der südlichsten 
Penzberger Mulde, während die eigentliche Peißenberger Mulde, wo 
zurzeit der Bergbau umgeht, mit der nördlichsten Penzberger, das 
ist der Nonnenwald- oder Promberger Mulde korrespondiert; die intensiv 
gestörte Ammertalscholle Ramsau-Schendrichwörth hat wohl als Ana- 
logon der Langsee-Mulde zu gelten, welche auch in Penzberg starke 
Pressung erfahren hat und wenig weit in ostwestlicher Richtung fort- 
streicht. 


2. Spezielle tektonische Betrachtung. 


Die beste Veranschaulichung des speziellen tektonischen Baues 
gibt die Betrachtung einiger markanter Querprofile, aus denen sich 
der gesamte Verlauf der Mulde im Streichen konstruieren läßt. 


a) Ammerprofil Echelsbaeh—Rottenbuch— Ramsau. 
Tafel VI, Profil Nr. 1. 


Die Ammeraufschlüsse bilden sozusagen das Rückgrat der geo- 
logischen Erkundung unserer Gegend. 

Direkt unterhalb Rottenbuch (östlich „Ammermühle‘“) zeigt ein 
schöner Aufschluß am rechten (östlichen) Ammerufer dasallmähliche 


!) Ob diese „streichenden Sattelbildungen“ in unterer bunter Molasse nicht 
besser ihre genetische Erklärung in von Süd nach Nord vorgreifenden 
bunten Molassestreifen, welche die Bildung von brackischen Cyrenen- 
schichten überhaupt bereits beiderprimären Ablagerung lokalunter- 
brachen, das heißt die Cyrenenschichten substituierten (Analogie mit 
Schuttdeltas?) finden können, muß einstweilen noch unentschieden bleiben. 


[27) Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 175 


Umbiegen des Nordflügels inhorizontaler Lagerung und 
von hier den Umschwung in den Muldensüdflügel. 

Bei Konstruktion der großen Rottenbucher Mulde stellen sich 
jedoch bei den korrespondierenden Gegenflügeln Unstimmigkeiten ein. 

Die Cyrenenschichten des Nordflügels erscheinen nahezu doppelt 
so mächtig, als die des Südflügels. Da eine solch plötzliche Abnahme 
der Cyrenenschichten nicht wahrscheinlich erschien, wurde eine Ver- 
werfung im Nordflügel angenommen, welche mit zirka 50° oder 60° gegen 
Süden fallend eine Verdopplung des Cyrenenschichtenkomplexes durch 
Überschiebung zum Gefolge hat; diese UÜberschiebung wurde in zwei 
Tiefbohrungen zirka 5 km weiter östlich als tatsächlich vorliegend 
nachgewiesen. 

Die nördliche (überschobene) Scholle fällt nahezu gleich stark 
nach Süd, so daß scheinbar volle Konkordanz vorliegt, die nördliche 
Scholle besteht auch nicht in einer vollständigen Separatmulde, da deren 
zu denkender Südflügel durch die Verwerfung vollständig unterdrückt 
ist, sondern es liegt lediglich eine Doppellage des Rottenbucher 
Muldennordflügels vor. 

Der Südflügel, der gleich nach Ummuldung der Muldenmitte mit 
50—60° nordwärts fällt, nimmt weiter südlich 70—75° Nordfallen an, 
um sich dann weiter südlich in den liegenden Schichten im allgemeinen 
zu 45—40° Nordfallen zu verflächen. Hierin offenbart sich eine ge- 
waltige Sattelflexur des Südflügels zur südlich anstoßenden 
Murnauer Mulde, welche freilich nicht tatsächlich und ungestört 
zustande kommt, sondern durch eine streichende Störung zer- 
schnitten wird. 

Der Nordflügel der Rottenbucher Mulde im Ammertal fällt etwa 
mit 45—60° südwärts und verschiedene Schichtstörungen, etwa beim 
Schnalzberg, deuten auf kleinere UÜberschiebungs- und einen bedeu- 
tenderen Senksprung (siehe Tafel VI, Profil Nr. 1) hin. 

Mit vorliegender Darstellung ist zugleich Stellung zum Stuch- 
likschen Profil genommen. Stuchlik fühlte wohl auch die Un- 
stimmigkeit in der verschiedenen Mächtigkeit der Cyrenenschichten 
in Nord und Süd und löst diese durch seine bekannten zwei über- 
kippten Spezialmulden, deren nördliche durch Kombination unserer 
Cyrenenschichtendoppellage geschaffen wurde; die Spezialsüdmulde 
wurde aus den Cyrenenschichten unseres normalen Südflügels, der 
allerdings bunte Einlagerungen aufweist, aufgebaut. Zwischen den 
beiden Spezialmulden läßt Stuchlik gerade bei Rottenbuch das 
liegende Gebirge, die untere bunte Molasse, sich auf den Kopf stellen 
und in gigantischer und durch einen streichenden Sprung gestörter 
Doppelluftantiklinale zutage treten. Dieser Hypothese gegenüber sei 
noch besonders hervorgehoben, daß, abgesehen von den vorzüglichen 
Aufschlüssen an der rechten Ammerseite, mit der gewaltigen Schichtum- 
muldung und abgesehen davon, daß in der fraglichen „Luftantiklinal- 
gegend“ durchweg, auch in den Kirnbergnordbächen — wo allerdings 
Aufschlüsse sehr selten sind — nur obere bunte Molasse mit der 
Tendenz der Verflächung und Ummuldung angetroffen wurden, 
an der Stelle, wo der Schlichtenbach die Straße Böbing—Schöffau 
kreuzt, eine Tiefbohrung niedergebracht wurde, welche die Durch- 


176 Dr. Georg Gillitzer. ; [28] 


bohrung des Cyrenenschichtenprofils zum Zweck hatte. Diese Bohrung 
hat die Cyrenenschichten mit einer Mächtigkeit von 240 m und 
darunter liegende untere bunte Molasse bei konstant bleibendem 
Schichtfallen von (10—) 20° südwärts durchsunken, so daß die 
einheitliche Muldenbildung der Rottenbucher—Böbin- 
ger Molasse unumstößliche Tatsache ist. 


b) Eyachgegend und Achprofil. 
Tafel VI, Profil Nr. 2, 


Von der Ammer finden sich bis „Eyachmühle* (Entfernung 
5 km) im Nordflügel keine Aufschlüsse. Erst hier treten in der Eyach 
Sandsteine, welche mehrere Stufen im Flußbett bilden, auf. Es sind 
dies die Sandsteine der Hangend-Cyrenenpartie, das Aquivalent der 
Promberger Schichten. Die Schichten zeigen abweichendes Streichen, 
nämlich nicht normales Ostweststreichen, sondern biegen mit nord- 
60-westlichem Streichen und 15—20° Südfallen um, entsprechend der 
Heraushebung der Cyrenenschichtenmulde. Diese Sandsteine sind im 
Bette des Seebaches bemerkbar und weiter im Hangenden am 
Schlichtenbach südlich der Schöffauer Straße ist ein Sandsteinaufschluß 
mit eingestreuten Konglomeratlinsen, welcher sich als zur oberen 
bunten Molasse dokumentierte, wobei das Streichen N60 W und das 
Fallen söhlig bis 10° südwärts war. 


Hier also oder etwas südlich von hier (südlicher Punkt 718 auf 
Karte 1:25.000) muß die Umbiegung der großen Böbinger Mulde 
stattfinden. Genauer kann die Muldenmitte trotz der spärlichen Auf- 
schlüsse fixiert werden durch einen Aufschluß (ob. b. M. flach 
südfallend) zirka 450 m südlich „Eidemann* im Hehlenbach 
(südlich Arsbaldhof, Aufschluß genau 200 m südlich Punkt 799), ander- 
seits ist der Muldensüdflügel gegeben durch die Cyrenenschichten- 
aufschlüsse in den Bächen südlich von „Sprengelsbach“, wo Cerithien 
marg., Ostrea cyathula nicht selten auftreten. Das Schichtfallen ist hier 
bei ostwestlichem (genauer: N80—86 Ost) Streichen im allgemeinen 
70 bis 85° nordwärts, doch wurden stellenweise Störungserscheinungen 
wahrgenommen, welche teils Kleinfältelung, teils überkipptes Schicht- 
fallen bewirkten. Nach den genannten Aufschlüssen und mit Hilfe der 
Ammeraufschlüsse ist der ostwestliche Verlauf der Muldenachse 
mit großer Sicherheit zu fixieren: Ammermühle (an der Ammer)— 
Richtung des Ruhgrabenlaufes— Vorder- und Hinter-Kirnberg (Punkt 830) 
— Punkt 770 (etwa 350 m nördlich von Gut „Sprengelsbach“). Weiter 
östlich von Sprengelsbach ist an Stelle der sich mehr und mehr nach 
Osten verflächenden Mulde horizontale Schichtlagerung, beziehungs- 
weise Sattelbildung in unterer bunter Molasse zu denken. 

Der Südflügel verhält sich bei einem Streichen von N85 Ost 
und Fallen von 55—80 nordwärts gleich wie im Westen. In 
den liegenden Schichten ist zu beobachten, daß das Fallen jeweils 
im Süden flacher wird und in der unteren marinen Molasse an 
der Ach („Bannholz*) nur mehr 40° nach Nord ist (analog wie an der 
Ammer). 


[29] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. %77 


Die Überschiebungsstörung im Muldennordflügel. 


Die Überschiebung im Nordflügel ist in der Eyach in keiner 
Weise aufgeschlossen, so daß vielmehr anfänglich in den Aufschlüssen 
der „Eyachmühlsandsteine“ und der Cyrenenschichten des Eyachknies 
(bei Einmündung des Vogelbaches) eine konkordante Cyrenenschichten- 
folge erblickt werden mußte. Erst die Tiefbohrung bei Eyachmühle, 
welche ab Rasen 102 m zirka 12—20° südfallende Cyrenenschichten 
und dann eine südfallende Störung durchsank, auf welche immer 
steiler fallende (bis 65° bunte Molasse folgte und eine Bohrung beim 
Vogelbach (in der Nähe von Punkt 687), welche die zirka 500 m 
nördlich an der Eyach aufgeschlossenen Kohlenflöze von 30 cm und 
45 cm Kohlenmächtigkeitbei ungestörterLagerung unbedingt 
hätte durchteufen müssen, erwiesen deutlich, daß eine Über- 
schiebungsstörung die Cyrenenschichten des Eyachknies denen der von 
Eyachmühle trenne und auch in den Eyachknieaufschlüssen lediglich 
eine VerdopplungdesMuldennordflügels, wie an der Ammer 
vorliege. Die südlichere, überschiebende Cyrenenschichtenpartie ist 
die von Eyachmühle, die nördlichere überschobene Scholle sind die 
Aufschlüsse des Eyachknies. 

Der Verlauf der Störung ist ungefähr: Ammer zirka 100 m 
nördlich Wimpes—Faistenau-Fyachlauf in Richtung N7TOW — dann 
die Eyach nördlich „Grambacher Wald“ nach Süden überschreitend 
— „Auf der Wurz* (zirka 300 m südlich Punkt 681) — weiter öst- 
lich nicht mehr verfolgbar. 


ec) Achprofil. 
Tafel VII, Profil Nr. 3. 


Uberraschend ist die Veränderung im Profil, das uns weiter im 
Osten die Ach nunmehr aufschließt. Südlich, südöstlich und östlich 
von den Gütern „Rechetsberg“ und „Kirnberg“ ist in spärlichen Auf- 
schlüssen untere bunte Molasse zu beobachten, und zwar in 
söhliger oder nahezu söhliger Lagerung, wobei bei ganz ein- 
gehenden Meßversuchen wohl die Tendenz einer „Kuppengewölbe- 
tektonik“ in Augenschein tritt. So konnte in den westlicheren Auf- 
schlüssen, d. ji. genau südlich „Kirnberg—Rechetsberg“* ein reines 
Westfallen von 5°, 10°, 15° festgestellt werden. Etwa 500 m südlich 
der Einmündung des Kohlbaches in den Tiefenbach ist deutlich ein 
ostweststreichender Sattel in unterer bunter Molasse vorliegend 
(etwa bei Punkt 617, Tiefenbach durchstreichend). Geht man von hier 
wieder etwas südlich, so beginnt in den unteren Molasseschichten all- 
mählich Südfallen bei Ostweststreichen, bei Grasleiten 20° dann süd- 
licher 30, 35, 40. Bei Heimgarten liegt bereits 60—65° Südfallen vor. 

Diese Südgegend, das heißt die Gegend von „Grasleiten* süd- 
wärts bis gegen Uffing, bildet in Fortsetzung der breiteren Westmulde 
von Rottenbuch eine schmälere tektonische Mulde; der Süd- 
flügel in unteren marinen Tonschichten und der Sandstein- 
molasse sowie Konglomeratzone ist die organische Fort- 
setzung des Südflügels der westlichen Rottenbucher-Böbinger 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (G. Gillitzer.) 23 


178 Dr. Bee Gillitzer. j [30] 


Mulde, der Nordflügel wird hier lediglich von den gehobenen 
Schichten der unteren bunten Molasse gebildet. 

Es ist wahrscheinlich, daß noch der Kern dieser südlichen 
Achmulde aus den liegendsten Cyrenenschichten besteht, jedoch 
gute Aufschlüsse hierfür fehlen; Anlaß zu dieser Vermutung gibt ein 
Kohlenvorkommen zirka 200 m südlich „Heimgarten“ (westlicher 
Achhang), welches folgendes Profil zeigte: 


Hangendes . . Sandsteinpartie 
Kohle 14a 0, asiakbiem 
Liegendes . . Sandige Letten (morsches Aussehen) 


Fossilien finden sich daselbst nicht vor, doch läßt neben dem 
für Cyrenenschichten sprechenden petrographischen Habitus ein 
weiter westlich erschürftes sicher bestimmbares Oyrenenschichten- 
vorkommen die Diagnose auf Cyrenenschichten zu. Diese letztere für 
die Deutung des tektonischen Baus unserer Gegend sehr wichtige 
Vorkommen ist etwa 1000 m südlich Gut Grasleiten (nördlich P. 637) 
an der östlichen Uferseite des Tiefenbaches. (Das Vorkommen 
ist wegen starker Überdeckung nur bei ganz eingehender schrittweiser 
Begehung zu finden!) Ich ließ an letzterem Orte etwas schürfen und 
konstatierte in den cerithienreichen Tonmergeln und 
Stinkkalkvorkommen ÖOst-Weststreichen und 38—45° Südfallen. 
Dieses Vorkommen ist der einzige Aufschluß in Cyrenenschichten, der 
sich von der Eyach ab gegen Osten zu vorfindet; das Vorkommen 
liegt mit dem Kohlenvorkommen bei Heimgarten an der Ach in 
ostwestlicher Streichrichtung, so daß sich folgern läßt, daß beide 
Vorkommen organisch zusammenhängen. 

Es läßt sich hiernach wohl die Ausbißlinie der Schichten- 
grenze zwischen Cyrenenschichten und unterer bunter Molasse von der 
Eyach nach Osten zu folgenderweise konstruieren: nördlich Kühgraben- 
einmündung zirka 350 m, östlich „Grasleiten* zirka 700 m, am Tiefen- 
bach nördlich P. 637, an der Ach zirka 200 m südlich Heimgarten. 
Die analoge Ausbißlinie im Südflügel an der Ach ist nicht weit oder 
unmittelbar südlich des Kohlenvorkommens von Heimgarten zu 
denken, da zirka 600 m nördlich von Tafertshofen der Mulden- 
südflügel in unterer — und zwar „roter“ — bunter Molasse er- 
schlossen ist. 

Nach Betrachtung der Ach-Südmulde kehren wir zur 
Sattelgegend von Grasleiten zurück. Das Sattelgelände beginnt im 
Süden etwa P. 617 (Tiefenbach) und erstreckt sich in querschlägiger 
(nordsüdlicher) Richtung zirka 1000 m bis zur Einmündung des 
Tiefenbach in die Ach. In diesem Profil sind mehrfache schwache 
Auf- und Abwellungen bemerkbar, auch tritt bisweilen selbst in den 
Aufschlüssen in der Ach die Tendenz des Westfallens (Kuppengewölbe) 
hervor; bei der Tiefenbacheinmündung neigen sich die annähernd 
horizontalen Schichten zu Nordfallen, unvermittelt treten jedoch 
im Unterlauf des Höllgrabens konstant 45—45° südfallende 
untere Molasseschichten auf, welche mit dem „Grasleitensattel“ 
kaum in ungestörtem Verbande gedeutet werden können, so daß bei der 
Tiefenbachmündung wohl ein streichender (O—W) UÜberschiebungs- 


[31] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 179 


sprung”vorliegt. Die Schichten nördlich dieses Sprunges, welche als 
Fortsetzung des Mulden-Nordflügels der Rottenbucher Mulde zu gelten 
haben, verhalten sich tektonisch und petrographisch wie die des Westens. 
Es erübrigt sich nun die Betrachtung der Muldenprofile im West- 
gebiet am Leche. 


d) Lechprofil. 
Tafel VII, Profil Nr. 4. 


In den Ammeraufschlüssen zeigte der Muldennordflügel bereits 
die Bestrebung aus der Ost-Weststreichrichtung in N 75—70 Ost um- 
zubiegen. Westlich Rottenbuch greift dann allgemein im Nordflügel 
ein Streichen von N 65—60 Ost Platz stellenweise wie im „Steingraben* 
(an der Straße Schongau—Lauterbach—Steingaden bei P. 759,9) 
wurde eine Streichrichtung von N 55 bis 50 Ost gemessen. Das Fallen 
ist unmittelbar an der Verwerfung gegen die Peißenberger Mulde 
zu, wo Sattelschleppungen auftreten, 10—20° südwärts und wird 
gegen die Muldenmitte zu 40—60°. DerSüdflügel der Rottenbucher 
Mulde streicht mit großer Gleichmäßigkeit von den Ammeraufschlüssen 
gegen Steingaden und Lechbruck, ohne daß hierbei irgend- 
welche besondere Erscheinungen zu beobachten sind. Däs Ab- 
schwenken des Nordflügels in südwestlicher Streichrichtung 
bedeutet gleich eine Heraushebung des Muldentiefsten der Rottenbucher 
Mulde, so daß am Lech statt der querschlägigen Muldenbreite von 
zirka 8km an der Ammer nur mehr zirka 3km zu konstatieren ist; 
im Profil am Lech ist hiernach kein Platz für Cyrenenschichten mehr — 
mit Ausnahme von allenfalls den allerliegendsten, die aber nicht ge- 
funden werden konnten —, sondern besteht durchweg in unteren 
bunten Molassenschichten. 


Die in den Bohrungen an der Eyach nachgewiesene und in der 
Ammer zu bemerkende Überschiebungsstörung im Nordflügel 
der Rottenbucher Mulde läßt sich westlich von Rottenbuch nirgendwo 
mehr nachweisen; die Konstellation der Aufschlüsse bei Boschach 
in unterer bunter Molasse (zirka 1000 m nördlich Boschach 
55° südfallender Nordflügel) und in Cyrenenschichten (zirka 
2000 m westlich Boschach oder 750 m genau nördlich von Staltannen 
in der Illach 80—85° nordfallender Südflügel) läßt folgern, daß diese 
Tektonik, welche die Doppellagerung des Nordflügels zum Gefolge 
hatte hier im Westen keine Rolle mehr spielt. 

Endlich das Lechprofil selbst istnur aus bunten Schichten 
aufgebaut und deshalb der tektonische Bau daselbst nur schwer zu deuten. 

Das Streichen des Südflügels in den Schichten der unteren 
marinen Ton- und Sandstein-Molasse biegt westlich Steingaden aus 
der Ost-West-Richtung in N 70 Ost; die liegenden Schichten des 
Südflügels fallen mit 60—65 nordwärts, die hangenderen stehen 
bei Streichen N 62 Ost auf dem Kopf, der Nordflügel (bei „Bruch“, 
„Schwefelfilz“) fällt steil südwärts, die Muldenmitte dürfte wohl bei 
P. 724 vorliegen (etwa 600 m südlich „Bruch“); die Umbiegung geht 
Jäh und plötzlich vor sich. 

23* 


180 Dr. Georg Gillitzer. [52] 


Im Nordflügel scheint eine Tektonik (Absenkung des südlichen 
Teiles?) etwa 100 m nördlich „Bruch“ den Lech zu queren (analog 
südlich Ammerknie bei Ramsau), da hier plötzlich untere bunte 
Molasseschichten ein Fallen von 30° gegen Süden annehmen; zirka 
300 m südlich P. 736 findet sich Sattelbildungin unterer bunter 
Molasse; da unmittelbar nördlich hiervon bunte Tonschichten, welche 
wohl der oberen Molasse zuzurechnen sind, auf den Kopf gestellt 
anstehen und da die wohl analogen Sattelbildungen im östlicheren 
Gelände von Ramsau (südlich Peiting) am Nordhang des Schnait- 
berges beobachtet wurden, zudem noch die Weiterkonstruktion der 
Streichrichtungen (N 60 Ost) dieser Sattelbildungen des Schnaitberges 
und der Sattelschichten nördlich Bruch am Lech (N 60 bis 65 
Ost) den unmittelbar zusammengehörigen, organischen 
Verband beider Vorkommen darstellt, so ist wohl mit 
Sicherheit die Nordbegrenzung der Rottenbucher Mulde 
und damit die Südbegrenzung der Peißenberger Mulde nach 
etwa 300 m südlich P. 736 oder 500 m nördlich von „Bruch“ am 
Lech zu verlegen. 


e) Randtektonik. 
Im Süden der Rottenbucher Mulde. 


Die Schichten des Muldensüdflügels nehmen gegen Süden zu 
immer flacheres Fallen an, von 60-—-70° bis auf 40 — 35°. Diese 
Erscheinung der Schichtverflächung gegen Süden zu konnte im Osten 
(Sprengelsbach - Geigersau - Kropfleite), an der Ammer (bei Echels- 
bach) und ist Westen bei Steingaden gemacht werden und deutet auf 
eine generelle Sattelflexur des Südflügels der Rottenbucher 
Mulde hinüber zur südlichen Murnauer Mulde hin. Diese Sattelbildung 
liegt aber nicht ungestört vor, vielmehr schneidet hier eine Störung 
von großer Stärke und weiter Ausdehnung ein; dieselbe setzt unent- 
wegt im ganzen Verlauf des von uns betrachteten Geländes (30 km) 
von Ost nach West durch und läßt sich durch Profilzeichnung sicher 
nachweisen, da beispielsweise in dem Aufschluß der Ammertalung bei 
Echelsbach dem zirka 40° nordfallenden Sattelnordflügel von unteren 
buntenMolasse-,Konglomerat-, marinenSandstein-undTon- 
molasseschichten der korrespondierende Südflügel in den ent- 
sprechenden Schichten abgeschnitten ist und an Stelle des 
idealen Sattelsüdflügels lediglich jüngere untere bunte Molasse- 
schichten auf den Kopf gestellt („rote bunte“) auftreten. Zwischen 
beiden Schichtschollen sind in den Tonmolasseschichten sehr inter- 
essante Störungserscheinungen wahrnehmbar, deren Analyse auch die 
Mechanik der Südrandtektonik erklärt: es sind eine Reihe von Über- 
fältelungen (Aufschluß am östlichen Ammerufer nördlich der Brücke 
direkt am Wasser zu beobachten, jedoch vom westlichen Ufer, aus!) 
mit flachem, normalem Fallen gegen Nord und steilen Uber- 
kippungen gegen Nord vorhanden; der Kontakt zwischen grauer 
Tonmolasse und den unteren „roten“ bunten Molasseschichten wurde 
am westlichen Ammerufer sehr deutlich als ein mit zirka 35 — 45° 
nordfallender beobachtet (möglicherweise jetzt wieder überdeckt!). 


I 


[33] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 181 


Aus diesen speziellen Beobachtungen geht hervor, daß die 
ältesten Molasseschichten des Rottenbucher Südflügels (Tonmolasse, 
marine Sandsteine) mit flach nordgeneigter Fläche auf jün- 
gere Schichten, das ist untere bunte („rote“) Molasse der 
Murnauer Mulde geschoben sind; der Sinn dieser tektonischen 
Dislozierungen auf Grund der Schleppungserscheinungen und die 
stratigraphische Diagnose der fraglichen Schichtglieder stützen und 
bestätigen sich hierbei gegenseitig aufs beste. 


Die gleiche Tektonik trifft zu im Osten (Kropfleite, Knollgraben, 
Ach) und im Westen (Steingaden), so daß die Ueberschiebungs- 
tektonik der Rottenbucher auf die Murnauer Mulde, das ist von Nord 
nach Süd für den ganzen Bereich des kartierten Gebietes zu ver- 
allgemeinern ist. 


Im Norden der Rottenbucher Mulde. 


Das Wahrzeichen der Tektonik zwischen der Rottenbucher und 
der nördlich angrenzenden Peißenberger Mulde ist Ueberschiebung 
der älteren Molasseschollen der Rottenbucher Mulde 
aufdie der Peißenberger Mulde, also eine Ueber- 
schiebungvonSüdgegen Nord, und zwar in einer mit 60° 
südwärts geneigten Fläche (die Südrandtektonik, welche vor- 
dem behandelt wurde, verhält sich zur nördlichen also spiegel- 
bildlich). 


Entsprechend der Intensität der Störung — sie bringt die 
unterste marine Sandsteinmolasse mit Cyrenenschichten in Kontakt, 
besitzt also eine Sprunghöhe von 1500—2000 m! — ist am Nord- 


rand unserer Rottenbucher Mulde eine Störungszone vorliegend, 
welche sowohl zwei nebeneinanderziehende Sattelbildungen im Nord- 
saum der Rottenbucher als auch ein Schollengebiet in Cyrenen- 
schichten und oberer bunten Molasse mit Sattelbildung und emporge- 
schleppten Cyrenenschichtenkeilen in sich begreift. Weiterab von der 
Störungszone gegen Norden zu dürften wohl Parallelstörungen die 
Peißenberger Mulde noch durchsetzen, welche für den Bergbau- 
betrieb und für die Wirtschaftlichkeit der Peißenber- 
ser Mulde möglicherweise einen erheblichen Einfluß 
ausüben. 


Hier soll speziell von der Tektonik die Rede sein, die auf 
die Rottenbucher Mulde Bezug hat. 

Markant mit zirka 60° südfallend schneidet die Trennungsfläche 
zwischen Rottenbucher und Peißenberger Mulde durch: nördlich hier- 
von sind die jüngeren Schichten der Peißenberger, südlich die ältesten 
Molasseschichten der Rottenbucher Mulde. Der genaue Verlauf dieser 
Störung erster Ordnung ist zu präzisieren: „Wieser“ — „Steinle“ 
(westlich der Eyach) — Ammerbrücke, von hier etwas südlich ab- 
biegend zum Nordabfall der rechten Ammerleite, an deren Rand sie 
weiterzieht nach P. 661 (nördlich Lugenauer See) und von hier ent- 
lang den Steilabsturz des Schnalzberges. und zwar ziemlich genau sich 
etwas nördlich des Fußweges haltend, der von P. 788 zum Ammer- 
knie P. 648 führt. 


182 . Dr. Georg Gillitzer.  - #1 [34] 


Das südliche Fallen läßt sich aus den Kartierungsergebnissen 
im Ammereinschnitt unmittelbar westlich „Schnalz“ zu 60 Ko: 20% 
konstruieren. 

Westlich der Ammer biegt die Störung etwa mit der Än- 
derung der Streichrichtung der Schichten nach Südwest ab nach 
P. 816 (Nordhang des Schnaitberges) weiter nach P. 757. Von P. 757 
fehlen nunmehr jegliche Aufschlüsse zirka 8 km bis zum Lech, wo 
unsere mächtige Trennungsspalte ungefähr 500 m nördlich „Bruch“ 
zu denken ist. 

Der Aufbau der nördlichsten Randschollen der 
Rottenbucher Mulde besteht durchweg in Sattelbildungen, 
welche sich mehrorts nachweisen lassen. 

Im Osten in der Eyach ist ein Sattel in unterer bunter 
Molasse mit flach südfallender „Platte“ und auf Kopf stehender 
„Rechten“ direkt unter St. Nikolaus aufgeschlossen.. 

Dieser Sattel zieht sich unter „Buchen“ nach West, ist aufge- 
schlossen im Graben zwischen Buchen und „Reitner“ und findet 
weiter westlich seine Fortsetzung unmittelbar südlich des bekannten 
„Krebsbachlsattelzugs“* und in der rechten Ammerleite vom 
„Bruckerhof* bis zum „Schnalzberg“ ; diese Ammerleite stellt in der 
Hauptsache den Sattelsüdflügel bei einem Fallen von 5° bis 45—50° 
darf, der Nordflügel ist hier nicht mehr zur Ausbildung gelangt, 
da nach Auftreten einer geringmerklichen Sattelschleppung plötzlich 
die jüngeren COyrenenschichten der Peißenberger Mulde abstoßen. 

Der Krebsbachlsattel, von dem in der Literatur vielfach 
die Rede war, zieht nördlich neben eben genanntem Sattelzug und 
ist bereits fühlbar bei „Lechner“, schön aufgeschlossen beim Zu- 
sammenflußB der beiden Krebsbachl-Arme (siehe Photographie in 
Stuehliks Dissertation) genau in der westöstlichen Verlängerung 
der Sattelachse von Krebsbachl aus tritt am Steilhang der rechten 
Ammerleite, zirka 400 m südlich Gut „Schendrichwörth“ die 
unzweifelhafte Fortsetzung des Krebsbachlsattels auf, hier mit den 
noch weiter liegenden Schichten. der Konglomeratzone, das ist mit den 
unteren marinen Sandsteinschichten (Echelsbacher Niveau). 
Der Krebsbachlzug findet hier an der Ammerleite sein Ende, indem 
die Hauptüberschiebungsspalte zwischen Rottenbucher und 
Peißenberger Mulde den Sattelzug schräg abschneidet. 

An dieser Stelle muß die Kartierung'Stuchliks, soweit 
sie unser Gebiet berührt, einer näheren Kritik unterzogen werden. 
Zweifellos ist es Stuchliks Verdienst, die Ueberschiebungs- 
tektonik“ der Ammertalung erkannt zu haben, Jedoch die be- 
hauptete Kombination des Krebsbachlzuges mit dem Cyrenenschichten- 
sattel am Ammerknie bei Schnalz („untere Opeenensphiehien‘.) ist 
mit Sicherheit unzutreffend. 

Sogenannte untere Cyrenenschichten sind in N 
westlichen Molassegebiet, im Areal der Peißenberger und 
Rottenbucher—Echelsbacher Gegend infolge fazieller Verände 
rung der Schichtausbildung gegen Westen zu, nicht: vor- 
handen; .das verschiedene Alter der Ammerknieschichten, welche 
zweifellos ganz normale Peißenberger Cyrenenschichten sind („Büh# 


[35] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 183 


lachschichten®) und das der Krebsbachlschichten, welche dem Echels- 
bacher Niveau angehören, kann auf Grund stratigraphischer Feststellung 
ganz sicher erkannt und unterschieden werden. Hätte hier Stuchlik 
recht, so läge hiernach bei „Schnalz“ eine „Ueberschiebung“ vor von 
relativ jüngeren Schichten. (Schnalzberg-Molasse) auf ältere (!) 
Schichten („untere Cyrenenschichten“ beim Ammerknie), m. a. W. 
gerade die Bedingung der Ueberschiebung, daß relativ ältere 
auf jüngeren Schichten auflagerten, wäre hiernach nicht erfüllt. 

Weiterhin bedürfen die ostwestlichen Kombinationen von tek- 
tonischen Gebilden mancher Verbesserungen. Die etwa 10 km weit 
gezeichnete Konglomeratbank von St. Nikolaus-Lugenau-See kann in 
der Natur keineswegs so genau verfolgt werden, eine Identität 
von Konglomeratvorkommen beim Lugenau-See mit dem Vorkommen 
bei St. Nikolaus besteht wohl nicht. Speziell zu dem Zwecke, 
die nur in Bachrinnsalen aufgeschlossenen Schichten miteinander 
jichtig zu kombinieren, wurden zahllose und genaueste Kompaß- 
messungen vorgenommen, welche zu dem Ergebnis führten, daß der 
Sattel von St. Nikolaus etwa mit N 80 W nach West streicht und 
mit dem Sattel, welcher südlich neben dem Krebsbachl- 
sattel zieht, identisch ist; weiter westlich setzt sich derselbe 
Sattel in der rechten Ammerleite (Schnalz) fort. Die Stuchliksche 
Karte gibt wohl das Sattelstreichen von St. Nikolaus bis Buchen 
richtig an, westlich Buchen erfolgt eine Biegung des Streichens nach 
Süden, welche nicht zutreffend ist. 

Des weiteren muß auch der letzten Abhandlung Bärtlings 
gedacht werden. (Lit. 17.) 

Bärtlings Analogisierung der Peißenberger mit der Penzberger 
Geologie schafft entsprechend der Nonnenwald-Langsee-, Penz- 
berger-, Mulde in Peißenberg die Folge: Peißenberger- eine 
unbekannte, die Rottenbucher Mulde. Die mittlere (das 
Analogon der Langsee-) Mulde würde die oben behandelte Nord- 
randzone unseres Gebietes einnehmen und würde sich nach Bärt- 
ling nicht ohne unerhebliche Bedeutung für eine bergmännische Aus- 
beute gegen Süd verbreiten. Wie jedoch in vorstehenden bereits un- 
zweifelhaft entschieden wurde, kann an fraglicher Lokalität 
von einer Muldenbildung in oberer bunter Molasse mit dar- 
unterliegenden CGyrenenschichten keine Rede sein, da 
unsere Kartierung, wie auch .vordem die Stuchliks gerade hier 
zwei nebeneinander ziehende Sättel nachwies, die 
noch dazu ausschließlich mit den ältesten Schichtgliedern der 
unteren Molasse gebaut sind, das ist der unteren marinen 
Sandsteinmolasse, der Konglomeratzone und unteren 
bunten Molasse. (Die Widerlegung der Identifizierung des Krebs- 
bachlflözes und des Kohlgrabenflözes sowie den Nachweis der Halt- 
losigkeit der „Helixbänke als Leitschichten 1) siehe unter: Seite [24] 172.) 


Hiermit soll unsere. Untersuchung. ihr. Ende finden. 


!) Siehe Koehne, Lit. 14. \ 


184 Dr. Georg Gillitzer. | [36] 


C. Schluß. 
Entstehung der Molasse und Verhältnis zur alpinen Geologie. 


Es ist noch von Interesse, hieran anschließend einiges über Ent- 
stehung der Molasseschichten und deren Verhältnis zur alpinen Geulogie 
hervorzuheben. 

Die Möglichkeit der Ablagerung der subalpinen Molasse 
mußte zur Vorbedingung ganz beträchtliche orogenetische V or- 
gänge der südlichen Alpenmassen zur Vorbedingung haben; diese 
mochten wohl in dem Vorrücken der rhätischen (Rothpletz 1905) 
beziehungsweise ostalpinen Decken (Steinmann, Geolog. Beob. 
i. d. Alpen, Ber. natur. Ges. 1895 — 99, Freiburg, siehe auch Suess, Antl. 
d. Erde III, 1910) bestehen, welche nach Rothpletz in der Zeit vom 
unteren über das mittlere bis ins obere ÖOligocän statthatte. 
Durch die Schichtenbewegung, welche die alpine Stratosphäre emporhob, 
ward der südliche Uferbord, das Molassebecken und das Nähr- 
gebiet für die Molassesedimente gegeben. 


Ganz unwillkürlich drängt sich sogleich die Frage nach der 
nördlichen Uferbegrenzung des Molassebeckens auf. Der Glaube 
an das hypothetische vindelizische Urgebirge von Gümbel ist im 
Laufe der Zeiten, namentlich in unserer Periode der Deckenhypothe- 
tiker stark verblaßt und möchte wohl der Anhänger dieser Gümbel- 
schen Hypothese als zurückgeblieben erscheinen. 


Doch muß zur Oberoligocänzeit irgendeine Nordküste des 
Molasse-Beckens bestanden haben, und die ganz ungeheuren 
Ton- und Quarzdetritmassen der bunten Molassen und der 
Cyrenenschichten (namentlich der Promberger Sandsteine), lassen einen 
gewissen Schluß auf die Petrographie der oberoligocänen Randländer zu. 


Die Cyrenenschichten wie auch deren marine Hangendschichten 
nehmen von Peißenberg ab gegen Süden allmählich an Mächtigkeit 
ab, um noch im Bereiche der Rottenbucher Mulde, hier im ideellen, 
abradierten Südflügel auszukeilen!). Anzeichen der Küsten- 
nähe, wie grobe Gerölle, zeigten die marinen Hangendsand- 
steinein den südlichsten Aufschlüssen (Tiefbohrung am Schlichtenbach) 
trotz ihrer Reduzierung auf nur wenige Meter nicht. Daher dürfte 
wohl die Ansicht Berechtigung haben, daß die Herkunft der Detritus- 
massen für die Promberger Sandsteine und die mit diesen 
engst verknüpften Cyrenenschichten sowie auch der oberen 
bunten Molasse von Nord oder Nordosten her stammt. 

Der Rückschluß aus dem vorherrschend tonigenundsandigen 
Baumaterial dieser Sedimente läßt eine Urgebirgsrandung im Norden 
des Molassebeckens sehr wahrscheinlich erscheinen. Bestärkt wird 
diese Vermutung durch die unbedingte Forderung des nämlichen 
Urgebirgsrückens als Südbegrenzung des schwäbischen 


!) In der Murnauer Mulde finden sich Cyrenenschichten nicht mehr, wenig- 
stens nicht in der Westgegend; in der Ostgegend, am Weilberg (bei Habach) 
liegen noch Cyrenenschichten mit schwachen Koblenflözen vor. 


[37] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 185 


Juragrebirges, das im „Donausprung“ etwa in der Symmetriemitte 
in die Tiefe gesenkt wurde. 

Die Ortlichkeit der ehemaligen Südbrandung des schwäbischen 
Jurabeckens ist wohl annähernd zu konstruieren aus einem Analogie- 
profil, das etwa dem West-Ostprofil durch den fränkischen Jura 
zur bayrisch-böhmischen Masse nachzubilden wäre. (Literatur 
über das vindelizische Urgebirge: 


Gümbel, Bayrisches Alpengebirge 1861. 

Reis, Geogn. J.-H. 1894/95, weiter: 

Imkeller: Die Kreide- und Eocänbildungen am Stallauer Eck 
und Enzenauer Kopf. Progr. Jahresb. städt. Handelsschule München, 
1895/96. 

Bärtling: Geogn. J.-H. 1903.) 


Nachdem wir im vorstehenden eine Vorstellung über die Beschaffen- 
heit des Molassebeckens gewonnen, können wir uns bei der Erklärung 
der Entstehung der Molasseschichten den Schilderungen Gümbels 
(1861, pag. 869 ft.) und der folgenden Autoren anschließen; hiernach 
ist die Tatsache der ältesten Molassesedimentation als einer marinen 
Bildung bekannt; die alternierende Aufeinanderfolge von feinen Ton- 
schichten und körnigen Sandsteinen (bei Altenau an der Ammer) 
deutet Schwankungen in der Intensität der Sedimentation (verschiedene 
Jahreszeiten?) oder tektonische Bodenoszillationen an. 

Die am wenigsten weit vom Abrasionsgebiete transportierten Ab- 
lagerungen der unteren bunten Molasse werden dargestellt durch ganz 
grobe Kalkkonglomerate, deren Rollstücke faust- bis kindskopfgroß 
sind, den Baustein der weiter verfrachteten, nördlicher vorkommenden 
Konglomerate bildet vornehmlich ein härteres Material wie gutgerollte 
Kieselkalke und Quarzgerölle. Die Steinmergelbänke und Tonschichten 
der unteren bunten Molasse stellen wohl lediglich eine weitere 
Aufbereitungsphase des von der Wasserflut fortbewegten gleichen 
Detritusmaterials dar, da ganz unmerkliche, zahnartig verfugte 
Übergänge von Konglomerat in genannte Schichten beobachtet 
werden konnten. Die Natur der Süßwasser- und terrestrischen 
Bildung der unteren bunten und auch der oberen Molasse, 
die schon Weithofer (1902) richtig als „Landbildungen mit 
kleinen Gewässern“ erkannte, kann nicht zweifelhaft sein, 
da die Erscheinung der Helixvorkommen gar nicht selten ist, falls 
man auf die typischen dunkelgrünen Tonschichten besonders achtet. 

Die Entstehung der Cyrenenschichten fernerhin mit den marinen 
Hangendsandsteinen und den Glassandlagen, welche nur 
im Norden bei Peißenberg zu beobachten sind und in der Rotten- 
bucher Muldenicht mehr vorkommen, wird von Norden beziehungs- 
weise Nordosten her nach Süden und Südwesten zu vorgreifend an- 
genommen. Die Entstehungsweise der kohlenführenden Cyrenen- 
schichten ist ähnlich wie die der karbonischen Kohlenschichten als eine 
litorale zu denken, in der Weise, daß die Flöze auf äußerst schwach 
gegen das Becken des „Promberger Meeres“ geneigtem Gelände er- 
standen; deshalb können auch mehrfache marine Zwischenlagen in 
den brackischen Zwischenlagen nicht überraschen, da solche lediglich 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. IIft. (G. Gillitzer.) 24 


186 Dr. Georg Gillitzer. [38] 


von stattgehabten Bodenoszillationen an der Meeresküste oder im 
Meeresbecken zeugen. 

Die lokale Entstehung der Cyrenenschichten, welche sich nur 
auf die Litoralzone beschränkt, kann selbstredend diese als zeit- 
äquivalent mit korrespondierenden Schichten der bunten Molasse, 
etwa in der Murnauer Mulde, erscheinen lassen, da wahrscheinlich 
zur gleichen Zeit als die Cyrenenschichten im Norden sedimentiert 
wurden, im Südgebiete bunte Schichten zur Ablagerung kamen; jedoch 
muß hier betont werden, daß Gesetze, nach denen man die primäre 
Breite des Cyrenenschichten-Litoralstreifens genau bestimmen und 
so mit Sicherheit auf die Kohlenführung eines noch gar nicht er- 
schlossenen Gebietes im voraus schließen könnte, nicht existieren, 
oder bekannt sind, sondern solche „Vorhersagungen“ lediglich hypo- 
thetische Vermutungen sind. 

Im Verhältnis zur alpinen Geologie ist zu bemerken, daß 
die Autochthonität der Molassesedimentation bisher selbst von den 
radikalsten Deckenhypothetikern nicht in Frage gestellt wurde. 

Der Kontakt der Molasse zur helvetisch-lepontinischen 
Vorzone (Oberjura-Eocän) besteht in wohl sicher erwiesenem 
seigerem Sprung, der in Ausnahmefällen stellenweise südliches, dann 
auch nördliches Fallen aufweist. Dessen seigerer Charakter dürfte 
sich jedoch wohl in dem ungeheuer weit sich erstreckenden Verlauf 
über Berg und Tal in gerader Linie erweisen; es sind zwar Über- 
schiebungen von Eocän und Kreideschichten (westlich von Sonthofen) 
über Molasse nachgewiesen und werden vielleicht noch weitere nach- 
gewiesen werden können !), doch im großen und ganzen kann von einer 
generellen tektonischen Überlagerung der Molasse durch die Schichten 
der helvetisch-lepontinischen Zone nicht die Rede sein. 

Was das Alter und die Art der Molassetektonik an- 
langt, so fällt die Molassefaltung sowie die streichende Tektonik 
zwischen Molasse und Flysch wohl ins Obermiocän, die gehobenen 
Rücken der Molasse stellen nun ihre Detritusstoffe zum Teil auch der 
Bildung des obermiocänen Flinzes zur Verfügung, bis auch hier wieder 
der Ausgleich zwischen dem Plus der Erhebung und dem Minus des 
auszufüllenden Flinzbeckens erreicht ist. 

Eine tektonische Bewegung der Molasse ist allen Anzeichen 
nur einmal ergangen. Die Kräfte dieser Gebirgsbildung hatten ihren 
Herd im Alpengebirge; daher wurden ähnlich wie im westfälischen 
oder Aachener Kohlengebiete die dem expandierenden Gebirge zu- 
nächst gelegenen südlichen Gebietsteile besonders stark erfaßt, 
so daß hier enge Zusammenpressung und Steilstellung beziehungs- 
weise UÜberkippung der Schichten stattfand. Weiter gegen Nord bricht 
sich die faltende Kraft mehr und mehr und die Faltenwellen werden 


1) So ist eine Überschiebung des Stallauer Ecks und Enzenauer 
Kopfs über die östliche Fortsetzung der Murnauer Molassemulde, welche im 
Weilberg noch erschlossen ist, sehr wahrscheinlich; ein bedeutsames Kriterium 
für diese Tatsache scheint der Umstand, daß die Konglomeratschichten des 
Buchberg „küstenferner“ sind und die grobrölligen wenig weit transportierten 
Nagelfluhschichten in der Tiefe unter den überschiebenden Kreide- und Eozän- 
schichten obig genannter Berge liegen müssen. 


[39] Geologie des Südgebietes des Peissenberger Kohlenreviers. 187 


schwächer und die Kohlenschichten tauchen in große Tiefen unter. 
In dieser Tektonik ist auch die Art der tektonischen Deformierung 
der Molasse bedingt nämlich: mächtige, Tausende von Metern tiefe 
Synklinalfalten mit steil stehenden (teilweise überkippten) Süd- 
flügeln (analog den Aachener „Rechten*) und flach geneigten 
Nordflügeln („Platten“). Diese südnordwärts gerichtete Faltungskraft 
ist bei weitem die vorherrschende ; durch sie kamen auch die streichen- 
den Tektoniken zwischen Molasse und Flysch, zwischen Molasse 
und Miocän, als auch die Störungen in der Molasse selbst zustande, eben- 
soauch die Querstörungen, vondenen wegen ihrer geringen Ausmaße 
nicht entschieden werden kann, ob siejünger oderälter als die streichen- 
den Sprünge sind ; jedenfalls darf hierfür als ziemlich gesichert gelten, 
daß die Querstörungen sowohl im Blattverschiebungs- als auch im 
rein absenkenden Sinne bis jetzt noch nicht von großer Bedeutung 
beobachtet wurden. Daß neben der südnördlichen Faltungskraft eine 
ostwestliche Kraftkomponente tätig war, möchte fast aus den 
streichenden Sattelbildungen der Mulden sowie aus 
Rutschstreifen in diesem Sinne, welche in der Kohlengrube 
Peißenberg gelegentlich beobachtet wurden, geschlossen werden. 


In vorstehender Abhandlung wurde ein ansehnlich großes Gebiet 
der oberbayrischen Molasse neu aufgenommen und somit dürfte vielleicht 
ein weiterer Schritt in der noch nicht gefestigten Kenntnis der süd- 
bayrischen Molasse im Westgebiete gewonnen sein. 


Peißenberg, 28. Dezember 1913. 


24' 


188 Dr. Georg Gillitzer. [40] 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
Vorwort na REEL EHE HERNE Bei em: 149.7 1] 
A. Einführender Teil. 
1. ‚Topographischen 7 ARE 1. RO a REN 2 or 
2. Rückblick auf frühere geologische Forschungen . .. .... 151: [3] 
B. Hauptteil. “ 
I. Btraligraphie. 0 Sue „re a Re ER 155 [7] 
1. Untere marine AMolasse’ . .. ha... 2 28 re 155 [7] 
2, Untere Bunte Molasse’\ .”. . . man me.. 2 0 er 157 [9] 
a) Kohlenführende Zwischenschichten . . . . . 2. 22 22 2. 157 :9] 
6) Konglomerszone m Hm HT HE DEE 161 [13] 
c) Bunte Molasse im engeren Sinn’? . . ou WER 162 [14] 
3. Öyregenschichten „mr er, TEN U ANSEHEN 165 [17] 
4..Vbere "bunte Molasser®,. 2 OR mar. BIETER 169 [21] 
N. Tekgonık 0-27 he te ERSTEN 172 [24] 
1. Allgemeine tektonische Lagerung» 77. ... 2... 2 2... 173 [25] 
2. Spezielle tektonische Betrachtung „E20. 20 0.55 174 [26] 
e).ammerprohl „men nee. me. 7 2 174 [26] 
b) Kyachpronl und: Achprenl Sour. u RI 176 [28] 
6) AChpupRli u Te 2, ee > 2 ee 177 [29] 
d) eckanpnl 5 2 2, el. 2. N See 179 [81] 
e) Banutekionik” 7... u ee. ee ee Rn 180 [32] 
€. Schluß. 


Entstehung der Molasse und Verhältnis zur alpinen Geologie . . 184 [36] 


Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der 
Mineralquellen Tirols. 
(VI. Mitteilung’). 


Von Max Bamberger und Karl Krüse. 


Aus dem Laboratorium für anorganische Chemie an der k.k. Technischen Hoch- 
schule in Wien und aus dem chemischen Laboratorium der k. k. Lehrerbildungs- 
anstalt in Innsbruck. 


Mit einer Textillustration. 

Im Nachstehenden tinden sich die Resultate der im Jahre 1913 
ausgeführten Arbeiten über die Radioaktivität der Mineralquellen 
Tirols zusammengestellt. 

Zur Bestimmung der Radioaktivität dienten das Engler’sche 
Fontaktoskop ?2) sowie das Fontaktometer®?) von Mache und Meyer. 

Die in den Tabellen angegebenen Zahlen geben den für 1 Liter 
Wasser direkt ermittelten oder, da in Fällen geringere Wassermassen 
benützt wurden, den für 1 Liter umgerechneten Potentialabfall in Volt 
pro 1 Stunde unter Berücksichtigung des Normalverlustes, der indu- 
zierten Aktivität sowie der im Versuchswasser zurückgebliebenen 
Emanation an. | | 

Die Entnahmebedingungen des Wassers sind sehr verschieden 
und es treten bei der Fassung desselben oft große Schwierigkeiten 
auf. Es wurde der größte Wert darauf gelegt, die Bestimmung der 
Emanation unmittelbar an der Quelle oder in möglichster Nähe der- 
selben vorzunehmen, was auch in vielen Fällen möglich war. Zum 
Transporte von Wasserproben ließen sich mit großem Vorteile Flaschen 
mit Kautschuckverschluß verwenden. 

Die Stärke der Radioaktivität ist nach dem Vorschlage von 
Mache in elektrostatischen Einheiten angegeben. 


!) Monatshefte für Chemie, 29, 317 (1908); 31, 221 (1910); 32, 797 (1911); 
34, 403 (1913); 34, 1449 (1913). 

2) Kapazität der Elektroskope Nr. 2220 und 2211:13°9 und 134. 

°) Kapazität des Elektroskops Nr. 2733 betrug 108. 


Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1914. 64. Bd, 1. u. 2. Hft. (Bamberger u. Krüse.) 


. 


Max Bamberger und Karl Krüse. 


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09.719 


0.718 
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2:006 


1.668 
6-088 


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7.00% 
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6.67 


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Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 


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Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 193 


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Max Bamberger und Karl Krüse. 


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Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 195 


[7] 


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Druekfehlerberichtigung. 


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Es wird ersucht, vorstehenden Ausschnitt in Ko- 

lumne 6.der Tabelle auf Seite 197 in Heft 1 und 2 

dieses Jahrganges an Stelle des Wortes Diabas 
einzukleben. 


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[13] Beiträge zur Kenutnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 201 


Die aus dem Tonalite des Rieserfernerstockes entspringenden 
Quellen erwiesen sich sämtlich als inaktiv. Eine Analyse dieses Tonalits 
(Granodiorit) aus dem vorderen Raintale östlich der Tobelbrücke an 
der neuen Straße nach Rain wurde von Herrn G. Hradil durch- 
geführt. „Die großen Biotitblätter zeigen tiefbraune Töne im Pleo- 
chroismus und sind meist stark chloritisiert; an einer Stelle wurde 
ein ZirkoneinschluB im Biotit beobachtet, von dem pleochroitische 
Höfe ausgehen !).“ Es sei bemerkt, daß die zwei untersuchten Quellen 
an der neuen Straße bei km 42 und km 54 aus diesem Gesteine 
entspringen, das zur Analyse Verwendung fand. 

Im Antholzertale wurden im heurigen Sommer noch einige weitere 
Quellen aus dem Gebiete des Antholzer Granitgneises untersucht, der 
zwischen Oberrasen und Niedertal quer durch das Tal durchzieht. 
Sämtliche dieser Quellen erwiesen sich als radioaktiv, wenn auch keine 
mehr in dem Grade wie die Badequelle von Salomonsbrunn und der 
in ihrer Nähe befindliche Litzenbrunnen (Weiherbrunn), welche an der 
rechten Tallehne aus dem genannten Gesteine entspringen, während 
die anderen schwächeren Quellen auf der linken Seite des Tales liegen. 


In der Richtung talauswärts entspringen in diesem Gebiete an der 


rechten Tallehne: linken Tallehne: 
—_ Wasserleitungsquelle in 
Niedertal " . . .. . 88 ME. 
Salomonsbrunn 266 | (Mittel- EU 7:8 
Litzenbrunnen 3011 „ werte) | Kaltbrunn (gegenüber 1 R 
g . 
Litzenbrunnen) . . 115 „ 
— Quelle außerhalb des 
Kaltbrunns ... - . „10:0 m 


Die Abklingung der induzierten Aktivität des Wassers von der 
Starken Quelle Nr. 1 am Nößlachjoch (Steinach a. Br.) zeigt die um- 
stehende Figur 1. 


Herr Bergrat Dr. Fritz Ritter Kerner von Marilaun hatte 
die Güte die geologischen Verhältnisse der Umgegend des Siegreiter 
Grabens (Steinach a. Brenner) zu schildern und teilt darüber nach- 
folgendes mit: 


„Der Siegreiter Graben, in dessen Bereich eine Quelle von 
ungewöhnlich hoher Radioaktivität gefunden wurde, zählt zu den 
besser aufgeschlossenen Flankenteilen des Nößlacher Joches. Das 
untere Stück des Grabens quert jene Schichtserie, welche den östlichen 
Jochvorbau, die Nößlacher Terrasse, bildet. Es folgen dort, von der 
Sillschlucht aufwärts: Kalkphyllit mit Einlagerungen von Chlorit- und 
Ampbibolschiefer, dann Quarzit und dolomitischer Kalk. Die Wurzel- 
region des Siegreiter Grabens schneidet in jenen Gesteinskomplex 


!) G. Hradil, Der Granitzug der Rensenspitze bei Mauls in Tirol. Sitzungsb. 
d. kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, Abt. Ila, 1912. 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (Bamberger u. Krüse.) 96 


202 Max Bamberger und Karl Krüse, ’-. 7443 


ein, welcher die Hauptmasse des Nößlacher Joches aufbaut. Dieser 
Komplex besteht aus Quarzphylliten und drei in dessen Bereich 
auftretenden verschiedenen Gesteinen, deren Lagebeziehung zum 
umgebenden Phyllite schwer zu ermitteln ist. Es sind dies Glimmer- 
diabas, Eisendolomit und Quarzkonglomerat mit Einlagerungen von 
Anthraeitschiefer. 

Der von Pichler entdeckte und von Cornet genau beschriebene 
Glimmerdiabas, bezüglich dessen es schwer festzustellen ist, ob er 
die Schieferhülle nur aufgerichtet oder auch durchbrochen habe, tritt 
im oberen Teile des Siegreiter Grabens mehrorts an den Tag. Der 


Fig. 1. 


15 0 45 60 25 30 105° 10 


a Radium nach Curie. 
Starke Quelle Nr. I am Nößlacherjoch (Steinach a. Br.). 


Eisendolomit, welcher in ganz regellos verteilten grösseren und 
kleineren Partien im Phyllite liegt und den Rest eines durch Gebirgs- 
bewegungen völlig zerstückelten Schichtgliedes bilden dürfte, erscheint 
in einer grösseren Masse oberhalb der Wurzelregion des Grabens. 
Die Vorkommen von Quarzkonglomerat befinden sich dagegen 
außerhalb des hier interessierenden Gebietes. Sucht man Beziehungen 
der bei einer Quelle des Siegreiter Grabens gefundenen sehr hohen 
Aktivität zu einem der dort herrschenden Gesteine, so wird man an 
eine Beziehung zum Glimmerdiabase denken, da die besagte Quelle 
in jener Höhenzone liegt, in welcher sich die Aufschlüsse dieses Ergub- 
gesteines finden. Die neuerdings von R. Greng vorgenommene Unter- 
suchung dieses Gesteines hat das Vorhandensein von Zirkon als nahezu 


ar 


[15] Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 203 


sicher, das eines Titanminerales (Titanit) als wahrscheinlich ergeben. 
Vielleicht sind mit dem auch als akzessorischem Gemengteile erkannten 
Magnetit auch Spuren von Mangan verbunden, das gleichfalls mit dem 
Radiumgehalte in Beziehung zu bringen wäre. 

Außer Beziehungen zu einem zu Tage tretenden Gesteine können 
hier auch solche zu Bruchzonen gesucht werden. Allerdings ist die 
Frage nach solchen Zonen im vorliegenden Falle, der nicht eine Therme, 
sondern eine gewöhnliche Gebirgsquelle betrifft, mehr mit Bezug auf 
das Auftreten des Ergußgesteines als unabhängig davon zu stellen. 
Nachdem durch die neuen Forschungen im Tauerngebiete klar gezeigt 
wurde, daß die Gebirgsquellen ihren Emanationsgehalt aus den ver- 
witterten Gesteinen an der Gebirgsoberfläche aufnehmen, drängt sich 
die Frage nach Beziehungen zur Tiefe nur insoweit auf, als für diese 
Gesteine ein abyssischer Ursprung in Betracht kommt. 

Die Schichtserie, welche auf der Ostseite des Nößlacher Joches 
unterhalb des Quarzphyllites folgt, weicht von jener ab, die weiter 
westwärts, im Gschnitz-und Obernbergertale unter diesen Phyllit hinab- 
taucht. Das unterste Glied dieser Schichtfolge ist hier Kalkphyllit, dort 
Gneis und Glimmerschiefer. Quarzit ist allerdings im Stubaital an der 
Basis der Dolomite anzutreffen, auf der Südseite des Gschnitztales 
aber in diesem Niveau fehlend und sohin als Zeuge einer Überein- 
stimmung der basalen Schichtfolgen west-und ostwärts vom Nößlacher 
Joche weniger bedeutsam. Der dolomitische Kalk im Hangenden dieses 
Quarzites weicht zum Teile sehr von den Dolomiten der Tribulaun- 
gruppe ab, die im Trunergraben unter die Quarzphyllite und Quarz- 
konglomerate hinabtauchen. Es fehlt ihm die Einschaltung schwarzer 
dünnspaltiger Glanzschiefer und die Überlagerung durch Bänder- 
marmore und Glimmerkalke, welche den Dolomitmassen des Stubai- 
und Gschnitztales eigen ist. Dagegen tritt jener Kalk stellenweise 
unter Verhältnissen auf, die sehr für seine Zugehörigkeit zur Gruppe 
der Kalkphyllite sprechen. 

Diese Umstände führen zur Annahme, daß die Schichten der 
Nößlacher Terrasse nicht eine östliche Fortsetzung derjenigen sind, 
welche weiter westwärts unter die im Nößlacher Joche endigenden 
Schieferberge hinabsinken, und daß der Westrand jener Terrasse einer 
Bruchlinie entspricht, an welcher die östlichen Ausläufer der Tribulaun- 
gesteine und die ihnen aufgeschobenen Quarzphyllite abstoßen. Die 
ungewöhnlich stark aktive Quelle im Siegreiter Graben käme so in 
nächste Nähe einer großen Störungslinie zu liegen. 

In wie weit dieser Umstand unabhängig von der Nachbarschaft 
des Glimmerdiabases mit der hohen Quellenaktivität in Beziehung zu 
bringen ist, wird sich erst beurteilen lassen, wenn die weiter abseits 
von der Bruchlinie noch innerhalb der Verbreitungsgrenzen des 
Diabases liegenden Quellen in Bezug auf ihre Radioaktivität geprüft 
sein werden.“ 


Die Petrographische Untersuchung einiger Gesteine von der 
Starken Quelle Nr. I am Nößlachjoch (Steinach am Brenner) (siehe 
pag. 197 [9]) hatte Herr Dr. R. Grengg die Güte auszuführen und 
teilt darüber nachfolgendes mit: 

26* 


204 Max Bamberger und Karl Krüse. 4 [16] 


„Fine Beschreibung der Gesteine von diesen Fundpunkten existiert 
bereits von P. Cornet?!), der hier im Folgenden gegebene petro- 
graphische Befund vermag dieselbe aber in einzelnen Punkten zu 
ergänzen. 


Diabas I (Schliff Nr. 73/1913 und 2/1914). 
Im Handstück betrachtet: 


Ein graugrünes körniges Gestein; Feldspat und Biotit sind zu 
erkennen, der erstere zeigt mattgraue Farbe und an Stelle der Spalt- 
barkeit einen mehr muscheligen bis splittrigen Bruch. 


Befund im Dünnsehliff: 


Die Struktur ist diabasisch-körnig, bemerkenswert ist das Vor- 
kommen der Plagioklase in zwei Generationen, indem größere mehr 
tafelige Plagioklase neben den leistenförmigen auftreten. 

Mineralbestand: Plagioklas, Biotit, Augit, Chlorit, Erz, spärlich 
braune Hornblende. 

Die Plagioklase zeigen Zwillingslamellierung vorwiegend nach 
dem Albitgesetz, idiomorphe Begrenzung ist häufig vorhanden. Zer- 
setzungsvorgänge bestehend in erdiger Trübung der Schnitte und 
Neubildung von schwach lichtbrechenden und kräftig doppelbrechenden 
Schuppen und Aggregaten sind gewöhnlich. Die kräftig doppelbrechenden 
muskowitähnlichen oder gleichen Massen sind zumeist in den größeren 
Plagioklasdurchschnitten anzutreften und haben dort nicht selten die 
Feldspatsubstanz fast völlig ersetzt. An den trüben Stellen der Feld- 
spate finden sich auch Anhäufungen feinster stark lichtbrechender 
gelber Körnchen, wohl Epidot. Interessant ist die Tendenz der 
Plagioklase sich in albitreichere umzuwandeln, infolgedessen zeigen 
sich recht häufig stärker doppelbrechende und schwächer lichtbrechende 
Säume von recht frischer dem Albit nahestehender Feldspatsubstanz 
um die mehr basischen Kerne. (Vgl. darüber Becke, Fortschritte 
der Metamorphose ?) pag. 248). Die Umwandlung der Plagioklase ist 
im Schliff in verschiedenen Stadien zu sehen. Allen gemeinsam ist 
der äussere Albitsaum; auf diesen folgt nach innen in vielen Fällen 
eine erdige stark trübe Zone, während die zentralen Partien von 
den Schuppen der muskowitartigen Minerale durchsprenkelt sind. In 
manchen Schnitten fehlt diese innere Zone und ist an ihrer Stelle 
unter dem Albitmantel ein erdig trüber, öfters fast völlig undurch- 
sichtiger Kern. 


Kalzit als Neubildungsprodukt aus den Feldspaten und auch 
sonst als sekundäre Bildung, ist nicht gerade selten. 


Biotit bildet meist zerquetschte Flasern und Lappen. Wenn 
frisch ist er braun (Pleochroismus: dunkelrotbraun [7] hellgelbbraun [«)). 


!) Die Glimmerdiabase von Steinach a. Brenner in Tirol Jahrb. d. k. k. 
geol. R.-A., 38, 591 (1888). 


>) In Fortschritte der Mineralogie, Krystallographie, Petrographie, I. Bd. 
Jena 1911. 


[17] Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 205 


Vielfach ist die Farbe mehr grünlich geworden, auch Umwandlung 
in Chlorit ist vorhanden. 

Augit: Farblos, nach den Spaltrissen von der eindringenden 
Chloritsubstanz öfters in Körneraggregate aufgelöst (Maschenstruktur 
ähnlich den Olivin). Neben Chlorit sind auch erdig trübe Massen und 
Limonit als Zersetzungsprodukte zu nennen, 


Braune Hornblende: In einem Schnitt normal zur Prismen- 
zone war der Pleochroismus: Rotbraun (ß), sehr helles Braun («.). 

Chlorit ist als Neubildungsprodukt nach Biotit und Augit 
sehr verbreitet, seine Farbe im Schliff ist hellgelbgrün (schwacher 
Pleochroismus). Um winzige stark licht- und doppelbrechende Körnchen, 
wohl Zirkon, konnten dem sehr spärlichen Vorkommen dieses 
Minerals im Schliff entsprechend, einige pleochroitische Höfe 
im Chlorit beobachtet werden. Im Bereiche der Höfe war der Chlorit 
kräftig pleochroitisch (hellgrüän—schwarzgrün). In Gesellschaft des 
Chlorites sind epidotartige Massen, zumeist kleine stark lichtbrechende 
Körnchen und Fetzchen nicht selten. 


Erz, findet sich verhältnismäßig häufig. Es bildet opake schwarze 
Massen. Ofters sind seine Durchschnitte leistenförmig, auch wie zer- 
hackt aussehende Partien finden sich. Randlich ist zuweilen Um- 
bildung in stark licht- und doppelbrechende etwas trübe Körnerag- 
gregate (Titanit?) zu sehen. 


Apatitnädelchen fanden sich vereinzelt in den Feldspaten. 
An einer Stelle des Schliffes war ein Mineral von mittlerer Licht- 
brechung und ziemlich hoher Doppelbrechung in Flasern und Rosetten 
angereichert. Die einzelnen Fasern oder Schuppen hatten «‘ in der 
Achse ihrer Erstreckung. Dieses sicher sekundäre Produkt ist wahr- 
scheinlich Prehnit, wenn nicht ein Zeolith (etwa Thomsonit) vorliegt. 


Diabas II (Schliff Nr. 3/1914). 
Im Handstück: 


Auf frischer Bruchfläche deutlich körnig, Farbe dunkelgrau mit 
Stich ins grünliche. Im Mittel 2—3 mm große Feldspatkörner treten 
besonders an angewitterten Flächen als graue bis weiße Flecken 
deutlich hervor, wodurch der Eindruck einer mehr porphyrischen 
Struktur erweckt wird. Biotit ist in kleinen Schmitzchen und Blättchen 
zu erkennen. Von Diabas I ist vorliegende Varietät durch dünklere 
Farbe und anscheinend größere Frische unterschieden. 


Untersuchung im Dünnschliff: 


Struktur wie bei Diabas I, nämlich diabasisch-körnig. Mineral- 
bestand: Plagioklas in zwei Generationen bildet ungefähr zweidrittel des 
gesamten Gesteinsgewebes ; ferner findet sich farbloser Augit und brauner 
teilweise ausgebleichter Biotit, welcher gegen den Pyroxen etwas an 
Menge zurücktritt. Opake schwarze zumeist leistenförmige Durchschnitte 
von Erz sind vorwiegend in der Nachbarschaft des Biotits öfters auch 
mit diesem verwachsen anzutreffen. Sonst ist noch zu nennen grün- 


206 Max Bamberger und Karl Krüse. ! [18] 


licher Chlorit öfters größere Flecken einnehmend, seine Bildung 
aus Augit und Biotit ist an noch unreifen Pseudomorphosen nach 
diesen Mineralen zu ersehen. Sehr spärlich liegen in dem Chlorit 
und auch im Biotit kleine sehr stark licht- und doppelbrechende 
Körperchen, (wahrscheinlich Zirkon) sie lassen dunkel gefärbte pleo- 
chroitische Höfe rund um sie im Wirt erkennen. Apatitnadeln 
sind ab und zu anzutreffen. Die Feldspate sind vorwiegend zwillings- 
lamelliert und zwar gewöhnlich nach dem Albitgesetz, erdige Trübung 
der Durchschnitte ist selten, dagegen ist besonders in den größeren 
mehr tafeligen Schnitten, das bereits bei Diabas I besprochene 
glimmerartige Mineral inSchüppchen und Aggregaten von solchen stark 
angereichert, ja oft ist der Schnitt vollständig davon erfüllt, meist 
bis auf eine Randzone, die nach ihren optischen Eigenschaften dem 
Albit nahesteht. Diese saure Randzone ist bei den meisten Plagioklas- 
schnitten deutlich entwickelt, öfters steht damit eine granophyrische 
Struktur in Verbindung, indem der Plagioklas (Albit) der Randzonen 
durch eine äußerst feine stengelige Verwachsung mit einem niedere 
Lichtbrechung zeigenden Feldspat wohl Orthoklas verbunden ist. 
Der Kalifeldspat wäre gleichfalls als Neubildung aufzufassen. 
Epidot in Körnchen und Schnüren ist als sekundäre Bildung 
öfters in den Feldspaten zu sehen, desgleichen Kalzit, der allent- 
halben im Gesteinsgewebe zu finden ist. Spärlich kommt Quarz vor. 


Diabas III (Schliff Nr. 72/1913 und 1/1914). 


Makroskopisch betrachtet stellt diese Varietät ein dunkel- 
graugrünes undeutlich körniges stellenweise wie dicht aussehendes 
Gestein dar, in dem außer sehr kleinen dunklen Glimmerschüppchen 
kein weiterer Gemengteil mit Sicherheit erkannt werden kann. 


Untersuchungim Dünnschliff: 


Die diabasisch-körnige Struktur ist infolge starker Zersetzung 
der Feldspate unter reichlicher Bildung von muskowitartigen Schüppchen 
und Kalzit etwas verwischt. Mineralbestand: vorwiegend Plagioklas, 
ferner relativ häufig brauner Biotit und Erz. 

Der Kalknatronfeldspat erscheint in zwei Generationen 
und zwar lassen sich unterscheiden größere mehr tafelige stark zer- 
setzte (Bildung der muskowitartigen schuppigen Aggregate) und leisten- 
förmige besser erhaltene Plagioklase; erdige Trübung der Durch- 
schnitte ist nicht gerade häufig. Zwillingslamellierung ist vorwiegend 
nach dem Albitgesetz entwickelt. Die optische Bestimmung eines 
leistenförmig entwickelten Plagioklases verwies ihn unter die Labra- 
dorite. Säume von saurem Plagioklas (Albit) um die Feldspate 
waren mehrfach deutlich zu erkennen. 

Der Biotit ist verhälnismäßig wenig zersetzt; Pleochroismus: 
dunkelbraun (y) hellbraun («), Umwandlung in Chlorit kommt vor, 
sehr selten finden sich in dem Chlorit pleochroitische Höfe. 
Diese Höfe sind rings um zirkonartige Körnchen entwickelt und dunkel- 
graugrün gefärbt. 


[19] Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 207 


Gleich häufig wie der Biotit sind bei Betrachtung des Schliffes 
ohne Analysator gelbe und bräunlich trübe von Rissen (wie sie bei 
einer eingetrockneten Gallerte zu sehen sind) durchquerte Häufchen 
von zuweilen krystallographischer Begrenzung. Zwischen gekreuztem 
Nikol zeigen diese Massen Aggregatpolarisation. Es ist nicht unwahr- 
scheinlich, daß dieselben Umwandlungsprodukte nach Augit darstellen, 
von dem sonst sicher Erkennbares nichts zu finden ist. 

Unter dem Erz ließ sich Pyrit an der Farbe in wie zerhackt 
aussehenden Partien erkennen, die übrigen opaken, schwarzen teilweise 
mit Biotit verwachsenen Erze dürften wohl vorwiegend Magnetit sein. 


Gesteinsprobe IV erwies sich nach der Mikroskopischen Diag- 
nose als Epidot-Chloritschiefer. 

Im Handstück ist das Material deutlich schieferig, phyllit- 
ähnlich, die Farbe ist dunkelgraugrün, auf den Bruchflächen nach 
der Schieferung zeigt sich leichter Seidenglanz. Das Gefüge ist fein- 
körnig bis dicht. 

Im Dünnschliff (Schliff Nr. 4/1914) läßt sich Streckung der 
Mineralkomponenten der Schieferung entsprechend beobachten. Am 
Gesteinsgewebe beteiligt sich ungefähr zur Hälfte ein Plagioklas, der 
selten einfache Verzwilligung zeigt (in der Mehrzahl der Fälle über- 
haupt keine); die Durchschnitte sind sehr frisch und haben keine 
krystallographische Begrenzung. Der optische Achsenwinkel ist nahe an 
90°, optischer Charakter positiv. Die Lichtbrechung etwas stärker als 
Kanadabalsam. Es liegt somit ein Oligoklas-Albit vor. 

Epidot und grüner Chlorit, zu ungefähr gleichen Teilen bilden 
die übrige Gesteinsmasse. Der Epidot ist stark licht- und ziemlich 
kräftig doppelbrechend, seine Farbe ist lichtgelbgrün, der Pleo- 
chroismus sehr undeutlich, meist ist die Form der Durchschnitte 
länglich säulenförmig, stengelig und dann quergegliedert, auch runde 
Körner sind verbreitet. 

Der Chlorit ist in Schnitten paralell zur Spaltbarkeit bläulich- 
grün und zwischen gekreuzten Nicols fast isotrop. Schnitte normal 
dazu zeigen deutlichen Pleochroismus: lichtgelblichgrün (y‘) bläulich- 
grün (a‘); die Interferenzfarben in solchen Schnitten sind schmutzig 
gelbgrau. 

Kalzit ist auf einigen schmalen Adern angereichert. Vereinzelt 
finden sich farblose mehr rundliche von Rissen durchsetzte ziemlich 
stark lichtbrechende Körner mit sehr schwacher Doppelbrechung: 
Apatit. 


Der Epidotchloritschiefer Probe V, gleicht im wesent- 
lichen dem soeben beschriebenen, nur ist er noch feinkörniger. Der 
Feldspatgemengteil ist schichtenweise in ziemlich regelmäßiger Wechsel- 
folge angereichert. Das Gefüge dieser heller gefärbten Lägen ist zu- 
weilen deutlich körnig. 


Der Dünnschliff (Schliff Nr. 5/1914) bietet gleichfalls nichts 
Neues, nur ziemlich viel Erz ist konform der Schieferung in gestreckten 


208 Max Bamberger und Karl Krüse. j [20] 


Lappen und Flantschen eingestreut. An dem Auskeilenden der sonst 
opaken schwarzen Erzpartien und in kleineren Blättchen ist dasselbe 
mit blutroter Farbe durchscheinend bis durchsichtig und zeigt Doppel- 
brechung. 

Kalzit ist in den Adern und auch sonst im Gesteinsgewebe 
zu treffen; in den Kalzitädern ist die Feldspatkomponente gröber 
entwickelt.“ 


Herr Dr. R. Grengg zog auch die Quarzporphyre von St. 
Magdalena!) und Kühlen Brünnl bei Bozen?) in den Kreis der Unter- 
suchung?) und macht darüber nachfolgende Angaben: 


A. Quarzporphyre von St. Magdalena bei Bozen. 
I. Probe (Schliff Nr. 73/1913). 
Makroskopischer Befund: 


In der lichtrötlichbraunen dichten Grundmasse stecken zahlreiche 
graue Quarzkörner (Korngröße bis 4 mm), die nicht selten gerundete 
Dihexaederform erkennen lassen. Der Feldspat hat gleiche Farbe 
wie die Grundmasse und ist anscheinend noch recht frisch, seine 
Korngröße ist ungefähr der des Quarz gleich. 


Untersuchung im Dünnschliff: 


Quarz, Orthoklas, Plagioklas und braunschwarze schwer bis 
undurchsichtige Pseudomorphosen nach Biotit liegen in einer mehr mikro- 
felsitischen Basis. Dieselbe ist im gewöhnlichen durchfallenden Lichte 
hellrötlichbraun und zeigt stellenweise Fluidalstruktur; zwischen ge- 
kreuzten Nikols werden vereinzelt größere deutlich körnig ausgebildete 
Flecken sichtbar. 

Quarz: Wasserklare rund geschmolzene Scherben von Krystallen 
mit Korrosionserscheinungen. 

Orthoklas: Ziemlich frisch, die Durchschnitte sind reich an 
Einschlüssen, haben zumeist einen rötlichen Farbenton infolge massen- 
haften Auftretens von anscheinend desselben rötlichbraunen staub- 
feinen Pigments, das die Grundmasse färbt. Kaolinisierung stellen- 
weise verhanden; spärlich ist die Durchwachsung mit Albit. 

SaurerPlagioklas verzwillingt nach Albit und zuweilen nach 
dem Periklingesetz ist in geringer Menge vorhanden, er gehört in die 
Nähe des Oligoklas-Albit. 


!) Die Radioaktivität des Wassers aus dem 1. Bohrloche des Steinbruches 
bei St. Magdalena beträgt 23:2 M. E. (Monatshefte für Chemie 34, 1453 (1913). 

?) Die einzelnen Porphyrvarietäten sind von ihm deswegen etwas ausführ- 
licher behandelt worden (wobei einzelne Wiederholungen unvermeidbar waren) 
weil eine weitere Prüfung dieser Gesteine auf ihre Gesamtaktivität sowie auf die 
Radioaktivität der einzelnen Mineralkomponenten geplant ist, welche Untersuchung 
durch vorangegangene genaue mikroskopische Analyse sich vereinfacht sowie an 
Bedeutung gewinnt. 

Die Bozener Porphyre sind in neuerer Zeit von F. v. Wolff vor allem 
vom geologischen Gesichtspunkte aus genauer untersucht worden. N. Jahrb. f. 
Min. etc. Beil.-Bd. XXVII, pag, 72, 1903. 


[21] Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 209 


Zirkon ist gerade nicht selten zu finden, überall wo er in der 
Grundmasse liegt, zeigt derselbe einen dunkelrotbraunen Hof, bestehend 
aus Anhäufung feinster Körnchen von dieser Farbe. Es scheint diese 
Abscheidung rund um die Zirkone auf radioaktiver Wirkung der- 
selben zu beruhen !). 


II. Probe (Schliff Nr. 78/1913). 
Makroskopischer Befund: 


In rötlichgrauer Grundmasse stecken viele Einsprenglinge von 
Feldspat und Quarz, wobei der erstere überwiegt. Der Feldspat ist 
lichtrötlich gefärbt und noch recht frisch. Beim Quarz sind gerundete 
Krystallformen nicht selten zu sehen. Korngröße der Einsprenglinge 
im Maximum 5 mm. Das Gestein sieht sehr frisch aus. 


Untersuchungim Dünnschliff: 


Einsprenglinge bilden Quarz, Orthoklas, Plagioklas und brauner 
bis braungrüner Glimmer — relativ nicht selten sind Zirkonkryställchen. 
Die Grundmasse ist bei Betrachtung ohne Analysator lichtgraubraun 
und erfüllt mit dunkelrotbraunem bis schwarzem Staub. Stellenweise 
wird durch entsprechende Anreicherung dieses Pigments fluidale 
Struktur der Grundmasse sichtbar, zwischen gekreuzten Nikol ist die 
Grundmasse zumeist sehr feinkörnig aggregatpolarisierend bis fast 
isotrop (zersetzt mikrofelsitisch). 

Quarz: Wasserklare oft Korrosion zeigende abgerundete Durch- 
schnitte von Krystallen oder Scherben von solchen; arm an Ein- 
schlüssen. 

Orthoklas: Krystallographische Begrenzung der Durchschnitte 
zuweilen vorhanden (Tafelförmig). Umbildungserscheinungen sind häufig. 
Zuweilen sind die Orthoklase bis zur Hälfte ihrer Masse von lappigen 
Kalzitpartien durchwachsen, randlich und auf Sprüngen und Spaltrissen 
dringen braunrote bis graubraune staubfeine Massen ein unter denen 
zuweilen ziegelrote Schüppchen von wahrscheinlich Eisenglanz sich 
finden. Auch erdige Trübung (Kaolinisierung) fehlt nicht. Fleckung 
der Orthoklasdurchschnitte mit Albit ist nicht selten, die einzelnen 
Albitschnitte sind dann parallel zu einander orientiert. Plagioklas mit 
Zwillingslamellierung an Menge gegen den Orthoklas zurücktretend, 
gehört nach seiner Lichtbrechung unter die Oligoklase. 

Der ziemlich häufige Biotit ist zersetzt, so daß er optisch 
nicht einheitlich reagiert und auch keinen Pleochroismus zeigt. Schnitte 
normal zur Spaltbarkeit sind leistenförmig manchmal verbogen dazu 
normal getroffene Biotits sind gewöhnlich unregelmäßig gelappt, oft 
umgeben mit einem Rand opaker Körnchen, welche auch im Innern 
der Schnitte vorkommen ja dieselben teilweise auch ganz erfüllen 
können (Resorptionserscheinungen). Manchmal ist die Glimmersubstanz 
gänzlich verschwunden und ein förmliches Skelett derselben aus diesen 
schwarzen Körnchen gebildet, übrig geblieben. 


!) Ausführlicheres darüber der Verf. im Zentralbl. f. Min. etc. Jahrg. 1914. 
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd.,1 u. 2. Hft. (Bamberger u. Krüse.) 27 


210 Max Bamberger und Karl Krüse. | [22] 


Teilweise bis vollständige Umbildung des Biotit in ein farbloses 
elimmerähnliches Mineral kommt vor. Die Substanz des Biotits im 
Zersetzungszustande ist gelbbraun bis rotbraun gefärbt und stellt ein 
sehr feinkörniges Aggregat vor, in dem stellenweise bereits das farb- 
lose Glimmermineral zu erkennen ist. 

Pleochroitische Höfe um die ab und zu in dem zersetzten Biotit 
vorhandenen Zirkone fehlen auch wenn der Zirkon randlich liegt 
und sich die Grundmasse durch denselben deutlich irritiert zeigt. 
Die Einwirkung der Zirkone auf die Grundmasse ist die, daß infolge 
Eisenoxydausscheidung aus derselben die Zirkone von einem dunkel- 
rotbraunen Hof umgeben sind. Größere schwarze opake Massen (außer 
in und um die Glimmer) fehlen im Schliff, kleinere schwarze Körperchen 
sowie Anhäufung rotbrauner Partikel sind dagegen häufig. 


III. Probe (Schliff 79/1913). 
Makroskopischer Befund: 


In der hellrötlichgrauen Grundmasse dieses sehr frisch aus- 
sehenden Gesteines schweben Einsprenglinge von Quarz (zum Teil 
deutlich idiomorph) und von anscheinend frischem rötlichem Feldspat, 
dessen Körner Durchmesser bis zu 10 mm zeigen. 


Untersuchung im Dünnschliff: 


Quarz, Orthoklas, Plagioklas, unfrischer Biotit liegen in einer 
lichtbräunlichen, dünklere Schlieren enthaltenden Grundmasse. Diese 
dunklen Partien zeigen Fließungserscheinungen um die Einsprenglinge 
und verlieren sich gewöhnlich durch Übergänge in die minder fein- 
körnig struierte Schliffläche. Ab und zu sind diese Fragmente aber 
scharf abgegrenzt und erwecken den Eindruck von kleinen Trümmern 
eines Porphyrs mit dunkler äußerst feinkörniger (mikrofelsitischer) 
Grundmasse. 

Quarz überwiegt bedeutend unter den Einsprenglingen, zeigt 
Aufschmelzungserscheinungen ; staubfeine Interpositionen in den wasser- 
klaren Durchschnitten sind spärlich. 

OÖrthoklas und der spärliche saure Plagioklas (Lichtbrechung 
etwas größer als Kanadabalsam) sind reichlich von Kalzit durch- 
wachsen. Besonders im Orthoklas ist auch Kaolinisierung, Neubildung 
von epidotartigen Körnchen und rotbraune Pigmentierung zu sehen. 

Der Biotit ist stark zersetzt, erfüllt und umgeben von Kalzit. 
Optisches Verhalten und Form der Durchschnitte ähnlich wie bei 
Probe II, doch fehlen die opaken schwarzen Körner rund um die 
Biotite, die aber reich an anderen wenig durchsichtigen Zersetzungs- 
produkten sind. 

Die nicht gerade seltenen Zirkone erzeugten dort, wo sie in 
der Grundmasse liegen einen rotbraunen Hof in derselben, in 
einem Fall war Zirkon anscheinend von Rutil ringartig umschlossen. 

Das Gestein ist arm an Erz, opake sehr kleine schwarze Körn- 
chen sind spärlich, rotbraunes Pigment ist außen um die Zirkone 
auch sonst stellenweise reichlich. 


[23] Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. >11 


B. Quarzporphyre vom kühlen Brünnl bei Bozen. 
1. Probe (Schliff Nr. 74/1913). 
a) Makroskopischer Befund: 


In hellgrauer Grundmasse liegen reichlich Einsprenglinge von 
rötlichem Feldspat und von Quarz. Das Gestein ist anscheinend 
recht frisch. 


b) Mikroskopische Untersuchung: 


Die Grundmasse (ohne Analysator betrachtet) ist licht rötlich- 
braun, braunrotes staubartiges Pigment stellenweise angehäuft ist 
reichlich vorhanden. 

Zwischen gekreuzten Nicols ist die Basis dieses Porphyrs 
fleckenweise als deutlich feinkörnig zu erkennen, im übrigen ist sie 
mehr mikrofelsitisch. 

Unter den Einsprenglingen überwiegt der Quarz, seine Eigen- 
schaften sind die gleichen wie bei den schou früher besprochenen 
Porphyren. 

Orthoklas ist teilweise kaolinisiert, einzelne Durchschnitte 
sind auch von rotbraunem Staub erfüllt. Durchwachsung mit saurem 
Plagioklas kommt ab und zu vor. 

Plagioklas ist verzwillingt nach dem Albitgesetz und öfters 
von angenähert tafeliger Gestalt, Kaolinisierung ist vorhanden, des- 
gleichen Umwandlung unter Neubildung von farblosen glimmerartigen 
Schüppchen. Nach Lichtbrechung und Auslöschung zu urteilen, liegt 
Oligoklas-Albit vor. 

Biotit ist in sechsseitigen schwarzen Täfelchen auch bereits 
makroskopisch, wenn auch spärlich zu sehen. Er ist verhältnismäßig 
frisch, die Farbe ist braunrot, zumeist aber bereits in bräunlichgrün 
übergegangen; Pleochroismus dann 7 Dunkelbraungrün (im Falle als 
pleochroitische Höfe vorhanden im Bereich derselben fast Schwarz) 
o. lichtes Braungrün. Öfter sind die grünen Biotite durch Limonit 
gelbbraun überfärbt. Interpositionen von opaken schwarzen und von 
stark lichtbrechenden trüben Körnchen sind gewöhnlich. 

Zirkon in kleinen Körnchen ist vorhanden; sobald sie im noch 
nicht über das grüne Umwandlungsstadium hinaus zersetzten Biotit 
liegen, rufen sie in demselben pleochroitische Höfe hervor. Auf 
die Grundmasse reagieren die Zirkone weniger als man es bei den 
bisher beschriebenen Schliffen gewöhnt war. Einige größere Körner 
dieses Minerals lassen gar keine Einflußnahme auf dieselbe erkennen. 

Derbere opake Partien fehlen, kleinere häufig rotbraun sich 
ausfärbende Massen (wohl Erz) sind vorhanden. 


2. Probe (Schliff Nr. 75/1913). 
a) Makroskopischer Befund: 


Ähnlich Probe 1, aber weniger frisch; auf Bruchflächen häufig 
Limonitflecken, die Einsprenglinge sind etwas größer als bei dem 
früheren Material. 

27* 


312 Max Bamberger und Karl Krüse. [24] 


b) Mikroskopische Untersuchung: 


Die Grundmasse ist lichtgraubraun durch reichliches staubartiges 
Pigment vielfach dunkelbraun und schwer durchsichtig, an diesen 
Stellen ist Fluidalstruktur gut sichtbar; zwischen gekreuzten Nicol 
ist die überwiegend zersetzt mikrofelsitische Ausbildung nachweisbar. 

Quarz bietet nichts von den früheren Proben Verschiedenes. 

Orthoklas tritt an Menge gegen den Quarz etwas zurück, er 
ist teilweise kaolinisiert, Kalzit erfüllt manche Durchschnitte fast ganz. 
Manche derselben enthalten auch zahllose Schüppchen von wahr- 
scheinlich Muskovit, einzelne Orthoklase sind ganz oder fleckenweise 
stark rotbraun bestäuht. 

Plagioklas, gewöhnlich tafelig ausgebildet, gehört dem Oligo- 
klas-Albit zu, Zersetzungserscheinungen unter Bildung von glimmer- 
artigen Schüppchen und von reichlich Kalzit (der auch sonst ent- 
sprechend der Unfrische des Gesteins häufig im Schliff zu finden ist) 
sind nichts Seltenes. 

Biotit, in dünnen oft gebogenen und geknickten Tafeln ist nicht 
gerade spärlich, er ist noch ziemlich frisch; Pleochroismus: «& sehr 
helles Gelbbraun, y schmutziggrün — parallel der Spaltung gelbgrün 
bis bläulichgrün; Optisch fast einachsig —- Imterpositionen feinster 
„ Körnchen und größerer braunschwarzer Körperchen sind vorhanden. 
Zirkonkörnchen in den Biotiten sind nicht immer von einem pleo- 
chroitischen Hof (der wenn vorhanden, dunkel- bis schwarzgrün ist) 
umgeben. 

Zirkon ist relativ nicht selten, doch ist im allgemeinen ihre 
Einwirkung auf die Grundmasse gering (rotbraune Höfe wenig intensiv) 
besonders die größeren Zirkone zeigen geringe bis kleine Einwirkung 
auf ihre Umgebung. 

Kleine braunschwarze Körnchen (wohl Erz) sind in der Grund- 
masse besonders in der Umgebung der Biotite angehäuft. 


3. Probe (Schliff Nr. 80/1913 und 77/1915). 
a) Makroskopischer Befund: 


Die hier zusammengefaßten zwei wenig verschiedenen Varietäten 
sehen unfrisch aus (besonders das Material, aus dem Schliff 77/1913 
gefertigt wurde), auch ist die Festigkeit desselben eine geringe. 

Die Farbe der Gesteine ist dunkelgrau mit einem Stich ins 
violette. Einsprenglinge sind spärlicher als in den früher beschrie- 
benen Quarzporphyren; deutlich erkennbar ist Quarz und hellrötlicher 
Feldspat, eigentümlich für diese Proben sind mehr oder weniger 
rundliche bis haselnußgroße feste Porphyrbröckchen von mehr 
dunkler Farbe. 


b) Mikroskopische Untersuchung: 


Ohne Analysator besehen ist die Grundmasse grau bis hell- 
bräunlich, sie ist partienweise erfüllt mit schwarzen Körnchen und 
staubartigen Massen, die sich nicht selten verdichten und deutlich 
abgegrenzte Partien (Einschlüsse) von dunkler Farbe bilden, in denen 


[25] Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 213 


zuweilen Fluidalstruktur sichtbar ist. Auch größere Einschlüsse von 
außerordentlich feinkörnigem Gefüge und hellbräunlicher Farbe, die 
zwischen gekreuzten Nicols fast isotrop erscheinen, finden sich (be- 
sonders bei Schliff Nr. 80/1913). 

Quarz stimmt mit dem der bereits besprochenen Gesteine 
überein. 

Orthoklas ist nicht selten verzwillingt, bräunlich trübe, gewöhn- 
lich reich an Albit, der in größeren gleich orientierten Flecken die 
Kalifeldspatschnitte durchwächst. Manche Orthoklase sind von rotem 
Staub wie erfüllt — Verdrängung des Kalifeldspates durch Kalzit 
(der in diesem Gestein nichts Seltenes) ist öfters zu sehen. Saurer 
Plagioklas, Zwillingslammeliert ist nicht häufig. 

Biotit ist unfrisch, die Schnitte zeigen meist grüne Farben- 
töne glimmerähnliches Mineral (vielleicht Talk). Vollständige Umwand- 
lung desselben in ein farbloses kommt vor und greift das Neubildungs- 
produkt zuweilen zapfenförmig in den noch restlichen dunklen Glimmer 
ein. Opake schwarzbraune Massen um und in den Biotiten sind nichts - 
Seltenes, durch massenhaftes Auftreten solcher Einschlüsse werden 
die Biotite manchmal ganz undurchsichtig. Außer in größeren Leisten 
und Lappen ist der grüne Glimmer in Fetzchen und Schüppchen 
(zuweilen herrührend von aufgelösten größeren Individuen) in der 
Grundmasse zu finden. In Schliff 77 fehlt der Biotit. 

Pleochroitische Höfe um Zirkone in den grünen Glimmern 
waren nicht sicher wahrzunehmen, möglicherweise wegen zuweit vor- 
geschrittener Zersetzung des Wirtes. Um Zirkone der Grundmasse 
(Schliff Nr. 80/1913) war aber gewöhnlich der hier schon öfters er- 
wähnte rotbraune Saum zu finden. Reich an schwarzen opaken 
Körnchen und Häufungen derselben ist besonders Schliff Nr. 77/1913. 


4. Probe (Schliff Nr. 76/1913). 
a) Makroskopischer Befund: 


Ähnlich der dritten Probe, nur ist das Material von mehr heller 
Farbe. Dunkler gefärbte kleine Porphyrbröckchen (Einschlüsse) sind 
vorhanden. 


b) Mikroskopische Untersuchung: 


Ohne Analysator betrachtet, zeigt sich die Grundmasse von 
gelbbraunem Staub erfüllt, der sich stellenweise zu dunkler gefärbten 
Flecken verdichtet. Oft ziemlich scharf umgrenzte Teile des Schliffes 
haben grauschwarzes Pigment. Zwischen gekreuzten Nikols heben sich 
aus den mikrofelsitischen bis sehr feinkörnigem Grunde teils durch 
Übergänge verbunden, teils unvermittelt deutlich körnige Partien ab, 
die ihrerseits Einsprenglinge, der sonst im Gestein vorkommenden 
ee uuennenten führen und eingeschlossene Porphyrtrümmer be- 

euten. 

Quarz, Orthoklas, Plagioklas (Oligoklasalbit) und Biotit bilden 
die Einsprenglinge. Quarz hat das Aussehen wie in den übrigen 
untersuchten Proben. Die Feldspate halten dem Quarz an Menge 


214 Max Bamberger und Karl Krüse. [26] 


ungefähr das Gleichgewicht, während Orthoklas und Oligokla- 
salbit ihrerseits zu ziemlich gleichen Teilen vorhanden sind. 

Zersetzung der Feldspate unter Kalzitbildung fehlt, Kaolinisierung 
(erdige Trübung der Schnitte) ist in verschiedenen Stadien vorhanden 
und ist bei den ÖOrthoklasen gewöhnlich weiter vorgeschritten als 
beim triklinen Feldspat. Die Plagioklase sind ziemlich groß, ab und 
zu tafelig, nach Albit- und Periklingesetz verzwillingt. Ihre Licht- 
brechung > Kandabalsam, Auslöschung auf einen Schnitt L Mund P 
— t1U. 

Biotit grün, pleochroitisch (y dunkelgrün und und o hellgelbgrün), 
die Durchschnitte zeigen starke Resorptionserscheinungen und sind dem- 
entsprechend häufig von dunklen opaken Massen umgeben, ja zuweilen 
erfüllt davon; auch Chloritisierung und starke Trübung der Schnitte 
(Abscheidung erdiger Massen) kommt vor. Pleochroitische Höfe sind 
spärlich vorhanden ; auch in der Grundmasse sind Zirkone ziemlich 
rar, zeigen aber, die bei den übrigen Proben in mehr oder weniger 
intensiver Weise ausgeprägte Rotbraunfärbung der nächsten Umgebung. 

Erzpartien, braun bis schwarz undurchsichtig, randlich öfters in 
rotbraune pulvrige Masse zerfallend, sowie kleine ziegelrote Schüppchen, 
wohl von Eisenglanz, sind nicht selten.“ 


Den kommunalen Verwaltungen sowie den Besitzern und Direk- 
toren der verschiedenen Bäder und Kuranstalten danken wir verbind- 
lichst für das freundliche Entgegenkommen, das sie uns bei Aus- 
führung der vorstehenden Arbeiten angedeihen ließen. Zu besonderem 
Danke sind wir Fräulein M. Pimmer, Herrn Professor Dr. K. Meus- 
burger sowie den Herren Bergrat Dr. F. Ritter Kerner von Mari- 
laun, Dr. R. Grengg, Professor J. Andreatta und Baumeister 
F. Weber verpflichtet. 


Geologische Untersuchungen im Südflügel des 
mittelböhmischen Silur. 


Von Ernst Nowak. 
Mit 1 Tafel (Nr. VIII) und 11 Textfiguren. 


Vorwort. 


Die Anregung zu dieser Arbeit verdanke ich Prof. F. Wähner, 
der in seinen Vorlesungen und auf seinen Exkursionen immer wieder 
auf die tektonischen Probleme im mittelböhmischen Silurgebiete hinweist 
und die Anschauung vertritt, daß wie in den Alpen, so auch in diesem 
alten abgetragenen Gebirge seitlichen Bewegungsvorgängen die wesent- 
lichste Rolle zufällt, und diese sich in der Bildung von liegenden Falten 
und aus ihnen hervorgehenden Überschiebungen kundgeben. Professor 
Wähner hat mich diesbezüglich besonders auf das Gebiet der 
„Kolonien“ in der Umgebung von Treban an der Beraun, die schon 
Lipold in diesem Sinne zu erklären versucht hat, — und auf den 
Brdywald, der zugleich meine engere Heimat ist, aufmerksam gemacht. 

Was die morphologische Seite der Arbeit betrifft, so danke ich 
viele Hinweise Professor A. Grund, seinen so überaus anregenden 
Vorlesungen und Exkursionen. 

In petrographischer Hinsicht erfreute ich mich der Unterstützung 
Professor A. Pelikans. — Immer rege Anteilnahme an den Fort- 
schritten meiner Arbeit und stete Bereitwilligkeit, mir seine reichen 
Erfahrungen aus dem böhmischen Silurgebiet zur Verfügung zu stellen, 
fand ich bei Priv.-Doz. Dr. A. Liebus. 

Allen den genannten Herren erlaube ich mir an dieser Stelle 
meinen wärmsten Dank zu sagen. 

In der Darstellung war ich sowohl im Texte, wie in den Profilen 
und in der Karte bestrebt, möglichste Objektivität zu wahren. Im 
Texte suchte ich dies dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß ich 
die möglichst eingehende, objektive Beschreibung der Lagerungsver- 
hältnisse von den sich ergebenden Schlüssen zu ihrer Erklärung 
scharf trennte. In den Profilen suchte ich überall ersichtlich zu machen, 
was unmittelbar beobachtet und was theoretisch ergänzt ist. In der 
Karte, deren Aufnahme im Originalmaßstab der österr. Sektionsblätter 
1: 25.000 erfolgte. vermied ich tunlichst Schematisierungen und Generali- 
sierungen ; wo ich dennoch hierzu gezwungen war, habe ich dies im 
Texte ausdrücklich bemerkt. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (E. Nowak.) 


216 Ernst Nowak. [2] 


Im stratigraphischen Teil habe ich mich darauf beschränkt, nur 
das für die Ausbildungsweise der Schichtglieder im Aufnahmsgebiete 
charakteristische hervorzuheben; eine allgemeine Charakterisierung 
der altpaläozoischen Schichtfolge wäre wohl wegen den vielen Dar- 
stellungen, die in dieser Hinsicht schon vorliegen (am ausführlichsten 
ist jene von Katzer in seinen „Geologie von Böhmen“), völlig un- 
nötig gewesen. 

In petrographischer Beziehung bleibt in dem aufgenommenen 
Gebiete, vor allem was das Präkambrium und die Diabase mit ihren 
Kontakterscheinungen betrifft, noch viel zu tun übrig. Da das Haupt- 
gewicht auf die tektonischen Verhältnisse gelegt wurde, lagen der- 
artige Untersuchungen etwas außerhalb des Themas, und konnte ihnen 
daher nicht jene eingehende Aufmerksamkeit gewidmet werden, welche 
sie sonst verdienen würden. 


I. Morphologisch-Geologischer Überblick. 


Das in Untersuchung gezogene Gebiet gehört ungefähr dem 
mittleren Teile des sogenannten Südflügels des mittelböhmischen Alt- 
paläozoikums an. Es liegt zu beiden Seiten der Beraun, östlich ihres 
Austrittes aus dem obersilurisch-devonischen Kalkplateau bei Karlstein. 
Der weitaus größere Teil des Aufnahmsgebietes liegt südlich der 
Beraun und ist orographisch durch den SW—-NE streichenden, wald- 
bedeckten Höhenrücken des Hrebeny und Kalvarienwaldes gekenn- 
zeichnet. Es sind dies die nordöstlichen Ausläufer des Brdywaldes 
oder -Gebirges, das westlich von Pfibram seine größte Höhe (Tock 
857 m) und Breitenausdehnung erreicht !). Das Brdygebirge ist Dank 
der Härte und Widerstandsfähigkeit der ihn zusammensetzenden 
Gesteine (Quarzkonglomerate und Quarzite) der Einebnung, die sonst 
im Allgemeinen unbekümmert um den komplizierten Schichtenbau 
über das Gebiet der „böhmischen Silurmulde“* hinweggeht, entgangen. 
Es ist also ein Monadnock?), der im aufgenommenen Gebiete 


!) Es ist wohl am zweckmäßigsten, das ganze Gebirge, das zwischen Rozmital 
und Rokitzan im S und Königssaal im N dahinstreicht und fast ausschließlich mit 
Wald bedeckt ist, mit dem einheitlichen Namen Brdywald zu bezeichnen. Krejty 
[38] hat für den südlichen Teil des Gebirges die Bezeichnung TfremoSnagebirge 
eingeführt, nach dem Berge Tremo$na westlich von Pfibram, wo die diesen Ge- 
birgsteil hauptsächlich zusammensetzenden Konglomerate besonders typisch ent- 
wickelt sind; es ist also bei dieser Bezeichnung der geologische Gesichtspunkt 
hervorgekehrt. Morphologisch bildet jedoch der südliche und nördliche Teil des 
Gebirges, diesseits und jenseits der Littawa, unbedingt eine höhere Einheit, wenn 
auch gewisse Unterschiede vorhanden sind. Es wird sich deswegen die Beibehaltung 
eines gemeinsamen Namens empfehlen. — Den Ausdruck „mittelböhmisches Wald- 
gebirge“, den Katzer [25] gebraucht, möchte ich vermeiden, da Katzer diese 
3ezeichnung weiter faßt, indem auch er mehr die geologischen Verhältnisse im 
Auge hat. Die Bezeichnung, die Schneider [58] vorschlägt „mittelböhmisches 
Schiefergebirge“ scheint unzweckmäßig, da ja das Gebirge nur zum geringsten 
Teile (im S) aus Schiefern besteht. 

2) Die von Dane$ 17] geäußerte Vermutung, das Brdygebirge verdanke sein 
Emporragen einer postkretazischen Hebung und sei von jungen Bruchlinien be- 
grenzt, kann ich nach meinen Beobachtungen in keiner Weise bestätigen. 


[3] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 917 


100—150 m über die mittelböhmische Rumpffläche emporragt; in 
seinem südwestlichen Teile reicht das Brdygebirge entsprechend seiner 
größeren absoluten Höhe auch höher über die Rumpffläche empor. 
Dennoch bietet es auch in seinem nordöstlichen niedrigeren Teil, der 
in das Aufnahmsgebiet fällt, den Anblick eines recht stattlichen und 
deutlich hervoıtretenden Gebirgsrückens, — vor allem von der Höhe 
des mittelböhmischen Kalkplateaus zwischen Treban und Karlik ge- 
sehen — weil hier das Gebirge von geringer Breite ist, einen ein- 
heitlichen Kamm besitzt und mit seinem NW-Fuße direkt aus dem 
tief in die Rumpffläche eingesenkten Berauntale emporsteigt (bis zu 
350 m relat. Höhe). 

Im Gebiete des Kartenblattes bildet der Gebirgskamm die 
Wasserscheide zwischen Beraun und Moldau, während sowohl im NE 
der Durchbruch des Wschenorer Baches als weiter im SW der Durch- 
bruch des Flüßchens Littawa dem Gebirge den wasserscheidenden 
Charakter nimmt. Diese Durchbrüche sind durch Epigenese zu er- 
klären, wie ja überhaupt nach den neueren Untersuchungen (Pur- 
kyn& [53], Kettner |32]) die epigenetische Talbildung eine sehr 
charakteristische Rolle in der morphologischen Entwicklung Mittel- 
böhmens spielt‘). Muß man ja nach dem Urteil fast aller Forscher, 
die sich mit Böhmen befaßt haben, annehmen, daß die Kreidesedimente 
einst ganz Mittel- und auch Südböhmen bedeckten und daß sich nach 
dem Rückzug des Kreidemeeres auf der Oberfläche dieser Sediment- 
decke das heutige Entwässerungssystem Mittelböhmens wenigstens in 
seinen wichtigsten Zügen entwickelt hat. 

Das Durchbruchstal der Littawa scheidet den Zug des Brdy- 
gebirges in zwei morphologisch deutlich unterschiedene Teile. Der 
südwestliche höhere Teil besteht aus einer Anzahl parallel gerichteter, 
zum Teil in Berge aufgelöster Kämme, während der nordöstliche 
niedrigere Teil im wesentlichen einen geradlinigen, ununterbrochenen 
und einheitlichen Gebirgskamm bildet, der nach NE zu kontinuierlich 
an Höhe abnimmt. Es ist nicht zu zweifeln, daß dieser morphologische 
Unterschied des Brdygebirges südwestlich und nordöstlich des Littawa- 
durchbruches in den tektonischen Verhältnissen seine Ursachen hat. 
Damit ist auch die Ansicht naheliegend, daß der Littawadurchbruch, 
der die beiden tektonisch wie morphologisch unterschiedenen Teile 
des Brdygebirges trennt, in einem späteren Stadium der Entwicklung 
tektonisch angelegt ist. 

Das Aufnahmsgebiet enthält nur den nordöstlichen Anteil des 
Brädygebirges, den ich hier als Niederen Brdywald bezeichnen 
will — und auch diesen nicht zur Gänze. Auch der Niedere Brady- 
wald läßt mehrere morphologisch unterschiedene Teile erkennen, 
deren Gestaltung gleichfalls, wie die späteren Untersuchungen lehren 
sollen, in der Tektonik begründet ist. 

Der Abschnitt des Gebirges zwischen dem Littawatale und dem 
Berge Studeny südöstlich von Hostomitz läßt noch zwei parallel 
streichende und nicht ganz geschlossene Kämme erkennen und stellt 
somit morphologisch einen gewissen Übergang aus dem Hohen Brdy- 


') Auch Danes [7] betont diesen Umstand nachdrücklich. 
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd ‚1. u. 2. Hft. (E. Nowak.) 28 


218 Ernst Nowak. ) [4] 


wald südwestlich der Littawa in den nun folgenden Abschnitt des 
Niederen Brdywaldes dar. Dieser Abschnitt, der vom Berge Hradec 
bis ungefähr zu den Felsen BoZi vrazky südlich des Dorfes Halloun 
reicht, ist durch das Auftreten eines einzigen, sehr scharf ausge- 
prägten und geschlossenen Kammes ausgezeichnet (höchste Erhebung: 
Hohe Tanne 635 m). Diesem, ganz treffend „Hfrebeny“ (deutsch: 
Kamm) genannten Gebirgsstück sind südostlich mehrere niedrigere 
in einer zu ihm parallelen Linie angereihte Höhen (Kazatelna, Spa- 
leny, Tocka) vorgelagert, die wohl Reste eines Nebenkammes dar- 
stellen, aber orographisch wenig hervortreten. Zwischen dem Hrebeny 
und dem südlichen Abschnitt des Niederen Brdywaldes, der durch 
den Bergrücken des Pisek (688 m) gekennzeichnet ist, liegt eine 
etwa 60 m tiefe Einsattelung, die von der DobriSs-Hostomitzer Bezirks- 
straße benutzt wird. Südlich des Dorfes Halloun verliert der Gebirgs- 
kamm wieder etwas an Einheitlichkeit und es stellt sich im NW ein 
durch tiefe Quertäler in Berge aufgelöster Nebenkamm ein (Babka, 
Streny vrch, Kote 471, 474, 476 und 440). Dieser Charakter hält 
bis zum Durchbruchstal des Wschenorer Baches an. Für diesen 
Abschnitt, dessen höchste Erhebung in der Skalka bei Mnischek nur 
mehr 549 m beträgt, möge die Bezeichnung Kalvarienwald gelten. 
Es folgt nun jenseits des Wschenorer Baches der niedrige nordöst- 
lichste Ausläufer des Brdywaldes (Kopanina 409 m), der bis an die 
Moldau herantritt. 

Mit der stetigen Höhenabnahme des Brdywaldes nach NE ist 
auch eine rasche Breitenabnahme des Gebirges verbunden, eine Tat- 
sache, die ebenfalls durch die geologischen Verhältnisse vollkommen 
erklärt wird. 

Südöstlich des Brdyrückens erstreckt sich die weite Hoch- 
fläche der präkambrischen Schiefer; sie stellt die inner- 
böhmische Rumpffläche dar, über die nur härtere Gesteinspartien 
(Kieselschiefer, Porphyre) als „Monadnocks* emporragen. 

Im NW wird das Niedere Brdygebirge von einer breiten Senke 
begleitet, die dem weichen Schchtkomplex der d,/d,-Schiefer ent- 
spricht. Dort, wo die Beraun oberhalb Rewnitz in dieses Gebiet ein- 
tritt, hat sie eine große Talweitung geschaffen, die von Alluvien 
erfüllte Drobfichowitzer Ebene. Erst bei Mokropes, wo der Fluß an 
den harten Quarzitrücken der Kopanina herandrängt, verengt sich 
wieder auf kurze Erstreckung sein Tal; von dem harten Felsrücken 
gleichsam abprallend, wendet er sich sofort wieder in das weiche 
Schieferterrain, hier die weite fruchtbare Flußebene von Radotin 
bildend. 

Nordwestlich der den weichen ds/d,-Schiefern ihre Entstehung 
dankenden Ausräumungssenke, die man am besten nach dem 
in ihr liegendem Hauptorte Hostomitz benennt, reiht sich eine 
Zone paralleler, nicht hoher, meist nackter oder spärlich bewaldeter 
Felsrücken, deren Emporragen über die Umgebung wiederum nur 
dem harten Gesteinsmaterial, das sie zusammensetzt (Quarzite der 
Stufe d,, Diabase), zuzuschreiben ist. Das parallele Auftreten im 
wesentlichen zweier, allerdings vielfach unterbrochener Höhenrücken 
ist auch hier in der Tektonik dieser Zone begründet; es sind eben 


[5] Geo]. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 919 


in den harten Schichtpartien die tektonischen Erscheinungsformen 
gleichsam konserviert, während im übrigen Gebiete der „Silurmulde“ 
die weitgehende Abtragung bereits jeden Einfluß des Gebirgsbaues 
auf die Oberflächenformen verwischt hat. Diese Höhenrücken, die ich 
nach der Lokalität, in deren Umgebung sie am augenfälligsten aus- 
gebildet sind, als Trfebaner Hügelrücken bezeichnen will, 
werden von der Beraun zwischen Budhan und Rewnitz nahezu senk- 
recht zum Streichen durchbrochen. 

Nordwestlich der Tfebaner Hügelrücken erstreckt sich das 
obersilurisch-devonische Kalkplateau wiederum im Niveau der 
innerböhmischen Rumpffläche. 

Als letztes Formenelement, das zur Öberflächengestaltung des 
Aufnahmsgebietes beiträgt, möchte ich die Terassen der Beraun 
nennen, die die Hügelrücken von Treban durchschneiden und hier 
einen wesentlich formgebenden Einfluß haben. 

Das Aufnahmsgebiet umfaßt also — mörphologisch charakteri- 
siert — ein Stück Land, in dem das Niveau dor innerböhmischen 
Rumpffläche einerseits durch den Monadnock des Brdygebirges, ander- 
seits durch die Erosionswirkungen der wiederbelebten Beraun gestört 
erscheint. 

Geologisch gehört das Aufnahmsgebiet dem Präkambrium, 
Kambrium, Untersilur und tiefsten Obersilur an. Wie der Blick auf 
die geologische Karte zeigt, folgen die einzelnen Schichtenkomplexe 
zoneuweise, ziemlich regelmäßig mit fast vollkommen konstantem 
Streichen aufeinander. Dennoch ist das Gebiet von mehreren bedeu- 
tenden Längsstörungen durchzogen, deren Existenz schon von Krejöi 
und anderen richtig erkannt worden ist. 

Dem südöstlichen Rand des Gebietes nehmen in seiner ganzen 
Erstreckung die präkambrischen Tonschiefer und Grauwacken 
(Barrande’s Etage B, Lipold’s Pfibramer Schiefer) ein; in ihnen 
sind kieselige Schieferpartien und an einer Stelle ein Porphyrvor- 
kommnis eingeschaltet. Außerordentlich geradlinig und ausgesprochen 
diskordant grenzt das präkambrische Schiefergebiet gegen NW, im 
südwestlichen Teile an die kambrischen Konglomerate, im nordöst- 
lichen Teile an die Barrande’sche Siluretage D. Diese Grenzlinie 
entspricht zum größten Teil einer Bruchlinie, die in der nordöstlichen 
Fortsetzung der Pfibramer Lettenkluft liegt. 

Mitten durch das Konglomeratterrain, das sich an die präkam- 
brischen Schiefer anschließt, scheint — allerdings geologisch nicht 
direkt nachweisbar — eine gleichfalls im Streichen verlaufende 
Störung hindurchzugehen, die südlich von Mnischek von dem er- 
wähnten Bruche, der in der Fortsetzung der Pfibramer Lettenkluft 
liegt, abgeschnitten wird. 

Auf die Konglomerate, bzw. direkt auf das Präkambrium folgen 
die Quarzite der Stufe d,. Die Stufe d, ist als normal Liegendes, 
von d, im Kartengebiete obertags nirgend deutlich sichtbar, sondern 
nur durch Bergbau mit Sicherheit nachgewiesen. 

Die Quarzite des Brdywaldes sind von mehreren Längsstörungen 
betroffen worden, die das breite Anschwellen der d,-Zone vor allem 
zwischen Mnischek und Rewnitz bedingen. Vollkommen deutlich er- 

28* 


Ernst Nowak. [6] 


220 


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Richtigsteilung: In der Zeichenerklärung soll es anstatt paerkambr. richtig präkambrische Schiefer heißen. 


[7] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 221 


weisen sich diese Störungen durch das Hervortreten älterer Schichten- 
gruppen (der Konglomerate und d,-Schichten) inmitten der Quarzite. 

Den d,-Quarziten liegen allenthalben die d,/d,-Grauwacken- 
schiefer, eine breite Zone bildend, auf; die große Mächtigkeit, die 
diese Schichten scheinbar erreichen, mag wohl auf Faltungen inner- 
halb derselben zurückzuführen sein, die sich allerdings in dem be- 
schriebenen Gebiete, infolge mangelnder Aufschlüsse, selten direkt 
beobachten lassen. 

Die auf d, folgende Zone ist stark gestört und besteht aus 
einem mehrmaligem Wechsel von untersilurischen d,-Schichten und 
obersilurischen e,-Graptolitenschiefern, welche beide von überaus 
zahlreichen Diabasvorkommnissen durchsetzt werden. 

Nur im nördlichen Teile des Gebietes ist der d,-Schichten- 
komplex in einer geschlossenen, jedoch auch von Diabasen durch- 
brochenen Zone vorhanden, auf die dann in normaler Weise die 
e,-Schichten folgen. Die in d, eingekeilten Partien von obersilurischen 
Graptolitenschiefern sind in die Literatur seinerzeit unter den 
Bezeichnungen „Kolonien von Treban, B£&l& ete.“ eingeführt worden. 
Die Lagerungsverhältnisse dieser eigentümlichen Einlagerungen klar- 
zustellen, soll eine wesentliche Aufgabe der vorliegenden Arbeit 
bilden. 

Die diluvialen und zum Teile wahrscheinlich auch prädiluvialen 
(tertiären ?) Schotter und Sande finden sich hauptsächlich im Gebiete 
der Beraun, deren Terrassen und Verebnungen bedeckend. Reiner 
Lehm tritt mehrfach, aber meist nur in beschränkter Ausdehnung 
längs der Bäche am Fuße des Brdywaldes auf. Wo sich das Beraun- 
tal erweitert, wie bei Treban und Dobfichowitz, erfüllen es mächtige 
Alluvien, die dem Ackerbau dienen. Eine große Rolle in der Boden- 
beschaffenheit des aufgenommenen Gebietes spielt der mit lehmigen 
Detritus vermengte Gehängeschutt des d,-Quarzites, der vom Brdy- 
gebirge herabströmend vor allem die Grauwackenschiefer der Hosto- 
mitzer Senke fast vollkommen bedeckt und sie nur in tiefen Schluchten 
zum Vorschein kommen läßt. Wo auf weite Erstreckung sich keine 
Aufschlüsse im Untergrunde darboten — wie im größten Teile der 
Hostomitzer Senke — war ich gezwungen, diese Ablagerung, deren 
Bildung jedenfalls weit in das Diluvium hineinreicht, zu kartieren, 
während ich dort, wo auf verhältnismäßig kurze Entfernungen der 
Untergrund zu erkennen ist, ihre Einzeichnung vernachlässigte. 

Erwähnenswert ist auch der sehr deutlich ausgesprochene Ein- 
fluß, den die geologischen Verhältnisse des Aufnahmsge- 
bietes teils direkt — durch die Bodenbeschaffenheit — teils indirekt 
— durch Vermittlung der Morphologie -—- auf die wirtschaft- 
lichen Verhältnisse nehmen. Der Monadnock des Brdywaldes 
hat eine gewisse lokale klimatische Bedeutung. insofern als er be- 
sonders die Spätfrühlings- und Sommerniederschläge, die vielfach an 
Gewitter gebunden sind und in der Regel von W- und SW-Winden 
herbeigebracht werden, von den an seinem SE-Fuße gelegenen Land- 
strichen abhält; umsomehr ist dagegen diese Gegend den trockenen, 
im Winter frostbringenden E- und NE-Winden ausgesetzt. Schon 
diese Umstände bringen eine bedeutende Benachteiligung der süd- 


299 Ernst Nowak. t [8] 


östlich des Gebirges gelegenen präkambrischen Landschaft mit sich. 
Hinzu kommt noch die teils auf den Mangel eines erodierenden 
größeren Flusses, teils aber auch auf der schweren Verwitterbarkeit 
des von Monadnocks durchsetzten Gebietes, beruhende Höhenlage und 
schließlich die minderwertige Bodenbeschaffenheit; denn die präkam- 
brischen Gesteine liefern im allgemeinen eine sehr spärliche, wenig 
fruchtbare Ackerkrume. Alles dies hat den wirtschaftlich geringen 
Wert des präkambrischen Gebietes zur Folge. Die Hauptfrucht bilden 
hier die Kartoffel, Korn und Hafer, soweit nicht Wälder das Land 
bedecken. Nur die unmittelbar am Fuße des Brdywaldes gelegenen 
Felderstriche sind etwas besser daran, da sie zum Teile den vom 
Gebirge herabgerutschten lehmigen Detritus zum Untergrund haben. 
Industrie fehlt hier nahezu ganz, die Besiedelung ist verhältnismäßig 
spärlich, die Dörfer zumeist arm. Noch mehr gilt dies alles von dem 
Verbreitungsgebiet der kambrischen Konglomerate und untersilurischen 
d,-Quarzite; dieses ist ausschließlich von Wald bedeckt und nicht 
besiedelt. 

Ganz anders liegen die Verhältnisse am NW-Fuße des Brdy- 
gebirges, in der von lehmigem Gebirgschutt ganz erfüllten Hostomitzer 
Senke. Hier gesellen sich zu der günstigeren Bodenbeschaffenheit 
und der zufolge der weichen Schieferunterlage tieferen Lage günstige 
klimatische Faktoren, nämlich die Zugänglichkeit für die niederschlags- 
führenden, im Winter mildere Temperaturen bringenden SW- und 
W-Winde und der Schutz gegen die rauhen austrocknenden E- und 
NE-Winde. Ein blühender Ackerbau und Obstkultur, landwirtschaftliche 
Industrie, reiche Besiedelung, rege Bautätigkeit sind die Folge; eine 
Hauptfrucht ist hier die Zuckerrübe. Auch die Zone der Trebaner 
Hügelrücken bietet vor allem in den geschützten Mulden und im 
Verbreitungsbezirke der Graptolitenschiefer günstige Bedingungen, 
vor allem weil sowohl der Graptolitenschiefer als auch der Diabas, — 
sobald dieser tiefgründiger verwittert ist — eine fruchtbare kalk- 
reiche Ackerkrume liefert, die besonders den Gerstenbau begünstigt, 
— an einer Stelle sogar Hopfenbau ermöglicht (Brauindustrie von 
Litten). Dagegen sind die harten d,-Quarzitrücken und schwer ver- 
witternden Diabaszüge nahezu steril; hier ist mit der Aufforstung 
begonnen worden. 

Es erübrigt noch, wenige Worte über die Art der Begrenzung 
des aufgenommenen Gebietes zu sagen. Die Grenzen sind teils natür- 
liche, — geologische wie orographische — teils künstliche. Künstlich 
ist die südliche Begrenzung, die von der Halbierungslinie der SE- 
Sektion des Spazialkartenblattes (Zone 6, Kol. X) gebildet wird, aber 
zufällig auch mit einer orographischen Linie, nämlich der Einsattelung 
zwischen Hrebeny und Studeny zusammenfällt. Die westliche Be- 
grenzung ist im südlichen Teile der Kartenrand, dann der Anschluß 
an das von Seemann [60] kartierte Blatt; im nördlichen Teile ist 
die Westgrenze geologisch, indem ich vor Auflagerung der e-Kalke 
abschloß. Die N-Grenze folgt dem Tal des Karliker Baches und 
jenseits der Beraun dem des Wschenorer (Praslavsky-) Baches. Die 
Östgrenze folgt der Reichsstraße Prag—Dobfisch. Ein weiteres Ein- 
begreifen des präkambrischen Gebietes würde mannigfache andere 


[9] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 223 


Probleme aufrollen, die eine ausgedehnte und einheitliche Behandlung 
erfordern würden. 

Im allgemeinen beschränkt sich also das Gebiet auf das Unter- 
silur; es wurden nur die angrenzenden Streifen einerseits des prä- 
kambrischen und kambrischen, anderseits des obersilurischen Terrains 
miteinbezogen, um das Verhältnis zu diesen festzustellen. 


II. Die stratigraphischen Verhältnisse. 


a) Ausbildung und Verbreitung der einzelnen altpaläozoischen 
Schichtglieder. 


Präkambrium. 


Dunkle Tonschiefer, grünliche Grauwacken, kiese- 
lige Schiefer (Azoische Schiefer, Etage B Barr. zum Teil, 
Lipold’s Pfibramer Schiefer). — Das weitaus vorherrschende Gestein 
sind die dunklen Tonschiefer. Diese wechsellagern an vielen Stellen 
(besonders in der Umgebung von Mnischek, Wosnie) mit teils wohl- 
seschichteten, teils ungeschichteten Grauwackengesteinen. Diese 
Wechsellagerung geht oft sehr ins Einzelne und ist dann, wo die 
Schichtköpfe auswittern, sehr auffällig, da die Grauwackenschichten 
widerstandsfähiger sind als die Tonschiefer und als Felsrippen her- 
vortreten. An manchen Stellen treten jedoch die Grauwackengesteine 
in massiger Form von vielen Metern Mächtigkeit auf und ahmen dann 
das Auftreten von Eruptivgesteinslagergängen nach. Diese unge- 
schichteten Grauwackengesteine zeichnen sich immer durch eine 
außerordentliche Härte aus. Alle diese Gesteine erweisen sich im 
Mikroskop als polymikte Grauwacken. Und zwar bestehen 1. die ge- 
schichteten, weniger harten Grauwacken im wesentlichen aus 
Bruchstücken von Eruptivgesteinen (teils einer felsitischen Grundmasse 
von Quarzporphyr, teils von trachytisch struiertem Diabas), unregel- 
mäßigen Körnern von Quarz und Feldspat (Ortho- und Plagioklas) 
und einem kieseligen, meist von einer chloritischen Substanz ganz 
durchsetzten Bindemittel; diese bedingt die Grünfärbung dieser Ge- 
steine; 2. die ungeschichteten harten Gesteine zeigen eine mehr 
wechselnde Zusammensetzung; in allen finden sich mehr oder weniger 
Spuren von Dynamometamorphose, wie Kataklase der Feldspate, un- 
dulierende Auslöschung des Quarzes, Verbiegungen von Glimmer- 
schüppchen und der Zwillingslamellen der Plagioklase, Auftreten von 
Zwillingslamellen im Titanit; ferner als Neubildungen: Muskovit, 
Biotit (in einem Schliffe), Titanit und Kalzit. Im allgemeinen gewinnt 
man den Eindruck, daß diese Gesteine aus der Zerstörung und Um- 
bildung, teils von Quarzporphyren, teils von Gesteinen der Diabas- 
reihe hervorgegangen sind. Erstere weisen als Gemengteile haupt- 
sächlich Quarz, Orthoklas, weniger Plagioklas auf, letztere dagegen 
Quarz verhältnismäßig spärlich, Plagioklas, weniger Orthoklas und oft 
in bedeutender Menge einen meist farblosen diopsidartigen Augit. 
Von einem eigentlichen Zement kann man bei allen diesen Gesteinen 


994 Ernst Nowak. j [10] 


nicht sprechen; es liegt zwischen den größeren Gemengteilen ein 
meist quarziges Zerreibsel, das aus der Zertrümmerung und nach- 
träglichen Zusammenpressung der Quarze und Feldspate hervorge- 
gangen sein mag (Mörtelstruktur). Jedenfalls beruht die außerordent- 
liche Härte dieser Gesteine hauptsächlich auf der innigen Verzahnung 
ihrer Gemengteile. 

Die zuerst beschriebenen weniger harten Grauwacken unter- 
scheiden sich durch verschiedene Korngröße. Wo diese Gesteine 
feinkörnig sind, ähneln sie außerordentlich den grünen Paradoxides- 
Schiefern von Jinetz und haben auch schon tatsächlich zu Verwechs- 
lungen und fälschlichen Identifizierungen mit ihnen Veranlassung 
gegeben. Auch die an den Kluftflächen auftretenden bläulich 
schimmernden Psilomelananflüge, wie sie die Jinetzer Schiefer zeigen, 
fehlen ihnen nicht. Wo das Korn größer ist, würde man bei makro- 
skopischer Betrachtung auf Tuffe schließen. Tatsächlich sind diese 
Gesteine auch seinerzeit (Krejei—Helmhacker [37]) als „Diorit- 
tuffe“ und „Grauwackentuffe* beschrieben worden. Mikroskopisch läßt 
sich jedoch durchaus kein Anzeichen finden, das ihre Bezeichnung 
als Tuffe rechtfertigen würde. Übrigens hat auch jüngst Kettner [29] 
bezüglich einiger Vorkommnisse im Moldautal darauf hingewiesen, daß 
diese Tuffgesteine Helmhackers doch nur als Grauwacken zu 
bezeichnen seien. 

Als drittes Gesteinselement treten im  Präkambrium schwarze 
kieselige Schiefer auf. Sie sind durch Übergänge mit den Ton- 
schiefern verbunden; dennoch ist ihr Auftreten auch ein geschlossenes 
und dann für die Bodengestaltung von Einfluß, so daß ihre Ausschei- 
dung auf der Karte zweckmässig erschien. 

Diese Schiefer zeichnen sich naturgemäß durch große Härte aus; 
eine Spaltbarkeit nach den Schichtflächen ist in der Regel noch vor- 
handen; immer sind diese Gesteine jedoch außerordentlich zerklüftet, 
so daß sich selten Bruchflächen erzielen lassen. Die Klüfte sind teils 
von Quarz, teils von Brauneisen erfüllt. Im Mikroskop zeigt sich das 
Gestein als eine überaus dichte halbkrystallinische Masse, die sich 
selbst mit der stärksten Vergrößerung kaum auflösen läßt, bestehend 
aus feinsten Quarzkörnchen, Glimmerschüppchen und sehr viel kohliger 
Substanz‘; vielfach zeigen sich auch feine Sprünge, die von Quarz er- 
füllt sind. Man muß wohl annehmen, daß das Gestein aus dem Ton- 
schiefer hervorgegangen ist, entweder durch Gebirgsdruck, der das 
Weiterwachsen der Quarzkörner zur Folge hatte, oder durch eine 
nachträgliche Infiltration mit kieselsaurem Wasser, die man wiederum 
mit dem nahen Porphyrvorkommnis in Verbindung bringen könnte 
(siehe auch später pag. 21). 

Die kieseligen Schiefer bilden im Aufnahmsgebiet eine ungefähr 
linsenförmige Einlagerung, die vom Goldberg bei Mnischek zum Kleinen 
heil. Berg (an der Reichsstraße nach Dobrisch) streicht. 

Eigentliche Aufschlüsse finden sich in dem Gesteine nicht; die 
Höhe des Rückens, den diese kieseligen Schiefer bilden, ist jedoch 
stellenweise von den Brocken des Gesteins ganz überschüttet und hier 
kommt dann auch das Felsgerippe zutage. — Auch die Aglaja-Höhe 
gehört einem Zuge kieseligen Schiefers an, der sich nach S über den 


[11] Geol. Untersuchungen im Südflüge) des mittelböhmischen Silur, 225 


Kartenrand hinaus fortsetzt. Sonst finden sich noch geringe Vorkomm- 
nisse von kieseligem Schiefer, die ich auf der Karte aber nur schema- 
tisch auzugeben vermochte. 

Bezüglich des Alters aller dieser, dem Schichtenkomplex der 
Tonschiefer angehörenden Gesteine, ist jetzt die Bezeichnung als 
Präkambrium oder Algonkium !) bereits ganz allgemein geworden, 
nachdem lange Zeit ihre Alterszuweisung Gegenstand der mannig- 
fachsten Meinungsverschiedenheiten war. Der für die Altersbestimmung 
vor allem wichtige Nachweis der Diskordanz der Pfibramer Schiefer 
gegenüber den jüngeren Gebilden, ist auch im Aufnahmsgebiete überall 
möglich. 

Die Tonschiefer und die mit ihnen in Verbindung auftretenden 
Gesteine zeigen immer ein durchschnittlich südöstliches Einfallen, 
wenn auch die Streichrichtung innerhalb eines kleinen Winkels (NE 
— SW bis NNE — SSW) schwankt. Nur ganz lokal findet man auch 
entgegengesetztes Einfallen, dort, wo Schichtenfaltungen und — Bie- 
gungen zu sehen sind (wie bei Mnischek unterhalb des Schlosses und 
unterhalb der chemischen Fabrik). Der Fallwinkel ist meist ein ziem- 
lich steiler, häufig 50— 70°, 


Kambrium. 


Quarzkonglomerate und -Grauwacken (Barrandes 
Etage B zum Teil, Lipolds Pfibramer Grauwacken, Krejtis Tre- 
mosna-Konglomerate). Sie bestehen aus Geröllen von lichtem und röt- 
lichem Quarz und von Kieselschiefer, die durch ein meist quarziges, 
manchmal eisenschüssiges Zement verkittet sind. Die Korngröße der 
Konglomerate ist oft auf kurze Entfernungen sehr wechselnd; sie sind 
großkörnig (bis faustgroße Gerölle wie am Hrebeny), mittelkörnig (wie 
am Spaleny, Tocka) bis feinkörnig und gehen dann in Grauwacken 
über. Diese können stark glimmerig sein und zerfallen dann leichter, 
während sonst die hierhergehörigen Gesteine sehr fest und wider- 
standsfähig sind. Als Zwischenmittel in den Grauwacken beobachtete 
ich an einigen Stellen einen mürben glimmerreichen, roten, tonigen 
Schiefer. Diese Schieferzwischenanlagen können jedoch auch mächtiger 
werden und erreichen dann die Geltung von selbständigen Schichten. 
Derartige rote Schiefer von bedeutender Mächtigkeit, wechsellagernd 
mit glimmerigen Grauwacken sind bei Kytin verbreitet und besonders 
an dem Wege, der aus dem Orte nach N gegen das Rote Kreuz führt, 
gut aufgeschlossen. Diese roten Schiefer scheinen an eine Zone ge- 
bunden, die mitten durch das Konglomeratterrain hindurchläuft und 
sich auch im Walde durch die hellrote Färbung des Bodens an den 
Wegen und in einzelnen Schieferbrocken verrät. Ich suchte die Ver- 
breitung der roten Schiefer auf der Karte wenigstens schematisch 
darzustellen. Ähnliche, für das Konglomeratgebiet fremdartige Gesteine 
(quarzitische Grauwacken, blättrige rote Grauwacken) scheinen auch 
außerhalb des Kartengebietes in der Umgebung von Hlubo$ verbreitet 


‘) Slavik [62] versucht auf Grund der sonst (besonders in westböhmischen 
Verbreitungsbezirk) in diesem Schichtenkomplex auftretenden spilitischen Eruptiv- 
gesteinsfazies eine Paralellisierung mit dem nordamerikanischen Keweenawan. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd.. 1. u. 2. Hft. (E. Nowak.) 29 


296 Ernst Nowak. N [12] 


zu sein und haben seinerzeit PoSepny [52] veranlaßt, hier Einfal- 
tungen jüngerer Schichten (d,, dg) anzunehmen !). 

Eine Unterscheidung mehrerer Horizonte auf Grund der petro- 
graphischen Verschiedenheiten konnte ich in dem Konglomeratgebiete 
nicht durchführen, vor allem weil hierzu in dem dichten Waldgebie: 
die Aufschlüsse zu spärlich sind. 

Das Alter des ganzen Schichtkomplexes habe ich in Anlehnung 
an die heute vorherrschende Anschauung als kambrisch ?2) angenommen, 
obwohl diese Schichten im ganzen Südflügel der „Silurmulde* bisher 
noch keine Fossilien geliefert haben und das von mir untersuchte 
Gebiet auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Altersbestimmung 
liefert. Es könnte nur die auch von mir beobachtete Diskordanz 
gegenüber den präkambrischen Schiefern herbeigezogen werden. Denn 
bei den Konglomeraten fand ich immer, auch nächst der Grenze gegen 
die präkambrischen Schiefer nordwestliches Verflächen. Von den 
Jinetzer Paradoxidesschiefern fand ich im Aufnahmsgebiete keine Spur; 
die diesbezügliche von PoSepny mitgeteilte Beobachtung (er ver- 
zeichnet Paradoxidesschiefer bei Fürstenbrunn) scheint auf einem Irr- 
tum zu beruhen. 

Die Grenze der Konglomerate gegen ihr Hangendes ist leider 
nirgends aufgeschlossen und es ergaben sich auch sonst keine Be- 
obachtungen, die die Frage des Verhältnisses der Konglomerate zum 
Untersilur beantworten könnten. Immerhin erscheint es als das wahr- 
scheinlichste, daß die Konglomerate ein Äquivalent des Parodoxides- 
schiefer sind und in die d,a-Schichten übergehen. 

Was die Verbreitung der kambrischen Konglomerate und 
Grauwacken betrifft, so lassen sich zwei Bezirke unterscheiden: 1. das 
Hauptgebiet zwischen Hfebeny und dem Präkambrium, wo sie das 
normal Liegende des Untersilurs bilden und 2. ein ungefähr linsen- 
förmiger Aufbruch mitten im Untersilur des Kalvarienwaldes. — Im 
ersteren Gebiete finden sich die besten Aufschlüsse am Kamme des 
Hrebeny selbst; hier sind die Schichtenköpfe vielfach ausgewittert 
und bilden klippige Felsen. Es sind meist großkörnige Konglomerate, 
deren diekbankige Schichten 35° (Hohe Tanne), 45° (SE-Hang des 
Karwatl) und 50° (Jistebny) nach NW bis NNW fallen). Sonst finden 
sich Aufschlüsse nur sehr spärlich; sie sind meist an alte Schotter- 
brüche längs der Waldstraßen gebunden. So ist feinkörniges, zum 
Teil stark eisenschüssiges Konglomerat an der Straße Aglaja-Höhe — 


!) Liebus [72] scheidet in seiner während der Drucklegung dieser Arbeit 
erschienenen Karte im südlich anschließenden Gebiet eine Zone roter Schiefer aus, 
die genau in der Fortsetzung der Verbreitungszene der roten Schiefer in meinem 
Aufnahmsgebiet liegt. 


?) Diese Anschauung gründet sich bekanntlich auf Vorkommen kambrischer 
Fossilien in den mit den Paradoxidesschiefern in enger Verbindung auftretenden 
Konglomeraten bei Skrej und Tejfowitz; ferner auf der Beobachtung eines allmäh- 
lichen Überganges der Konglomerate in die darüber folgenden Paradoxidesschiefer 
bei Jinetz und die deutliche Diskordanz gegen das Präkambrium. 

°®) Auf den bisherigen Karten ist der Hrebeny-Kamm als d, verzeichnet! 
Nur auf Po&@tas Karte [49] bildet er ungefähr die Grenze zwischen d, und den 
Konglomeraten. Der Karwatl, der nach Po$Sepny [52] sogar schon in d, liegt, be- 
steht am SE-Hang auch noch aus grobkörnigen Konglomeraten. 


[13] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 9937 


Fürstenbrunn aufgeschlössen ; es ist jedoch stark verwittert (zerfällt 
in Grus) und die Lagerung nicht erkennbar. Ein guter Aufschluß findet 
sich in kleinkörnigem Konglomerat mit rotem Schiefer als Zwischen- 
mittel an der Straße Wosnic-Fürstenbrunn bei Kote 402; das Streichen 
ist nahe E-W, das Fallen 55° nach N gerichtet. 

Das Verflächen ist also im Konglomeratgebiet, soweit sich die 
Lagerungsverhältnisse überhaupt beobachten lassen, ein isoklinales, 
die Streichungsrichtung wechselt innerhalb eines Winkels von 45°. 
Es haben sich keine Anhaltspunkte zum Nachweise der Längsstörung 
ergeben, die vermutlich das Gebiet durchzieht und die scheinbare 
sehr große Mächtigkeit dieses Schichtenkomplexes erklären würde. 
Nur orographisch scheint sie durch die Entwicklung eines Neben- 
kammes angedeutet, der heute nur mehr durch die niedrigen Wald- 
berge Kazatelna, Spaleny (Theresienhöhe) und Tocka bezeichnet ist. 
Außer in den wenigen Aufschlüssen verrät sich das Konglomerat im 
ganzen Gebiet durch Lesesteine und auswitternde Blöcke (so besonders 
am Spaleny, Tocka, beim Roten Kreuz) und dem aus seinem Zerfall 
hervorgehenden Gerölle und Grus, so daß es möglich ist, die Grenze 
gegen die präkambrischen Schiefer mit ziemlicher Sicherheit anzugeben. 

In dem kleinen zweiten Verbreitungsbezirk im Kalvarienwald, 
der bisher noch nicht bekannt war, kann man die Anwesenheit der 
Konglomerate fast nur in Lesesteinen und größeren Blöcken erkennen. 
Doch ist ihr Vorkommen oft so gehäuft und ihre Verbreitung so 
scharf begrenzt, daß man unbedingt auf die Anwesenheit der Kon- 
glomerate im Untergrund schließen muß. Nur an einer Stelle stehen 
die Konglomerate an; es ist dies im Walde nördlich der Mnischek- 
Rewnitzer Bezirksstraße bei Kote 512, wo die ausgewitterten Bänke 
flach nach NW einfallen. Die Ausbildung der Konglomerate im Gebiete 
des Kalvarienwaldes ist eine fein- bis mittelkörnige; oft sind sie stark 
eisenschüssig. 

Untersilur. 
(Barrande’s Etage D.) 


Quarzige Grauwacken (d,a, Krusnahora-Schichten), Rot- 
eisensteine und Tuffschiefer (d,ß, Komorauer-Schichten), 
dunkle Tonschiefer (d,y, Rokytzaner-Schichten). Der Schicht- 
komplex der Barrande’schen Stufe d, ist, wie bereits in der Über- 
sicht erwähnt, als Liegendes der d,-Quarzite im Aufnahmsgebiete 
obertags nirgends deutlich aufgeschlossen, obwohl in den bisher über 
das Gebiet erschienenen Karten die Stufe d,, als Liegendes von ds, 
als eine fortlaufende Zone längs des Brdywaldes eingetragen ist und 
sogar der Hrebenykamm, an dem die großkörnigen Konglomerate so 
prächtig anstehen, als d, verzeichnet ist! (Siehe auch frühere An- 
merkung.) Es war mir nicht einmal möglich, auf der ganzen Erstreckung 
des Hfebeny auch nur durch Lesesteine das Vorhandensein dieser 
Zone zu konstatieren. Am Berge Baba war jedoch seinerzeit die 
Stufe durch Bergbau (Josefischacht)?) aufgeschlossen und sie ist 
hiemit in der Tiefe nachgewiesen. Ob ihre Sichtbarkeit am Tage nur 


‘) Dieser Bergbau ist längst aufgelassen; heute sind die Schächte bereits 
vollkommen verschüttet und bieten gar keine Aufschlüsse. 
29% 


a 


228 Ernst Nowak. j [14] 


durch den Mangel au Aufschlüssen, bzw. die Bedeckung von Gebirgs- 
schutt verhindert wird, oder ob hier auch tektonische Erscheinungen 
eine Rolle spielen, kann nicht entschieden werden. 

Erst im Kalvarienwald beim Roten Kreuz verrät sich die Stufe 
und zwar die Roteisensteine d,ß, durch Lesesteine und die rote 
Färbung des Bodens; hier sind auch vor längerer Zeit Bohrversuche 
unternommen worden, wovon die noch bis heute übliche Bezeichnung 
der Lokalität „Rudove jämi* (= Erzgruben) Zeugnis ablegt. Auch 
tiefer am Gehänge gegen die Skalka zu kommen die Roteisensteine 
mehrfach zum Vorschein. Am Fuße der Skalka bei Mnischek ist der 
ganze Schichtenkomplex der Stufe durch Bergbau (Josefi- und 
Theresienschacht) aufgeschlossen. Auch dieser Bergbau ist trotz 
der Ergiebigkeit seiner Erzlager und der sehr guten Qualität der 
Erze heute außer Betrieb und die Schächte sind nicht mehr zugäng- 
lich. Es sei daher hier das wichtigste über die Aufschlüsse dieses 
Bergbaues aus dem seinerzeitigen Bericht Lip old’s wiedergegeben. 

Man kann im Skalka-Bergbau zwei Erzlager unterscheiden, 
die durch ein 38 m mächtiges Zwischenmittel getrennt sind: ein 
Liegend- oder Haupterzlager, das aus oolithischen Roteisensteinen 
besteht (45—50°/, Fe-Gehalt) und eine Mächtigkeit bis zu 19 m er- 
reicht und eiu Hangendlager, das vorzugsweise aus schiefrigem Braun- 
eisenstein zusammengesetzt ist und durchschnittlich nur 71/,—9!/, m 
mächtig ist. Im Liegenden des Haupterzlagers finden sich rötliche 
und grünliche Quarzsandsteine und feinkörnige grauweiße Sandsteine 
mit Kaolinbeimengung im Wechsel mit verschieden gefärbten ge- 
streiften Tonschiefern. Tuff- und Schalsteinbildungen, wie sie sonst 
in den Komorauer Schichten (d,ß) vorkommen, scheinen nach Lipold 
hier zu fehlen. Zwischen dem Haupt- und dem Hangendlager sind 
fast ausschließlich nur die schwarzgrau-glimmerigen Rokytzaner-Schichten 
anzutreffen, aus denen Lipold Graptoliten (Grapt. Suessi? Barr.) 
erhielt. Das Hangende des Brauneisensteinlagers bilden die d,-Quar- 
zite. Das Schichtfallen ist in dem ganzen vom Bergbau durchfahrenen 
Gebiet mit 56—40° nach NW bis NNW gerichtet. 

Nach Lipold war der Skalkabergbau ursprünglich ein Tagbau, 
so daß ich nicht anstand, trotz des heutigen Fehlens von Aufschlüssen, 
sowohl auf der Karte als im Profil die d,-Stufe hier als zutage aus- 
streichend einzuzeichnen. 

Von der Skalka nach N zu finden sich noch hie und da Spuren 
von Gesteinen, die jedenfalls d, angehören (so z. B. beim „Stitecky 
Lom“ Schiefer, die vielleicht d,y sind), bis gegen Ridka; weiterhin 
ist Jedoch nichts mehr zu erkennen; die Zone dürfte schon südlich 
des Wschenorer Baches auskeilen, denn daselbst nähern sich die 
Aufschlüsse im präkambrischen Schiefer und im d,-Quarzite bereits 
auf wenige Meter, wenn auch die Grenze direkt nicht sichtbar ist. 
Die Angabe Krejti’s [38], daß am Wschenorer Bach die d,y-Schiefer 
in einer schmalen Zone zwischen den präkambrischen Tonschiefern 
und dem Quarzit zum Vorschein kommen !), dürfte ein Irrtum sein 


!) Er stellt dies auch in dem diesbezüglichen Profil so dar; seine Angaben 
hat Katzer [25] übernommen. 


[15] Geo]. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 229 


und beruht vielleicht auf einer Verwechslung mit dem tiefer abwärts 
im Wschenorer Tale mitten im Quarzit eingekeilten Schiefervor- 
kommnis, von dem noch später die Rede sein soll (pag. 4+). 

Ein wenn auch räumlich sehr beschränktes Vorkommnis von d,, 
das jedoch die Entwicklung in allen drei Stufen aufweist und bisher 
noch nicht bekannt war, liegt mitten im Kalvarienwald am Moklicky- 
bache. Die d,-Schichten folgen hier als Hangendes der früher be- 
schriebenen Konglomerateinlagerung. Ich verweise hier auf die nähere 
Beschreibung dieser Aufschlüsse im tektonischen Teil (pag. 42/43). 

Quarzite der Stufe d, Barr. (Brdaschichten Lipold’s). Es 
sind dies, soweit sie typisch ausgebildet sind, helle, weiße bis gelb- 
liche, stellenweise durch Eisenverbindungen rötlich und violett ge- 
färbte, meist dickbankige Gesteine. Im Mikroskop erweisen sie sich 
als ein vollkommen krystallines Gemenge von Quarzkörnchen; daneben 
tritt etwas Feldspat, reichlich Apatit und Zirkon auf; Muskovit findet 
sich als Neubildung in langgestreckten Lamellen. Vielfach, jedoch 
durchaus nicht immer, findet sich zwischen den Quarzitbänken als 
Zwischenmittel ein sehr weicher, dunkler, glimmerreicher Schiefer; 
sonst ist das Zwischenmittel tonig-sandig, von heller Farbe, wie der 
Quarzit selbst. Sowohl in die liegenden als auch die hangenden 
Schiefer geht der Quarzit durch Wechsellagerung über und erhält 
dann manchmal ein mehr sandsteinartiges Aussehen und dunklere 
Färbung. Im Mikroskop geben sich diese Übergänge durch das Auf- 
treten und UÜberhandnehmen eines tonigen Bindemittels kund. Be- 
sonders die Grenze gegen ds/d, ist oft sehr unscharf; es kommt vor, 
daß typische helle d,-Quarzitbänke auch mitten in den Grauwacken- 
schiefern auftreten. 

Die Quarzite zerfallen oft, wie auf der Höhe des Kammes 
oberhalb Dobfichowitz, auf der Skalka, in einen feinen weißen Sand; 
in der Regel jedoch liefern sie ein lebmiges Verwitterungsprodukt, 
das für die Landwirtschaft am Fuße des Gebirges von großer Be- 
deutung ist. Charakteristisch ist auch für den Quarzit die zur Schichtung 
senkrechte Zerklüftung, die ihn in parallel-opipedische Stücke zer- 
fallen läßt. 

Sicher deutbare Fossilreste sind aus den Quarziten im Brdy- 
gebirge nicht bekannt!); es finden sich nur die weit verbreiteten 
problematischen Reste, wie Scolithus linearis Hall. 

Die Stufe d, bildet im Aufnahmsgebiet eine ununterbrochene 
geschlossene Zone von ziemlich konstanter Breite; nur im Kalvarien- 
walde erfährt sie zwischen Mnischek und Rewnitz eine Ver- 
breiterung dadurch, daß ältere Gesteine (Konglomerate und d,) in 
ihr aufbrechen. 

Das Quarzitgebiet im Hrebeny ist sehr arm an Aufschlüssen ; 
man kann hier infolgedessen auch nirgends die Grenze gegen das 
Liegende und Hangende direkt beobachten. Südlich von Kl. Chlumec 
nahe an der Grenze gegen die Konglomerate, erheben sich klippige 
Quarzitfelsen; sie sind undeutlich gebankt, an einer Stelle kann man 


') Während bekanntlich dieselben Schichten in der Gegend vou Beraun eite 
reiche Fauna geliefert haben. 


330 Ernst Nowak. ) [16] 


jedoch flaches NNW-Fallen beobachten. Die übrigen wenigen Auf- 
schlüsse am NW-Hang des Hrfebeny zeigen alle ein sehr konstantes 
Verflächen mit 30—35° nach NNW. 

Dagegen ist der Kalvarienwald reich, sowohl an natürlichen wie 
künstlichen Aufschlüssen. Es seien hier nur erwähnt die mächtigen 
Felsen am Ausgange des Moklicky-Tales, am Gipfel der Babka, des 
Stfeny vrh, unterhalb der Skalkakapelle, bei CGernolitz und auf zahl- 
reichen Höhenpunkten. Außerdem bieten die tiefen Schluchten am 
NW-Hang des Gebirges gute Aufschlüsse. 

Die Grenze gegen die im Hangenden der Quarzite folgenden 
d,jd, Grauwackenschiefer ist an mehreren Stellen zu sehen und es 
läßt sich hier, wie schon erwähnt, ein Ubergang beobachten. Das 
Streichen ist auch im Kalvarienwald im Allgemeinen annähernd 
NE-SW (meist N 60° E) und das Fallen 25—55°, selten auch noch 
steiler nach NW gerichtet. Wo größere Abweichungen in den La- 
gerungsverhältnissen auftreten, finden sie im tektonischen Teile Be- 
rücksichtigung, ebenso wird dort das vereinzelte d,-Vorkommnis mitten 
in d, südlich von Hat& behandelt werden (pag. 49). 


Glimmerreiche Grauwackenschiefer!) und dunkle 
Sandsteine (Barr. Stufe d, und d,, Lipold’s Vinicer und Zahoraner 
Schichten). 

Es sind dies graue, im angewitterten Zustand bräunliche, glimmer- 
reiche sandigtonige Schiefer, die stellenweise mit meist geringmäch- 
tigen Sandsteinen wechsellagern. Die Schiefer sind immer stark zer- 
klüftet und zerfallen in unregelmässige Stücke; die Schichtflächen der 
Sanrdsteine sind wulstig und von Glimmerschüppchen bedeckt. Eine 
Trennung der Stufe d, und d, ließe sich im Aufnahmsgebiete schon 
wegen der mangelnden Aufschlüsse nicht durchführen. Überdies ist 
ja schon von mehreren Autoren (Katzer [25], Jahn [19]) darauf 
hingewiesen worden, daß d, und d, nur faziell verschiedene Aus- 
bildungsweisen derselben Stufe darstellen. Tatsächlich fand ich auch 
an mehreren Punkten (z. B. in den Schluchten am Gehänge zwischen 
Rewnitz und Dobrichowitz), und zwar im tieferen Teile des Schicht- 
komplexes mitten zwischen den typischen d,-Schichten, dunkle dünn- 
blättrige Schiefer, die sehr den Schieferzwischenlagen in d&. ähneln 
und den sonst als d, beschriebenen Schiefern entsprechen dürften. 

Den allmählichen Übergang der d,/d,-Schiefer in die d,-Schichten 
habe ich bereits früher erwähnt; es wäre hier nur noch darauf hin- 
zuweisen, daB er auch von anderen Autoren (Jahn [19], Liebus 
[41]) mehrfach beschrieben wurde. 

Was die Grenze gegen d, anlangt, so ist es im Aufnahmsgebiete 
möglich, sie mit ziemlicher Genauigkeit zu ziehen, weil der petro- 
graphische Unterschied beiden Stufen recht deutlich ausgesprochen 
ist und gerade an ihrer Grenze häufig Aufschlüsse vorhanden sind. 
An einigen Stellen kann man sogar unmittelbar die Auflagerung sehen, 
wie besonders schön am linken Beraunufer gegenüber Rewnitz, wo sich 


!) Es sind eigentlich sandig-tonige Schiefer; die Bezeichnung „Grauwacken- 
schiefer“ hat sich für diesen Schichtkomplex jedoch so eingebürgert, daß es aus 
praktischen Gründen zweckmäßig scheint, sie beizubehalten. 


[17] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 231 


der Unterschied in dem Gesteine schon durch die Färbung auf weite 
Entfernungen erkennen läßt. 

An Fossilien ist die d,/d,-Stufe im Allgemeinen reich; auch im 
Aufnahmsgebiet findet man allenthalben, wenn auch nur schlecht er- 
haltene, organische Reste. Als besondere Fundorte wären anzugeben 
die beiden tiefeingeschnittenen Schluchten östlich von Swinaf und der 
tiefe Wasserriß am Stiiberny bei Rewnitz. Hier fand ich: Leda Bo- 
hemica Barr., Nucula obtusa Barr., Nucula dispar Barr., Pleuro- 
tomaria (Lophospira) viator Barr., Orthis sp. und Bruchstücke von 
Trinucleus sp., sehr zahlreich, stellenweise förmlich gehäuft, sind die 
Steinkerne von Lophospira. 

Die Stufe d, bildet im Aufnahmsgebiet eine breite Zone, die 
jedoch zum weitaus größten Teile von Gebirgsschutt bedeckt ist und 
nur im nördlichen Teile auf größere Erstreckungen anstehend zutage 
tritt. Daß tatsächlich d, im Untergrunde der lehmigen Schuttdecke 
liegt, zeigen am besten die Schluchten und Wasserrisse zwischen 
Swinaf und Rewnitz. — Auch am NW-Gehänge des Kalvarienwaldes 
kommt d, nicht nur fast in allen Tälern, sondern auch häufig an 
Hohlwegen, steilen Lehnen etc. zum Vorschein. Am linken Beraunufer 
ist ein schöner Schnitthang in den d,-Schichten angelegt; auch das 
flache Ufer unmittelbar westlich von Lety (unterhalb des Schnitt- 
langes) bilden auswitternden d,-Schichtenköpfe. 

Die scheinbar sehr bedeutende Mächtigkeit der d;/d,-Schichten- 
gruppe beruht wohl auch hier auf Schichtenwiederholungen infolge 
von Faltungen, wie dies Krejci [38] und Liebus [41] aus dem 
südwestlich anschliessenden Gebiet beschreiben. In meinem Gebiet 
konnte ich allerdings, soweit die Lagerung überhaupt ersichtlich ist, 
fast nur nordwestliches Einfallen (ausgenommen südiich von Hate, 
siehe später im tektonischen Teil) mit sehr wechselndem Neigungs- 
winkel feststellen. Dieser letztere Umstand, dann die oft steile Schicht- 
stellung und eine deutliche Dislokation, wie sie in der Schlucht süd- 
lich der Villenkolonie auf halber Strecke zwischen Dobfichowitz und 
Rewnitz zu sehen ist, zeigen, daß die Zone der d,-Schichten stark 
gestört ist. 

Glimmerarme, gelbliche und graue Tonschiefer und 
helle Sandsteine (Barr. Stufe d,, Lipold’s Königshufer- und 
Kossower Schichten). 

Die Schiefer sind meist gelblich und besonders dadurch charak- 
terisiert, daß sie in sehr dünne feine Blättenen zerfallen („Oblaten- 
schiefer“ 1). Manchmal sind die Schiefer auch grau gefärbt und ent- 
halten an einigen Stellen (so am rechten Hang im Karliker Tälchen) 
kleine, bis haselnußgroße kalkige Konkretionen mit schaliger Ab- 
sonderung. Mit den Schiefern wechsellagern — besonders im oberen 
Teile der Stufe — sehr feinkörnige bis dichte, quarzitähnliche hell- 
gelbliche Sandsteine. Die einzelnen Sandsteinbänke erreichen seltener 
größere Mächtigkeit (bis etwa 50 cm); sie zeigen oft sehr; deutliche 
Diagonalstruktur (z. B. besonders schön auf dem Hügelrücken nördlieh 
von Vorder-Treban), und auf den Schichtflächen die bekannten wul- 


') Katzer gebraucht diesen bezeichnenden Ausdruck. 


232 Ernst Nowak. [18] 


stigen Gebilde, die man jetzt als Kriechspuren von Meerestieren zu 
deuten pflegt. 

Die Sandsteine können auch vollkommen vorherrschen und die 
einzelnen Bänke sind dann nur durch dünne Zwischenlagen der 
Schiefer getrennt. 

Lipold hat eine Unterteilung der Barrande’schen Stufe d, 
in die unteren Königshofer (Schiefrige Entwicklung) und die höheren 
Kossower Schichten (Sandsteinentwieklung) vorgenommen und diesen 
Unterabteilungen die Geltung von stratigraphischen Horizonten zu- 
geschrieben. Obwohl tatsächlich im tieferen Teile der Stufe die 
schiefrige Ausbildung und im höheren Teile die Sandsteinentwicklung 
vorwiegt, war es im Aufnahmsgebiet keineswegs möglich, die Trennung 
der beiden Ausbildungsweisen vorzunehmen, da ihr gegenseitiges 
Verhältnis ein zu enges ist und ich auch Übergänge im Streichen 
— durch Auskeilung der Sandsteinbänke — mehrfach beobachten 
konnte. Daraus ergibt sich auch, daß die Unterteilung in Königshofer 
und Kossower Schichten zum Nachweis von tektonischen Störungen 
nicht geeignet und nicht ausreichend ist. 

Die d,-Schichten liefern einen hell-schokoladenfarbigen lockeren 
Ackerboden, der sich von dem dunkel-kaffeebraunen, der aus den 
Graptolitenschiefern hervorgeht, gut unterscheidet; dadurch läßt sich 
auch oft in Feldstrecken die Grenze der beiden Stufen recht deutlich 
erkennen. An zahlreichen Stellen sind die d,-Schichten von mächtigen 
Diabasvorkommnissen durchsetzt und dann vielfach kontaktmeta- 
morph verändert (siehe später bei den Diabasen). Obwohl die 
Stufe d, sonst fossilreich ist, ist es mir nicht gelungen, im Aufnahms- 
gebiete in ihr organische Reste aufzufinden, abgesehen von den 
problematischen Resten auf den Schichtflächen der Sandsteine. 

Die d,-Schichten bilden im südwestlichen Teil der NW-Begren- 
zung des Aufnahmsgebietes die Grenze und reichen auch noch auf 
das von Seemann kartierte Blatt hinüber. Sie sind hier meist 
schiefrig entwickelt und setzen den Abhang des die Hostomitzer 
Senke deutlich nach NW abgrenzenden Rückens zusammen, auf dessen 
Höhe dann meist erst die Sandsteinbänke anstehen. Auch der Steil- 
abhang, der sich von Le@ nach NE längs des Swinafer Baches dahin- 
zieht, wird fast ausschließlich aus typischen dünnblättrigen gelben 
Schiefern gebildet. Erst der zweite Höhenzug, der östlich von Litten 
von der Kote 329 nach NE zur Kote 340 streicht und das steile 
Gehänge des Böälter Baches darstellt, besteht vorwiegend aus den 
Kossower Sandsteinen. Der zweite d,-Zug am rechten Ufer der 
Beraun, der nördlich von Bel& mit keilförmiger Gestalt im Graptoliten- 
schiefer steckt, ist wenig aufgeschlossen und mehr schiefrig ausge- 
bildet. Der dritte d,-Zug, der den Vockov bildet, zeigt auch mehr 
schieferige Entwicklung; er ist durch die Bahnanlage am Fuße des 
Berges in seiner ganzen Mächtigkeit aufgeschlossen. . 

Am linken Ufer der Beraun besteht das Gehänge der Rewnitzer 
Talweitung bis zu dem Wasserriß nordöstlich der Rewnitzer Mühle 
aus d,, und zwar östlich des Tälchens, das gegen Rovina emporführt 
aus Schiefern, westlich dagegen zum Teil auch aus Sandsteinen. 
Der zweite Zug der gegen v Chaloupkoch streicht, ist vorwiegend 


[19] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 233 


aus Sandsteinen zusammengesetzt, ebenso der dritte Zug, der des 
Policko; hier finden sich überall, besonders an dem gegen die Tfe- 
baner Talweitung zugekehrten Gehänge in den sehr typisch ausge- 
bildeten Schichten (Sandsteine mit Diagonalschichtung, siehe: Fig. 2) 
vorzügliche Aufschlüsse. Hingegen sind die d,-Schichten am Gehänge 
westlich des Ausganges des Tales, das gegen Morinky hinanführt, 
hauptsächlich schiefrig entwickelt. 


Nordöstlich der Straße von Lety nach Morin findet man d, als 
eine breite geschlossene, nur von Diabasen durchbrochene Zone. Der 


Fig. 2. 


5 Typisch entwickeltes d, N von Vord.-Treban. 
Diagonalgeschichtete Sandsteinbänke wechsellagern mit dünnblättrigen Schiefern. 


Öabrakrücken und ebenso die Höhe oberhalb Karlik besteht vor- 
wiegend aus Sandstein; gegen das Hangende zu, so auf der Höhe 387 
herrscht dann wiederum mehr die schieferige Entwicklung. vor. 


Was die Lagerung der d,-Gesteine betrifft, so ist wieder ein 
ziemlich konstantes NW- bis NNW-Verflächen in einem Winkel, der 
in der Regel etwa 30° beträgt, allgemein. Daß die Zone jedoch ins 
Einzelne stark gestört ist, zeigen vor allem die detaillierten Faltungen 
und Schichtenzerreißungen am Gehänge des Vockov (s. pag. 34); die 
großen Störungen, .die das Gebiet betroffen haben, sollen später 
erörtert werden. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (E. Nowak.) 30 


234 Ernst Nowak. | [20] 


Obersilur. 


Graptolitenschiefer (Barrandes Stufe e, Lipolds 
Littener Schichten). Sie sind kalkig, dunkel, meist schwarz, bituminös, 
teils dünnschiefrig und ausgezeichnet spaltbar, teils mehr plattig. 
Gegen das Hangende zu werden sie kalkreicher, enthalten kalkige 
Konkretionen und wechsellagern schließlich mit dünnen Bänken von 
unreinem dunklen Kalk. Man bezeichnet diesen höheren Teil der 
Stufe e, nach dem Vorschlage Jahns [19] als Übergangsschichten 
oder e,ß gegenüber den tieferen e,x-Schichten. Die Grenze ist eine 
sehr labile und läßt sich im Felde, wo nicht genügend Aufschlüsse 
sind, schwer festlegen. 

Die Schichten sind fast überall im ganzen Gebiete reich an 
Graptolitenresten. Als besonders ausgezeichneter Fundort wären die 
„Kolonien* von Tfeban hervorzuheben. In den Kalkkonkretionen und 
Kalkschichten (e,ß) finden sich auch andere organische Reste (Ortho- 
ceren, Bivalven). 

Bekanntlich haben Marr [47] und Tullberg [65] auch für 
das mittelböhmische Silur eine Graptolitenzoneneinteilung durchgeführt. 
Ich habe es nicht als meine Aufgabe betrachtet, in dieser Richtung 
eingehendere Studien zu betreiben, aber bei der Beurteilung der 
Natur der Graptolitenschiefereinlagerungen („Kolonien“) in den d;- 
Schichten des Aufnahmsgebietes, stellte sich die Notwendigkeit heraus, 
eine provisorische und wenigstens für dieses Gebiet brauchbare Unter- 
teilung in diesem Schichtenkomplex durchzuführen. Das Herbeiziehen 
der von Lipold eingeführten Einteilung der d,-Stufe in Königshofer 
und Kossower Schichten zum Nachweis tektonischer Erscheinungen 
— so wie es Lipold getan hat [44] — erscheint schon deswegen be- 
denklich, weil sie sich nur auf petrographische Unterschiede gründet; 
zudem ist dieser Unterschied kein konstanter, sondern es lassen sich 
— wie schon erwähnt — Übergänge im Streichen beobachten. Die 
Unterteilung der Stufe e, in « und ß war nicht ausreichend, da sich 
eigentliches e,ß. in den „Kolonien“ nicht vorfindet. So schien, es 
naheliegend, die Marr’sche Zonenteilung zur Hilfe herbeizuziehen !) 
und zu versuchen, ob sich innerhalb e,x im Aufnahmsgebiete im 
Felde eine Unterscheidung nach den Graptolitenresten in zumindest 
zwei stratigraphische Abteilungen durchführen läßt. Dies ist nun tat- 
sächlich möglich, denn in Anlehnung an die Marr’schen Zonen fand 
ich in den tieferen Schichten nur: Climacograptus scalaris Lin., Ras- 
trites peregrinus Barr. (diese beiden Arten in besonderer Häufigkeit), 
Diplograptus palmeus Barr. und Formen von Typus des Monograptus 
Nilssoni Barr., dagegen in den oberen, an Graptoliten meist ärmeren 
Schichten: Monograptus priodon Bronn, Monograptus dubius Suess und 
Monograptus colonus Barr. 

Innerhalb dieser Schichtenabteilungen werden sich wohl noch 
weitere Zonen feststellen lassen; im folgenden werde ich daher immer 


!) Marr hat auch bereits seine Zoneneinteilung zum Nachweis der tek- 
tonischen Natur einiger Kolonien („Haidinger“ „Hodkovicka“) verwendet {siehe 
später pag. 37). 


[21] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 235 


nur von den beiden Zonengruppen von e,« sprechen, die ich manch- 
mal der Kürze wegen als e, a, und e, ©, bezeichnen will). 


b) Eruptivgesteine. 
(Porphyr, Diabas). 


Porphyr findet sich nur in einem vereinzelten, sehr beschränk- 
ten Vorkommnis, und zwar im präkambrischen Schieferterrain auf 
der Höhe des Goldberges bei Mnischek. Dieses Vorkommnis ist von 
Barvir [4]. beschrieben worden. Man hat es hier mit einem aus- 
streichenden Quarzporphyrgang zu tun. Ich fand das Gestein nur an 
einer Stelle anstehend ?2); es ist stark zersetzt und von hellgrauer 
Farbe; schon makroskopisch erkennt man Einsprenglinge von Quarz 
und Feldspaten. Im Mikroskope erweist sich der Feldspat meist stark 
getrübt, als Orthoklas (in Karlsbader Zwillingen) und saurer Plagioklas. 
Dunkle Gemengteile fehlen fast ganz (nach Barvir finden sich 
Spuren von Biotit), die geringe opake Substanz ist Pyrit. Kettner, 
der in neuester Zeit sich mit den Porphyren der Umgebung eingehend 
befaßt hat [71j und auch das Vorkommnis vom Goldberg behandelt, 
nennt das Gestein einen monzonitischen Quarzporphyr. 


Interessant ist es, daß in unmittelbarer Nähe dieses Porphyr- 
vorkommens alte Goldschächte vorhanden sind, denen der Berg seinen 
Namen verdankt. Barvir bringt dieses Goldvorkommnis mit dem 
Porphyre in genetischen Zusammenhang, indem er ihn als den „Gold- 
bringer ansieht [5]. Das Gold war im Mnischeker Bergbau an einen 
Quarzgang gebunden, der heute nicht mehr sichtbar ist, da die 
Schächte verschüttet sind. Auch die Halden sind bereits von Vege- 
tation bedeckt. 


Am Kontakt mit dem Porphyr findet sich, worauf auch Barvir 
[#4] aufmerksam macht, ein kieselschieferartiges Gestein und es ist 
möglich, daß die ganze Einlagerung von kieseligem Schiefer, die sich 
vom Goldberg zum kleinen heiligen Berg erstreckt, mit dem Porphyr- 
vorkommnis, das sich in der Tiefe weiter fortsetzen könnte, in irgend 
einem Zusammenhang steht, wie dies schon früher angedeutet wurde’), 


1) Diese durch die beiden Zonengruppen repräsentierten Schichtenabteilungen 
— denen aber, wie gesagt, durchaus keine allgemeine stratigraphische Geltung 
zukommen soll — dürften ungefähr übereinstimmen mit der seinerzeit von Katzer 
(zuerst 1888 in seinem „Älteren Paläozoikum in Mittelböhmen“) vorgeschlagenen 
Unterteilung von e, in untere (kalkarme) Graptolitenschiefer und obere Kalkschiefer ; 
nur entspricht den oberen Kalkschiefern der größte Teil jener Schichten, die man 
heute als e,8 bezeichnet. 

?) Lesesteine des Porphyrs finden sich auch noch eine Strecke nach SW 
gegen Kytin; wie mich Herr Kettner freundlichst aufmerksam machte läßt sich 
auch auf der Höhe des Rückens mit Kote 482 ein Porphyrgang, — allerdings 
auch nur in sehr spärlichen Ausbissen verfolgen. 

®) Kettner konnte, — wie ich gleichfalls seiner persönlichen Mitteilung ver- 
danke, — im angrenzenden präkambrischen Gebiet die Beobachtung machen, 
daß die Verkieselung immer nur die Schichten im Hangenden von Porphyr- 
intrusionen ergriffen hat (wie dies auch am Goldberg der Fall ist); im übrigen 
verweise ich auch hier auf seine neueste Arbeit [71]. 

30* 


236 Ernst Nowak. Nm T22} 


Diabas findet sich in einem einzelnen Vorkommen bereits in 
den kambrischen Konglomeraten. Es ist ein Gang, der nur mit seinem 
äußersten Ende — bei der Wiese Lipiz (Kote 402) bei Dobfisch — 
in das Kartengebiet reicht und sich nach SE bis nahe an die Grenze 
gegen die präkambrischen Schiefer verfolgen läßt. Das Gestein er- 
scheint makroskopisch in frischen Stücken schwarz, beinahe dicht 
und läßt nur Einsprengungen von Pyrit erkennen. Im Mikroskope 
zeigt es typische ophitische Struktur; die Plagioklasleisten sind stark 
getrübt und zersetzt, der Augit ist nahezu farblos, ohne‘ erkennbare 
Krystallform. Außerdem sind im Schliffe sehr verbreitet Körner und 
Anhäufungen von aus Ilmenit hervorgehendem Leukoxen. _ 

Das nächste Diabasvorkommen gehört der Stufe d, an. Die 
Aufschlüsse (Moklickytal, Mnischek-Rewnitzer Bezirksstraße) sind nur 
gering und das Gestein sehr zersetzt. Man wird auch diesen :Diabas 
als intrusiv auffassen müssen, da das Nebengestein . De Kontakt 
deutlich verändert ist (s. pag. 42). 

Das Hauptverbreitungsgebiet der Diabase liegt in. einer Zone 
längs der Grenze des Unter- und Obersilurs; man kann hier: förmlich 
von einer Durchtränkung mit Diabas, sowohl der d,-Schichten als 
auch der e,-Graptolitenschiefer sprechen. Die Vorkommnisse sind oft 
von so geringer Ausdehnung, daß ihre Ausscheidung auf der Karte 
‚nicht möglich ist. Anderseits vermochte ich innerbalb des Graptoliten- 
schieferstreifens, der vom linken Beraunufer über Klein-Morin gegen 
das Karliker Tälchen verläuft, die hier überaus zahlreichen Diabas- 
vorkommen nur schematisch einzuzeichnen, da das ganze Terrain von 
Feldern bedeckt ist und sich der Diabas hier zum größten Teil.nur 
im Frühjahr oder Herbst bei frisch gepflügten Feldern durch seine 
charakteristische rostbraune Verwitterungsfarbe zu erkennen gibt. 
An vielen Stellen finden sich jedoch auch ausgedehntere Diabas- 
massen, die schon von weitem als mächtige schwarze Felsen ins 
Auge fallen. 

In eigentümlichem Gegensatze zu den Beobachtungen, die See- 
mann [60] in seinem Gebiet über die geologische Form der Diabase 
gemacht hat — erfand: hauptsächlich Decken und Ströme, . also 
effusive Formen — konnte ich bei weitaus den meisten Diabasen, 
soweit sich Beobachtungen über ihre Form anstellen ließen, ihren 
intrusiven Charakter feststellen. So sind alle die mächtigen Diabas- 
massen bei Karlik, bei Rewnitz, Vorder- unter Hinter-Treban, bei 
Vlenec unzweifelhaft intrusiv; es sind durchwegs riesige Lagergänge. 
Da sich das Auftreten der Diabase im Aufnahmsgebiete gerade an 
‘die Zone der großen Störungen hält, die die zahlreichen Schichten: 
wiederholungen zur Folge haben, so könnte man sich die Anschauung 
bilden, daß das Diabasmagma nachträglich zwischen die durch die 
Faltung. gleichsam aufgeblätterten Sedimentschichten eingedrungen ist. 
Diese Durchdringung der Schichten mit Diabas muß sehr ins einzelne 
gegangen sein, denn man kann vielfach Lagergänge von ganz geringen 
Dimensionen (wenigen Zentimetern Mächtigkeit) beobachten. 

Eine interessante Bildung ist ein breccienartiges Gestein, das 
am Ausgang des südlich des Ple$ivec. bei Budnan verlaufenden Tales 
an der Straße Vorder-Treban—Budnan gegenüber dem Pumphäuschen 


123) Geol. Untersuehungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 237 


auf mehrere Meter aufgeschlossen ist. Dieses Gestein läßt sich kurz 
charakterisieren als ein von Graptolitenschieferbrocken ganz erfüllter 
Diabas; die Schieferbrocken zeigen vielfach eine klein-sphäroidische 
Absonderung,' die auf Hitzewirkung zurückzuführen ist. Wir "haben 
demnach hier eine vulkanische Breccie vor uns, die wahrscheinlich 
die: Ausfüllung eines vulkanischen Schlotes darstellt. 

Dieses Vorkommnis sowie die an einigen Stellen. beobachteten 
Schichtenbiegungen, die man auf Rechnung des in die Schichten ein- 
dringenden und sie aufwölbenden Diabasmagmas zu setzen bewogen 
wird (s. pag. 33, 36 u. 37), spricht weiters für die große Bedeutung 
der intrusiven Eruptionsform des Diabases im Aufnahmsgebiet. 

Die’ Kontaktwirkung der Diabase beschränkt sich meist auf 
Härtung des Nebengesteines. Der Graptolitenschiefer verliert außerdem 
in der Nähe des Diabases seine Spaltbarkeit, wird plattig und weist 
manchesmal eine stengelige Absonderung senkrecht zur Schichtfläche, 
bzw. zur Abkühlungsfläche des Diabaslagers auf. Mehrfach ist es auch 
möglich” mineralische Veränderungen am Kontakte mit Diabas fest- 
zustellen, so vor allem an den d,-Sandsteinen am Kontakte mit den 
großen Diabasmassen von order! und Hinter-Tfeban: Schon makro- 
'skopisch fällt bei diesen Sandsteinen neben der Härtung Flecken- 
bildung oder das Auftreten von glänzenden Spaltflächen auf. Im 
Mikroskope zeigt es sich, daß allenthalben im Gestein Kalzit aus- 
zukrystallisieren beginnt. Wo diese Krystallisation weit vorgeschritten 
ist, löscht der Dünnschliff in einheitlichen Partien aus. Diese ein- 
heitlich auslöschenden Partien entsprechen großen Kalzitindividuen, 
die die Quarzkörnchen des Sandsteines vollkommen umwachsen haben. 
Man könnte so dieses Kontaktprodukt als einen marmorisierten 
Sandstein bezeichnen. Da.das Bindemittel im unveränderten Gestein 
ein kieseliges ist, so muß man annehmen, daß das Ca CO; in irgend 
einer Weise aus. dem Diabase bezogen ist), 

Auch die Graptolitenschiefer zeigen manchmal am Kontakt a 
Diabas einen krystallinen Habitus. 


c) Decksedimente. 
(Tertiäre Flußablagerungen ? Diluvialbildungen). 


' Über dem gefalteten Altpaläozikum finden sich in dem auf- 
genommenen Gebiete keine Spuren transgredierender Bildungen ?) 
außer jungen fluviatilen Schottern, Sanden und Lehmen; sie 
begleiten vor allem die Höhen zu beiden Seiten des Berauntales, 
teils wirkliche Sedimentdecken, wenn auch nur von geringer Aus- 
dehnung bildend, teils nur in Form einer Bestreuung. Ich habe die 
Kartierung dieser Bildungen stellenweise auch da vorgenommen, wo 
man von keiner zusammenhängenden Decke, die den Untergrund 


- ) Diese kurze Mitteilung soll nur als ein Hinweis auf die Erscheinung, aber 
durchaus nicht als abschließendes Urteil über diesen Gegenstand — vor allem standen 
mir bierfür zu wenig Schliffe zur Verfügung — betrachtet werden. 

?) Obwohl man — wie schon früher bemerkt (pag. 3) — annehmen muß, 
daß ‘auch dieses’ Gebiet ‘wie ganz Süd- und Mittelböhmen unter der Kreidedecke, 
die erst durch die postkretazische Erosion wieder: entfernt wurde, begraben. lag, 


238 Ernst Nowak. [24] 


vollständig verhüllt, reden kann, sondern mehr von einer dichten 
Bestreuung. Ich tat dies dort, wo es mir vom morphologischen Stand- 
punkte wichtig schien, und wo die Vernachlässigung des ohnehin nur 
aus Lesesteinen unsicher erkennbaren Untergrundes das geologische 
Bild nieht störend beeinflußte. 

Die auf deutlichen Verebnungsflächen in mehreren Niveaus auf- 
tretenden Schotter und Sande, die über dem Altpaläozoikum Böhmens 
überall weit verbreitet sind, haben schon verschiedene Deutung er- 
fahren. Wohl hat man die tiefsten, längs der Flüsse meist deutliche 
Terrassen bildenden Vorkommnisse immer für diluvial und für Ab- 
lagerungen der einst in höherem Niveau fließenden Flüsse angesehen. 
Haben ja Fossilfunde dieses Alter erwiesen. Dagegen sind die höheren 
Schotter- und Sandvorkommnisse wohl zunächst auch für diluvial 
gehalten worden (Krejöi 1859 [33]), später wurden sie jedoch als 
zerfallene Kreidebildungen, und zwar als Perutzer Schichten angesehen 
(Krejöi-Helmhacker 1885 [37], Katzer 1892 [25]) und auch 
so in der Umgebungskarte von Prag kartiert. Neuestens wird die 
Anschauung vertreten, daß diese höheren Schotter wenigstens zum 
Teil tertiär sind (Purkyn&, Kettner, Dane). 

Ohne vorläufig auf die Altersfrage der Sedimente näher ein- 
zugehen, möchte ich zunächst ihre Ausbildung und ihr Auftreten im 
Aufnahmsgebiet kurz beschreiben. Das Material der Schotter ist in 
allen Niveaus das gleiche, wenn auch manchmal gewisse Elemente 
vorwiegen: Quarz, Quarzit, Kieselschiefer (schwarz und rot), Konglo- 
merat, seltener Porphyr und vereinzelt andere unzweifelhaft den alt- 
paläozoischen Schichten entstammende Gesteine. Quarzsande finden 
sich in allen Korngrößen bis zum Übergang in Schotter; meist bemerkt 
man deutliche Diagonalschichtung. Im allgemeinen läßt sich sagen, 
daß daß Material in den höchsten Niveaus kleinkörniger ist und hier 
Sande vorwiegen, die durch ein toniges Bindemittel locker ver- 
kittet sind. 

Es sind im Aufnahmsgebiet fünf Niveaus zu unterscheiden !), in 
denen man diese Ablagerungen antrifft. Das tiefste Niveau liegt 
ungefähr 11 m über dem Wasserspiegel der Beraun und entspricht 
der tiefsten (oder dritten) Terrasse Purkyn&s [53]; diese tiefste 
Terrasse zeigt immer eine gut erhaltene Terrassenform. Sie ist gut 
aufgeschlossen am rechten Ufer der Beraun bei der Station Karlstein, 
dann bei Hinter-Treban; in ihrer Form schön ausgebildet östlich von 
Rewnitz, bei Brunsov und der Station Dobrichowitz und am linken 
Ufer westlich von Lety. Das Alter dieser Terrasse ist durch Fossil- 
funde (Zähne vom Pferd und Rhinozeros [69]) im Aufschluß bei der 
Station Karlstein als diluvial festgestellt. 

Das zweite Niveau, in dem Schotter und Sande auftreten, 
liegt in etwa 46 m über der Beraun (d. i. im Aufnahmsgebiete 250 m 
bis 248 m absolut) und ist identisch mit Purkyn&s mittlerer oder 
zweiter Terrasse; auch ihre Form ist meistens noch gut erhalten. Sie 
ist sichtbar am rechten Ufer östlich von Hinter-Treban und am linken 


!) Sie dürften identisch sein mit jenen, die Kettner [32] an der Moldau 
zwischen Königsaal und Stechowitz unterscheidet. 


[25] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 239 


Ufer nördlich von Vorder-Tfeban und zwischen Rovina und Lety (bei 
Kote. 248). Das dritte Niveau befindet sich 80—73 m über dem 
Beraunspiegel (285 m bis 278 m absolut); es ist Purkyn&s höchste 
und erste Terrasse. Ihr gehören die ausgedehntesten Schotterfelder 
an und die Ebenheiten, die sie bilden, treten besonders im Land- 
schaftsbilde hervor; dagegen ist die Terrassenkante oft verwischt und 
dann böscht sie sich allmählich gegen die tiefere Terrasse ab, mit 
der sich ihre Schotter vermischen. Sie ist am rechten Ufer der 
Beraun in einzelnen Fragmenten erhalten am Gehänge südlich von 
Pouönik, dann gut aufgeschlossen jenseits des Vockov bei B&lö; auch 
die Schottervorkommnisse bei Lhotka gehören diesem Niveau an. 
Schöne Terrassenflächen mit mächtiger Schotterbedeckung finden sich 
sowohl westlich wie östlich von Hinter-Treban. Wiederum nur einzelne 
Reste sind erhalten am Gehänge des Brdywaldes südlich von Rewnitz 
und westlich von Wschenor. Am linken Ufer gehört diesem Niveau 
das weite Schotterfeld nördlich von Vorder-Treban zum großen Teile 
an, dann die kleine aber schön ausgeprägte Terrasse am Policko 
(Kote 270) und schließlich die große mächtige und bis kindskopfgroße 
Gerölle enthaltende Schotterdecke von Rovina. 

Außer auf diesen drei, schon von Purkyn?£ festgestellten 
Terrassenflächen fand ich Sande und Kiesel, bzw. kleinkörnigen 
Schotter in einem noch höheren Niveau, und zwar am rechten Ufer 
der Beraun nordöstlich von Litten in über 300 m Meereshöhe. Diese 
Sande und Kiesel bedecken hier, stark mit Lehm vermischt, weite 
ebene Flächen, allerdings stellenweise nur in Form einer Bestreuung; 
daß sie jedoch auch sehr bedeutende Mächtigkeit erreichen, zeigt 
der schöne Aufschluß in diesen Ablagerungen an der Straße von 
Litten nach Krupna; in einer großen Sandgrube sieht man hier 
mehrere Meter mächtige deutlich diagonal geschichtete Sande mit 
Lagen von gröberen Kieseln. Am linken Ufer der Beraun fand ich 
in dieser Höhe keine entsprechenden Ablagerungen. Dagegen sind 
hier an der Straße von Lety nach Morin in einem noch höherem 
Niveau, nämlich in etwa 350 m, an einer sehr eng begrenzten Stelle 
stark verfestigte grobkörnige Sande mit undeutlicher Diagonalschichtung 
aufgeschlossen. 

Der Habitus und das Auftreten der Sande und Kiesel in über 
300 und in 350 m Höhe weist darauf hin, daß man es auch hier mit 
alten Flußablagerungen zu tun hat, die zwei verschiedenen Hochböden 
der Beraun angehören. Wie schon erwähnt, sind außerhalb des Karten- 
gebietes weit ausgedehntere Sand- und Schottervorkommnisse in 
ebenso hohen Niveaus längs der Beraun und Moldau sowie an anderen 
Orten Böhmens?!) bekannt und verschieden beurteilt worden. 

Der Anschauung, daß man es in diesen Schotter- und Sand- 
ablagerungen mit an Ort und Stelle zerfallenen Kreidebildungen zu 
tun hat, ist vor allem ein morphologisches Bedenken entgegenzustellen. 
Nämlich die, trotz der in Beziehung auf den heutigen Flußspiegel 
erhöhten Lage doch im allgemeinen tiefe Auflagerungsgrenze 


') So beschreibt Hinterlechner [18] aus Ostböhmen ganz analoge Vor- 
kommnisse. 


240 Ernst Nowak. . } las [26] 


dieser Sedimente.. Sie liegt um ein bedeutendes tiefer als man nach 
den bisherigen Beobachtungen über die Auflagerungshöhe der Kreide in 
Böhmen erwarten müßte): und eine. derartige Depression der Auf- 
lagerungsgrenze der Kreide würde im Widerspruche mit der sonst 
vollkommen berechtigten Annahme einer ee Rumpffläche 
stehen: 

Übrigens fand ich in der Gegend von Litten- in den Schottern 
'Geröllstücke von Konglomeraten, die dem petrographischen Charakter 
nach: zu urteilen, kaum dem. Altpaläozoikum entstammen, sondern 
wahrscheinlich jüngerer Bildung sind. Falls wir es hier mit wirklichen 
Resten aus der ehemaligen Kreidedecke zu tun haben, so gibt deren 
Erhaltung als festes Konglomerat wenig Wahrscheinlichkeit für die 
Annahme, daß dieselben Kreidekonglomerate ‘sonst vollkommen in 
Ihre Bestandteile zerfallen wären. Man hat: auch nirgends einen 
direkten Übergang der ansteheriden Kreidekonglomerate in aus. ihrem 
Zerfall hervorgegangene Schotter nachweisen‘ können. 

DanesS: weist in seinem Aufsatz über die morphologische en 
wicklung Mittelböhmens [71] — indem er sich hierbei’ auch .aufcodie 
Arbeit Zahälkas über die Kreide westlich der Moldau (Sitzber.d. 
böhm.: Ges. d.>Wiss. 1911) bezieht — darauf hin, daß die Ausbildung 
der Perutzer .Schichten als Konglomerat überhaupt nicht nach- 
gewiesen sei, bzw. nur.eine ganz vereinzelte "lokale Eıschemmung! zu 
sein scheint. 

Hinterlechner 18] wendet sich auf Grund seiner Eiriaheiiagen 
in der Gegend: von Deutsch-Brod gleichfalls gegen die Auffassung 
daß aus den Perutzer Schichten lockere Sande und Schotter herdar- 
gehen. könnten, vor allem weil auch er eine Entwicklung‘ der Kreide 
in derartigen Konglomeraten, die das Material zu Schottern liefern 
könnten, gar nicht fand. 

/ Gegen. die Auffassung eines diluvialen Alters ech .die hohe 
‚Lage dieser: ‚Ablagerungen, d. h. ihre große vertikale Entfernung von 
(den mit Sicherheit als “ailuvial erwiesenen Sedimenten. 

Dagegen hat in neuerer Zeit Kettner für Sand-, Schotter 
und Tonablagerungen zwischen der Beraun und Moldau (bei .Sloup, 
Klinetz, Jilowischt) in 100—170 ın über dem heutigen Beraun-Moldau- 
‚spiegel durch Fossilfunde (Pflanzenreste) deren ter tiäres, wahrscheinlich 
miozänes Alter nachgewiesen [23]. 

Hierauf hat auch Purkyn& die;Ansicht ausgesprochen [53], 
daß die auch sonst in gleicher Höhe im Beraungebiete anzutreffenden 
Schotter und Sande tertiären Alters sein dürften. Kettner [32] 
nimmt an, daß es Ablagerungen eines träge fließenden, großen Stromes 
sind, der aus dem heutigen Beraungebiete kam und sich auf,dem 
silurisch-denonischen Plateau in zahlreiche Arme gespalten habe; er 
‘schreibt auch alle die übrigen hochliegenden Schotter‘ in der Um- 
.gebung von Prag diesem „Klinetzer Flusse* zu. DanesS [7].schließt 
‚sich ‘dieser Ansicht an und weist darauf hin, daß diese.‘tertiäre Vor- 


!) Die Auflagerungsfläche der Kreide hat Gefälle gegen N; am südlichen 
Rande der zusammenhängenden Kreidedecke,, 'z. B. in der Umgebung ı von as 
liegt die Auflagerungsgrenze in etwa 360 m. 


[27] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 241 


läuferin der Beraun bereits etwa 50 m in die als oligozän anzu- 
sprechende Rumpffläche!) eingesenkt gewesen sei. Auch Hibsch [17] 
betrachtet die Tertiärvorkommnisse von Sloup und Klinetz sowie 
die entsprechenden übrigen Schotter- und Sandvorkommnisse als Ab- 
lagerungen eines tertiären Fluß- und Seensystems. 

DenfSchotter, den Kettner in 100—200 m über der Moldau 
fand — derfalso den Schottern und Sanden entsprechen dürfte, die 


Fig. 3. 


Die mit Sand und Kieseln bestreute Verebnungsfläche zwischen Böl@ und Litten 
(in über 300 m Höhe); im Vordergrund die Diabashügel von Bö&lt, ein von der 
Erosion herausmodellierter Lagergang. 


ich in ungefähr gleicher Höhe über dem Beraunspiegel (in über 
300 m absolut) in der Umgebung von Litten antraf — hält er für 
pliozän [32]. 

Wie die Beraun im großen, so weisen in geringer Ausdehnung 
auch viele Bäche über ihrem heutigen Bett Schotter-, Sand- und 
Lehmablagerungen auf. Die größeren Bäche am W-Hang des Brdy- 
waldes zeigen sogar mehrfach ganz deutlich Ansätze von Terrassen, 
deren Schotter jedoch meist vom Gebirgsschutt bedeckt sind. Dagegen 
werden die oft. in bedeutender Mächtigkeit abgelagerten Lehme, die 


!) Über das Alter der Rumpffläche siehe Raßmuß [54]. 
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (E. Nowak.) 31 


242 Ernst Nowak. | [28] 


jedenfalls aus der Umschwemmung des lehmigen Gebirgsschuttes 
hervorgegangen sind, eifrig zu Ziegeleizwecken ausgenutzt (bei Rew- 
nitz, Let usw.). 

Die Erscheinung der Talverjüngung, wie sie die Beraun durch 
ihre tiefe Versenkung in ihre alten Verebnungen in so deutlicher 
Weise zeigt, äußert sich durch ihre Formen auch sonst im Aufnahms- 
gebiete sehr auffällig. So zeigt besonders schön das Gebiet des Pra- 
slavskybaches zwischen Ridka und Jilowischt die Einsenkung einer 
jungen bis reifen Zertalung in die Rumpffläche mit ihren ganz alten 
Formen. Charakteristisch sind auch die im Gebiete der d,-Schiefer 
steil eingerissenen Schluchten, in denen heute nur gelegentlich Wasser 
fließt — wie zwischen Dobfichowitz und Rewnitz, bei Swinaf —, 
die das beste Zeugnis für die Macht der neubelebten Tiefenerosion 
abgeben. 


III. Die tektonischen Verhältnisse. 


a) Die Schichtenwiederholungen an der Grenze des Unter- und 
Obersilurs. 


(„Kolonien* Beld, Treban und Öernoschitz). 


Bei der Schilderung der tektonischen Verhältnisse möchte ich 
von der bisher eingehaltenen stratigraphischen Reihenfolge abweichen 
und mit jenen auffallenden Schichtenwiederholungen an der Grenze 
zwischen Ober- und Untersilur beginnen, da hier in den fossilführen- 
den Schichten die tektonischen Erscheinungen verhältnismäßig leichter 
zu deuten und ihr Charakter exakter zu beweisen ist, als in dem 
fossilleeren Brdygebirge. Es sollen dann die in der Störungszone an 
der Grenze zwischen Unter- und Obersilur gewonnenen Erfahrungen 
dazu dienen, die tektonischen Erscheinungen im Brdygebirge ver- 
ständlicher zu machen. 

Die Einschaltungen von Graptolitenschiefern innerhalb der d;- 
Schichten, wie sie in der Gegend von Litten, B&l& und Treban so 
deutlich sichtbar sind, hat schon Krejti [35] bei seiner Aufnahms- 
arbeit für die Übersichtskarte der geologischen Reichanstalt beobachtet 
und auch richtig erkannt, daß sie gegen SW mit dem obersilurischen 
Terrain oberflächlich in unmittelbarem Zusammenhange stehen !). Daß 
Barande’s Kolonien „Haidinger“* und „Krej&i* im Streichen dieser 
‚mit dem Obersilur zusammenhängenden Einlagerungen liegen, war 
einer der Umstände, die Krejti hauptsächlich dazu bewogen, als 
Erster die Meinung zu äußern, daß sich Barrande’s Kolonien viel- 
leicht durch Dislokationen erklären ließen [34]. Krejcti hielt auch 
trotz dem sehr energischen Proteste Barrande’s [3] gegen diese 
Erklärungsweise und trotz der Parteinahme Sueß’s [63] für 
Barrande zunächst an seiner Meinung fest, indem er sie noch näher 


1) Die Lagerungsverhältnisse, wie sie Krej@i in seinen diesbezüglichen 
Profilen (flache Mulden und Sättel) zur Darstellung bringt, stehen mit der Be- 
obachtung insofern in Widerspruch, als diese isoklinalen Faltenbau ergibt. 


[29] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 943 


begründete [35]. Dies veranlaßte den damaligen Direktor der geolog. 
Reichsanstalt Haidinger, den Chefgeologen Lipold mit der Sonder- 
mission zu betrauen, „an einer der Kolonien, wo Herr Professor 
Krejti eine von der des H. Barrande verschiedene Ansicht sich 
gebildet hat, alle Verhältnisse so genau zu untersuchen und hinläng- 
liche Aufsammlungen von Fossilresten einzuleiten, um zu einem 
sicheren Schlusse zu gelangen, so daß kein Zweifel übrig bleibt.“ 
Das Resultat der Lipold’schen Untersuchungen [44] bestätigte 
die Ansicht Krejti’s. Lipold wählte zu seinen Untersuchungen die 
Kolonien „Krejei* und „Haidinger* und suchte den Nachweis zu er- 
bringen, daß diese Kolonien die Fortsetzung sind jener mit dem 
Obersilur im direkten Zusammenhange stehenden Finlagerungen von 
Graptolitenschiefern und Diabasen zwischen d, weiter im SW, für die 
er die Bezeichnungen Kolonie „Cernoschitz“, „Vonoklas“, „Karlik“, 
„Treban“, „B&el&* und „Korno“ einführte, indem er freilich hier dem 
Ausdrucke „Kolonie“ einen anderen Sinn beilegte als ursprünglich 
Barrande. Lipold suchte zu beweisen, — hauptsächlich auf Grund 
seiner Einteilung der Stufe d, in Königshofer- und Kossower-Schichten 
und der Anschauung, daß die Diabase ausnahmslos nur in e, und zwar 


in dessen liegendem Teile auftreten, — daß alle die genannten 
„Kolonien“ — d.h. im Lipold’schen Sinne tektonische Einlagerungen 
von e, in d, — auf „hauptsächlichzwei große Falten und Überschie- 


bungen“ zurückzuführen sind. Es ist beinerkenswert, daß Lipold 
trotz der infolge der unrichtigen Voraussetzungen falschen Beweis- 
führung und trotz der im Einzelnen vielfach unrichtigen Beobachtungen 
im allgemeinen ein richtiges Urteil über den Gebirgsbau dieser Ge- 
gend gewonnen hat. 

Die Veröffentlichung der Lipold’schen Untersuchungen gaben 
den HauptanstoB zu Barrande’s großangelegtem Werke „Defense 
des Colonies“, in deren ersten Teilen er sich mit großer Schärfe 
gegen die „Entdeckungen“ Lipold’s wendet und die unleugbaren 
Schwächen und Irrtümer der Arbeit desselben zur Bekämpfung der 
Lipold-Krejci’schen Ansichten und zur Befestigung seiner Ko- 
lonientheorie ausnützte. Die Überzeugungskraft der Barrande’schen 
Verteidigungsschrift war so groß, daß Lipold [46] selbst und ebenso 
vor ihm Krejci [36] offiziell ihre Ansichten widerrufen und sich der 
Lehre Barrande’s angeschlossen haben. 

Immerhin hat es auch später nicht an Forschern gefehlt, die 
sich gegen die Kolonienlehre Barrande’s aussprachen und die Ano- 
malien des böhmischen Silur auf Dislokation zurückführten. So vor 
allen Marr, der mit Hilfe der Graptolitenzonen für einige Kolonien 
den strikten Beweis erbrachte, daß sie keine konkordanten Ein- 
lagerungen im Sinne Barrande’s sein können [47]. 

Seit Lipold’s Untersuchungen sind jene Einlagerungen von e, 
zwischen d, in der Gegend von Treban, B&l& etc. nicht mehr Gegen- 
stand eingehender Studien gewesen. Da Barrande in seiner erfolg- 
reichen Schrift den Zusammenhang dieser Einlagerungen mit dem 
Öbersilur geleugnet und sie als wahre Kolonien in seinem Sinne hin- 
gestellt hat und nachdem sowohl Lipold als Krejci ihre Ansichten 
wiederrufen haben, so mußte die Frage betreffs dieser Kolonien als 

31* 


944 Ernst Nowak. | [30] 


zugunsten der Barrande’schen Lehre entschieden betrachtet 
werden. 

Wohl ist in späteren Abhandlungen über das böhmische Alt- 
paläozoikum der eigentümlichen geologischen Verhältnisse in der Ge- 
send von Treban mehrfach Erwähnung getan und sind verschiedene 
Ansichten zu ihrer Erklärung geäußert worden, aber eine eingehend 
exakte Untersuchung zur eigentlichen Klärung der Frage ist — wie 
schon gesagt — nicht unternommen worden. So führt Krejöi in 
seinen gemeinschaftlich mit Helmhacker herausgegebenen „Er- 
läuterungen zur geolog. Umgebungskarte von Prag“ die e,-Vorkomm- 
nisse von Treban, Böl& etc. als Kolonien im Sinne Barrande’s an. 

Dagegen spricht Krej&i schon in dem fünf Jahre später in 
Verbindung mit Feistmantel verfaßten: „Ortogr. tekt. Übersicht 
des silur. Gebietes“ von einer „antiklinalen Aufstauung der Schiefer- 
schichten der Zone d;,, zwischen Klu&ie und Treban am Berge Voc- 
kov“, durch welche zwei Graptolitenschiefer und Diabazüge getrennt 
werden, „von denen der südliche vom Obersilur abgetrennt, quer 
über den Beraunfluß verläuft.“ An einer anderen Stelle in demselben 
Werke bringt er diese antiklinale Aufstauung mit seiner „Bruchlinie 
des Berges Ostry“ in Zusammenhang, als deren Fortsetzung er sie 
ansieht und meint, es gewinne den Anschein „als seien diese Kolonien 
zerstreute Reste eines in die Schiefer der Zone d, eingeknickten 
Graptolitenschieferstreifens“. 

Katzer sagt in seiner „Geologie von Böhmen“ bezüglich dieser 
Gegend, es seien hier „mehrfache Verwerfungen, durch welche ein 
ganzer Zug von durch Diabaseinschaltungen getrennten Graptoliten- 
schiefern in die Gesteine der Stufe 2d (d,) eingekeilt ist.“ Pocta (Geo- 
log. Karte von Böhmen, Sekt. V.) begnügt sich mit der Konstatierung der 
Tatsache, daß bei Treban „Diabaslager und Schiefer der oberen Ab- 
teilung der silurischen Formation“ in die d,-Stufe „eindringen“ und 
hebt hervor, daß die Verhältnisse hier noch nicht näher studiert seien. 
Schließlich hat Seemann die Meinung geäußert [60], daß das Auf- 
treten von e, innerhalb der d,-Schichten längs einer Verwerfung er- 
folgen dürfte. ” 

Erweist diese kurze Übersicht, daß bedeutende Meinungsver- 
schiedenheiten betrefis der Natur der „Kolonien“ von Treban und 
Umgebung vorhanden sind, so zeigt ein Blick auf die bisherigen, diese 
Gegend einbeziehenden geologischen Karten und Profile, daß auch in 
Bezug auf die kartographische Darstellung dieser Einlagerungen, was 
ihre Anzahl und Ausdehnung betrifft, große Unklarheit herrscht. 

Alle diese angeführten Umstände lassen wohl die eingehende 
Revision der geologischen Verhältnisse des Gebietes der „Kolonien“ 
von Treban und Umgebung genügend begründet erscheinen und ich 
möchte nun nach diesem kurzen Überblick über die bisher über den 
Gegenstand erschienene Literatur zur Schilderung der eigenen Be- 
obachtungen übergehen. 

Begeht man das Profil, wie es sich im Berauntale zwischen 
Rewnitz und Karlstein am linken Ufer in guten Aufschlüssen dar- 
bietet, so gewinnt man zunächst den Eindruck, vollkommen normale 
Lagerungsverhältnisse vor sich zu haben. Die Schichten streichen mit 


[31] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 245 


geringen Abweichungen WSW-ENE und fallen isoklinal, allerdings 
flußaufwärts im allgemeinen immer steiler, nach NNW. Beginnen wir 
unsere Wanderung von Rewnitz aus, so gelangen wir längs dem aus 
d,-Schichten bestehenden nördlichen Gehänge der Rewnitzer Talweitung, 
dort, wo sich das Tal wiederum verengt, an einen mächtigen, ganz 
an den Fluß herantretenden Diabaszug, der durch Steinbruchbetrieb 
aufgeschlossen ist. Im Hangenden dieses Diabases läßt sich an einer 
Stelle — wenn auch in ganz geringer Mächtigkeit — unzweifelhafter 
gehärteter d,-Sandstein konstatieren, ein Beweis, daß dieser Diabas 
in d, eingelagert ist. Doch schon in ganz unbedeutender Entfernung 
vom Diabase, am südlichen Gehänge des Tälchens, das sich gegen 
die Ortschaft Rovina hinaufzieht, findet man allenthalben Brocken von 
Graptolitenschiefer, der gleichfalls gehärtet ist und sehr zahlreiche 
deutliche Reste von COlimacograptus scalaris führt. Man hat es also 
hier, wie auch das übrige Aussehen der Schieferbrocken zeigt, ganz 
sicher mit der tiefsten Zone von e, zu tun. Ziemlich auf der Höhe 
des Abhanges ist sogar ein kleiner Aufschluß in dem gehärteten 
Graptolitenschiefer vorhanden, der deutlich das normale Streichen und 
Fallen (zirka 35° nach NNW) zeigt. Auf dem Boden des Tälchens 
sind Wiesen und Felder, so daß hier Aufschlüsse fehlen. Dann streicht, 
ein Diabasgang schräg vom nördlichen Gehänge des Tälchens herab; 
jenseits dieses Diabasganges zwischen ihm und einem höheren, mäch- 
tigen Diabaszug eingekeilt, findet man wieder die Graptolitenschiefer 
(am*Abhang unterhalb der Straße nach Vorder-Treban) gut entblößt. 
Sie tragen hier aber ganz den Charakter der oberen e, «-Schichten, 
die sich bereits den Übergangsschichten e,ß nähern; sie enthalten, 
da sie stark verwittert sind, keine bestimmbaren Graptolitenreste, 
dagegen aber sehr zahlreiche, bis Kopfgroße Kalkkonkretionen mit 
Orthocerenresten. Streichen und Fallen läßt sich in diesem Aufschluß 
nicht exakt abnehmen, es kann aber keinesfalls von den normalen 
Verhältnissen allzuweit abweichen. Die Grenze des Graptolitenschiefers 
gegen den nun höher am Abhange folgenden Diabas ist leider nicht 
sichtbar. Dieser Diabas tritt besonders an der gegen die Beraun ge- 
richteten Seite der die Kote 310 tragenden Höhe in steilen, massigen 
Felsen auf und ist sichtlich ein mächtiger Lagergang. Über dem 
Diabas folgt nun, die ganze Höhe einnehmend, typisches d, in Sand- 
steinbänken mit normalem Streichen und ziemlich flachem (30%) NNW- 
Fallen; aı einer Stelle, wo der Kontakt zwischen dem Diabas und 
dem Sandstein unmittelbar zu sehen ist, erscheint der Sandstein 
deutlich verändert (siehe S. 23). : 

Dieser Diabas steckt also zwischen d, im Hangenden und e,- 
Graptolienschiefern im Liegenden;; das legt die Vermutung nahe, daß 
das Aufreten des Diabases hier an eine Störung anknüpft, die das 
Wieder?rscheinen der d,-Schichichten bedingen könnte. 

Die Verhältnisse in der „Kolonie I.*, wie ich sie bezeichnen will, 
liegen bei Treben also so, wie ich sie in den Figuren 4a, b im Auf- 
rißB uni im Profil dargestellt habe. 

Gehen wir nun am Fuße des Gehänges, das die Vorder-Trebaner 
Talwetung im NE begrenzt, weiter, so sehen wir zunächst auf die 
Sandseinbänke die schieferige Ausbildung von d, in geringer Mäch- 


246 Ernst Nowak. [32] 


tigkeit folgen und hierauf vollkommen konkordant Graptolitenschiefer 
in außerordentlich typischer und für die tiefste Zonengruppe (e, %,) 
charakteristischer Ausbildungsweise auflagern. Die Schichten streichen 
hier nahe an E—W und fallen mit 40° nach N. Weiter gegen das 
Hangende zu folgen mehrere Diabasdurchbrüche, die den Graptoliten- 


Fig. 4. 


Pr 
Be ET EUR 
BR Diabas a) Autiih. 
Diluvialschotter 


„Kolonie I“ bei Treban. 


schiefer, der vielfach gehärtet ist, nur in schmalen Fetzen zum Vor- 
schein kommen lassen. Diese Verhältnisse lassen sich auch an. südöst- 
lichen Gehänge des Tälchens, das gegen „V Chaloupkach* emporführt, 
weiter verfolgen. Doch gehört der Graptolitenschiefer, der hier zu 
Tage tritt immer nur der tieferen Zonengruppe an. Unmittelbar iver ihm 
findet man wieder Brocken der d,-Schichten, aus denen das jeıseitige 
Gehänge des Tälchens bereits zur Gänze zusammengesetzt wirl. Wir 


133] Geol. Untersuchungen im: Südflügel des mittelböhmischen Silur. 247 
haben somit die „Kolonie II“ passiert, deren Lagerungsverhältnisse 
wie sie uns bei Tfeban entgegentreten die Figuren 5a und 5b noch 
besser veranschaulichen sollen. Eine Störung, die das abermalige 
Auftauchen der Stufe d, verursachen könnte, ist nicht aufgeschlossen; 


sie müßte in dem gegen „V Chaloupkach* führenden Tälchen 
verlaufen. 


m 

EEE Graptolcsehieper 
BE 2.5. 
Allurkiin 


4) Kohl 


„Kolonie Il* bei Tfeban. 


Das Profil am Fuße des Gehänges weiter verfolgend, passieren 
wir nun den dritten Zug der d,-Schichten schräg zur Streichrichtung. 
Die Schichten fallen, zunächst in Sandsteinbänken entwickelt, ziemlich 
flach (20—30°); weiterhin wird der Fallwinkel steiler (um 50°) und 
die schiefrige Ausbildungsweise herrscht vor; an einigen Stellen sind 
nicht sehr ausgedehnte Diabasdurchbrüche vorhanden. Begibt man 
sich in das Tälchen, das nordwestlich, des-Polickofgegen Klein-Morin 
(Morinky) emporführt, so findet man dort, wo der Diabaszug des 
Policko vom Gehänge herabkommt, über dem Diabas d,-Sandstein- 
bänke in fast horizontaler Lagerung, etwas nach SE geneigt; auch 
am gegenüberliegenden rechten Talgehänge sieht man in einem ganz 
kleinen Aufschluß d,, — und zwar hier als Schiefer entwickelt — 


248 Ernst Nowak. [34] 


in gestörter Lagerung. Es scheint, daß hier diese Störungen mit dem 
Diabas in Zusammenhang stehen. 

Dort, wo das Gehänge wieder hart an die Beraun herantritt, 
gegenüber der Mühle Kludie, streicht ein mächtiger Diabaslagergang 
aus, in dem gehärtete Schieferpartien (wahrscheinlich noch d,) ein- 
geschlossen sind und in dessen Hangendem ein dunkler, gehärteter, 
plattiger Schiefer mit fast senkrechtem Einfallen folgt, der, obwohl 
keine Graptoliten nachzuweisen sind, dem petrographischen Charakter 
nach zu schließen, bereits e, angehört. Nach einem weiteren Diabas- 
lagergang sind bereits sichere, wenn auch nur undeutliche Reste 
führende Graptolitenschiefer aufgeschlossen. Genau in der Streich- 
richtung dieser Schiefer, gegen ENE jenseits des Schotterfeldes von 
Vorder-Treban, sind in dem schon erwähnten Tälchen nordwestlich 
des Policko an der Grenze gegen d,, Graptolitenschiefer 
aufgeschlossen, die wiederumtypischeGraptoliten der 
tieferen Zonengruppe führen. 

Die sich nun anschließende, nach den nicht zahlreichen Grap- 
tolitenresten zu schließen, normale Schichtenfolge von e, ist noch 
dreimal von Diabas durchbrochen, bis bei Budnan die Auflagerung 
der &-Kalke erfolgt!). Die Graptolitenschiefer zeigen am Kontakt mit 
den Diabasen, soweit diese Kontakte bloßgelegt sind, meist mehr oder 
weniger deutliche Härtung. Das breccienartige Gestein, das am Aus- 
gang des südlich des Plesivec verlaufenden Tales an der Straße 
gegenüber dem Pumphäuschen ansteht, ist schon früher beschrieben 
worden (s. pag. 22). 

Nichts wesentlich anderes ergibt sich, wenn man das Profil am 
rechten Beraunufer längs der Bahntrace abgeht; es zeigt sich, daß 
die Schichten nahezu unverändert über das Tal hinüberstreichen. Die 
Graptolitenschiefer der „Kolonie I* sind am Gehänge südlich der 
Bahnstation Hinter-Treban aufgeschlossen und hier läßt sich wiederum 
sowohl die tiefere, als auch die höhere Zonengruppe von e,a nach- 
weisen, letztere auch mit gut erhaltenen, bezeichnenden Graptoliten. 
Die „Kolonie II“ beginnt westlich des Bahnwärterhäuschens am Hange 
des Vockov mit sehr typisch ausgebildeten Graptolitenschiefern der 
unteren Zonengruppe von e,o; darauf folgt Diabas, in dem weiterhin 
überaus zahlreiche Fetzen von gefaltetem Graptolitenschiefer einge- 
schlossen sind. 

Im Hangenden dieses Diabases und Graptolitenschiefers tritt 
nun weiter am Hange des Vo&kov in höchst verworrener Lagerung 
d, in schönen, durch den Bahnbau geschaffenen Aufschlüssen auf?); 
zunächst kann man große, aufrechte Falten beobachten, dann geht 


1) Dieser Wechsel von Diabas und Graptolitenschiefer südlich des Ple$ivec 
bei Budnan ist schon mehrfach in Profilen (Krejöi [35, 37], Lipold [44], 
Jahn [19]) dargestellt worden; das letzte Profil stammt von Jahn, — der die 
vor ihm gegebenen Profile einer kritischen Sichtung unterzieht, — und gibt die 
Lagerungsverhältnisse in einer Weise wieder, mit welcher meine Beobachtungen 
im Wesentlichen übereinstimmen; nur verzeichnet Jahn bloß drei Durchbrüche 
von Diabas in e,, während ich vier fand. 

2) Lipold hat in seiner AbhandInng über die „Kolonien“ diese Schichten- 
störungen in einer Profilzeichnung dargestellt; heute sind die Aufschlüsse durch 
die Anlage des zweiten Bahngeleises im Detail etwas verändert. 


[35] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 249 


die Faltung mehr ins Einzelne, wird unregelmäßiger und ist vielfach 
mit kleinen Verwerfungen kombiniert. Über diesen gestörten d;- 
Schichten folgt zwischen der Mühle Klucitz und Pou@nik, wenn auch 
in bedeutend schlechteren Aufschlüssen, so doch der unverkennbar 
gleiche Wechsel von Diabas und Graptolitenschiefern, wie wir ihn am 
jenseitigen Ufer, südlich von Budnan, kennen gelernt haben; nur 
scheinen die Graptolitenschiefer von den Diabasen gegen W allmählich 
fast ganz unterdrückt zu werden. Auch in dem Profil am rechten 
Beraunufer sind die Störungen selbst, die den Wechsel von d, und 
e, hervorrufen könnten, trotz der sonst guten Entblößungen nicht 
sichtbar, vermutlich aus dem Grunde, weil das Gebirge an diesen 
Stellen stark zertrümmert und daher der Verwitterung leichter an- 
heimgefallen ist. 


Ein Gang auf der Höhe des Hanges von Treban bis zur Kote 
360 (Vockov) bringt uns weitere interessante Aufschlüsse über die 
Natur der „Kolonien“. Zunächst bemerkt man allerdings nur nach der 
Beschaffenheit des Ackerbodens eine rasche Breitenzunahme der 
„Kolonie I*; dagegen verschmälert sich sichtlich der zwischen den 
beiden Kolonien eingeschaltete d,-Zug und in demselben läßt sich an 
einer Stelle im Ackerboden ganz deutlich eine kleine Einlagerung 
von Graptolitenschiefer erkennen, was dafür spricht, daß die Lage- 
rungsverhältnisse hier eine noch größere Komplikation erreichen. 


In der nun folgenden „Kolonie II“ läßt sich folgende Schichten- 
folge beobachten: Diabas, e,a,, Diabas, e,o,, Diabas, e,a,, Diabas. 
Die Diabase, die kleine Rücken bilden, sind durch Einsattelungen, 
welche den weichen Graptolitenschiefern entsprechen, von einander 
getrennt, eine Erscheinung, die landschaftlich sehr auffällt. Die Grap- 
tolitenschiefer stehen zwar nicht an, doch der Humus ist so spärlich, 
daß beinahe das Felsgerippe zutage tritt und man so mühelos an dem 
Schutte die beiden Zonengruppen agnoszieren kann. 


Begehen wir nun ein weiteres Profil, ein wenig weiter westlich 
in der Talfurche, in der die Ortschaft Bel& liegt: In der Kolonie I 
sind in den liegendsten und hangendsten Partien die Graptoliten- 
schiefer der tieferen Zonengruppe gut aufgeschlossen. In dem mitt- 
leren Teile der hier schon mächtig an Breite angeschwollenen Kolonie 
kann man die Graptolitenschiefer leider nicht feststellen, da das 
Terrain von Gärten und den Häusern des Ortes B&öl& bedeckt ist und 
auf der Höhe junge Sande und Schotter liegen. Wo anstehendes Ge- 
stein zutage tritt, ist es Diabas. Man muß wohl in Übereinstimmung 
mit dem vorhergehend beschriebenen Profil annehmen, daß der mittlere 
Teil der Kolonie von Graptolitenschiefern der höheren Zonen einge- 
nommen ist; zur Beurteilung der tektonischen Verhältnisse genügt 
die Feststellung, daß sowohldertiefste, alsauch der höchste 
Teil der Kolonie hier wieder aus Graptolitenschiefern 
der tieferen Zonengruppe besteht. 

In einer kleinen Schlucht bei Ober-Bel& sieht man’ 'sehr gut, 
wie die d,-Schichten vollkommen konkordant die Graptolitenschiefer 
der Kolonie I überlagern; diese Stelle zeigt somit deutlich, daß man 
es hier mit umgekehrter Lagerung zu tun hat. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd,, 1. u. 2. Hft. (E. Nowak.) 33 


250 Ernst Nowak. N [36] 


Der d,-Zug, der die Kolonie I von der Kolonie II trennt, hat 
in dem Profil bei B&öl@ an Mächtigkeit sehr eingebüßt. Die Kolonie II 
ist nicht gut aufgeschlossen; auf sie folgen wieder in mächtiger 
Entwicklung die d,-Schichten, welche die Kolonie II von den nor- 
malen Graptolitenschiefern trennen. 

In der Feldstrecke südwestlich von B&lö bieten sich fast keine 
Aufschlüsse in der Fortsetzung der beiden Kolonien; Sand und 
Schotter verdeckt hier den Gebirgsbau. Die Überlagerung des tiefsten 
d,-Zuges durch die Graptolitenschiefer ist an der Lokalbahntrace 
gegen Litten aufgeschlossen. Von den Schiefern, die unterhalb der 
Haltestelle Bölö am Abhange anstehen und in Diabas eingekeilt sind, 
läßt sich schwer mit Sicherheit aussagen, ob sie d, oder e, sind; sie 
sind schwarz, ich fand in ihnen aber keine Spuren von Graptoliten. 
An dem westlichsten von den Diabashügeln, westlich von B£&l& (siehe 
auch Phot. Fig. 3), sieht man Graptolitenschiefer südsüdöstlich, — 
also für den Südflügel der „Silurmulde“ abnormal, — einfallen; 
zwischen diesem dGraptolitenschiefer und dem Diabas, der den 
Hügel zum größten Teil zusammensetzt, finden sich wenige Bänke 
von in gleicher Richtung einfallendem, hellem, stark verändertem 
(„marmorisierten*, s. pag. 23) Sandstein, den man als d, ansehen 
muß, obwohl diese Ortlichkeit mitten im Gebiete der Graptoliten- 
schiefer liegt!). Dieses abnormale südsüdöstliche Verflächen ist nur 
eine lokale Erscheinung, es läßt sich weiter in die Umgebung nirgends 
verfolgen; man wäre geneigt, die Störung, auf die man auch das 
isolierte Vorkommen von d,-Sandsteine zurückführen muß, mit der 
Diabasintrusion in Zusammenhang zu bringen. Daß auch sonst 
Schichtenfaltungen in der Umgebung von Be&lö vorkommen, zeigt 
eine schöne Spezialmulde in d, im Eisenbahneinschnitt bei der Station 
Belö (km 3). 

Wie die Seemann’sche Karte zeigt, beherrscht in der Gegend 
westlich von Litten der Graptolitenschiefer das ganze Terrain und 
man muß daher annehmen, daß der d,-Zug, der die beiden 
Kolonien trennt, zwischen Bell und Litten auskeilt, 
bzw. daß die beiden Kolonien sich zu einem breiten Zuge vereinigen. 
Der nördlichste d,-Zug, der das Liegende der normalen Graptoliten- 
schiefer bildet, läßt sich nach Seemann bis über M£&nan hinaus 
verfolgen, wo er zwischen dem Graptolitenschiefer auskeilt. 

Es erübrigt noch die beiden Kolonien von Treban aus in ihrem 
Streichen nach NE zu verfolgen. Begehen wir zu diesem Zwecke die 
Profile, wie sie sich in guten Aufschlüssen im Karliker und im 
Vonoklaser Tälchen darbieten, so finden wir nirgends mehr in den 
d,-Schichten Einlagerungen von Graptolitenschiefern. Der Diabas, der 
am Ausgang des Karliker Tälchens eine Art Felsentor bildet, wird 
auf der Höhe direkt von d,-Sandstein überlagert 2). Diabase treten auch 


') Auch Lipold [44] spricht von einem isolierten d,-Vorkommen mitten im 
Graptolitenschiefer bei B&lö; allerdings scheint er eine andere, wenn auch ganz 
in der Nähe befindliche Ortlichkeit im Auge zu haben, die ich aber nicht sicher- 
stellen konnte. 


?) Diese Beobachtung steht im Gegensatze zu den Angaben Lipolds, der 
im Karliker Tälchen Graptolitenschiefer gefunden haben will und auch auf seiner 


[137] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 251 


weiterhin zahlreich und mächtig entwickelt auf. Uber dem Diabas, 
der am N-Ende der Karliker Talweitung vom Bache angeschnitten 
ist, sind die d,-Schichten in eine kleine Antiklinale aufgewölbt; es 
ist dies eine Stelle, wo wiederum der Zusammenhang der Störungen 
mit den Diabasintrusionen in die Augen fällt. 

Es zeigt sich also, daß die beiden Graptoliten- 
schiefer-„Kolonien* zwischen Trfeban und demKarliker 
Tälchen auskeilen. Und zwar lassen sich die letzten Spuren der 
Kolonie I bis wenig östlich vom Dorfe Rovina erkennen, worauf dann 
die Schotter der Beraun das Terrain einnehmen; jenseits der Straße, 
die von Lety über „v Chaloupkach“ nach Morin führt, ist jedoch un- 
zweifelhaft — es sind hier genügend Aufschlüsse — nur mehr d, 
und Diabas vorhanden. 

Die Kolonie II läßt sich in einem schmalen Streifen bis an die Straße 
bei „v Chaloupkach“ verfolgen; weiter nach E bedeckt die Felder nur 
mehr Schutt von d,, das dann ein wenig weiter in guten Aufschlüssen 
ansteht. In einem Wasserriß am Gehänge östlich von „v Chaloupkach“ 
ist in den d,-Schichten, die hier schiefrig ausgebildet sind, ein kleines 
Gewölbe sichtbar, ein Beweis, daß auch hier Störungen vorhanden 
sind, wie es ja schon die Breite der d,-Zone daselbst voraus- 
setzen läßt. 

Von Wichtigkeit ist die Feststellung, daß in diesen letzten 
Spuren der „Kolonien“ nur Graptoliten der tiefsten Zone vorkommen. 

Aus diesen im Vorangegangenen eingehend beschriebenen 
Lagerungsverhältnissen im Gebiete der sogenannten Kolonien ergibt 
sich zunächst eine Bestätigung der mehrfach ausgesprochenen und 
auch auf den bisherigen Karten zum Ausdruck gebrachten Ansicht 
(s. pag. 28), daß die Kolonien der Umgebung von Treban oberflächlich 
mit dem Hauptverbreitungsgebiete von e, bei Litten direkt in Zu- 
sammenhang stehen. Weiters bringt aber die festgestellte Anordnung 
der Zonengruppen in den Kolonien den sicheren Beweis, daß diese 
Graptolitenschiefereinlagerungen in d, keine regelmäßigen Einlage- 
rungen im Sinne der Barrande’schen Kolonienlehre, sondern auf 
tektonischeErscheinungenzurückzuführendeSchichten- 
wiederholungen sind. Dieser Nachweis ist analog jenem, den 
seinerzeit Marr für die Kolonien „Haidinger“ und „Hodkovicka“ 
erbracht hat [47]: Es hat sich in den beiden übereinander folgenden 
Kolonien I und II sowohl bei Treban wie bei B&l@ zunächst gezeigt, 
daß die Schichtenfolge jedesmal mit den tiefsten Zonen anhebt, auf 
welche dann die höheren Zonen mehr oder minder vollständig folgen, 
daß also in diesen Kolonien dieselbe Anordnung der Zonen herrscht 
wie in den normal im Liegenden von e, auftretenden e,-Graptoliten- 
schiefern, während man bei der Annahme regelmäßiger Einlagerungen 
im Sinne Barrandes eine fortlaufende Reihenfolge der Zonen vom 
tiefsten Teile der Kolonie I angefangen bis zum höchsten Teile der 
normalen e,-Schichten antreffen müßte. Zweitens hat sich innerhalb 


Karte eine Fortsetzung der Graptolitensch iefereinlagerungen — und zwar derjenigen, 
die er mit x (Kolonie I) bezeichnet — als unmittelbar Hangendes des Karliker 
Diabases über Karlik und Vonoklas hinaus einzeichnet [44]. 

32* 


952 Ernst Nowak. [38] 


der Kolonien (Kolonie I bei B&lc, Kolonie II am Voökov) eine 
Wiederholung der Graptolitenzonen feststellen lassen, insofern als im 
hangenden Teile der Graptolitenschiefereinlagerung abermals die 
tiefste Zonengruppe auftritt. 

Diese Anordnung und Verbreitung der beiden Zonengruppen 
von e, « in den verschiedenen Kolonien erweist nun in Verbindung 
mit den übrigen Beobachtungen auch anderseitig den Charakter 
der tektonischen Erscheinungen, die den Wechsel von d, und & 
hervorgerufen haben. Ich versuche diese tektonischen Verhältnisse, 
wie man sie aus den Beobachtungen ableiten muß, in den schema- 
tischen Profilen Fig. 6 darzustellen: 

Wir sehen, von SW ausgehend, zunächst bei Litten einen breiten 
Streifen von Graptolitenschiefern, der zwischen zwei d,-Zügen ein- 
geschaltet ist; sowohl die tiefsten als auch die höchsten Schichten 
dieses in d, eingeschlossenen Graptolitenschiefers und auch der tiefste 
Teil der auf den zweiten d,-Zug folgenden normalen Graptoliten- 
schiefer bestehen aus den tiefsten Graptolitenzonen von e,. Da das 
Fallen des ganzen Schichtenkomplexes ein isoklinales ist, so ent- 
sprechen diese Lagerungsverhältnisse am besten der Annahme einer 
mächtigen liegenden Falle, welche bei M&änan — wo der 
mittlere d,;-Zug im Graptolitenschieferterrain aus der Tiefe empor- 
taucht — sich emporzuwölben beginnt (Profil Fig. 6 a). 

Weiter nach NE gehend, sehen wir in dem breiten in d, ein- 
seschalteten Graptolitenschieferstreifen bei B&lö einen neuen Zug von 
d,-Schichten auftauchen, der diesen Streifen in die beiden Kolonien 
trennt. Auch in diesen beiden Kolonien sind — bei der Kolonie I 
bei Belc, bei der Kolonie II am Vockov — als liegendstes und han- 
gsendstes die tiefere Graptolitengruppe nachgewiesen worden, die 
zwischen sich die höhere Zonengruppe einschließen. Auch hier ist das 
Fallen überall isoklinal und an einer Stelle konnte festgestellt werden, 
daß der zweite d,-Zug vollkommen konkordant den 
Graptolitenschiefern der Kolonie I auflagert, also An- 
zeichen eines Bruches, der das Auftauchen dieses d,-Zuges veranlaßen 
könnte, fehlen. Alles das spricht mit großer Deutlichkeit dafür, daß man 
es hier in der Gegend von B&l& mit zwei liegenden Falten zu 
tun hat. Aus der großen Synklinale, wie wir sie bei Litten gefunden 
haben, taucht also gegen B&l@ zu eine neue Antiklinale auf, durch 
die die im Untergrund vorhandene Stufe d,;, zum Vorschein kommt, 
während die Graptolitenschiefer zu beiden Seiten in zwei getrennten 
Synklinalen, die den beiden „Kolonien“ entsprechen, zusammengestaut 
werden (Profil Fig. 6 b). 

Uns weiter im Streichen nach NE begebend, merken wir an 
beiden Kolonien eine deutliche Abnahme der Mächtigkeit. Dann 
beobachten wir zunächst an der Kolonie I, und zwar bei Hinter- 
Treban (am rechten Beraunufer), das Fehlen der tieferen Graptoliten- 
zonengruppe im hangenden Teile der Kolonie; dies zeigt sich 
noch deutlicher bei derselben Kolonie I bei Vorder-Treban 
(am linken DBeraunufer) wo auch bereits von der höheren 
Zonengruppe im mittleren Teile der Kolonie nur mehr ein schmaler 
Fetzen übriggeblieben ist. Schließlich erkennt man nur mehr die 


[39] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur, 253 


tiefere Zonengruppe des liegenden Teiles der Kolonie, bis endlich 
die Graptolitenschiefer überhaupt auskeilen. Ähnlich verhält es sich 
mit der Kolonie II, die allerdings auf weitere Erstreckung durch 
das hier breite Berauntal unterbrochen ist. Bei ihr läßt sich am 


Fig. 6. 


Schematische Orobile ru Erlanterumg, Dev Schichkonvoiederholum gen 


am Dev Srenze Dar Umnkev-umd Olersiluns. 


linken Beraunufer, bei Vorder-Treban, nur mehr das Vorhandensein 
der tieferen Zonengruppe von e, «, d. h. also des liegenden Teiles 
der Kolonie feststellen, die höheren Teile von e, «& fehlen. Und all- 
mählich keilt auch diese Schieferpartie aus. Eine direkte Über- 
lagerung der Kolonien durch die auf sie folgenden d;-Schichten läßt 


254 Ernst Nowak. . [40] 


sich hier nirgends mehr beobachten; längs dieser Grenzlinien finden 
sich Talfurchen. Alle diese Verhältnisse — vor allem das Nach- 
einander-Verschwinden der einzelnen Zonen innerhalb der Kolonien — 
zeigen zur Genüge, daß die beiden liegenden Falten, wie wir sie bei 
Belö antrafen, inder Gegend von Treban in Brüche über- 
gehen, und zwarin aus den Falten hervorgegangene Über- 
schiebungen, bei denen sich die nördlichen Gebirgsstücke über 
die südlichen hinaufschoben und die Zonen der Kolonien nacheinander 
abschnitten, bis sie sie schließlich ganz überdeckten (Fig. 6c). Daß 
hier tatsächlich Überschiebungen vorliegen, zeigt sich auch weiter sehr 
gut in dem deutlich wahrnehmbaren flachen Einfallen der über- 
schiebenden gegenüber den überschobenen Teilen. 

Obwohl die Graptolitenschiefer-„Kolonien“ eine geringe Strecke 
NE von Treban auskeilen, läßt sich aus der orographischen Gestaltung 
schließen, daß sich die Störungen noch weiter fortsetzen; geologisch 
sind sie aber nicht mehr nachweisbar. 

Erst viel weiter im NE, in der Fortsetzung dieser Störungen, 
tritt wiederum eine Einlagerung von Graptolitenschiefer in d, auf 
(„Kolonie Cernoschitz“), die ich, obwohl sie nicht mehr in das auf- 
genommene Gebiet fällt, noch kurz beschreiben möchte. 

In der Umgebung der Villenkolonie Ober Cernoschitz am Aus- 
gang des tief eingeschnittenen Tales des Schwarzawa-Baches stehen 
am linken Gehänge vielfach die d,-Schichten, vorwiegend schiefrig 
entwickelt, mit dem für den Südflügel normalen nordwestlichen Ver- 
flächen an. Geht man auf der neuen Straße, die an der linken Tal- 
seite dahinführt, im Tale aufwärts, so fehlen auf längere Erstreckung 
gute Aufschlüsse, wenn auch d;, im Boden erkennbar ist, bis plötzlich 
reichlicher Schutt von Graptolitenschiefer auftritt. Einige Meter weiter 
ist auch die Lagerung des Graptolitenschiefers ersichtlich; das Fallen 
ist wieder gleichsinnig nach NW gerichtet. Dann fehlen wiederum 
auf eine kurze Strecke infolge Gestrüpps und Lehmbedeckung Auf- 
schlüsse, bis abermals d, sichtbar wird und zwar diesmal mit ziemlich 
steilem gegen SE, also widersinnig gerichtetem Fallen. Diese Lagerung 
läßt sich nur eine kurze Strecke weit verfolgen, dann verhindert 
wieder dichte Gestrüppbedeckung die weitere Beobachtung. Kurz vor 
der Straßenbiegung bei der Krenek-Mühle zeigt sich wieder d, in 
flach nordwestlich fallenden Schichten. Hierauf folgt ein mächtiger 
Diabas mit in ihm eingeschlossenem gleichsinnig verflächendem Grap- 
tolitenschiefer. Weiter aufwärts, im Tale gegen Solopisk erscheint noch 
in mehrmaligem Wechsel Diabas und Graptolitenschiefer, welche aber 
bereits die normale Auflagerung der e,-Schichten darstellen. 

Wir haben es somit im Öernoschitzer Tale nur mit einer „Ko- 
lonie“ zu tun, die von keiner bedeutenden Mächtigkeit ist (zirka 
15—20 m). Ich fand in ihr nur Graptolitenreste, die für die tiefsten 
Zonen charakteristisch sind (Olimacogr. scalaris, Ieastrites). Die ge- 
schilderten, allerdings infolge der schlechten Aufschlüsse nur unvoll- 
ständig erkennbaren Lagerungsverhältnisse lassen es für das wahr- 
scheinlichste halten, daß hier das Auftreten der „Kolonie* auf eine 
normale Einfaltung zurückzuführen ist, bei der die kolonialen 
Graptolitenschiefer in einer kleinen Synklinale liegen. Allerdings müßte 


[#1] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 255 


man eine kleine Zusammenstauung in Mittelschankel der Falte an- 
nehmen, wie es das Profil Fig. 7 zeigt. Nach den aufgefundenen 
Graptolitenresten ist nur der tiefere Teil der e,-Schichten einge- 
faltet worden. 


Fig. 7. 


Braplol.Schicfer x ) Motik, . 
s 


Dirhas 


b) Die Dislokationen im Brdywald. 


Das Auftreten der kambrischen Konglomerate, sowie des ganzen 
Schichtenkomplexes der Stufe d, oder wenigstens von Teilen der- 
selben inmitten des d,-Quarzites zeigt, daß wir es auch im Gebiete 
des Brdywaldes durchaus nicht mit einer normalen Schichtenfolge zu 
tun haben. Schon Krejti hat, allerdings mehr aus der orographischen 
Gestaltung, aber auch aus dem bereits von ihm beobachteten Vor- 
kommen von Diabas an der das Gebirge querenden Bezirksstraße 
Rewnitz-Mnischek auf das Vorhandensein von Längsstörungen ge- 
schlossen [38]. Nach den Profilen, die Krejci und nach ihm Katzer 
[25] gegeben hat, sind Verwerfungen angenommen, längs deren die 
inneren Gebirgsteile gegenüber den äußeren gehoben erscheinen. Be- 
sonders jene Hauptstörung, an welcher auch der Diabas an der 
Rewnitz-Mnischeker Straße zum Vorschein kommt, hat Krejti zu 
seinen großen Längsbrüchen, die das „Siiurbecken“ fast in seiner 
ganzen Erstreckung durchziehen, gerechnet und in die Fortsetzung 
seiner Jenitzer Bruchlinie (ce) verlegt. 

Meine Beobachtungen sind nicht ausreichend, um ein endgiltiges 
Urteil über das Vorhandensein solcher zusammenhängender und lang- 
aushaltender Längsstörungen abzugeben; ich will mich beschränken 


956 Ernst Nowak. j [42] 


eine Beschreibung der Lagerungsverhältnisse in dem untersuchten 
Gebiete zu geben und die sich aus ihnen ergebenden Schlüsse auf 
den Gebirgsbau dieses Gebietes abzuleiten. Es werden sich dann von 
selbst mehrfach Gründe ergeben, welche gegen die Annahme wenig- 
stens des einen, nach Krejte das ganze Brdygebirge durchsetzenden 
langen streichenden Bruches sprechen. 
f Ersteigen wir die Höhe des Kalvarienwaldes von Treban oder 
Rewnitz ausgehend, im Tale des Moklicky-Baches, so bietet sich 
uns ein lehrreiches Profil des Schichtenbaues dieses Teiles des Brdy- 
gebirges. 

Wo der Bach aus dem Gebirge heraustritt und seinen Lauf nach 
NE richtet, ist dickbankiger d,-Quarzit in typischer Entwicklung in 
mächtigen Felsen aufgeschlossen; überdies ist hier ein Steinbruch 
angelegt. Das Fallen der Schichten ist in normaler Weise mit 45—55° 
nach NNW gerichtet. Ungefähr 500-600 Schritt bachaufwärts ist 
wiederum Quarzit mit gleichem Verflächen aufgeschlossen; aber die 
Gesteinsbänke sind hier nur gering mächtig und durch starke Zwi- 
schenlagen von weichem, glimmerigem Schiefer getrennt; ins Liegende 
zu werden die Schieferlagen immer mächtiger und die Quarzitbänke 
bleiben aus. Wenige Schritte aufwärts finden wir nur mehr den 
Schiefer, der die typische Entwicklung der Stufe d,y zeigt, (stenge- 
liger Zerfall, Konkretionen). Seine Schichten sind stark gestört und 
gebogen, die Fallrichtung ist aber wiederum NNW. Die Mächtigkeit 
des Schieferkomplexes mag mehr als 30 m betragen (sie ist infolge 
der vielen Schichtenbiegungen schwer zu schätzen), dann tritt wieder- 
um dickbankiger Quarzit auf, ohne daß jedoch die Grenze gegen den 
d,y-Schiefer kenntlich wäre; sein Verflächen ist das gleiche nach NNW. 
In diesem Quarzitzug ist oberhalb des Baches am nördlichen Gehänge 
ein Steinbruch angelegt, dessen Halden bis in den Bach hineinreichen. 
— Den Bach weiter verfolgend, gelangt man schon binnen Kurzem 
wiederum in die d,y-Schiefer, so daß die Mächtigkeit dieses zweiten 
Quarzitzuges hier am Bache sehr gering ist. Die nun folgenden d,Yy- 
Schiefer zeigen die gleiche Fallrichtung wie bisher; sie sind typisch 
entwickelt, enthalten zahlreiche kieselige Konkretionen, aus denen ich 
jedoch bestimmbare Fossilien nicht gewinnen konnte; dagegen finden 
sich an einer Stelle Spuren von Graptoliten, die sich als verzweigte 
‚Formen (Didymograptus) erkennen lassen!). Den liegendsten Teil 
dieses etwa 50 m mächtigen Schieferkomplexes bildet ein schwarzer 
harter Kontaktfels mit reichlichen Pyriteinsprengungen, welchen ein 
stark verwitterter Diabas mit verschieden gefärbten Tuffschiefern unter- 
lagert. Dieser Diabas, sowie die Tuffe vertreten jedenfalls die Stufe 
d,ß, deren Mächtigkeit hier aber nur gering ist ($—10 m) ?). Es folgt 
nun weiter im Liegenden typisches d,a in sehr mannigfacher Gesteins- 
ausbildung. Man findet hier: feinkörnige grüne Grauwacke, dichte 
hornsteinartige Quarzgrauwacke, grobkörnige glaukonitische Grauwacke, 


!) Die d,y-Schiefer, die im Skalka-Bergbaue aufgeschlossen sind, sind von 
Lipold gleichfalls als Graptoliten führend beschrieben worden [45]. 

?) Einige, etwas weiter am Genänge im Streichen dieser Schichten aufge- 
fundene Lesesteine von Roteisenstein mit eingesprengtem Eisenglanz weisen darauf 
hin, daß in einiger Entfernung auch ein Erzlager entwickelt ist. 


[43] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 957 


graue grobkörnige Grauwacke, helle, fast weiße, dichte Grauwacke mit 
Kaolinbeimengung; die Schichten streichen quer durch das Bachbett 
mit immer gleichem, ziemlich flachem NNW-Einfallen. 

Man kann diese sicheren d,a-Gesteine anstehend in einer Er- 
streckung von etwa 30 m senkrecht zum Streichen verfolgen, dann 
hören die Anfschlüsse auf. An dem Waldwege, der hier an der 
Rewnitz-Mnischeker Reviergrenze (Wildgatter) den Bach überquert 
und oberhalb seines rechten Ufers weiterführt, kann man den für 
Diabas charakteristischen rotbraunen Verwitterungsboden erkennen; 
auch findet man zahlreiche Lesesteine von Diabas und Tuffen, die 
dafür sprechen, daß auch im Liegenden von d,x nicht unbeträchtliche 
Diabasmassen auftreten. Dann gelangt man in das Gebiet der Konglo- 
merate, die allerdings nicht anstehen, aber in sehr zahlreichen Lese- 
steinen und Blöcken verbreitet sind (siehe auch Seite 13). Weiter 
gegen den Hauptkamm zu erscheint abermals der Quarzit (d,) in guten 
Aufschlüssen mit NNW-Verflächen. 

Die Richtung der Störungen, längs deren die älteren Schichten 
hervorkommen, im Streichen verfolgend, findet man zunächst in der 
Fortsetzung der westlichen d, y-Einlagerung auf der Höhe nördlich 
des Moklicky-Baches Schieferschutt und kieselig-tonige Konkretionen, 
die die Anwesenheit der d,y-Schichten verraten. Weiter nach NE 
sind dann auf längere Erstreckung die Schiefer nicht sichtbar. Von 
wesentlicher Bedeutung aber ist es, daß der genau im Streichen der 
Schiefereinlagerung liegende, Kote 471 tragende Rücken ein tekto- 
nisches Gewölbe innerhalb der d,-Quarzite darstellt; auf dem nord- 
westlichen und dem südöstlichen Gehänge dieses Rückens, die beide 
durch Steinbruchbetrieb aufgeschlossen sind, herrscht entgegengesetztes 
Schichtfallen, außerdem sind auf der Höhe des Rückens die Um- 
biegungsstellen der Schichten direkt entblößt (s. Phot. Fig. 8). Dieses 
Gewölbe ist auch schon an der Rewnitz-Mnischeker Straße an einer 
Stelle, genau in der südwestlichen Fortsetzung von dem genannten 
Rücken, zu erkennen). Es läßt sich aber auch nach NE weiter ver- 
folgen und ist hier überall orographisch ausgeprägt; ausgezeichnet 
sichtbar ist es vor allem auf Kote 440 im S von Dobrichowitz. In 
der Achse dieses Gewölbes kommen im Tale des Kejni-Baches süd- 
östlich von Rewnitz wiederum die d, y-Schiefer zum Vorschein. Im 
Tal des Kejni-Baches kann man nur isoklinales NNW-Fallen kon- 
statieren, in der nordöstlich dem Kejni-Bach parallel verlaufenden 
Schlucht ist jedoch das Gewölbe direkt sichtbar; die Quarzitbänke 
fallen nur eine ganz kurze Erstreckung steil nach SE, dann stellt 
sich wieder das normale nordwestliche Verflächen ein. Sehr deutlich 
ist bei Kote 440 zu sehen, daß der SE-Flügel des Gewölbes steiler 
einfällt als der NW-Flügel, daß also eine gewisse Tendenz des Ge- 
wölbes vorherrscht, sich nach SE überzulegen. 


1) Auch in dem leider stark verschütteten Steinbruche am Stfeny vrch 
liegen die durch schiefriges Zwischenmittel getrennten Quarzite an einer Stelle fast 
horizontal; gegen das Liegende zu in demselben Steinbruch fallen die Schichten 
jedoch steil gegen N; es scheint hier ein Bruch das Gewölbe gegen SE zu 
begrenzen. 


Jahrbuch d. k.k, geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (E. Nowak.) 33 


958 Ernst Nowak. | [44] 


Guten Einblick in den Schichtenbau bietet auch das Wschenorer 
Tal am rechten Gehänge. Hier kommen am Bache genau in der Fort- 
setzung des eben beschriebenen Gewölbes zerklüftete weiche Schiefer 
mit kleinen Konkretionen zum Vorschein, die man hier wieder für 
d,y-Schichten wird halten müssen. Am Abhange oberhalb dieses 
Schieferaufschlusses ist ein Steinbruch im d,-Quarzit (25—50° NNW 
fallend) angelegt. Eine kurze Strecke im Tale unterhalb der Schiefer, 
also in ihrem Hangenden ist Quarzit mit Schieferzwischenlagen durch 
Steinbruchbetrieb aufgeschlossen, der 30° nach NW einfällt. Ebenso 
findet man auch im Tale oberhalb des Schieferaufschlusses, also in 


Fig. 8. 


Das Gewölbe im d,-Quarzit auf der Höhe 471 bei Rewnitz. 


seinem Liegenden d,-Quarzit und zwar zunächst mit ENE -—: also 
widersinnigem Verflächen. Es ist also auch hier das Auftreten von 
Schiefer an eine antiklinal gebaute Region gebunden. Weiter gegen das 
Liegende, gegen die Grenze der präkambr. Schiefer zu, wechselt noch 
mehrmals die Fallrichtung bei überaus steiler Schichtstellung, so daß 
man den Eindruck gewinnt, daß die Stufe d, im Wschenorer Profil 
in steile Falten zusammengeschoben ist. 

Vom Moklickytale im Streichen gegen SW läßt sich die Ein- 
lagerung der d, y-Schiefer nicht weiter verfolgen. Nur in dem großen 
Halouner Steinbruch, der auf der Höhe südlich des Moklicky-Baches 
bei Kote 529 angelegt ist, ist eine Erscheinung zu beobachten, die 


[45] Geol. Untersachungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 259 


noch der Erwähnung verdient. Der Quarzit ist hier in außerordentlich 
mächtigen Bänken entwickelt, die ohne erkennbare schiefrige Zwischen- 
lagen aneinandergrenzen. In dem oberen Teile einer solchen Bank 
findet sich eine linsenförmige Schieferpartie von etwa 2 m Länge und 
70—80 cm Maximaldicke eingekeilt. Der Schiefer ist schwarz, sehr 
dünnblättrig und glimmerreich und ähnelt im Habitus ganz jenen, die 
sich sonst als Zwischenmittel im d,-Quarzite finden. Doch kann man 
an eine normale Einlagerung hier nicht denken, da die Schieferpartie, 
wie gesagt, nicht zwischen zwei Bänken auftritt, sondern in den 
oberen Teil einer Bank gleichsam eingepreßt erscheint. Da die Schicht- 
flächen, die in diesem Steinbruch schön entblößt sind, vielfach ganz 
ausgezeichnet ausgebildete Harnische zeigen, — eine übrigens auch 
sonst im Quarzit häufig zu beobachtende Erscheinung, — muß man 
wohl annehmen, daß es hier zu Bewegungen längs der Schichtflächen 
gekommen ist und dabei eine Zusammenstauung des ursprünglich nur 
in einer ganz dünnen Lage vorhandenen schiefrigen Zwischenmittels 
stattgefunden hat. Diese Erscheinung gibt ein Bild von dem Charak- 
ter der in diesem Gebiete von sich gegangenen Gebirgsbewegungen. 

Verfolgen wir nun auch die östliche im Profil des Moklicky- 
Baches beobachtete Einschaltung älterer Schichten im Streichen nach 
beiden Richtungen: die tiefsten Schichten dieser Einschaltung sind 
die Konglomerate; sie stehen zwar fast nirgends an (s. S. 13), aber 
die große Verbreitung der konglomeratischen Lesesteine läßt ihr 
Vorhandensein nicht anzweifeln. Geht man der Verbreitung dieser 
Lesesteine nach, so scheinen sie sich, nach SW an Mächtigkeit ab- 
nehmend, entweder mit den normal im Liegenden von d, auftretenden 
Konglomeraten zu verbinden oder wenigstens ihnen sich sehr stark 
zu nähern. Jedenfalls erleidet der d,-Zug, der über die Skalka streicht, 
an dieser Stelle eine ganz kurze Unterbrechung und nur die d,-Zone, 
die sich hier durch Roteisensteine (siehe S. 14) zu erkennen gibt, 
oder ein Teil derselben dürften die normalen Konglomerate von den 
in d. eingeschalteten trennen. Der Mangel an Aufschlüssen läßt hier 
kein sicheres Urteil zu. 

Gegen NE keilen die Konglomerate jenseits der Bezirksstraße 
Mnischek-Rewnitz im Gebiete des d,-Quarzites aus, wobei sie sich 
gleichfalls dem südöstlichen Rande des Verbreitungsgebietes der D- 
Stufe etwas nähern. 

Von den d,-Schichten, die im Hangenden der Konglomerate am 
Moklicky-Bach in solcher Vollständigkeit aufgeschlossen sind, sind 
sonst nur geringe Andeutungen vorhanden: an der Mnischek-kewnitzer 
Straße stehen Diabase an und an dem weiter östlich führenden 
Waldweg geben sich Diabastuffe und Roteisensteine als lose Stücke 
im Boden kund. Eine ganz isolierte Partie von d, y-Schiefern, die aber 
genau im Streichen der soeben genannten Vorkommnisse liegt, findet 
sich in der Schlucht des Kejni-Baches, derselben Schlucht, in der wir 
tiefer abwärts schon eine Schieferlagerung festgestellt haben. Diese 
zweite Schiefereinlagerung, im oberen Teil der Schlucht ist bedeutend 
mächtiger (30—40 m); der petrographische Charakter der Schiefer ist 
ganz der der d,y-Schichten (auch die kieseligen Konkretionen finden 
sich). Im Liegenden, gehen sie durch Wechsellagerung in die d,- 

38* 


960 Ernst Nowak. [46] 


Quarzite über, ein Beweis, daß wir es hier mit umgekehrter Schicht- 
folge (dem überkippten Mittelschenkel einer Falte) zu tun haben. Die 
Grenze gegen die hangenden Quarzite ist nicht sichtbar. Das Fallen 
ist hier wieder überall nach NNW gerichtet. 

Man muß wohl annehmen, daß diese Schiefereinlagerung mit der 
Störung, die weiter südwestlich die ganze Schichtfolge von d, sowie 
die Konglomerate zur Oberfläche gebracht hat, im Zusammenhange 
steht. Nach NE über den Kejni-Bach hinaus läßt sich diese Störung 
nicht mehr nachweisen. Zu erwähnen wäre jedoch hier, daß in dem 
großen Steinbruche, der östlich des Kejni-Tales bei Kote 548 im 
Quarzite angelegt ist, abnorme Lagerungsverhältnisse herrschen; das 
Streichen ist hier nämlich ESE—WNW und das Fallen 20—25° nach 
NNE gerichtet. Dies führt zu der Vermutung, daß man hier einen 
Gewölbeschluß vor sich hat. 

Wenn wir die Beobachtungen im Kalvarienwalde 
zusammenfassen (Fig. 9 u. 10), ergibt es sich, daß hier zwei parallele 
auf 4—6 km Erstreckung verfolgbare Aufbruchzonen älterer Schichten 
innerhalb der d,-Quarzite vorliegen, wodurch das mächtige An- 


Fig. 9. 


Zeichenerklärung : 


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Die Störungen im Kalvarienwald. 
Kartenskizze im Maßstabe zirka 1:42.000. 


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[47] 


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262 Ernst Nowak. [48] 


schwellen der d,-Zone in diesem Gebirgsabschnitt erklärt wird. In 
der nördlicheren Aufbruchszone kommen nur die d,y-Schiefer und 
zwar zumeist nur in tieferen Tälern und Schluchten zum Vorschein; 
das Schichtfallen ist, wo diese Schiefereinschaltungen zu beobachten 
sind, isoklinal. Sie liegen aber, wie die Beobachtungen auf den Koten 
47), 476 und 440 zeigen, in der Achse einer antiklinalen Aufwölbung 
der d,-Quarzite. Man muß daher schließen, daß in dieser Zone eine 
liegende Falte innerhalb der d,-Quarzite vorliegt, durch welche 
die den Untergrund bildenden d,y-Schichten in den 
Gewölbekernen an tiefen Punkten zum Vorschein 
kommen. 

In der südlichen Aufbruchszone treten alle Schichtglieder der 
Stufe d, und auch die kambrischen Konglomerate zutage; das Liegende 
dieser Konglomerate bilden die d.-Quarzite; auch hier ist die Lage- 
rung, soweit sie der Beobachtung zugänglich ist, isoklinal. Gegen die 
Annahme eines Bruches im Sinne Krej6i’s spricht vor allem das 
Zusammenlaufen der Aufbruchszone mit dem normal Liegenden von 
d,. Diese Erscheinung läßt auf das Vorhandensein einer Falte oder 
einer aus solchen hervorgegangenen Dislokation schließen; auch auf 
die beschriebenen Lagerungsverhältnisse im Steinbruche der Kote 
518 östlich des Kejni-Tales, die einen Gewölbeschluß andeuten, wäre 
hier hinzuweisen. 

Eine vollkommen erhaltene, liegende Falte kann nicht vorliegen, 
da die Konglomerate im Liegenden unmittelbar an d,-Quarzite grenzen, 
somit der Mittelschenkel fehlt. Es bleibt also nur die Annahme einer 
Faltenüberschiebung übrig, eine Annahme, die mit dem Charak- 
ter der im Vorangehenden behandelten tektonischen Erscheinungen 
übereinstimmt). 

Dieses Ergebnis spricht gegen die Annahme einer „großen Brda- 
Bruchlinie* im Sinne Krejtis, einer weithin fortstreichenden, steil 
zur tiefen setzenden Verwerfung. Es hat sich gezeigt, daß der Auf- 
bruch älterer Gesteine innerhalb der d,-Quarzite, auf den sich die 
Annahme dieses Bruches im Wesentlichen stützt, eine nach SSE ge- 
richtete UÜberschiebung ist, welche aus einer liegenden Falte hervor- 
gegangen ist; dieselbe beginnt sich erstin der Gegend des 
Roten Kreuzes aus der Tiefe emporzuhebenundtaucht 
ungefähr bei Kote 518 östlich des Kejni-Tales wieder 
unter. Weiter nach SW am Hrebeny sind weder in geologischer noch 
in orographischer Hinsicht Anzeichen für das Vorhandensein bedeuten- 
der Störungen zu sehen, wiewohl man annehmen kann, daß auch hier, 
der ganzen Gebirgsanlage entsprechend, untergeordnete Faltungen 
und UÜberschiebungen vorkommen. Nicht lang-aushaltende 
streichende Verwerfungen, sondern isoklinale Falten- 
bildung und aus dieser hervorgegangene Überschie- 


!) Während diese Zeilen in Druck sind, ist beim Roten Kreuz ein Schotter- 
bruch aufgemacht worden, dessen Verhältnisse eine weitere Stütze für die eben 
ausgesprochene Ansicht bilden; der Quarzit besitzt hier nämlich eine ausgezeichnete 
Trümmerstruktur und ist von Harnischen kreuz und quer durchsetzt, — man 
kann von einer förmlichen Dislokationsbreceie sprechen. Das Gestein ist hier eben 
an der knapp nordwestlich vorüberziehenden Überschiebung zertrüämmert worden. 


[49] Geol. Untersuchungen im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 263 


bungen scheinen den Bau des Brdy-Gebirges wie über- 
haupt den Bau der ganzen „Silurmulde“ zu charak- 
terisieren!). 

Die nördliche Zone von Aufbrüchen, die bisher noch nicht be- 
kannt war, läßt sich gleichfalls am besten durch die Bildung einer 
liegenden Falte erklären. Man wird also auch hier die von Krej£öi 
auf Grund der orographischen Gestaltung gewonnene Annahme einer Ver- 
werfung in dieser Richtung modifizieren müssen. 

Auch diese Störung läßt. sich nur im Kalvarienwald verfolgen, 
am Hrebeny ist sie nicht mehr nachweisbar. 


Schließlich möchte ich noch ein vereinzeltes Vorkommnis von 
d,-Quarzit mitten im Terrain der d,/d,-Schiefer hervorheben: es ist 
dies der Hügel am Waldrand südlich von Hat&. Hier ist durch einen 
Steinbruch diekbankiger (bis zirka 80 cm mächtige Bänke) heller 
Quarzit aufgeschlossen mit Zwischenlagen von dunklem glimmerigem 
Schiefer. Gegen das Hangende des Aufschlusses zu werden die 
Schieferlagen mächtiger, die Quarzitbänke werden dünner, mehr 
sandsteinartig, erhalten glimmerige wulstige Schichtflächen und eine 
dunkle Färbung. Das Verflächen der Schichten ist mit 25—35° nach 
NNW gerichtet. Krejöi hat dieses Vorkommnis bei seiner Aufnahms- 
arbeit (1859) als d, betrachtet — wie sein diesbezügliches Profil 
zeigt — später jedoch („Orogr. tekton. Übersicht“ 1885) als d, 
angeführt. Tatsächlich läßt sich nun etwas südlich von dem be- 
schriebenen Aufschlusse längs des Baches, der gegen Hat& hinabfließt, 
eine Strecke weit typisches d, in Schiefern und dünnen dunklen 
Sandsteinbänken verfolgen, die widersinnig, nämlich steil nach SSE 
einfallen. Das d, läßt sich dann auch weiter an mehreren Stellen in 
diesem Bachtale bis ziemlich hoch am Gehänge des Gebirges nachweisen. 
Es scheint demnach klar, daß in dem Hügel bei Hate durch eine anti- 
klinale Aufwölbung im d,-Schieferterrain die den Untergrund bildenden 
d,-Schichten, wenn auch nur in ihrem höchsten Teile zum Vorschein 
kommen. Auch bei dieser Antiklinale ist wiederum steiles Einfallen 
im südöstlichen Flügel gegenüber flachem Fallen im nordwestlichen 
Flügel zu konstatieren, also der in gleichem Sinne assymetrische 
Bau, wie er bei der Antiklinale im Kalvarienwald beobachtet wurde 
und wie er der Tendenz zur Bildung von nach SE übergelegten Falten 
entspricht. 


c) Die Bruchlinie an der Grenze der präkambrischen Schiefer. 


Die Grenze der präkambrischen Schiefer gegen die jüngeren 
Gebilde ist, wie schon mehrfach erwähnt, keine normale Formations- 
grenze, sondern ein Bruch, wie das schiefe Abschneiden mehrerer 
Formationsglieder längs einer geraden Linie zeigt. Leider habe ich 
trotz ganz besonderer Aufmerksamkeit an dieser Grenzlinie keine 


') Ich verweise hier neben Seemann [60] vor allem auf die neueste Arbeit 
von Liebus [72], ferner auf die tektonischen Untersuchungen Kettners im 
Motoltal [30, 70). 


964 Ernst Nowak. j [50] 


Aufschlüsse gefunden, die über den Charakter der Störung voll- 
kommene Aufklärung gegeben hätten. 

Die bemerkenswerteste Erscheinung an der Grenze der prä- 
kambrischen Schiefer ist die steile Aufrichtung der d,-Quarzite, die 
sich in den Felsen von Cernolitz (s. Phot. Fig. 11) und ebenso im 
Wschenorer Tal augenfällig kundgibt; ferner eine überaus ins einzelne 
gehende Zerklüftung, die sonst den Quarziten nicht eigen ist, ver- 


Fig. 11, 


Die steil aufgerichteten Quarzitfelsen bei Öernolitz. 


bunden mit einer besonderen Härte des Gesteins, die jedenfalls das 
Auftreten der Felsklippen bei Cernolitz bedingt. Es wäre möglich, 
daß die so ins einzelne gehende Zerklüftung auf den großen Gebirgs- 
druck, und die auffallende Härte auf eine nachträgliche Infiltration mit 
kieselsauren Wässern längs der Verwerfungskluft zurückzuführen ist?). 

Die steile Aufrichtung der d,-Schichten ?) sowie ihre Zusammen- 
stauung in steile Falten im Wschenorer Profil würde für einen seit- 
lichen Zusammenschub, verbunden mit starker Pressung, weniger 
für ein senkrechtes Absinken der Gebirgsteile sprechen. Die Analogie 


!) Liebus beschreibt eine gleiche Struktur im Quarzit aus seinem Arbeits- 
gebiet [72] und schreibt sie einer rupturellen Umwandlung im Sinne 
Reyers zu. 

?) Ich habe sie auch im Profil Fig. 10 «a angedeutet, obwohl sie hier (bei 
Ridka) nicht direkt zu beobachten ist, sondern erst weiter nördlich (bei Öernolitz). 


[51] Geo). Studien im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 265 


mit den bisher beobachteten tektonischen Erscheinungen verleiht 
dieser Auffassung weitere Wahrscheinlichkeit. 

Weiter gegen S sind an der Grenze der präkambrischen 
Schiefer nirgends Erscheinungen sichtbar, die über den Charakter 
der Störung Aufschluß bringen. Schließlich gehen — in der Gegend. 
von Kytin — auch die Anzeichen für das Vorhandensein der 
Störung verloren, da ja hier das Präkambrium direkt an die Konglo- 
merate grenzt. Erst nach einer Entfernung von zirka 15 km ist die 
Pribramer Lettenkluft, die genau im Streichen der im Aufnahms- 
gebiete beobachteten Störungslinie verläuft, in der Gegend von Pidin 
bereits durch Bergbau nachgewiesen, so daß man wohl mit großer 
Wahrscheinlichkeit annehmen kann, daB beide Brüche in unmittel- 
barer Verbindung stehen. Auch der Charakter der Dislokation dürfte 
der gleiche sein: die Pfibramer Lettenkluft ist eine UÜberschiebung, 
die eine Wiederholung der Schichtenfolge, nämlich das Wiederempor- 
kommen der präkambrischen Schiefer und vielleicht sogar des Granites 
(bei Bohutin) veranlaßt [51, 52]. Auch im Aufnahmsgebiete sprechen 
— wie schon erörtert wurde — manche Anzeichen für eine Über- 
schiebung !), durch die hier allerdings keine Schichtenwiederholung, 
sondern ein Schichtenausfall hervorgerufen wird, der sich damit er- 
klären ließe, daß gegen N zu allmählich mehrere Formationsglieder 
in der Tiefe zurückbleiben. Darin würde sich eine Steigerung des 
Druckes, der beide Gebirgsteile aneinander preßte, nach N zu kund- 
geben, wo ja die Gewalt dieser Pressung in den steilen Falten und 
Schichtenaufrichtungen bei Wschenor und Cernolitz so deutlichen 
Ausdruck findet. 

Im Profile Fig. 11 ist darauf verzichtet worden, den Charakter 
der Störung darzustellen, um, da direkte Beobachtungen nicht vor- 
liegen, der Darstellung die möglichste Objektivität zu wahren. 


d) Über Querstörungen. 


Während alle bisher behandelten größeren Störungen Längs- 
störungen sind und diese somit einen wesentlichen EinfluB auf das 
geologische Bild des Aufnahmsgebietes haben, spielen Querstörungen 
eine sehr untergeordnete Rolle; in der geologischen Karte kommen 
sie nirgends deutlich zum Ausdruck. Die Grenzlinien der Formations- 
glieder nehmen — wie schon mehrfach erwähnt — einen sehr regel- 
mäßigen Verlauf. Nur an einer Stelle — es ist dies östlich von Litten 
springen die e,-Graptolitenschiefer in einem scharfen Knick nach S, 
in das Verbreitungsgebiet der d,-Schichten vor, um dann in einer 
ebenso scharfen Biegung wieder in ihre ursprüngliche ENE— WSW- 
Streichrichtung zurückzukehren. Diese S-förmige Biegung der For- 
mationsgrenze läßt sich wohl nur durch eine Querstörung erklären, 
die sich jedoch nicht nachweisen läßt, da das Terrain daselbst durch- 


!) Schon Krejti spricht in seinem Aufnahmsbericht (1859) davon, daß bei 
kKönigsaal (also in der Fortsetzung nach NE) „die Pfibramer Schiefer auf den 
Brdaschichten aufgelagert zu sein scheinen“; auch Kettner äußert in seiner 
neuesten Arbeit [71], — wie er mir freundlichst mitteilt, — die Ansicht, daß die 
Störung an der Grenze des Präkambriums eine Überschiebung ist. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (E. Nowak.) 34 


266 N "Ernst Nowak. [52] 


aus von Feldern bedeckt ist und die Verbreitung der e,- und d;- 
Schichten nur aus der Bodenbeschaffenheit und aus den Lesesteinen 
erschlossen werden kann. 

Es wäre noch zu erwähnen, daß Krej&i zwei Querbrüche in 
dem von mir untersuchten Gebiete annimmt [38] [59], und zwar läßt 
“er die eine im Karliker Tal verlaufen, die andere in dem tief ein- 
geschnittenen Tale des Nezabudicky-Baches am NW-Abhange des 
Kalvarienwaldes südlich von Rewnitz. Es scheint, daß Krejci viel- 
fach, — einer älteren Anschauung entsprechend — auf Querstörungen 
nur aus dem Vorhandensein von Quertälern schloß. So verhält er sich 
auch in diesen beiden Fällen. Die Schichten streichen, wie es be- 
sonders im Karliker Tal deutlich zu sehen ist, unverändert über das 
Tal hinweg. Beim Nezabudicky-Bache ist allerdings die Streichrichtung 
und der Fallwinkel auf den Höhen diesseits und jenseits der Schlucht 
etwas verschieden, (nämlich auf der Babka das Streichen N 60° E, das 
Fallen 35—45° nach N30°W, auf dem Stfeny-vrch das Streichen 
E-W, das Fallen 55°), doch an der vom E-Abhang der Babka herab- 
laufenden Felsrippe erkennt man deutlich, daß diese Anderung in der 
Streichrichtung, beziehungsweise im Fallwinkel auf einer allmählichen 
Biegung der Schichten im Streichen, verbunden mit einer langsamen 
Aufrichtung von SW nach NE beruht. 


Literaturverzeichnis. 


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[3] — Schreiben des H. Barr. an H. Dir. W. Haidinger; J. g. R-A. 1859. 


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Mittelgeb.; Geogr. Jahresber. aus Österr. IX. (1911). 


[9] Feistmantel (siehe auch Krej&i), Über die Lagerungsverhält. der Eisen- 
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[12) Frech, Über die Entwicklung der silur. Sedimente in Böhmen und im SW 
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[14] Helmhacker (siehe auch Krejt i), Die geognost. Verhältnisse und der Eisen- 
steinbergbau der Silurform. zw. Prag und Beraun; Berg- und Hüttenmänn. 
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[53] Geol. Studien im Südflügel des mittelböhmischen Silur. 267 


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[20] — Über das Tejfowitzer Kambrium; V. g. R.-A. 1893. 

[21] — Über die geolog. Verhältnisse des Kambrium von Tejrowitz und Skrej. 
J. g. R.-A, 1895. 

[22] — Geologische Exkursionen im älteren Paläozoikum Mittelböhmens; Livret 
guide des intern. Geolog.-Kongr. in Wien 1913. 

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[24] — Über das Jinetzer Kambrium; Anz. d. naturw. Klubs in Proßnitz X. (1907). 
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[25] Katzer, Geologie v. Böhmen, 1892. 

[26] — Uber die Grenze zw. Kambrium und Silur in Mittelböhmen; Sitzb. böhm. 
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[27] — Notizen zur Geol. v. Böhmen X.: Beiträge z. petrolog. Kenntnis des älteren 
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[28] Kettner, Die tertiären Schotter- u. Tonablagerungen bei Sloup u. Klinetz in 
Mittelböhmen ; Sitzb. böhm. Ges. 1911. 

[29] — Über einige Eruptivgesteine im Algonkium des Moldauflußgeb.; Bull. int. d. 
böhm. Ak. XVII (1912), 15. 

30] — Über das neue Vorkommen untersilur. Bryozoen und anderer Fossilien in 
der Ziegelei Pernikafka bei Kosir; Bull. int. d. böhm. Ak. 1913. 

[31] — Ein Beitrag zur Kenntnis des Kambriums bei Skrej ; Sitzber. böhm. Ges. 1913. 

[32] — „O terasäch vltavskych mezi Svatoj. proudy a Zbraslavi“; Sbornik Öeske 
spol. zemevedne 1913, H. 1. 

[33] Krejöi, Über die Diluvialbildungen der Umgebungen von Prag und Beraun; 
Lotos IX. (1859). 

[34] — Aufnahmsbericht vom 31. August 1859; J. g. R.-A. 1859. 

[35] — Bericht über die im J. 1859 ausgeführten geolog. Aufnahmen bei Prag und 
Beraun; J. g. R.-A. 1861/62. 

[36] — Offene Erklärung über H. Barrande’s Kolonien im Silurbecken Böhmens; 
V. g. R.-A. 1869. 

[37] — Helmhacker, Geolog. Karte der Umgebungen von Prag, Erläuterungen 
hiezu; Arch. naturw. Landd. IV., 3 (1880). ie 

[38] — Feistmantel, Orographisch-Geotektonische Übersicht des silurischen Ge- 
bietes im mittleren Böhmen; Arch. naturw. Landd. V., 5 (1885). 

[39] Liebus, Der geologische Aufbau der Umgebung von Hofowitz etc.; V. g. 
R.-A. 190?, 

[40] — Das Gebiet des Roten- und Jalovybaches um Komorau und das Schiefer- 
terrain von Lochowitz; V. g. R.-A. 1904. 

[41] — Die Z-förmige Umbiegung der d, Quarzite bei Lochowitz und deren Um- 
gebung; ebenda. 

[42] — Die Bruchlinie des Vostry im Bereiche der SW-Sektion des Kartenbl. Z. 6, 
Kol. X und deren Umgebung; J. g. R.-A. 1910. 

[43] Lipold, Bericht vom 24. April 1860. (Über Auftreten und Nomenklatur der 
silur. Grauwackenform.); V. g. R.-A. 1860. 

[44] — Über H. Barrande’s Kolonien in der Silurform. Böhmens; J. g. R.-A. 
1861/62. 

[45] — Die Eisensteinlager in der silurischen Grauwackenform. in Böhmen; J. g. 
R.-A. 1863. 

[46] — Zu H. Krej£i’s Erklärung über die Kolonien im Silurbecken Böhmens; V. g. 
R.-A. 1870. 

[47] Marr, On the Predevonian rocks of Bohemia; Quart. jour. of the Geol. 
Soc. 1380. 

[48] Perner, Etudes sur les Graptolites de Boh@mes. 

[49] Po&ta, Geolog. Karte von Böhmen, Sect. V (Weitere Umgebung Prags), mit 
Erläuterungen; Arch. naturw. Landd. XII. 6 (1903). 

[50] PoSsepny, Über Dislokationen im Pfibramer Erzrevier; J. g. R.-A. 1872. 

[51] —- Über die Adinolen von Pribram; Tsch. Min. u. petr. Mitt. 1388. 

[52] — Moutangeolog. Verhältnisse der Umgebung von Pfıbram; Arch. f. prakt. 
Geol. II. (1895). 

34* 


268 Ernst Nowak. [54] 


[53] Purkyn&, Terasy Mze a Vltavy mezi TouSkovem u Plzn& a Prahou; 1912. 

[54] Raßmuß, Zur Morphologie des nordwestl. Böhmen; Zeitschr. d. Ges. f. 
Erdk. Berlin 1913. 1. 

[55] Rosiwal, Petrograph. Notizen über Eruptivgesteine aus dem Tejrowitzer 
Kambrium; V. g. R.-A. 1894. 

[56] — Petrograph. Charakteristik einiger Grauwackengesteine aus dem Tejfow. 
Kambrium; ebenda. 

[57] Sandberger, Über die ältesten Ablagerungen im südl. Teile des böhm. 
Silurbecken ; königl. Bayr. Ak. d. Wiss. 1887. 

158] Schneider, Zur Orographie u. Morphologie Böhmens; 1908. 

159] Schmid, Montan-geolog. Beschreibung des Pfibramer Bergbauterrains; 1892. 

[60] Seemann, Das mittelböhm. Obersilur- und Devongebiet südwestl. der Beraun; 
Beitr. z. Geol. und Pal. Österr.-Ung. u. d. Or. XX., 1907. 

[61] Slavik, Beitrag z. Kenntnis der Eruptivgesteine des Mittelböhm. Präkam- 
brium; Bull. int. d. böhm. Akad. d. Wiss. 1902. 

[62] — Spilitische Ergußgesteine im Präkambrium zw. Kladno u. Klattau; Arch. 
naturw. Landd. XIV., 2 (1908). 

[63] Sueß. E., Schreiben an Dir. W. Haidinger; J. g. R.-A. 1859. 

[64] — F. E., Bau und Bild der böhm. Masse; 1913 

[65] Tullberg, Über die Schichtenfolge des Silurs in Schonen etc.; Zeitsch. deut. 
geol. Ges. XXXV. (1883). 
Väla siehe Helmhacker. 

[66] Vrba, Die Grünsteine des Pfibramer Erzreviers; Miner. Mitt. J. g. R.-A. 1877. 

[67] Walther, Über algonkische Sedimente; Zeitsch. deutsch. geolog. Ges. 
CXI. (1909). 

[68] Wentzel, Über Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D, E zum brit. 
Silur; J. €. R.-A. 1891. 

[69] Woldrich, Über den fossilien böhm.-mähr. Steinbock im Allg. ete.; Sitzb. 
höhm. Ges. 1879. 

[70] Cermak, Kettner, Woldfich, Do üdoli Motolsk&ho a Sareckeho u Prahy; 
Sborn. Klubu pfirov&d. v Praze 1913, 1. 

[71] Kettner, Über die lakkolithenartigen Intrusionen der Porphyre zwischen 
Mnisek und der Moldau; Bull. int. böhm. Akad. 1914. 

[72] Liebus, Geologische Studien am Südostrande des Altpaläoz. in Mittelböhmen ; 
J. 8. B-A. 1913, 4, 


Inhaltsübersicht. RR 
Vorwart. 2. U a ER TE EEE NE re RR 
I. Morphologisch- N er Überblick; Abgrenzung des &ebietes 216 [2] 
lI. Die stratigraphischen Verhältnisse: 
a) Ausbildung und Verbreitung der einzelnen altpaläozoischen Schicht- 
glieder 4... „WW 2 2 VER BERRE e De U BR EN 
b) Auftreten von KenptivBöstenen (Porphyr, Dienas). . 28. 12... 2355 [21] 
c) Decksedimente (tertiäre Flußablagerungen? Diluvialbildungen . . 237 [23] 
IlI. Die tektonischen Verhältnisse : 
a) Schichtenwiederholungen an der Grenze des Unter- und Obersilurs 


(Kolonien von Böle, Tfeban und Cernoschitz) . . 2... ... 242 [28] 
db) Dislokationenri® Briy-Waid Tr VE Euer 255 [41] 
c) die Bruchlinie an der Grenze des Präkambriums . . .....263 [49] 
d) über Querstörungen ı.. . users, oe Be . .265 [51] 


Literaturverzeichnistt#t i\ % ERBEN. I Re 266 [52] 


Die Zinnerzlagerstätten von Graupen in Böhmen. 


Von Richard Beck in Freiberg. 
Mit 5 Tafeln (Nr. IX— XIII) und 15 Textfiguren. 


Die bis vor kurzem hohen Zinnpreise haben von neuem die Aufmerk- 
samkeit auf die zum Teil viele Jahrzehnte hindurch nicht mehr kon- 
kurrenzfähigen und deshalb größtenteils eingestellten Zinnerzbergwerke 
des sächsischen und böhmischen Erzgebirges gelenkt. Auch im Grau- 
pener Gebiet, in welchem der Bergbau nie ganz erloschen war, machte 
man Anstrengungen, die umsichtigen Prospektier- und Vorrichtungs- 
arbeiten des leider im zeitigen Frühling 1912 verstorbenen letzten Be- 
sitzers, des wissenschaftlich alle Zeit um die Aufklärung der dortigen geo- 
logischen Verhältnisse bemühten Herrn Philipp Schiller zum Abschluß 
zu bringen und den Betrieb auf breiter Grundlage zu eröffnen. 

Da scheint es dem Verfasser höchste Zeit zu sein, die von ihm 
seit 1901 begonnenen Studien über die Graupener Gänge endlich 
abzuschließen und die Ergebnisse weiteren Kreisen zugänglich zu 
machen. Sie beruhen auf vielen eigenen Erfahrungen und Aufnahmen 
über Tage, auf sehr umfangreichen Sammlungen von Belegstücken, 
die der Freiberger Bergakademie unausgesetzt von dem genannten 
Grubenbesitzer mit eingehenden Fundberichten zugestellt worden 
waren, sowie endlich auch auf dem wiederholt durchgearbeiteten 
Inhalt der in Mariaschein im Schiller’schen Hause befindlichen Revier- 
sammlung. Das gesamte Material ist im Laufe der Jahre eingehend, 
namentlich auch mikroskopisch vom Verfasser untersucht worden. 

Was die ältere Literatur anlangt, so bilden die in diesem Jahr- 
buch erschienenen Arbeiten über Graupen von Joh. Jokely (1858) 
und von G. Laube (1864) natürlich immer noch eine wichtige Fund- 
srube, die fleißig benützt wurde. Sehr wertvoll sind ferner die Auf- 
zeichnungen, die von den langjährigen Besitzern des Bergwerkes 
Ph. Schiller und Lewald vor Jahren dem Drucke übergeben 
wurden (1868). Die Lagerstätten von Obergraupen hat endlich der 
Verfasser selbst schon einmal beschrieben (1903). Um jedoch das 
Bild des ganzen Erzdistrikts nicht zu zerreißen, wurden diese früheren 
Beschreibungen nebst den zugehörigen Profilen teilweise wörtlich 
mit in diese Abhandlung hereingenommen. Die damals untersuchten 
Aufschlüsse bei Obergraupen sind übrigens seit jener Zeit zum Teil 
unzugänglich oder wenigstens sehr schwer kenntlich geworden, weil 
sie von Wald überwuchert oder mit Verwitterungsschutt überdeckt sind. 
Unten ist die wichtigste Literatur chronologisch zusammengestellt. 

Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd.,1 u. 2. Hft. (R. Beck.) 


270 Richard Beck. [2] 


Literatur über das Zinnerzgebiet von Graupen. 


A. E. Reuß, Geognostische Skizzen, pag. 40—-51. Prag und Teplitz 1838. 
A. Breihaupt, Die Paragenesis der Mineralien, pag. 144, Freiberg 1849. 


Joh. Jokely, Das Erzgebirge im Leitmeritzer Kreise in Böhmen. Jahrbuch der 
k. k. geol. Reichsanstalt. IX. 1858, pag. 549—575, bes. pag. 561—566. 


B. von Cotta, Lehre von den Erzlagerstätten. II. Bd. 1861, pag.557, sowie auch 
in Berg- und Hüttenm. Zeit. XVIII, pag. 117, und Geologie der Gegenwart. 
I. Aufl. 1866, pag. 132. 

G. Laube, Mitt. über die Erzlagerstätten von Graupen in Böhmen. Jahrbuch der 
k. k. geol. Reichsanstalt. XIV. 1864, pag. 159—178. 


H. Hallwich, Geschichte der Bergstadt Graupen in Böhmen. Prag 1868; enthält: 
Ph. Schiller und P. Lewald, Das Zinnerzvorkommen zu Graupen und Öber- 
graupen und die Art und Weise des Bergbaues daselbst in alter und 
neuer Zeit. 


Ed. Reyer, Über die erzführenden Tieferuptionen von Zinnwald-Altenberg und 
über den Zinnbergbau in diesem Gebiete. Jahrbuch der k. k. geol. Reichs- 
anstalt. XXIX. 1879, pag. 1—60. Mit 5 Tafeln. 


K. Dalmer, Erläuterurgen zu Sektion Altenberg-Zinnwald, pag. 94. Leipzig 1890. 


R. Beck, Die Erzlagerstätten der Region von Graupen in den Erläuterungen zu 
Sektion Fürstenwalde-Graupen der geol. Spezialkarte von Sachsen. 1903, 
pag. 40—54. 

R. Beck, Lehre von den Erzlagerstätten. III. Aufl. I. Bd. 1909, pag. 283. 


Was die Geschichte des Graupener Bergbaues anlangt, so soll 
bier lediglich auf das vortreffliche Werk von H. Hallwich hinge- 
wiesen werden. 


I. Die allgemeinen geologischen Verhältnisse und die 
verschiedenen Gesteinsarten. 


Das Gebiet gehört dem nach SO gerichteten Steilabfall des 
wesentlich aus Gneisen aufgebauten östlichen Erzgebirges an. Die 
obersten Gangvorkommen liegen noch in der Kammregion. Das Mücken- 
türmchen, um das herum überall Pingen wahrgenommen werden, bildet 
hier mit 808°4 m den höchsten Punkt. Das alte Zinnseifengebiet in 
dem Schuttkegel am Ausgange des Graupener Steiltales hat bei Maria- 
schein Meereshöhen von nur 250—300 m. Wenn auch der Wald vor- 
herrscht, ist doch den ersten bergmännischen Ansiedlern der Feldbau 
in und bei Obergraupen bis auf die Kammhöhe selbst hinauf gefolgt, 
soweit es die Steilheit und der steinige Charakter des Bodens ge- 
stattete. Dicht östlich vom Graupener Steiltal steigt zunächst einem 
Nebentale folgend die Hauptstraße von Teplitz über den Mückenberg 
nach dem Müglitztale in Sachsen in vielen Windungen am Gebirgs- 
abfall empor. An dieser Straße erhebt sich oben auf der Kammhöhe 
das kleine Bergkirchlein St. Wolfgang mit dem Friedhof, wo der er- 
wähnte Spiritus Rector dieses Zinnerzgebietes Philipp Schiller die 
ewige Ruhe gefunden hat. 

Die Gneise des Gebirgsabfalles werden weiter westlich vom 
eigentlichen Graupener Gebiet von jenem mächtigen Stock des 
Teplitzer Quarzporphyres durchsetzt, an dessen Intrusion sich un- 


[3] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 71 


mittelbar solche von mächtigen Gängen von Granitporphyr anschlossen. 
An der Straße, die vom Mückenberg zunächst oben auf dem Kamme 
sich haltend nach Eichwald führt, bemerkt man deutlich, wie eine 
gangförmige Apophyse von jenem stockförmigen Quarzporphyr nach 
OÖ hin in die Gneise hinein sich erstreckt. Mehrere andere solche 
WO oder von WSW nach ONO verlaufende Porphyrgänge lassen 
sich, wie unsere Übersichtskarte Tafel IX zeigt, bei Obergraupen 
nachweisen. Sie stehen jedoch nicht sicher im Zusammenhang mit 
der Intrusivmasse. 

Für die Entstehung der Zinnerze ungemein wichtig hat ein in 
der Richtung von Nordwest nach Südost 1 km messender Ausstrich 


Fig. 1. 


Schema der Altersverhältnisse der Gesteine des Graupener Gebietes, erläutert 
an einem rein idealen Querprofil durch das Gebirge. 
Gn = Gneis. — St — Schichten des Karbon. — Pr = Teplitzer Quarzporphyr. 
— P = Porphyrgänge. — PG —= Granitporphyr. — @ = Granit. — L = Lam- 
prophyr. — B = Basalt. 


von Granit zu gelten. Seine obere Grenze liegt im mittleren Teile 
in etwa 700 m, seine untere in ungefähr 500 m Meereshöhe. Stock- 
granite sind in geringerer Meereshöhe bei Graupen weiter nicht 
bekannt geworden, wohl aber granitische Gänge: der OW streichende 
Mahlerzug mit stockartiger Erweiterung an der Zwickenpinge und der 
ONO streichende Groß-Geschrei-Zug. Sie liegen in ungefähr 500 bis 
350 m Meereshöhe. 

Es dürfte nicht ganz ausgeschlossen sein, daß parallel den 
Mariascheiner Bruchspalten gerichtete Verwerfer auch höher oben am 
Gehänge des Erzgebirgsabfalles hinziehen und diese granitischen 
Gänge samt den benachbarten Erzgängen in ein etwas tieferes Niveau 
gezogen haben, als wie ihnen eigentlich zukommt. Nachweisbar waren 


2372 Richard Beck. ; [4 


solche Verwerfer jedoch im Felde nicht. Auch der Bergbau hat bis 
jetzt keine Beweise dafür erbracht. 

Auch die im Tertiär sich abspielende großartige vulkanische 
Tätigkeit in der Gegend von Teplitz hat ihre äußersten Ausläufer 
in unser Zinnerzgebiet hinein erstreckt. Die sogenannten „Blauen 
Klüfte“ des Graupener Bergmannes, sehr zersetzte schmale Basalt- 
gänge sind die Spuren dieser Tätigkeit. 

Die Textfigur 1 gibt ein schematisches Bild von den Alters- 
verhältnissen der verschiedenen Gesteine des Gebietes, wobei auch 
die auf dem nördlichen Gebirgsabfall beobachteten Aufschlüsse mit 
berücksichtigt wurden. 

Von allen den erwähnten Gesteinen, denen sich noch die Schotter 
und steinigen Lehme und Sande am Fuße des Gebirgsabhanges mit 
ihrem Zinnsteingebalt anschließen, beabsichtige ich nur ganz kurz zu 
berichten und nur insoweit, als es für das Verständnis der Erzlager- 
stätten notwendig erscheint. 


1. Die Gneise. 


Die Gneise des Graupener Zinnerzgebietes sind sehr einförmige 
Gesteine aus der Gruppe der Orthogneise, und zwar fast ausschließlich 
Biotitgneise.‘ In einer früheren Abhandlung!) habe ich an Aufschlüssen 
im Müglitztale jenseits des Kammes die granitische Natur dieser 
Gesteine nachweisen können. Die Flaserung halte ich für nicht primär, 
sondern für eine erst bei der Regionalmetamorphose erworbene Struktur. 
Muskovitgneise, d. h. mehr oder minder stark metamorphe ehemalige 
Aplite und Pegmatite sind im engeren Graupener Gebiete nur spärlich 
entwickelt. Gelegentlich wurde jedoch im Biotitgneis des Martinistollens 
eine schmale pegmatitische Lage mit Turmalinkristallen gefunden. 
Hier möge auch auf die Blöcke eines Quarz-Turmalingesteins hinge- 
wiesen werden, die sich südlich vom Klösenberg fanden. Es dürften 
extrem turmalinreiche Abänderungen der im östlichen Erzgebirge nicht 
seltenen Turmalin-Muskovitgneise sein. Das Gestein stellt ein körnig- 
kristallines Aggregat von Quarz und braunem Turmalin mit Einschlüssen 
von Rutil dar. Hornblendegesteine als Einlagerungen sind dagegen 
anscheinend sehr selten. 

An manchen Stellen, wie z. B. auf der Anhöhe zwischen dem 
Mückentürmchen und dem Klösenberg nordöstlich von Obergraupen 
ist der granitische Charakter der Biotitgneise noch gut zu erkennen. 
Die Struktur ist hier noch wenig von der granitischen abweichend. 
Charakteristische Glimmerballen, wie in so vielen Graniten, sind zu 
sehen. Auch Einschlüsse von Quarz und hornfelsartigem Gestein sind 
zu bemerken. Diese letzteren sind Bruchstücke von Pelitgneisen, die 
der granitische Hauptgneis durchbrochen hat. Sie lassen oft typische 
Pflasterstruktur erkennen. 

Die Streckung des ehemaligen Granits ist zum Teil eine sehr 
weitgehende. Sie führte zur Herausbildung einer flaserigen, im extremen 


!)R. Beck, Über einige Eruptivgneise des sächsischen Erzgebirges. Tscher- 
macks Mineral.-petrogr. Mitteilungen. Bd. XX, Heft 4, 1912. 


5] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. Ds 


Falle auch einer stengeligen Struktur. Stengelig gestreckte Gneise, in 
ihrem Aussehen an faseriges Holz erinnernd, trifft man besonders schön 
westlich und nordwestlich vom Mückenberge in losen Blöcken an. 


Auch nach der Metamorphose haben dynamische Einwirkungen 
auf die Gneise stattgefunden. Sie äußern sich in Fältelungen und 
Stauchungen der flaserigen oder grobschieferigen Gesteine. So zeigen 
z. B. die Gneisbruchstücke von der Halde der Grube Regina im 
Knötler Revier auf dem Querbruch eine solche zierliche Fältelung. 


Das seltene Vorkommen von Bruchstücken eines stark zersetzten 
Hornblendegesteins mit viel Granat und Ilmenit zwischen dem Mücken- 
türmehen und Klösenberg sei nur kurz erwähnt. 


Stellenweise werden die Gneise von Lamporphyrgängen durch- 
brochen. Ein solches Gestein liegt uns aus dem Unteren Abendstern- 
Stollen vor. Es erwies sich als ein stark zersetzter Hornblendevogesit. 


2. Der Teplitzer Quarzporphyr. 


Von diesem Gestein fällt gerade noch ein Teil der Östflanke 
des mächtigen Stockes, den es im Gneisgebirge bildet, in den Bereich 
des Übersichtskärtchens. Die Kontaktfläche ist zurzeit nirgends gut 
aufgeschlossen. Man darf jedoch annehmen, daß sie steil steht. Das 
Gestein zeigt die bekannte typische Ausbildung. In der mikrokristallinen, 
gewöhnlich rotbraun gefärbten Grundmasse liegen Quarzdihexaeder, 
Tafeln von Orthoklas und Plagioklas und einzelne Glimmerblättchen 
eingesprengt. Unter dem Mikroskop erkennt man noch Hämatit, Apatit, 
Zirkon und Magnetit. 


3. Der Granitporphyr. 


Dieses Gestein bildet einen ungefähr NS verlaufenden Gangzug. 
Westlich vom Mückenberg setzt es gerade auf der Grenze zwischen 
dem Teplitzer Quarzporphyr und dem Gneis auf, tritt aber in der 
Richtung nach SSO hin in den Gneis selbst ein. Seine merkwürdigen 
Kontaktverhältnisse in der Preißelsberger Pinge geben die Textfiguren 
3 und 4 weiter unten wieder. Südlich von dieser jetzt ganz verfallenen 
und verwachsenen Pinge wird die Ostgrenze des dortigen Granits 
von einem zweiten solchen Granitporphyrgang begleitet, der nach dem 
Vogelsgrund zu verfolgt werden kann. Der ganze Gangzug liegt in der 
Fortsetzung des bekannten großen Granitporphyrganges von Altenberg. 


Wie dieses Gestein hat auch der Graupener Granitporphyr eine 
körnig-kristalline oder auch mitunter granophyrische Grundmasse. In 
dieser liegen zahlreiche tafelförmige Kristalle von Orthoklas und 
Oligoklas sowie Quarzdihexaeder und zersetzte Glimmerschüppchen 
eingesprengt. Unter dem Mikroskop erkennt man ferner noch Magnetit, 
Apatit, Zirkon und Rutil sowie den feinen rötlichen Staub, der das 
Pigment der oft schön zonalen Feldspate bildet.. Wiederholt wurden 
auch einzelne schon makroskopische Körnchen von Granat darin 
gefunden. 

Jahrbuch d.K.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Beck.) 35 


274 Richard Beck. ö [6] 


4. Die Quarzporphyrgänge. 

Die am Mückenberg den Gneis durchsetzenden Gänge von Quarz- 
porphyr, die auch in den Grubenbauen vielfach angetroffen worden 
sind, zeichnen sich durch große Armut an Einsprenglingen von Feldspat 
und Quarz aus, gehören daher in die Felsitfels genannte Abänderung 
dieses Gesteins. Nur der größte unter ihnen, den wir bereits als 
Apophyse des Teplitzer Quarzporphyrstockes kennen lernten, nimmt 
nach seiner Abzeigungsstelle zu mehr und mehr Einsprenglinge auf. 
Einige der Gänge in der Nähe des Mückentürmchens besitzen eine 
gut entwickelte Fluidalstruktur, indem abwechselnd blaßgrüne und 
rötliche parallele Farbenstreifen in der felsitischen Masse zu erkennen 
sind. Die mikroskopische Struktur der Grundmassen aller dieser 
Gesteine ist vorwiegend eine mikrogranitische. Die mineralogische 
Zusammensetzung ist die normale. 


5. Der Granitstock von Obergraupen. 


Schon K. Dalmer hatte darauf aufmerksam gemacht, daß das 
Graupener Granitmassiv mit seiner Längsachse, die lkm mißt, in einer 
nach NW streichenden Linie mit der Zinnwalder Granitkuppe und mit 
der Längsachse des Schellerhauer Granitmassivs gelegen ist. Im 
Gegensatze zu diesen Graniten ist jedoch das Graupener Gestein 
vorherrschend feinkörnig entwickelt, an manchen Stellen auch porphyr- 
artig durch das Hervortreten größerer Einsprenglinge von Orthoklas. 
Es nähert sich in Struktur und Zusammensetzung sehr dem Altenberger 
Granit. 

Die Gemengteile sind Orthoklas und Albit, der auch perthitisch 
mit dem Orthoklas verwachsen vorkommt, Quarz, ein dunkler Glimmer, 
sehr selten auch ein wohl sekundärer lichter Glimmer, zerstreute 
Kriställchen von Zirkon und Apatit sowie Körnchen von Magnetit. Als 
Füllung kleiner miarolithischer Räume findet sich Hämatit. 

Die Mikrostruktur geht in sehr ausgedehntem Maße von der 
normalen granitischen in die aplitische über. Diese tritt am klarsten 
bei den feinkörnigen Abänderungen hervor. Hier bildet der Quarz 
polygonale Körner mit geraden Flächen und mitunter Ansätzen zur 
Kristallform, durchbricht auch häufig die Randzonen von Feldspaten 
oder findet sich als Einschluß inmitten dieser Gemensteile. 

Mitunter wird der normale Granit von heller gefärbten, 1—3 mm 
breiten Bändern, die sich spitzwinklig kreuzen, durchsetzt. 

Auch wurden an einer Stelle aplitisch-pegmatitische Bänder von 
2—4cm Breite angetroffen. Sie enthalten manchmal schön gefiedert 
gestaltete Orthoklase, die mit ihrer Längsachse senkrecht zur 
Begrenzungsfläche des Bandes stehen, wie es schematisch auf Fig. 2 
wiedergegeben ist. Man sieht, daß sie in ihrem eisblumenartigen 
Wachstum das gegenüberliegende Salband beinahe erreicht haben. 
Zwischen diesen großen Kristallen liegt eine feinkörnige Zwischen- 
masse von aplitischem Charakter. Unter dem Mikroskop erweisen sich 
die großen Orthoklase als Zwillinge, deren Trennungslinie mit der 
Längsachse der gefiederten Gebilde zusammenfällt. In jeder Hälfte 
der Zwillinge sind zahlreiche, schräg nach vorn auslaufende unregel- 


[7] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 275 


mäßige Quarzstengel eingeschaltet. Viele dieser Quarzeinschlüsse haben 
mehrfach geknickte Gestalt, wie die Quarze im Schriftgranit, und löschen 
auch innerhalb ganzer Gruppen wie in solchen gleichzeitig aus. Ein 
Teil der Feldspate dieser Aplit-Pegmatitbänder ist Mikroklin. 


Sehr häufig wird der Graupener Granitstock besonders nahe an 
seiner Peripherie von dunkelgrau gefärbten Greisenbändern durch- 
zogen. Meist erkennt man in ihrer Mittellinie deutlich eine zarte, mit 
Quarz und zuweilen auch mit Lithionglimmer, Topas und Zinnstein 
erfüllte Kluft. Zu beiden Seiten ist der Granit vollständig umgewandelt. 
Der Feldspat und der braune Glimmer sind zerstört und an ihrer 
Stelle ist Quarz und Topas sowie ein farbloser oder ein dunkelgrüner 
Lithionglimmer getreten. Zwischen diesen vorherrschenden Bestandteilen 
sind winzige Körnchen von Zinnstein eingestreut. 


ST 


G 
= 
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18 
fe 


Aplitisch-pegmatisches Band im Graupener Granit in natürlicher Größe. 


Manche dieser Greisenbänder sind außerordentlich reich an 
Topas. Die meist unregelmäßigen Körner dieses Minerals umschließen 
häufig kleine Quarzkörnchen und Glimmerschüppchen sowie Flüssig- 
keitseinschlüsse. Nur selten zeigen sie unvollkommene kristallographische 
Umrandung. Dann tritt auch an den größeren Individuen die basische 
Spaltbarkeit des Minerals schön hervor. Vereinzelt werden Greisen- 
bänder angetroffen, die den Topas in büscheligen, pyknitartigen und 
teilweise sogar radialstrahligen Aggregaten von einem Durchmesser 
bis zu 0°5 cm führen. Hier werden die Zwischenräume zwischen den 
Topasprismen durch ein kleinkörnig-kristallines Quarzaggregat aus- 
gefüllt. Die Quarzkörner führen namentlich in ihren zentralen Teilen 
oft sehr zahlreiche kleine Glimmerscheibchen und Topaskörnchen 
sowie Flüssigkeitseinschlüsse (Dünnschliffbild Fig. 1 auf Tafel,X). 

Das Alter des Graupener Granitstockes ist ebenso sicher post- 
karbonisch wie dasjenige des Altenberger Vorkommens. Der Granit 
durchsetzt den Teplitzer Quarzporphyr, der seinerseits flözführendes 
ÖOberkarbon bei Schönfeld unweit Altenberg überlagert. 


56% 


2976 Richard Beck. ; [8] 


6. Die Ganggranite. 
a) Die Granitgänge der Preißelberger Pinge. 


Dieses Vorkommen liegt unmittelbar am Graupener Granitstock 
nahe bei dessen Nordostgrenze. Es handelt sich hier um schwebende 
Gänge innerhalb des Granitporphyrs, der ja seinerseits weiter nördlich 
den Teplitzer Quarzporphyr durchsetzt. 

Dieser Ganggranit hat die Ausbildung der porpbyrischen Mikro- 
granite des Erzgebirges, die bekanntlich den Quarzporphyren sehr 
nahe kommen. In einer lichtrötlich oder lichtgelbrot gefärbten, dem 
bloßen Auge dicht oder nur äußerst feinkristallin erscheinenden 
Grundmasse liegen zahlreiche, selten über 2 mm große Einsprenglinge 
von Orthoklaskristallen und von Quarzdihexaedern. Die Grundmasse 
erweist sich unter dem Mikroskop völlig kristallin, und zwar entweder 
rein körnig oder auch zum Teil mikropegmatitisch durch das Auf- 
treten von zarten Quarzstengeln inmitten der Feldspatkörnchen. Die 
Feldspate bestehen nur zum kleinen Teil aus Plagioklas. Orthoklas 
und Quarz führen zahlreiche Flüssigkeitseinschlüsse, während Glas- 
einschlüsse nicht nachgewiesen werden konnten. Biotit ist nur in 
spärlichen Blättchen zu beobachten. Diese Mikrogranite sind im hohen 
Grade der Zwitterbildung unterlegen. 

Die Lagerungsverhältnisse der Preißelsberger Pinge sind sehr 
verwickelt. Sie mögen im folgenden so geschildert werden, wie sie 
noch 1902 sichtbar waren: 

Das in der Pinge vorherrschende Gestein ist der Granitporphyr 
des westlich vom Forsthaus Mückenberg hinziehenden Ganges, dessen 
petrographische Ausbildung hier gänzlich derjenigen des typischen 
Altenberger Granitporphyres gleicht. Derselbe setzt namentlich die 
südwestlichen Teile der drei nebeneinander gelegenen pingenartigen 
Vertiefungen sowie deren Tiefstes zusammen, soweit dieses überhaupt 
unter dem Schutt und Blockwerk untersucht werden kann. An den 
nordöstlichen Wänden der Pingen dagegen trifft man vielfach por- 
phyrischen Mikrogranit anstehen, und zwar unverkennbar als eine 
Injektion in den Granitporphyr. Beide, sowohl der Granitporphyr 
wie der Mikrogranit, werden von Imprägnationsklüften, meist außer- 
ordentlich zarten, kaum wahrnehmbaren Spältchen durchsetzt, von 
denen aus die Gesteine in Zinnerz führenden Zwitter umgewandelt 
worden sind. Eine weitere Komplikation der dortigen Profile bilden 
endlich Gneisbreccien, die aus den vom Granitporphyr aus dem durch- 
brochenen Grundgebirge mit emporgerissenen Fragmenten bestehen. 

Beginnen wir unsere Beobachtungen mit der nördlichsten großen 
Pinge, so erblicken wir in deren äußerster Ecke inmitten des herr- 
schenden Granitporphyres einen scharf abgesetzten, etwa 0'3 m mäch- 
tigen schwebenden Gang von porphyrischem Mikrogranit. Die nach 
SO zu folgende noch größere Vertiefung wird von der eben er- 
wähnten durch einen sehr stark zerklüfteten Felsriegel (a Fig. 3) ge- 
trennt, dessen Profil Fig. 4 darstellt. Dasselbe zeigt, wie eine bis 
hinauf zur ursprünglichen Oberfläche anstehende mächtige Masse des 
Mikrogranites in der Richtung nach SW hin in den Granitporphyr 
zwei schwebende gangförmige Apophysen aussendet, deren Mächtigkeit 


[9] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. aTz 


durchschnittlich 0'3 m beträgt. Auch hier sind die Grenzen zwischen 
beiden Gesteinen scharf. Zugleich umschließt der Mikrogranit los- 
getrennte Fragmente des Granitporphyrs. 


Skizze der Preißelberger Pinge im Grundriß, Maßstab ungefähr 1: 1500. 
gnf —=Nlaseriger Biotitgneis. — GP=Granitporphyr. — Gr= porphyrischer Mikro- 
granit. — G@=Granit von Graupen. — a, b, c—=die in den Profilen 2 und 3 dar- 
gestellten Partien. — d=verbrochener Schacht. 


In der ziemlich schwer zugänglichen südlichsten Pinge endlich 
besteht die Sohle aus Granitporphyr (GP, Fig. 3), der gewaltige 
Partien von Gneisbreceie (BD) umschließt, so namentlich am Fuße des 
Vorsprunges c. Über ihr schiebt sich ein mächtiger schwebender 
Gang von Mikrogranit ein, der ebenfalls an verschiedenen Stellen 


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Profil des Felsriegels « in der Preißelberger Pinge von S aus gesehen (vgl. Fig. 3). 


Profilhöhe 2°5 m. 
GP=Granitporpbyr. — Gr =porphyrischer Mikrogranit. 


978 Richard Beck. { [10] 


Gneisbruchstücke umfaßt. Als dessen Hangendes folgt am Felsvor- 
sprung c zunächst eine zweite, wenig mächtige Gneisbreceie und als- 
dann wiederum Granitporphyr. Die an der Nordostwand dieser Pinge 
beim Felsvorsprung b herrschenden eigentümlichen Lagerungsver- 
hältnisse sind in Fig. 5 in Form einer Ansicht von SO aus gegeben. 
In diesen Figuren sind zugleich die Zwitterimprägnationsbänder an- 
gedeutet, die ebenfalls in schwebender Lagerung oder mit nur flachem 
Einfallen sowohl den Mikrogranit, wie den Granitporphyr durchziehen 
und den Abbau auf Zinnerz veranlaßt haben. Sie heben sich durch 
ihre dunkelgraue Färbung gut von den normalen Gesteinen ab, obwohl 


Fig. 5. 


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Ansicht der beiden Felsvorsprünge 5 (hinten) uud c (vorn) in der Preißelberger 
Pinge, von SO aus gesehen (siehe Grundriß Fig. 3). Höhe der Wände 3 m. 


GP=Granitporpbyr. — B= Gueisfragmente, stellenweise zu einer nur aus Gneis- 
bruchstücken bestehenden Breccie gehäuft. — G@r=porphyrischer Mikrogranit. — 
Z=dunkel erscheinende Zwitterbänder. — Der Hammer liegt auf losem Blockwerk. 


ihre Grenzen gegen diese bei näherer Betrachtung nur verschwommen 
erscheinen. Die Klüftchen, von denen aus die Umwandlung des 
Gesteines in Zwitter erfolgte, erweitern sich stellenweise zu kleinen 
Drusen mit Quarz, Flußspat, dunklem Glimmer, Steinmark und 
Kriställchen von Zinnstein. Im allgemeinen freilich war der Gehalt 
der geförderten Zwittererze an Zinnstein wegen dessen sehr feiner 
Verteilung erst nach der Aufbereitung zu erkennen, wobei auch etwas 
Schwefelkies und Zinkblende nachgewiesen werden konnte. 

Für den mikroskopischen Nachweis der Vorgänge bei der 
Zwitterbildung eignen sich ganz besonders gut Proben von Gesteinen 
aus der nördlichen Abteilung der Preißelberger Pinge. 


[11] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 279 


In dem dortigen porphyrischen Mikrogranit heben sich die 
Zwitterbänder in ihrer dunkelgrauen Färbung recht deutlich von der 
lichtrötlichgrauen unveränderten Gesteinsmasse ab, doch sind die 
Grenzen zwischen beiden bei näherer Betrachtung auch hier nur 
verschwommen. Nicht immer ist in der Mittellirie der dunklen Im- 
prägnationsbänder die Kluft zu erkennen, von der aus die Agentien 
umgestaltend auf das Gestein einwirkten. In manchen Fällen aber 
erblickt man deutliche, wesentlich mit Quarz, neben ihm mit mikro- 
kristallinem Topas, etwas Lithionglimmer und Zinnstein erfüllte 
Spältehen als die Zufuhrkanäle. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung unterscheiden sich zu- 
nächst die Grundmassen der beiderseitigen Gesteine sehr wesentlich 
voneinander, Im normalen Mikrogranit besteht dieselbe aus einem 
sehr feinkörnig-kristallinen Aggregat von Feldspat mit nur sehr wenig 
Quarz. Im Greisen dagegen setzt sich die Grundmasse aus einem viel 
gröber körnig-kristallinen Aggregat von Quarz und Topas nebst etwas 
Lithionglimmer und Zinnstein zusammen. Von den Einsprenglingen 
des Mikrogranites sind nur die Dihexaeder und unregelmäßigen großen 
Körner von Quarz erhalten geblieben, haben sich indessen mit einer 
Zone von neugebildetem Quarz umgeben, der zwar optisch gleich 
orientiert ist, sich aber von dem primären Quarz durch die Führung 
zahlreicher Einschlüsse von Zinnstein und Topas unterscheidet. Über- 
haupt sind häufig die Zinnsteinkörner gerade in der Peripherie der 
Quarzeinsprenglinge sehr angehäuft, wenn man auch außerdem Gruppen 
derselben im Greisen verstreut findet. Die bis 2 mm großen Orthoklas- 
einsprenglinge des Mikrogranites fallen der Umwandlung am aller- 
ersten zur Beute. Schon in dem noch scheinbar normalen Gestein 
nahe den Zwitterbändern kann man eine Einwanderung von Fluorit 
in diese Kristalle beobachten. Später folgen Topas, Quarz und Lithion- 
glimmer nach und verdrängen endlich die Feldspatsubstanz. Der Topas 
dieses Greisens kommt selten mit Kristallflächen vor, gewöhnlich 
bildet er längliche Körnchen, die randlich oft von hineinragenden be- 
nachbarten Quarzindividuen unterbrochen sind und häufig Einschlüsse 
von solchen führen. In dem Maße seiner Beteiligung an der Zu- 
sammensetzung des Greisens bestehen große Schwankungen. Zuweilen 
nimmt er !/; bis !/; der Gesteinsmasse ein, in anderen Fällen ist er 
überhaupt kaum nachweisbar, während ihn Quarz und Glimmer ver- 
treten. Immer scheint dort, wo viel Topas vorhanden ist, zugleich 
auch viel Zinnstein zugegen zu sein. 

In ganz ähnlicher Weise wie beim Mikrogranit vollzieht sich 
die Umwandlung des Granitporphyres. Die zahlreichen großen Feld- 
spateinsprenglinge dieses Gesteins unterliegen derselben auch hier 
viel früher, als die Grundmasse. Im völlig umgewandelten Granit- 
porphyr kann man zwar noch mit bloßen Augen leicht die Umrisse 
der ehemaligen Orthoklase erkennen, bei Betrachtung der Dünnschliffe 
unter mäßig starker Vergrößerung ist dies jedoch kaum möglich, da 
die eingewanderte Füllmasse der Kristalle jetzt in Struktur und Zu- 
sammensetzung sich fast gar nicht von der ebenfalls umgewandelten 
Grundmasse unterscheidet. 

In bergmännischer Beziehung scheinen die ergiebigsten Partien 


280 Richard Beck. [12] 


des Preißelberger Stockwerkes bereits abgebaut zu sein. Während 
der nach langer Ruhe dieser Gruben im Jahre 1863 erneuten Abbau- 
versuche hatten nach einer von Laube berichteten Mitteilung des 
damaligen Bergdirektors Arlt 11—12 Ztr. Scheideerz 2!/, Ztr. Schlich 
mit 1?/, Ztr. metallischem Zinn (also 1'5%,) ergeben, während die 
ungeschiedenen Pochgänge nur 1!/, Ztr. Schlich lieferten. Es sind 
dies Gehalte, wie sie denen des Altenberger Stockwerkes ähneln, wo 
bekanntlich nur die äußerst günstigen Abbauverhältnisse (Bruchbau) 
eine Gewinnung lohnen. Der Betrieb in der Preißelberger Pinge wurde 
denn auch bald wieder eingestellt. 


In der südsüdöstlichen Fortsetzung des Zuges der drei Pingen 
trifft man zunächst einen verbrochenen Schacht, aus dem man nach 
der Zusammensetzung der Halde sowohl Granitporphyr, wie auch 
stark verzwitterten Mikrogranit gefördert hat. Wenige Schritte nördlich 
desselben Öffnet sich eine tief ausgeschrämte Kluft, die zurzeit nicht 
zugänglich ist, wahrscheinlich aber die Stelle einer abgebauten, be- 
sonders reichen Zwitterzone darstellt. Sie streicht N 400 O und steht 
saiger. In SSO des Waldweges folgen dann noch mehrere stark ver- 
wachsene und verbrochene, pingenartige Vertiefungen, in denen an 
einigen Stellen porphyrischer Mikrogranit ausstreicht, der hier an- 
scheinend in den normalen Graupener Granit übergeht. Eine Prüfung 
der von Reyer von dieser Stelle skizzierten Verhältnisse ist zurzeit 
nicht mehr möglich. Nach ihm würden ehemals auch in dem benach- 
barten Gneis noch zwei Mikrogranitgänge (Quarzporphyrgänge Reyers) 
aufgeschlossen gewesen sein. 


b) Der Ganggranit des Mahler Zuges. 


Ein zweites sehr bemerkenswertes Vorkommen von Ganggranit 
ist dasjenige des Mahler Zuges „im Knödel* nordöstlich von 
Graupen (siehe die Kartenskizze auf Tafel IX). Diese Bezeichnung 
trägt ein von zahlreichen Zwittertrümern durchsetzter und teilweise 
von diesen aus vollständig in Greisen umgewandelter Gang von fein- 
körnigem Granit im Abendstern-Grubenfeld in WNW von der Schmiede 
im Knödel. Sein Streichen ist ONO, seine Mächtigkeit im Durchschnitt 
nur 1 m. Er durchsetzt den dort ziemlich glimmerreichen Biotitgneis, 
der nach WNW streicht und ziemlich steil nach SSW einfällt. Sein 
Gestein ist im unveränderten Zustand ein normaler feinkörniger biotit- 
armer Granit, zusammengesetzt aus Orthoklas, Albit, Quarz wenig 
Biotit und spärlichem Zirkon und Apatit. Die Struktur ist nicht eine 
ausgesprochene aplitische. 

Dies Gestein ist in der gewöhnlichen Weise von den zahlreichen 
Zwitterklüften aus in einen dunkelgrauen, Zinnstein führenden und 
sehr topasreichen Greisen umgewandelt, welcher der Gegenstand des 
Bergbaues war. Man hat zu dessen Verarbeitung auf eine Entfernung 
von über 100 m bis in größere Tiefe tagebaumäßig den ganzen Ge- 
steinsgang herausgenommen und nur die weniger stark verzwitterten 
Pfeiler übriggelassen. Als seltener Gemengteil dieses Greisens er- 
scheint gelegentlich auch Göthit. Zahlreiche Rostflecken darin dürften 


[13] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. S8l 


aus der Zersetzung eines früher fein eingesprengten Kieses hervor- 
gegangen sein. 

Recht häufig sitzen im Granit scharfkantige Fragmente des an- 
stoßenden Gneises. Sie zeigen Umwandlungserscheinungen in Gestalt 
einer starken Einwanderung von Lithionglimmer, Topas und Fluorit, 
während Glimmer und Feldspate zerstört sind. 

Von dem eigentlichen Gang zweigen sehr schmale Trümer ab. 
So finden sich solche von nur 2cm Dicke im Gneis an der Stelle, 
wo der Waldweg den Mahler Zug kreuzt. 

Am reichsten an Zinnstein erweisen sich die durch sehr viel 
schmutziggrünen Lithionglimmer dunkel gefärbten Greisen des Mahler 
Zuges. Das Dünnschliffbild Fig. 2, Tafel X, gibt eine reichere Stelle 
wieder. In den lichtgrünen Glimmerblättchen fallen unter dem Mi- 
kroskop die nicht seltenen stark pleochritischen rundlichen Flecken 
auf. Manche sind ganz deutlich Höfe um Zirkonkriställchen herum, 
die zum primären Bestand des Granites gehören. Andere zeigen so 
zarte punktförmige Zentra, daß es nicht gelingt, sie mineralogisch 
zu bestimmen. Auch faserig-strahlige Aggregate eines schwach doppel- 
brechenden, gerade auslöschenden Minerals konnten nicht sicher be- 
stimmt werden. Zwischen den Strahlen dieser Aggregate hat sich 
gewöhnlich Eisenoxyd abgelagert. 


c) Der Granit der Zwickenpinge. 


Ganz nahe an dem eben beschriebenen Granitgang befindet sich 
das stockförmige Granitvorkommen der Zwickenpinge, eine Be- 
zeichnung, die wahrscheinlich aus der vermutlich früheren Benennung 
Zwitterpinge verstümmelt ist. Man stößt auf eine mächtige Halde, die 
aus dieser Pinge stammt, wenn man der von den Knödelhäusern aus 
an der Stelle der alten Grube Regina vorüberführenden Waldstraße 
nach Ost hin folgt. Oberhalb von dieser Straße zieht ein Waldweg 
in ungefähr paralleler Richtung hin, der von dem Grubenfelde Jo- 
hannes her in westlicher Richtung ebenfalls nach den Knödelhäusern hier 
führt und durch die schmale Pingenreihe des vorhin erwähnten Mahler 
Zuges hindurch geht. Dicht nördlich an diesem Waldweg, aber nicht 
in der Verlängerung der weiter nördlich liegenden Streichlinie des 
Mahler Zuges befindet sich die stark verfallene und verwachsene 
Zwickenpinge. Das zinnhaltige Gestein, das hier gefördert worden 
ist, hat man in früherer Zeit von Süd her auch durch einen Stollen 
angefahren, dessen verbrochenes Mundloch unterhalb der vorhin er- 
wähnten Halde noch zu sehen ist. 

In der Pinge überzeugt man sich an noch anstehenden Gesteins- 
resten, daß hier eine stockförmige Masse eines Aplites sich befindet, 
die mehrere gangförmige Apophysen in die Gneise hinein aussendet 
und vielleicht nur eine lokale Anschwellung eines Aplitganges darstellt. 

In petrographischer Beziehung unterscheidet sich das unveränderte 
Gestein durch seinen ausgesprochen aplitischen Charakter so sehr 
von dem feinkörnigen Ganggranit des Mahler Zuges, daß auch hiernach, 
ganz abgesehen von der Lage des Punktes außerhalb des Streichens 
dieses Zuges, ein unmittelbarer Zusammenhang nicht bestehen dürfte. 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Beck.) 36 


989 Richard Beck. Be! 


Beide aber stehen vermutlich in größerer Tiefe mit ein und derselben 
größeren granitischen Masse in Verbindung. 

Im Dünnschliff gewahrt man einen scharfen Gegensatz zwischen 
einer gleichmäßig sehr feinkörnig-kristallinen Quarz - Feldspat - Grund- 
masse und den Einsprenglingen von Orthoklas, Albit und Quarz. Die 
Feldspate sind gut idiomorph, der Quarz in rundlichen Individuen, 
zuweilen Dihexaedern, entwickelt. Der Quarz schließt Feldspattäfelchen 
ein und manchmal umgekehrt der Feldspat Quarzkörnchen. Die Pla- 
gioklase tragen vielfach eine schmale, etwas trübe Randzone, deren 
Auslöschung jedoch vom peluziden Kern kaum abweicht. Einzelne 
Kriställchen von Zirkon und Magnetit wurden gefunden. 

Dieser Aplit ist nun in breiter Masse in Greisen umgewandelt 
worden, wie man ihn in sehr verschiedener Ausbildung auf der Halde 
findet. Da bemerkt man lichtgefärbte und feinkörnige Abarten, die 
dem unveränderten Aplit scheinbar noch recht ähnlich sind. Bei 
Betrachtung mit einer Lupe vermißt man jedoch die Feldspate. Ferner 
finden sich violett oder dunkelgrau gefärbte Blöcke, die viel Fluorit 
und dunklen Lithionglimmer enthalten. Endlich gewahrt man ziemlich 
grobkörnige und zum Teil drusige Ausbildungen mit Quarzkörnern 
bis Erbsengröße und häufig mit unvollkommenen Quarzkristallen. Der 
Zinnstein ist mit der Lupe immer sichtbar, bildet aber auch oft größere 
Körner und Kristalle. Ph. Schiller fand in einem der dortigen 
Greisenblöcke sogar eine taubeneigroße Zinnsteingraupe. Sehr häufig 
ist auch Arsenkies. Der früher anwesende Kupferglanz und Kupfer- 
kies dagegen verrät sich gewöhnlich nur noch in Flecken von Malachit 
oder Azurit. Die drusigen Stücke enthalten manchmal viel Steinmark. 
Vielfach wurden eckige Fragmente von Gmneis als Einschlüsse im 
Greisen vorgefunden. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigt es sich, daß in 
allen diesen Greisen die Feldspate des Aplits verloren gegangen 
sind. An ihrer Stelle ist Quarz, Topas, Lithionglimmer, Fluorit, Hä- 
matit, Zinnstein, Arsenkies und Kupferkies getreten. Manche Abarten 
sind ungemein topasreich. Dieses Mineral ist gewöhnlich in sehr un- 
regelmäßigen, oft randlich skelettartig von Quarz durchbrochenen 
Körnern entwickelt, doch gelegentlich auch in deutlicher Kristallform. 
Zersprungene Kristalle sieht man, wie das Dünnschliffbild 3 auf Tafel X 
zeigt, von Fluorit wieder verkittet. Der Fluorit ist überhaupt meist 
zuletzt ausgeschieden, kann aber gelegentlich auch mitten im Quarz 
eingeschlossen sein. Auffällig ist die braune Färbung, die der Fluorit 
vielfach auch in ganz dünnen Präparaten zeigt. Die Natur dieses staub- 
feinen Pigments konnte nicht ermittelt werden. Der Lithionglimmer 
ist grünlich gefärbt und oft in zonal aufgebauten sechsseitigen Täfelchen, 
meist aber nur in kleinen unregelmäßigen Schüppchen ausgebildet. 

Außer den kleinen Zirkonkriställchen scheint kein Gemengteil 
des Aplits unberührt geblieben zu sein. Auch die Aplitquarze sind 
offenbar völlig umkristallisiert. Winzige Rutilnädelchen in Sagenit- 
form inmitten von Fluorit dürften die Stelle ehemaliger titanhaltiger 
Biotitschuppen des Aplits anzeigen. 

Dort, wo der Aplit in Form von Trümchen zwischen die Gneise 
eingedrungen ist oder sie in schmalen Gängen quer durchsetzt, trifft 


[15] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 283 


man auch die Gneise verzwittert, indem Feldspat und Biotit Aggre- 
gaten, von Quarz, Topas, Lithionglimmer und Fluorit sowie den Erzen 
Platz machen mußten. Diese Umwandlung beschränkt sich jedoch nur 
auf 1 bis höchstens 2 cm. Der Feldspat erliegt der Zerstörung zuerst, 
dann erst kommt der Biotit an die Reihe. 

Probeaufbereitungen des Haldenmaterials, die Ph. Schiller 
vornehmen ließ, haben einen Gehalt von 1—1'5°/, Zinn erwiesen. Ein 
Probepochen vom Jahre 1896 mit dortigem Haldenmaterial ausgeführt 
ergab 1:02%/, Sn, 0'1%/, Bi und 0'25°/, Cu. 

Stufen von Zinnstein führenden Quarzgängen fehlen zwar im 
Material der Halden nicht, sind aber auffällig selten. Zuweilen ent- 
halten sie auch Krusten von violettem und grünem Fluorit. 

Zu erwähnen ist noch, daß nördlich von der Zwickenpinge am 
östlichen Gehänge des neben der Pinge herunter kommenden Tälchens 
im Gneis ein Gangquarz mit Molybdänglanz anstehend gefunden wurde. 


d) Der Granit von Groß-Geschrei. 


Ein letztes Vorkommen von Ganggranit ist dasjenige im süd- 
östlichsten Teile des Knödeler Revieres auf dem Groß-Geschrei-Zug 
(siehe die Kartenskizze auf Tafel IX). Dieser Gangzug hat dasselbe 
ONO-Streichen wie der Mahler Zug. Die Baue sind zu sehr ver- 
brochen, um etwas Sicheres ermitteln zu lassen. Doch scheinen die 
dort auf der Halde liegenden Bruchstücke von schieferigem Biotitgneis 
mit einem 5—7T cm mächtigen Gang eines typischen Aplits anzudeuten, 
daß auch hier ein Granitgang der Sitz der Zinnsteinkonzentration war. 
Jedenfalls findet man aber auf den Halden außerdem auch quarzige 
Gangtrümchen mit Zinnstein und Kupferkies, die im Biotitgneis selbst 
aufsetzen. 


7. Die Basaltgänge (blauen Klüfte). 


An zahlreichen Stellen begegnete der Graupener Bergmann quer 
über seinen Zinnerzgängen übersetzenden sogenannten blauen Klüften, 
die alle sehr stark zersetzte Basaltgänge sind. Vom Salband sowie 
von Längs- und Querklüften aus sind diese Gänge in eine weiche, 
tonige Masse von blaugrauer Farbe umgewandelt worden, worin noch 
konzentrischschalige Reste von nur schwach zersetztem Basalt in Gestalt 
kugeliger Gebilde erhalten geblieben sind, wie es die Textfigur 6 zeigt. 

Im folgenden seien einzelne Beispiele solcher „blauer Klüfte“ 
angeführt: 

Der quarzflache Gang im Mückenberger Revier wird von einer 
blauen Kluft abgeschnitten, deren Gestein sich als nephelinarmer, 
wenig Glas führender Nephelinbasalt herausstellte. 

Ein zweites Vorkommnis wird durch die Bruchstücke von Nephe- 
linbasalt auf der Philipper Halde im Steinknochener Revier bei Ober- 
graupen angezeigt. Das Gestein enthält viele mandelartige Knötchen 
von Kalzit und wird auch von Kalzitschnüren durchzogen. 

Wiederholt wurden derartige Gänge im Martini-Stollen ange- 
fahren. Das Streichen ist, wie bei den in demselben Revierteile sehr 

36* 


254 Richard Beck. 2 [16] 


häufigen Lettenklüften, die gewöhnlich älter sind, in der Hauptsache 
nordöstlich und nordwestlich. H. Kluge!) hat im Martini-Stollen 
folgende Basaltgänge (blaue Klüfte) festgestellt (Anordnung von S 
nach W): 

: 40 cm mächtige, nach N 41° W streichende, unter 75° 
nach SW fallende Kluft nahe bei der Kübelstrecke. 

2. Eine zweite, 3 m weiter hinten, 2—20 cm mächtige, streicht 
N 40° W, fällt unter 70° nach SW. 


Blaue Kluft im Martini-Stollen. 
B=Basalt. — L=Letten. — K=Kalkspat. — G@n=Gneis. 
Mächtigkeit 05 m. 


3. Ein ganzes System von unter sich zusammenhängenden Basalt- 
klüften bei Feldort II ist auf Fig. 7 zur Darstellung gelangt, unter 
ihnen eine 15—20 cm mächtige Hauptkluft. Fig. 8 zeigt die Art der 
Verzweigung. 

4. Kluft, welche die Hauptstrecke hinter der Abzweigung des 
Steigortes schneidet, zirka 50 cm, schlägt einen Haken. Ein Teil 
streicht N 720 O und fällt unter 80° nach N, ein Teil streicht N 320 O 
und fällt unter 80° nach NW. In der tonig zersetzten Masse sind 
viele noch unzersetzte Knollen übriggeblieben, wie Fig. 6 und 8 
zeigen. 


!) Manuskript in dem Geologischen Institut der kgl, Bergakademie in 
Freiberg. 


17] 


Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 


Fig. 7. 


—— Blaue Hrüfte. 


30° ’ 
euere sen Lettenklüfte i 


Ä 
2a RE 
Zr 


Do. 


System von Lettenklüften im Martini-Stollen im Grundriß, 


285 


5. Quer zum Stollen gerichtete Kluft, zirka 50 cm mächtig, streicht 


N 76° W, fällt unter 85° nach SW. Verliert sich nach 20 m Länge an 
einer Lettenkluft. 


mitunter Bruchstücke von Zinnerz ein. 


Verzweiguug eiuer Letteukluft (blauen 


Fig. 8. 


Kluft) im Martini-Stollen, 


Wo diese Basaltgänge die Zinnerzgänge durchsetzen, schließen sie 


286 Richard Beck. ; [18] 


An den Salbändern und auf sonstigen Spalten in den Blauen 
Klüften findet man mitunter Krusten von Kalzit und Aragonit. 

Auch in anderen Revierteilen bei Obergraupen werden solche 
Basaltklüfte gelegentlich in alten Berichten unter der Bezeichnung 
Blaue Klüfte oder auch Faule Kutteln erwähnt. 

Auch im Knödeler Revier fehlen diese Basaltgänge nicht. So 
wurde ein solcher 1866 mit nordwestlichem Streichen und einem Ein- 
fallen von 80° (nach SW?) im oberen Abenästern-Stollen angetroffen, 
ein anderer, ) m mächtiger im Morgenstern Stolln. 

Es sei noch erwähnt, daß die Graupener Blauen Klüfte nach 
Prof. Dr. Precht (Hannover) am Elektrometer sich deutlich radio- 
aktiv erweisen. 


8. Jungdiluviale und alluviale Gebilde. 
(Nebst Zinnseifen.) 


Als solche haben die Schutt- und Geröllmassen zu gelten, die 
am Fuße der Gehänge sich angehäuft haben und namentlich am Aus- 
gange des Graupener Tales einen sanft nach der Ebene abgeböschten 
Schuttkegel bilden, der in seinen oberen Schichten vielfach aus Sand 
und Lehm besteht. Diese Massen enthalten Zinnstein und sind darum 
in alter Zeit durchgeseift worden. Noch aus dem Jahre 1806 wird 
ein Seifenbetrieb bei Graupen erwähnt, welcher damals 2 q Zinnstein 
ergab. Auch in dem letzten Jahrzehnt wurden gelegentlich beim Pflügen 
auf den Rosentaler Feldern Zinngraupen bis Taubeneigröße gefunden. 
Ein ellipsoidisches Rollstück von Zinnstein in der Größe einer Walnuß 
hob man im Jahre 1899 aus dem humosen Sand des Schuttkegels vor 
dem Graupener Tal zwischen Glöckners Haus und dem Hause 
Nr. 184. 

Beim Balınbau wurde nahe der Haltestelle Mariaschein der 
Zinnsteingehalt einer alluvialen Geröllschicht auf 1/3, ermittelt. 

Anhangweise sei erwähnt, daß auch die tertiären Schichten durch 
Zufuhr von Sediment aus dem Graupener Tale einen Gehalt an Zinn- 
stein erhalten haben. So enthielt der Sand über der Braunkohle des V. 
Schachtes der Grube Britannia Zinnstein in einer Waschprobe von 
50 kg angeblich 7°5 g dieses Erzes. 


II. Die Erzgänge. 


Das Graupener Erzrevier wurde von alters her in folgende Ab- 
teilungen gegliedert: 


1. das Steinknochener Revier, 
2. das Mückenberger oder Obergraupener Revier, 
3. das Knödeler (auch Knötler) Revier. 


Das Steinknochener Revier umfaßt zunächst die Bergbaue, die 
durch die mächtigen Haldenzüge dicht im Westen von Öbergraupen 
sich kundgeben (siehe Tafel IX). Der Betrieb ist hier bis heute auf- 
rechterhalten ‘worden, wenn auch nur im bescheidenen Maße, insofern 


[19] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 287 


als jetzt ausschließlich auf dem Luxer oder Lucaszechner Gang gebaut 
wird. Das Mundloch des Neuen Martini-Stollen, der in der Richtung 
nach ONO zunächst auf 250 m im tauben Gestein getrieben ist, und 
sodann jenem Gange nach Nord hin folgt, befindet sich in SSW von 
ÖObergraupen nahe der Landstraße. Ferner gehörten zum Steinknochener 
Revier das südlich vom Forsthaus Mückenberg gelegene Stockwerk auf 
dem Preißelberge, dessen große Pingen noch heute die Aufmerksamkeit 
auf sich lenken, sowie die längst verfallenen Gruben der Günthers 
Zeche im Walde 300 m in WNN vom Preißelberge. 

Das Mückenberger Revier umfaßte den Stockwerksbau, der den 
Anlaß zur Bildung der großen Pinge am Mückentürmchen gegeben 
hat, nebst dem kleinen Tagebau dicht an der Straße von Mückenberg 
nach Siebengiebel 200 m in W der Skt. Wolfgangs-Kapelle. Auch 
die Pingen auf der Anhöhe dicht südöstlich von Sign. 7766 im NO 
von Obergraupen und endlich die bedeutenden Pingen des Klösenberges 
(auch Glesenberg) in ONO des genannten Dorfes gehören zu diesem 
Revier. 

Das Knödeler Revier endlich liest im NO der Stadt Graupen. 
Seine bekanntesten Bergwerke sind die auch noch in neuerer Zeit 
zugänglichen Gruben Abendstern und Morgenstern. Bereits im I. Teil 
dieser Abhandlung beschrieben wurden die in dieses Revier gehörigen, 
Zinnstein führendenGreisenvorkommnisse des MahlerZuges, der Zwicken- 
pinge und von Groß-Geschrei, die am besten im engen Zusammen- 
hang mit den Graniten ihre Erledigung fanden. 


1. Das Steinknochener Revier. 
a) Der Luxer Gang und die anderen früher bebauten dortigen Erzgänge. 


Als der am genauesten bekannte Gang des Steinknochener Re- 
vieres, der jetzt allein noch durch den Ortsbetrieb im Martini-Stollen 
aufgeschlossen ist, hat der Lucaszechner oder Luxer Gang zu gelten. 
Er streicht hor. 12 und fällt gewöhnlich unter 35° nach W ein. In 
diesem seinem nordsüdlichen Streichen weicht er von den meisten 
anderen Gängen des Steinknochener Revieres ab, die zwischen OW 
und NO (meist ONO) streichen. 

Die Mächtigkeit des Luxer Ganges schwankt zwischen 02 und 
0:3 m. Das Mittel aus 20 Messungen an verschiedenen Stellen war 
024 m. In gleicher Weise wurde als durchschnittliche Mächtigkeit der 
Imprägnationszone im Hangenden des Ganges 0:05 m, im Liegenden 
0085 m ermittelt. Stellenweise zerschlägt sich der Gang in 3 bis 4 
annähernd parallele, minder mächtige Trümer, die sich wieder an- 
scharen oder sich im Nebengestein, dem Biotitgneis, auskeilen. Zu- 
weilen umschließt der Gang kleinere Schollen von stark zersetztem 
Gneis. 

Die Zusammensetzung des Luxer Ganges ist keine gleichmäßige. 
Wohl die vorherrschende Gangart ist milehweißer, gewöhnlich; etwas 
querstengeliger und drusiger Quarz. Manche Trümer oder Ab- 
schnitte von Trümern stellen dagegen ein Gemenge von ziemlich grob- 
körnigem Orthoklas und violblauem Flußspat dar. Unter ihnen 
gewinnt der licht fleischfarbene Orthoklas, welcher fast immer perthi- 


288 Richard Beck. [20] 
tisch mit Albit verwachsen ist, zuweilen auf kurze Erstreckung hin 
die Oberhand. Dunkelgrüner Lithionglimmer zuweilen in Kristallen, 
und weißliches Steinmark brechen ebenfalls ein. Eine sehr stein- 
markreiche Gangpartie umfaßte an einer Stelle bis 12 cm lange, beider- 
seitig mit Pyramiden versehene Quarzprismen, wiederum besetzt mit 
Lithionglimmer und mit Flußspatwürfelchen. Ganz selten wurden auch 
graugrüne bis grünblaue Kriställchen von Apatit angetroffen. Nur in 
den letzten Jahren hat man auf gewissen Gangabschnitten an Apatit 
sehr reiche Partien angehauen. Ein sehr seltener Gemengteil ist der 
Triplit. Auch strahliger Pyknit ist mir nur vereinzelt in die Hände 
gekommen. Zirkon bemerkt man nur mikroskopisch. 


Der braun oder gelblieh gefärbte Zinnstein, das Haupterz, ist 
wo er in größerer Menge einbricht, gewöhnlich ziemlich gleichmäßig 
verteilt und in ziemlich großen gedrungen-säuligen Kristallen von der 
bekannten Graupenform ausgebildet. Zuweilen findet sich im Quarz 
eingewachsen auch etwas Wolframit, und eine zur Untersuchung 
gelangte Druse im Quarz enthielt Kristalle von Zinnstein mit einem 
aufsitzenden schönen Zwillingskristall von Scheelit. Gewisse Gang- 
partien waren sogar ziemlich reich an Wolframit. Einige enthielten 
auch etwas gediegenen Wismut, aber nur ganz vereinzelt Em- 
plektit. Neben der eigentlichen Zinnerzgruppe stellt sich nur ganz 
selten inmitten der Flußspat führenden Partien Kupferkies und 
Bleiglanz ein. Auch ein den Luxer Gang abschneidender, 3 cm 
mächtiger Verwerfer enthielt diese Erze. Aus der Zersetzung des 
Kupferkieses sind zuweilen Malachit und Azurit hervorgegangen. 
Fremdartig erscheint auf diesem Zinnerzgange der indessen ebenfalls 
nur ganz untergeordnet vorkommende krummschalige Baryt. Solche 
Drusen von Barytkristallen, mit Braunspat besetzt, sind übrigens 
als ganz jugendliche Bildungen innerhalb der Gangkluft zu be- 
trachten. 


Um ein möglichst genaues Bild vom mineralogischen Charakter 
des Ganges zu erhalten, hat H. Kluge an 20 verschiedenen Stellen 
die Beteiligung der Hauptgemengteile prozentuarisch möglichst genau 
abgeschätzt. Die erhaltenen Durchschnittswerte waren für Quarz 61°/,, 
Glimmer 18°/,, Feldspat 11°/,, Steinmark 5'5°%/,, Flußspat 4'50%),. 

Die vorwiegende Struktur des Ganges ist eine massiggrobkörnige, 
zuweilen mit Andeutung einer Querstellung der Quarzindividuen, wo 
diese vorherrschen. Die Perthit neben Fluorit enthaltende Ausbildung 
der Gangmasse besitzt nicht selten Breccienstruktur infolge späterer 
Zerdrückung der körnig-kristallinen Aggregate. 

Das Nebengestein ist in der Nachbarschaft quarzreicher Trümer 
des Feldspates verlustig gegangen und verquarzt, auch mit grünem 
Lithionglimmer nebst etwas Fluorit und Zinnstein imprägniert. Neben 
den Perthit-Fluorit enthaltenden Trümern führt zwar das Neben- 
gestein zugewanderten grünen Glimmer, Fluorit, Apatit und Zinnstein, 
der Orthoklas des Gneises aber hat sich erhalten, ja ist anscheinend 
um neu eingeführten perthitischen Orthoklas vermehrt worden. Eine 
Umwandlung des Gneises in typischen topasreichen Zwitter oder 
Greisen wurde am Luxer Gang nirgends beobachtet. 


[21] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 289 


Zu diesen Feststellungen mögen noch weitere Erklärungen und 
einige, eingehendere Beobachtungen am Luxer Gang hinzugefügt 
werden. 


Die Form und die Struktur des Ganges im großen wird am 
besten an einer Anzahl Gangbildern vorgeführt, deren wir im Laufe 
der Jahre viele aufgenommen haben. Diese Bilder geben zugleich die 
Art der Verteilung der Gangarten und Erze in dem Gange wieder. 
Die Figuren (9—15) und deren jedesmal untenstehende Erklärungen 
machen weitere Erläuterungen in dieser Hinsicht überflüssig. 


Fig. 9. 


VIRTRHLBHKHAKEIHNAIC] 
RRRTRRRTZP III ZUR ARTE ARBNG 


AN 
Hai ); 


HE 
IH, 


IH, 
N 


Anbruch auf dem Luxer :Gang im Winter 1912, aufgenommen von H. Kluge. 


9g=Gmneis. — g=Quarz zum Teil mit freien Kristallen, bei 5 zwischen diesen 
Braunspat. — f=Feldspat. — gl=Lithionglimmer. — f=Fluorit. — Z=Zinn- 


stein. — W= Wolframit. -- i—=Zwitterzone längs der beiden Salbänder. 


Endlich mögen noch einige Beobachtungen über die mikro- 
skopische Gangstruktur folgen, die vielfach zugleich die Suk- 
zession der einzelnen Mineralien aufklären können. Es wurden zu 
diesem Zwecke sehr zahlreiche Dünnschliffe aus ganz verschiedenen 
Regionen des Ganges untersucht. 

Was zunächst das am meisten vorherrschende Mineral, den 
Quarz, betrifft, so befinden sich die großen unregelmäßigen, oft sten- 
gelig gestreckten Individuen sehr gewöhnlich unter starker Spannung. 
Manchmal sind sie von einem ganz engen Maschenwerk von feinsten 
Spältehen durchzogen, die zwei stumpfwinkelig sich schneidende Sy- 
steme bilden. Die Diagonale lief in einem Falle, wo deren Lage im 
Gange festgestellt werden konnte, parallel mit dem einen Salband. 
Zuweilen sieht man in den Dünnschliffen zarte Zonen durch die Quarz- 
aggregate laufen, innerhalb deren eine völlige Zermalmung dieses 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Beck.) 37 


290 Richard Beck. : [22] 


Fig. 10. 


ANNEAEN KUN 
x \ N N a N N : N X 
3 N Er ; ON i A \ 


AN 
DEENNN 
NEN, 


Anbruch vom Herbst 1911 »ach H. Kluge. 
a— Apatitkristalle und d=Scheelit, in einem Drusenraum, sonst wie bei Fig. 8. 


Gemengteiles erfolgt ist. Wie allerwärts auf Zinnerzgängen enthalten 
die Quarze viele Flüssigkeitseinschlüsse. Dem Alter nach ist der Quarz 
zum Teil älter als wie der Feldspat. Doch erstreckt sich seine Bil- 
dung auch noch auf spätere Zeitabschvitte, jedoch scheint er nicht 
jünger wie die Feldspäte zu sein. Größere (Quarzkristalle zeigen 
zonalen Aufbau. Der Kern ist mehr durchsichtig als die weißliche 
trübe Hülle. 


Anbruch auf dem Luxer Gang im September 1902 nach R. Bec’k. 
Erklärung wie vorher. 


[23] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 291 


z 2 x 2 


“ 
4 
> 


Zerschlagung des Luxer Ganges in mehrere Trümer nach einen Aubruch im Sep- 
tember 1902 nach R. Beck. 


f=körnigkristallines Gemenge von Fluorit und Perthit, sonst wie vorher Bild- 
höhe 1 m. 


Die Orthoklase sind gewöhnlich perthitisch mit Albit ver- 
wachsen, der auch selbständige Individuen bildet. Im folgenden geben 
wir eine 1902 von Ed. Kupffer im chemischen Laboratorium der 
kgl. Bergakademie ausgeführte Analyse eines möglichst rein ausge- 
suchten Perthites vom Luxer Gang: 


Prozent 
Kieselsäure .-. . .. 0629 
Tonerde, m .ha vsnskeren DT 
Eisenoxyd . . . . »4-41:06 
IE Re FA 
Masnesia 0. 02.0.3.2.028 
LT ee 
Nato 0 

10025 


Schon im großen kann man einen älteren, gewöhnlich ganz licht- 
lachsrot gefärbten Feldspat und einen jüngeren von mehr gelblich 
weißer Färbung unterscheiden. Diese beiden Generationen, von denen 

37* 


2923 in Richard ‚Beck. 2 ; [24] 


die zweite in der Hauptsache aus Albit besteht, machen sich in fast 
allen Präparaten bemerkbar. Die jüngeren umsäumen den älteren oft, 
wobei sie blattartige, an Eisblumen erinnernde Wachstumsformen an- 
nehmen. In ähnlicher Weise umgeben sie auch nicht nur die großen 
unversehrten Fluoritwürfel, Glimmertafeln und Zinnsteinkörner, sondern 
auch scharfeckige Fluoritscherben und stark korrodierte Apatite. Die 
Feldspatbildung erstreckt sich demnach auf eine sehr lange Zeit, und 


Fig. 13. 


m A. 


ET, 4 # j 7; 
a 
AL, N , % 78 Dt 4 B / n ur, Yu FE 4 we / 
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1 Ih Hl, 14 1 DR 


Hi Br VRT 


f 
e; 


Luxer Gang beim ersten Stroßenbau von Süd her im September 1901 nach R. Beck. 
Bildhöhe 1'5 m. 


Aufnahme quer zum Streichen. — Erklärung wie bei den früheren Ganehildern. 


zwar in der Weise, daß fortschreitend mehr und mehr der Albit über 
dem Orthoklas die Herrschaft erhält. Man vergleiche zu dem Gesagten 
das Dünnschliffbild Fig. 4, Tafel X. 


Der Fluorit zeigt häufig zonalen Aufbau aus äußeren farb- 
losen und inneren violett durchscheinenden Schichten. Die Entstehung 
der großen Würfel scheint zwischen derjenigen der älteren und 
jüngeren Feldspate zu fallen. Es hat nämlich den Anschein als ob 
der lichtlachsrote Perthit teilweise von den Fluoritkristallen verdrängt 
worden ist. Flüssigkeitseinschlüsse mit mobiler Libelle beherbergt er 
nicht selten. Diese sind linear, sonst aber ohne bestimmte Anordnung 
verteilt. Zerbrochene Fluorite sieht man im Dünnschliffbild Fig. 1, 


u uni. ay 
L 


Zi 


[25] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 293 


Tafel XI. Das Vorkommen des Fluorites in zwei Generationen zeigte 
auch eine Stufe von dunklem violettem Flußspat mit aufsitzenden 
gelben Würfelchen desselben Minerals. 

Der dunkelgrünlichgraue bis schwarze Lithionglimmer 
(Rabenglimmer) tritt in verschiedenen Generationen auf. Er umgibt 
mitunter den Quarz und älteren Feldspat als ältere Kruste gegenüber 
den jüngeren Feldspaten. Dies sieht man unter anderem an schmalen 
Trümchen, die vom Gange aus ins Nebengestein hinaus gehen oder 
eingeschlossene Schollen desselben durchziehen. Anderseits bemerkt 
man zuweilen größere Individuen des älteren Glimmers, die rings 


Fig. 14. 


RR A IR UNSEGU RN 
IM a) N N HN 1%, WR N INA, ni UN, 
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IN jh Mn RD NN, N 
M nu Hill N ZN 


Verwerfung des Luxer Ganges durch einen steiler fallenden Zinnerzgang. Aufnahme 
quer zum Streichen der beiden Gänge beim großen Abbau im September 1901 
nach R. Beck. 


Erklärung wie oben. Mächtigkeit des Luxer Ganges 0'3 m, des Verwerfens O'1 m. 
l= Lettenbesteg. 


von jüngerem Feldspat umgeben sind. Eine jüngere Generation von 
Glimmer nimmt an der wesentlich aus jüngerem Feldspat bestehenden 
Grundmasse Anteil, die in manchen Gangpartien die größeren Mineral- 
individuen umgibt. Im Dünnschliff zeigt der Glimmer starken Pleo- 
chroismus, und zwar in folgenden Farben: Entweder ist a lichtgrün, 
b blaßgrünlichbraun, c lichtbraun oder a lichtgelblichbraun, b und c 
braun. Manchmal wird ein dunkleres Blatt von einer lichter gefärbten 
Zone rahmenartig umgeben. Die dortigen Bergleute halten die 
glimmerreichen Gangpartien für die an Zinnstein reichsten. Dies 
konnte vielfach bestätigt werden und zeigt sich auch unter dem 
Mikroskop darin, daß Glimmerblätter nicht selten Zinnstein einschlieben, 
manchmal sogar große Mengen davon, wie Fig. 2 auf Tafel XI er- 


294 Richard Beck. | [26] 


kennen läßt. Gegenüber dem Fluorit ist der Glimmer gewöhnlich das 
ältere Mineral. Zuweilen werden scharfe hexagonal umrandete Glimmer- 
blätter von Fluorit umschlossen. Alsdann bemerkt man, wie Fig. 3 
auf Tafel XI zeigt, innerhalb des Fluorites senkrecht zu den Rändern 
des Glimmerkristalles gestellte winzige Stengel eines farblosen oder 
trüben doppeltbrechenden Minerals unbekannter Art. Dort, wo dasselbe 
Glimmerblatt an Feldspat grenzt, fehlt dieser Franzensaum. Zirkon- 
kriställchen innerhalb des Lithionglimmers sind in der bekannten Weise 
von pleochroitischen Höfen umgeben, innerhalb deren in der betref- 
fenden Stellung zum Nikolhauptschnitt eine fast völlige Absorption 
des Lichtes eintritt. 


N 

N 
HN, 

ZU 


Mh 


Ausbildung des Luxer Ganges als Lentikulargang. Abbauort im September 1901 
nach R. Beck. 


Quer zum Streichen; Profilhöhe 2 m, ohne deutliche Zwitterzonen. 


Lichtblaugraue, scharf ausgebildete Kristalle von Apatit (Prisma 
und Basis) von 5—8 mm Länge und 5—5 mm Dicke wurden in einem 
alten Brandort des Martini-Stollens aufgefunden. Sie saßen fast un- 
mittelbar der Gangkluft des Luxer Ganges auf. Sehr gewöhnlich ist 
der Apatit innerhalb der wesentlich aus Feldspat und Flußspat 
bestehenden Gangpartien anzutreffen. Ganz ungewöhnlich reich daran 
war ein Anbruch 20 m über der Martini-Stollensohle an einem Ver- 
werfer. Hier bestand die Gangmasse zur Hälfte aus Feldspat und 
etwas Flußspat, zur anderen Hälfte aus lichtgrünlichgrauem Apatit 
in abgerundeten Kristallkörnern von 0°5—3, selten bis 5 mm im 
Durchmesser. Der Apatit gehört zu den ältesten Bildungen und hat 
bald nach seiner Abscheidung starke Korrosion auszuhalten gehabt. 
Seine plumpen Säulen erscheinen dann an den Enden wie ausgefranzt, 


295 


[27] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 
wie Fig. 4 auf Tafel XI zeigt, oder sind durch sekundäre Auflösung 
skelettartig entwickelt. Solche stark angegriffene Apatite wurden als 
Einschlüsse im Feldspat, im Lithionglimmer und im Fluorit beobachtet, 
zuweilen wurde auch eine Umhüllung derselben durch Zinnstein- 
aggregate festgestellt. Einmal nur bemerkte man einen Einschluß von 
Zinnstein innerhalb von Apatit. Hier war jedoch eine sekundäre 
Einwanderung nicht ausgeschlossen. 

Auch die Apatite nahe am Salband im Nebengestein sind früh- 
zeitig entstanden und später oft wieder stark korrodiert worden. 
Fig. 1, Tafel XII gibt ein Beispiel hierfür. 

Der Apatit vom Anbruch 20 m über der Martini-Stollensohle ließ 
sich mittels Kleinscher Lösung leicht von den Feldspaten trennen, 
desgleichen das erhaltene Konzentrat auf dem Sichertrog völlig von 
dem noch beigemengten Zinnstein befreien. Eine so erhaltene Probe, 
die sich unter dem Mikroskop als völlig reiner Apatit erwies, wurde 
von Herrn Dr. Erich Ebert im chemischen Laboratorium für ange- 
wandte Chemie der Freiberger Bergakademie analysiert. Zwei Analysen 
ergaben die Werte unter I und II nebst beistehenden Mittelwerten: 


I. II. Mittel 
P’r!o) meint 

th Si 2-35 2-15 2:25 
ee! 0-01 0:01 
BO, . 5514 54:96 55.05 
Ce 279 ai) 35:94 56-02 
Eon 086 078 082 
Mn . 320 342 331 
SiO, 0.59 0-55 0:57 
Glühverlust . . — _ 0-85 
Summe . 98:88 


Wenn diese Werte in die Form gebracht werden, wie sie in 
C. Doelters Handbuch der Mineralchemie, Bd. 111.3. für die Phos- 
phate angewandt wird, haben sie zu lauten: 


I. TI: Mittel 
Berzorzrennet 

Cal) 50.59 50:28 50:39 
Mn() 4:13 4-42 4:27 
FeO 1-11 1:00 1:06 
D.0, 4121 41:08 41:14 
Em 2.35 2:15 2.25 
Com 0:01 001 001 
Si0, 0:59 055 0:57 
Summe . 99:99 99:49 99:69 


+ 0'85 Glühverlust 


100'54 


296 Richard Beck. ‘ [28] 


Danach ist der Graupener Apatit ein sehr manganreicher Fluor- 
-apatit. Unter den Analysen bei C. Doelter kommt der unserigen 
die unter Nr. 74 angeführte K. Waltersche des gelblichen Mangan- 
apatites aus Drusenräumen des Pegmatites von Luxullian in Cornwall 
am nächsten). Die Paragenesis dieses Minerals weicht insoferne von 
unserem Vorkommen ab, als sowohl Granit wie Pegmatit von Luxullian 
viel Turmalin enthalten. Im übrigen begleitet den AA auch dort 
Kalifeldspat, Albit, Lithionglimmer und Fluorit. 

Der Apatit von Graupen erwies sich als optisch negativ. 

Immerhin ein nur seltener Gemengteil des Luxer Ganges ist 
ein anderes Phosphat, der Triplit. Er findet sich in fettglänzenden 
rötlichbraunen Körnern und bis nußgroßen rundlichen Klumpen inner- 
halb einer quarzreichen Gangpartie nahe am Salband und: wird hier 
oft von Lithionglimmerblättchen umgeben. Im Dünnschliff erscheint 
der Triplit farblos oder mit einem wolkig verteilten lichtkaffeebraunen 
Pigment. Er ist immer von zahllosen ganz unregelmäßigen Sprüngen 
durchsetzt, während man eine gesetzmäßige Spaltbarkeit vermißt. 
Zwischen gekreuzten Nikols wird er in ähnlichen Farbentönen hell 
wie der Apatit. Der Brechungsexponent liegt weit höher wie beim 
Kanadabalsam. Man vergleiche hierzu Fig. 2, Tafel X11. 

Strahliger, schon stark zersetzter Pyknit darf nur als Seltenheit 
bezeichnet werden. Auch mikroskopisch ist der Topas gar nicht oder 
nur ganz spärlich vorhanden. Hier herrscht demnach ein auffälliger - 
Gegensatz zwischen dem Luxer Gang und anderen Graupener Gängen. 

Den Zirkon halten wir für ein Gangmineral. Schon die Größe 
seiner Kriställchen spricht dagegen, daß sie nur Reste aus verdrängtem 
Nebengestein darstellen. Jedenfalls gehören diese Zirkone zu den 
frühesten Ausscheidungen und finden sich mit Vorliebe als Einschlüsse 
im Lithionglimmer. 

Stein mark und ähnliche schwer von ihm abzugrenzende 
Gemengteile sind häufig. 

Die noch übrigen nichtmetallischen Mineralien des Ganges, 
Braunspat und Baryt, sind die letzten Bildungen. Braunspat ist 
besonders in den Lücken zwischen den Feldspatkörnern recht häufig. 
baryt scheint seine Entstehung viel späteren Infiltrationen zu verdanken. 

Unter den Erzen ist der Zinnstein in schöner Kristallform, 
und zwar in Gestalt von typischen Visiergraupen von unserem Gange 
bekannt. Ungewöhnlich und nicht häufig ist die Ausbildung in strahlig- 
büschelig aufgebauten Krusten oder nierigen dergleichen Aggregaten 
von mikroskopischen Dimensionen. Einmal beobachteten wir eine solche 
strahlige Kruste als Umrandung eines Apatitkornes, häufiger umschließen 
sie einen Kern von Hämatit. Zum Vergleich mag auf ein viel schöneres 
Beispiel einer derartigen Wachstumsform nach Glaskopfart aus dem 
Stockwerke von Geyer hingewiesen werden. Es fand sich dort in 
einem Greisen, der aus grünem Lithionglimmer, Topas, Fluorit, 
wenig Quarz, viel Zinnstein, auch in typischen Kristallen und 
Körnern, und gelber Zinkblende besteht. 


%) R. Walter, Über Apatit vom Epprechtstein in Bayern und von Luxullian 
in Cornwall. N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. 23, pag. 581ff. (1907). — In beiden 
Analysen genügt übrigens die Menge der P,O, nicht zur Bindung des garzen Mn O! 


[29] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 297 


Der Wolframit wird im Dünnschliff nur in ganz dünnen 
Schliffen durchscheinend. Es zeigte sich, daß er mitunter Zinnstein ein; 
schließt, wie es Fig. 3, Tafel XII erkennen läßt. In diesem Falle konnte 
nicht sicher entschieden werden, welches von beiden Erzen zuerst aus- 
geschieden ist. Da aber auch am Außenrande des Wolframites Zinn- 
steinkriställchen angeschlossen sind, wie die Figur zeigt, ist es wahr- 
scheinlicher, daß auch die Einschlüsse im Innern eingewandert sind, 
indem sie Berstungsrisse zu ihrer Ansiedelung benützten. 

Scheelit ist ein seltenes Drusenmineral von später Bildung. 

Gediegen Wismut findet man hier und dort in Quarz ein- 
gewachsen. Quarzdrusen enthielten auch äußerst selten nadeldünne 
Säulchen von Emplektit. 

Kupferkies und Bleiglanz verdanken ihre sehr seltene 
Gegenwart auf dem Gange wohl späten Infiltrationen. 

Das folgende Schema gibt eine Übersicht von den auf dem 
Luxer Gang vorkommenden Mineralien nach ihrer Häufigkeit georinet 
und mit Angabe ihrer Sukzession: 


Mineral | Ältere Bildungen | Jüngere Bildungen 


Feldspat 


Fluorit 


Lithionglimmer ers 


| 


ZInnsteier me spe Med on, nn 


ge BIRINETTARTTE I 


ZIEkODER rnchs Arsen Ar En 


Bramuspat LAD >, = 
Ged- Wismut, . .. R IR — pr 2 
Bcheelt win la aus, mu 


Bleiglanz . ,.7,0,0, \ ur - 


1,1301 ee A Ins 
Mnlachit, AL U ı@ 


Bourne . Anz 5 


Mniok a a = 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Beck.) 38 


298 Richard Beck. [30] 


Nach dem Gesagten stellt der Luxer Gang einen Typus von 
.Zinnerzgängen dar, welcher den Pegmatiten nahe steht. Das starke 
Vorwiegen von Fluorit neben dem Orthoklas und Albit gibt ihm eine 
besondere Färbung. Im gewissen Sinne kann hier an die aus Alkali- 
feldspat, Fluorit und Eisenglanz bestehende von V.M.Goldschmidt!) 
beschriebene Gangmasse von Rien im Kristianiagebiet erinnert werden. 
Sie wird von ihm als pneumatolytische Grenzfazies des dortigen 
Granitites betrachtet. 


b) Andere Gänge des Steinknochener Revieres. 


Außer dem Luxer Gang hat man bei Beginn des Betriebes im 
Martini-Stollen nach Schiller und Lewald noch einen zweiten 
zwischen hor. 9 bis 12 streichenden und unter 30 bis 40° nach W 
fallenden Gang von 1'7 cm Mächtigkeit angefahren, der fast ganz aus 
hellfarbigem bis weißem Zinnstein bestand, zwischen welchem Partien 
von schwach rötlichem Orthoklas lagen. Die beiden Salbänder dieses 
Ganges bestanden hauptsächlich aus feinschuppigem Glimmer. 

Von den übrigen zurzeit nicht aufgeschlossenen Gängen des 
Steinknochener Revieres erwähnen ältere Nachrichten besonders den 
Sterner oder Fimmler Hauptgang und eine große Anzahl 
schmälerer Gänge, sogenannte Gefährten, wie z. B. das Glimmer- 
sefährte, das nach überlieferten Gangstücken vorwiegend aus hell- 
grünem Steinmark mit Zinnstein und wenig Quarz bestand. 

Die meisten dieser Gänge waren, wie Bruchstücke auf den 
Halden zeigen, sehr quarzreich und enthielten besonders nahe am 
Salband, im Gegensatz zum Luxer Gang, viel feinverteilten Topas. 

Manche der Steinknochener Gänge waren, wie deren Bruchstücke 
auf den alten Halden beweisen, von1 bis 10 cm breiten Zwitterzonen 
im Nebengestein begleitet. 

Die mikroskopische Untersuchung dieser Zonen ergab folgendes: 

Das Gestein besteht dicht am Erzgang in erster Linie aus Quarz, 
in zweiter aus Topas nach einer rohen Schätzung etwa im Verhältnis 
von 10:1 bis 20:1. Der Quarz bildet körnigkristalline Aggregate von 
Pflasterstruktur. In diesen liegen zahlreiche sehr unregelmäßige, 
häufig skelettartige Topaskörner. Zuweilen nimmt einen großen Teil 
des Gesichtsfeldes ein solches skelettartiges, stark verzweigtes, aber 
optisch einheitliches Topasindividium mit durchgehenden Spaltrissen 
ein. Besonders bei Anwendung starker Objektive tritt diese Skelett- 
struktur des Topases gut hervor. Die Körner erscheinen hier sieb- 
artig durchlöchert. Der Feldspat des Gneises ist völlig zerstört. Der 
Gneisbiotit ist bis auf geringe Überreste zersetzt worden. Neben dem 
Topas ist auch etwas Lithionglimmer und wenig Fluorit eingewandert 
sowie endlich Zinnstein, dessen Körnchen man als Einschlüsse auch 
inmitten von Quarz und Topas findet. Einzelne eingestreute Zirkone 
sind hier wohl als Gemengteile des Gneises zu betrachten. Die 
flaserige Struktur des Gneises ist insofern im Zwitter nicht ganz 


!) V.M. Goldschmidt, Die Kontaktmetamorphose im Kristianiagebiet. 
Kristiania 1911, pag. 65. 


[31] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 299 


verloren gegangen, als der Topas sich in parallel zu der ehemaligen 
Flaserung gestreckten Streifen angereichert hat. Der Titangehalt des’ 
ehemaligen Biotites ist im Gestein verblieben und hat sich in Gestalt 
sehr dunkelgefärbter kleiner Körner von Rutil ausgeschieden. Ihre 
Bestimmung ist dadurch erleichtert, als einige auch deutliche Prismen 
und ab und zu auch knieförmige Zwillinge bilden. 


c) Der Tagebau von Günthers Zeche und die Pingen südlich vom 
Preißelsberg. 


Diese alten bergmännischen Baue schließen sich am besten dem 
Steinknochener Revier an. 

Der stark verfallene Tagebau, genannt Günthers-Zeche, befindet 
sich im Walde etwa 450 m in WSW vom Mückenberger Forsthaus 
noch innerhalb des Graupener Granitmassives, jedoch nahe am Nord- 
rand desselben. Der Tagebau hat die Form einer breiten N. 10° OÖ 
streichenden Kluft. Im Hintergrunde bemerkt man verbrochene 
Gesenke und die Mundlöcher von Stollen, die nach NNO hin getrieben 
sind. Wenige Schritte östlich von dem Tagebau endlich liegt eine 
Schachtpinge. 

Da Nachrichten über Günthers-Zeche fehlen, läßt sich nur noch 
feststellen, daß in ihrem Bereich ein mittel- bis feinkörniger, glimmer- 
armer Granit ansteht, der sich von Klüften aus in dunkelgrauen, 
Zinnstein führenden Zwitter umgewandelt zeigt. Da der Betrieb kein 
bedeutender gewesen zu sein scheint, so dürften die dortigen Zwitter 
nur arm an Zinnerz gewesen sein. 

Ebensowenig weiß man über die verfallenen von N nach S 
angeordneten Pingen im Granitgebiet südlich vom Preißelsberg. Die 
Anordnung läßt auf gangförmige Vorkommen schließen. 


2. Das Mückenberger Revier. 


a) Die Zinnerzgänge am Mückenberg. 


Das leider jetzt unterirdisch gar nicht mehr zugängliche Mücken- 
berger Revier war noch 1868, zur Zeit, als Schiller und Lewald 
ihre Beschreibung veröffentlichten, durch den tiefen und den oberen 
Antoni-Stollen aufgeschlossen. Aus der angeführten Schilderung sowie 
aus den aus jener Zeit stammenden Rissen ergibt sich folgendes: 

Die sehr zahlreichen Mückenberger Zinnerzgänge streichen 
meist nach NO bis NNO und fallen ziemlich flach nach NW und WNW, 
während nur einzelne derselben ein Streichen nach WNW bis NW 
und ein Fallen nach SW aufweisen. Dieses widersinnig zum Abfalle 
der Gebirgsoberfläche gerichtete Einfallen hat in älterer Zeit dem 
Bergbau viele Schwierigkeiten bereitet, bis die erwähnten Stollen auch 
größere Teufen erschlossen. 

In der letzten Betriebsperiode hat man hauptsächlich auf dem 
Quarzflachen und auf dem Kreuzgänger Flachen Abbau 
getrieben. Ersterer streicht hor. 5 bis 6, letzterer hor. 4 bis 5. Beide 
fallen unter 16 bis 18° nach NNW. Ihre Mächtigkeit beträgt 2 
bis 11 cm. 

38* 


300 Richard Beck. [32] 


Die Ausfüllung des Quarzflachen bestand nach den in der 
Ph. Scehiller’schen Reviersammlung erhaltenen zahlreichen Stufen 
vorwiegend aus Quarz, Orthoklas, Lithionglimmer, Flußspat und Zinn- 
stein. Zuweilen war eine zonale Gruppierung dieser Bestandteile 
wahrzunehmen, indem vom Salband nach der Mittellinie Zonen von 
1. Flußspat, 2. Glimmer, 3. Flußspat und 4. Zinnstein aufeinander 
folgten. Der Zinnstein bildete zum Teil große braune Kristalle und 
neben diesen auch gelbe, körnigkristalline Aggregate. Mehr unter- 
geordnet trat inmitten des Quarzes gediegen Wismut und am Salband 
Molybdänglanz auf. Manchmal zog sich nahe am Gang eine 3 bis 4 cm 
breite Parallelkluft mit viel gediegen Wismut hin. Auch fast nur aus 
Zinnstein oder wenigstens aus daran sehr reichem Quarz bestehende, 
1 bis 2 cm dicke Paralleltrümer kamen vor. Das Nebengestein zwischen 
dem Hauptgang und diesen Gefährten war in Zwitter umgewandelt. 
Derber Kupferkies brach selten ein. Auch Wolframit, Wismutglanz, 
Pyrit werden erwähnt. Schwerspat, auch kristallisiert, wird als 
Seltenheit genannt. In Flußspatdrusen saßen als’ letzte Bildungen 
zuweilen noch Braunspat und Arsenikalkies auf. Sekundär gebildete 
Mineralien der obersten Teufen sind endlich Skorodit, Malachit, 
Kupferlasur und gediegen Kupfer. Dort, wo der Gang die 10 bis 15 m 
mächtigen Quarzporphyrgänge durchsetzt, zerschlägt er sich häufig 
in kleine Trümer, die von beiderseitigen Zwitterzonen begleitet und 
zuweilen reich an Topasprismen waren. Von der Blauen Kluft, einem 
wenig mächtigen Gang von nephelinarmem, etwas Glas führenden 
Nephelinbasalt, wird der Quarzflache glatt und ohne Verwerfung 
durchsetzt. 

Am Salband ist der Gang gewöhnlich fest mit dem Nebengestein 
verwachsen, nur selten läßt er sich leicht ablösen. Auch das ver- 
zwitterte Nebengestein lohnte bisweilen die Verarbeitung auf Zinn- 
stein. Die Erzverteilung überhaupt war eine recht ungleiche. 

Der Kreuzgänger Flache verhielt sich ähnlich. 

Etwas andere Ausbildung besaß der bis 028 m mächtige Un- 
verhofft-Flache, insofern als viel Steinmark an seiner Ausfüllung 
sich beteiligte. Im allgemeinen waren die steinmarkreichen Gang- 
abschnitte zugleich die zinnsteinreichsten. Eine Gangstufe des genannten 
Ganges baut sich aus folgenden Zonen auf: 1. Steinmark mit Kristallen 
von hellem Glimmer und von Zinnstein. — 2. Zinnstein in Graupen- 
kristallen. — 3. Graues Steinmark mit fein eingesprengtem Zinnstein. 
— 4. Zinnstein in Graupen (wohl symmetrische Wiederholung von 2). 

Ein paar Stufen der Freiberger Sammlung, die aus dem Jahre 
1871 stammen, zeigen diesen Gang in prachtvoller Entwicklung. Man 
unterscheidet daran deutlich zwei Zonen: die eine mit viel Quarz 
und mit sehr großen Kristallen von Zinnstein, worin die beiden 
Mineralien an Menge sich etwa wie 3:1 verhalten; die andere fein- 
körnige, ganz dunkel gefärbte, worin Quarz zu Zinnstein etwa wie 
1:30 bis 50 sich verhält. 

Am reichsten waren die Stellen, wo der Unverhofft-Flache in 
einen der dortigen Quarzporphyrgänge eintrat. Von einer solchen 
Stelle stammt das in der Werksammlung zu Mariaschein befindliche 
Prachtstück, das wir auf Tafel XIII abbilden. Die Kanten dieser 


[33] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 301 


Stufe messen 25X20X17 cm. Die Hauptpartie mit den schönen ein- 
gesprengten Zinnsteinkristallen ist wesentlich Steinmark. Die dunkler 
erscheinenden Partien oben und unten dagegen stellen einen körnig- 
kristallinen Topasfels dar. Zwischen den hier gedrungenen, nicht 
skelettförmigen Topaskörnern bemerkt man nur vereinzelte Glimmer- 
blättchen und Nester von höchst feinkristallinem Steinmark, hier und 
dort auch eine Zinnsteingraupe, jedoch gar keinen Quarz (Fig. 4, 
Tafel XII). 

Bei G. C. Laube beschrieben findet man ferner den auf den 
drei Hörlschächten früher abgebauten Hörl- oder Hörnel-Gang, 
auch Mansueter Gang genannt, der bei nordöstlichem Streichen unter 
15° nach NW einschießt. Die Ausfüllungsmasse dieses wenig mächtigen 
Ganges bestand zumeist aus Steinmark, Glimmer und Eisenglimmer, 
sowie Eisenglanz und etwas Fluorit. Der Zinnstein war gewöhnlich 
längs des liegenden Salbandes konzentriert, konnte aber auch als 
derbe Platte die ganze Kluft füllen. 

Ebenfalls noch zu Laubes Zeit im Abbau begriffen war das 
Panthner-Gefährtel auf der Grube Kreuzgang. Gefährtel nannte 
man die unter ganz flachem Winkel einfallenden sehr schmalen Zinn- 
erzgänge des Mückenberges. Das Panthner Gefährtel bestand aus 
rötlichem Steinmark mit langen flachen linsenförmigen Imprägnationen 
mit Zinnstein am liegenden Salband. 

An der Stelle, wo heute die große Pinge des Mücken- 
berges sich befindet, waren die Gänge in so großer Zahl entwickelt 
und neben ihnen waren so ausgedehnte Partien des aus flaserigem 
Biotitgneis, Granitgneis und Quarzporphyr bestehenden Nebengesteins 
in zinnsteinhaltige Zwitter oder in Greisen umgewandelt, daß man 
Weitungsbau auf diesem Stockwerk treiben konnte. Zurzeit bietet 
die erwähnte Pinge nur sehr unvollständige Aufschlüsse. Die von Schutt 
und Geröll freien Teile der Wände bestehen in der Hauptsache aus 
flaserigem Biotitgneis, der nur im südlichsten Teile der Pinge, dicht 
am Mückentürmchen, durch fast massigen Granitgneis vertreten wird. 
An der nordwestlichen Wand streicht ein etwa 5m mächtiger, ungefähr 
saiger stehender und nach ONO streichender Gang von Quarzporphyr 
zutage. Außerdem besteht die ganze nördlichste Ecke der Pinge aus 
diesem Gestein. Wahrscheinlich haben sich dort zwei Porphyrgänge 
vereint. Erzgänge sind anstehend nicht mehr sicher nachweisbar. Etwas 
nördlich von der eigentlichen Pinge, in der Richtung N 3° O vom 
Turm des Mückentürmchens aus gelegen, ist durch einen 3m breiten 
und N 57 bis 60° W streichenden kluftartigen Tagebau eine Steilwand 
von stark verzwittertem Quarzporphyr bloßgelegt. An einer zweiten 
kleineren, mehr südlich gelegenen Entblößung sieht man das südliche, 
O—W streichende Salband dieser Porphyrmasse gegen den Gneis 
aufgeschlossen. Der mächtige Porphyrgang scheint nach N einzufallen. 
In der Richtung nach NNO hin ist in demselben Porphyr, wie eine 
kleine Pinge beweist, ein gänzlich zu Bruche gegangener Schacht 
angesetzt gewesen. 

Der Bergbau ist im Bereiche der Mückenberger Pinge wohl 
hauptsächlich den Zwittern, weniger den Gängen selbst nachgegangen. 
Die ersteren waren zwar reich an Zinnstein, enthielten aber viele 


302 Richard Beck. [34] 


störende Sulfide. So besitzt die Lagerstättensammlung der Freiberger 
Bergakademie eine aus dem Jahre 1827 stammende Stufe eines sehr 
viel Pyrit und Zinnstein haltenden topasreichen Zwitters von der 
sogenannten Kieszeche am Mückentürmehen. Andere an Pyrit und 
zugleich an Arsenkies reiche Stücke mit den gleichen Erzen, auch 
solche mit etwas Kupferkies, fanden sich auf den Halden. Unter dem 
Mikroskop bemerkt man in allen diesen Zwittern außer den schon 
angeführten Gemengteilen auch Quarz, grünlichen Lithionglimmer 
zuweilen in radialstrahligen Aggregaten, Chlorit, Fluorit und Nester 
von Steinmark. Der Pyrit umschließt oft Zinnsteinkristalle und das 
Steinmark ist manchmal ganz durchwachsen von dendritischem Pyrit. 
Einzelne Zirkonkriställchen in diesen Zwittern stammen wohl aus dem 
ursprünglichen Granitgneis. 

Die Zinngehalte der gesamten geförderten Zwitter schwankten 
während der Jahre 1727 bis 1734 nach dem erhaltenen Rechnungs- 
buch der Glazner Zeche oder des Göpelwerkes auf dem Mückenberge 
zwischen ?/; und 1'/, Prozent. Außer dem Zinn wurde damals auch 
eine geringe Menge Kupfer gewonnen. 

Im Anschluß an die Mückenberger Pinge sei auch die kleine, 
steinbruchartige Pinge an der Straße zwischen dem Gasthaus und dem 
Forsthaus Mückenberg erwähnt. Hier hat man Zwittertrümer mit 
Zinnstein und Fluorit inmitten des nördlichsten der Mückenberger 
(Juarzporphyrgänge, aber wohl ohne nennenswerten Erfolg abgebaut. 
Der Porphyrgang erleidet daselbst eine kleine Ausbauchung nach S 
hin, so daß er die ganze Sohle des Aufschlusses einnimmt, während 
der westliche Stoß oben aus Gneis, unten aus Porphyr besteht. 
Letzterer reicht auf dieser Seite der Pinge nnr in deren Nordwestecke 
bis zum oberen Rande. Der östliche Stoß hingegen besteht durchweg 
aus Quarzporphyr. 


b) Die Zinnerzgruben auf der Höhe zwischen dem Mückentürmchen 
und dem Klösenberg nordöstlich von Obergraupen. 


Auf der genannten Anhöhe zeugen zahlreiche Pingen von einer 
offenbar sehr weit zurückliegenden bergbaulichen Tätigkeit, über welche 
indessen keinerlei Aufzeichnungen vorliegen. Die Untersuchung an Ort 
und Stelle läßt folgendes erkennen: 

Die Anhöhe besteht aus Granitgneis mit seinen charakteristischen 
Einschlüssen von Quarz, von Hornfels und granatführendem Amphibolit 
sowie von Glimmerballen. Die massige Struktur des Gesteins weicht 
vielfach der parallelen, wodurch typische Flasergneise entstehen. 
Dicht nördlich von der Anhöhe durchsetzt den Granitgneis und Gneis 
ein wenig mächtiger, nordöstlich streichender Gang von Quarzporphyr, 
der zum Mückenberger Porphyrgangzug gehört. Dieser Porphyr sowohl, 
wie ganz besonders auch der Granitgneis, werden von Imprägnations- 
klüften der Zinnerzformation durchzogen. Eine bedeutendere solche Kluft 
streicht nach N 45° O und fällt unter 65° nach NW, wie halb verfallene 
alte Einbaue ‘erkennen lassen. Die Klüfte scheinen 3, höchstens 4cm 
Mächtigkeit erreicht zu haben und bestehen aus: Quarz mit wenig 
Zinnstein und Lithionglimmer und wohl auch Topas. Einzelne dieser 


[35] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 303 


Klüfte sind äußerst schmal, nur einige wenige Millimeter stark, 
enthalten aber viel Zinnstein. Auf einer solchen schmalen Kluft im 
Quarzporphyr zeigte sich der Zinnstein z. T. auch in dünnen, bis 2 mm 
langen nadelförmigen Kriställchen ausgebildet, während er im übrigen 
in der gewöhnlichen Graupenform vorkommt. Manchmal ist die Kluft- 
füllung breccienartig und führt etwas Flußspat, zuweilen auch neben 
dem Zinnstein etwas Kupferkies. Der Granitgneis ist beiderseits der 
Klüfte in Zwitter umgewandelt, der einen grünen Lithionglimmer, 
Topas und etwas Zinnstein, mitunter auch Kupferkies und Eisenkies 
enthält. Die Quarzknauern des ursprünglichen Granitgneises lassen 
sich in solchen Zwittern noch deutlich erkennen. Auch der Quarzporphyr 
'ist zu beiden Seiten der ihn durchsetzenden Klüfte in der gewöhnlichen 
Weise verzwittert. 


c) Das Zinnerzstockwerk am Klösenberg in 0SO von Obergraupen. 


Mächtige Pingen am Klösenberg, eine obere und zwei, wenige 
Schritte unterhalb der letzteren dicht nebeneinander gelegene, sind 
zurzeit die einzigen Überreste eines lebhaften Bergbaues, der 1799 
aufgelassen wurde. Man baute auf quarzigen Zinnerzgängen, die samt 
ihren beiderseitigen bis 05m mächtigen Imprägnationszonen in dem 
dort herrschenden Biotitgneis wie bei Altenberg ein ganzes Stockwerk 
bilden, ohne daß jedoch in der Tiefe ein Zinngranit oder auch nur 
Gänge von Mikrogranit aufgeschlossen gewesen zu sein scheinen. Auf. 
einem Risse aus dem 18. Jahrhundert sind die zahlreichen Zinnerz- 
gänge des Klösenberges eingetragen. Danach schwankt ihre Streich- 
richtung zwischen hor. 3 und hor. 6, während bei einigen deren 
Einfallen zu 56 bis 79° nach SO zw. S angegeben ist. Nach den in 
obigem Plane enthaltenen Notizen betrug die Mächtigkeit des hor. 3°2 
streichenden Ganges im Neu-Schacht 23cm, bei einem hor. 5°2 
streichenden Gang nahe demselben Schachte 18'8cm. Der Giftige 
Gang in der untersten Pingen-Abteilung, auf welchem viel Arsenkies 
in Mitteln von mehr als 65cm? einbrach, hatte ein Streichen nach hor. 
ö, ein Einfallen von 78045’ nach SO und eine Mächtigkeit von 0'3m. 
Nur vereinzelt traten auch andere Streichrichtungen auf, wie denn 
zwei Gänge, die durch die etwas weiter in NNW liegenden sogenannten 
Obere Wasser-Pingen gingen, nach hor. 10°6 strichen. 

Ein mehrfach umgebrochener Stollen, der Johanneszecher Stollen 
dessen Mundloch am Südabhang des Klösenberges gelegen war, löste 
die Baue. Er brachte unter den Pingen eine Teufe von etwa 70 m ein. 

Die gewonnenen Zwitter hielten nach einer Notiz in einem 
bergamtlichen Wagebuche 0'5 bis 1'3°/, Zinn. Die starke Beimengung 
von Arsenkies und wohl auch anderen Kiesen gestaltete die Verhüttung 
bei den damaligen Verfahren schwierig und wenig lohnend. 

Die Untersuchung von Zwittern aus der oberen Abteilung der 
Pingen ergab deren ganz außergewöhnlich hohen Gehalt an Topas. In 
einer Probe bestand ungefähr !/, bis 1/, der ganzen Masse aus einem 
sehr feinkörnigen Aggregat dieses Minerals, während das übrige aus 
Quarz und lichtgrünlichbraunem Glimmer zusammengesetzt war und 


304 Richard Beck. [36] 


wenig Flußspat, Zinnstein und zersetzte Kiese enthielt. In mikro- 
skopischen Drusenräumen stellen sich auch wohlausgebildete Kriställ- 
chen des Topases ein. 


3. Das Knödeler Revier. 


Von diesem Reviere waren die mit Graniten eng verbundenen 
Erzvorkommen des Mahler Zuges, der Zwickenpinge und des Neu- 
geschrei-Zuges bereits weiter oben geschildert worden. 

Was die eigentlichen Zinnerzgänge des Knödeler Reviers an- 
langt, sind wir wesentlich auf die älteren Angaben von Jokely, 
Laube, Schiller und Lewald angewiesen. 


Nach uns vorliegenden alten Rissen waren dort folgende wich- 
tigere Gänge bekannt: 


I. Hauptgänge von 5—13 cm durchschnittlicher AALEN und 
sehr flachem Einfallen, und zwar: 


1. der Hauptgang der &rube Regina und Vincenz, 


die im Jahre 1813 von Wolfgang Goethe befahren wurde. 

Die Halde dieser Grube ist die nächste, die man erreicht, wenn 
man der Waldstraße von den Knödelhäusern aus nach Ost folgt. Der 
Gang streicht nach ONO und verflächt sich unter 25° nach NNW. 
Wir sammelten auf der Halde Gangstufen mit Zinnstein und solche 
mit Kupferkies. 


2. Der Abendstern Hauptgang. 


Dieser vielgenannte Gang streicht nach NW, (hor. 9) und fällt 
unter 15—32° nach SW ein. Seine Mächtigkeit wird zu 8—20 cm 
angegeben. Er ist entschieden als der edelste Gang des Reviers zu 
betrachten. In vielen Sammlungen, so auch in der Freiberger, liegen 
von ihm herrliche Stufen mit flächenreichen Kristallen von Zinnstein 
bis über Haselnußgröße. Der Zinnstein nimmt gewöhnlich die Mitte 
des in der Hauptsache aus derbem Quarz bestehenden Ganges ein. 
In der Mittellinie gelegene Drusenräume enthalten neben Zinnstein- 
und Quarzkristallen Steinmark und zuweilen blaßblaugrüne Kristalle 
von Apatit. 

Von akzessorischen Gangmineralien erwähnt Laube noch Pyrit, 
Arsenkies, Kupferkies, in Drusenräumen außer dem schon genannten 
Steinmark und Apatit noch Nakrit, Braunspat und Flußspat. Der 
dunkelviolette Flußspat wird oft von Braunspat „überzuckert“. Innerhalb 
der Imprägnationszonen findet sich auch Wolframit. Bleiglanz bricht 
nur auf schmalen Klüftchen ein, die den Gang gelegentlich durch- 
setzen. 

Laube sah den Gang durch eine von bröckeligen Massen er- 
füllte Kluft um 1'2—1'5m ins Liegende verworfen. Auch Jok&ly 
spricht von Verwerfungserscheinungen an diesem Gange. Der Haupt- 
verwerfer ist danach die Kiefer-Zecher stehende Kluft, welche bei 
einem Streichen nach Stunde 4—5 unter 85° nach NNW einfällt. Sie 
ist 0-08—0'9 m mächtig und mit einem bräunlichen oder grünlich- 


[37] Die Zinnlagerstätten von Graupen in Böhmen. 305 


grauen quarzigglimmerigen Gestein von nur geringem Zinngehalt 
erfüllt. 


3. Der Siebenschläfer-Hauptgang, 


der angeblich nach hor. 4 streicht und unter 23° nach unbekannter 
Richtung sich verflächt. 


4. Der Budiner Hauptgang 
(hor 3, Verflächen 25°). 


5. Der Nicolai-Hauptgang 
(hor. 7!/,, Verflächen unter 25° nach SSW). 


Zu diesen Hauptgängen kommen noch die sogenannten Ge- 
fährtel, Gänge von 1'’3—2°6cm Mächtigkeit, die sich von jenen 
durch ein stärkeres Einfallen auszeichneten. Wir nennen die Buchener, 
Kupferzechener und Morgenstern-Gefährtel. Sie fallen unter etwa 40° 
nach N ein. 


Stehende Gänge endlich nannte man nach Laube die ganz 
steil einfallenden, übrigens 2°6—7'8cm mächtigen Zinnerzgänge des 
Revieres, wie den Regina Stehenden, den Wendelin und den Georgen- 
zecher Stehenden, die sämtlich nach WNW bis NW streichen und 
unter 73—79° nach NNO oder NO einschießen. 


Sämtliche Gänge haben längs ihren Salbändern im Gneis dunkel- 
gefärbte Imprägnationszonen von 2—3cm Breite, die völlig denen 
am Luxer Gang gleichen. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd, 1. u. 2. Hft. (R. Beck.) 39 


306 Richard Beck. [38] 
Inhaltsverzeichnis. 
un 7 Seite 
Einleitun&,.  - .. 2%. OPSHRETEm LEE SEREREER SE. Bere. WE AO 
Literatur über das Zinnerzgebiet von Graupen . .. ..2.2.2...%0 [2] 
I. Die allgemeinen geologischen Verhältnisse und die verschiedenen 
Gesteinsärten. mr WAR ZEN IE RENNER Er. a TE >70. 72] 
1. Die Gneise”..'%. A RT A TR 
2. Der Teplitzer Dam Ben, EEE or he An ni a es ae 
8. Der, Geranifporphyr. (1. fa ei Eon EEE Bazar ne 
4. Die Dar zBorphyrgänge un euren srl tertet vera .214...16] 
5. Der Granitstock von Obergraupen . .. 2.222220. RN: 
6. Die Ganperantie 21. 2% a Bee A 
a) Die Granitgänge der Prößeihander Dinge > =; 
b) Der Gangrranıt ‚des Mahler Auges \....... - #00 4.120. 25.35 280.5112] 
c) Der Granit Cer Zwickenpinge .. ...... nr ah re wre 
d) Der Granit von Groß-Geschrei. . . . . Se af a en] 
7. Die Basaltgänge (blauen Klüfte). .. ..... 138 gu a ee ee Bee 
8. Jungdiluvisle.und alluvasle Gebilde... 2 Ya tr must ok nee 286 [18] 
UI. Die Erzgänge . .. . . EN Bi Asasanbeisufian: Aa] 
1. Das Steinknochener sion De rare Da AR 287 [19] 
a) Der Luxer Gang und die u früher bebauten dortigen 
Irrpausern 0 ee. VE 5 6 ee ERFLRT ON 
b) Andere Gänge N Sıöfnlenochkäe Mörieres nu a IS 
c) Der Tagebau von Günthers Zeche und die Pingen südlich vom 
Teac berke,  a.. 0 0 AB 7 20. one era: ee 29a 
2. Das MürkeenberperrKeyier '. .. Mer. „Men... 2 nen 299. [31] 
e) Die Zinnerzgänge am Midkenpihe : .299 [31] 
b) Die Zinnerzgruben auf der Höhe zwischen den Ühekenifmehen 
und dem Klösenberg nordöstlich von Obergraupen . ..... 302 [34] 
c) Das Zinnerzstockwerk am Klösenberg in OSO von Obergraupen 303 [35] 
3: Das’ Knödeler Revier '.., 2. 2eyeı .. Es se, at. nr, n80ee 
1. Der Hauptgang der Grube Regina und Vinceuz ....... 304 [36] 
2. Der Abendstern Hauptgang . ,% . . Bee. „va: 304 [36] 
3. Der Siebenschläfer-Hauptgane7:; „Saure N 305 [37] 
4. Der Budiner Hanptgane.”. 27 a vom. BE N 305 [37] 
5. Der"Nicolai-Hauptgane”. .* „ran. Aa 1 ee 805 [37] 


‘Über den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 
Von Dr. Otto Ampferer. 


Mit einer Tafel (Nr. XIV) und 4 Textfiguren. 


Zu den merkwürdigsten Profilen, welche in älterer Zeit in den 
Alpen gewonnen wurden, gehört der mit XII bezeichnete Durchschnitt 
vom Arlberg bis ins Mittelbergtal in der Arbeit Frh. v. Richthofens 
„Die Kalkalpen von Vorarlberg und Nordtirol“, Jahrbuch der k. k. 
geol. Reichsanstalt 1859. 

Wir finden hier nach Angabe Frh. v. Richthofens, wie die 
Kopie Fig. 1 zeigt, in einem Gebirge, welches überall die deutlichsten 
Anzeichen für Faltung und Schiebung von Süden gegen Norden oder 
von Osten gegen Westen offenbart, eine mächtige, gegen Süden zu 
überschlagene Mulde. Außer dieser großen, ganz aus dem übrigen 
Bauplan herausfallenden Mulde begegnen wir noch in dem Quer- 
schnitt X am Schafberg nördlich vom Spullersee eine kleine, ebenfalls 
gegen Süden zugeklappte Mulde, welche indessen einen viel geringeren 
Schiehtbesitz aufweist. Frh. v. Richthofen gibt keine Erklärung 
dieser so auffallenden Lagerungsformen und dieselben erregten mein 
Interesse um so stärker, je näher ich selbst mit der Neuaufnahme 
der Lechtaler Alpen an diese Gegenden heranrückte. Einen weiteren 
Grund zum Studium dieser Erscheinungen bot sodann die Verfolgung 
der von mir entdeckten Kreideschiefer, welche gerade östlich und 
westlich vom Flexenpaß bedeutende Ausdehnung und große Mächtig- 
keit erlangen. 

Ich betrat das Gebiet zum erstenmal im Sommer 1908 und 
habe dasselbe seither ziemlich gründlich kennen gelernt. 

Eine kurze Beschreibung der geologischen Verhältnisse östlich 
des Flexenpasses mit einigen Photographien ist inzwischen in der 
Zeitschrift des D. u. ©. A.-V. 1913 von mir veröffentlicht worden 
(Geol. Gerüst d. Lechtaler Alpen). 

Ich möchte nun an dieser Stelle im Anschluß an meine Neuauf- 
nahme der Lechtaler Alpen dieses ausgezeichnete Profil etwas ein- 
gehender besprechen, da dasselbe wie kaum ein anderes den mehr- 
fachen Deckenbau der nördlichen Kalkalpen enthüllt. 

Die breite Einsenkung des Arlbergpasses liegt in steil süd- 
fallenden Gneissen. 

Steigen wir vom Hospiz zur aussichtsreichen Kuppe des Gal- 
zigg empor, so bleiben wir fort in diesen gleichmäßig ostwestlich 

Jahrbuch d.k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd, 1. u. 2. Hft. (0. Ampferer.) 39* 


[2] 


Fig. 1. 


ValluoaS: 
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5 Zeichenerklärung: 
1 = Glimmerschiefer. 5 = Arlbergschichten. 8 = Kössener Schichten. 
2 — Verrucano. 6 = Raibler Schichten. 9 — Oberer Dachsteinkalk. 
3 — Virgloriakalk. 7 = Unterer Dachsteinkalk und 10 = Adnether Kalk. 
4 — Partnachschichten. Dolomit. 11 = Allgäuschichten. 


Das Profil v. Richthofens geht mit geringen Abweichungen vom Arlbergpaß gegen Norden. Das Profil auf Tafel X1V deckt 
sich mit diesem bis zum Wöstersattel (Jochübergang zwischen Stubenbach und Bockbach). Von dort ab richtet sich dasselbe 
gegen Nordnordwesten. 


308 


[3] Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 309 


streichenden Gesteinen, in welchen auch der große Tunnel in der 
Tiefe liegt. 

Auch der Nordkamm des Galzigg besteht noch aus diesen 
Gneissen und erst jenseits der Einsenkung zwischen unserem Berge 
und der Schindlerspitze (Arlensattel) stoßen unmittelbar an die 
Gneisse Spuren von Buntsandstein und gelben Rauhwacken. 

Die Grenze zwischen dem kristallinen Gebirge und den Kalk- 
alpen ist hier ebenso wie im Stanzer Tal der Ausstrich einer be- 
deutenden Bewegungsfläche, an welcher ausgedehnte Abscherungen 
und Anhäufungen sowohl in ihrem Hangenden als in ihrem Liegenden 
stattgefunden haben. Die im Bereiche des Stanzer Tales mächtig ent- 
wickelteu Quarzphyllite fehlen hier ganz. Ebenso sind Verrucano und 
Buntsandstein an dieser Stelle nur in kleinen Resten vorhanden, ob- 
wohl dieselben westlich bei der Ulmer Hütte und besonders weiter 
östlich im Stanzer Tale große Mächtigkeiten erreichen. 

Die im Profile von Richthofen eingezeichnete flache, unge- 
störte Auflagerung von Buntsandstein auf seinem Glimmerschiefer des 
Arlberges entspricht nicht dem Ortsbefund. 

Weit und breit fallen die Gneisse südwärts und stoßen mit tek- 
tonischem Kontakt an die Kalkalpen. 

Der Verrucano-Buntsandsteinzug formt sich westlich des Arlen- 
sattels zu einem Gewölbe, welches rasch in die Tiefe sinkt und von 
Rauhwacke, Muschelkalk, Partnachschichten und Arlbergkalk über- 
deckt wird. 

An der Flexenpaßstraße ist oberhalb von Stuben schon nichts 
mehr von diesem Verrucanokern zu sehen und nur der verdoppelte 
Muschelkalk deutet seine Existenz in der Tiefe an. 

Uber der in bezug auf Mächtigkeit und Gleichmäßigkeit sehr 
veränderlichen Zone von Verrucano und Buntsandstein setzen am 
Südgrat der Schindlerspitze Muschelkalk, Partnachschichten, Arlberg- 
kalk mit meist steil nordfallender Lagerung ein. 

Uber den Arlbergkalken schließen sich die Raibler Schichten an, 
welche stellenweise ziemlich ausgedehnte Gipslager enthalten. 

Über ihnen folgt die Schichtserie des Hauptdolomits, in welche 
das Walfagehr-Joch eingeschnitten ist. 

Der Felsgrat, welcher vom Walfagehr- Joch zum Gipfel der Valluga 
leitet, besteht ebenfalls aus Hauptdolomit. 

Steigt man von dem kleinen Schindlerferner zu den Gipfel- 
felsen der Valluga empor, so begegnet man einer ziemlich ausge- 
dehnten grob- bis feinkörnigen Dolomitbreccie, welche sich bei ge- 
nauerer Betrachtung als eine Aufarbeitungsbreccie an der Basis der 
Kössener Schichten herausstellt. 

Die eckigen Bruchstücke dieser Breccie bestehen aus Trümmern 
von Hauptdolomit und sind durch ein dolomitisches Bindemittel ver- 
kittet. Die Breccie erinnert lebhaft an die ebenfalls ganz aus Haupt- 
dolomit umgearbeitete Basalbreccie der Muttekopf-Gosau, nur enthält 
die Vallugabreccie keine so schön gerundeten Bestandteile. 

Die Dolomitbreccie überlagern Kalke und Mergel der Kössener 
Schichten, welche den höchsten Teil des Hauptgipfels der Valluga 
bilden. 


310 Dr. Otto Ampferer. [4] 


Frh. v. Richthofen dürfte den Gipfel der Valluga nicht be- 
treten haben, da inm sonst seine irrtümliche Schichtdiagnostik sicher 
aufgefallen wäre. 

An dem zum Pazieler Joch abfallenden schön geformten Nord- 
westgrat der Valluga reihen sich über den Kössener Schichten ober- 
rätischer Kalk, rote Liaskalke, Fleckenmergel sowie roter und grauer 
Tithonkalk an. 

Während in den östlichen Lechtaler Alpen und in den Allgäuer 
Bergen über einer durchschnittlich weit mächtigeren und abwechıs- 
lungsreicheren Fleckenmergelserie erst die roten und grünen Horn- 
steinkalke (Radiolarite) und dann die hellgrauen Aptychenkalke folgen, 
stellen sich hier in der Umgebung des Flexenpasses über den gering 
mächtigen Fleckenmergel und Kalken rote Mergel mit kleinen und 
größeren abgerollten Kalkbrocken, ziegelrote Mergel mit kleinen Ge- 
röllen, rote, oft mergeligsandige Kalklagen, Crinoidenbreceien, feste 
rote, flaserige, brecciöse Kalke und graue flaserige Kalke ein. Die 
Mächtigkeit ist gering und beträgt zwischen 10—15 m. 

Wir haben eine vielfach mit Brececien und Konglomeraten ver- 
bundene Schichtentwicklung vor uns. Hornsteinkalke treten ganz 
zurück und nur einzelne kleine Linsen von grellroten Hornsteinen 
sind stellenwese in den Kalken eingeschaltet. Der Ablagerung dieser 
Schichtgruppe ist offenbar eine beträchtliche Erosion vorausgegangen. 
Prof. Plieninger hat zuerst das Alter dieser von H. Mylius in 
seinem Werke „Geol. Forschungen an der Grenze von Ost- und West- 
alpen, Bd. I, München 1912,“ für Lias erklärten Schichtzone durch 
Funde von Aptychus punctatus, Aptychus sparsilamellosus und Trerebratula 
(Pygope) diphya als Tithon erkannt. 

Ich konnte diese Funde außer bei Zürs auch am Westhang des 
Trittkopfes und am Nordgrat der Valluga bestätigen. 

Die Tithonkalke brechen von der Valluga mit einer machtvollen 
Wand gegen das breite Pazieler Joch nieder. Hier stoßen unmittelbar 
schwärzlich- und bräunlich-graue Kreideschiefer, Sandsteine, Breccien, 
Mergel, meist dünnschichtige oder griffelig zerfallend und weich ver- 
witternd an die hohe Tithonwand. 

Wahrscheinlich ist zwischen der starren Kalkwand und den 
weichen Schiefern eine lokale Verschiebung vorhanden. An vielen 
anderen Stellen lagern jedoch die Kreidegesteine gerade in der Um- 
sebung des Flexenpasses deutlich transgressiv dem oft sehr stark 
erodierten Untergrunde auf. An solchen Stellen beginnt dann die 
Kreideserie mit einer kalkig verkitteten Breccie, in welcher das 
Bindemittel weit über die eingeschlossenen Bruchstücke an Masse 
vorherrscht. Auf den Verwitterungsflächen dieser Kalkbreccie sind 
nicht selten kleine, schwarze Fischzähne zu sehen. Außerdem fand ich 
nach einer freundlichen Bestimmung von Dr. R. Schubert mehrere 
große, makroskopisch ersichtliche Exemplare von Flabellina elliptica 
Nils. ausgewittert auf den Schichtflächen. Im Dünnschliff sind spärlich 
Kleinforaminiferen zu erkennen, und zwar Globigerina, Textularia, 
Pseudotextularia, Rotalideen und daneben Echinodermenfragmente. 
Nach dem Urteile von Dr. R. Schubert lassen sich diese Formen 
wit einem oberkretazischen Alter der Breccie recht gut vereinen und 


[5] Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 311 


machen dieses wahrscheinlich ohne, daß jedoch dadurch die Möglich- 
keit tertiären oder unterkretazischen Alters ausgeschlossen wäre. 

Das landschaftliche Bild dieser Kreidetransgression gibt Fig. 17 
der Arbeit „Geol. Gerüst der Lechtaler Alpen“, Zeitschr. d. D. u. Ö. 
A.-V. 1913, "wieder. 

In den Kreideschiefern fand ich meist in gewissen kalkig- 
quarzigen Breccienlagen sowohl am Westfuß der Roggspitze als auch 
in der Umgebung vom Zürser- und Spullersee Orbitulina concava Lam. 
Da dieser Schichtkomplex eine beträchtliche Mächtigkeit erreicht, 
ist es gar nicht ausgeschlossen, daß nicht noch jüngere, vielleicht 
sogar tertiäre Bestandteile darin entdeckt werden. 

Durch eigene Vergleiche mit den Kreidebreccien in den 
Bündnerschiefern sowie durch eingehende Besprechungen und Ver- 
gleiche der Aufsammlungen von Dr. Ww. Hammer, Dr. A. Spitz 
und Prof. Dr. W. Paulke wurde die große Ähnlichkeit der Lech- 
taler Kreidebreccien mit denen aus dem Bereiche der Bündner- 
schiefer festgestellt. 

Der Kreideschieferzug, welchen wir am Pazieler Joch begegnen, 
läßt sich weit gegen Osten bis in die Parseierspitzgruppe unun- 
terbrochen verfolgen und hat hier an vielen Stellen Orbituliner- 
breccien geliefert. 

Er durchstreicht vom Pazieler Joch ostwärts das hinterste 
Almejurtal, steigt zum Almejur-Joch empor und umfängt die Fallesin- 
Spitze. Hier teilt er sich. Ein Strang leitet ostwärts über das Kaiser- 
joch zur Parseierspitzgruppe, der andere wendet sich an der 
Westseite des Kaisertales gegen Norden und strebt zum Schwarzen 
Kranz empor. Von dort kehrt er scharf gegen Westen um, zieht ins 
hintere Krabachtal hinein und umschlingt nach Norden ausgreifend 
die Krabach- und die Rüfispitze. An der West- und Südseite der 
Rüfispitze schließen die Kreideschiefer dann im Pazieltal mit 
denen zusammen, welche unseren Ausgangsort gebildet haben. 

Schreiten wir vom Pazieler Joch gegen Norden, so stehen wir 
bald vor der gewaltigen schiefen Pyramide der Roggspitze, welche 
in den Kreideschiefern wie ein Zahn im Kiefer steckt. 

Sie besteht aus intensivst verfalteten Aptychenkalken. Daneben 
sind aber auch Liaskalke, oberrätische Kalke und Hauptdolomit am 
Aufbau beteiligt. 

Nördlich der Roggspitze sitzt noch eine wie ein Bohrer gewundene 
schmale Kalklage in den Kreideschiefern. 

Weiter nördlich legt sich dann eine ausgedehnte, aber nicht 
mächtige Platte von Hauptdolomit auf die Kreideschiefermulde, welche 
die Form einer flachen Mulde einnimmt. 

Der zu dieser Mulde verbogene Hauptdolomit ist großenteils 
sehr stark ausgewalzt und zeigt besonders in der Richtung von Süden 
gegen Norden eine scharfe Zunahme der Mächtigkeit. 

Auf allen Seiten umgeben Kreideschiefer unsere Dolomitmulde 
und schießen unter dieselbe hinein. 

Die Gipfel Erlerspitze, Fallesinspitze, Zwölferspitze, Schwarzer 
Kranz, Krabachspitze, Gümplekopf, Rüfispitze stellen die Ränder 
derselben dar. 


312 Dr. Otto Ampferer. [6] 


Im Hohlraum dieser Dolomitmulde finden wir nun neuerdings 
eine noch höhere, ganz ähnlich verbogene Schubmasse, die jedoch teil- 
weise aus viel älteren Gesteinen besteht. 


Zwischen der unteren und der oberen Schubmasse stellen sich 
einzelne, nicht zusammenhängende Linsen von verschiedenen Schichten, 
wie Kössener Schichten, oberrätische Kalke, Aptychenkalke ein. Es 
handelt sich offenbar um Schichtkörper, welche an der Basis der 
oberen Schubmasse mitgeschleppt und ausgebreitet wurden. 


Die obere Schubmasse selbst wird größtenteils auch von Haupt- 
dolomit hergestellt. An ihrer Westseite erscheinen jedoch außerdem 
Raibler Schichten, Partnachschichten und Muschelkalk. Innerhalb der 
Schubmasse liegen diese einzelnen Stufen ganz regelmäßig überein- 
ander. Im Streichen gegen Osten werden jedoch Muschelkalk, Partnach- 
schichten von der Basalschubfläche bald völlig abgeschnitten. 


Dieser Vorgang ist am klarsten im hintersten Almejurtal am 
Gehänge von Erlerspitze und Fanggekarspitze zu sehen. 


Die Serie des Muschelkalks ist am besten an der Westseite des 
Krabachjochs aufgeschlossen und durch die neuen Weganlagen zu 
der Stuttgarter Hütte gut begehbar gemacht. Wir begegnen von unten 
nach oben: Eisendolomiten, spätigem Breunerit, dunklen Crinoiden- 
kalken mit Ammoniten, Mergeln mit Schalendurchschnitten, Hornstein- 
knauerkalken, Knollenkalken, hellen Dolomiten mit oft mächtigen 
grauen Hornsteinwucherungen, die wie Schlacken herauswittern. 


Darüber legen sich die Partnachschichten, hellgraue, meist aber 
schwarze Tonschiefer und Mergel, eine Zone von blauen, oft konglo- 
meratischen und brecciösen Kalken und schwarze Mergel. Herr Dr. 
Hackl hatte die Güte, zwei Analysen des Eisendolomits und eine 
des Breunerits auszuführen. Es hat sich ergeben: 


Unlösl. Rückstand 8°03 a (darin 0'16°/, FeS,) 0'94 . 602 
BEN. aa I2DL re ne 5-21 AO; 
Unz0, .>. er a eh >, Spur 31:85 FeO 
er 46.67 [2616Ca 0 52:94 [29'88Cu0 N DER 5 50 00, 
na 205100, nr 232600, | co 697 0:17MnO 
YWaco 0.12 [13:37 Mg O 39.97 J1901MgO 3 010 C0, 
I 147500, 20 96C0, | (00 egı.| 382 CaÖ 
H,O „Ds 1:38 5 129900, 
aa.an J10°66 MyO 
M9C0,.. 32:98 I: en 
Er ee 10° 20-4... 064 
Geringe Mengen organischer Geringe Mengen von or- Geringe Mengen Eisen als 
Substanz ganischer Substanz Oxyd und organische Sub- 
1'4CaC0,:1 MgCO, 1'1CaC0, :1MgCO, stanz 
Von Brauneisenstein durchsetzte Dolomite Breunerit 


Über den Partnachschichten sind sofort Raibler Schichten 
eingeschaltet. 


Das Vorkommen der Raibler Schichten im obersten Krabachtal 
war schon Escher v. d. Linth bekannt. Er hat dann im Jahre 
1857 die Stelle nochmals in Begleitung F. v. Hauers und Frh. v. 
Richthofens besucht und der letztere berichtet, daß sie hier eine 


[7] Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 313 


Fauna der Raibler Schichten der Südalpen in ihrer reichsten Ent- 
faltung. zusammen mit mehreren für St. Cassian charakteristischen 
Arten gefunden hätten. 

Über den Sandsteinen der Raibler Schichten schieben sich dann 
graue, löcherige stark gefaltete Rauhwacken ein, welche gegen oben 
in breceiöse Dolomite übergehen. Diese bilden den Beginn der mäch- 
tigen Schichtfolge des Hauptdolomits. 

Die über den grauen Rauhwacken zum Beispiel am Erler Joch 
und an der Fanggekarspitze eingeschalteten brecciösen Dolomite er- 
weisen sich als stark bituminiös, sind vielfach sehr fein geschichtet 
und gefältelt. 

Aus Hauptdolomit besteht der Felskamm Fanggekarspitze, 
Kuglerspitze, Hintere und Vordere Schmalzgrubenspitze und Ge- 
steinsspitze. 

Jüngere Schichten sind im Bereiche dieser Schubmasse nicht 
erhalten. Die Basis der Kreideschiefer taucht erst wieder unter den 
schroffen Nordwänden des Kammes Krabachspitze-Rüfispitze hervor. 

Im sogenannten „Ochsengümple“ breiten sich die charakterist- 
ischen weichen Schiefer weiter aus und führen auch wieder die 
Orbitulinenbreccien. Gegen das westlich benachbarte tiefe Bockbach- 
tal stürzen die Kreideschiefer in jähen, schwarzen, von wilden Runsen 
durchfurchten Wänden nieder. Noch großartiger sind diese Wände 
dann unter der Krabachspitze entwickelt. 


Unter den Kreideschiefern kommt nordwärts die Gruppe der 
Wöster Spitze heraus. Diese Bergmasse besteht aus einer mächtigen, 
flach südwärts geneigten Platte von Hauptdolomit, welche strecken- 
weise von gelblichen Rauhwacken unterlagert wird. 


Über dem Hauptdolomit stellen sich Kössener Schichten, ober- 
rätische Kalke, Liaskalke, Fleckenmergel und in isolierten Resten 
auch Tithonkalke ein. Die Kreideschiefer sind mit ihrem Untergrunde 
transgressiv verbunden. 

Wir erkennen unschwer in der Wöster Spitze den Nordrand der 
großen Kreidemulde, deren Südrand in unserem Profil die Valluga 
bildet. 

Gegen Norden bricht die Wöster Spitze mit einer steilen Wand 
zum breiten Wöster Sattel nieder. 

Wieder stehen wir bei einer mächtigen Zone von Kreideschiefern, 
auf welche die Masse der Wöster Spitzen aufgeschoben ist. 


Diese Aufschiebung ist besonders an der Westseite der Wöster 
Spitzen in dem tiefen Trogtal des Walkersbaches deutlich zu erkennen. 

Während an der Wöster Spitze unter dem Hauptdolomit nur 
noch Fetzen von Rauhwacken auftreten, vervollständigt sich diese 
Schubmasse gegen Westen rasch durch Hinzutreten von Arlberg- 
schichten—Partnachschichten und Muschelkalk. Legen wir unser Profil 
nicht durch die Wöster Spitzen, sondern durch den etwa 2 kn» west- 
licheren Kamm des Rüfikopfs über die Schafalpe gegen Lech, so 
finden wir unter dem Hauptdolomit eine vollständige Serie bis zum 
Muschelkalk, welcher knapp östlich vom Dorfe Lech im Talgrund an- 
steht. Die Zeichnung Taf. XIV gibt eine Vorstellung von der Raschheit, 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (0. Ampferer.) 40 


314 Dr. Otto Ampferer. [8] 


mit welcher die Schubmasse der Wöster Spitzen an ihrer Basis tiefere 
Schichtglieder aufnimmt. 

Die Kreideschiefer vom Wöster Sattel sind im allgemeinen reicher 
an Sandsteinen als die Kreideserie im Paziel. 

Orbitulinenbreccien fand ich auch hier, und zwar knapp nörd- 
lich des tiefsten Teiles des Sattels. 


Auf den Kreideschiefern befinden sich nördlich des Wöster 
Sattels einzelne kleine Reste der abgewitterten Schubmasse der Wöster 
Spitzen. 

H. Mylius hat bereits in Bd. I seiner „Geologischen Forschungen 
an der Grenze von Ost- und Westalpen“ Tafel II, Fig. 10, einen solchen 
kleinen Deckenzeugen aus Hauptdoiomit verzeichnet. 

Unter den Kreideschiefern tritt nordwärts eine intensiv ver- 
faltete Zone von Aptychenkalken, roten, grünen Hornsteinkalken mit 
einem Kern von Fleckenmergeln hervor (Fig. 2). 

Wir sind nicht mehr im Bereiche der Tithon-Entwicklung des 
Flexenpasses, sondern im typischen Lechtaler Oberjura. Diese Zone 
bildet den Kamm vom Horn bis zur Rappenspitze, wo sich dieselbe 
ins Bockbachtal herabzieht und um die Lärch- und Pimigspitze sich 
ins Kaisertal hineinbiegt. 


Auf diesem Wege schneidet der sehr kompliziert gebaute Zug 
auch das vordere Krabach- und das vorderste Almejurtal. Am West- 
sehänge des Horns (östlich von Lech) sinkt unser Zug, wie Taf. XIV 
zeigt, unter der aufgelagerten Triasschubmasse sehr rasch ab und 
wird dabei zugleich wesentlich verschmälert. 


Die Triasschubmasse selbst übersetzt bei Stubenbach den Lech 
und bildet jenseits die Decke des Kriegerhorns und weiter jene des 
mächtigen Kammes Mohnen Fluh—Braunarlenspitze. 

Die Karte, welche H. Mylius 1909 von diesem Gebiete ver- 
öffentlicht hat, gibt die Umrisse dieser Schubmasse mit Ausnahme 
kleiner Details ganz richtig wieder. 


Sonst enthält diese Karte allerdings noch große Fehler. Am Süd- 
hang des Kriegerhorns sind zum Beispiel Raibler Schichten und Arlberg- 
schichten nicht getrennt und der Muschelkalk ist nordöstlich von Lech 
beträchtlich ausgedehnter. 

Außerdem sind aber in den als Liasfleckenmergel kartierten Ge- 
bieten von Gaisbachalpe — Bergeralpe und im dQuellengebiet der 
Bregenzer Ache Breccien mit Orbitulina concava Lam. in großer Ver- 
breitung vorhanden, welche einen wesentlichen Teil dieser Schicht- 
massen in die Kreide verweisen. 


Besonders schöne Orbitulinenbreceien fand ich bei der Gais- 
bachalpe und knapp östlich des Sattels zwischen Kriegerhorn und 
Mohnen Fluh. 

Wir haben hier die Fortsetzung der Kreidezone des Wöster 
Sattels vor uns. 

An derin Taf. XIV abgebildeten Nordwestflanke des schönen Berg- 
kammes Horn—Höllenspitze erkennen wir sodann unterhalb der stark 
verfalteten Zone eine Schichtgruppe, welche von Osten mit reichem 
Schichtbesitz in unser Gebiet eintritt und hier an einer schrägen Be- 


315 


Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 


[9] 


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316 Dr. Otto Ampferer. [10] 


wegungsfläche Schritt für Schritt die unteren Schichtglieder vom Haupt- 
dolomit bis zu den Fleckenmergeln verliert. 

Die mächtige, aus drei Stockwerken bestehende Hauptdolomit- 
masse der Höllenspitze stellt eine Ecke der großen Schubmasse des 
Allgäuer Hauptkammes dar. Diese ausgedehnte Schubdecke überschreitet 
zwischen Hinter-Ellenbogen und Lechleiten den Lech. 

Sie ist dabei in drei Schuppen zerspalten, von denen jeweils die 
südlichere die nördlichere überschiebt. 

Zwischen der südlichen und mittleren Schuppe ist die von 
C. A. Haniel beschriebene Gosau des Hochalpgrates eingeschaltet. 

Zwischen der mittleren und nördlichen finden wir am Gehänge 
des Biberkopf nur schmale Streifen von Plattenkalk und Kössener 
Schichten eingefügt. C. A. Haniel hat diese Verhältnisse in seiner 
Arbeit „Geologische Verhältnisse der Südabdachung des Allgäuer Haupt- 
kammes... Zeitschrift d. D. Geol. Ges. 1911, Bd. 63, H. 1* völlig 
zutreffend dargestellt. 

Im Bereiche der Höllenspitze erscheint nach meinen bisherigen 
Erfahrungen Dolomit auf Dolomit geschoben, ohne Einschaltung der 
weiter östlich vorhandenen jüngeren Schichtglieder. 

Auf den Dolomit der südlichen Schuppe, welche den Gipfel der 
Höllenspitze zusammensetzt, legen sich regelrecht Kössener Schichten, 
oberrätische Kalke, rote Liaskalke und Fleckenmergel. 

Verfolgt man diese Fleckenmergel gegen Osten, so vervollständigt 
sich dieser Zug durch Hinzukommen von Radiolariten- und Aptychen- 
kalken, auf denen dann bei Holzgau die ebenfalls zuerst von C. A. 
Haniel beschriebenen senonen Mergel lagern. 

Unter dieser ganzen so scharf abgeschrägten Schichtgruppe tritt 
nun von Teschenberg bis in die Gegend von Stubenbach ein mächtiges 
System von Fleckenmergeln hervor, welche in mehrfache Falten und 
Schuppen gelegt sind, an denen, soweit man sieht, noch rote Lias- 
kalke, oberrätische Kalke, Kössener Schichten und Hauptdolomit 
teilnehmen. 

Wir haben einen Teil jener ausgedehnten Zone von Liasflecken- 
mergeln vor uns, welche sich um den Biberkopf herum an der Nordseite 
des Allgäuer Hauptkammes bis ins Fenster von Hinterhornbach und in 
jenes von Nesselwängle erstreckt. Diese Zone betritt an der West- 
flanke des Biberkopfs tirolisches Gebiet und überschreitet südlich von 
Lechleiten den Lech. 

Weiter östlich zeigt diese Liaszone meist flache Lagerungen, die 
gegen Westen allmählich in lebhaftere Faltung übergehen. Die Lech- 
taler Schubmasse liegt in deutlicher Weise als Schubdecke auf diesem 
weiten Fleckenmergelland wie übereinstimmend die Arbeiten von 
Rothpletz, Schulze, Haniel, Pontopidan und Ampferer er- 
wiesen haben. 

Der Alpenquerschnitt (Jahrbuch d. k. k. geol. R.-A. 1911) durch- 
schneidet diese Region im Fenster von Hinterhornbach. 

Streckenweise ist der ursprüngliche Rand der Lechtaldecke von 
der Erosion ziemlich verschont geblieben und an solchen Stellen zeigen 
sich dann die durch den Verschub erzwungenen lebhaften Faltungen 


[11] Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 317 


und Einrollungen. In der Arbeit über den Alpenquerschnitt ist in Fig. 7 
der Wiedenerkopf als Beispiel einer solchen Struktur beschrieben 
worden. 

Ähnliche Erscheinungen treten auch an der Nordseite der kühnen 
Trettachspitze und des Biberkopfs zutage. 

H. Mylius hat diese „Stirnrunzeln* der großen Schubdecke 
für den Beweis genommen, daß hier am Biberkopf die Lechtaldecke 
mit der nördlichen Liaszone regelrecht als Sattel und Mulde ver- 
bunden sei. Er gibt in seinen „Geologischen Forschungen an der Grenze 
zwischen Ost- und Westalpen“ im I. Band in Fig. 18 ein Profil durch 
Elfer- und Biberkopf, welches nach seiner Auffassung diesen wichtigen 
Zusammenhang beweisen soll. 


Eine genauere Besichtigung ergibt aber im Gegenteil, wie schon 
C. A. Haniel betonte, daß diese Faltungen keine regelmäßige Ver- 
bindung darstellen. 

Diese Faltungen sind sogar Anzeichen einer sehr starken Ver- 
schiebung und sie. werden sämtlich von einer und derselben großen 
Bewegungsfläche unterfahren. Der Ausstrich dieser Bewegungsfläche 
läßt sich von der Nordseite des Biberkopfs an Lechleiten vorbei un- 
unterbrochen über den Lech verfolgen und gibt sich hier als jene 
Linie zu erkennen, an welcher die schon erwähnten großen Ab- 
scherungen stattgefunden haben. 

Auch hier finden wir an der Höllen- und an der Mittagsspitze 
lebhafte Runzelung im Hauptdolomit und an der Basis der Dolomit- 
masse liegt ein großes Charnier aus Kössener Schichten, oberrätischem 
und Liaskalk, das offenbar an der Sohle der großen Schubmasse bei 
einer gegen Westen gerichteten Bewegung zurechtgebogen wurde. 

Angesichts dieser nur durch eine große Bewegung erklärbaren 
Strukturen besteht kein Zweifel, daß sich die Schubfläche der Lech- 
taldecke durch das Nordgehänge des Kammes Höllenspitze-Horn fort- 
setzt. Sie findet aber auch hier kein Ende, wenn auch der Schicht- 
besitz der gewaltigen Masse des Allgäuer Hauptkammes an ihr ent- 
lang so außerordentlich vermindert wird. 


Gegen Westen zu nähert sich diese Bewegungsfläche derjenigen, 
welche wir an der Basis der Wöster Spitzen getroffen haben. Bei 
Stubenbach sind beide Flächen nur durch eine Lage von Flecken- 
mergeln getrennt. Hier greifen beide Schubflächen wieder über den 
Lech gegen Norden vor. Die obere unterfährt, wie ich schon bemerkte, 
dabei die Gipfel von Kriegerhorn, Mohnen Fluh, Braunarlenspitze, 
während die tiefere die Deckenzeugen des Karhorns und jene der 
Gaisalpe vom Untergrund der großen Liaszone scheidet. 

Karhorn und die Schollen bei der Gaisbachalpe sind also auch 
stark reduzierte Stücke aus der Westfortsetzung des Allgäuer Haupt- 
kammes, wobei die schöne Gruppe des Karhorns tektonisch dem Biber- 
kopf entspricht. 

Diese Berggruppe des Karhorns. (Aarhorn der Originalkarte 
1 :25.000) mit den Kanzeln des Warther- und Auenfelder Horns wird 
allseitig von Liasmergeln umgeben und hebt sich daher ungemein frei 
aus der weichgeformten flachen Umgebung empor. 


318 Dr. Otto Ampferer. [12] 


Rothpletz hat in seinen Alpenforschungen II. 1905 auf Tafel I, 
Fig. 6, ein Profil durch das Karlhorn gegeben und bereits die tek- 
tonische Gleichstellung mit dem Biberkopf ausgesprochen. Sein Profil 
ist allerdings stark schematisch und die tektonische Verbindung mit 
dem Biberkopf vollzieht sich auch nicht so wie Rothpletz vermutet 
hatte. Er glaubte nämlich, daß die isolierte Lage dieses von ihm er- 
kannten Deckenzeugen beiderseits durch gegen Norden gerichtete 
Querverschiebungen bewirkt würde, was denn schon durch die Detail- 
aufnahme von H. Mylius 1909 widerlegt worden ist. 


In dieser Arbeit zählt H. Mylius die Decke des Karhorns eben- 
falls zur Lechtaldecke, nur legt er den Schnitt der mit L bezeichneten 
Bewegungsfläche etwas zu hoch an die Stelle einer sekundären Ver- 
schiebung. 

Die Decke des Karkorns besteht aus der unteren Hälfte eines 
gegen Norden überschlagenen Sattels, dessen Kern von Hauptdolomit 
gebildet wird. 


Wie das Profil auf Taf. XIV zu erkennen gibt, haben wir wieder 
ein Stück der Stirnregion der Lechtaldecke mit einer prachtvollen 
Einrollung vor uns. 

H. Mylius hat sich dann später in seinem Werke „Geologische 
Forschungen an der Grenze von Ost- und Westalpen* wieder mit dem 
Karhorn beschäftigt und zeichnet neuerdings ein Profil 6, Tafel I, 
durch diesen Berg. 


Diesmal kommt er nun zur Ansicht, daß die Decke des Karhorns 
nicht zur Lechtaler Schubmasse gehöre, sondern nur eine lokal her- 
vorgetriebene Schuppe aus dem Untergrund der großen Liasmuide 
vorstelle. 

Diese Deutung ist sowohl nach der Karte, welche H. Mylius 
1909 veröffentlicht hat, als auch nach meinem Befunde ganz aus- 
geschlossen. 

Die Aufwölbung, aus der die Schubmasse des Karhorns ausge- 
stoßen sein soll, ist nämlich oben geschlossen und besteht außerdem 
nur aus einem Kerne von oberrätischem Kalke. 

Hier versagt die rein lokale Erklärung von H. Mylius ebenso 
wie am Biberkopf. 

Westlich vom Karhorn und den kleinen Deckenzeugen bei der 
Gaisbachalpe gehört dann die Schuppe, welche den Gipfel der 
Juppenspitze krönt, wohl ebenfalls noch zur Fortsetzung der Schub- 
masse des Allgäuer Hauptkammes. Auch diese ziemlich kompliziert 
gebaute Schuppe liegt zwischen den schon mehrfach erwähnten zwei 
Bewegungsflächen. 


Es ist daher nicht wie es Rothpletz 1905 und Mylius 1909 
vorgeschlagen hat, die Schubfläche unter der Braunarlenspitze und der 
Mohnen Fluh direkt mit jener des Karhorns und des Biberkopfs zu 
verbinden. Die Bewegungsfläche unter Braunarlenspitze—Mohnen 
Fluh—Kriegerhorn ist die Fortsetzung jener unter den Wöster- 
spitzen. Die Bewegungsfläche unter dem Gipfel von Juppenspitze und 
Karhorn dagegen ist dieselbe wie unterhalb von Horn- Höllenspitze 
und weiter von Biberkopf-Allgäuer Hauptkamm. 


[13] Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 319 


Wir kommen somit zur Anschauung, daß die Schubmasse des 
Allgäuer Hauptkammes unmittelbar mit dem Gebirgskamm Höllen- 
spitze—Horn in Verbindung steht, jedoch in diesem Bereiche zwischen 
der liegenden und einer hangenden Bewegungsfläche scharfe Reduk- 
tionen erleidet. Karhorn, die Schollen bei der Gaisalpe, Gipfelzone der 
Juppenspitze ... gehören ebenfalls zu diesem großen Schubkörper, 
sind aber möglicherweise nicht bloß durch Erosion, sondern auch durch 
Abscherung davon getrennt worden. 

Die Überschiebungsstirne des Karhorns liegt, wie wir wissen, 
auf der mächtigen Liaszone, welche sich am Sattel von Hochkrumbach 
ausbreitet. 

Da sich auch noch Fleckenmergel an der Einrollung dieser 
Stirn beteiligen, so stoßen hier die Fleckenmergel der Schubstirn 
mit denen des Untergrundes unmittelbar zusammen und können bei 
flüchtiger Betrachtung eine regelmäßige Verbindung vortäuschen. 
‘ Diese Trennungslinie in den Fleckenmergeln nördlich des Karhorns 
ist von H. Mylius auf seiner Karte von 1909 bereits ver- 
zeichnet. 


Die breite, mehrfach verbogene Liaszone, welche sich westwärts 
über Schröcken und Schadonapaß ins große Walsertal weiter erstreckt, 
gehört schon zu jener Gebirgsmasse, die von Rothpletz als „All- 
gäuer Schubmasse* bezeichnet wurde. 


Rothpletz ist der erste gewesen, welcher klar die großen 
tektonischen Zusammenhänge erkannte und auf Grund von durch- 
schneidenden Bewegungsflächen das Gebirge in Allgäuer- und Lech- 
taler Schubmasse zerlegte. Wie sehr sich auch im einzelnen die Um- 
grenzung der Schubkörper bei der Detailaufnahme verändert hat (man 
vergleiche die beiliegende Skizze, jene in Verh. 1912, S. 203 und 
im Jahrbuch 1911, S. 668, mit der Karte, welche Rothpletz 1905 
im II. Teil seiner Alpenforschungen veröffentlicht hat) die Tatsache 
einer tiefgreifenden Zerlegung ist nur um so deutlicher herausge- 
arbeitet worden. 


In dieser Arbeit habe ich zu zeigen versucht, daß die von H. 
Mylius gegen die großen einheitlichen Bewegungsflächen erhobenen 
Einwände in diesem Gebiete nicht berechtigt sind. 

Bei der Beschreibung des Profils von Arlberg zum Karhorn, 
hat sich nun aber eine viel weitergehende Zerteilung in Schubmassen 
ergeben, deren Bedeutung nun noch zu untersuchen bleibt. 

Wenn wir im Norden beginnen, so haben wir über der Allgäuer 
Schubmasse die Lechtaler Decke. 


Uber der Lechtaler Decke finden wir die Schubmasse der 
Wöster Spitzen, welche sich jedoch gegen Osten nicht weit verfolgen 
läßt, dagegen nach Westen hin, wie wir erkannt haben, gleichsam die 
Rolle der Schubmasse des Allgäuer Hauptkammes übernimmt. 

Es ist nun eine Frage, ob wir da eine neue höhere Decke vor 
uns haben oder nur eine südlichere Schuppe der großen Lechtaler 
Decke. Nach meinen bisherigen Aufnahmsergebnissen liegt nur eine 
allerdings recht ausgedehnte Teilschubmasse der Lechtaler Decke 
vor uns. 


320 Dr. Otto Ampferer. [14] 


Dagegen müssen wir der nächsthöheren Schubmasse, welche über 
jener der Wösterspitzen lagert und allseitig von Kreideschiefern 
unterfahren wird, Selbständigkeit zugestehen. 

Es ist sehr wahrscheinlich, daß wir hier ein Stück von der west- 
lichen Fortsetzung der Inntaler Decke zu erkennen haben. Dieser 
Gedanke wurde schon in der Beschreibung des Alpenquerschnittes 
ausgesprochen doch hat sich inzwischen herausgestellt, daß die dort 
in Fig. 24 gezeichnete Verbindung unrichtig und durch die beiliegende 
Skizze Fig. 3 zu verbessern ist. 

Die Schubmasse der Wildtalerspitze stellt wohl nicht die Fort- 
setzung der Inntaler Decke dar, wie ich damals meinte, sondern ist 
eine Schuppe der Lechtaler Decke. 

Jenseits des Flexenpasses würde dann die Decke der Hasen- 
fluh wohl den westlichsten Rest der Inntaler Decke bilden. 

Die mächtige, mit Kreideschiefern gefüllte Mulde zwischen 
Valluga und Wöster Spitze, in welcher das Ende der Inntaler Decke 
ruht, setzt sich noch weit gegen Westen mit ungefähr gleichem Bau- 
nlan fort. Das letzte Auftreten der Lechtaler Kreideschiefer habe ich 
im Bereiche der Scesaplana im Rätikon beobachten können. 

W. v. Seidlitz hat iin seiner Arbeit „Der Aufbau des Gebirges 
in der Umgebung der Straßburger Hütte — Straßburg 1911“ ein 
Profil (Fig. 1) durch die Scesaplana und den Mottenkopf gegeben. 
Hier haben wir wieder unsere Kreidemulde vor uns, wenn auch die 
Mächtigkeit und damit die Mannigfaltigkeit der Kreideschiefer durch 
die Erosion sehr beschränkt ist. 

Auch sonst ist die Schichtenentwicklung in diesem Profil und 
dem nördlich des Arlberges eine auffallend ähnliche. Dies tritt sofort 
zutage, wenn man die verschiedenen Bezeichnungsweisen der Autoren 
berücksichtigt. 

Benützt man die Gleichungen: Dachsteinkalk — oberrätischer 
Kalk, Adneterkalk = roter (grauer) Liaskalk, Hornstein [rote Tithon- 
kalke, Aptychenkalk—=graue Tithonkalke und Globigerinenschiefer — 
—Kreideschiefer, so gelangt man zum selben Profiltypus. Diese 
Gleichsetzungen sind aber nicht etwa willkürliche, sondern auf Grund 
von eingehenden Vergleichen aufgestellt, welche ich sowohl im Rätikon 
als auch in der Zwischenstrecke bis zum Flexenpaß ausgeführt habe. 
Die Inntaler Decke ist aber in unserem Profil nördlich des Arlberges 
noch immer nicht die höchste. Wir haben gesehen, daß auf ihr neuer- 
dings eine allseitig freie Schubdecke lagert, welche durch vererzten 
Muschelkalk, Fehlen von Arlberger Schichten oder Wettersteinkalk 
sowie reiche Entwicklung von Raibler Schichten ausgezeichnet ist. 
Das jüngste vorhandene Schichtglied bildet der Hauptdolomit. 

Die Inntaler Decke trägt sonst nur noch bei Imst einen Rest 
einer höheren Decke, welcher erst im Sommer 1913 von mir sicher 
abgegrenzt werden konnte. 

Hier krönt die Gosau des Muttekopfs die allenthalben bis auf 
den Hauptdolomit abgetragene Gebirgsmasse der Inntaler Decke. 

An dem vom Muttekopfgrat gegen Süden abzweigenden Bergkamm, 
welchem Ödkarleskopf und Laagers entragen, hat nun die Neuauf- 
nahme das Vorhandensein einer muldenförmig verbogenen Schubdecke 


[15] Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 321 


Arabachy-D 


InrtclD 


Mittenwald 


Snien NZ ande  Mredalb Allgäuer Leohtaler.D 


Jahrbuch d. k k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. ‘O0. Ampferer.) 4l 


322 Dr. Otto Ampferer. [16] 


ergeben, welche aus Muschelkalk, Wettersteindolomit (vererzt), Wetter- 
kalk, Raibler Schichten und Hauptdolomit besteht. 

Fig. 4 zeigt in Umrissen eine Ansicht der ins Larsenntal ab- 
stürzenden Westhänge dieses Kammes. 

Eine Ähnlichkeit mit der obersten Schubdecke am Krabachjoch 
ist nicht von der Hand zu weisen und es steht auch nichtsim Wege, 
beide Deckenreste als Angehörige einer und derselben Decke aufzu- 
fassen, welche demnach die höchste im Bereiche der Vorarlberger 
und Tiroler Kalkalpen vorstellt. Ich schlage als Benennung dieser 
Decke Krabachjochdecke vor. 

F. F. Hahn hat in den Verhandlungen 1912, Nr. 15, eine Ein- 
teilung der kalkalpinen Decken vorgeschlagen, welche auch die 
Gliederung der tirolisch-vorarlbergischen Kalkalpen betrifft. 

Die Gesamtheit der Kalkalpen wird als austroalpine Masse 
bezeichnet. Diese Masse wird östlich der Traun in dreiEinheiten, 
die Bajuvarische, Tirolische und Juvavische zerlegt. Jede 
von diesen Einheiten besteht wiederum aus kleineren tektonischen 
Bestandteilen. Die BajuvarischeEinheit enthält a) die tiefsten 
Schuppen der Randkette, 5b) die Zone des Zwischenge- 
birges. Die Tirolische Einheit zerfällt ina) Wettersteindecke, 
b) Inntaldecke. Die Juvavische Einheit umfaßt a) die Berchtes- 
gadener Schubmasse, b) die Lammer Masse, c) die Ischler 
Masse. Ein Blick auf die von Hahn gezeichnete Kartenskizze auf 
Seite 339 in Verhandlungen 1912 überzeugt uns, daß meine Allgäuer 
und Lechtaler Decke seine bajuvarische Einheit bilden. Ein Teil 
meiner Lechtaler Decke ist jedoch als Wettersteindecke abgetrennt 
und zur tirolischen Einheit verwiesen, welche auch noch meine Inn- 
taler Decke enthält. 

Die Grenzen der Einheiten müssen, wenn das gewählte tek- 
tonische Einteilungsprinzip konsequent beibehalten wird, von wesent- 
lich bedeutenderen Schubflächen besorgt werden als jene der Unter- 
abteilungen dieser Einheiten. 

Das ist nun bei der von F. Hahn vorgeschlagenen Decken- 
teilung der tirolischen Nordalpen nicht der Fall. Die Abgrenzung 
der sogenannten tirolischen Einheit gegen die bajuvarische wird von 
Kufstein bis gegen Ehrwald in eine Zone verlegt, welche sicherlich 
nieht den Ausstrich einer großen einheitlichen Bewegungsfläche enthält. 

Es ist die Grenze zwischen dem südlichen Alttriasgebirge 
des Pendling-, Guffert-, Unutzzuges, des Karwendel- und Wetterstein- 
gebirges gegen das von Hauptdolomit und jüngeren Schichten er- 
baute Vorgebirge. 

Ich habe schon in Verhandlungen 1912, Nr. 7, in der Arbeit 
„Gedanken über die Tektonik des Wettersteingebirges“ auseinander- 
gesetzt, daß an der Nordseite von Wetterstein und Karwendel keine 
große und einheitliche Schubfläche nachzuweisen ist. Kleinere Störungen 
sind natürlich wie immer an der Grenze von Bereichen so verschieden- 
artigen Materials vorhanden, doch lassen sich dieselben nur mit 
theoretischer Gewalt vereinigen. Vom Unutz ostwärts ist dagegen 
eine zusammenhängende Überschiebung da, welche jedoch keine 
große Verschiebung gegenüber der nördlich vorgelagerten Neokom- 


Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 323 


[17] 


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41* 


324 Dr. Otto Ampferer. [1 8] 


mulde bedeutet. Diese Überschiebung steht im engsten Zusammen- 
hang mit der mächtigen Knickung der Neokommulde nördlich des 
Achensees. Dieselbe läßt sich jedoch, wie man auf den geologischen 
Kartenblättern Achenkirchen, Z. 15, Kol. V und Innsbruck — Achensee, 
7.16, Kol. V sehen kann nicht mit dem Nordrand des Karwendels ver- 
binden. Es steht im Gegenteil das Sonnwendgebirges direkt mit dem 
Karwendel vorgebirge im Zusammenhang und daher muß auch der 
Unutz—-Guffert-Pendlingzug als dessen Liegendes ebenfalls dazu gehören. 

Es ist daher tektonisch nicht begründet, die Grenze zwischen 
zwei großen Einheiten in diese Zone zu verlegen. 

Erst die Umgrenzung der Inntaler Decke ist überall derart ein- 
heitlich und ohne regelmäßige Verbindung mit Vor- und Rückland, 
daß man von einer großen selbständigen Decke reden kann. Die 
Inntaler Decke endet übrigens bei Münster im Unterinntal und setzt 
sich nicht, wie F. Hahn angibt, ins Kaisergebirge fort. 

Behält man also die von F. Hahn vorgeschlagenen Namen bei, 
so muß zur „bajuvarischen Einheit“ auch auf das gerechnet 
werden, was er auf seiner Kartenskizze als „Wettersteindecke* 
bezeichnet hat. 

Als „tirolische Einheit“ hätte dann nur die Inntaler 
Decke eventuell mit der ihr aufgelagerten Krabachjochdecke 
zu gelten. 

Die von F. Hahn gleichzeitig ausgesprochene Vermutung, daß 
die Schuppen von Freispitz, Wetterspitz, Valluga- und Fanggekarspitze 
sich über Saladinaspitze und Gamsfreiheit bis in den Rätikon fortsetzen 
und zur Wettersteindecke gehören, ist durch die Darlegungen dieser 
Arbeit wohl als unmöglich erledigt. Es handelt sich hier lediglich um 
Teilschuppen der großen Lechtaldecke, welche sich gegenseitig ablösen 
und übergreifen. Dabei übernimmt immer die südlichere Schuppe 
die Rolle der zurücktretenden oder auskeilenden nördlicheren Schuppe. 

Wenn wir die beiliegende Kartenskizze Fig. 3 näher betrachten, 
so erkennen wir, daß in der Anordnung und dem Verlauf der Decken- 
teilung in den Allgäuer und Lechtaler Alpen eine deutliche Abhängig- 
keit von dem Auftreten des Bregenzerwalder Kreidegebirges sich 
widerspiegelt. Weiter östlich dehnt sich die Lechtaler Decke in großer 
Breite und flacher Lagerung aus. 

In diesem Bereich durchzieht sie unser Alpenquerschnitt. Mit 
dem Auftauchen des Kreidegebirges westlich der Iller geht eine 
scharfe Verschmälerung der Kalkalpen Hand in Hand. 

Diese Verschmälerung wird nun aber nicht allein durch Erosions- 
zuschnitt bewirkt, sondern sie entsteht zum Teil durch eine viel 
intensivere Zerteilung und UÜbereinanderschiebung der großen Lechtaler 
Decke. Dadurch wird es ermöglicht, die östlich in breitem Raum aus- 
ladende Schubmasse hier viel enger zu verpacken. 

Zugleich tritt eine Reduktion der einzelnen Schubkörper hervor. 
Dieselben werden entweder, wie wir auf Taf. XIV sehen, meist von 
unten her abgeschert oder sie keilen ganz aus. 

Außerdem wissen wir, daß Verschiebungen in der Richtung von 
Östen gegen Westen an der Vollendung dieser Gebirgsgruppierung 
vielen Anteil haben. 


[19] Ueber den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. 325 


Ein Teil der hierherpassenden Erscheinungen ist bereits bei der 
Beschreibung des Alpenquerschnittes aufgezählt worden. Es mag hier 
noch erwähnt werden, daß die meisten der in den Allgäuer und Lech- 
taler Alpen aufgefundenen „Charniere* mit ihrer Stirn nicht etwa 
gegen Norden, sondern gegen Nordwesten und Westen weisen. 

Dazu ist auch das große Charnier zu rechnen, welches auf Taf. 
XIV im Nordgehänge von Höllen- und Mittagsspitze abgebildet 
erscheint. 

Wenn wir noch einmal das Profil vom Arlberg zum Karhorn über- 
blicken und mit dem von v. Richthofen entworfenen vergleichen, 
so müssen wir konstatieren, daB vor allem die Einzeichnung der 
Neigungsverhältnisse eine für jene Zeit sehr exakte ist. Auch in der 
Erkenntnis der Tektonik ist v. Richthofen in vieler Hinsicht glück- 
lich und weitschauend gewesen. Er hat nicht nur den Zusammenhang 
der großen Mulde Valluga-Wöster Spitze (Westerberg) gesehen, 
sondern auch die UÜberschiebungen an der Nordseite des Schroffens, 
bei Lechleiten, am Nordfuß der Wöster Spitze und am Krabachjoch 
richtig beurteilt. 

Die Hauptfehler sind durch unzureichende Stratigraphie in sein 
Profil hineingekommen, indem sowohl die Tithonkalke als auch Radio- 
larite und Aptychenkalke teils als Adneter Kalke, teils sogar als 
oberer Dachsteinkalk kartiert wurden. Die Kreideschiefer sind meist 
als Allgäuschichten (Fleckenmergel, Lias) eingetragen. 

Aus dieser Stratigraphie hat sich dann jene merkwürdige 
Schlinge ergeben für die in der Natur keinerlei Bestätigung zu finden 
ist. Ganz unrichtig ist sein Charnier von Grabacher Spitze— Wester- 
berg und die Deutung von Rogglaspitze— Valluga. 

In dem Profil vom Arlberg zum Karhorn kommt der fisch- 
schuppenartige Deckenbau der Kalkalpen deutlich zum Ausdruck. 
Alle Bestandteile liegen, abgesehen von vereinzelten Schubschollen 
und Einrollungen, in aufrechter Schichtfolge vor. An den Bewegungs- 
flächen wird deshalb das jeweils älteste auf das jeweils jüngste 
verladen. 

Die Grenze von kristallinem und kalkalpinem Gebirge macht 
davon eine bemerkenswerte Ausnahme, indem die Kalkalpen fast 
durchaus mit ihren ältesten Gliedern an das Kristallin stoßen. 

Trotzdem zieht hier unverkennbar eine Bewegungsfläche durch. 
Es wechselt an dieser wichtigen Grenze offenbar der Bauplan. Würde 
derselbe Bautypus beibehalten, so hätten wir hier alte Gneisse aufge- 
schoben auf Kreide zu erwarten. Auch Inntal- und Krabachjockdecke 
fallen aus dem Schuppenbau heraus, da sie frei gegen Süden enden. 
Nach Form und Lagerung können dieselben nur von Süden her be- 
zogen werden. Dasselbe gilt von dem Schubkeil der Roggspitze, welcher 
in den Kreideschiefern steckt und dem weiter östlich zwischen Almejur- 
und Kaiserjoch der Gipfel des Stanskogels tektonisch entspricht. 


396 Dr. Otto Ampferer. [20] 


Erklärung zu Tafel XIV. | 


Die Ansicht des Bergkammes Höllen-Spitze—Horn—Schafalpe ist nach einem | 
Entwurf des Verfassers mit Benützung der neuen Alpenvereinskarte von Ingenieur 
L. Aegerter von Dr. W. Hammer gezeichnet. | 

Dieser Bergkamm streicht in gerader Richtung südlich der Ortschaften | 
Lech, Warth, Lechleiten von SW nach NO und stürzt unmittelbar zum Lech ab. | 

Das Profil verläuft von der Wöster Spitze zum Karhorn von SSO nach | 
NNW und schneidet den Bergkamm unter annähernd rechtem Winkel am Gipfel | 
des Horns (P. 2309 m). Ansicht und Profil ergänzen sich somit in der Weise, daß | 
im Profil die von Süden gegen Norden erfolgten Bewegungen sich abbilden, in der 
Bergansicht dagegen auch die von Ost gegen West gerichteten zum Ausdruck 
kommen. 


Beiträge zur Geologie des Punjab (Ostindien). 


Von Prof. Dr. Rudolf Zuber. 
Mit 3 Tafeln (Nr. XV—XVII) und 19 Textfiguren. 


Im Herbst 1913 hatte ich Gelegenheit, im Auftrage eines eng- 
lischen Konsortiums einige Partien des Punjab?!) in Ostindien zu be- 
reisen und geologisch zu untersuchen, wobei meine Hauptaufgabe in 
dem Studium der daselbst vorhandenen Erdölvorkommen bestand. 

Trotzdem ich infolge verschiedener Hindernisse nur kaum drei 
bis vier Wochen wirklich geologisch im Felde arbeiten konnte und 
bei der plötzlichen Abreise?) nicht in der Lage war, eingehendere 
Vorstudien aus der vorhandenen Literatur vorher durchzuführen, 
sondern dies erst nach meiner Rückkehr nachholen konnte, so gelang 
es mir doch, einiges Beobachtungsmaterial zu sammeln, welches viel- 
leicht zu einer wesentlichen Modifizierung der bisher angenommenen 
Ansichten besonders über den Bau der dortigen Gebirge beizutragen 
vermag. 

Daher halte ich es für angezeigt, die Ergebnisse meiner, wenn 
auch nur recht fragmentären Untersuchungen hiermit der Öffentlich- 
keit zu übergeben. 


I. Topographie. 


Zur leichteren Orientierung soll das beigeschlossene Kärtchen 
dienen (Fig. 1). 

Das von mir teilweise bereiste Gebiet wird im Westen durch 
den Indus, im Osten durch den Jhelum ungefähr begrenzt. 

Der größte Teil dieses Gebietes ist eine von jungen Sedimenten 
ausgeglichene, jedoch stellenweise durch tiefgreifende Erosion zer- 
schnittene, bis über 1700 engl. Fuß Seehöhe ansteigende Hochebene 
(Rawalpindi 1666 Fuß), welche „Potwar“ genannt wird. 

Im Norden wird dieses Gebiet durch die mauerartig aufsteigende 
Margala-Kette eingesäumt, welche wieder die Verlängerung der 
äußeren Partien des gegen Nordost zu ansteigenden Hazara-Gebirges 
darstellt. 


!) Für die Ortsnamen habe ich womöglich die englische, jetzt in der 
offiziellen Kartographie angenommene Schreibweise angenommen. 

?) Ich bin am 16. September 1913 vom Kanadischen Geologenkongreß in 
ir angekommen und mußte schon am 1. Oktober von Triest nach Bombay 
abreisen. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Zuber.) 


Dr. Rudolf Zuber. [2] 


328 


Pie.l. 


7 
Karle des Nord 


westlichen Funjab. 


Massstab APPTOX. 7 : 2.000 000. 


[3] Beiträge zur Geologie des Punjab. 329 


Etwa in der Mitte des Hochlandes erheben sich noch weitere 
fast ostwestlich verlaufende zwei kleinere felsige Ketten, und zwar 
die Chita Pahar und die Khairi Murti !)-Kette. 

Nach Süden zu erhebt sich der allmählich ansteigende Salt- Range, 
welcher dann in schroffen und gewaltigen Abstürzen das weiter im 
Süden folgende Tiefland begrenzt. Die mittlere Höhe des Salt-Range 
erreicht etwa 4500 Fuß (höchster Gipfel Sakesar 5010 Fuß), wo- 
gegen die unmittelbar im Süden anstoßende Ebene kaum 700-750 Fuß 
Seehöhe erreicht ?). 

Bekanntlich ist der Verlauf der Salzkette von 'Tilla bis Sakesar 
ein fast rein ostwestlicher. Von Sakesar an beginnt der gewaltige Um- 
bug nach Norden bis Kalabagh, wo nahe am nördlichsten Scheitel 
des Gebirgsbogens der Indus von Ost nach West durchbricht und in 
etwa 680 Fuß Seehöhe den Gebirgsrand verläßt. 

Westlich vom Indus finden wir dann im Norden die direkte 
Fortsetzung der äußeren Hazara- und Margala-Ketten im Salzgebiete 
von Kohät, wogegen die Fortsetzung des Salt-Range von Kalabagh 
an zuerst wieder westlich und dann südlich umbiegt. 


II. Bisherige Ergebnisse der geologischen Untersuchung. 


Die geologischen Verhältnisse des nördlichen Punjab und der 
angrenzenden Gebiete wurden bereits in ganz ausgezeichneten und 
erschöpfenden Monographien und Karten behandelt. 


Es seien im nachfolgenden nur die wichtigsten Arbeiten auf- 
gezählt, und zwar: 


A. B. Wynne, Observations on some features in the Physical Geology of the 
outer Himalayan Region of the Upper Punjab, India. Quart. Journ. Geol. Soc. 
London 1874, Vol. 30, pag. 61—80. 

A. B. Wynne, The Trans Indus Salt Region in the Kohät District. Memoirs 
Geol. Survey of India. Calcutta 1875. Vol. 11, Part 2. 

A. B. Wynne, On the Geology of the Salt Range in the Punjab. Memoirs Geol. 
Surv. India. Calcutta 1878, Vol. 14 

A. B. Wynne, Note on the tertiary zone and underlying rocks in the North- 
West Punjab. Records Geol. Sury. India. Calcutta 1877. Vol. 10, Part 3, 
pag. 107—132. 

A. B. Wynne, On the Trans-Indus extension of the Punjab Salt Range. Memoirs 
Geol. Surv. India. Calcutta 1880. Vol. 17, Part 2. 

W. Waagen, Salt Range Fossils. Palaeontologia Indica. Series XIII. Calcutta 
1879—1895. Vol. I, II, IV, hauptsächlich jedoch in Vol. IV. Geological 
results, pt. 1 (1889), pt. 2 (1891). 

F. Noetling, Beiträge zur Geologie der Salt Range, insbesondere der permischen 
und triassischen Ablagerungen. Neues Jahrb. f. Min. etc. Stuttgart 1901. Bei- 
lagebd. 14, pag. 369—471. 

C. L. Griesbach, The geology of the Safed Koh. Records Geol. Surv. India. 
Caleutta 1892. Vol. 25, pt. 2, pag. 59—109. 


!) Bei Wynne und einigen anderen Autoren wird dieses Gebirge „Khaire 
Murut“ genannt. Bei den Eingeborenen babe ich jedoch immer nur „Khairi Murti* 
gehört. 

?) Ich gebe die Höhen in engl. Fuß und die Entfernungen in engl. Meilen 
(miles) an, ohne dieselben in Meter und Kilometer umzurechnen, da eine eventuelle 
Orientierung und Kontrollierung nur mit Zuhilfenahme der offiziellen englischen 
Landkarten geschehen kann. 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Zuber.) 49 


330 | Dr. Rudolf Zuber. [4] 


H. H. Hayden, On the geology of Tirah and the Bazar Valley. Memoirs Geo]. 
Surv. India. Calcutta 1898. Vol. 28, Part 1. 

C. 8. Middlemiss, The geology of Hazara and the Black Mountain. Memoirs 
Geol. Surv. India. Calcutta 1896. Vol. 26, 


S. G. Burrard and H. H. Hayden, A sketch of the Geography and Geology 
of the Himalaya Mountains and Tibet. Part I-IV. Calcutta 1907—1908. Be- 
sonders Part IV. The geology of the Himalaya (Hayden). 


Einige andere Publikationen werden außerdem nach Bedarf im 
nachfolgenden zitiert werden. 

Nun will ich versuchen unsere bisherigen Kenntnisse über die 
Geologie des in Rede stehenden Gebietes auf Grund der obigen 
Literatur kurz zusammenzufassen. 

Abgesehen von den überall verbreiteten mächtigen jungtertiären 
und quartären Bildungen können wir hier vier besondere geologische 
Gebiete unterscheiden, und zwar: 


1. die Hazara-Margala Gebirgszone im Norden, 

2. die Sub-Himalaja-Zone im Osten, 

3. das Plateau von Rawalpindi oder „Potwar“ in der Mitte, und 
4. das Gebiet des Salt-Range im Süden. 


Wir wollen diese vier Gebiete nacheinander näher betrachten. 


Von dem ersten (Hazara-Margala) Gebiete kommt hier nur die 
äußerste (südliche) Partie in Betracht, welche bereits von Middle- 
miss (l. ec.) nach der dominierenden Formation „Nummulitic Zone“ 
bezeichnet wurde. 

Das von der Ebene unvermittelt aufsteigende Felsengebirge be- 
steht hier vorwiegend aus mächtig entwickelten grauen Kalksteinen, 
in welchen lokal meistens kleine Nummuliten angehäuft sind. Diese 
Nummulitenkalke sind zusammen mit ihrer Unterlage, welche hier am 
Gebirgsrande von rötlichen und braunen Jurasandsteinen und dolo- 
mitischen Kalken besteht, intensiv gefaltet und über das südlich an- 
stoßende Vorland überschoben. Die oberen Lagen der Nummuliten- 
kalke werden teilweise mehr schieferig, mergelig und knollig und 
enthalten zahlreiche Versteinerungen (Korallen, Echiniden, Gastro- 
poden, Pelecypoden, größere Nummuliten etc.) und zeigen schließlich 
am Rande Übergänge zu den roten, braunen und grünlichen Sand- 
steinen und Schiefern der „Kuldana-Series*. 

In der zweiten, nämlich der gegen Nordost aufsteigenden Region 
(„The Sub-Himalayan-Zone“ Hayden’s) werden die ältesten !) zum 
Vorschein kommenden Ablagerungen als Subathu - Schichten bezeichnet 
und zum Eocän gestellt. Dieselben bestehen aus grünlichen und roten 
Tonen mit Gips-, Kalk- und Sandsteineinschaltungen. Sie enthalten 
zahlreiche Nummuliten. 

Die darüber folgende Dagshai-Stufe besteht aus roten Tonen 
mit roten und grauen Sandsteinen mit Fukoiden und anderen proble- 
matischen Abdrücken. Es ist dies offenbar eine flyschartige Bildung, 
welcher oigocänes Alter zugeschrieben wird. 


‘) Von den weiter im SO auftretenden, noch älteren Bildungen (Tal-series etc.) 
wird hier abgesehen. 


[5] Beiträge zur Geologie des Punjab. aa 


Die noch weiter nach oben folgenden Sandsteine der Kapanli- 
Stufe .bilden einen Ubergang zu den jungtertiären Siwalik-Bildüungen. 
In tektonischer Beziehung sind diese Ablagerungen in NW—SO 
verlaufende Falten gelegt, welche teilweise von NO gegen SW über- 
schoben erscheinen. Diese himalajische Faltungsrichtung schneidet da- 
her die von NW kommenden Hazara-Falten beinahe rechtwinklig. 

In der dritten Region, nämlich im Potwar, treten die Gebilde 
der beiden ersten (Hazara-Margala und Sub-Himalaja) in anscheinend 
komplizierten Kombinationen miteinander auf. 

Die im Potwar isoliert aufsteigenden Felsenketten des Chita- 
Pahar (auch Kala-Chita genannt) und Khairi-Murti bestehen hauptsächlich 
aus mächtigen grauen Nummulitenkalken, welche bereits von Wynne 
mit den Nummulitenkalken der Hazara-Margala-Ketten identifiziert und 
als „Hill-Nummulities* zu der unteren Nummulitenformation gestellt 
wurden (Lower Nummulities). 

Die außerhalb dieser Ketten verbreiteten Nummulitenschichten, 
welche aus grünlichen Gipsmergeln, roten Tonen, sandigen Kalken 
mit großen Nummuliten, Austern etc. bestehen, identifiziert Wynne 
mit Medlicott’s Subathu-Schichten; er stellt sie jedoch zum „Upper- 
Nummulitic*, wogegen die Subathu-Stufe von Medlicott, Lydekker 
und anderen Autoren in der Sub-Himalaja-Region ursprünglich für 
das ganze Eocän, also auch für das „lower Nummulitic* aufgestellt 
wurde. 

Nach oben folgen die Murree-Schichten !), welche aus alternie- 
renden roten und grünlichen Tonen mit roten, grauen und grünlichen 
plattigen oder massigen, zum Teil konglomeratischen Sandsteinen, 
roten tonigen Knollenkalken u. dgl. bestehen. Fukoiden, Hieroglyphen 
und Wellenfurchen sind nicht selten. Es ist dies eine ausgesprochene 
Flyschbildung, welche mit den ais Oligocän betrachteten Dagshai- 
Schichten der Sub-Himalaja-Zone in jeder Beziehung übereinstimmt. 
{Middlemiss betrachtet jedoch die Murree-Schichten als Miocän). 

Bedeckt wird das ganze Gebiet durch die mächtige Siwalik- 
Formation und durch noch jüngere Sedimente. 

In tektonischer Beziehung ist die ganze Nummuliten- und Mur- 
ree-Serie des Potwar in unzählige, meistens steil aufgerichtete Falten 
zusammengeschoben, welche westöstlich oder SW-—-NOÖ verlaufen, 
also wieder fast senkrecht zu den Himalajafalten. Wo die Schichten 
nicht ganz senkrecht stehen, ist nördliches, resp. nordwestliches Ein- 
fallen der Schichten weitaus vorherrschend. 

Das unvermittelte Auftreten der felsigen Nummulitenkalke vom 
Gebirgstypus (Hill-Nummulitic) sucht Wynne?) in der Weise zu er- 
klären, daß er diese Kalkzüge als ursprüngliche Antiklinal-Aufbrüche 
auffaßt, welche nachträglich durch Zusammenpressung und Verwer- 
fungen in die gegenwärtige Lage gebracht worden sind. 

Die vierte Region ist der Salt-Range. 


!) Eine ausführlichere Beschreibung dieser Schichten, wie auch die frühere 
Literatur (Medlicott, Lydekker etc.), gibt Wynne besonders in seiner Arbeit: 
Tertiary zone etc. in Records Geol. Survey of India, Caleutta 1877. Vol. 10. Part 3. 

2) Quart. Journ. Geol. Soc. London 1874 und Records Geol. Surv. India 
1877, wie auch die beiden Arbeiten beigegebenen Durchschnitte. 

4a* 


332 Dr. Rudolf Zuber. | [6] 


Ohne auf die stratigraphischen Einzelheiten und Kontroversen 
welche in den eingangs aufgezählten Werken von Wynne, Waagen 
und Noetling bereits sehr ausführlich behandelt worden sind, näher 
einzugehen, will ich hier nur diejenigen Ergebnisse der bisherigen 
geologischen Erforschung dieses wichtigen Gebietes hervorheben, 
welehe zur Klärung der tektonischen Verhältnisse beitragen können. 


Die beste Grundlage zu diesem Zwecke bildet jedenfalls die 
ausgezeichnete geologische Karte von Wynnet), wobei jedoch für 
die stratigraphische Gliederung die von Noetling?°) begründeten 
Modifikationen und Ergänzungen zu berücksichtigen sind. 


Das am tiefsten zum Vorschein kommende Glied der ganzen 
Schichtenfolge ist die Salzformation. 

Dieselbe besteht aus überaus mächtigen, zumeist roten Tonen 
mit Salzflözen und Gipslagern. Ihre Lagerungsverhältnisse sind un- 
gemein gestört und charakteristische Versteinerungen wurden daselbst 
nicht gefunden. 

Über dieser Salzformation liegt zunächst ein dunkelroter Sand- 
stein (Purple Sandstone Wynne’s). 

Die nächsten ausgeschiedenen Schichten bestehen aus schwarzen 
Schiefertonen mit glaukonitischen Sandsteinen und Kalken, welche 
eine unterkambrische Fauna geliefert haben. Die darüber folgenden 
gelblichweißen Sandsteine und Dolomite (Magnesian Sandstone 
Wynne’s) sind nicht jünger als mittelkambrisch °). 

Die nächst jüngere Ablagerung ist ein dunkler Blocklehm 
(Boulder clay), welcher jetzt wohl von allen das Vorkommen kennenden 
Geologen als permokarbonische Glazialbildung betrachtet wird und 
nach oben zu in eine Serie von buntfleckigen Sandsteinen (Speckled 
Sandstone Wynne’s) und Tonen übergeht. 

Das nächste Glied nach oben bildet eine mächtige Schichten- 
serie, welche vorwiegend aus Kalksteinen besteht (Productuskalk), 
die überaus reich an marinen Versteinerungen sind und das ganze 
obere Perm umfassen. Die darüber konkordant folgenden, aus Kalk- 
steinen und Tonen bestehenden Schichten entsprechen der unteren 
Trias (Ceratiten-Kalkstein). Diese Permo-Triadische Kalksteinserie 
ist nur in der westlichen Partie des Salt-Range vorhanden. 

Nach einer offenbaren Unterbrechung und auch nur auf die 
westliche Partie des Gebirges beschränkt folgen nun gelbe und rote 
Sandsteine, gelbe Dolomite, Oolite und bunte Tone (Variegated series 
Wynne’s) mit Brachiopoden, Belemniten etc. jurassischen Alters. 

Im östlichen Salt-Range folgen meistens über den unterper- 
mischen Sandsteinen grünliche Schichten, welche zum Teil zur oberen 
Kreide gestellt wurden. Im westlichen Teile wurde von Koken‘) 
auch Unterkreide nachgewiesen. 


1) Memoirs 1878. Vol. 14. 

?) Neues Jahrb. f. Miner. 14. Beil.-Bd. 

®) Vgl. hierüber auch K. Redlich, The Cambrian fauna of the Eastern 
Salt Range. Paiaeontologia Indica. New Series. Vol. 1. Part 1. Caleutta 1899. 

*) Zentralblatt f. Min. etc. 1903, pag. 439-414. 


[7] Beiträge zur Geologie des Punjab. 333 


Im ganzen Salt-Range folgt nun die Nummulitenformation, welche 
vorwiegend aus Kalksteinen, zum Teil aber auch aus Einschaltungen 
von dunkelgrünen Tonen (stellenweise Kohle führend) bestehen. 

Auf der Nordseite des Salt-Range liegen stellenweise unmittelbar 
über den Nummulitenschichten rote Tone mit Gipslagern und dann 
wird alles durch die mächtigen Sandsteine, Konglomerate und Tone 
der Siwalik-Formation und durch noch jüngere Sedimente bedeckt. 

Über die Tektonik des Salt-Range äußert sich Noetling!) 
kurz folgendermaßen: 

„Ich möchte hier bemerken, daß die Salt-Range durchaus nicht 
als Faltengebirge aufzufassen ist, wie es nach Waagen (Geological 
Results, pag. 32) erscheinen möchte. Meiner Ansicht nach ist die 
sogen. Salt-Range nichts anderes als der Bruchrand eines gegen den 
Jhelum und Indus hin abgesunkenen Plateaus. Hiermit stimmt auch 
der tektonische Befund der Trans-Indus-Fortsetzung der Salt-Range 
aufs Beste überein.“ 

Wenn man jedoch die so gewissenhaft bearbeiteten Karten von 
Wynne?) eingehender betrachtet, und zwar im Sinne der modernen 
alpinen Tektonik, so erkennt man sofort die Unhaltbarkeit dieser 
Auffassung von Noetling. 

Die deutliche Bifurkation des Gebirges im Osten (gegen Jhelum 
zu), die bogenförmigen Krümmungen im Streichen der einzelnen 
Schichtenzüge, die sich in mehreren Profilen mehrfach wiederholende 
Schichtenfolge, die meistens steile Neigung der Schichten, die auf- 
fallende, nach Nord eingreifende Ausbuchtung des Gebirgsbogens am 
Indusdurchbruch zwischen Mari und Kalabagh, das Verschwinden der 
gesamten paläozoisch-mezozoischen Schichtenfolge zwischen dem Salz- 
ton und Eocän gegen den Indus zu und das Wiedereinsetzen der- 
selben in der Trans-Indus-Fortsetzung und schließlich die ausge- 
sprochenen Faltenzüge, welche besonders in der Nummulitenfor- 
mation sowohl im eigentlichen Salt-Range wie auch in der Region 
zwischen Kohat und Bannu zu beobachten sind, sprechen unzweideutig 
für die Auffassung, daß der Salt-Range kein Bruchrand, 
sondern vielmehr eine von Norden her überschobene 
Decke ist. 

Unwillkürlich bekommt man den Eindruck, daß hier ein ganz 
analoger tektonischer Fall vorliegt, wie er heute in den östlichen 
Karpathen als feststehende Tatsache bekannt ist. Bekanntlich sind 
am Nordostrande der Karpathen die aus älteren karpathischen For- 
mationen (Kreide-Paläogen) zusammengesetzten Faltenzüge über die 
vorliegende miocäne Salzformation stellenweise auf mehrere Kilometer 
hin als liegende Falten oder Decken überschoben. 

Die obigen Betrachtungen, welche vorläufig nur auf einer geo- 
metrischen Betrachtung der Wynne’schen Karten beruhen, führen 
nun noch zu einer anderen Frage, welche damit unzweifelhaft im 
Zusammenhange steht. Es ist dies das Problem des Alters und der 
Herkunft der Salzformation im Salt-Range. 


!, N. Jahrb. 14. Beil.-Bd. pag. 371, Fußnote. 
?) In den eingangs zitierten Werken (Kohat, Salt-Range und Trans-Indus), 


334 Dr. Rudolf Zuber. [8] 


Da die Salzformation auf der südlichen Seite des Salt-Range ° 
fast überall unter den unterkambrischen Schichten liegt, so ist es nur 
ganz natürlich, daß dieselbe durch lange Zeit als die älteste Salz- 
formation der Erde betrachtet und !n das Präkambrium versetzt wurde. 

Aber schon bei Besprechung der Gegend von Mari am Indus, 
macht Wynne!) folgende Bemerkung: 

„If the salt-rocks of this locality could be looked upon as a 
newer deposit belonging to the tertiary period, the general relations 
might be more readily understood; but against this there is their 
identity, in most characteristics, with the salt-rocks of other parts of 
the range, and their association at no great distance on both sides of 
the river with other rocks of the Salt Range series, while the appa- 
rently newer salt beds to the northward differ decidedly in colour 
and association from those of this locality.* 

Auch die auf der Nordseite des eigentlichen Salt-Range bei 
Ainwan, Jaba und Kalar Kahar im Bereiche des Tertiärgebietes zum 
Vorschein kommenden Aufschlüsse der roten Salzformation muß Wynne 
durch Annahme von geradezu abenteuerlichen Verwerfungen erklären, 
um an dem altpaläozoischen Alter dieser Salzformation festhalten 
zu können. 

Eine ganz verschiedene Ansicht über die Herkunft der Salz- 
formation wurde von Middlemiss?) ausgesprochen. 

Gestützt auf der Beobachtung, daß zwischen dem Salzton und 
dem darüberliegenden „purple sandstone“ (unterkambrisch) kein nor- 
maler Übergang besteht, sondern daß zahlreiche Fragmente dieses 
Sandsteines im Salzton zerstreut vorkommen, ferner darauf, daß der 
Salzton auch in höheren Horizonten auf Falten und Brüchen empor- 
gepreßt erscheint und schließlich auf einigen anderen Betrachtungen 
nimmt Middlemiss an, daß der Ton und Mergel mit samt seinen 
Salz- und Gipslagern hypogener Natur ist und in seine gegenwärtige 
Lage durch einen der eruptiven Intrusion analogen Prozeß gebracht 
worden ist. 

Sir Th. H. Holland?) führt die Bildung der Salzformation auf 
die Einwirkung von empordringenden sauren Dämpfen auf ursprüng- 
lich anders zusammengesetzte Sedimente (Kalk, Dolomit etc.) zurück. 

Noetling, welcher zuerst?) an dem präkambrischen Alter der 
Salzformation und an der Auffassung des Salt-Range als Bruchrand 
festhielt, scheint seine Ansicht später verändert zu haben. 

Wir finden nämlich in Sir T. H. Holland’s „General Report )* 
für 1902/03 auf pag. 26 folgenden Absatz: 

„Ihe peculiar salt-marl, lying below the cambrian strata, has 
been a puzzle to every worker in the Salt-Range: the preservation 


!) Salt-Range. Memoirs. Vol. 14. 1878, pag. 271, Fußnote, 

?) Notes on the Geology of the Salt Range of Punjab with a re-considered 
theory of the Origin and Age of the Salt-Marl. Records, vol. 24 (1891) pt. 1. 

®) Records, vol. 24 (1891), pag. 231; vol. 25 (1892), pag. 54. Vgl. auch; 
R. D. Oldham, Geology of India. 2rd Ed. Calcutta 1893, pag. 111—112. 

*) N. Jahrb. Beil.-Bd. 14, Tabelle bei pag. 416. 

5) General Report on the work carried on by the Geological Survey of India 
for the year 1902/03. Calcutta 1903. 


[9] Beiträge zur Geologie des Punjab. 335 


of large masses of salt since pre-cambrian times, as its stratigraphical 
position- appeared to indicate, is without a parallel; and the fact that 
other salt deposits not far off appeared to be of tertiary age, as well 
as the abnormal characters of the salt-marl itself, have combined to 
sweggest that its position immediately below lower cambrian beds must 
have been atteined by some process other than normal sedimentation. 
These points have been noticed by many previous workers, who felt 
unable to offer a satisfactory explanation of the apparently anomalous 
phenomena. Dr. Noetling reports now that there are evidences 
of the whole sedimentary series, from cambrian to tertiary, having 
been thrust bodily in a southerly direction over the salt-marl, and 
that the latter is probably but another exposure of the tertiary salt- 
bearing formation like that represented at Kohat. The idea thus in- 
volves an extension of the thrustplane noticed by Mr. A.B. Wynne 
many years ago near Kalabagh. There are many questions to answer 
before accepting this plausible explanation of the difficulty, and it 
is a subject of sufficient importance to merit more detailed obser- 
vations than have been reported.“ 

Dies ist aber auch die einzige bisher publizierte Spur von 
Noetlings neuerer Auffassung des obigen Problems und einige 
andere darauf bezügliche Literaturangaben sind jedenfalls irrtümlich ?). 

Weder Noetling noch Koken haben meines Wissens irgend 
etwas Näheres hierüber veröffentlicht. 

Dagegen bemerkt Vredenburg in seinem „Summary of the 
Geology of India“ ?), und zwar auf pag. 36 folgendes: 

„In the sections of the Eastern Salt-Range, the Purple Sand- 
stone is seen resting on a great mass of unstratified clay, in the midst 
of which are situated the layers of salt from which the mountain 
range derives its name. But the structure of the range is one of 
extensive overthrust faulting, and it is probable that the Salt-Marl is 
not in its normal situation with reference to the Cambrian strata, but 
is really much newer, and Tertiary in age.“ 

Aber auf pag. 105 desselben Buches sagt derselbe Autor: 

„Other products of the igneous activity are the petroleum of 
Burma, Assam and the Punjab, and in all probability the salt-marl 
and salt deposits of the Salt-Range, as well as many deposits of 
sulphur.* 

Die Frage steht daher noch immer offen und verdient wohl wieder 
in Angriff genommen zu werden. 

Nun glaube ich, daß wir derartige hypogene Prozesse, wie sie 
vonMiddlemiss,Holland und Vredenburg angenommen werden, 
zur Erklärung der Bildung der Salzformation trotz ihrer theoretischen 
Möglichkeit in diesem Falle gar nicht heranzuziehen brauchen, da vor 
allem derartige Prozesse in der Natur noch nirgends beobachtet 
worden sind. 


'!) So zum Beispiel in Kaysers Geologie II. (4. Aufl.), pag. 74, Fußnote 3 
(Koken) und in De Launay’s Trait€ de Metallogenie II. (Paris et Liege 1913), 
pag. 146, unterstes Zitat (Noetling). 

?) Ernest W. Vredenburg, A Summary of the Geology of India. Second 
Edition. Calcuttta and Simla 1910. 


996 ‘ Dr. Rudolf Zuber.. [10] 


Anderseits kennen wir aber im ganzen Mediterrangebiete im 
weitesten Sinne dieser Bezeichnung sehr ausgedehnte und mächtige Salz- 
formationen, deren sedimentäre Natur als Austrocknungsprodukte abfluß- 
loser Seebecken und deren vorwiegend miocänes Alter wohl von nie- 
mandem mehr bezweifelt werden kann. Ich will hier nur die Salz- 
bildungen der Karpathenländer (Galizien, Siebenbürgen, Rumänien) und 
diejenigen Persiens nennen. Bunte Tone und Mergel, mächtige Salz- 
stöcke und Gipslager, lokales Vorkommen von Kalisalzen, verworrene 
Lagerung sind hier überall die Regel. Die ganze Beschaffenheit der Salz- 
formation des Salt-Range unterscheidet sich aber buchstäblich in gar 
nichts von derjenigen der karpathischen und persischen !) Salzformation. 

Außerdem gibt es noch eine Reihe anderer fazieller und tek- 
tonischer Analogien, auf welche bereits vielfach hingewiesen wurde, 
und welche vom Himalaja bis zu den Alpen verfolgt werden können, 
wie zum Beispiel die alpine Trias, der Kreidetertiärflysch, die Nummu- 
litenformation, der gegen die älteren Vorlandmassen vordringende 
Faltenwurf der jüngeren Gebirge. Alles dies weist auf einen groß- 
artig einheitlichen und heute wohl allgemein anerkannten Bauplan in 
der ganzen geologischen Beschaffenheit des gesamten Mediterran- 
gebietes hin, von welchem doch der fast in der Mitte liegende Punjab 
wohl keine Ausnahme machen dürfte. 

Die wunderbare Darstellung des Hazara-Gebirges von Middle- 
miss?) zeigt uns ganz unzweifelhaft, daß von dort aus eine Reihe von 
Deckenüberschiebungen nach Süden hin ausgehen. Man sieht die 
besonders gut am Jhelum an der Grenze von Kashmir. 

Die vereinzelten Nummulitenkalkzüge des Potwar und deren 
westliche Verlängerung bis nach Bannu (Trans-Indus) sind nur weitere 
durch spätere Denudation zerrissene Überreste der Hazara-Decken, 
welche zum Teil über die Murree-Schichten, zum Teil über die Salz- 
formation des Kohat-Distrikts überschoben wurden. 

Der Salt-Range kann nur das am weitesten nach Süden vor- 
gedrungene Glied dieses Faltensystems sein, und seine Salzformation 
bildet hier wohl dessen autochthone Unterlage von wahrscheinlich 
tertiärem Alter. 


III. Eigene Beobachtungen. 


Wie bereits eingangs erwähnt, erhebt sich im Norden der 
Potwär-Hochebene plötzlich.und. unvermittelt der felsige Südostrand des 
Margala- und Hazara-Gebirges. Es .ist dies die von Middlemiss in 
seiner Hazara-Monographie als „Nummulitic-Zone* bezeichnete und 
näher beschriebene Partie des Hazara-Gebirges und dessen westliche 
Verlängerung (Margala). 

Die geologischen Verhältnisse dieses Gebirgsrandes und seine 
Beziehungen zu seinem südlichen Vorlande (Potwär) wurden in den 
beiliegenden Durchschnitten (Fig. 2—7) dargestellt. 


!) Vgl. u. a. A. F. Stahl in Handbuch der Regionalen Geologie. V. Bd., 
6. Abt., Persien, Heidelberg 1911. 
?) Memoirs. Vol. 26 (1896). 


[11] Beiträge zur Geologie des Punjab. 337 


Der Durchschnitt Fig. 2 befindet sich im Nordosten des Ge- 
bietes- an der von Rawalpindi über Murree nach Kashmir führenden 
Heerstraße, und zwar zwischen der 25. und 26. mile (von Rawalpindi 
an gerechnet) bei der Ortschaft Tret (3306 Fuß Seehöhe). 

In den tiefen und steilen Schluchten des Kurang-Flusses und 
seiner Nebenbäche sieht man hier im Norden die gewaltig aufge- 
türmten und gestörten mächtigen Bänke der grauen Nummuliten- 
kalke, welche diese Partie des eigentlichen Gebirgsrandes ausschließ-* 
lich zusammensetzen. Es ist dies die schon von Wynne als „Hill- 
Nummulitic* bezeichnete Formation. 


Gegen Südost folgt nun im Flußbett zuerst eine Reihe von fast 
senkrecht gestellten und felsige Grate bildenden rötlichen Sandsteinen 
mit wechsellagernden roten Schiefern, welche von den indischen 
Geologen als Murree-Schichten bezeichnet werden. 


Weiter folgen bunte Tone mit eingeschalteten grauen und grün- 
lichen Sandsteinen, welche noch weiter in eine stark zerknitterte 
Partie von grünlichen Mergeln mit viel Gipseinschaltungen übergehen. 
Als Einschaltung erscheint hier eine fast senkrechte Bank eines 
festen, sehr bituminösen Kalkes, in dessen Nähe einige Schwefel- 
quellen entspringen. Der Kalk enthält stellenweise Anhäufungen von 
kleinen Orthophragminen, Nummuliten und anderen Foraminiferen 
(was, wie wir später sehen werden, für das „Hill-Nummulitic“ charak- 
teristisch ist). 


Diese Kalkbank verbreitert sich nach oben und eine weitere 
größere Partie desselben bituminösen Kalkes überlagert wie aufge- 
preßt die vorher erwähnten zerknitterten grünlichen Gipsmergel. 
Diese Kalkmasse ist sowohl an der Straße wie auch weiter oben 
an den Abhängen des westlich von Tret liegenden Hügels durch Stein- 
brüche aufgeschlossen. 


Noch weiter im Südosten folgen wieder die roten Tone und 
Sandsteine der Murree-Schichten, welche dann längs der Straße in 
den Hügelzügen am Kurang-Flusse abwärts bis in die Nähe von 
Rawalpindi in vielfacher Abwechslung und meistens in sehr steilen 
Falten verfolgt werden können. 


Der nächste Durchschnitt (Fig. 3) befindet sich 12 miles gegen 
SW vom vorhergehenden und beginnt bei Rota Hotur zwischen den 
größeren Ortschaften Saidpur und Nurpur. 


Auch hier steigen im Norden zuerst die schroffen Felsen des 
grauen Nummulitenkalkes auf. In den tieferen Quertälern sieht man 
jedoch, daß darunter eine andere Formation erscheint. Es sind dies 
hauptsächlich dunkle, braun oder rötlich verwitternde, sehr zerklüftete 
und splitterige sandige Dolomite, zum Teil auch gelbe Kalkbänke 
und rotbraune Sandsteine, stellenweise mit zahlreichen limonitisierten 
Muscheln. 

Es sind dies die bereits von Wynne und Middlemiss er- 
kannten und näher beschriebenen Juraschichten der südlichen Hazara- 
Ketten, welche ein Äquivalent der erst weiter im Norden auftretenden 
Spiti-Shales darstellen. 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u, 2. Hft. (R. Zuber.) 43 


Dr. Rudolf Zuber. [12] 


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340 Dr. Rudolf Zuber. [14] F 


Gegen S zu werden diese Juraschichten wieder von einer nach * 
N einfallenden Nummulitenkalkpartie unterteuft, worauf noch weiter 
Murree-Schichten unmittelbar folgen. 

Middlemiss!) erklärt die Tektonik dieses Vorkommens durch 
Annahme von Verwerfungen. Wir haben hier aber wohl sicher den 
Anfang einer gegen Süden überschobenen liegenden Falte, deren Kern 
die oben erwähnten Juraschichten zusammensetzen. 

Wenn wir nun der tiefen Schlucht von Rota Hotur nach abwärts 
(Süd) folgen, finden wir zuerst die roten Schiefer und groben Sand- 
steine der Murree-Schichten, welchen weiter bunte Tone und dann, 
ebenso, wie bei Tret, grünliche Gipsmergel mit kalkigen und sandigen 
Einschaltungen folgen. Diese Schichten sind sehr steil und ungemein 
gestört und zerknittert. 

Über diesem Aufbruche liegt jedoch eine größere Partie von 
Nummulitenkalk, deren Bänke flach nach Süd einfallen und deren 
Südende keilförmig nach unten zwischen die zerbrochenen Gipsmergel 
eingreift. Ahnliche kleinere Kalkmassen wiederholen sich ferner noch 
zweimal als offenbar von oben in die Gipsmergel hineingepreßte 
fremde Körper. 

Die Kalke sind stark bituminös und an einer Kontaktstelle 
zwischen Kalk und Mergel kommt in Rota Hotur eine Schwefelquelle 
mit ziemlich bedeutenden Erdölspuren zum Vorschein. 

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die soeben besprochenen, 
in die Gipsmergel eingreifenden Kalkmassen nur Digitationen der 
Stirnpartie der von N her überschobenen liegenden Falte darstellen. 

Weiter südlich gegen Nurpur zu erscheinen wieder senkrecht, 
gestellte und steile Grate bildende Murree-Schichten, welche zu 
oberst aus vorwiegend rötlichen Sandsteinen mit konglomeratischen 
Lagen, roten knolligen Steinmergeln und roten sandigen Tonen be- 
stehen. Nach unten zu (Süd) nehmen sie allmählich eine ausgesprochene 
Flyschfazies an: es sind dies graue und rötliche plattige Sandsteine 
mit zahlreichen Hieroglyphen auf der unteren Schichtfläche, glau- 
konitische Sandsteine, rote und grüne Tone, unter welchen schließ- 
lich einige grobe, mehr konglomeratische und mergelige Sandstein- 
lagen mit zahlreichen großen Nummuliten als steiler Sattelaufbruch 
emportauchen, worauf dann wieder die vorwiegend roten Murree- 
Schichten in sehr großer Ausdehnung und vielfach wiederholte Falten 
bildend, folgen. 

Sehr gute Aufschlüsse finden wir dann etwa 8 miles weiter 
gegen WSW bei Golra (Durchschnitt, Fig. 5). 

Am steilen Gebirgsrande sind hier, ebenso wie bei Saidpur, 
die braunen Juradolomite den grauen Nummulitenkalken eingefaltet, 
worauf der erste Murree-Schichtenzug folgt. 

Nach einer kleinen Unterbrechung erscheinen senkrechte grüne 
Mergel und Sandsteine, wo besonders eine Lage mit sehr zahlreichen 
Austern und großen Nummuliten auffällt, worauf eine bedeutendere 
Serie von grauen, grünlichen und rötlichen Flyschsandsteinen mit 
den oben erwähnten roten Knollenmergeln und bunten Tonen folgt. 


!) Hazara. Tafel 4, Durchschnitt Nr. 4 rechts. 


[15] Beiträge zur Geologie des Punjab. z 341 


har) 


Die Schichten nehmen ein regelmäßiges nördliches Einfallen an 
und nach einigen Einschaltungen von roten und grünen Tonen unter- 
halb eines kleinen Wasserfalles erscheint die erste (oberste) Nummu- 
litenschicht, welche eine kalkig sandige Lage bildet, die fast aus- 
schließlich aus kleineren und großen Nummuliten besteht. Besonders 
auffallend und charakteristisch für diese Lage sind große Assilinen. 
Die Abbildung 1 auf Tafel XV (I) zeigt einen Teil der Oberfläche 
dieser Assilinenschicht in natürlicher Größe. Es ist hier hauptsächlich 
die Art Assilina spira vertreten. Diese Schicht kann besonders in der 
weiteren Umgebung von Golra als ein wirklicher Leithorizont be- 
trachtet werden. 

Darunter (gegen S) folgen rote und grüne Schiefer mit Mergel- 
einlagerungen, wo stellenweise sehr zahlreiche, aber schlecht er- 
haltene Austernschalen angehäuft sind. 

Es folgen, wie in den vorher beschriebenen Durchschnitten, 
stark zerknitterte grünliche Mergel mit zum Teil bituminösen Gips- 
einschaltungen, welche hier offenbar die tiefste aufgeschlossene Partie 
des Aufbruches darstellen. Hier entspringen Schwefel- und Erdöl- 
quellen, und auf der am meisten gestörten Partie erscheint wieder 
eine gleichsam hineingepreßte Partie von bituminösem Nummulitenkalk. 

Der Aufbruch wird im Süden durch eine Wiederholung der 
bunten Schiefer mit Mergeln und größeren Nummuliten in offenbar 
überkippter Lagerung abgeschlossen, worauf in ausgesprochener Dis- 
kordanz ganz junge Konglomerate, Kalksinter, Sand- und Lehmlagen 
auf größerer Strecke alle älteren Ablagerungen verdecken. 

Wenn wir jetzt die vorher erwähnte eingepreßte Kalkpartie im 
Streichen gegen ONO verfolgen, finden wir dieselbe etwa 1!/, mile 
weiter in einem etwas höheren Hügel (2207 Fuß Seehöhe) in be- 
deutend größerer Mächtigkeit auftretend, wobei jedoch seine Auf- 
lagerung auf den grünlichen Gipsmergeln keinem Zweifel unterliegen 
kann, wie dies auf Fig. 4 dargestellt wurde. 

In entgegengesetzter Richtung dagegen, das heißt gegen WSW, 
sehen wir in einer Entfernung von etwa 4 miles von Golra in den 
bedeutend tieferen Einschnitten südlich von der Ortschaft Sarai- 
Karbuzä die Wiederholung desselben Profils (Fig. 6), jedoch ohne 
eine Spur von Kalkstein. Erst noch weitere 6 miles im Streichen 
gegen WSW erhebt sich wieder die isolierte und langgestreckte 
Felsenkette Chitta-Pahar, wo wieder dieselben Nummulitenkalke in 
mächtiger Masse in die dieser Region eigentümliche bunte Mergel- 
und Sandsteinserie eingepreßt erscheinen. 

Der Durchschnitt Fig. 7 ist am Margala-Paß gelegen, wo die 
Heerstraße von Rawalpindi nach Attock die niedrigste Partie der 
Margala-Kette an dem Nicholson-Monument (1936 Fuß Seehöhe) vor- 
bei und die Eisenbahn in einem Tunnel überschreitet. 

Mein Durchschnitt gibt nur den Aufschluß, wie er direkt an 
der Straße beobachtet werden kann. 

Charakteristisch sind hier die mehrfachen Verknetungen der 
Juraschichten mit den Nummulitenkalken. 

Die Nummulitenkalke sind massig und grob gebankt, zum Teil 
grau, zum Teil bituminös und mit lokal angehäuften kleinen Foramini- 


349 > Dr. Rudolf Zuber. [16] 


feren, worunter seltener ganz kleine Nummuliten und öfter Ortho- 
phragminen zu unterscheiden sind, genau so wie bei Tret. Auch andere 
Versteinerungen sind nicht selten, aber unmöglich aus dem kompakten 
Kalksteine herauszubekommen. Ich fand den Durchschnitt eines großen 
Nautilus, ein schlecht erhaltenes Spondylus-Schalenfragment, Echiniden- 
reste etc. 

Die Juraschichten bestehen, wie bei Saidpur, aus sehr harten, 
splitterigen, rötlichen und braunen Dolomiten und Sandsteinen mit 
zahlreichen, meistens limonitisierten Konchyliendurchschnitten, worunter 
Trigonien und Austern unterschieden werden können. 

Die tiefste Partie (in der nach S von der Straße ablaufenden 
Schlucht) besteht aus ockergelben festen Kalkbänken, welche nach 
Middlemiss auch schon triassisch sein könnten. 

Weiter im Süden, zwischen Saidpur, Golra, Rawalpindi und 
Fatehjang, erscheinen unter stellenweise sehr mächtigen rezenten und 
subrezenten Ablagerungen von Kalksintern, Schottern, Sanden und Löß, 
sehr ausgedehnte und einförmige Züge von den vorwiegend rötlichen 
Murree-Sandsteinen, welche meistens sehr steil gefaltet, aber an 
einigen Stellen auch ganz flach gelagert sind. 

Eine derartige flache Antiklinalpartie erscheint an der Eisen- 
bahnlinie in der Mitte zwischen Rawalpindi und Golra und dieselbe 
kann noch weiter gegen Westen zu über Kutbal bis in die Nähe von 
Fatebjang verfolgt werden. 

Nach einigen lokalen Störungen und Abweichungen hebt sich 
diese breite Antiklinale nordwestlich von der Eisenbahnstation Fateh- 
jang so beträchtlich, daß in der Nähe der Ortschaft Gandawali auch 
die unter den Murree-Sandsteinen liegenden bunten Mergel und Nummu- 
litenschichten an die Oberfläche gelangen und sich an mehreren Stellen 
als erdölführend erweisen. 

Diese Partie verdient noch auch aus dem Grunde nähere Beachtung, 
als hier die den bunten Mergeln eingelagerten sandigen Kalkbänke 
ungemein reich an Versteinerungen sind, die in wohlerhaltenem Zu- 
stande massenhaft ausgewittert herumliegen. Steinkerne von Gastro- 
poden, große Austern und andere Bivalven und besonders Millionen 
von vorzüglich herausgewitterten großen Assilinen und Nummuliten 
können hier mit Leichtigkeit gesammelt werden. 

Besonders häufig und typisch sind Assilina exponens und Nummu- 
lites perforatus (in dem von Boussac festgestellten Sinne). 

Nunmehr wenden wir uns weiter nach Süden, und zwar dorthin, 
wo etwa 12 miles südwestlich von Rawalpindi die steile Kette des 
Khairi-Murti-Gebirges unvermittelt aus der Ebene emporsteigt. 

In zahlreichen tieferen Wasserrissen und stellenweise steile 
steinige Kämme bildend finden wir auf dieser ganzen Strecke, abge- 
sehen von zum Teil sehr mächtigen jüngeren Ablagerungen, immer 
die sehr steilen Falten der vorwiegend rötlichen Murree-Sandsteine. 

Etwa 1!/, mile östlich von der Ortschaft Murat vereinigen sich 
die Flüsse Basala und Sil tief eingeschnittene Schluchten bildend. 


Das hier aufgeschlossene Profil ist in Fig. 8 dargestellt. 


1) J. Boussac. Etudes pal6ontologiques sur leNummuli'ique Alpin. Paris 1911. 


17] Beiträge zur Geologie des Punjab. 343 


Es ist dies ein senkrecht gestellter Sattel, dessen beide Flanken 
von den rötlichen Sandsteinen und Tonen der Murree-Schichten be- 
stehen. In der Mitte ist eine Wechsellagerung von grünlichen Tonen 
und grauen und glaukonitischen Flyschsandsteinen mit Einlagerungen 
von sandigen Mergeln und Kalken aufgeschlossen. Die letzteren führen 
zahlreiche Nummuliten und stellenweise Anhäufungen von Austern- 
schalen ähnlich wie bei Golra und Gandawali. 

Eine härtere und sehr zerklüftete Kalkbank ragt zwischen den 
Austernbänken mauerartig empor. Aus den Klüften hier wie auch bei 
Murat kommen bituminöse Ausschwitzungen zum Vorschein. 


Fig. S und 9. 


Basala - 5 


Durchschnitte am Ostende der Khairi-Murti-Kette. 


1. Nummulitenkalk (Margala-Fazies). — 2. Grüne Mergel mit fossilreichen Lagen. 
— 3. Flyschartige Sandsteine und Schiefer. — 4. Murree-Schichten. — 5. Junge 
lakustre Sedimente. 


An der Berührung dieser Kalkbank und der Austern führenden 
Mergel sind unzweifelhafte Spuren eines hochgradigen Dynamometamor- 
phismus zu beobachten, worauf nicht nur die hochgradige Zerklüftung, 
aber auch eine förmliche Verquickung und Verknetung beider Ge- 
steine, wie zu einer plastischen Teigmasse, hinweisen. Die Kalkbank 
erscheint wie ein in die Mergel hineingepreßter Keil. 

Nebenbei sei noch bemerkt, daß die obere Partie des hier durch- 
schnittenen Plateaus aus jungen horizontalen Ablagerungen besteht, 
welche zum Teil gelblich, rötlich und grünlich gebänderte sandige 
Tone, zum Teil zahlreiche Süßwasserkonchylien enthaltende lakustre 
Ablagerungen, zum Teil Kalksinter sind. Es war mir leider nicht 
möglich, diesen interessanten Bildungen mehr Zeit zu widmen. 


344 Dr. Rudolf Zuber. [18] 


Etwa 21/, miles weiter westlich im Streichen desselben Auf- 
bruches schneiden wir bereits die ansteigende Khairi-Murti-Kette (vgl. 
Durchschnitt Fig. 9). 

Die Kette besteht aus hoch aufgetürmten Massen von festem 
grauem Nummulitenkalk von genau derselben Beschaffenheit wie in 
der Margala und Chitta-Pahar-Kette. 

In den im N und S eingeschnittenen Wasserrissen, insofern die 
Aufschlüsse nicht durch massenhaften Gebirgsschutt und Kalksinter 
u. dgl. verdeckt sind, sehen wir an mehreren Stellen, daß auf beiden Seiten 
die grünlichen Mergel und Flyschsandsteine wie auch die roten Murree- 
Schichten gegen die Kalkmassen des Gebirges, also unter dieselben 
einfallen. Diese Tatsache zusammen mit dem fast vollständigen Ver- 
schwinden der Kalke im tiefen Basala-Durchschnitte (Fig. 8) beweisen 
wohl deutlich, daß die Kalke der Khairi-Murti-Kette ebenso wie die- 
jenigen der Chitta-Pahar-Kette und die kleineren Kalkmassen bei Golra 
von dem Margala-Hazara-Gebirge ausgehen und als Überreste größerer 
Überschiebungsdecken aufzufassen sind. 

Von Khairi Murti an weiter südlich ragen noch einige steile 
Hügelzüge empor, welche aus meistens senkrechten Sandsteinen der 
Murree-Schichten bestehen. 


Vom breiten Tale des Soan-Flusses angefangen nach Süden zu 
verschwinden jedoch diese Bildungen gänzlich, und es erscheinen unter 
der sehr wechselnden jüngeren und jüngsten Bedeckung die mächtigen 
zumeist wenig festen bunten Konglomerate und Sandsteine der jung- 
tertiären Siwalik-Formation, welche bis zum Salt-Range anhält und in 
dieser Partie zwar nicht sehr intensive, aber doch ganz deutliche 
Faltungen aufweist. 

Nun wenden wir uns der westlichen Partie des Salt-Range zu, 
indem wir am Indusdurchbruche bei Kalabagh beginnen. (Fig. 10.) 

Die Verhältnisse bei Kalabagh wurden bereits von Wynne!) 
recht ausführlich dargestellt. 

Sowohl am nördlichen rechten (Kalabagh) wie auch am südlichen 
linken Ufer (Mari) des Indus sieht man vor allem die riesig gestörte 
und zerrüttete Salzformation. Es ist dies in der Hauptmasse ein fast 
ungeschichteter roter, zum Teil mergeliger Ton mit Steinsalz und be- 
deutenden Gipseinschaltungen. Das Salz ist meistens rötlich, der Gips 
weiß oder rot gefärbt, oder rot gebändert. Als Einschaltungen kommen 
hier dünngeschichtete harte graue bis schwärzliche dolomitische Mergel 
vor, welche oft bituminös und an den Schichtflächen mit kohligem 
organischem Detritus bedeckt erscheinen. 

Sowohl im Westen bei der Stadt Kalabagh wie im Osten (fluß- 
aufwärts von der Mündung des Lun Nala an) wie auch über dem 
"Aufbruche wird die Salzformation hier unmittelbar von den mächtigen 
mürben grauen, rötlichen und gelblichen Sandsteinen und Konglo- 
meraten bedeckt, welche zu der unteren Partie der Siwalik-Formation 
(Miocän oder noch jünger) gerechnet werden. 

Der vollkommen nackte durch tiefe Schluchten erodierte Hügel 
westlich von Mari besteht ausschließlich von der Salzformation und 


!) Memoirs XIV und XV. 


[19] Beiträge zur Geologie des Punjab. 345 


ist von alten Salzschächten, Stollen und Soolquellen förmlich durch- 
setzt. Erst östlich von Mari erheben sich in steilen Abstürzen die 
NW-—SO streichenden und regelmäßig nach NO einfallenden Sand- 
steine der Siwalik-Formation. 


Fig. 10—12. 


Be. 10 
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Durchschnitte im westlichen Salt-Range zwischen Kalabagh, Mari und Daud-Kehl. 


1. Geschiebelehm (Boulder clay, Permokarbon). — 2. Productus-Kalk (Perm.). — 

3. Nummulitenkalk. — 4. Bunte Tone und fiyschartige Sandsteine. — 5. Salz- 

formation, «) Dolomitische Mergeleinlagerungen. — 6. Siwalik-Formation — 7. Ganz 
junge Sedimente, Schutt etc. 


Wenn wir nun von dem Salzberge von Mari genau dem Streichen 
der Schichten nach SO folgen, finden wir etwa 1!/, mile weiter den 
Durchschnitt Fig. 11. 

Mauerartig ragt hier ein senkrechter felsiger Grat aus der Hügel- 
reihe empor, genau demselben Streichen folgend. Es ist dies ein 
heller, fester und sehr zerklüfteter Kalk, welcher zwar keine makro- 
skopische Versteinerungen aufweist, in welchem ich jedoch im Dünn- 
schliffe zahlreiche organische Reste und besonders ganz kleine Assilinen 
und Orthophragminen auffinden konnte (vgl. Tafel XV [I], Abb. 3). 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Zuber.) 44 


346 Dr. Rudolf Zuber. [20] 


Diese Kalksteinbank ist fast senkrecht, jedoch etwas gegen NO 
geneigt. Im SW wird sie von grellroten und grünen Tonen begleitet 
und ebensolche bunte, rote und grüne Tone mit deutlicherem NO- 
Einfallen folgen auch gegen NO. Bald schalten sich zwischen diese 
bunten Tone graue, rötliche und grünliche, zum Teil konglomeratische 
Sandsteine ein, welche sehr an die Murree-Schichten erinnern, und 
nach einer kleinen Unterbrechung durch ein kleines Längstal folgen 
dann wieder die ganz regelmäßig und flacher einfallenden mürben 
Sandsteine der Siwalik-Formation. 

Wynne ist der oben beschriebene Nummulitenkalk nicht ent- 
gangen (Memoirs XIV, pag. 267). Er hat daselbst auch Spuren von Jura 
gefunden, welche ich nicht bemerkt habe. Er erklärt das Verhältnis 
dieser Vorkommen zur Salzformation von Mari durch mehrere kom- 
plizierte Brüche. Ich habe jedoch eher den Eindruck, daß diese ab- 
gerissenen Trümmer von Eocän und Jura eher zertrümmerte Über- 
reste der über den Salzton überschobenen Decke sind, welche weiter 
im Süden besser erhalten und mächtiger entwickelt ist, auf der tek- 
tonischen Querelevation des Indusdurchbruches in die Luft ausgeht 
und daher verschwindet und jenseits des Indus nördlich von Kalabagh 
wieder einsetzt, wie dies aus der späteren Arbeit Wynne’s über den 
Trans-Indus Salt-Range (Memoirs XVII) recht deutlich hervorgeht. 


Noch weitere 21/, miles gegen SSO von der zuletzt beschriebenen 
Stelle finden wir wieder eine ziemlich isolierte Hügelgruppe (höchster 
Punkt 1127 Fuß Seehöhe), in welcher die in Fig. 12 dargestellten Ver- 
hältnisse erscheinen. 

Die ersten kleinen, aber schroffen Felsen, welche im SW von 
der Ebene aufsteigen, bestehen aus einem gelblichen zerklüfteten 
Kalkstein, dessen Bänke nach NO einfallen. Ziemlich zahlreiche aus- 
gewitterte Steinkerne von Bivalven, Naticiden etc. kommen hier vor. 

In einigen Lagen sind sehr zahlreiche, meistens kleine, aber auch 
größere Nummuliten angehäuft. Es ist dies also unzweifelhaftes Eocän. 


Hinter diesem Eocänsaum erscheint dann ein kleiner Höcker, 
welcher aus ebenfalls nach NO geneigten Bänken eines sehr harten, 
splitterigen, braunen dolomitischen Kalkes besteht, in dem sehr zahl- 
reiche Versteinerungen enthalten, aber unmöglich gut herauszuschlagen 
sind. Nach längeren Bemühungen gelang es mir doch einige ganz 
unzweifelhafte Brachiopoden, und zwar Produkten zu erhalten. Es 
ist dies jedenfalls eine Partie des weiter im Süden bekannten und 
mächtig entwickelten permischen- Productus-Kalkes. 

Nach einer abermaligen kleinen Unterbrechung folgt wieder an- 
scheinend über dem Productus-Kalk eine Folge von hellen. Sandsteinen 
und darüber ein ungeschichteter dunkler sandiger Lehm mit unzähligen 
großen und kleinen Trümmern von verschiedenen kristallinischen Ge- 
steinen. Es ist diesunzweifelhaft der ebenfalls weiterim Süden längst be- 
kannte „Boulder clay“* der permokarbonischen Eiszeit. 

Bis hierher haben wir daher eine überkippte Schichtenfolge, da 
bekanntlich in den normalen Profilen der Productus-Kalk über den 
„Speckled sandstone* und „Boulder clay* folgt, wogegen hier die 
umgekehrte Reihenfolge erscheint. 


[21] Beiträge zur Geologie des Punjab, 347 


Leider werden die weiteren Aufschlüsse bergaufwärts von dem 
massenhaften Gehängeschutt total verdeckt und erst nahe am Rücken 
des Hügels und auf seinen steilen Nord- und Nordostgehängen kommt 
die ganz typische rote Salzformation mit Gips und Steinsalz, die 
vorigen Fragmente offenbar überlagernd, zum Vorschein. 

Noch weiter gegen NO folgen wieder die gewöhnlichen Siwalik- 
Ablagerungen, und weiter etwa 2 miles östlich hat Wynne bei 
Ainwan noch einen isolierten Aufbruch der Salzformation beobachtet. 

Bereits aus diesen fragmentären Beobachtungen geht wohl her- 
vor, daß die soeben beschriebene Eocän-Perm-Partie den zum Teil 
ausgewalzten (sehr geringe Mächtigkeit) und überkippten Schenkel 
einer liegenden Falte darstellt. 

Wir überschreiten nun das breit ausgewaschene, von Jaba herunter- 
kommende Quertal und gelangen bei Khairabad an die ersten be- 
deutenderen Ketten des eigentlichen Salt-Range. 

Die Partie bei Khairabad wurde bereits von Wynne und 
Waagen in den eingangs zitierten Werken eingehender beschrieben 
und dann noch von Noetling und Koken weiter ergänzt. 


Ohne jetzt auf die stratigraphischen Einzelheiten näher einzu- 
gehen, will ich mich nur auf solche Beobachtungen beschränken, welche 
zur Klärung der Tektonik beitragen können. 

Die Ortschaft Khairabad liest knapp am Gebirgsrand östlich 
von der Eisenbahnstation Daud—Khel. (739 Fuß Seehöhe.) 

Zuerst (von Westen kommend) sehen wir (Fig. 15) kleine vor- 
gelagerte Hügel, die außer ganz jungen Ablagerungen flach westlich 
einfallende rote, mürbe Sandsteine und Konglomerate aufweisen. Es 
sind dies wohl Siwalik-Bildungen. 


Am Eingange in die an der Südspitze der Ortschaft nach Osten 
in das Gebirge einschneidende Schlucht fand ich zuerst grünlichgraue 
Gipsmergel, dann eine eingeschaltete ausgezackte, harte, löcherige 
Bank eines bräunlichgrauen dolomitischen Kalkes ohne Fossilien, 
worauf noch weiter wieder dunkel graugrüne mergelige Schiefer mit 
viel Gips und stark salzigen Quellen folgen. Diese Schichten werden 
von Wynne und Waagen zur Trias gestellt. Waagen hat darunter 
noch fossilführendes Perm gesehen, welches ich nicht bemerkt habe. 


Bachaufwärts folgt nun immer mit demselben Einfallen nach 
Osten (eigentlich ONO) eine größere Serie von mehrfach wechsel- 
lagernden roten Sandsteinen, gelben Mergeln, braunen ÖOoliten und 
Dolomiten mit zahlreichen Belemniten und stellenweise Rhynchonellen, 
grünlichen, stark kieseligen Lagen mit limonitisierten Muscheln etc. 
Die Aufschlüsse sind stellenweise durch mächtige Geröll- und Schutt- 
massen unterbrochen. 

Die soeben besprochene bunte Schichtenserie (Wynne’s „varie- 
gated series“) wird allgemein als jurassisch betrachtet. 

Koken fand darüber noch Unterkreide, welche mir entgangen ist. 

Weiter nach oben folgen Kalkbänke mit zuerst kleinen, dann 
mit immer größeren und zahlreicheren Nummuliten, mit Schieferein- 
schaltungen und diese Eoeänschichten halten bis über den höchsten 
Rücken (hier 1184 Fuß) des Gebirges an. 

44* 


348 Dr. Rudolf Zuber. [22] 


Etwa 1 mile südlich finden wir den Paralleldurchschnitt Fig. 14. 

Hier erhebt sich sofort aus dem Schuttkegel des hier heraus- 
kommenden Baches ein enges Felsentor, dessen Wände von einem 
harten hellen zerklüfteten Kalke bestehen. Außer einigen Korallen 
habe ich hier in Dünnschliffen kleine Assilinen und Orthophragminen 
gefunden, genau so, wie in dem Kalkfelsen südlich von Mari (vgl. Tafel 
XV [T), Abb. 4). 

Aus. den Klüften dieses eocänen Kalkes, welcher einige bitu- 
minöse Partien aufweist, entspringen hier mehrere stark salzige und 
schwefelwasserstoffhaltige Quellen, von welchen mir eine warm zu 
sein schien. 


Fig. 15 und 14. 


Fig 75 
n IS 
Hhaırabad el ? 
= SEES: EZ 
ER Ss PRITISN SS & N Lg 
I= R; 
4 ia 


Durchschnitte bei Khairabad im westlichen Salt-Range. 


1. Trias (grünliche Gipsmergel). «) Dolomitische Kalkbank. — 2. Jura. — 3. Num- 
mulitenkalk. — 4. Rote Sandsteine (Siwalik?). — 5. Ganz junge Bildungen. 


Die Schichten fallen sehr steil, fast senkrecht gegen Osten. 


Gleich darauf folgt eine gelbe Sandsteinbank mit einigen Tere- 
brateln von durchaus jurassischem Habitus und es folgen sofort wieder 
die graugrünen Gipsmergel der Trias wieder mit mehreren Soolquellen 
in dieser und in den benachbarten Schluchten. 

Nach einer längeren Unterbrechung, wo horizontale junge, bunte, 
sandigtonige Ablagerungen mit Schotterbänken und Schuttmassen alle 
älteren Bildungen verdecken, kommen weiter oben wieder zuerst die 
Jura- und dann die Focänablagerungen in normaler Folge zum 
Vorschein. 

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß wir hier einen 


gegen Westen überkippten Sattel mit bedeutend ausgewalzter West- 
flanke vor uns haben. 


[23] Beiträge zur Geologie des Punjab. 349 


Diese Partie liegt auch genau im Streichen des vorher be- 
sprochenen Durchschnittes Fig. 12, nur ist hier bei Khairabad weder 
von den paläozoischen Schichten noch von der roten Hauptsalzfor- 
mation irgend etwas zu sehen. Ä 

Die Salzquellen von Khairabad könnten aus der wahrscheinlich 
in der Tiefe vorhandenen Hauptsalzformation stammen. Es wäre aber 
auch möglich, daß die triassischen Gipsmergel auch für sich eine 
besondere lokale Salzformation darstellen. 

Wir überschreiten nun den aus Nummulitenschichten bestehenden 
Hauptrücken des Gebirges und beginnen einen weiteren Durchschnitt 


Fig. 15 und 16. 


Durchschnitte bei Jaba im westlichen Salt-Range. 


1. Nummulitenkalk; «) Grünliche Mergel und Schiefer-Einschaltungen. — 2. Kon- 

glomeratische Lagen mit Num. incrassatus. — 3. Salzformation; 5b) Gipslager, 

c) Roter Ton. — 4. Flyschartige Sandsteine und Schiefer. — 5. Murree-Schichten. — 
6. Siwalik-Formation. 


am Ostabhange desselben, etwa 2 miles im Westen von der Ortschaft 
Jaba (Fig. 15). 

Zuerst sehen wir oben mehr oder weniger mächtige bräunliche 
oder graue Bänke von Nummulitenkalken mit lokalen Einschaltungen 
von graugrünen Schiefern. Dieselben fallen zuerst weniger steil nach 
NO, werden aber dann steiler und schließlich fast senkrecht. Endlich 
finden wir ungefähr auf halbem Wege zwischen Khairabad und Jaba 
an den ersten östlichen Steilabstürzen in unmittelbarer Anlagerung an 
den Nummulitenkalk zwei recht mächtige Gipslager, durch eine Ein- 
lagerung von grellrotem Ton voneinander getrennt. Der Gips ist 
vorwiegend weiß, zum Teil jedoch rötlich oder mit roten Adern, 


genau so wie die Gipsmassen des roten Salztones bei Mari und 
Kalabagh. 


350 Dr. Rudolf Zuber. [24] 


Uber dem Gips folgen nach NO ganz regelmäßig ebenfalls fast 
senkrechte grüne Tone mit Sandsteinen und konglomeratischen Lagen, 
und endlich folgen, wie überall in dieser Richtung, flacher geneigte 
bunte Siwalik-Schichten. 

Wynne erwähnt das obige Gipsvorkommen mit der Bemerkung 
„Ihe origin of this gypseous clay is not clear“). Ich glaube jedoch, 
daß dies eine Partie des Hauptsalztones ist, welche hier ganz normal 
über dem Nummulitenkalk liegt. 

Dieselben Gipse und roten Tone erscheinen noch mehrfach und 
in größerer Mächtigkeit in den tiefen Einschnitten gegen Jaba zu, 
und zahlreiche hier entspringende Sool- und Schwefelquellen be- 
stärken noch die Annahme, daß hier eine echte Salzformationpartie 
vorhanden ist, 

Noch viel weiter im Osten bei Vasnal und Kalar-Kahar kommt 
nach Wynne?) (ich habe diese Stellen nicht besucht) die echte rote 
Salzformation im Nummulitengebiete vor. Er erklärt ihr Erscheinen 
allerdings durch Annahme recht komplizierter Verwerfungen. Es er- 
scheint jedoch viel einfacher, diese Vorkommen ebenso wie die ganz 
analog gelegenen bei Jaba, Ainwan und Lun Nala (im Trans-Indus- 
Gebiete nördlich von Kalabagh) als normal über dem Nummuliten- 
kalke liegend zu betrachten, wodurch auch ihre stratigraphische 
Stellung besonders durch den alle Zweifel ausschließenden Aufschluß 
oberhalb Jaba bestimmt wird. 

Der rächste Durchschnitt (Fig. 16) befindet sich etwa 2 miles 
südlich von Jaba und umfaßt die Aufschlüsse in den Schluchten von 
Chotta Kutta und Burra Kutta. 

Hier sind die Nummulitenkalke mächtiger entwickelt. Sie sind 
reich an Versteinerungen (zahlreiche Nummuliten, größere Assilina 
ecponens, Echiniden, Korallen, Muscheln etc.) und weisen einige Fal- 
tungen auf. Gegen ihre obere Grenze zu (gegen NO) werden ihre 
Bänke senkrecht. 

Hier entspringen aus den Klüften dieser Kalksteine mehrere 
Erdölquellen in Begleitung von viel stark schwefelwasserstoffhaltigem 
und zum Teil warmem Wasser. Einige in der Nähe ausgeführte 
Bohrungen haben nur sehr viel Schwefelwasser, aber wenig Ol ergeben. 

Unmittelbar über dem kompakten Kalkstein und mit schwächerem 
NO-Einfallen folgen mehr sandige und konglomeratisch aussehende 
Lagen, welche bei näherer Betrachtung hauptsächlich aus zahllosen 
kleinen Nummuliten und größeren runden, konzentrisch geschichteten 
kalkigen Körpern bestehen, welche bis 2cm Durchmesser erreichen. Ich 
vermutete darin zuerst etwa Loftusien oder andere Organismen, aber 
Herr H. Douvill& in Paris, welchem ich einige dieser Gebilde ein- 
gesendet habe, hatte die Liebenswürdigkeit, mir mitzuteilen, daß dies 
anorganische Gebilde, etwa wie sehr große Ooliten, sind. Einige der- 
selben inkrustieren große Nummuliten, welche hauptsächlich als N. 
perforatus bestimmbar waren. Unter den kleinen Nummuliten herrschen 
dagegen Formen aus der Gruppe N. incrassatus und N. vascus vor. 


!) Memoirs XIV, pag. 264. 
?:) Ebenda,,pag. 182— 184. 


* 


[25] Beiträge zur Geologie des Punjab. 351 


Der Habitus ist jedenfalls, mit europäischen Verhältnissen verglichen, 
ein abereocäner, respektive oligocäner (vgl. Tafel XV [1], Abb. 2). 

Darüber folgt zuerst ein roter Ton, jedoch ohne Gips, dann 
bunte Schiefer mit grauen, grünlichen und rötlichen Sandsteinen vom 
Habitus der Murree-Schichten, auch mit den denselben eigentümlichen 
roten, harten, knolligen Mergeln, bis schließlich wieder flachere Siwalik- 
Schichten mit noch jüngeren Sedimenten alles bedecken. 

Der letzte Durchschnitt (Fig. 17) ist teilweise nach meinen 
eigenen Beobachtungen zusammengestellt, zum Teil jedoch nach 
Wynne!) ergänzt. 


Fig. 17. 


Durchschnitt oberhalb Sanwans im Salt-Range. 


1. Permokarbonischer glazialer Geschiebelehm (Boulder clay). — 2. Bunter Sand- 
stein (Speckled Sandstone). — 3. Productus-Kalkstein (Perm). — 4. Trias. — 
5. Jura. — 6. Salzformation. 


Derselbe befindet sich in der Nähe der Ortschaft Sanwans 
(Wynne schreibt Swas) und es treten hier besonders die älteren 
Glieder der Salt-Range-Formationen, und zwar besonders die permischen 
Productus-Kalke in mächtiger Entwicklung auf. 

Dieser Durchschnitt beweist wohl endgültig, daß der Salt-Range 
ein echtes Faltengebirge und nicht etwa ein Bruchrand ist. 


IV. Schlussbetrachtungen. 


Trotzdem meine oben dargestellten Beobachtungen nur geringe 
Partien des in Rede stehenden Gebietes betreffen, so lassen sich 
doch mit Hinzuziehung der ausgezeichneten und gewissenhaften Ar- 
beiten der indischen Geologen wohl bereits einige allgemeinere 
Schlüsse daraus ziehen. 

Eine genauere Horizontierung und Parallelisierung besonders 
des Punjabischen Eocäns, welches die Hauptformation dieser Region 


'!) Memoirs XIV, Taf. XXVII, Fig. 50. 


359 Dr. Rudolf Zuber. [26] 


ist, wird. wohl noch jedenfalls eine längere Zeit brauchen, bis sie 
befriedigend gelöst sein wird. 

Dieser Lösung steht in der gegenwärtigen Sachlage hauptsäch- 
lich ein Hindernis im Wege. Man hat bei den Gliederungsversuchen 
des indischen Paläogens zu wenig Gewicht auf die Unterscheidung 
gelegt, was Horizont und was Fazies ist. 

Nun glaube ich, daß die oben zusammengestellten Beobachtungen 
bereits gute Anhaltspunkte zum Versuche liefern, eine Einteilung in 
besondere Faziesbezirke im Bereiche des Paläogens anzubahnen. 

Die erste Bildung, die in dieser Beziehung ein einheitliches 
und eigentümliches Gepräge zur Schau bringt, ist die massige marine 
Kalksteinfazies der Nummulitenformation im Margala-Hazara-Gebirge, 
welche bereits von Wynne als „Hill-Nummulitic* bezeichnet wurde. 

Es ist dies ein neritischer, aber rein mariner zoogener Kalk, 
für welchen besonders die lokal angehäuften kleinen Foraminiferen 
(darunter ziemlich seltene, sehr kleine Nummuliten) charakteristisch 
sind. Ich will diese Kalksteine als Margala-Fazies bezeichnen. 

Das Ablagerungsgebiet dieses Kalksteins liest im Norden und 
die auch noch südlich von Margala vorhandenen isolierten Vorkommen 
desselben (Chitta-Pahar und Khairi-Murti) können nur als Überreste 
einer von Norden her überschobenen Decke aufgefaßt werden. 

Das nächste Faziesgebiet der Nummulitenformation erstreckt 
sich südlich von dem vorhergehenden. Es kann als Potwär-Fazies 
bezeichnet werden und umfaßt wahrscheinlich auch die Subhimalajische 
Region. 

Charakteristisch sind hier grüne Mergel oft: mit Gips, bunte 
Tone, Einlagerungen von sandigen, sehr fossilreichen Mergeln, Austern- 
bänke, massenhafte große Assilinen, nach oben zu mächtigere Flysch- 
sandsteine, welche sich wohl stellenweise als Hauptträger der Erdöl- 
ansammlungen erweisen werden. 

Diese Formation ist jedenfalls eine litorale Seichtwasserbildung 
und sie übergeht nach oben allmählich in die mächtig entwickelten, 
zum Teil wohl schon terrestrischen bunten Sandsteine, Knollenmergel 
und roten Tone der Murree-Schichten. 

Die Nummulitenformation des Salt-Range ist höchstwahrschein- 
lich ein Ubergangsglied zwischen der Margala- und der Potwär-Fazies, 
da wir hier oft Wechsellagerungen von zoogenen Kalken und bunten 
Schiefern und Sandsteinen, Assilinen, Nummuliten etc. nebeneinander 
vorfinden. 

Das Ursprungsgebiet des Salt-Range muß daher beträchtlich 
nördlich, und zwar zwischen dem Margala- und dem Potwär-Fazies- 
bezirke gesucht werden. 

Die dritte Region bildet die Salztonfazies. 

Es unterliegt für mich keinem Zweifel, daß die roten Tone 
mit Gipsen und Soolquellen, welche bei Jaba deutlich zwischen der 
Nummulitenformation und den Murree-Schichten liegen (Fig. 15), mit 
der Hauptsalzformation, wie sie bei Kalabagh, Mari und im Süden des 
Salt-Range unter dem Paläozoikum zum Vorschein kommt, identisch ist. 

Sie kann aber wohl von der weiter im NW so mächtig ent- 
wickelten Salzformation von Kohät auch nicht getrennt werden. 


[27] Beiträge zur Geologie des Punjab. 353 


Wynne!f) gibt zwar eine Reihe von unterscheidenden Merkmalen 
für beide Formationen an, von welchen die Farbe das wichtigste sein 
soll. Im Salt-Range ist sie nämlich rot, bei Kohät vorwiegend grau 
und grün. Wir wissen aber von vielen anderen Salzformationen (Galizien, 
Rumänien, Nordamerika), daß diese Farben in derselben Formation 
sehr oft regional wechseln und daher von ganz untergeordneter Be- 
deutung sind. Übrigens scheidet Wynne auch bei Kohät, allerdings 
über dem Salzton und Gips, eine rote Tonlage aus, welche die Ana- 
logie besonders mit der Gegend von Jaba vergrößert. 

Nun folgt aus den weiteren Darstellungen Wynne’s, daß die 
Salzformation der Kohät-Region zwar in der Hauptmasse unter dem 
Nummulitenkalk liegt; sie ist aber jedenfalls mit dem Eocän auf das 
innigste verbunden, und die tektonischen Verhältnisse, wie sie aus 
Wynne’s vorzüglicher Karte und seinen Profilzeichnungen hervor- 
gehen, beweisen in deutlichster Weise, daß auch dort weitgehende 
Faltungen und Uberschiebungen vorhanden sein müssen. 

Übrigens haben wir doch auch bei Tret und Golra (Fig. 2, 3, 
4 und 6) grüne Gipsmergel in den tieferen Partien der Nummuliten- 
formation, und bei Jaba sind sie rot und liegen in der oberen Partie 
derselben Formation. 

Ich glaube daher nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, daß 
die gesamte großartig entwickelte bunte Salzformation 
desPunjab mitInbegriff der Kohät-Region (abgesehen von 
der lokalen vielleicht triassischen Salzformation von Khairabad, von 
welcher früher die Rede war) verschiedenePartien desEocäns 
bis in die Murree-Schichten hinauf vertritt. 

Das Ablagerungsgebiet dieser Salzformation liegt im Süden und 
Westen der vorherigen Faziesbezirke. 

Da diese Salzformation, wie fast alle anderen bekannten ana- 
logen Bildungen nur das Austrocknungsprodukt von abflußlosen See- 
becken sein kann, was wieder eine kontinentale Phase voraussetzt, 
so müssen wir für diesen Faziesbezirk, also im Süden und Westen 
des Potwär, für einen beträchtlichen Teil der Nummulitenperiode ein 
Festlandsstadium annehmen, was mit den vorherigen Faziesbezirken 
vorzüglich übereinstimmt. 

Es bestand also zur Nummulitenperiode (selbstverständlich wohl 
mit lokalen Schwankungen und Unterbrechungen): 

I. Eine Festlandpartie im Süden und Westen (Salt-Range-Kohät) 
mit abflußlosen Salzseen und Wüstenklima. 

II. eine flache Litoralzone nördlich davon und östlich bis in die 
Subhimalaja-Region hinein (Potwär-Fazies), und 

III. eine neritische Region mit Riffkalkbildungen etc. noch weiter 
gegen Norden zu (Margala-Fazies). 

Ein gänzlicher Rückzug des Meeres fand mit der Ablagerung 
der Murree-Schichten statt, und die Siwalik-Bildungen sind bekanntlich 
schon ganz rein kontinentale Ablagerungen. 

Was die Faziesbezirke der älteren Formationen betrifft, können 
wir noch einige Bemerkungen hinzufügen. 


!) Trans-Indus Salt Region. Kohät District. Memoirs. Vol. 11. Pt. 2. 
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (R. Zuber.) 45 


Dr. Rudolf Zuber. [28] 


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Beiträge zur Geologie des Punjab. 
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[29] 


356 Dr. Rudolf Zuber. [30] 


Die Jurabildungen des Salt-Range (bunte Sandsteine, Dolomite etc.) 
stimmen mit denjenigen des Südrandes von Margala-Hazara auffallend 
überein. Erst weiter im Norden des Hazara-Gebirges, wie dies Midd- 
lemiss festgestellt hat, setzt die beträchtlich verschiedene Spiti- 
fazies ein. 

Die berühmten und so fossilreichen Productus-Kalke des Salt- 
Range schienen lange ziemlich vereinzelt da zu stehen, ohne Ana- 
logien im Norden. H. H. Hayden!) fand jedoch in Chüra und Bazar 
Valley (NW vom Punjab, S vom Safed Koh-Gebirge) ebensolche Pro- 
ductus-Kalke, wie sie im Salt-Range bekannt waren. 

Die Hebungszeit der Punjabischen Gebirge hat wohl erst zum 
Schluß der Tertiärperiode stattgefunden, da die Siwalikablagerungen 
nicht nur mitgefaltet sind, sondern auch die Faltungszüge und Faltungs- 
richtungen der darunterliegenden älteren Formationen regelmäßig 
begleiten. 

Zum Schluß habe ich in den vorstehenden schematischen Zeich- 
nungen (Fig. 18 und 19) meine oben näher besprochene Auffassung 
der geologischen Zusammensetzung und Tektonik des in Rede stehen- 
den Gebietes darzustellen versucht, was natürlich nur in den allge- 
meinsten Zügen geschehen konnte. 

Fig. 18 stellt — natürlich in sehr bedeutender Verkürzung — 
die Ablagerungsgebiete der verschiedenen Faziesbildungen dar. 

In Fig. 19 sind die heutigen Verhältnisse nach stattgefundener 
Gebirgsbildung abgebildet. 


Lemberg, im Mai 1914. 


ı) H.H. Hayden, On the Geology of Tirah and the Bazar Valley. Memoirs 
geol. Survey of India. Vol. 28. 1898. Part. 1. 


Testudo kalksburgensis Toula aus dem 
Leithagebirge. 
Von Kustos F. Siebenrock, Wien. 
Mit einer Tafel (Nr. XVIII). 


Die vorliegenden Schildkrötenreste stammen aus dem Steinbruch 
zwischen Au und Loretto am Leithagebirge, an der Grenze zwischen 
Niederösterreich und Ungarn. Sie wurden im miocänen Sandstein 
der zweiten Mediterranstufe gefunden und mir von Herrn Dr. Günther 
Schlesinger, Konservator des N.-O. Landesmuseums zur Begut- 
achtung übergeben. 

Diese leider nur wenigen Knochenreste (Taf. XVIII, Fig. 1—3 1) 
gehören einer Landschildkröte an, und zwar der Testudo kalksburgensis 
Toula, Zeitschr. Deutsche Geol. Ges. Vol. 48, 1896, pag. 915, Fig. 1 
und 2, wie ihr Vergleich mit dieser Publikation in unzweifelhafter 
Weise ergeben hat. Sie bilden eine teilweise Ergänzung von Toulas 
Beschreibung und Abbildung des Plastrons, weil im vorliegenden 
Exemplar fast der ganze Hinterlappen vorhanden ist, während er bei 
Toulas Exemplar vollständig fehlt. Ferner sind von der Rücken- 
schale die hinteren Marginalia teilweise vorhanden und zwar das Pygale, 
rechts davon das 8.—10., links das 7.—8. und 11. Marginale. Diese 
Knochen sind in Sandstein eingebettet und daher in natürlicher Lage 
sowohl unter sich als auch zum Hinterlappen des Plastrons. Nur das 
linke 7.—8. Marginale (Fig. 3) ist frei und selbständig erhalten ge- 
blieben. In der Größe dürften diese Knochenreste den von Toula 
beschriebenen gleichkommen, die im Verhältnisse wie 2:3 abge- 
bildet sind. 

Das Pygale ähnelt in der Form sehr stark demjenigen nach 
Toulas Zeichnung in Fig. 1. Es ist urnenförmig, seitlich im vor- 
deren Drittel ausgebaucht und nach hinten schmäler werdend. Der 
Vorderrand ist schwach halbmondförmig eingebuchtet, der Hinterrand 
abgerundet und in der Mitte etwas vorspringend.. Am Vorderrande 
sind die Verbindungszacken mit dem Supracaudale ganz rein erhalten, 
aus dem zu schließen wäre, daß letzterer Knochen erst bei der Aus- 
srabung verloren gegangen sein müsse. Das Pygale wird durch eine 
Längsnaht in fast zwei gleiche Hälften geteilt. Ihre Vereinigung er- 


') Dem Fräulein L. Adametz vom Naturhistor. Hofmuseum spreche ich 
für die Anfertigung der Negative zu diesen Figuren meinen wärmsten Dank aus, 


Jahrbuch d. k. k. geol., Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (F. Siebenrock.) 


358 F. Siebenrock, [2] 


folgt aber nicht mittels Zackennaht, wie bei den anderen Knochen, 
sondern sie stoßen flach aneinander. Diese Trennung bildet sicher 
keine normale Erscheinung, sondern sie ist auf ein zufälliges Vor- 
kommen zurückzuführen, wie dies auch bei rezenten Formen bis- 
weilen beobachtet werden kann. Das Pygale ist 38 mm lang und fast 
ebenso breit; es entspricht einer Schalenlänge von 225 mm, wenn 
diese Maße mit einer ebenso großen Testudo graeca Linn€ verglichen 
werden. 

Das sich dem Pygale anschließende 11. Marginale ist bloß auf 
der linken Seite vorhanden, während es rechts fehlt, so daß der 
Raum zwischen dem Pygale und dem 10. Marginale offen bleibt. Das 
11. Marginale bildet ein rechtwinkeliges Dreieck, mit der Hypothe- 
nuse dem Pygale zugewendet, die dem äußeren ausgebauchten Rande 
desselben entsprechend eingebuchtet ist. Die hintere resp. äußere 
Fläche zeigt eine Längsfurche, die die linke Grenze des Supracaudal- 
schildes darstellt. Die größte Länge des 11. Marginale beträgt 40 mm, 
die Breite 36 mm. Somit ist diese Knochenplatte etwas länger als 
das Pygale, daher genau so wie sie von Toula l. ce. Fig. 1 ge- 
zeichnet wurde. 

Das 10. Marginale hat eine annähernd viereckige Form, deren 
linke, dem 11. Marginale zugekehrte Kante ein wenig ausgeschnitten, 
die rechte dagegen fast in demselben Maße eingebuchtet ist. Die 
Längsfurche auf der äußeren Fläche gibt die vordere Grenze des 
11. Marginalschildes an. Das 10. Marginale ist 34 mm lang und 
26 mm breit. 

Das darauffolgende 9. Marginale, das wieder nur auf der rechten 
Seite erhalten geblieben ist, ähnelt in der Form dem vorhergehenden 
zehnten. Die auf der äußeren Fläche im vorderen Drittel verlaufende 
Längsfurche bildet die Grenze des 10. Marginalschildes. Es ist 32 mm 
lang und 28 mm breit. 

Das 8. Marginale hat sich beiderseits erhalten, nur steht das 
rechte mit den zwei vorhergehenden Marginalia in Verbindung, das 
linke ist mit einem Teil des 7. zusammen gefunden worden. Es hat 
ebenfalls eine viereckige Gestalt, und die Längsfurche auf der äußeren 
Fläche kennzeichnet die vordere Grenze des 9. Marginalschildes. Die 
Länge beträgt 39 mm, die Breite 26 mm. 

Vom 7. Marginale ist nur auf der liuken Seite der obere Teil 
erhalten geblieben, hingegen fehlt der untere beinahe vollständig und 
daher auch die charakteristische, zum Ansatze des hinteren Strebe- 
pfeilers des Plastrons vorhandene Längsrinne. Die Längsfurche an 
der äußeren Fläche bildet die vordere Grenze des 8. Marginalschildes. 
Die Größe ist unbestimmbar wegen Fehlens eines Teiles des Vorder- 
und Unterrandes. 

Das Plastron (Fig. 2) ist bloß in seinem hinteren Abschnitte er- 
halten geblieben, und zwar sind die beiden Xiphiplastra vollständig, das 
rechte Hypoplastron zum Teil vorhanden. Die Xiphiplastra sind viel 
breiter als lang und bilden einen bogenförmigen Ausschnitt am Hinter- 
ende, was darauf hindeutet, daß es sich hier um ein Männchen handelt. 
Aus der Naht zwischen dem rechten Xiphiplastron und dem Hypo- 
plastron, insbesondere an der Basis des gleichnamigen Strebepfeilers, 


[3] Testudo kalksburgensis Toula aus dem Leithagebirge. 359 


kann geschlossen werden, daß der Hinterlappen mit dem Plastron 
unbeweglich verbunden war. 

Aus der Beschreibung und der auf Tafel XVIII, Fig. 1—3 beigefügten 
Abbildungen des Exemplars geht wohl zur Genüge hervor, daß es zu 
Testudo kalksburgensis Toula gehört. Toula hat diese Art ganz richtig 
mit Testudo graeca Linn, als ihr zunächst verwandt, verglichen, mit 
der sie auch die meiste Ähnlichkeit von allen mediterranen Arten 
besitzt, ohne mit ihr identisch zu sein. Das Pygale und die Margi- 
nalia sind, soweit sich dies nach der vorhandenen Anzahl der letz- 
teren beurteilen läßt, in der Form und Lage von jenen bei Testudo 
graeca Linn‘ verschieden. Die Marginalia haben eine steilere Rich- 
tung und sind äußerlich nahezu flach, während ihr Rand bei den 
Männchen von Testudo graeca Linn immer aufwärts gebogen erscheint. 
Ferner geht aus Toulas Figur 1 hervor, daß Testudo kalksburgensis 
zwei Supracaudalia besitzt, Testudo graeca Linne aber immer nur eins. 

Die Zahl der Supracaudalia ist speziell bei den Arten der 
Gattung Testudo Linne sehr variabel, wie ich, Voeltzkows Reise in 
Ostafrika in den Jahren 1903—1905, Vol. 2, 1916, pag. 10, ohnedies 
schon hervorgehoben hatte. Ein Supracaudale besitzen die palä- 
arktischen Arten: Testudo graeca Linne, T. marginata Schoepf., T. 
ibera Pall., T. leithii Gthr. und T. horsfieldii Gray. Diesen schließt 
sich noch T. angulata Schw. und T. oculifera Kukl aus Südafrika an. 
Dagegen findet man zwei Supracaudalia bei: 7. polyphemus Daud., 
T. tabulata Wahlb., T. sulcata Mill. T. chilensis Gray, T. emys Schl. 
und Müll, T. pardalis Bell, T. elegans Schoepf., T. geometrica Linne 
und T. radiata Shaw. Außerdem sind die Elefantenschildkröten 7". 
microphyes Gthr., T. viena Gthr. und T. vosmaeri Fitz. hierher zu 
stellen, wie ich mich durch eigene Untersuchung überzeugen konnte. 
Höchstwahrscheinlich haben alle Elefantenschildkröten zwei Supra- 
caudalia, mir standen für diese Zwecke aber nur die drei genannten 
Arten zur Verfügung. 

Während die Zahl eins bei den paläarktischen Arten T. graeca 
Linne und T. marginata Schoepf sehr konstant zu sein scheint, wird 
das Supracaudale bei 7’. ibera Pall. nicht selten durch eine Quer- 
naht in zwei Hälften geteilt, wie ich mich bei einer größeren Anzahl 
von Skeletten, deren Exemplare aus Syrien und Mesopotamien stammen, 
überzeugen konnte. Bei zwei Exemplaren aus Mesopotamien haben 
die beiden Supracaudalia sogar dieselbe Form, wie sie Toula von 
T. kalksburgensis abbildet. Das erste Supracaudale hat nämlich eine 
halbmondförmige Gestalt mit einem stark bogigen Vorderrand, der in 
einen entsprechend tiefen Ausschnitt am Hinterrande des zweiten 
Supracaudale hineinpaßt. Dadurch bildet der letztere Knochen ein 
nach hinten gekehrtes v, dessen Bogenschenkel mit dem elften Mar- 
ginalpaar in Verbindung treten und das erste Supracaudale vom 
achten Paar Costalia isolieren. 

Damit soll aber durchaus nicht bewiesen werden, daß T. kalks- 
burgensis Toula mit T. ibera Pall. identisch sei, und zwar schon aus 
dem Grunde nicht, weil der Hinterlappen von der ersteren Art un- 
beweglich, bei 7. ibera Pall. aber beweglich mit dem Plastron ver- 
bunden ist. Ein zweifaches Supracaudale dürfte für T. ibera Pall. bloß 


360 F. Siebenrock. [4] 


als Ausnahme zu betrachten sein, denn zwei Exemplare aus Nord- 
afrika und ebenso viele vom Balkan besitzen nur ein solches. Dieses 
interessante Verhalten wird bei dieser Art wohl nicht mit dem Fund- 
orte der Exemplare zusammenhängen, sondern es scheint rein indi- 
vidueller Natur zu sein. 

Die Validität von Testudo kalksburgensis Toula dürfte kaum an- 
zuzweifeln sein, jedenfalls ist sie aber nicht mit Testudo praeceps 
Haberlandt, Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Wien, Vol. 26, 1876, pag. 243, 
identisch, obwohl sie von demselben Fundort wie die Type der 
Toulaschen Art herstammt. Ein flüchtiger Blick auf die Abbildungen 
der beiden Arten genügt, um zu sehen, daß T. praeceps Haberlandt 
einem ganz anderen Formenkreis angehört als T. kalksburgensis Toula. 
Ebenso wenig läßt sich letztere Art mit der in jüngerer Zeit be- 
schriebenen 7. promarginata Reinach, Abh. Senckenberg-Ges., Vol. 28, 
1900, pag. 7, identifizieren, deren Affinität mit 7. marginata Schoepff 
vom Autor selbst nachgewiesen wurde. Dagegen ist es sehr fraglich, ob 
T. syrmiensis Koch, Ann. Mus. Hungar., Vol. 2, 1904, pag. 56, nicht zu 
T. kalksburgensis Toula gehört. T. syrmiens’s Koch stammt aus den 
Pliocänschichten am nördlichen Gehänge des Fuskagoragebirges im 
Komitat Szerem (Syrmien). Sie ist ebenso wie die vorhergehende Art 
durch die geringe Wölbung der Rückenschale und durch das Vor- 
handensein zweier Supracaudalia charakterisiert. Anderseits ist aber 
zu bedenken, daß T. syrmiensis Koch einer viel größeren Art ange- 
hört als T. kalksburgensis Toula. 

Nicht in Betracht kommt hier Testudo riedli Hoernes, Verhandl. 
d. k. k. geol. R.-A., Wien, Vol. 26, 1892, pag. 243, aus dem Oligocän 
der Stotzka-Schichten von Trifail, weil diese Schildkrötenreste über- 
haupt nicht zur Gattung Testudo Linne gehören, sondern höchstwahr- 
scheinlich zur Gattung Ocadia Gray. 

Die meisten Merkmale, die am Steinkern, dessen GipsabgußB mir 
zum Vergleiche vorliegt, in Betracht gezogen werden können, weisen 
auf eine Flußschildkröte hin. Der flache Rückenpanzer, die nahezu 
gleichmäßige Form der Kostalplatten, das kleine erste Supracaudale, 
die stark entwickelten Sternalkammern und die schmale Brücke im 
Vergleiche zum verhältnismäßig langen Hinterlappen des Plastrons 
kommen niemals bei der Gattung Testudo Linne vor. Hörnes, |. c. 
selbst wies schon darauf hin, daß diese Schildkröte, infolge ihrer 
Eigentümlichkeiten an die Emyden erinnert und ein Übergangsglied 
der Flußschildkröten zu Testudo Linne bildet. Letzteres ist aber 
keineswegs der Fall, denn dieser Steinkern stammt von einer wirk- 
lichen Sumpfschildkröte. Ob sie zur Gattung Ülemmys Wagl. oder 
Ocadia Gray. gehört, kann nur dann entschieden werden, wenn man 
auf die Entwicklung der Sternalkammern Rücksicht nimmt, denn 
sonst ist im osteologischen Bau der Schale zwischen den beiden 
Gattungen kein nennenswerter Unterschied vorhanden. Aber gerade 
wegen der auffallend stark ausgeprägten Sternalkammern, die am 
Gipsabguß des Steinkernes viel deutlicher als in der Abbildung von 
Teppner, Zentralbl. f. Min. 1913, pag. 381, Figur, zu sehen sind, 
dürfte dieses Exemplar zu Ocadia Gray gehören, da dieselben bei 
den Arten der Gattung Olemmys Wagl. niemals so groß sind. 


[5] Testudo kalksburgensis Toula aus dem Leithagebirge. 361 


Von Wichtigkeit für die Entscheidung der Zugehörigkeit des 
fraglichen Steinkernes zu Testudo Linn oder Ocadia Gray ist auch 
die Form der beiden Supracaudalia. Das Supracaudale hat bei der 
ersteren Gattung, ob es einfach oder zweigeteilt ist, eine trapez- 
förmige Gestalt, denn die Seitenkanten verlaufen, auch wenn zwei 
Supracaudalia vorhanden sind, geradlinig. Das erste Supracaudale bei 
Testudo riedli Hoernes ist hingegen schmal und das darauffolgende 
zweite ungewöhnlich breit, weshalb die aufeinanderstoßenden Seiten- 
kanten einen stumpfen Winkel bilden, wie es eben bei Ocadia Gray 
der Fall ist. 

Die Loslösung der Xiphiplastra vom Brustschild führt Hoernes 
l. ec. auf eine unvollkommene Verknöcherung der betreffenden Naht- 
verbindung zurück. Hoernes glaubt also, daß die Xiphiplastra dieses 
Exemplars nicht länger waren, als am betreffenden Steinkern zu 
sehen ist. Wenn das der Fall wäre, dann kann es sich aber hier auch 
nicht um eine Testudo Linne handeln, denn ‘die Xiphiplastra reichen 
bei dieser Gattung bis zur Brücke, daher müßten sie viel länger sein 
als das am Steinkern sichtbare Stück. Hingegen sind die Xiphiplastra 
bei den meisten Emyden kürzer als der Hinterlappen, was abermals 
mit Ocadia Gray übereinstimmt. Die Loslösung der Xiphiplastra voll- 
zog sich hier auch nicht wegen unvollkommener Verknöcherung der 
Nahtverbindung mit dem übrigen Plastron, wie Hoernes annimmt, 
denn eine Beweglichkeit dieser Teile ist bei den Emyden überhaupt 
niemals vorhanden, sondern weil alle Nähte bei fossilen Schildkröten 
gewöhnlich die Festigkeit zwischen den beteiligten Knochen verlieren, 
wenn sie nicht mit der Matrix in Verbindung bleiben. Nach meiner 
Beurteilung hat Testudo riedli Hoernes somit den Namen Ocadia riedli 
Hoernes zu führen. 


Jahrbuch d. k, k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (F. Siebenrock.) 46 


362 F. Siebenrock. [6] 


Erklärung zu Tafel XVIH. 


Fig. 1. Testudo kalksburgensis Toula. Original in situ. 
Fundort: Steinbruch im Sandstein der Leithakalkbildungen zwischen Au und 
Loretto am Leithagebirge; Grenze zwischen Niederösterreich und Ungarn. 
Horizunt: Miocän, 2. Meditteranstufe. 
Sammlung des Niederösterreichischen Landesmuseums. 


Fig. 2. Testudo kalksburgensis Toula. 


Fundort: Steinbruch im Sandstein der Leithakalkbildungen zwischen Au 


und Loretto am Leithagebirge. 
Horizont: Miocän, 2. Meditteranstufe. 
Sammlung des Niederösterreichischen Landesmuseums. 


Fig. 3. Testudo kalksburgensis Toula. Linkes 7. und 8. Marginale. 
Fundort: Steinbruch im Sandstein der Leithakalkbildungen zwischen Au und 
Loretto im Leithagebirge. 
Horizont: Miocän, 2. Meditteranstufe. 
Sammlung des Niederösterreichischen Landesmuseums. 


Geologisch-petrographische Studien im Gebiete 
der Bösensteinmasse (Rottenmanner Tauern). 


Mit Benützung der Aufnahmen von Ernst Kittl(f) von Erwin Kittl. 
Mit einer Kartenskizze (Tafel Nr. XIX). 


Im Jahre 1905 wurde von meinem Vater Ernst Kittl eine 
geologische Neuaufnahme des Bösensteingebietes und seiner Umgebung 
begonnen, sie wurde in den folgenden Jahren fortgesetzt und später 
auch die weitere Umgebung der Bösensteinmasse dazugenommen. Das 
aufgenommene Terrain umfaßt das Gebiet, das von folgender Linie 
begrenzt ist: Ennstal bei Admont, Kaiserau, Bärndorf im Paltentale, 
Trieben, Sunk, Hohen Tauern, Bruderkogel, Pölsbach, Schüttneralm, 
Leitnerzinken, Brennkogel, Hoch-Rettelstein, Mittereggbach, Golling- 
bach, Aigen bei Steinach-Irdning, Ennstal. An der Aufnahme arbeiteten 
auch F. Blaschke und später auch F. Reinhold. Ich selbst will 
meine Studien, die sich in erster Linie mit dem Granit und Gneis 
des Bösenstein befaßten, fortsetzen, muß jedoch bemerken, daß ich 
mich in diesem Falle auf die Karte meines Vaters stütze. 

Es ist für mich eine angenehme Pflicht in meines Vaters und 
meinem Namen Herrn Bergrat Max Ritter von Gutmann zu danken 
für die weitestgehende Unterstützung der Arbeiten, da er es eigentlich 
ist, der die Aufnahme überhaupt ermöglichte. Ferner wurde meinem 
Vater von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in 
Wien eine Subvention zur Fortsetzung der Aufnahmen in den an- 
srenzenden Gebieten verliehen, wofür ich im Sinne des Verstorbenen 
mir zu danken erlaube. 

Aus den vorhandenen Beobachtungen soll nun das, was sich auf 
den Granit und Gneis der Bösensteingruppe bezieht, in einer vor- 
läufigen Mitteilung bekanntgegeben werden. 

Bezüglich der Arbeiten älterer Autoren kann ich mich nur auf 
die Anführung der wichtigsten einlassen. Es sind dies vor allem die 
Aufnahmen von M. Vacek und G. Geyer. Sowohl Vacek!) als 
auch Geyer?) teilen die Gesteine der Niederen Tauern (inklusive 
der Rottenmanner Tauern) in folgende Hauptgruppen: 1. Gneise, 
2. Granatenglimmerschiefer, 3. Phyllite, welche Einteilung 
in der Hauptsache geltend bleiben kann. Vacek hob ausdrücklich 
die Unkonformität der karbonischen Schiefer auf dem älteren kri- 


!) M. Vacek, Über die geol. Verhältnisse d. Rottenmanner Tauern. Verh. 
d. k. k. geol. R.-A. 1884, pag. 390. 
?) Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1891, pag. 108. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. (E. Kittl.) 46* 


364° Erwin Kittl. [2] 


stallinen Untergrund (Gneis bei Rottenmann) hervor, ferner unter- 
schied Vacek eine ältere (Quarzphyllit-) Serie und eine Serie 
jüngerer (karbonischer) Phyllite. Später unterschied Vacek!) eine 
Anzahl in ihrer Lagerung voneinander ganz unabhängiger Schicht- 
gruppen, von welchen eben die Gruppen des „Gneises“, der „Granaten- 
glimmerschiefer“ und der „Quarzphyllite* am Bösenstein in direkte 
Beziehung treten. Die neogenen Moränenbildungen des Bösenstein 
entsprechen Vaceks letzter Schichtgruppe. Dazu ist nach den 
Aufschlüssen am Bösenstein folgendes zu bemerken: Würden die 
Schichtgruppen Vaceks eine zeitliche Aufeinanderfolge darstellen 
können, so muß hervorgehoben werden, daß der Granatenglimmer- 
schiefer zwar auf dem Gneis liegt, doch dann fehlen gewöhnlich 
die anderen zueinander immer mehr oder weniger in Beziehung 
steheuden Schichtgruppen. Aus diesem Grunde läßtsich der Granaten- 
glimmerschiefer schwer in Altersbeziehungen zu allen anderen 
Gruppen außer zu der der Gneise bringen. Überdies bildet der Gneis 
mit den anderen Schichtgliedern eine Reihe, in der — wie später 
gezeigt werden soll — der Glimmerschiefer als kein notwendiges 
Zwischenglied erscheint sowohl in geologischer als auch petrographischer 
Hinsicht. Dies wurde indessen wohl auch schon von Vacek erkannt. 
Anderseits sind auch einige Aufschlüsse vorhanden (Zug des Schütt- 
kogel), wo glimmerschieferähnliche Gesteine, wenn auch nur in kleinen 
Schollen, zusammen mit dem Gneis und pbyllitartigen Gesteinen 
auftreten. Erwähnenswert ist noch, daß Vacek die Horn- 
blendegneise- an die Basis der Gneismasse verlegt, auf diesen 
liegen dann nach demselben Autor dickbankige, später dünnschichtige 
Gneise, darüber grobe Flasergneise, dann 80—100 m Weißstein, 
auf diesem körnige Gneisvarietäten. Inwiefern nun ein derartiges 
Profil sich auf die Verhältnisse am Bösenstein anwenden läßt, soll 
später erörtert werden, hier soll nur festgestellt werden, daß Vacek 
Flasergneise und körnige Varietäten zwischen geschieferten 
Gesteinen eingeschaltet angibt, allerdings ohne sich über deren Natur 
weiter zu äußern. Auch für die Rottenmanner Tauern hat Vacek?°) 
der: Hornblendegneis unter groben Gneisen liegend angegeben, darüber 
Granatenglimmerschiefer. Hornblendegneis unter den Gneismassen 
mit körnigen Einlagen ist aber am Bösenstein nirgends aufgeschlossen. 
Auch der Weißstein Millers?) kann am Bösenstein nicht als 
stratigraphisches Element verwendet werden, da wohl Gesteine vor- 
handen sind, die einem Weißstein ähnlich sind, doch kann man ihnen 
kaum die Berechtigung zuerkennen einen bestimmten Horizont dar- 
zustellen. 

G. Geyer*), gibt für die Rottenmanner Tauern gleichfalls 
Hornblendegneis an, über welchem schiefrige Gneise und 
Augengneise liegen. Er spricht von schiefrigen, flaserigen 


1) Über den geol. Bau der Zentralalpen zwischen Enns u. Mur. Verh. d. 
k. k. geol. R.-A. 1886, pag. 71. 

2) Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1890, pag. 9. 

®) A. Miller von Hauenfels, Verh. d. k. k. geol. R.-A. 

*) Bericht über die geol. Aufnahme im Gebiete d. Spezialkartenblattes Murau 
(Z. 17, Kol. X). Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1891, pag. 108. 


[3] Geol.-petrographische Studien im Gebiete der Bösensteinmasse, 365 


oder porphyrischen Zweiglimmergneisen, selten typischen 
Biotitgneisen. Ähnliche Gesteine gibt C. Doelter!) an, der indessen 
den Bösenstein selbst auch nicht begangen hat. Nun entspricht aber 
weder die Darstellung Geyers noch Doelters im Detail den Ver- 
hältnissen am Bösenstein, wenngleich die Schichtfolge Geyers 
auch manche Anhaltspunkte gibt und die petrographischen Typen 
Doelters sämtlich auch am Bösenstein zu finden sind. 

In neuerer Zeit hat F. Heritsch?) die im O an die Bösen- 
steinmasse angrenzende Grauwackenzone neu aufgenommen. Hierbei 
verwendete Heritsch die im Sunk sehr gut aufgeschlossenen Äquiva- 
lente des Rannachkonglomerats (?), um eine Altersbeziehung zwischen 
dem Bösensteingneis und der karbonischen Serie durch die” im Basis- 
konglomerat der karbonischen Phyllite auftretenden Gerölle herzu- 
stellen. Heritsch sieht — ohne indessen einen Beweis dafür zu 
liefern — diese Gerölle als Rollstücke an, die vom Bösenstein stammen. 
Daraus läßt sich nach Heritsch das präkarbonische Alter des 
Bösensteingranites beweisen, falls tatsächlich diese Geschiebe vom 
Bösenstein stammen. 


Die Gneise des Bösenstein und die granitischen Gesteine. 


Die Gneismasse des Bösenstein besteht aus einer größeren 
Scholle mit vorherrschendem Südwesteinfallen und mehreren teilweise 
getrennt auftretenden Zungen: Die ganze Masse stellt einen von NW 
gegen SO streichenden Schichtenkomplex dar. Der Umriß ist ungefähr 
durch das Paltental, Strechental, Rohrachtal, Gollingtal, Stillbach, 
Reiterseespitz, Reiteralm, Bärwurzalm, Bärwurzpolster, Scheibelaln 
gegeben und ziehtin halber Berghöhe am Südhang des Paltentales gegen 
Rottenmann zu. Von den sich nach W fortsetzenden Zungen tritt die 
eine nördlich von Oppenberg, gegen den Gollingbach zutage, die andere 
zieht sich durch das Riedner Kar über den Hochgrössen in das Mitter- 
eggtal, die letztere mit südlichem Einfallen. 

Die Gpeismasse enthält, wie auch Vacek angibt, einen grani- 
tischen Kern oder besser intrusive Lager, welche sowohl am 
Nordosthange des Hauptzuges der Bösensteingruppe zutage tritt, als 
auch am Westhange, und zwar hier mit sehr mannigfachen Rand- 
bildungen, Apliten, Pegmatiten etc. Granitische Gesteine treten ferner 
auch an zwei Stellen im Gollingtal (Oppenberg) auf gleichfalls an 
den Gneis gebunden. Nun stellt der Gneis, in dem die Granite auf- 
treten, scheinbar einen echten Schiefergneis dar mit Übergängen in 
phyllitähnlichere Typen. Ebenso ist der Schiefergneis durch Übergänge 
mit den Glimmerschiefern verbunden. Die Stellung des Hornblende- 
gneises dürfte kaum der Basis der Gneismasse entsprechen, da die 
hornblendeführenden Gneise stets an der Grenze zwischen Gneis und 
den Glimmerschiefern auftreten. 


!) Das kristalline Schiefergebirge d. Nied. Tauern. Mitt. d. naturw. Vereines 
f. Steiermark 1878. 

?) Geolog. Studien in d. Grauwackenzone der nordöstlichen Alpen. Sitzungs- 
berichte d. k. Ak. d. Wiss. in Wien. 116. (1907), 118 (1909), 120 (1911). 


366 Erwin Kittl. [4] 


a) Granite und Orthogneise. 


Die granitischen Gesteine stellen in ihrer typischen Form mittel- 
feine, selten grobkörnige echte Granite dar mit basischen Schlieren, 
basischeren Faziesbildungen (Quarzglimmerdiorit), Apliten und Pegma- 
titen (Schriftgranit). Sie sind charakterisiert durch einen bei den 
sauren Typen immer vorhandenen Mikroklingehalt, der teilweise 
durch Schachbrettalbit ersetzt ist. Der einzige primäre Glimmer 
ist ein Biotit, der stets pleochroitische Höfe von beträchtlicher 
Größe zeigt. Die Farbe des Glimmers ist u. d. M. stets eine braune 
in verschiedenen Nuancen. Die optischen Eigenschaften der Plagio- 
klase entsprechen Mischungen von ungefähr 20°, Anorthitgehalt bis 
zu reinem Albit. Doch liegt die Vermutung nahe, daß in den basi- 
scheren Typen ursprünglich vielleicht ein basischerer Plagioklas ge- 
bildet worden war, der dann sekundär in Klinozoisit- und Muskovit- 
schüppchen sowie Albit zerfiel. Diese Einschlüsse sind fast immer 
zu sehen, oft sind dann derartige einschlußreiche Plagioklase mit 
einem Albitrande umgeben, der einschlußfrei ist. In einigen Gesteinen 
haben sich auch noch andere erkennbare Reste der alten Zonarstruktur 
erhalten, wie sie in Erstarrungsgesteinen zu sehen ist: es treten 
verschieden auslöschende Partien eines Individuums nebeneinander auf. 
Von deutlichem Kern und Hüllen ist gewöhnlich nicht mehr viel zu 
sehen. Muskovit fehlt als primärer Gesteinsglimmer. Ihrer chemi- 
schen Zusammensetzung nach sind die granitischen Gesteine teils 
helle, saure, kalireiche, teils basischere kaliärmere Gesteine, deren 
Kieselsäuregehalt zwischen 74—60°/,, schwankt. 

Als abweichend vom Normaltypus stelle ich fest: Granite von 
hellerer Färbung, mittelkörnig bis grobkörnig, biotitarm, in _Ver- 
bindung mit porphyrartigem Granit (porphyrische Feldspate) mit Über- 
gängen zu den schiefrigen Gesteinen, sekundäre Muskovitflasern 
kommen hier vor. Diese helleren Gesteine scheinen zu Randfazies- 
bildungen zu gehören (Fürst). 

Grobkörnige, flaserige Granitgneise treten als Randbildung 
der beiden ersteren auf, und zwar sowohl gegen den „Schiefer- 
gneis“ als auch gegen den Glimmerschiefer. _ 

Porphyrische Augengneise bilden einen Übergang der Flaser- 
gneise zu den Schiefergneisen oder Gneisphyllit. Die Augengneise 
zerfallen wieder in: 

0) Gneise mit weißen Einsprenglingen von Albit (Schachbrettalbit), 

ß) Gneise mit roten Feldspataugen und Muskovitflasern, 

) Hornblende führende Augengneise. Diese kommen nur am 
Schüttkogelzug vor. 


b) Schiefergneise (Paragneise) 


stellen die Hauptmasse der von der Intrusion betroffenen Scholle dar. 
Es sind teils dunkle, feingeschieferte Gneise mit Biotit und Muskovit 
inklusive der als Gneisphyllit bezeichneten Gesteine, teils Hornblende 
führende helle Schiefergneise, teils dunkle Quarz und Plagioklas 
führende Hornblendeschiefer. In diesen Gesteinen wurde stets 


[5] Geol.-petrographische Studien im Gebiete der Bösensteinmasse. 367 


die sogenannte inverse Zonenstruktur der Plagioklase kristalliner 
Schiefer- beobachtet. 

Als ein neues seiner Stellung nach noch nicht sicher bestimmtes 
Gestein soll ein biotitarmes Ganggestein von lamprophyrischem 
Charakter mit großen (bis 18 mm) Hornblendeeinsprenglingen genannt 
sein. Dieses Ganggestein durchschneidet die Gneismasse bei der 
Gefrorenseescharte und zeigt feinkörnige Randfazies. Es konnte 
auf mehrere hundert Meter verfolgt werden. 

Das Vorhandensein einer mehr oder weniger deutlichen dia- 
phthoritischen Umwandlung der granitischen Gesteine 
wurde schon angedeutet. Diese geht an stärker von einer Art dynamo- 
metamorphe Einflüsse betroffenen Gesteinspartien des Granites so weit, 
daß sekundäre Muskovitflasern und Kornflasern von Quarz auftreten; 
so erklärt sich vielleicht die Angabe mehrerer Autoren von Zwei- 
slimmergneis. Aber auch in allen anderen Gesteinen dürfte sich 
stellenweise diese Diaphthorese geltend gemacht haben, so daß ur- 
sprünglich vorhandene Kontaktwirkungen des Granites auf die alten 
Sedimente (Schiefergneis und Glimmerschiefer) nicht mehr als solche 
zu erkennen sind, wozu noch kommt, daß der Schiefergneis Kontakt- 
erscheinungen ohnedies schwer erkennen läßt. Aus diesem Grunde 
läßt sich der Flaser- und Augengneis seiner Herkunft nach oft mit 
Sicherheit weder als Orthogneis noch als Paragneis erkennen. Ferner 
liegt die Möglichkeit vor, daß als ein weiteres Produkt der Dia- 
phthorese jene quarzphyllitähnlichen Gesteine resultieren, die in 
einzelnen Aufschlüssen mit dem Schiefergneis eng verbunden erscheinen 
(Schüttkogel, Bärwurzpolster, Gollingtal). 


Einige Beziehungen der Gneismasse zu den Granat- 
glimmerschiefern und den Phylliten. 


Längs der ganzen Südgrenze der Gneise legt sich auf diese an- 
scheinend konkordant die große Glimmerschieferplatte, die sich 
weit nach Süden und Westen erstreckt. Ein Profil vom Gneis zum 
Glimmerschiefer (Fürst Hochschwung, NS) zeigt folgende Schichtfolge 
von unten nach oben: 1. Gneis, 2. Hornblendeschiefer, 3. Glimmer- 
schiefer mit Marmor- und Hornblendegarbenschiefereinlagerungen. Ein 
Östwestprofil vom großen Bösenstein zum Schüttkogel zeigt wieder 
über dem Gneis hornblendeführende Gesteine, darüber an einigen 
Stellen wenig mächtig eine Glimmerschieferplatte, die sehr unregel- 
mäßig und zerrissen ist, auf dieser noch quarzit- und serizitschiefer- 
ähnliche Gesteine.'Hierbei ist ausdrücklich zu bemerken, daß sich keine 
Diskordanz in der Lagerung zwischen Gneis und Glimmerschiefer er- 
gibt, wo die südliche Begrenzung in Frage kommt, die einzelnen am 
Schüttkogelzug eingestreuten Glimmerschieferschuppen verhalten sich 
teilweise anders. Im allgemeinen ergibt sich nun mit genügender 
Deutlichkeit, daß am BösensteinHornblendegesteine (Hornblende- 
gneise, Amphibolite) an der Grenze zwischen Gneis und 
Glimmerschiefer liegen. Auffällig sind noch gewisse Erscheinungen 
im Glimmerschiefer des Südkontakts gegen den Gneis (Orthogneis?). 
Es treten nämlich Erscheinungen auf, die an Kontaktmetamorphose 


368 Erwin Kittl. [6] 


erinnern nämlich: 1. Hornblendegarbenschiefer, 2. Fuchsitschüppchen 
im Glimmerschiefer, 3. Marmorbildung, 4. Pegmatite. Die schwarzen, 
feingeschieferten Amphibolitetreten nurim Granatenglimmerschiefer 
auf ohne sichtbaren Zusammenhang mit der Intrusion des Granits. 

Im Gegensatz zu dem südlichen normalen Kontakt ist die Grenze 
der Gneismasse gegen Nord und Ost eine anormale. Die Gneis- 
masse stößt im Norden und Osten an die gewöhnlich steil aufgerichteten 
Phyllite der Karbonserie, bei der Pacheralm und den Pehtalerhütten 
zum Beispiel erscheint sie sogar auf die Phyllite und Kalke hinauf- 
geschoben. Da indessen die Beobachtungen über die Schieferhülle nicht 
soweit vorgeschritten sind, um eine sichere Mitteilung zu machen, so 
soll hier nur festgestellt werden, daß die Grenze der Gneismasse 
gegen Süden (Glimmerschiefer) verschieden ist von der Nord- und 
Östgrenze gegen die karbonischen Phyllite. Der Südkontakt stellt 
wahrscheinlich die alte ursprüngliche Grenze des Schiefergneisgebietes 
gegen die darüberliegenden Glimmerschiefer dar, während im Norden 
und Osten vielleicht tektonische Vorgänge einen großenteils anormalen 
Kontakt mit den jüngeren, karbonischen Schiefern bewirkt haben, so 
daß zum Beispiel bei Oppenberg Granit direkt unter Quarzphyllit liegt 
oder am Schüttkogel Quarzphyllitschollen konkordant mit Schiefergneis 
liegen, wobei es in beiden Fällen möglich ist, daß die ursprünglichen 
Gneise zu Phylliten diaphthoritisiert wurden. 


Der Serpentinstock des Hochgrössen. 


Bemerkenswert ist der Nachweis eines großen Peridotitvor- 
kommens am Hochgrössen westlich vom Schüttkogelzug. Dieser Ser- 
pentinstock wurde von meinem Vater im Jahre 1906 aufgefunden. 
Der Serpentin liegt ungefähr zwischen der Gneiszunge des Riedner- 
kares (Gollingtal) und Quarzphylli. An der Südgrenze des Hoch- 
srössenserpentins, wo dieser von dem Gneis wahrscheinlich überlagert 
wird, treten Hornblendegesteine auf, und zwar Granatamphibolit 
mit körniger Struktur und Hornblendegneise. Im Norden, wo der Ser- 
pentin von einem quarzphyllitischen Gestein unterlagert wird, treten 
gleichfalls hornblendeführende, aber immer schiefrige Gesteine auf. 

Was die Lagerung zwischen Schiefergneis und Quarzphyllit — 
der vielleicht ein diaphthoritisierter Schiefergneis ist — betrifft, so 
bildet sie für den Serpentin vom Hochgrössen einen wesentlichen 
Unterschied zum Serpentin vom Lärchkogel, der wie Heritsch!) 
angibt, zwischen karbonischen Phylliten liegt. In petrographischer Hin- 
sicht ist der Serpentin des Hochgrössen ein Abkömmling eines Peri- 
dotitgesteins, wie die vorhandenen Olivinreste deutlich erkennen 
lassen. Antigorit und Chromit bilden die anderen wichtigsten 
Bestandteile des Gesteins. 

Die erwähnte Lagerung des Serpentins im altkristallinen Gebirge 
sowie die Begleitung des Serpentins durch Amphibolgesteine scheint 
auf eine Analogie zu dem Vorkommen von Kraubat hinzudeuten. 


!) Sitzungsbericht d. k. Akad. d. Wiss. in Wien |]. c. 


Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek, Wien III. Steingasse 25. 


Tafel X. 


Richard Beck: Die Zinnerzlagerstätten von Graupen 
in Böhmen. 


Jahrbuch d., k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Bd., 1. u. 2. Hft. 47 


Fig. 1. 


Fig. 2. 


Fig. 3. 


Fig. 4. 


Erklärung zu Tafel X. 


Topasrosetten aus einer Greisenzone im Graupener Granit bei 50facher 
Vergrößerung. -- t = Topas. — q = Quarz (hell). — gl = Lithionglimmer. 


Dunkelgrauer Zwitter des Mahler Zuges. — gl = Lithionglimmer. — q = 
Quarz. — Z = Zinnstein (alle dunklen Partien). 50 fach. 


Grobkörniger topasreicher Greisen der Zwickenpinge. 50 fach. — ? = Topas 
(hellgrau), — A = Fluorit (dunkelgrau). 


Partie aus dem Luxer Gang bei polarisiertem Licht, X Nicols. 50fach. 
a = Apatit. — f = Feldspat. — fi = Fluorit. 
Die Feldspate zeigen verschiedene Grade der Helligkeit bis ganz Dunkel, 


Tafel XI. 


Richard Beck: Die Zinnerzlagerstätten von Graupen 
in Böhmen. 


47* 


Fig. 1. 


Fig. 2. 


Fig. 3. 


Fig. 4. 


Erklärung zu Tafel XI. 


Fluoritbreccie vom Luxer Gang bei 50 facher Vergrößerung. — Z — Zinn- 
stein. — gl —= Lithionglimmer. — fl = Flußspat. — f = Feldspataggregat 
als jüngste Bildung. 


Dünnschliff einer feldspatreichen Partie des Luxer Ganges. 50fach. — 
S = feinkörniges Feldspataggregat mit Eisenoxydstäubchen. — fl = Fluorit- 
— 0 — Lithionglimmer. — Z = Zinnstein. 


Dünnschliff einer glimmerreichen Partie desselben Ganges. — gl = Glimmer. 
— /l = Fluorit, getrübt. — A = Dunkele Höfe im Glimmer um Mikro- 
lithen von Zirkon herum. — !—= Lücken im Präparat. 50 fach. 


Dünnschliff einer feldspatreichen Partie des Luxer Ganges bei halb ge- 
kreuzten Nicols. 50 fach. — f = Feldspat. — gl = Glimmer. — a = Apatit. 


Tafel XII. 


Richard Beck: Die Zinnerzlagerstätten von Graupen 
in Böhmen. 


Erklärung zu Tafel XII. 


Fig. 1. Dünnschliff durch die Salbandzone des Luxer Ganges. 30fach. — f = 
Feldspat. — A = Fluorit. — Z — Zinnsteinanreicherung parallel dem 
Salband. — a — drei Apatitkristalle mit Beginn von Korrosion. 


Fig. 2. Dünnschliff durch eine quarzige Partie des Luxer Ganges. 50fach. — 
q = Quarz. — gl = Lithionglimmer. — t = Triplit. 


Fig. 3. Dünnschliff durch einen Wolframit vom Luxer Gang. 50fach. — w = 
Wolframit. — q = Quarz. — Z = Zinnstein. 


Fig. 4. Körnig-kristalliner Topasfels vom Unverhofft-Flachen bei halbgekreuzten 
Nicols. 50 fach. 


Zwischen den Topaskörnern bei X Lithionglimmer. 


Tafel XIll. 


Richard Beck: Die Zinnerzlagerstätten von Graupen 
in Böhmen. 


Erklärung zu Tafel XTII. 


Photographie einer Gangstufe vom Unverhofft-Flachen am Mückenberg. 
Die Kanten messen in Wirklichkeit 25 X 20 X 17 em. 


Die dunkleren Partien sind Topasfels, die helleren bestehen wesentlich aus 
Steinmark mit eingestreuten großen Kristallen von Zinnstein. 


Karl C. v. Loesch: Der Schollenbau im Wetterstein- und Miemingergebirge. Taf. I 


Tectonisches Übersichtskärtchen 


des\Wetterstein-und Mieminger Gebirges. 
Maßstab 4: 125.000. 


A.Scholleneinteilung der Triasmassen. 
AR N Wamberger Vorberg- 
N Scholle, scholle. 
Vorschunnen der Randzonen 
ER None La) = 0 ja She 
R | __]Mieminger- 
1.Nordjlügel BEI Avis Haupt 2 
- n z 7 2 welterstein- N 
RT E Ostlich hol master, 
BEN östihe! ll DI 
Hauptdolomit-Plattenkalhk Kössener-Neocom DEBE Leutasch- 
Scholle 


D.Mittl Teil 
Die strihnunktierten Linien 4-4 bis 44-44 entsprechen den Profilen der Profiltafel. ® Auftauchen von Raibler Rauhwachen im Loisachtale 


Mit ausdrücklicher Genehmigung Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


des k. Bayr. Topographischen Bureaus, Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III. Rasumoffskygasse 23, 


* 
# 


2A ES 


K. C. v. Loesch: Schollenbau im Wettersteingebirge etec. Taf. II. 


I2 schematisierte Profile durch das Wettersteingebirge, 


das Miemingergebirge und das nördliche Vorland im Maßstab 1:135.000, entworfen von K.C. v.Loesch nach Aufnahmen 
von Reis, Ampferer, Rothpletz, Heimbach und eigenen Aufnahmen. 


Die Profilstrecken sind in das Übersichtskärtchen eingetragen. 


WILDSTEIGKOPF 
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JURA #ALT KREIDE WETTERSTEINKALK PLATTENKALK DILUVIUM etr. 
VERWERFUNGEN u. UBERSCHIEBUNGEN +++" VERMUTLICHE UBERSCHIEBUNGEN R£sr. HILFSCONSTRUCTIONEN INNERHALB DER EINZELNEN PROFILE. 
er WETTERSTEIN- VORSCHUPPE WETTERSTEIN-HAUPTSCHOLLE MSemmz WAMBERGER-SCHOLLE 
—...—.- LEUTASCHER u. ZWISCHEN-SCHOLLE VORBERGS-SCHOLLE_7° == NORDGRENZE over MIEMINGER-SCHOLLE 
LT ERTEILT VERBINDUNG UNTERGEORDNETER VERWERFUNGEN 


Kunstanstalt M. Jaffe. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III, Rasumofskygasse 23. 


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K. C. v. Loesch: Der Schollenbau im Wetterstein- und Mieminger-Gebirge. 


Schollen-Schema I. 


Karwendel Arderspitz. Naral, 9 
Hauntkamm 


Vorgebirge 


1 Jüngste 
000 Überdeckung. 


N 


Isartal 


Barmsee 


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Vorbergscholle 1] 
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Mieminger % 7 Südjlügel EHE Scholle 
Scholle uge f 
Süd NN Trias > Schub 3 Vorschunne 
Nordflügel 
massen. ITTI]ver Wetter- 
stein- 
Östlihe‘ scholle. 


EIBSEE RIFFELWALD 


U. EHRWALD A 


Basales Gebirge 


Taf. I. 


Schollen-Schema II. 


STEGERWALD 
ELLMAU 


Smunu.., 


"eo... 


HÖLLENTHOR K, 
KEILSCHROFEN 


1000 m 


(0) 


MEILERHÜTTE KIRCHLESPITZ 


PARTNACHT 
1000 m 


westl. Hauptwetter- 


MM stein-Scholle 
el Mieminger-Kar- 


wendel-Scholle 


NN Wamberger-Scholle IT] östl. Hauptwetter- 
orich d. Well stein-Scholle 
orschuppe d. Wetter- 
stein Scholle = Leutascher Scholle == Zwischenscholle 
Kunstanstalt M. Jaffe. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23. 


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R. Schubert: Pavonitina. Taf. IV. 


Kunstanstalt Max Jafie, Wien. 


Autor mikrophot. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III., Rasumofskygasse 23. 


G. Gillitzer: Südgebiet des Peissenberger Kohlenreviers. Taf. V 
als Ve 


\„, Nördliche Hauptverwerfung 


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Geologische Übersichtskarte 


1:70.000. 


Erklärung: 


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Jahrbuch. der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23. 


G. Gillitzer: Südgebiet des Peissenberger Kohlenreviers. 
Taf. VI. 


Nr.1. Profil von Peiting nach Echelsbach. 2 
Nord 1: 35.000. 24 Sud / 


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7 4 
ER / KZ = Konglomeratzone 
q MS = untermarine Sundsteine 
TM = untere Tonmolasse 
<sz>= Überdeckung 
Nr.?. Nordsüdprofil von der Ammerbrücke über Eyachmühle-Geigersau zur Ach. 
1: 35.000 Süd 
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Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23. 


G. Gillitzer: Südgebiet des Peissenberger Kohlenreviers. NatoaviDl. 


Nr. 3. Achprofil von Oberhausen nach Uffing, 


N 1: 35.000. 
E 2 
il Süd 
Achbrücke Sohweinberg 
w. Oberhausen Sattel von St. Nikolaus (Achberg) 
P 683 P 690 i P.694 eon reeheten I uffi 
Heimgarten a 
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+ 500m N Yin NIONIEREEN FAN == \ R SS var” AUGE E77 +500 m 
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Peissenberger\ 
Mulde 


Nr. 4. Lechprofil von Dessauermühle nach Urspring, 
1: 35.000. 


Nord “ / 


Dessauermühle Breitblohl ‘ Bo 
! Biuoh P 724 Lechen an 2 Urspring v I 
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+600 m +600 m 


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Peissenberger Mulde\ VENEN ee a l 
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Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Band LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23. 


2. 


E. Nowak: Silur an der Beraun. 


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10km 
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1000m 500 ( 1 2 E} R hi 1 7 R 
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1000 500 0 000 2000 3000 FR 5000 6000 7000 8000 9000 10000 Schritte 
= — — ” — + cz & 
flach fallend steil fallend saiger Gewölbe gefaltet 


(unter 35°) (über 35°) 


Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23. 


Ausgeführt im k. u. k. Militärgeographischen Institute in Wien. 


Tafel VIII. 


+ 


Dunkle Tonschiefer 


Präkambrium 
(Barr. Et.B.z.T.) 


| 


Kieselige Schiefer 


| 


Quarzkonglomerate und 
Grauwacken £ 
Kambrium 
(Barr. Et.B.z.T.) 


Einlagerungen von rotem 
glimmerigen Schiefer 


HB 


Grauwacken, Roteisenstein 
und schwarze Tonschiefer 


Unter-Silur 


EILAD)E 
ikakın (Barr. Et ) 


Grauwackenschiefer und 
dunkle Sandsteine 


Bez 


Helle Tonschiefer und 
quarzitische Sandsteine 


BEE: Ober-Silur 


Graptolitenschiefer 


Schotter und Sand 


DRSrMars7e 


A Diluvium 
ee 


Lehmiger Detritus 
mit Quarzitbrocken 
(Gebirgsschutt) 


Alluvium 


Diabas 


Eruptivgesteine 


En 


Porphyr 


Vermutete Übersehiebungen 


Richard Beck: Zinnerzlagerstätten von Graupen in Böhmen. Taf. IX. 


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400m 0 =) 500m ARım 2 Km 


Dlave Klüfte ( Basaltgänge) Hnödler Revier: > Abendstenzbang 
Zinnerzgänge (im Ausstrich) ze Enbenaruciere, 

(in Stollnteufe) AHlösenberger Revier 2 2 z fedie ange 1 Daun des Johannes-Stollns 
Granit Mückenberger Revier: 2: ER EEE 


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Granitporphyr 9- Qerz- - 
MID 
ee 


10= Kreuzgang- - 
Tenlitzer 11= Unverhoffl-Gang 
eplitzer Quarzporphyr 12= Wolfgang Stehender 


Luxergang’Revier: 13= Edle Kluft 
Gangporphyr 14= Dreifelnigkeits-Gang 
15° Luxer-bang 


Oneis 16* . "in der Sohle des Martini-Stollns 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III, Rasumofskygasse 23. 


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Rich. Beck: Erzlagerstätten von Graupen in Böhmen. Taf. X (I). 


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Fig. 4 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV. 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, IIl., Rasumofskygasse 23. 


Rich. Beck; Erzlagerstätten von Graupen in Böhmen. Taf. X] (Ill). 


Fig. 3 Fig. 4 
Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, IIl., Rasumofskygasse 23. 


Rich. Beck: Erzlagerstätten von Graupen in Böhmen. Taf. XII (IV). 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23, 


Rich, Beck: Erzlagerstätten von Graupen in Böhmen. Taf. XIII. (V), 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23, 


©. Ampferer: Geol. Bau der westl. Lechtaleralpen. Tafel XIV 
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Kunstanslalt M. Jaffe 


Jahrbuch der K. k. Geologischen Reichsanstalt, LXIV. Bd,, 1914. 
Verlag der K. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien Ill, Rasumolskygasse 23. 


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R. Zuber: Punjab, Taf. XV (N). 


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1. Gestein mit Assilina spira 2. Konglomeratische Lage mit Num- 
von Golra. Nat. Größe. mulites inerassatus. Jaba, Vergr. X 7, 


Lichtdruck v. Max Jafle, Wien 


3. Kalkstein mit kleinen Assilinen und 4. Kalkstein mit kleinen Assilinen 
Orthophragminen, Südl. von Mari. und Orthophragminen. 
Vergr.X7. Südl. von Khairabad. Vergr. X 7. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, IIl., Rasumofskygasse 23. 


R. Zuber:; Punjab. Taf. XVI 


3. Salt Range. Steilabstürze im Productus-Kalk oberhalb Sanwans. 


ee 
A a Aapee 


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Lientdruck v. Max Jang, Wien. 


6. Hochebene des Polwär bei Golra mit der mauerartig aufsteigenden Margala-Kette. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, II., Rasumofskygasse 23. 


F. Siebenrock: Testudo kalksburgensis Toula. Taf. XVII. 


Fig. 1. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Band LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23. 


b | cn; EN 
erh 


Taf. XIX. 


nitischen Gesteine der Bösensteinmasse 


Nicht ausgeschieden wurden : Quarzglimmerdiorit. Hornblendegesreine, ferner Schiefer-bnelss 


‚auf rund der Aufnahmen von Ernst Kill} gezeichnet von Erwin Hittl. 
die Desteine der Öranatenglimmerschielerzone. die Phyllit-besteine sind 


Hartenskizze der 


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Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 


Börıurz: i 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23. 


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N und 2. Heft. an. 
AN Seite: 


Der Schollenbau im Wetterstein-, und Mieminger-Gebirge. Von K. C. von 
Loesceh. Mit 3 Tafeln (Nr. T-ID, einem a rare, und 4 Tin. 
stratichen. im Taxe... 7 Br RER Tax ba 

Über Gebirgsspannungen und Aebirgsschläge. Von Dr. &. A. Weithofer 99 | 

Pavonitins styriaca, eine neue Foraminifere aus dem Ban as ERUNER ER 
Von Dr. Richard Schubert. Mit einer Tafel (Nr. IV). 148 . 

Geologie des Südgebietes des Peißenberger Kohlenreviers im Kol, ba 
ärar. Reservatfeld. Von Dr. Georg Gillitzer. Mit einer Benlospprhen 
Übersichtskarte (Taf. Nr, V) und 4 Profilen (Taf. Nr..VI-VID) 2.2.19 

Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. (VI, ‚Mir- 
teilung), Von Max Bamherger und Karl Krüse. Aus dem Labo- 
ratorium für anorganische Chemie an der k. k. Technischen Hochschule ; 
in. Wien und aus dem chemischen Lahoratorium der k. k Lehrags 
bildungsanstalt in Innsbruck. Mit einer Textillustratiin .. ... .189 

Geologische Untersuchungen im Sudflügel des mittelböhmischen Silur. Von. 
Ernst Nowak. Mit 1 Tafel (Nr. VIM) und 11 Textfiguren . RD) 

Die Zinnerzlagerstätten von Graupen in Böhmen. Von Richard Beck in 


Freiberg. Mit 5 Tafeln (Nr. IX—XII) und 15 Textiguren ... .... 269 
Über den Bau der westlichen Lechtaler Alpen. Von Dr. Otto Ampferer. 

Mit einer Tafel (Nr. XIV) und 4 Texifiguren. . 22... 20. 307 - 
Beiträge zur Geologie des Punjab (Ostindien). Von Prof. Dr. hd Zuber. 

Mit 3 Tafeln (Nr. XV -XVI) und 19 Textfiguren ....!.... 827 
Testudo kalksburgensis Toula aus dem Leithagebirge. Von Kustos F.Sieben- 

rock, Wien. Mit einer. Tafel (Nr. AVIUN Gare a. SS 857 


Geologisch-petrographische Studien im Gebiete der TR RER (Rotten- 
manner Tauern). Mit Benützung der Aufnuabmen von Ernst Kisel DB 
von Erwin Kitt]. Mit einer Kartenskizze (Tafel Nr. XIX)... . .368 


ea — 


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NB. Die Autoren allein sind für den Inhalt und die Form 
ihrer Aufsätze verantwortlich. 


Gesellschafts-Buchdruckerei ‚Brüder Hollinek, Wien III, Steingasse 23. 


Ausgegeben Mitte Mai 1915. 


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|  JaurBuch 


2 KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


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F "JAHRGANG 1914. LXIV. BAND. 


3. Heft. 


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Wien, 1915. 
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 


In Kommission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. u. k. Hofbuchhandlung 
I. Graben 31. 


Das Tennengebirge. 
Von Eberhard Fugger. 


Mit einer Tafel (Nr. XX) und 5 Illustrationen im Text. 


Einleitung. 


Ich habe im Sommer 1884 einige Zeit in Abtenau zugebracht, 
während Dr. Alexander Bittner seine geologischen Aufnahmen an 
der Ostseite des Tennengebirges machte, und ihn wiederholt auf seinen 
Exkursionen begleitet. Den Sommer 1904 brachte ich in Kuchel bei 
Golling, den Sommer 1905 in Werfen und jenen von 1906 in Bischofs- 
hofen zu und führte zahlreiche Begehungen im Gebiete des Tennen- 
gebirges aus. Aufgebaut auf die Arbeiten Bittners, seine Tage- 
bücher und Publikationen sowie auf meine eigenen Aufnahmen ist 
die nachfolgende Arbeit entstanden. Ich habe alle besprochenen 
Punkte selbst gesehen mit Ausnahme des Plateaus, über welches 
jedoch die verläßlichsten Aufzeichnungen von Lipold, Bittner und 
Geyer vorhanden und von mir benützt worden sind. Außerdem habe 
ich ein Manuskript von Karl Mayrhofer, welcher seinerzeit Kon- 


trollor bei der k. k. Berg- und Hüttenverwaltung Werfen war, über 


die Bergbaue und ein Gutachten C. W. Gümbels über den Bergbau 
Larzenbach sowie persönliche Mitteilungen von Heinrich Prinzinger 
und P. Anselm Ebner ausgiebig verwertet, am ausgiebigsten aller- 
dings die Arbeiten meines leider zu früh verstorbenen Freundes 
Bittuer; ich führe seine Angaben meist wörtlich mit „Gänse- 
füßchen“ an. 


Topographie. 


Im Süden der Stadt Salzburg, das herrliche Salzachtal begren- 
zend, erhebt sich ein Gebirgsstock, der sowohl durch seine Höhe 
und Ausdehnung als auch die grotesken Formen seiner Spitzen die 
Aufmerksamkeit der Naturfreunde erregt — das Tennengebirge. Die 
Salzach mit ihren beiden Nebenflüssen, Fritz und Lammer, 
sowie ein Zufluß der ersteren, der Martiner Bach und ein sölcher 
der letzteren, der Karbach, bilden seine Umrahmung. Die Salzach 
bespült den Fuß des Gebirgsstockes im W in einem langen, engen, 
mehrfach gewundenen Erosionstal, welches sich erst bei Werfen 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 48 


370 Eberhard Fugger. . [2] 


verbreitert, und nimmt in der Nähe von Bischofshofen die Fritz 
auf, deren Lauf von OÖ nach W gerichtet ist und in welche bei 
Brunnhäusl der von N, von der Wasserscheide bei St. Martin 
kommende Martiner Bach mündet. Die Lammer entspringt am Fuße 
der Steilwände des Tauernkogel, richtet ihren Lauf zuerst nach O, 
wendet sich bei Lungötz nach N bis in die Abtenau und endlich 
nach W, um sich in der Nähe der Duscherbrücke bei Golling 
in die Salzach zu ergießen. Bei Lungötz erhält die Lammer einen 
Zufluß von S her, den Karbach. 

Die genannten Gewässer sind die Grenzen des Tennengebirges: 
die Salzach im W, die Fritz im S, der Martiner und der Karbach 
sowie der Mittellauf der Lammer im OÖ und der Unterlauf der 
letzteren im N. 

Der Gesamtflächenraum des Tennengebirges samt seinen Vor- 
bergen im N und S beträgt ungefähr 350 km?, das eigentliche Hoch- 
gebirge, das Kalkmassiv, nimmt von dieser Fläche nur etwa 140 km? ein. 

Im NW tritt das Hochplateau direkt an die Salzach und fällt 
gegen diese in Steilwänden ab. Erst etwa von dem Eisenwerk Konkordia- 
hütte beginnen die südlichen Vorberge, welche sich nun an den ganzen 
Südabfall des Hochgebirgs in einer Ausdehnung von 7 bis 8km an- 
schließen. Die Vorberge ziehen sich mit allmälich abnehmender Breite 
an die Ostseite des Kalkmassivs und verflachen sich in dem Hügelland 
von Abtenau, welches den Nordostrand des Gebirgsstockes bildet. 
Westlich dieses Hügellandes erheben sich dann als mächtige nördliche 
Vorberge die beiden Strubberge, und daran schließen sich in einem 
stetig schmäler werdenden Bande, dessen Breite in der Nähe der 
Mündung der Lammer in die Salzach kaum 1 km beträgt, der Sattel- 
berg und das Lammereck an. 

Zahlreiche Bäche entspringen am Fuße der Steilwände oder 
kommen in den Furchen des Gebirges ins Tal herab; so rauschen bei 
Regengüssen oder zur Zeit der Schneeschmelze in den zahlreichen 
Rinnen und Runsen der Westwände schmutzige Fluten, reichlich 
Schutt mit sich führend, durch für gewöhnlich trockene Flußbette 
herab und gefährden Straße und Eisenbahn; erst südlich von Arthof, 
wo die eigentlichen Vorberge beginnen, treten richtige Quellen auf, 
die dann als Bäche auch regelmäßig das ganze Jahr hindurch fließen. 

Zu diesen gehören der Gundacker-, Loipfer-, Setzenberg- 
und Staudachbach, welche unter dem Hochpfeiler entspringen 
und nach kurzem Lauf zwischen Konkordiahütte und Schloß Werfen 
in die Salzach fließen. Südlich davon, gerade gegenüber dem Schloß 
Werfen mündet bei der Kalcherbrücke der mächtigere KalcherBach, 
welcher aus der sogenannten Schnepfries, einer langgestreckten, 
breiten Schutthalde kommt und am rechten Ufer den Fallerstein-, 
am linken den Reichhofgraben aufnimmt; alle drei Gräben 
entspringen unter dem Raucheck, und zwar der letztere im so- 
genannten Suppenwald. Nun folgen gegen S einige kurze Bäche 
bis zum Weiler Schlaming; zwischen diesem Weiler und Scheiben- 
hub mündet der Retten- oder Schlaminggraben, dessen 
Gewässer aus dem Gehänge zwischen dem Suppenwald und der süd- 
östlich davon gelegenen Kreuzhöhe stammen. 


[3] Das Tennengebirge. 371 


Unmittelbar bei der Salzachbrücke und der Eisenbahn-Haltestelle 
Pfarrwerfen ergießt sich der Wenger Bach in die Salzach. 
Seine Quelle und seine ersten Zuflüsse kommen von der großen halb- 
kreisförmigen Mulde, welche von der Kreuzhöhe, den nordöstlich 
daranschließenden Gipfeln desPlateaus: Hoher Thron, Fieberhorn, 
Hocheck, Bruckkogel, Eiskogel, Tauernkogel bis zum 
Jochriedl (in der Generalstabskarte irrtümlich Jockelriedl 
genannt) zieht. Er durchfließt die Wenger und Fromer Au, nimmt 
bei Werfenweng am linken Ufer den vom Jochriedil kommenden 
Steiner Bach mit dem Zaglauer Bach, bei Arnoldstein 
ebenfalls am linken Ufer den von SO aus der Einsattlung zwischen 
Zaglauer Berg und dem Fraueneck herabziehenden Eck- 
graben und wenige Schritte weiterhin am rechten Ufer den an der 
Kreuzhöhe nächst der Elmau-Alpe entspringenden Faistengraben 
auf. Sein Niederschlagsgebiet ist sohin ein sehr bedeutendes. 

Der nächste größere Zufluß der Salzach in unserem Gebiete ist 
die Fritz. Diese entspringt unter der Bischofsmütze, fließt anfangs 
südlich, dann in fast westlicher Richtung auf langem Wege zur Salzach. 
Von der Haltestelle Brunnhäusl ab bildet sie die Südgrenze des 
Tennengebirges und nimmt an ihrem rechten Ufer eine Anzahl von 
Seitenbächen auf, so bei Brunnhäusl den von St. Martin kommenden 
Martiner Bach; wenig weiter gegen W fließt ihr der kleine Aitl- 
bach zu, und bei Hüttau mündet der Larzenbachgraben, 
welcher am Fromerkogel entspringt und in einer langen Strecke 
fast geradlinig in nordsüdlicher Richtung zur Fritz fließt. Außer den 
Quellbächen erhält der Larzenbach nur wenig Zuflüsse: am linken 
Ufer den Lindau-, am rechten den Rotgraben. 

Weiter westlich münden in die Fritz der Greißenbach und 
noch einige andere kleinere Bäche, welche alle am Fraueneck 
entspringen, und weiterhin einige noch unbedeutendere, welche vom 
Mandlkopf und Spareck kommen. 

Am Karrain (in der Generalstabskarte als Korein bezeichnet) 
entspringt in drei mächtigen Quellen der Karbach. Dieser fließt 
von der unteren Karalpe ab in ungefähr östlicher Richtung bis 
Schwaighof, erreicht dann bald die Straße, welche von St. Martin 
nach Lungötz führt und begleitet diese als östlicher Grenzfluß in 
der Richtung nach N bis Lungötz, wo er in die Lammer mündet. An 
seinem linken Ufer nimmt er einige kleine Seitenbäche, den Haar- 
reiter-, Oberschober- und Mehreckbach, auf. 

Die Lammer selbs: entspringt am Ostfuß des Tauernkogel 
und fließt anfangs gegen O bis Lungötz, dann als Grenzfluß ungefähr 
nordwärts bis Hedeck, wendet sich von da in einem weiten Bogen 
in vielen Krümmungen allmählich westwärts, um die Strubberge 
herum, um ihr tiefgrünes, stellenweise smaragdgrünes Wasser schließlich 
in der Nähe des nördlichen Mundloches des Gollinger Tunnels in die 
Salzach zu ergießen. Die Seitenbäche, welche ihr aus dem Gebiete 
des Tennengebirges zufließen, bilden eine ziemlich große Anzahl. Sie 
nimmt am rechten Ufer in der Nähe des Spießhofes den Schö- 
berlbach auf, dessen Quellen in der Mulde zwischen Karrain, 
Fromerkogel und Hochschober liegen; unterhalb des Moos- 

48* 


372 Eberhard Fugger. . [4] 


gutes den Moserbach, der mit seinen Zuflüssen vom Höhen- 
eckl!) und von Oberhaarreit kommt, und bei Lungötz den 
bereits genannten Karbach; am linken Ufer einen Zufluß von der 
Riffelwand und einen von der Königswand; östlich von diesen 
den Gappengraben, welcher unterhalb des Sattels zwischen der 
Gappenhöhe und dem Gwehenberg entspringt, von da südwärts 
fließt und bei Krasthof mündet. An der Strecke von Lungötz bis 
Hedeck ist nur der Gwehenberggraben von Bedeutung. Er 
sammelt seine Zuflüsse aus der gegen O offenen Mulde, welche von 
der Königswand, dem Sonntagskogel, der Tagweide, dem 
großen und kleinen Traunstein und dem Schoberstein um- 
schlossen wird, nimmt oberhalb der Ortschaft Gwehenberg einen 
an der Nordseite des Sattels zwischen der Gappenhöhe und dem 
Gwehenberg entspringenden Seitenbach auf und mündet am linken 
Lammerufer bei der Kapelle nächst Hedeck. 

Bei Diegrub mündet der Schoberbach, welcher im 
Schoberwald zwischen Schoberstein und Peilwand entspringt; 
nächst der Lammerbrücke der Straße Abtenau--Rußbach der Fisch- 
bach oder Raingraben, welcher von der Peilwand, dem 
Schoberstein und dem Scheffkogel sein Wasser erhält; nördlich 
des Scheffkogels der Egelseebach, der Abfluß des Egelseegrabens; 
bei Benzenau endlich der mächtige Schwarzenbach, welcher 
unter dem Namen Aubach zwischen dem Höllkar und dem 
kleinen Breitstein entspringt und in nordnordwestlicher Richtung 
zur Lammer fließt. Er nimmt an seinem linken Ufer den Abfluß des 
Tricklfalles samt dessen vom SO-Ende des Vorderstrub- 
berges kommenden Seitenbaches, dann den Erler Graben auf, 
welcher am Sattel zwischen den beiden Strubbergen seine Quellen 
hat und das SO-Ende des Hinterstrubberges vom Arlstein 
scheidet; dann am rechten Ufer den Tiefkargraben, welcher am 
großen und den Kehlhofer Graben, der am kleinen Traunstein 
entspringt, und schließlich den Eggenreuter Bach, welcher ebos 
falls vom kleinen Traunstein kommt. 

Zwischen beiden Strubbergen fließt der Sattelbach vom 
Hochsattel gegen NNW und am Westrande des Vorderstrubberges 
der Schwarzbach mit dem Abfluß des Wienerfalles. 

Westlich davon folgen noch zwei kleine und kurze Bäche, der 
Wieserbach, welcher beim Bartl-Wirtshaus, und der Berger 
Graben mit seinem rechtsseitigen Zufluß, dem Infanggraben, 
welcher beim Bergergut mündet. 


Damit wären die nur einigermaßen bemerkenswerten Bäche ver- 
zeichnet, Es ergibt sich aber aus ihrer immerhin beträchtlichen 
Anzahl ein Urteil über die ganz bedeutende Gliederung, die reichliche 
Durchfurchung des Terrains. 


% 


!) In der Generalstabskarte steht hier statt Höheneckl der Name Hühner- 
kehlkopf, ein Name, der von dem betreffenden Mappeur .offenbar falsch verstanden 
wurde, als man ihm denselben genannt hat. Das Volk nennt diesen Punkt das 
Höheneck], Diminutiv von Höheneck, ein Wort, das im Dialekt allerdings wie 
Henneckel klingt. 


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r N [5] Das Tennengebirge. 373 


Literatur. 


1844. Karl Mayrhofer, Bericht über verschiedene alte Bergbaue. Manuskript. 


185]. Marcus Vincenz Lipold, Schilderung des Tennengebirges. Jahrb. d. k. k. 
geol. R.-A., II., pag. 79—84. 


1881. P. Anselm Ebner, Briefliche Mitteilungen. Manuskript. 


1883. Alexander Bittner, Tagebücher. Manuskript. 

1884. — Verh. d. k. k. geol. R.-A., pag. 48—87; 99—113; 358—367. 
1886. — Ibid. pag. 130—134; 387—398. 

1837. — Ibid. pag. 301. 


1884. Ludwig Purtscheller, Das Tännengebirge. Zeitsch. d. Deutschen und 
Österr. Alpenvereines. XV, pag. 102—139, wit 1 Karte. 


1886. Georg Geyer, Über die Lagerungsverhältnisse der Hierlatzschichten in der 
südlichen Zone der Nordalpen vom Paß Pyhrn bis zum Achensee. Jahrb. d. 
k. k. geol. R.-A. XXXVI, pag. 271—273. 


1894. Franz Wähner, Geologische Bilder von der Salzach. Verein z. Verbreitung 
naturwiss. Kenntnisse in Wien. 34. Jahrg., Heft 17, pag. 35—45. 


1893. Emil Böse, Beiträge zur Kenntnis der alpinen Trias. I. Zeitschr. d. Deutschen 
geol. Gesellschaft, pag. 569. 


1910. Hans Rein], Das Salzgebirge von Grubach und Abtenau. Österr. Zeitschr. 
f. Berg- u. Hüttenwesen. Nr. 15 und 16. 


Der Pass Lueg. 


In nächster Nähe der Reichsstraßenbrücke über die Lammer, 
der sogenannten Duscherbrücke, befindet sich am Lammerufer 
ein Steinbruch im Liaskalk mit Arten von Arietites, Aegoceras, 
Lytoceras, Phylloceras, Nautilus, Atractites und andere Petrefakten. „Es 
sind rote Kalke oder auch graublaues Gestein, dessen Färbung augen- 
scheinlich durch Verwitterung hervorgerufen wurde.“ (Lipold.) Die 
Kalke streichen ungefähr von O nach W und fallen nach N; „in W 
sind sie von Dachsteinkalk unterlagert, im S stoßen sie an den höher 
liegenden Dachsteinkalk an. Nördlich von den Liaskalken stehen 
direkt am Ufer und in der Lammer die dunklen Guttensteiner 
Kalke an. 

Die Straße von der Duscherbrücke zum Paß Lueg führt genau 
im Schichtstreichen der Dachsteinkalke hin, welche nach NNO fallen. 
Ein Fußweg führt von der Straße rasch aufwärts über Zimmerau 
nach Brunneck. An diesem Wege kommt man sehr bald in den 
Dachsteinkalk und nach kurzer Strecke, noch ziemlich weit vor 
Zimmerau, in die südöstliche Fortsetzung der Liaskalke der Duscher- 
brücke, auf Crinoidenkalke und roten Adneter Marmor, welche direkt 
und konkordant den Dachsteinkalk überlagern. Weiterhin bis Brunneck 
steht wieder Dachsteinkalk an.“ (Bittner.) 

Wandert man von der Duscherbrücke auf der Reichsstraße 
aufwärts, so trifft man vorerst rechts und links an derselben zahlreiche 
große Blöcke von Dachsteinkalk, weiterhin steht dieser dann wirklich 
zu beiden Seiten an. Doch am Rande der Straße an der nordnord- 
östlichen Seite findet man, 490 m über dem Meere, dort, wo die 
Salzach die enge Schlucht verläßt, graue Kössener Mergelkalke 
anstehen, reich an Petrefakten. Es ist eine wenig mächtige Schicht, 


374 Eberhard?Fugger. y [6] 


von Dachsteinkalk scheinbar überlagert, jedenfalls aber nur in eine 
Runse desselben eingebettet, welche sich, allerdings mit Unter- 
brechungen bis Brunneck verfolgen läßt. 

Schon beim ersten Ansteigen der Straße trifft man im Dachstein- 
kalk zahlreiche Durchschnitte von Megalodon triqueter Wulf. und die 
Straßenschotterarbeiter gewinnen dieselben gar nicht selten beim 
Zerklopfen der Bruchsteine. Man findet hier wie in den „Ofen“ 
Megalodonten von 3 bis 30cm Größe und darüber. 

Die Reichsstraße führt durch eine Schlucht aufwärts nach 
Brunneck; eine zweite, zu dieser parallele Schlucht im W wird von 
der Salzach durchflossen:: diese letztere Schlucht führt den Namen die 
„Salzachöfen“. Der Felsrücken, welcher die beiden Schluchten 
voneinander trennt, ist höchstens 200 m breit, besteht aus Dachstein- 
kalk wie die Wände des Hagengebirges im SW und jene des Tennen- 
gebirges im NO; beide Schluchten zeigen an ihren Wänden, so rechts 
wie links, vollkommen übereinstimmende Lagerung der Schichten, 
ganz gleiches Fallen nach NO, so daß kein Zweifel bleibt, daß hier 
keine Störung im Gebirgsbau vorhanden ist, sondern daß beide 
Schluchten vom Wasser, beziehungsweise von der Salzach erodiert 
worden sind. „Wenn man innerhalb der Salzachschlucht in bedeutender 
Höhe über dem Flusse alten Riesenkesseln begegnet, Aushöhlungen, 
welche der Fluß, als er in einem höheren Niveau floß, geschaffen 
und später bei der Tieferlegung seines Bettes seitlich angeschnitten 
hat, Hohlformen, die im übrigen so frisch aussehen, als wären sie 
eben erst aus dem Felsen gewaschen worden, so gewinnt man leicht 
die Überzeugung von dem sehr jugendlichen Alter der Schlucht.“ 
(Wähner.) 

Die Salzachöfen sind bekanntlich zugänglich und werden von 
Einheimischen und Fremden besucht und wegen ihrer interessanten 
Bildungen und landschaftlichen Reize bewundert. Für die Geologen 
bemerkenswert sind außerdem die zahlreichen Durchschnitte von 
Megalodon triqueter, welche das Gestein darbietet. 

Die Strecke, in welcher die Salzach ‘die nordwestliche Richtung 
innehat, beträgt ungefähr 1 km, der Strom fließt hier längs der 
Schichtflächen hin, ebenso wie die Reichsstraße längs der Schicht- 
flächen hinzieht. So wie wir die Höhe der Straße, 554 m, bei Brunneck 
erreicht haben, sehen wir, daß uns die Salzach in nordöstlicher Rich- 
tung entgegenkommt, daß sie also oberhalb der Öfen senkrecht zur 
Schichtung fließt. Diese Richtung währt etwa ebenfalls 1 km bis zur 
südlichen Mündung des Eisenbahntunnels, welcher den Ofenauer 
Berg durchfährt. Von hier aufwärts ist die Richtung auf kürzere 
Strecke fast östlich, dann aber, abgesehen von einigen untergeordneten 
Krümmungen, rein nördlich, soweit sie am Tennengebirge und dessen 
südlichen Vorlagen hinfließt. 

Von Brunneck senkt sich die Straße, von nun ab durch keinen 
Felsrücken mehr von der Salzach geschieden, längs derselben ziemlich 
steil abwärts bis 490 m Meereshöhe (beim Tunneleingange); das Ge- 
hänge zwischen Straße und Salzach wird hier von Glazialschottern 
gebildet. Ein Blick auf die Landkarte sowie der Anblick des Ein- 
schnittes zwischen Hagen- und Tennengebirge, wie er sich von N her, 


a au 


[7] Das Tennengebirge. 375 


insbesondere von Hohenschnait bei Krispl darbietet, zeigt, daß 
die Salzach oder der Salzachgletscher jedenfalls einmal ihr Bett be- 
deutend höher haben mußte als jetzt, und daß der Ofenauer Berg 
mit dem Tennengebirge in direkter Verbindung stand und als ab- 
schließender Felsriegel einem tiefergehenden Fluß den Weg verlegte. 

„Das alte Salzachbett müssen wir daher an den Eintiefungen 
dieses Felsriegels suchen. In diesen nagten sich der Fluß oder die 
Gletscherwasser jenen Weg, jene Schlucht, durch welche heute die 
Reichsstraße von der Duscherbrücke aufwärts nach Brunneck führt. 
Zur Zeit des höchsten Gletscherstandes mußten sich die höheren Teile 
des mächtigen, von S nachdrängenden Eisstromes in der Einsenkung 
östlich vom Ofenauer Berg, über diesen selbst und die tieferen 
Gehänge des nach SW zur Kratzspitze ansteigenden Kammes gerade- 
aus nach N bewegen und hier steil 400 bis 800 m tief zur Niederung 
von Golling abbrechen. Damals floß von der gegen Brunneck vor- 
dringenden Hauptmasse des Gletschers ein weiterer Teil über die 
Höhe der Zimmerau nach N gegen den Ausgang des Lammertales 
ab. Der von Brunneck nach NW sich bewegende Talgletscher konnte 
sich beim Rückzug des Eises am längsten erhalten. Auch dieser 
mußte ziemlich steil mit vielen klaffenden Spalten zur Niederung von 
Golling abbrechen, und die von der Gletscheroberfläche in den Spalten 
versinkenden und unter dem Gletscher abfließenden gewaltigen Schmelz- 
wasser mochten schon lange an der Einnagung und Tieferlegung des 
neuen Bettes im festen Felsen gearbeitet haben, bevor das Eis über 
diese Stelle zum letztenmal nach S zurückgewichen war und der 
Fluß in die Lage kommen konnte, sich unter dem Gletscherschutt 
sein altes Bett zu suchen. Dieses war jedoch durch den Gletscher- 
schutt verstopft worden und die Gletscherwasser gruben sich im 
harten Kalk, vielleicht an einer Stelle, welche nicht über dem alten 
Flußbett gelegen war, eine tiefe Schlucht, ein neues Bett, die heutigen 
Öfen aus.“ (Wähner.) 

Vom Südende des Tunnels flußaufwärts bleibt das Salzachtal 
noch eine Strecke von etwa 1'5 km ziemlich eng, so daß neben Fluß, 
Straße und Eisenbahn nur wenig Raum erübrigt, der hie und da mit 
Alluvialschutt oder mit kleinen Resten eines horizontal geschichteten 
diluvialen Konglomerats bedeckt ist. Die Dachsteinkalke des Hagen- 
gebirges im W fallen ganz konform mit jenen des Tennengebirges im 
OÖ, und zwar regelmäßig NO oder NNO. Unter dem Kastenspitz 
erweitert sich das Tal, und die Wände, besonders am rechten Ufer, 
treten mehr zurück; längs der Salzachufer ziehen sich niedrige, 
häufig unterbrochene Konglomeratbänke hin, am Fuß der steilen Fels- 
wände lagert mächtiger Bergschutt. 

Beim Wirtshaus Stegenwald befindet sich ein „Steinbruch in 
einer wahrscheinlich abgesunkenen Kalkpartie, mit steilem Einfallen 
nach SW; sie enthält Bänke mit Pedaten, Gastropoden und Megalo- 
donten. Das Gestein der Wände des Kastenspitz ist genau das- 
selbe wie jenes im Steinbruch von Stegenwald, auf den Halden liegen 
dieselben gastropodenreichen Blöcke, jedoch keine Blöcke mit Pedaten. 
Die Pedatenkalke scheinen also geradeso wie am Hochgschirr im Blühn- 
bachtal den tieferen Niveaus der Wände anzugehören.“ (Bittner.) 


376 Eberhard Fugger.- u [8] 


Bei dem nächsten Gehöfte Eckhart treten die Felswände 
wieder nahe an die Salzach; es sind Ramsaudolomite, welche von 
hier ab die Basis der Westseite des Tennengebirges bilden. Sie 
reichen im allgemeinen nicht viel höher als bis etwa 1100 m Meeres- 
höhe, das ist ungefähr 600 m über das Salzachtal und werden dann 
von Dachsteinkalk überlagert; nur bei der Pitschenbergalpe 
(1703 m) reichen sie nach Geyer bis auf das Plateau und sind da- 


durch die Ursache einer üppigen Vegetation. Die Dolomitfelsen treten 


bald wieder zurück, mächtige Schutthalden breiten sich aus, von Bach- 
gerinnen durchzogen, die meist ohne Wasser sind, jedoch bei Ge- 
wittern und zur Zeit rascher Schneeschmelze gewaltige Wasser- und 
Geröllmassen der Salzach zuführen. Erst bei der Eisenbahnstation 
Sulzau treten die Dolomite wieder an beiden Ufern an den Fluß 
und bieten, besonders am linken Ufer, geradezu herrliche Ver- 
witterungsformen, scharfe Kanten, Nadeln und zahlreiche Rinnen dar. 
Wenig oberhalb der Aschauer Brücke treten die hellen Dolomite 
wieder zurück und massige Schutthalden bedecken den Fuß der Dolo- 
mite bis nach Konkordiahütte, während am Fluße selbst hie und da 
die Konglomeratbänke sichtbar sind. „In den Bächen dieses Gebietes, 
besonders WSW und SW vom Hochkopf kommt soviel Werfener 
Schiefer herab, fast ausschließlich aus den gelben und insbesondere 
den gervillienreichen Bänken, daß man annehmen muß, daß am Fuße 
der Dolomiten sicher Werfener Schiefer ansteht. Die großen Gieß- 
bäche verdecken natürlich alles mit ihrem Schutt.“ (Bittner.) 


Der Gundacker Graben. 


Unmittelbar nördlich des Bauernhauses Gundacker, schräg gegen- 
über etwas unterhalb Konkordiahütte mündet der Gundacker Graben 
in die Salzach. Die untere Partie des Grabens ist mit Schutt erfüllt; 
hier wurde seinerzeit roter quarzitischer Werfener Schiefer als Zu- 
schlagschiefer für das Eisenwerk Konkordiahütte in einem Stollen 
abgebaut. In 575 m Höhe steht am rechten Ufer Werfener Schiefer an in 
h 6 mit 42° Einfallen nach N. Oberhalb dieser Stelle trifft man 
wieder nur Schutt, doch sieht man die Werfener Schiefer in 615 m 
südwärts vom Graben sich hinziehen. Bei 670 m beginnen im Graben 
zahlreiche Stücke schwarzen Kalkes den Boden zu bedecken; 50 m 
höher führt ein Weg durch den Graben, dann wird der letztere sehr 
steil, und in 745 m steht man am Fuß der Felswand, welche die 
rechte Seite des Grabens bildet, während die linke noch weniger 
steil und teilweise bewachsen ist. Es sind schwarze Kalke in h 4 mit 
45° Einfallen in NNW in Schichten von 5 bis 20 cm und darüber, 
mit einzelnen Einlagerungen von ganz dünnschichtigen schwarzen 
Lagen. 

Das Hangende des Kalkes ist (755 m) dolomitischer Guttensteiner 
Kalk, welcher mit vielen Rutschflächen über dem geschichteten Kalk 
aufsteigt. Eine solche Rutschfläche ist mit ihrer Unterseite bloßgelegt 
in 2 m Breite und 10 bis 20 m Länge und liegt in h 12 mit 38° 
Neigung- gegen O. Die ganze Masse des dolomitischen Guttensteiner 
Kalkes ist hier etwa 30—40 m hoch. Darüber scheint eine Terrasse 


[9] Das Tennengebirge. 377 


zu sein, und hinter derselben wird heller Ramsaudolomit sichtbar, 
von dem neben Stücken Guttensteiner Kalk, dolomitischem Gutten- 
steiner- Kalk und Hochgebirgskalk zahlreiche Trümmer am Fuße der 
Felswand liegen. 

Ich konnte weder aufwärts noch seitwärts weiter und stieg 
daher im Graben wieder abwärts. In 625 m Höhe verließ ich ihn in 
der Richtung gegen S und konnte auf etwa 120 Schritte stets an- 
stehenden Werfener Schiefer beobachten. 


Der Loipfergraben, 


der nächste südlich des Gundacker Grabens, mündet bei der 
Brücke von Konkordiahütte und führt nur Schutt, welcher vorherrschend 
aus Kalken und in geringerer Menge aus Werfener Schiefern be- 
steht. In 640 m Meereshöhe tritt eine Quelle auf; die Werfener 
Schiefer des Gundacker Grabens ziehen hier jedenfalls unter dem 
Schutt herüber. Wenige Meter höher führt der mit roten Strichen 
bezeichnete Weg von Konkordiahütte nach Setzenberg durch den 
Graben. Weiter aufwärts trifft man im Graben ebenfalls nur Schutt 
und Gerölle; erst in 825 m Höhe findet man am rechten Ufer 
anstehenden Fels und zwar eine grobe Dolomitbrekzie. 

Seitwärts vom Loipfergraben gegen S befindet sich die sogenannte 
Rote Wand, gerade gegenüber Konkordiahütte. Hier wurde „auf 
Bluterz gebaut, welches 60 Prozent Eisen enthielt. Allein der glückliche 
Bau dauerte nur von 1763—1766, in letzterem Jahre schnitt sich 
dieses Erz gänzlich aus.“ (Vierthaler, Reisen. 1799, pag. 215.) 


Der Setzenberggraben, 


an dessen rechtem Ufer das Gut Setzenberg liegt, durchbricht nahe 
seiner Mündung den Zug von Guttensteiner Kalk, welcher bei der 
Kalcherbrücke am Fuß des Werfener Schloßberges beginnt und fast 
ununterbrochen bis zur Mündung des Blühnbaches aufgeschlossen ist. 
Etwas unterhalb, also nordwestlich der Mündung des Setzenberggrabens, 
bei einem hölzernen Bahnwächterhäuschen, 40 Schritte unterhalb 
km 43'2 der Staatsbahn, gegenüber km 43°6 der am linken Salzach- 
ufer hinziehenden Reichsstraße ist in den Guttensteiner Kalk von 
unten herauf in einem nach S gerichteten Bogen der Werfener 
Schiefer hineingepreßt (Fig. 1). Er reicht etwa 8—10 m über die 
Eisenbahnschienen empor und ist von der Stelle a, wo die Grenzlinie 
zwischen Werfener Schiefer und Guttensteiner Kalk fast vertikal 
aufsteigt, flußabwärts noch etwa 22 Schritte sichtbar; ebenso reicht 
er flußaufwärts noch 22 Schritte in den Kalk hinein, welcher vielfach 
gebogen und gebrochen ist, bis zu einem Durchlaß 5 an der Bahn. 
Flußabwärts zieht sich eine niedrige, zum Teil bewachsene Schutt- 
lehne hin, die vielleicht noch den Werfener Schiefer bedeckt, obwohl 
der Schutt selbst fast nur Stücke von Guttensteiner Kalk von den 
dahinter aufragenden Wänden zeigt. Die Schuttlehne reicht bis etwas 
unterhalb km 43:0, wo der Kalkfels wieder direkt an die Bahn und 
die Salzach tritt. Von Punkt 5 flußaufwärts steht nach 20 Schritten 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 49 


378 Eberhard Fugger. i [10] 


der Kilometerstein 432, und von hier 90 Schritte aufwärts fließt eine 
Quelle, nach weiteren 10 Schritten wieder eine solche mit Durchlaß, 
abermals 30 Schritte weiter das Kilometerzeichen 43°3. 

Die hier aufgetriebenen Werfener Schiefer geben uns einen 
Fingerzeig über die Ursachen der wiederholten Störungen in den 
untertriadischen Gesteinen an der Südhälfte des Tennengebirges und 
erklären uns, warum die Fortsetzung der am linken Salzachufer auf- 
tretenden Raibler Schiefer am rechten Ufer nicht mehr zu finden ist. 


Kies; 


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Im Setzenberggraben aufwärts liegt nur Schutt, bei 670 m trifft 
man auch auf viele und große Trümmer einer Gebirgsschuttbrekzie. 
Wenig weiter oben sieht man am Schreckenberg diese grobe Brekzie 
als breite, mächtige Masse anstehen. In 700 m Höhe hat man sie 
erreicht, 10 m höher treten in derselben verschiedene Höhlen auf; 
sie läßt sich verfolgen bis zum Schreckenberggut (900 m). In 885 m 
Höhe kreuzt ein Weg den Graben; wenig unterhalb des Weges be- 
obachtet man Werfener Schiefer, am Wege selbst steht Guttensteiner 
Kalk an in h 3, 10° mit Einfallen unter 70° nach NO. 


Der Staudachgraben. 


In nächster Nähe des Staudachgutes mündet der Staudachgraben, 
er hat im Verein mit einigen anderen kleineren Bächen eine Alluvial- 
bank an der Salzach abgelagert, welche die Eisenbahn durchschneidet. 
Die unteren Partien des Grabens sind wieder mit Schutt und Geröll- 
massen erfüllt. In 720 m stehen Werfener Schiefer „von der höheren 
gelblichen Entwicklung“ (Bittner) an in h 6 mit 81°, und 15 m 
höher mit 46° Neigung nach S. In 750 m beginnt der Guttensteiner 
Kalk, und zwar ungeschichtet; 10 m höher steht man am Fuß einer 
Felswand von 7 m Höhe, über welche der Bach in mehreren, zuein- 
ander parallelen Adern herabstürzt. An der hydrographisch rechten 
Seite dieser Wand befindet sich eine kleine Höhle. Hat man die 
Wand überwunden, so beobachtet man den Guttensteiner Kalk (775 m) 
dünnschieferig und in Platten bis 10 cm Dicke in h 5 mit 53° Ein- 
fallen nach N. Weiter oben (800 m) bildet er wieder kompakte 
schwarze Massen mit brauner Verwitterung, und in 810 m steht man 
abermals am Fuße einer Wand, welche jedoch eine Höhe von 20 m 
besitzt. Der Guttensteiner Kalk wird hier dolomitisch und fällt nicht 
mehr nach N, sondern unter 39° nach S. 


we 


[11] Das Tennengebirge. 379 


Oberhalb der Wand, etwa 830 m, läuft der Bach mit geringem 
Gefälle und in ziemlich sanft gegen das Bachbett geneigten Ufern: 
vom Schreckenberg ziehen hier in breiter Fläche die Werfener 
Schiefer herüber und durch den Graben durch gegen Leitenfeld 
hin. Etwa in 870 m Höhe vereinigen sich zwei Arme des Grabens. 
Wenig höher übersetzt der Weg, welcher vom Schreckenberggut 
zum Suppenwald führt, den rechtsseitigen Graben. Hier liegen im 
engen Bachbett nur Guttensteiner Kalke, Dolomite von dunkler, roter 
und heller Farbe und Hochgebirgskalke sowie Werfener Schiefer; 
sichere Raibler Schiefer oder Kalke, welche eventuell unter den 
Steilwänden durchziehen könnten, sah ich nirgends, möglicherweise 
gehören die roten und gewisse dunkle Dolomite den Raibler Schichten 
an. Am rechten wie am linken Ufer dieses Armes stehen in 880 m 
Brekzienfelsen an mit verschiedenen kleinen Höhlen. 

Im linken Arm des Staudachgrabens liegen dieselben Gesteine 
wie im rechten, auch eine reiche Quelle tritt daselbst am Wege 
(880 m) auf. Weiterhin scheint am linken Ufer desselben Armes ein 
schwarzer, dolomitischer Kalk mit weißen Adern wirklich anzustehen. 
Von 835 m aufwärts sieht man in beiden Armen des Grabens fast 
nur mehr Trümmer von Dolomiten, welche in etwa 1000 m Meeres- 
höhe als Wände aufsteigen. 


Der Staudachgraben gibt in seinen unteren Partien charkteri- 
stische Bilder eines in Werfener Schiefer und etwas höher eines in 
Kalk eingerissenen Grabens: erstere mit ihren sanft abfallenden 
Ufern, letztere mit steilen Ufern und öfter stufenförmig abgebrochenem 
Gerinne. 


Der Kalchergraben. 


An dem Gehänge zwischen Staudach- und Kalchergraben, dem 
nächsten größeren südlich von ersterem gelegenen Graben, entspringt 
noch ein kleinerer Graben, der jedoch keinerlei Aufschluß bietet. An 
diesem Gehänge ziehen unten längs der Salzach Guttensteiner Kalke 
hin, welche etwa 150 Schritte unterhalb der Kalcherbrücke deutlich 
in h 10 mit 70° Einfallen nach SW geschichtet sind. Über denselben 
scheint ein Konglomerat durchzustreichen. Der Bauernhof Zeismann 
(629 m) steht auf Guttensteiner Kalk, welcher von hier in den unteren 
Kalchergraben hinabzieht. Oberhalb Zeismann trifft man anstehenden 
Werfener Schiefer, welcher bis zur Höhe von mindestens 800 m 
emporreicht. Hier dürfte wieder Guttensteiner Kalk durchziehen, der 
jedoch nirgends deutlich aufgeschlossen ist; bei Leitenfeld und 
Fallsteiner aber befindet man sich wieder auf Werfener Schiefer, 
welcher vom Schreckenberggut herüberstreicht. Oberhalb dieses 
Bandes von Werfener Schiefern dürfte wohl die Fortsetzung jenes 
Guttensteiner Kalkes zu suchen sein, der im Staudachgraben 
in 880 m ansteht. 

Der Kalcherbach bildet sich aus drei Wasserläufen, von 
denen der nördlichste, der Fallsteiner Graben, von den Wänden 
WSW unter dem Raucheck, der mittlere, der eigentliche Kalcher- 
graben, SSW unter demselben aus der sogenannten Schnepfries 

49* 


380 Eberhard Fugger. ° [12] 


und der südlichste, der Reichhofgraben, aus dem Kar zwischen 
Raucheck und Fieberhorn herabkommt. Dieser letztere ver- 
einigt sich mit dem mittleren in zirka 685 m und der Fallsteiner 
Graben mündet in etwa 660 m. Der Kalcherbach fließt unmittelbar 
bei der Kalcherbrücke in die Salzach; an seinem rechten Ufer steht 
bei der Mündung Guttensteiner Kalk, am linken diluviales Kon- 
glomerat an, welches nicht weit aufwärts reicht und bald auch hier 
durch Guttensteiner Kalk ersetzt wird, in welchen sich der Bach 
eine tiefe Schlucht mit mehreren Stufen und Wasserfällen, die so- 
genannte Erherzog Eugen-Klamm, eingerissen hat. 

Der Graben ist anfangs weit und mit Schutt und Gerölle erfüllt. 
In 580 m Höhe verengst sich derselbe und stehen am linken Ufer 
schön geschichtete Guttensteiner Kalke in Platten von 5—12cm in 
h 4° 10° mit etwa 50° nordwestlichem Einfallen. Ein Steg führt an das 
rechte Ufer und hier trifft man bald eine Einlagerung von schwarzen, 
blätterigen Schiefern, welche mehrere Meter mäcktig sind und steil 
inh4—5 nach NW fallen. Ich bezeichne diese Schiefer als Strub- 
bergschiefer, da Bittner sie zuerst am Strubberg am genauesten 
studiert hat. Uber ihnen liegt ein stark verwitterter dolomitischer 
Kalk. An den genannten Schiefern führt der Steig etwa 30 m lang 
hin, dann folgen wieder Kalke, mit Schiefern wechsellagernd. Hier 
tritt eine Quelle mit Kalksinterbildungen auf. 

Bis hierher konnte man im Jahre 1881 gelangen, ohne klettern 
zu müssen, und eine von schwarzem Kalk mit häufigen Schieferein- 
lagen gebildete Wand, die ganz mit schneeweißem Bittersalz überzogen 
war, neben welcher ein Wasserfall herabbrauste, verhinderte das 
weitere Vordringen. Heute ist die Klamm durch Zementstufen und 
eiserne Geländer bequem zugänglich gemacht. Der schwarze Strubberg- 
schiefer läßt sich als Einlagerung im Guttensteiner Kalk bis zur Höhe 
von 600 m fast ununterbrochen verfolgen und stellenweise sieht man, 
wie der Kalk sich allmählich blättert und in Schiefer übergeht. Beim 
„Sturzfall* (615 m)beobachtetman wieder denschwarzenStrubbergschiefer 
im Kalk, in 630 m Höhe an dem untersten Stiegenabsatz beim „Stiegen- 
kesselfall“ abermals eine schwache schiefrige Einlagerung in normal 
gelagertem Kalk und an der zweiten Stiege einige Schieferlagen von 
38—15cm Dicke. 

In 660 m hat man die Basis des „Stufenfalles* und die Mündung 
des von der rechten Seite kommenden Fallsteiner Grabens er- 
reicht. Verläßt man den Kalchergraben und wandert am Fallsteiner 
Graben aufwärts, so trifft man vorerst in 690 m auf anstehenden 
Werfener Schiefer und weiter aufwärts nur mehr auf kolossale Schutt- 
massen, aus denen sich dann am rechten Ufer die mächtige Fall- 
steinwand emporhebt. Diese besteht aus Guttensteiner Kalk, an 
ihr wurde seinerzeit in zwei Stollen Bergbau auf Bleiglanz und 
Kieselgalmei betrieben. Am linkseitigen Gehänge beobachtet man 
den Guttensteiner Kalk noch in 1065 m Höhe. Im Graben selbst, 
direkt am Fuß der Steilwände, in 1055 m, steht Ramsaudolomit an; 
es liegt hier das untere Ende eines vom Fuß der Wände im O herab- 
gekommenen Bergsturzes mit Trümmern von schwarzem Carditakalk, 
schwarzem und rotem Raibler Dolomit und daran lagern Trümmer von 


[13] Das Tennengebirge. 381 


Gips und Gipston. In den Gipsbrocken sind vielfache Faltenbildungen 
von untenstehender Form (Fig. 2) zu beobachten, wobei die Entfernung 
der Punkte «a und 5b etwa 25 cm beträgt. Weiter gegen SO steht am 
Fuße der Wand in 1215 m schwarzer Raibler Dolomit mit zahlreichen 
helleren Adern an, dann schwarzer, rotgefleckter Raibler Dolomit. 
Wenige Schritte davon folgt südlich der schwarze dolomitische Kalk 
inh 7—8 fast senkrecht oder steil nach NNO fallend, darunter Raibler 
Kalk, dann das Gipsgestein anstehend. Die charakteristischen Raibler 
Schiefer sah ich nirgends. 

Der Kamm zwischen Fallsteiner- und oberem Kalchergraben ist 
durchaus mit Vegetation bedeckt, an seinem höchsten Punkt, 1200 m, 
steigen dunkle Felsen auf, nämlich rein schwarze oder schwarze, rot- 
gefleckte Raibler Dolomite. Diese ziehen sich an den Felswänden des 
Raucheck und weiter westlich und nordwestlich hin, nicht mehr 
aber östlich an den Wänden des Fieberhorn und Hochthron, 
bei welch letzterem die Hochgebirgskalke direkt aus dem Gebirgs- 
schutt emporragen. Unterhalb der Raibler Dolomite stehen an dem 


Fig. 2. 


Kamme die Ramsaudolomite, meist als zuckerkörnige Wetterstein- 
dolomite ausgebildet an, und wenig tiefer liegen schon wieder zahl- 
reiche Stücke von Werfener Schiefer auf dem Boden. 

Im Kalchergraben von der Mündung des Fallsteiner Grabens 
(660 m) aufwärts trifft man oberhalb des „Stufenfalles* in 680 m 
Höhe am rechten Ufer sehr dünnplattigen bis nahezu schiefrigen 
Guttensteiner Kalk anstehend, 10 m höher lagert bereits wieder Wer- 
fener Schiefer und die bisher enge Schlucht erweitert sich zu einem 
Graben mit sanft geneigten Böschungen. Die Werfener Schiefer fallen 
hier nach N ein, anfangs nur wenig geneigt, ihr Neigungswinkel nimmt 
aber, je höher man kommt, allmählich zu bis 45° Sie sind aufge- 
schlossen bis zur Höhe von etwa 750 m. Hier nimmt der Bach am 
rechten Ufer einen kurzen Zufluß auf, den man aufwärts beiläufig 
15 m hoch im Werfener Schiefer verfolgen kann. Dann aber lagert 
am rechten Ufer eine Brekzie, welche Riesenblöcke enthält, von 
denen einzelne sogar abgerundet erscheinen; manche dieser Blöcke 
sind mehr als einen Kubikmeter groß, einer davon sogar 3 Kubik- 
meter. Die Brekzie zieht sich schief ansteigend in den Kalchergraben 
hinüber bis zum „Schleierfall“, der dadurch entstanden ist, daß sich 
die Breccie hier quer durch den Graben zieht und das Wasser über 
diese Grabensperre herabstürzt. Die Basis dieser Brekzienbank be- 
findet sich im Kalchergraben in zirka 800 m Höhe. Die Mächtigkeit 
derselben dürfte 20—25 m betragen. In der unmittelbaren Nähe des 


389 Eberhard Fugger. i [14] 


„Schleierfalles“ sind in der Brekzie einige Höhlen, eine davon ist 
3 m lang, eine andere, die größte, 30 m; sie sind meist 4—6 m tief 
und 4—5 m hoch. 

Steigt man am linken Ufer des Kalchergrabens weiter aufwärts, 
so findet man in 805 m Höhe noch anstehende Werfener Schiefer; 
dann aber liegen im Graben wieder Unmassen von Schutt, welche 
jeden Aufschluß verdecken. 

In etwa 1000 m Höhe erweitert sich der Graben bedeutend 
und wird nach oben hin immer weiter; wir befinden uns am unteren 
Ende der „Schnepfries“, einer riesigen Schuttrinne, welche sich 
aus einem Kar, südwestlich vom Raucheck, herabzieht. Am unteren 
Ende der Riese zeigen die bewaldeten Felsen am rechten Ufer 
Guttensteiner Kalk, höher oben wieder Werfener Schiefer und der 
höchste bewaldete Fels ist abermals Guttensteiner Kalk. 

Die Gesteine, welche den Schutt der großen Riese bilden, sind 
helle, fast weiße, wenig rote Dachsteinkalke, „fast kristallinisch und 
manche beinahe schon weißer Marmor — dieselben Durchschnitte 
und Auswitterungen wie am Hochthron —, dann Blöcke von riesen- 
oolithischer Struktur, andere mit schwarzen Bändern und Flecken, 
dann graurötlichen Nuancen, Korallenkalke, ferner etwas mehr rotgelbe 
Blöcke, lebhaft an Hallstätter Kalk erinnernd“ (Bittner) sowie 
schwarze, weißaderige oder rotgefleckte Raibler Dolomite. Die unteren 
Partien der Felswände zeigen vollkommen den klotzigen Aufbau der 
Raibler Dolomite, von denen sich dahinter und darüber die Dachstein- 
kalke mit ihren hellen, verhältnismäßig glatten Wänden deutlich ab- 
heben. Auch aus dem Schutt heben sich einzelne niedrige dunkle 
Dolomitklötze wie große Köpfe aus einer Schneelawine empor. 

Wie erwähnt, mündet der Reichhofgraben in der Höhe von 
etwa 685 m in den Kalchergraben. Dieser Punkt liegt in der Klam’n 
noch im Guttensteiner Kalk. Während im Kalchergraben bereits in 
690 m Werfener Schiefer auftritt, zieht sich im Reichhofgraben der 
Guttensteiner Kalk noch bis zur Höhe von 700 m aufwärts, und erst 
hier befindet man sich wieder auf Werfener Schiefer, welcher sich 
nun, wie es scheint, ohne Unterbrechung bis gegen das Schnepfen- 
gut hinaufzieht. Beim Bauerngut Reichhof (910 m), welches am 
rechten Bachufer liegt, beobachtet man im Graben gebogene Schichten 
von Werfener Schiefer mit vorherrschend südlichem Einfallen ; gegen- 
über am linkseitigen Gehänge lagert eine Moräne mit gekritzten 
Steinen. 

Vom Schnepfengut aufwärts war kein Aufschluß mehr zu sehen 
bis zum Suppenwald, wo hin und wieder Guttensteiner Kalk 
anzustehen scheint. Dieser dürfte etwa von 1200 bis in 1400 m 
Meereshöhe reichen, und dann muß nach den herumliegenden Gesteinen 
zu schließen noch einmal Werfener Schiefer anstehen, dessen oberes 
Ende unter dem Schutt des Fieberhornkares verschwindet. Die 
im unteren Teile des Kares oberhalb der Isohypse 1500 m liegenden 
Steintrümmer gehören ausschließlich dem Ramsaudolomit und Dach- 
steinkalk an. 

Die Otz, welche etwa 15—20 m über dem linken Ufer des 
Kalcherbaches nahe seiner Mündung liegt, und gegen das Salzachtal, 


| 15] Das Tennengebirge. 383 


also gegen W, einen mächtigen Konglomerataufschluß zeigt, ist der 
alte Schuttkegel dieses mächtigen Bergbaches. 


Werfener Gräben zwischen Kalchergraben und Rettenbach. 


Das Gehänge zwischen Kalcher- und Rettenbachgraben gehört 
zum weitaus größten Teil dem Werfener Schiefer an; nur die Gegend 
zwischen Kalchau und Schwandbacher zeigt noch Guttensteiner 
Kalk; so steht in 570 m an einem kleinen Bächlein ein kalkiger 
Schiefer in dunklen, 10—30 cm mächtigen Platten an in h 10 mit 
19° Einfallen gegen WSW; in 650 m Höhe ein grauer dichter Schiefer, 
teilweise mit weißen Kalkadern, beide Schiefer offenbar das Liegende 
des Guttensteiner Kalkes. 

Die Gräben, die hier in das Gehänge einschneiden, entspringen 
zwischen den Höhenlinien 810 und 700 m. Dort, wo das Terrain etwas 
steiler abbricht, trifft man überall Werfener Schiefer, die mehr ebenen 
Partien zeigen Schotter, an den Rändern gegen W treten hie und da 
Konglomerate auf. 

Im Schwandbacher Graben, dem ersten südlich des Kalcher- 
graben, lagert in 753 m nur Schotter, in 718 m stehen Werfener 
Schiefer an, welche in 703 m in h 5, 10 mit 45° südlichem Fallen 
auf eine längere Strecke aufgeschlossen sind. Südlich vom Graben 
am steilen Gehänge gegen die Salzach ist nur Werfener Schiefer. 

Im zweiten Graben, dem Dilbersberggraben, sah ich nur 
Schutt und Schotter; im dritten dagegen, dem Hubergraben, steht 
überall Werfener Schiefer an und ebenso an dem steilen Gehänge 
gegen die Salzach. Der vierte Graben, bei Schlaming, entblößt 
ebenfalls Werfener Schiefer, dagegen tritt am Gehänge westlich von 
Schlaming (555 m) Konglomerat auf, welches wohl die Basis der 
Schlaminger Terrasse bilden dürfte. 

In der Höhe von 1201 m liegt das Jagdhaus Mordeck oder 
Modereck und hinter demselben zieht sich gegen NNO eine riesige 
Schuttmasse hin, deren Unterlage bei ungefähr 1300 m Guttensteiner 
Kalk, höher oben aber in etwa 1500 m, nach den herumliegenden 
Stücken zu urteilen, jedenfalls Werfener Schiefer ist. Weiter hinauf 
zieht sich eine mächtige Schutthalde in die Mulde zwischen Raucheck 
und Fieberhorn. 


Der Rettenbach- oder Schlaminggraben, 


nicht zu verwechseln mit dem vorher genannten kleinen Graben bei 
Schlaming, entspringt unter dem Hochthron und in dem Terrain 
zwischen den beiden Kämmen, welche derselbe gegen W und gegen 
S aussendet. Die höchstgelegenen Quellen treten in dem Kar selbst 
in etwa 1900 m Höhe auf. Bei 1086 m haben sich die aus höheren 
Regionen kommenden Quellbäche vereinigt und der Bach fließt als 
Grenzscheide zwischen Mordeck- und Kreuzhöhe in tiefer Runse 
anfangs in südsüdwestlicher, später westsüdwestlicher Richtung zu 
Tal. Von der Häusergruppe Unterholz her erhält er einige kleine 
Zuflüsse am rechten und einen größeren am linken Ufer, welcher in 


384 Eberhard Fugger. [16] 


1000 m Höhe entspringt, zwischen den Gütern Schmiedeck im 
W und Wolfen im O hinfließt und in etwa 750 m Höhe in den 
Rettenbach mündet. 

Der Rettenbach und seine Zuflüsse entblößen bis in 1200 m 
Höhe hinauf nur Werfener Schiefer, und zwar zeigt der Hauptgraben 
unten rote, graue und grüne Schiefer mit Drusen oder Gangklüften, 
welche Quarz mit Eisenglanz, Baryt und kleine Mengen von Lazulith 
enthalten; auf grünem Schiefer sah ich auch Malachit als dünnen 
Überzug. Der erste Palfen am rechten Ufer in 540 m Höhe enthält 
im grünen Schiefer Gangklüfte mit Lazulith, ebenso der nächste ein 
paar Schritte längs des Baches am Wege aufwärts. In größerer Höhe 
trifft man nur mehr die roten Werfener Schiefer. 

Oberhalb Schmiedeck, in 967 m Höhe, steht der rote Schiefer 
in h 6 mit 35° Einfallen nach N am Gehänge und noch höher oben 
(1017 m) am linken Ufer des Hauptgrabens zwar ebenfalls in h: 6, 
aber fast senkrecht sehr steil nach S fallend, und weiter ebenso steil 
wieder nach N fallend. Noch in 1077 m, wo der Graben 65 m tief 
eingeschnitten ist, stehen die roten Werfener Schiefer an; erst gegen 
1100 m werden die Schiefer kalkig, schon eigentliche Kalkschiefer 
und 100 m höher ist der Graben mit Schutt und Gerölle erfüllt. 
„Wo der Latschendurchschlag die Riese unter der Fieberhornkante 
erreicht, beobachtet man eine Spur von tiefschwarzen Kalken bei 
einer kleinen Sickerquelle, leider nicht: genügend aufgeschlossen. 
Rötliche Kalke sind unter den Gipfelgesteinen selten, doch findet 
man hier hie und da einzelne grellrötlichgelbe, an Hallstätter Gestein 
erinnernde Stücke® (Bittner.) 


Der Wenger Graben. 


Das Gebiet des Wenger Grabens ist von großer Ausdehnung: die 
FelswändevomHochthronbiszum Tauernkogelsowie diesüdlichen . 
Vorlagen von der Kreuzhöhe bis zum Jochriedl senden ihm 
ihre Gewässer zu, ebenso weiterhin der Höhenzug Jochriedl— 
Labenberg—Bischlinghöhe— OÖberfraueneck— Steinberg 
sowie der niedrige Bergrücken von der Einsenkung bei Ebner bis 
zum Spareckkopf. 

Der Wenger Bach hat seinen Ursprung in der Wenger Au, 
in welcher er von beiden Seiten kleine Zuflüsse erhält, und fließt 
anfangs nach S, von der Häusergruppe ab in südwestlicher Richtung, 
nimmt unterhalb des Dorfes Werfenweng den Steiner Bach 
am linken Ufer auf, welcher seine Quellen unter dem Jochriedel 
hat und von beiden Seiten durch Zuflüsse vergrößert wird. Nach der 
Vereinigung mit dem Steiner Bach nimmt der Wenger Bach eine im all- 
gemeinen westliche Richtung an, der er in zahlreichen Windungen in 
einem tief eingerissenen Graben folgt. Unterhalb Arnoldseck 
fließt ihm von der linken Seite der von der Ebner Mulde 
kommende Eck- oder Grubbach und nach der kurzen Strecke von 
etwa 75 m von der rechten Seite der Faistengraben zu, der auf 
der Elmaualpe seine Quellen hat. Bei der Eisenbahnhaltestelle 
Pfarrwerfen mündet er in die Salzach. 


[17] Das Tennengebirge. 385 


Von der Kreuzhöhe (1551 m) und der benachbarten Elmau- 
alpe (1552 m) zieht sich ein bewaldetes Gehänge zu Tal, welches 
einerseits vom Rettenbachgraben, anderseits vom Faisten- 
graben begrenzt ist. Dieser Wald, welcher in seinen oberen Partien 
den Namen Tanzboden führt, geht in der Meereshöhe von beiläufig 
800 m in ein ziemlich ebenes, teilweise sumpfiges Terrain, das 
Moosfeld, über, an dessen Rand rings herum verschiedene Gehöfte 
stehen. In der südwestlichen Ecke des Moosfeldes erhebt sich ein 
kleiner Hügel (8323 m) und von diesem Punkte ab dacht der Boden 
mehr oder weniger steil sowohl gegen W zum Salzachtale als auch 
südlich in den Wenger Graben ab. Wo in diesem Terrain bis zur 
Isohypse 1400 m hinauf irgendein Aufschluß zu sehen ist, zeigt 
derselbe Werfener Schiefer oder Schotter. 

Der Wenger Graben selbst entblößt von seiner Mündung (534 m) 
bis hinauf zu dem Punkte, wo er den Faistengraben aufnimmt (662 m), 
nur Schutt und Gerölle. Er ist weit und tief, bei der zuletzt ge- 
nannten Stelle mindestens 120 m tief, und seine Ufer steil; die 
verschiedenen Plaiken, welche man an den Grabenwänden sieht, 
lassen nur Gebirgsschutt und Schotter wahrnehmen, insbesondere 
zeigen die höheren Partien des Grabens fast nur Dolomitschutt. 
Zahlreiche Nebengräben von verschiedener Länge, die besonders am 
rechten Ufer auftreten, entblößen ebenfalls nur Schutt und machen 
die riesige obere Weite des Grabens, die bei dem Hause Brand 
sogar mehr als 500 m beträgt, erklärlich. 

Wandert man vom Salzachtal auf der Straße, welche am 
rechten Ufer des Wenger Grabens aufwärts führt, so trifft man 
schon in 546 m Höhe Werfener Schiefer anstehend in h 12 mit 
Einfallen nach O, etwas weiter oben anstehendes Konglomerat; am 
Wege oberhalb Scheibenhub steht wieder Werfener Schiefer an 
mit nordwestlichem Fallen, an der Wegbiegung ebenfalls in h 3, 12 
mit steilem nordwestlichem Fallen, 5 m höher (585 m) steht derselbe 
fast senkrecht mit Nordweststreichen, beim Tor am Wege (612 m) 
aber wieder in h 3 mit 30° nordwestlichem Verflächen. Weiterhin 
folgt Diluvialschotter, von 690 bis 720 m Höhe stehen Werfener 
Schiefer an mit steilem nordwestlichem Einfallen; von 720 bis 735 m 
trifft man wieder Diluvialschotter und von 735 bis 795 m bei Brand 
überall anstehenden Werfener Schiefer. Auch die Häusergruppen 
Kogl (in der Generalstabskarte Keglgut) und Mayerlehen stehen 
auf Diluvialschotter, der Hügel 823 m besteht jedoch wieder aus 
Werfener Schiefer, auf welchem auch Hackrain (803 m) steht. Das 
Moosfeld selbst ist ein Sumpf mit diluvialer Unterlage, welch 
letztere ostwärts bis zum Faistengraben wiederholt aufgedeckt ist. 

Die ganze Waldfläche unter der Kreuzhöhe und der Elmau- 
alpe gehört bis zu einer Höhe von fast 1400 m den Werfener 
Schiefern an. „Steigt man im Faistengraben aufwärts, so trifft man 
überall die Werfener Schiefer, die im Graben selbst häufig aufge- 
schlossen sind und regelmäßig nach N fallen. Darüber zwischen 
1300 und 1400 m — ist dunkler Guttensteiner Kalk in geringer 
Mächtigkeit aufgeschlossen, welcher zum Teil dolomitisch ist. Noch 
weiter oben unterhalb der Elmaualpe liegt derselbe deutlich zu- 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 50 


386 Eberhard Fugger. M [18] 


tage als völlig regelmäßig dünnplattiger Kalk und etwas sandiger, 
feinplattiger Mergelschiefer mit Einlagen von bröckligem Schieferton. 
Über diesen Schichten lagern Bänke eines hornsteinführenden Knollen- 
kalkes, wahrscheinlich Reiflinger Kalk. Versteinerungen sind fast 
nirgends zu sehen, nur in einzelnen bituminösen dünnplattigen Kalken 
sind Crinoidenspuren und in den feinplattigen, etwas sandig aussehenden 
Mergelschiefern sind zahlreiche glänzende Bröckchen vorhanden, 
welche als Fischschuppen oder als Knochenzerreibsel gedeutet werden 
können; auch Brachiopodenspuren finden sich in denselben. Im 
östlichen Quellgraben bei der Viehhütte (1500 m) der Elmaualpe ist 
der Halobienschiefer (Carditaschiefer) mächtig aufgeschlossen und 
zieht sich von hier in größeren oder geringeren Aufschlüssen in 
gleichbleibender Meereshöhe hinüber gegen W bis unterhalb des 
Kreuzes bei der Alphütte. Es ist dunkelschwarzes, bröcklig schieferiges 
Gestein, indem jedoch keine Petrefakten aufzufinden waren, wahr- 
scheinlich deshalb, weil dasselbe zu sehr durchweicht und rutschig 
ist.* (Bittner)) 

Oberhalb der Viehhütte gegen die Elmaualphütte hin sieht man 
nur Stückchen Werfener Schiefer herumliegen und an einem Hügel, 
von welchem ein kleiner Graben gegen O in die Laimau hinabzieht, 
sind die Werfener Schiefer sogar aufgeschlossen. Die Elmaualphütte 
selbst (1525 m) scheint ebenfalls auf Werfener Schiefer zu stehen. 
Nur etwa 100 Schritte westnordwestlich von der Hütte ist ein kleiner 
Hügel von höchstens 10 m Höhe und 60 m Umfang, welcher von 
Raibler Schiefern gebildet ist, aber rings umgeben von einem Terrain, 
auf welchem Stückchen von Werfener Schiefer herumliegen. In dem 
Graben zwischen Elmaualpe und der Kreuzhöhe steht in 1635 m am 
rechten Ufer in einem 30 m breiten, zu Tal ziehenden Streifen 
Gebirgsschuttbrekzie, welche sich ungefähr 50 m talab verfolgen läßt. 

Auf der Kreuzhöhe trifft man nur Werfener Schiefer, ebenso 
nordwärts gegen den Hochthron; der Kamm, welchen dieser gegen 
S sendet, bestehtin seinen unteren Partien aus dunklem Guttensteiner 
Kalk, welcher nach oben hin dolomitisch wird. „Die Kalkgrenze des 
Hochgebirges verläuft sehr scharf und geradlinig. Massenhafter, zum 
Teil konglomerierter Gehängeschutt bedeckt die Abhänge gegen die 
Südkante. Die tieferen Gesteine sind am Fuße der Wände zwischen 
Hochthron-Fieberhorn und Raucheck nur stellenweise auf- 
geschlossen als etwas plattiges, etwas mergeliges, kalkigdolomitisches 
unreines Gestein; die Gipfelkalke rein weiß oder hellgrau bis rötlich, 
sehr stark kristallinisch, großenteils riesenoolithisch, reich an Korallen, 
Bryozoen, auch Ammoniten; ein Stück trug zahlreiche parallele 
Durchschnitte, wie Halobien- oder Monotisgestein, doch war keine 
Fläche zu erhalten gewesen. Übrigens befindet sich eine Monotis als 
Geröllstück aus dem Rettenbachgraben im städtischen Museum zu 
Salzburg“ (Bittner), welche das Monotisvorkommen, also Hallstätter 
Kalke, in den Steilwänden wahrscheinlich macht. 

In den Gräben zwischen Kreuzhöhe und Mordeck, also den 
Quellbächen des Rettenbaches, trifft man zwischen 1400 und 1500 m 
viel Gebirgsschuttbrekzie, Kalke und etwas Werfener Schiefer, hin 
und wieder beobachtet man auch in Wänden anstehenden Guttensteiner 


[19] Das Tennengebirge. 387 


Kalk. Das waldige Gehänge zwischen Rettenbach- und Faistengraben 
besteht sohin bis ungefähr 1400 m Höhe aus Werfener Schiefer, 
darüber folgt zwischen 1400 bis 1500 oder 1550 m ein Band von 
Guttensteiner Kalk, welchem bei der Viehhütte der Elmaualpe Reiflinger 
Kalk und Halobienschiefer aufgelagert sind; darüber hin folgen 
abermals Werfener Schiefer bis an die steilen Wände des Hoch- 
gebirges, deren Basis hier Guttensteiner Kalk bildet. Bei der Elmau- 
alphütte liegen direkt auf den Werfener Schiefern abermals, wenn 
auch in geringer Ausdehnung und Mächtigkeit, die Halobienschiefer. 

Die Höhe zwischen Faistengraben und Wenger Graben 
mit dem Kulminationspunkte 1466 m bildet die unmittelbare Fortsetzung 
der Elmaualpe gegen O. Im S reichen auch hier die Werfener Schiefer 
bis 1400 m, darüber folgt der Guttensteiner Kalkzug, der über den 
Höhenpunkt 1466 m hinstreicht, dann nach N und schließlich nach NO 
abbiegt und in 1000 m Höhe in der Wenger Au unter den Schutt 
untertaucht. Nordwärts von diesem Kalkzug tritt wieder Werfener 
Schiefer auf, welcher im Laimgraben und in der Laim-Au aus dem 
Schutt aufsteigt bis zur Höhe der Elmaualpe und an den Fuß der 
südlichen Hochthronkante. 

Steigt man von der Elmaualphütte in der Richtung gegen NO 
zur Wenger Au hinab, so trifft man überall auf Werfener Schiefer; 
von 1460 bis 1375 m abwärts tritt auch schmieriges Gipsgebirge in 
den einzelnen Gräben zutage. Am linken Rande der weiten Einsenkung 
erheben sich die Wände zwischen Hocheck und Tauernkogel, 
deren Basis Guttensteiner Kalk ist, der von Ramsaudolomit überlagert 
wird. Nach der Felsform der oberen Dolomite und den in der Tal- 
sohle herumliegenden Stücken zu urteilen, zieht sich vom Toifkar 
gegen die Eiskögel über dem Ramsaudolomit der Raibler Dolomit hin, 
und erst über diesem erheben sich die mehr glatten Steilwände des 
Dachsteinkalkes. An der rechten Seite dieser von zwei parallelen 
Wasserläufen begrenzten Einsenkung zeigen sich die Werfener Schiefer, 
auf denen sich gegen S die Wände des Guttensteiner Kalkes der 
Laim-Au erheben, und zwischen den beiden Gräben breitet sich von 
1200 m Meereshöhe nach abwärts eine weite, nur teilweise über- 
wachsene Schuttfläche aus. 

Von Lampersbach abwärts zieht der Faistengraben nahezu 
parallel zum Wenger Graben hin, die Entfernung beider Gräben 
schwankt zwischen 250 und 400 m. Das Terrain zwischen beiden ist 
Schotter, auf welchem in 823 und in 757 m Höhe Häusergruppen 
stehen; nur wenig unterhalb der ersteren, Hageck, steht im Graben 
auf kurze Strecke Guttensteiner Kalk an. 

Von der Ortschaft Werfenweng zieht sich in der Richtung 
nach NNO ein weites Tal mit geringer Steigung aufwärts gegen das 
Scharreck, eine Wand von Guttensteiner Kalk, welche am oberen 
Ende des Tales ziemlich steil emporsteigt. Das Tal, welches durch- 
schnittlich 500 m breit ist, trägt auf seinem Schuttboden eine Anzahl 
Gehöfte. In den unteren Partien des Tales, in Becken von Wenghof, 
d.h. um Kirche und Wirtshaus, treten in einer Längenerstreckung 
von kaum 800 m etwas über 40 Quellen auf, die einen mächtigen 
Bach bilden. Die drei Quellen beiMayrhof hatten am 24, Juli 1878 

50* 


388 Eberhard Fugger [20] 


zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags 70°C bei 17°50 Lufttemperatur, 
und eine Quelle am entgegengesetzten, südwestlichen Ende des Quellen- 
terrains unten bei Wenghof zeigte nach 5 Uhr abends 69%. Die 
Temperatur der Quellen soll auch im Winter‘ wenig von der Sommer- 
temperatur differieren. 

Im nördlichen Teil des Tales kommen sowohl von rechts als 
links mächtige Schutthalden herab, die teilweise überwachsen sind; 
die schon besprochene Wenger Au sowie die Kraisten unter dem 
Jochriedl entblößen in den Gräben, welche sie durchfurchen, 
Trümmer von Wettersteinkalk, Ramsaudolomit, Raibler Dolomit, Hall- 
stätter- und Dachsteinkalk; unter den Eiskogeln fand Bittner 
auch Blöcke mit Halobienbrut und dieselben weißen kristallinischen 
Dachsteinkalke wie unter dem Hochthron. Am Fuß des Toifkar im 
Hintergrund der Wenger Au tritt eine Quelle aus dem Wetterstein- 
kalk hervor. 

Zwischen den Weilern Mayrhof und Strobl hat man einen 
Blick auf das Hochgebirge, dessen Wände bis ins Tal herabreichen, 
und kann die verschiedenen Kalke mit einer gewissen Sicherheit 
erkennen und voneinander unterscheiden. 

Wandert man von Zaglau im Steiner Graben aufwärts, so 
trifft man am rechtsseitigen Gehänge ganz in der Nähe des genannten 
Ortes anstehenden Werfener Schiefer in h 5, 5° mit 35° nördlichem 
Verflächen. Der Weg führt am rechten Ufer des Baches hin. In 
1050 m steht ebenfalls Werfener Schiefer mit Nordfallen; erst in 
1235 m trifft man unten im Bach und in 1240 m oben am Wege die 
Grenze zwischen Werfener Schiefer und Guttensteiner Kalk mit 35° 
nördlichem Verflächen. Weiterhin steigt der Werfener Schiefer unter 
dem Guttensteiner Kalk wieder auf und in 1255 m taucht er im Bach 
unter den letzteren wieder unter. 

Wenig weiter oben vereinigen sich zwei Bäche, der westliche 
kommt von den Schöntaler Alpen unter dem Jochriedl, der 
östliche von der Mooser Alpe. Der Guttensteiner Kalk zieht sich 
im linkseitigen (östlichen) Bach aufwärts, in 1300 m Höhe stehen 
Raibler Schiefer an, konkordant auf dem flach Nordfallenden Gutten- 
steiner Kalk, der Aufschluß ist etwa 60 m lang und 10 m hoch. 
Weiterhin liegen wieder Trümmer von Werfener Schiefern herum, bei 
1350 m findet man dann anstehenden Guttensteiner Kalk und in 
1350 m Raibler Schiefer. Weiter hinauf folgt abermals Werfener 
Schiefer und in 1475 m steht Guttensteiner Kalk an mit steilen, gegen 
WSW fallenden Rutschflächen. 

Diese beiden Züge von Guttensteiner Kalk kommen aus der 
Fromer Au herüber, der nördliche tritt im linkseitigen Graben 
daselbst zwischen 1200 und 1300 m aus dem Schutt hervor, zieht 
von da auf die Höhe 1496 m zwischen Fromer Au und dem obersten 
Steiner Graben, dann, anfangs in ziemlich gleicher Höhe, später auf- 
wärts hinüber zum Höhenpunkt 1560 m und zwischen Mooser- und 
Mayer Alpe in den oberen Larzenbachgraben. Der südliche 
Kalkzug tritt zwischen 1100 und 1150 m aus dem Schutt der Fromer 
Au, zieht dann südwärts auf die Höhe 1424 m des bewaldeten Rückens 
zwischen Fromer Au und Steiner Graben, durchquert letzteren 


[21] Das Tennengebirge. 389 


zwischen 1200 und 13500 m und steigt von hier über die Strossing- 
alpe (1483 m) hinauf zur Bischlinghöhe (1832 m), um jenseits 
ebenfalls den Larzenbachgraben zu durchqueren. Sowohl zwischen den 
beiden Kalkbändern als auch nördlich des ersten und südlich des 
zweiten ziehen sich überall die Werfener Schiefer hin. Das nördlichste 
Schieferband reicht bis an die Kalkwände des Eiskogl und des 
Tauernkogl. 

Fast genau nördlich der Mooser Alpe liegt der Jochriedl 
(1720 m), „die daselbst auftretenden Werfener Schiefer schneiden 
scharf am Fuße des Tennengebirges ab. Eine Bruchlinie ist hier ganz 
sicher vorhanden.“ (Bittner.) 

Die Wassercheide zwischen dem untersten Wengergraben 
und der unteren Fritz bildet der Höhenzug Spareckkopf£ (901 m)— 
Mandlkopf (860 m)— Grünsteinhöhe (872 m)— Grundstein 
(877 m)—Ebner-Kapelle (857 m). In der Ebnermulde entspringt 
der Eckbach, welcher in westnordwestlicher Richtung dem Wenger 
Graben zufließt und unterhalb Arnoldseck sich in denselben er- 
gießt. Das Terrain zwischen der Salzach, dem genannten Höhenzug, 
dem Eckgraben und dem untersten Wenger Graben ist reichlich mit 
diluvialen Schottern bedeckt, entblößt jedoch an verschiedenen Punkten 
der nördlichen Partie Guttensteiner Kalk, während die südlichen 
Höhen vorzugsweise dem Werfener Schiefer angehören. 

Das Gelände längs des Wenger Grabens, die Ortschaft P farr- 
werfen, die ziemlich eben liegenden Gehöfte Laubichl, Zehent- 
hof u. a. zeigen, wo der Boden überhaupt offen ist, nur Schotter. 
Wandert man von Pfarrwerfen auf der alten Hüttauer Straße 
aufwärts, so trifft man etwa 20 m über der Talsohle auf der Straße 
selbst auf Guttensteiner Kalk, welcher in h 2 flach nach NNW fallend 
ansteht. Dieser wird anfangs stellenweise von einem diluvialen Konglo- 
merat überlagert, später aber liegt er wieder frei zutage. Der 
kleine Bach, welcher eine Reihe von hintereinander am Gehänge 
liegenden Mühlen treibt und die Kraft für die unten im Salzachtal 
befindliche elektrische Anlage liefert, durchfließt den Guttensteiner 
Kalk. Weiter oben, etwa 30 m über der Talsohle fällt der Gutten- 
steiner Kalk genau in h 6 mit 50° Neigung nach N. Beim Hansl- 
häusl auf der Höhe der Straße endet der Aufschluß im Gutten- 
steiner Kalk; hier liegt eine Moräne auf demselben und weiterhin 
nur mehr Diluvialschotter. In einiger Entfernung von dieser Stelle 
zweigt ein Weg in der Richtung gegen S von der Straße ab, welcher 
zur Salzachbrücke, der sog. Dürrsattelbrücke hinabführt. An diesem 
Wege und unterhalb desselben im Salzachtal ist der Werfener 
Schiefer häufig bloßgelegt, anfangs mit nördlichem Einfallen unter 
30 bis 45°, dann etwa 20 m über dem Tal, etwa 150 Schritte unter- 
halb der Brücke mit 25—40° Einfallen nach S bis SSW; letztere 
Lagerung bleibt konstant bis zur Brücke. Man sieht die Werfener 
Schiefer auch längs der Bahnlinie abwärts der Brücke anstehen als 
Unterlage des Guttensteiner Kalkes. 

Geht man von der eben erwähnten Wegabzweigung oben auf 
der Straße weiter, so sieht man an derselben ebenfalls die Werfener 
Schiefer anstehen, und zwar mit nördlichem Einfallen, in 620 m Höhe 


390 Eberhard Fugger. 2 [22] 
etwa gerade über der Dürrsattelbrücke aber mit Einfallen nach SW. 
Der Werfener Schiefer ist nun wiederholt an der Straße aufgeschlossen ; 
an einer Stelle enthällt das Gestein Quarz mit Spateisenstein und 
fällt nach NW, in nächster Nähe steht violettgrauer Werfener Schiefer 
mit derselben Fallrichtung an. Weiter unterhalb beim Elektrizitäts- 
werk von Pfarrwerfen ist ein Steinbruch im Guttensteiner Kalk, 
welcher unter 250 nach NNW verflacht. 

Beim vorhergenannten Hanslhäusl zweigt eine Straße gegen O 
ab, welche nach Werfenweng führt. An dieser Straße beobachtet man, 
daß der Guttensteiner Kalk bis oberhalb Unterkendl, bis 626 m 
Meereshöhe reicht; in 595 m Höhe steht auf eine kurze Strecke 
Moräne an, in 625 m eine Rauhwacke, daneben gewöhnlicher dichter 
Guttensteiner Kalk in h 5, 20 mit 50° nach SO fallend. Der Kalk 
kann vielleicht unter dem Humus noch etwas weiter reichen, in 
630 m Höhe lagert jedoch unzweifelhaft Diluvium. Unterhalb der 
Häusergruppe Untertörl steht am Wege Konglomerat an. 

Die Straße führt am linken Ufer des Eckgraben hin und hier 
trifft man sowohl am Nordostfuß des Spareckkopfes als gegenüber 
auf dem Hügel von Arnoldseck wieder auf Guttensteiner Kalk. 
Am Nordostfuße des Spareckkopfes (710 m) ist der Guttensteiner 
Xalk auf eine Länge von etwa 100 Schritte aufgeschlossen, teilweise 
überlagert von Diluvialschutt. 

Die südlichen Höhen: Spareckkopf, Mandlkopf und 
Grünsteinhöhe gehören dem Werfener Schiefer an, Grundstein 
dagegen ist eine Diluvialterrasse, die Mulde bei Ebner ist eine 
Sumpfwiese. 

Östlich vom Eckgraben bildet der schon vorher genannte Höhen- 
zugFraueneck—Bischlinghöhe—Labenberg—Jochriedl 
die Wasserscheide zwischen Wenger Bach und Fritz. Wandert man 
auf der Straße, welche nach Werfenweng führt, weiter, so verläßt 
man bald den Eckgraben und biegt um den Hügel, welcher von 
diesem und dem Wenger Graben eingeschlossen ist und auf welchem 
das Bauernhaus Arnoldseck steht, südlich herum zum Mühlbacher. 
Von diesem Hause 100 Schritte gegen N steht wieder Guttensteiner 
Kalk an mit Verflächen nach SO; auch der kleine Hügel nordöstlich 
von dem Hause zeigt (745 m) anstehenden Guttensteiner Kalk in 
h 10 mit 25° Einfallen nach SW. Ein kleiner Steinbruch mit Kalk- 
ofen befindet sich am Südfuße des Hügels. Verläßt man hier die 
Straße und wendet sich gegen NW und geht längs des linken Ufers 
des Wenger Grabens abwärts gegen Arnoldseck, so trifft man aber- 
mals auf Guttensteiner Kalk. Der Bauernhof Arnoldseck steht auf 
demselben, seine Lagerung ist in h 9 mit 25° Einfallen nach SW. 
Unten im Graben bei der Vereinigung des Wenger- und Eckbaches 
sieht man nur Diluvialschutt und abgestürzte Blöcke von Guttensteiner 
Kalk. 

Der Boden um die Gehöfte Mühlbacher, Dorf, Mühlau 
und Ainleiten ist Diluvialschotter; der Höhenzug, welcher vom 
Fraueneck gegen WNW abzweigt, gehört dem Werfener Schiefer 
an, nır am Steinberg, dem nordwestlichen Kulminationspunkt 
(1222 m) dieses Höhenzuges stehen Kalke an. Diese erreicht man 


| [23] Das Tennengebirge. 391 


- am bequemsten von S her, vom Ebner Hofe. Hier (870 m) steht 
Werfener Schiefer an steil nach N fallend. Auf dem Wege von da 
nach Werfenweng trifitt man die Schiefer wiederholt anstehend, so 
zum Beispiel in 905 m Höhe, ebenfalls mit nördlichem Einfallen. 
Daselbst trifft man auch auf und neben dem Wege auf eine Strecke 
von 60 Schritten zahlreiche Stücke Guttensteiner Kalkes herumliegend, 
ebenso oberhalb am Gehänge einzelne Stücke mit viel Trümmern von 
Werfener Schiefer. Östlich vom Hause Steiner erreicht man dann 
in 980 m Höhe die Basis des anstehenden Kalkfelsens. Es ist eine 
Dolomitbrekzie, welche fast Ähnlichkeit mit einer Gebirgsschuttbrekzie 
besitzt, nur die Basis ist kompakter Dolomit. Die Höhe des Felsens 
ist mindestens 15 m aufgeschlossen, seine Länge wohl einige 100 m. 
Das Gestein ist sehr stark verwittert und enthält mehrere kleine 
Höhlen. Unten bei Gschwand an der Wenger Straße liegen noch 
viele Kalke auf dem Wege. 

Die geologischen Verhältnisse des Höhenzuges Fraueneck—Bisch- 
linghöhe—Jochriedl wurden teilweise bereits besprochen. Die kleine 
Ebene um Zaglau wird von Diluvialschotter gebildet. „Wandert man 
von Zaglau zur Strussingalpe (1485 m) am linkseitigen Gehänge 
des Steiner Grabens, so sieht man nur Werfener Schiefer, die höheren 
Partien desselben werden kalkig und petrefaktenführend; bei der 
Strussingalpe selbst werden die Schiefer von einem schmalen Kalk- 
zug überdeckt, welcher regelmäßig von dem westlichen Kamme (1424 m) 
durch das Tal herüber und steil heraufzieht, die Kante unter der 
Alpe und unter der Bischlinghöhe bildend. Wie man den Kalkzug 
überquert hat, betritt man grünes Terrain auf Werfener Schiefer, welcher 
bis an das Hochgebirge reicht und an einer Stelle zwischen Strussing- 
und Mayer-Alpe ansteht und Myaeiten führt. Es folgt aber in diesem 
Terrain noch ein schmales, teilweise unterbrochenes Band von Gutten- 
steiner Kalk zwischen Mayer- und Moser-Alpe, welches durch den 
oberen Larzenbachgraben zum Fromerkogel zieht. Nördlich von diesem 
Bande sind in den Einrissen zwischen Jochriedl und Fromerkogel 
wieder die Werfener Schiefer in großer Mächtigkeit schön aufge- 
schlossen ; alles anscheinend konkordant und nach N fallend*. (Bittner.) 


Das Fritztal. 


Die Fritz bildet von der Einmündung des St. Martiner 
Baches bei der Haltestelle Brunnhäusl bis zu ihrer Mündung in 
die Salzach oro- und hydrographisch die Südgrenze des Tennen- 
gebirges. Von der Reichsstraßenbrücke beim Eingang in das Fritztal 
bis zum sogenannten Alpfahrttunnel, einem kurzen Eisenbahn- 
tunnel innerhalb der Fritzmühle stehen am rechten Ufer fast un- 
unterbrochen die Werfener Schiefer an, an vielen Stellen in der 
Höhe von horizontal geschichtetem Konglomerat überdeckt. Innerhalb 
des genannten Tunnels beginnen die silurischen Schiefer, welche sich 
bis Brunnhäusl hinziehen; in der westlichen Ecke zwischen Fritz 
und St. Martiner Bach lagert eine mächtige Schotterbank ohne irgend- 
eine Spur von gekritzten Steinen. 

Nur wenig Bäche von einiger Bedeutung fließen der Fritz in 


3993 Eberhard Fugger. - [24] 


ihrem Unterlauf an der rechten Seite zu; der Erlachbach, der 
vom Mandlkopf herabkommt und an der Stelle mündet, wo die 
alte Hüttauer Straße von der Höhe herab in die neue Straße einbiegt; 
der Klausgraben, welcher wenig innerhalb der großen Flußkrümmung 
bei der Fritzmühle mündet; der Greißenbach, welcher am oberen 
Fraueneck in etwa 1450 m Höhe entspringt und sich etwa 1'2 km 
innerhalb des Alpfahrttunnels in die Fritz ergießt; endlich ein Neben- 
fluß von bedeutender Länge, der Larzenbach, dessen Quellen 
zwischen Jochriedl und Fromerkogel in zirka 1700 m Meereshöhe 
entspringen und dessen Gewässer in fast gerader Richtung nach S 
einen Graben von 8 km Länge bilden. Er mündet beim Dorfe Hüttau. 
An der Ostgrenze des Tennengebirges endlich fließt der St. Martiner 
Bach, welcher beim Dorfe St. Martin (950 m) entspringt und, wie 
schon bemerkt, bei Brunnhäusl in die Fritz mündet. 

Das Fritztal besitzt von seinem Eingange an der Abzweigung 
der Grazer Straße bei km 50:4 von der nach Bischofshofen 
führenden Straße bis Brunnhäusl eine Länge von ungefähr 11 km, 
die Talsohle ist aber meist wenig breiter, als daß gerade Bach, 
Straße und Eisenbahn den nötigen Raum finden, nur an einzelnen 
Stellen erreicht sie eine größere Breite, um sich bald wieder zu 
verengern. Der Eingang selbst ist eine malerische Schlucht von 13 km 
Länge, welche die Eisenbahn gemieden hat und deshalb erst am 
innern Ende derselben aus einem Tunnel von Bischofshofen her in 
das Tal eintritt. An der rechten Talseite treten sofort beim Eingange 
in die Schlucht steile Wände von grauvioletten und meergrünen 
Werfener Schiefern auf, am linken Ufer dagegen ziehen sich vorerst 
Schotter hin durch etwa 100 Schritte, dann heben sich allmählich die 
Werfener Schiefer aus dem Boden unter dem Schotter empor, und 
nach weiteren 150 Schritten ist vom Schotter nichts mehr zu sehen 
und herrscht auch auf dieser Seite der Werfener Schiefer. 

Am rechten Ufer zeigen die Werfener Schiefer gleich beim 
Eintritt in die Schlucht ein Streichen in h 6, 7° mit 60° Einfallen 
nach N, 100 Schritte weiterhin h 7, 7° und 77° Fallen nach NNO, 
noch weiter drinnen sind sie stark verdrückt mit vielen Rutschflächen, 
einmal lagern sie sogar in h 12, 5° mit 25° westlichem Verflächen, 
unmittelbar daran anschließend fallen sie steil SW, „im allgemeinen 
sind sie aber konstant NW fallend und oft sehr steil aufgerichtet. 
Die Schiefer sind ziemlich stark kristallinisch, besonders sind die 
grünen Bänke oft sehr großglimmerig mit allerlei Wülsten auf den 
Schichtflächen und senkrecht zur Schichtung durchgehenden Adern 
von Quarz mit Brauneisenstein. Diese Schiefer sind auch am Gehänge 
im Salzachtal zwischen Pfarrwerfen und dem Eingang ins Fritztal 
fast konstant entblößt, teilweise auch flach und muldig gebogen.“ 
(Bittner.) 

Etwa 100 Schritte innerhalb km 51'6 erweitert sich das Tal ein 
wenig,die Bahn tritt aus dem großen Bischofshofener Tunnelin das Fritz- 
tal ein und übersetzt die Fritz zum erstenmal. Am rechten Ufer 
stehen unten die violetten und grünen Werfener Schiefer, oben die 
Konglomerate. 150 Schritte unterhalb dieser 1. Eisenbahnbrücke steht 
an demselben Ufer ein Quarzit an, in der Mächtigkeit von 3—4 m. 


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en es u Mr 


[25] Das Tennengebirge. 393 


Dieses Quarzitvorkommen wiederholt sich mehrmals. Innerhalb km 
51'8 der Straße oder km 2'7 der Eisenbahn steht am rechten Ufer 
der rote Werfener Schiefer mit flachem Einfallen nach N an. Etwa 
100 Schritte innerhalb km 52'0 zweigt die alte Hochstraße nach 
Pfarrwerfen ab. Hier steht an der Mündung des Erlachgrabens ein 
Fels mit Werfener Schieferbrekzie von zirka 25 m Höhe und einigen 
Metern Dicke, Südnordstreichend, sehr steil und zerdrückt in sehr 
zerdrückten Werfener Schiefer hineingepreßt. 

Steigt man von hier auf der alten Straße aufwärts, so sieht man 
etwa 15 m über dem Talboden die Werfener Schiefer in h 3 an- 
stehen mit steilem Fallen nach NW. Auch weiterhin stehen bis zur 
Straßenhöhe (647 m) häufig die Werfener Schiefer an und über 
ihnen junge Konglomerate. Auf der Straßenhöhe selbst lagern die 
Werfener Schiefer in h 4 mit Nordwestfallen. Oberhalb Feuerweng, 
östlich der Straßenhöhe, liegt glazialer Schotter; am Wege, der von 
der Kapelle unterhalb Feuerweng gegen O abbiegt, steht Werfener 
Schiefer mit Nordfallen; in 660 m Höhe westlich von Elmautal 
am Fahrwege, gegenüber der Mündung des großen Tunnels ist der 
violette Schiefer auf etwa 10 m in h 11 mit 50° westlichem Ver- 
flächen aufgeschlossen, weiterhin biegt er sich um 90° und fällt wieder 
nach N. Von da bis zur Kapelle (685 m) bei Elmautal trifft man 
häufige Aufschlüsse in den Schiefern. Weiterhin gegen O sieht man 
nur hie und da einzelne fremde Rollsteine. Erst wieder zwischen 
Elmautal und Deisinger (730 m) kommen die Schiefer zum 
Vorschein und stehen in 740 m Höhe in h 6, 3° steil nach S fallend. 

Unten im Fritztale zwischen der Mündung des Elmaugrabens und 
der II. Eisenbahnbrücke bei Taggers Ziegelei, etwa bei km 52:2, 
ist am rechten Ufer eine Wand im Werfener Schiefer entblößt mit 
einer großen Schutthalde an ihrem Fuße; in der letzteren findet man 
rotviolette und grüne Schiefer, die grünen häufig mit Quarzadern 
durchzogen, in denen Eisenspat, Brauneisenerz, Lazulith und Baryt 
sowie Quarzkristalle vorkommen. Auf der Höhe oben über dieser 
Stelle lagert viel Schotter, erst (755 m) oberhalb Hochbruck steht 
wieder der Werfener Schiefer mit Südfallen an. 

Von der Ziegelei talaufwärts sind die beiderseitigen Gehänge 
mit Vegetation bedeckt, nur bei der II. Eisenbahnbrücke sieht man 
unten am rechten Ufer — Bahn und Straße übersetzen auf die linke 
Talseite — rote und grüne Werfener Schiefer und ungefähr 45 m 
über der Straße das Konglomerat. Zwischen dem Konglomerat und 
den Schiefern scheint eine Moräne zu liegen. Am linken Ufer führt 
bei der Mündung des letzten Seitengrabens westlich der. Fritz- 
mühle, des sogenannten Glatzhofgrabens, ein Weg am Gehänge 
aufwärts; an diesem trifft man kaum 20 m über der Talsohle Werfener 
Schiefer überlagert von Guttensteiner Kalk mit nördlichem Einfallen. 

Bei der Fritzmühle macht der Bach eine große Krümmung und 
hat sich eine Mulde ausgewaschen, aus welcher an der Nordseite eine 
hohe Felswand aufsteigt, deren Fuß der Fluß bespült. Diese Felswand 
zeigte im Oktober 1883 nur in der Mitte einen Schuttkegel, welcher 
fast zwei Drittel der Höhe hinaufreichte; an den übrigen Teilen der 
Wand waren die Werfener Schiefer überall bloßgelegt, und zwar in 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 51 


394 Eberhard Fugger. . [26] 


Bändern, welche abwechselnd grün und violett waren, wobei die grünen 
Bänke sehr mächtig, die violetten dagegen etwa nur den 5. oder 
6. Teil so dick waren wie die grünen. In etwa 20 m über Tal sah 
ich damals über der höchsten grünen Bank graue kalkige Bänke, deren 
Gesamtmächtigkeit etwa 10 m betrug; darüber Konglomerat. Gegen- 
wärtig (1906) ist die Wand vollständig mit Schutt überzogen. 

Bald nach der Krümmung überschreitet die Straße und die Bahn 
(III. Eisenbahnbrücke) den Fluß; die Bahn bleibt eine längere Strecke 
am rechten Ufer, während die Straße bald wieder auf das linke 
übersetzt. Schreitet man auf der rechten Talseite neben der Bahn 
fort, so sieht man, daß der Werfener Schiefer stark quarzitisch wird 
und ziemlich mächtige Bänke bildet, wie z. B. bei km 5°9 der Bahn, 
wo ihre Lagerung in h 6 mit 50° nördlichem Einfallen deutlich sichtbar 
ist. Hie und da treten Ka sandige Schiefer auf, welche 
wie die Quarzite nach N fallen, und in diesen fand Bittner zahl- 
reiche undeutliche Versteinerungen, wie Gervillien, Myaeiten u. a. 
Der 70 m lange Alpfahrttunnel ist in SuarzH gebohrt, welcher 
ebenfalls mit 500 nach N fällt. 


Trias an der linken Seite des Fritztales. 


Oro- und hydrographisch bildet, wie schon erwähnt, sicherlich 
die Fritz die Südgrenze des Tennengebirges, in geologischer Beziehung 
möchte man noch einen Streifen vom linken Ufer der Fritz dazu 
rechnen, und zwar wird dieser Streifen immer breiter, je weiter man 
vom Alpfahrttunnel nach W vordringt; es ist eine dreieckige Fläche, 
deren Eckpunkte die Fritzmündung, Kneueck innerhalb des 
Alpfahrttunnels und Bischofshofen im Salzachtale sind. Die Ge- 
steine dieses Gebietes gehören noch der Trias an und werden an der 
gebogenen Grenzlinie Kneueck—Bischofshofen von silurischen Schiefern 
unterlagert. 

Am linken Salzachufer liegt die Grenze zwischen Werfener 
Schiefer und Silur beim Gute Schöneck wenig nördlich des Gainbach- 
falles bei Bischofshofen. Gegenüber am rechten Salzachufer trifft man 
wenig oberhalb der hölzernen Brücke die Phyllite in einem großen 
Steinbruch aufgeschlossen in h 6, 6° mit 70—75° nördlichem Einfallen. 
Weiter flußabwärts ist durch eine Strecke von etwa 800 m Luftlinie 
kein Aufschluß; erst etwa 200 Schritte unterhalb des Schwimmbades 
liegen am Wege große Gipsblöcke, welche jedenfalls vom benachbarten 
Gehänge stammen und sohin das Vorhandensein von Werfener Schiefer 
in der nächsten Nähe verraten. Der verstorbene Bergrat Pirchl, 
seinerzeit Berg- und Hüttenverwalter in Mühlbach bei Bischofshofen, 
versicherte im Jahre 1883 den Geologen Dr. Bittner, welcher hier 
die Gegend aufnahm, daß er bei Bischofshofen am rechten Salzach- 
ufer Gips anstehend gefunden habe. Und Pirchl war ein Mann, 
dem man in jeder Beziehung vollstes Vertrauen entgegenbringen konnte. 
Etwas oberhalb des Schwimmbades sah Bittner am 9. September 1883 
„am Fuße des Abhanges einen ganz geringen Aufschluß“, den er 
„mit großer Sicherheit“ als Werfener Schiefer erkannte. Bei dem 


3 [27] Das Tennengebirge. 395 


Schwimmbade tritt eine Quelle mit schwachem Salzgeschmack auf, 
welche mit Silbernitrat einen reichlichen Niederschlag gibt. 

Ungefähr . 175 m unterhalb der Gipsblöcke tritt das Gehänge 
knapp an die Salzach und hier beginnt eine alte Moräne, die durch 
Sumpfterrain charakterisiert ist. Je näher man der oberen Eisenbahn- 
brücke kommt, desto deutlicher tritt die Moräne hervor. Hier sieht 
man auch, daß sie von einem schön horizontal geschichteten Konglomerat 
überlagert wird; an der Grenze zwischen beiden treten Quellen auf. 
Die Moräne reicht etwa 15 m am Gehänge hinauf, ist reich an 
gekritzten Steinen, ihr Lehm ist fest und hart. Die Konglomeratbank, 
welche die Moräne unmittelbar überlagert, ist etwa 50 Schritte oberhalb 
der Eisenbahnbrücke 2—3 m mächtig, darüber folgt eine Wechsel- 
lagerung von wenig mächtigen Sandsteinbänken mit diekeren Konglomerat- 
bänken. Unmittelbar beim Brückenpfeiler steht das Konglomerat schon 
in gleicher Höhe mit dem Bahnkörper an. 

Hier mündet ein enger Graben, dessen Gewässer von Arlstein 
auf dem Buchberg aus ungefähr 1000 m Meereshöhe herabkommen. 
In diesem Graben steht bei seiner Mündung und einige 20 m einwärts 
Werfener Schiefer an in h 6 mit nördlichem Einfallen, und zwar an 
dessen rechtem Ufer bis zur Höhe der Grabenwand, am linken etwa 
10 m hoch sichtbar, darüber liegt das Konglomerat. 

Bei Bischofshofen führen zwei Eisenbahnbrücken über die Salzach, 
die untere auf der Strecke Bischofshofen—Salzburg, die obere, höher 
liegende auf der Linie nach Selztal. Unterhalb der oberen Brücke 
sieht man das Konglomerat unmittelbar über einer Wand von Werfener 
Schiefern aufsteigen. Die Schiefer sind bis zur Mündung des Tunnels 
bloßgelest und reich an Petrefakten. Sie enthalten hier Myacites 
Fassaönsis Münst., Turbo recte costatus Hawer, Gervillien und Ceratiten. 
Etwa 30 Schritte vor der Tunnelmündung ist dem Werfener Schiefer 
roter Gips in geringer Menge eingelagert. Im Tunnel fallen die 
Schiefer, welche hier ebenfalls reich an Versteinerungen sind, nach N. 
Von der Tunnelmündung abwärts bis zum Eintritt der Fritz in die 
Salzach beobachtet man nur Schotter, offenbar ein Teil des Schutt- 
kegels der Fritz. Dieser Schuttkegel zieht vom Kloster St. Rupert 
als ein Sporn gegen W und schließt das Tal von Bischofshofen gegen 
N so vollständig ab, daß nur für die Salzach Raum blieb und Eisen- 
bahn und Straße sich den Weg durch Abgraben des Schotters frei 
machen mußten. An dieser Stelle, km 50°0 der Bahn, zwischen der 
Salzach und der Mündung der Fritz windet sich die erstere um einen 
Fels herum, welcher gewissermaßen die Fortsetzung des Schottersporns 
bildet. Der Fels ist roter und grüner Werfener Schiefer, welcher 
flach nach N fällt und von jungem Konglomerat überlagert wird. An 
seiner Nordseite lagern die jungen Schotter der Fritz. 

Wandert man von Bischofshofen hinauf nach Buchberg, so 
trifft man schon 25 m über dem Tal das horizontal geschichtete 
Konglomerat, welches bis gegen 700 m Meereshöhe hinaufreicht. In 
660 m Höhe beobachtet man in demselben Auswaschungen ähnlich 
denen beim Bahnhofe Hüttau, nur in geringerem Maße. Oben auf 
der Höhe von Buchberg, welche eine hügelige Hochfläche bildet, 
sieht man, wo sich irgendwo ein Aufschluß zeigt, fast nur Konglo- 

DIE 


396 Eberhard Fugger. D [28] 


merat oder Schotter. Wenn man von der Kapelle (715 m) gegen 
Lehen (739 m) geht, so kommt man in nächster Nähe des zuletzt 
genannten Ortes an dem oberen Ende eines kurzen, aber tief ein- 
gerissenen Grabens vorüber, welcher in jenen Graben mündet, der 
sich von Arlstein bis zur oberen Eisenbahnbrücke hinzieht. Hier ist 
eine Moräne mit schön gekritzten Steinen bloßgelegt. 

Das Bauernhaus Lehen steht auf einem schwarzen dolomitischen 
Guttensteiner Kalk; wenige Schritte weiter gegen NO steht ein 
kleiner Hügel mit einem Kreuz hinter dem Hause mit demselben 
Kalke, welcher in h 2 mit 35° nordwestlichem Einfallen gelagert ist 
mit ziemlich viel Eisenspat, Eisenglanz und Eisenglimmer. Zuunterst 
ist eine schwarze Kalkbank mit Petrefakten, welche „an Reichen- 
haller Kalk erinnert mit kleinen Modiolen und Mwyophoria-artigen 
Bivalven.“* (Bittner.) Am Nordostende des Hügels lagert ein eigen- 
tümlicher Mergelschiefer in h 12 mit Westfallen, welcher den Eisen- 
stein zu überlagern scheint. Der Hügel selbst ist 6—7 m hoch, der 
sanze Aufschluß vom Hause bis zum Nordostende des Hügels gegen 
90 m lang. Durch den Lehener Bauer erfuhr Bittner, daß auch im 
Walde der Höhen in SSW Eisensteinbauversuche stattgefunden haben. 
Schreitet man auf dem Wege, der von hier ins Fritztal führt, weiter, 
so sieht man am Waldrande im Wege selbst gelbliche, kalkige 
Werfener Schiefer, deren Schichtenköpfe der Weg überquert; sie 
führen Versteinerungen — Bittner fand eine Myophoria costata — 
und fallen unter 50° nach NW in etwa 785 m Höhe. 

Von Lehen an der Kirche Buchberg vorüber zum Bauernhof 
Nagel beobachtet man nur Aufschlüsse in Schotter oder Moräne; 
erst beim Hause 653 m sieht man Werfener Schiefer-Stücke herum- 
liegen und 10 m tiefer nordwärts stehen sie am Wege an mit 25° 
nördlichem Einfallen. Steigt man von hier abwärts zur oberen Eisen- 
bahnbrücke, so kommt man etwa 25 m über dem Bahnkörper zu einer 
Ruhebank, die in den Schatten einiger Bäume hineingesetzt ist. Hinter 
dieser Bank liegt ein erratischer Block von Phyllit von 180 cm Breite 
und über 5m Länge direkt auf dem Konglomerat. 

Die Wände der linken Seite der Fritzschlucht zeigen überall 
Werfener Schiefer; auch in der Strecke vom Ausgang des Tunnels 
im Fritztal bis zur Mündung des Raidelgrabens sieht man noch 
hie und da den Werfener Schiefer aus dem vegetationsbedeckten 
Boden hervorstehen. 

Der erste größere Nebengraben der Fritz an ihrem linken Ufer 
ist der Haidergraben, welcher ungefähr 200 Schritte oberhalb 
der II. Eisenbahnbrücke mündet. Er zeigt in seinen oberen Partien 
ober- und unterhalb des Haidgutes nur Moräne und Schotter und legt 
erst von 660 m Höhe abwärts die roten Werfener Schiefer bloß. 

Der folgende Graben, dessen Mündung von jener des Haider- 
grabens nur 225 m entferntist, heißt Raidel- oder Rohrergraben, 
in seinen oberen Partien Klausgraben, er ist mehr als 5 km lang 
und entspringt am Ramberg in 1700 m Höhe. Gleich beim Eingang 
in den Graben stehen grüne, fast zu Brei verwitterte Werfener 
Schiefer an, weiter drinnen treten die roten Schiefer auf, welche in 
640 m Höhe in h 2, 10% mit 35° Einfallen nach NW gelagert sind; 


N 


a 


Lu 2 5 


[29] Das Tennengebirge. 397 


in 660 m stehen die letzten roten Schiefer an, und nun folgen grüne, 
teilweise mit einzelnen schönen weißen und glänzenden zerstreuten 
Glimmerblättchen. Diese grünen Schiefer führen Quarzadern, in denen 
verschiedene seltenere Mineralien vorkommen; so fand man darin 
saphirblaue, zum Teil kristallisierte Quarze, Breunerit-Kristalle wein- 
gelb, zum Teil goldfarbig angelaufen, Eisenspat kristallisiert und 
derb, derben fleischroten Baryt; kristallisierte und derbe Lazulithe 
und Wagnerite. In diesen grünen Werfener Schiefern befand sich 
160 m von der Straße entfernt ein Bergbau auf Eisenspat, von dem 
gegenwärtig jedoch kaum mehr als eine Spur zu sehen ist. In 670 m 
Höhe steht grüner Qnarzit an, weiterhin (bei 690 m) wieder dichter, 
körniger, grüner Werfener Schiefer, und in 700 m erhebt sich am 
rechten Ufer ein Fels von Quarzit bis zu 60 m Höhe; derselbe Quarzit 
zieht sich durch den Bach an das linke Ufer und überlagert hier 
wenige Schritte aufwärts einen grünen Serizitschiefer, der vollkommen 
konkordant mit dem Quarzit in h 6, 5° mit 60° nach N fällt. In 700 m 
Höhe ist sohin im Raidelgraben die Grenze zwischen Trias und Silur. 
Der Serizitschiefer läßt sich bis 725 m verfolgen und wird hier von 
einem Eisenschiefer unterlagert. 

In 580 m Meereshöhe mündet der Brandstattgraben in die 
Fritz, 370 m oberhalb der Mündung des Raidelgraben. Im Eingange des- 
selben liegt Moräne und Schotter. Bis zur Höhe von 720 m ist überall 
Moräne oder Schotter vorhanden, stellenweise liegen auch große Blöcke, 
und nur selten kommt Fels darunter zutage. Bei 630 m steht unter der 
Moräne grüner Werfener Schiefer an; eine kurze Strecke weiter auf- 
wärts (632 m) ist am linken Ufer der grüne Schiefer mit Gipsadern 
bloßgelegt, stark verwittert und zerbröckelt. In 640 m Höhe steht 
der grüne Werfener Schiefer am linken und in 642 m am rechten 
Ufer an und führt-hier in seinen Quarzadern Brauneisenerz und Eisen- 
glanz. Bachaufwärts sieht man denselben Schiefer noch mehrmals an- 
stehen. In 680 m streicht er quer durch den Bach und am rechten 
Ufer steht dolomitischer Guttensteiner Kalk, unmittelbar demselben 
vorgelagert ist ein stark verwitterter Eisenstein, ganz ähnlich wie bei 
Lehen in Buchberg. In 720 m Höhe steht ebenfalls rechts geschichtetes 
Konglomerat in der Grabensohle an. Auf der Höhe des rechtsseitigen 
Gehänges (750 m) ist abermals das horizontal geschichtete Konglomerat 
aufgeschlossen. 

Das Gehänge zwischen Raidel- und Brandstattgraben sowie jenes 
zwischen Brandstatt- und Glatzhofgraben zeigt weder Aufschlüsse in 
der Trias noch im Silur. 

Etwa 620 m vom Brandstattgraben im Fritztal einwärts mündet 
der Glatzhofgraben in 600 m Meereshöhe. Im Eingang desselben 
trifft man nur Schotter; bei 625 m liegt ein großer Block Guttensteiner 
Kalkes, gleich dahinter eine große Menge Schutt von dolomitischem 
Guttensteiner Kalk; 10 m höher am rechtsseitigen Gehänge ist Gutten- 
steiner Kalk, wie es scheint, anstehend, etwa 10m hoch und sehr steil 
nach N fallend. Darüber zeigt sich 8m mächtig Werfener Schiefer, 
über diesem wieder gegen 10 m Guttensteiner Kalk, überdeckt von 
einer Moräne mit gekritzten Steinen. Ungefähr 10 m im Grabenbett 
oberhalb der Kalkschuttmasse steht grünlicher Werfener Schiefer an. 


398 . Eberhard Fugger. £ [30] 
In 645 m Höhe ist im Bach auf einer Strecke von mindestens 50 m 
wieder Guttensteiner Kalk aufgeschlossen mit Einfallen nach NNW; 
bei 660 m lagern dünnschichtige Kalke, offenbar das Hangende der 
Werfener Schiefer; bei 670 m treten unter diesen kuppenförmig die 
grünen Werfener Schiefer auf. 

An der Grenze zwischen den Kalken und Schiefern steht ein 
gelbes, stark verwittertes Gestein an. Wenig weiterhin treten wieder, 
und zwar ziemlich mächtig die Guttensteiner Kalke auf, welche bis- 
her konkordant mit den Werfener Schiefern nach N oder NNW fielen; 
in 672 m Höhe lagern sie aber in h 5 mit Einfallen nach S. Die Kalke 
sind von diesem Punkte an noch etwa 10 m weit aufgeschlossen, dann 
liegt nur mehr Schotter im Graben. Bei 690 m sieht man außer den 
Schottern bloß Schuttstücke von silurischem Schiefer, aber keine Spur 
mehr von triadischen Gesteinen, so daß man annehmen muß, daß hier 
unter dem Schotter bereits die Silurschiefer beginnen. 

Steigt man dort, wo die Triasgesteine im Glatzhofgraben auf- 
hören, ostwärts aus dem Graben hinaus, so trifft man auf einen Weg, 
der an dem Gehänge abwärts führt und neben dem Eingang des 
Grabens in die Fritztalstraße mündet. An diesem Wege stehen, wie 
schon früher (pag. 393) erwähnt wurde, etwa 30m über der Talsohle 
vorerst die Werfener Schiefer an, dann weiter unten westwärts darüber 
die dünnschichtigen Kalke, das Hangende der Werfener Schiefer und 
noch weiter abwärts, westlich von den letzteren und konkordant mit 
ihnen die Guttensteiner Kalke. 

Der nächste Graben, Alpfahrtgraben, mündet gegenüber dem 
Westende des Alpfahrttunnels und gibt nur schlechten Aufschluß. Beim 
Eingang in den Graben liegen noch einige Stücke Quarzit auf dem 
Boden und weiterhin sieht man nur Phyllitplatten. Die Grenze zwischen 
Trias und Silur muß sohin wenige Schritte vom Eingang liegen. 


Das rechte Ufer des Fritztales vom Alpfahrttunnel bis Brunn- 
häusl. 


Am Östende des Alpfahrttunnels bei km 6'3 der Bahn steht 
Quarzit an, der Fels tritt wieder zurück und bei km 6'4 wieder zur 
Balın. Hier stehen grüne und darunter tiefviolettgraue, sehr dünn- 
schichtige Schiefer an, welche ich in Übereinstimmung mit Bittner 
bereits für Silurschiefer halte. ‘Sie sind mit den Quarziten vollkommen 
konkordant ebenfalls in h 6 mit 50° nördlichem Einfallen gelagert. 

An der Straße, welche am linken Ufer hinzieht, steht der Quarzit 
139 Schritte innerhalb km 55°4 in h 7 mit 25° Nordfallen an und 
bei km 55°6 liegt die Grenze zwischen Werfener Schiefer (Quarzit) 
und Silurschiefer (Phyllit). Von dieser Stelle 108 Schritte flußauf- 
wärts lagern an der rechten Talseite oben auf der Höhe über Silur- 
schiefern durch etwa 120 Schritte weit aufgeschlossen wieder die 
Konglomerate. 

Bei der IV. Eisenbahnbrücke stehen grüne Quarzphyllite an und 
reichen bis über km 562. Am rechten Ufer kommt 29 Schritte vor 
und 182 Schritte nach km 560 je ein Bach ins Tal, welcher reichlich 
Konglomeratschutt mit sich führt. Bei km 56°6 mündet der Greißen- 


[31] Das Tennengebirge. | 399 


bach; 160 Schritte weiter steht rechts oben auf der Höhe wieder 
durch 60 Schritte das Konglomerat an, die Schiefer enthalten kleine 
Erzadern mit Eisenglanz, weiterhin Quarz mit Eisenspat, dann Aus- 
blühungen von Eisenvitriol und Alaun. Bei der V. Eisenbahnbrücke 
(120 Schritte innerhalb km 57°0 der Straße) stehen an beiden Ufern 
Phyllite an, welche weiter taleinwärts wieder Konglomerate auf der 
rechten Talseite tragen; die Schiefer zeigen auch hier erzführende 
Quarzgänge und -Linsen. Bei der Vi. Eisenbahnbrücke lagern Phyllite 
und Quarzphyllite, die am linken Ufer auf der Höhe von Konglo- 
meraten und Schottern überdeckt werden. 

Wenig unterhalb Dorf Hüttau und der Mündung des Larzen- 
baches lagen im Jahre 1883 in der Fritz verschiedene erratische 
Blöcke, darunter Gneisblöcke von der Größe eines Kubikmeters; auf 
diesen letzteren hatte sich die Veilchenalge in reicher Menge ange- 
siedelt. 

Eine kurze Strecke oberhalb des Dorfes Hüttau setzt die Straße 
auf das rechte Ufer über und man sieht von hier bis zum Bahnhof 
am rechtsseitigen Gehänge stets die Phyllite, meist schwarz oder grau, 
bloßgelegt. Die Bahn führt am linken Ufer durch einen kurzen 
Tunnel und setzt erst unmittelbar beim Bahnhof wieder auf das andere 
Ufer über. Zwischen dem Tunnel und dieser VII. Eisenbahnbrücke 
lagert der schwarzgraue Phyllit in h 6 mit 50° Nordfallen. Hier tritt 
an der linken Talseite unmittelbar über dem Phyllit, der etwa 2—3 m 
über den Flußspiegel emporragt, das Konglomerat auf. Dasselbe ist 
schön horizontal geschichtet und reicht etwa 30 m über die Talsohle 
empor. Die Konglomerate ziehen noch weit gegen O, wo sie überdies 
noch von Schottern überlagert werden. Sie sind hier wie am Bahnhof 
durch Verwitterung in einzelne verschiedene Kegel aufgelöst, auf deren 
Spitzen einzelne Bäume oder auch Baumgruppen stehen, und geben 
dadurch ein reizendes Landschaftsbild. Am rechten Ufer steht über- 
all der Silurschiefer an. 

Kurz vor der Haltestelle Brunnhäusl schneidet die Bahn hoch 
über der Straße die Phyllite des rechten Ufers an und übersetzt dann 
abermals (VIII. Eisenbahnbrücke) die Fritz. Hier lagert in der Ecke 
zwischen Fritz und St. Martiner Bach, welcher bei Brunnhäusl mündet, 
eine mächtige Schottermasse, in welcher die Steine zwar ganz unregel- 
mäßig, groß und klein, durcheinander liegen, welche aber keine Spur 
von Kritzen zeigen, obwohl Gneis und Hornblendegesteine neben Kalken 
und anderen Gesteinen in nicht geringer Menge in dem Schotter zu 
finden sind. 

Die Mündung der Fritz in die Salzach liegt in 555 m Meeres- 
höhe. Die Basis der Konglomerate beim Bahnhof Hüttau ist ungefähr 
720 m, bei der Fritzmühle in 700 m und bei Winkel an der alten 
Straße von Pfarrwerfen nach Hüttau in 660 m, das Gefälle der Basis 
der Konglomerate beträgt sohin 5m auf 1 km, während das Fritztal 
ein Gefälle von 18 m auf 1 km besitzt. Da das Konglomerat voll- 
kommen horizontal gelagert ist, muß es als eine Seeablagerung an- 
gesehen werden. Bei Gasthof (795 m), wo sowohl die Straße als 
die Bahn gegen Eben hin aufsteigen und das Fritztal verlassen, 
stehen keine Konglomerate mehr, sondern nur Schotter. Der eigent- 


400 Eberhard Fugger. r [32] 


liche Seeboden zieht sich daher von unterhalb Brunnhäusl bis über 
die Höhe der Fritzschlucht hinaus ins Salzachtal. 

Die rechtsseitigen Zuflüsse der Fritz: Erlachgraben, Klaus- 
graben und noch ein paar unbedeutende, die vom Tratteneck 
herabkommen, fließen durch die gewöhnlich grünen und roten Werfener 
Schiefer, die zuletzt genannten in ihren unteren Partien durch Quarzit; 
der Greißenbach durchbricht anfangs bis oberhalb Greißen eben- 
falls die grünen und roten Schiefer, bei Greißen stellen sich die 
Quarzite ein und unterhalb Greißen, beiläufig an der Isohypse 800 m 
beginnen die silurischen Phyllite. 

Von weitaus größerem Interesse ist der Larzenbachgraben. 
Dieser erstreckt sich von seinen Quellen zwischen Jochriedl und 
Fromerkogel bis ins Fritztal in einer Länge von 8 km in rein 
südlicher Richtung und mündet beim Dorfe Hüttau in etwa 704 m 
Höhe. Am südlichen Ende des Grabens treten häufig zu beiden Tal- 
seiten die schwarzen oder grauschwarzen Phyllite zutage; diese sind 
auch im Bache sichtbar und in 713m bilden sie darin sogar schöne 
Karren. Etwa 600 m vom Grabeneingange sieht man am rechten 
Ufer am Wege einen alten Stollen, einen Rest des alten Bergbaues 
Larzenbach. 

Unmittelbar unterhalb Poeting stehen die Phyllite am linken 
Ufer schön aufgeschlossen mit Nordfallen. Ungefähr 300 m innerhalb 
dieses Phyllitaufschlusses kommt am linken Ufer ein Graben von dem 
Gehöfte Bachseiten herab, in diesem Graben stehen bereits die 
Quarzite an. Zwischen beiden Punkten liegt allerdings nur Schutt 
herum und so dürfte ungefähr in 768m Höhe, 1200 m von der 
Mündung des Grabens die Grenze zwischen Silur und Werfener 
Schiefer sein, denn von hier ab bachaufwärts trifft man nirgends mehr 
herum liegende Phyllite, sondern nur mehr rote Werfener Schiefer 
und Quarzite. In 803 m Höhe führt der Weg auf das linke Ufer 
und weiterhin (818 m) liegen am Gehänge Massen von Quarziten, die 
man auf den ersten Blick für Kalke halten könnte und die dem 
Weyerberg angehören; man sieht sie übrigens auch quer durch 
das Tal streichen. Weiterhin trifft man wiederholt auf grüne und 
violettgrüne, etwas quarzitische Werfener Schiefer, welche ebenfalls 
wie die Phyllite nach N fallen; noch weiter talaufwärts tritt „kalkig- 
glimmeriger Werfener Schiefer, gelb, mit stark verzerrten Gervillien 
und nördlicher Fallrichtung* (Bittner) auf. - 

In 863 m Höhe liegt die Mündung des von OÖ kommenden 
Lindaugrabens, an dessen rechtem Ufer in der Ecke zwischen 
diesem und dem Larzenbach das Bauernhaus Seiden liegt. Oberhalb 
Seiden ist im Larzenbachgraben, aber ziemlich hoch über dessen 
Sohle ein Steinbruch (923 m) auf Guttensteiner Kalk und Rauhwacke, 
dessen Gestein beim Eisenhahnbau verwendet worden war. Dieses 
Kalkvorkommen zieht sich ziemlich weit am rechten Gehänge des 
Lindaugrabens aufwärts, zeigt aber am rechten Larzenbachufer keine 
Fortsetzung gegen W. An der Straße (898 m) unterhalb des Stein- 
bruches liegen seine Trümmer. 

Weiter aufwärts im Larzenbachgraben treten wieder auf beiden 
Seiten Werfener Schiefer auf, und zwar vorherrschend in der rot- 


2 zu" 


[33] Das Tennengebirge. 401 


braunen Entwicklung. In ungefähr 970 m Höhe führen sie Quarzadern 
mit Eisenspat. Gegenüber der Mündung des Speckgrabens, der 
von der linken Talseite herabkommt, sind am rechten Ufer des 
Larzenbachbes (999 m) im Werfener Schiefer Einlagen von Kalk, mit 
diesem vollkommen konkordant nach N fallend. Zwischen den Kalk- 
lagen tritt Werfener Schiefer in einer Mächtigkeit von 50—60 cm 
auf. In einzelne löcher dieses Gesteines ist eine eigentümliche 
Brekzie eingelagert. 

Von hier steigt der Weg steil aufwärts an der Speckhütte 
oder Larzenbachalpe (1074 m) vorüber stets über Werfener 
Schiefer, der gerade oberhalb, das heißt genau östlich der Alpe in 
etwa 1370 m Höhe von einer Wand von Guttensteiner Kalk über- 
lagert wird, auf welcher bei der Widdernalpe (1596 m) auf dem 
Kamme zwischen Larzenbach und Haselangergraben abermals Werfener 
Schiefer liegen. Der Guttensteiner Kalk reicht wenige m südlich der 
Widdernhütte bis auf den Kamm zum Punkt 1598 m und bricht 
dann rasch gegen S ab, wo er seitwärts der Schwarzeneckalpe in 
etwa 1520 m dem Werfener Schiefer aufliegt. Im Talboden zieht der 
Werfener Schiefer nordwärts bis 1300 m. stets nach N fallend; hier 
kommt der Guttensteiner Kalk am rechten Ufer von der Bischling- 
höhe herab und zieht an der linken Talseite wieder in südsüdwest- 
licher Richtung hinauf zu dem vorher genannten Punkt 1598 m ober- 
halb der Schwarzeneckalpe. In der Höhe von 1405 m hat man sowohl 
in dem von N kommenden Hauptbach, als in dem von NO kommenden 
Zufluß den Guttensteiner Kalk wieder überschritten und steht aber- 
mals auf Werfener Schiefer, welcher vom Labenberg gegen NO zu 
Tal und von hier quer durch dasselbe zur Vorderen Fromeralpe 
hinaufzieht. Darüber folgt (1470 m) wieder ein allerdings ziemlich 
schmales Kalkband, das zwischen Mayer- und Moseralpe zu Tal 
zieht und dann ebenfalls zur Vorderen Fromeralpe hinaufreicht. Die 
Grundhütte im Tal steht bereits nördlich dieses Kalkzuges auf 
Werfener Schiefer, welcher einerseits bis zum Jochriedl und an die 
Abhänge des Tauernkogels, anderseits über den Kamm zwischen 
Jochriedl und Fromerkogel hinab in die Aualpe reicht. Die Vor- 
dere Fromeralpe steht auf Werfener Schiefer, aber sowohl im 
N als im S derselben ziehen die Kalke vom Tal herauf und der 
nördliche Zug biegt ostwärts der Alphütte gegen S ab und vereinigt 
sich mit dem vorher beschriebenen Kalkzug. Dieser Zug zeigt in 
1660 m Höhe zwischen der SoemmerauerAlpe und der Vorderen 
Fromeralpe Ramsaudolomit, 10 m tiefer dolomitischen Guttensteiner 
Kalk, der hier in h 12 sehr steil nach W fällt. Der Weg führt an 
der Grenze zwischen Guttensteiner Kalk im W und Werfener Schiefer 
im O abwärts, längs des ganzen Kalkzuges lagern ostwärts von dem- 
selben wieder Werfener Schiefer, welche von der Grundhütte und 
dem Fromerkogel zur Sommerauhütte und Widdernhütte reichen. Am 
Fromerfeldkogel lagert über diesen Werfener Schiefern wieder ein 
Band Guttensteiner Kalk und auf diesem Ramsaudolomit. 

Im Larzenbachgraben befanden sich „in der Nähe von 
Hüttau aus alten Zeiten mehrere alte Halden. Vermutlich stammen 
sie aus dem 13. oder 14. Jahrhundert. Diese alten Gruben wurden 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 59 


402 Eberhard Fugger. ü [134] 


im Jahre 1851 neu gemutet und wurde daselbst bis zum Jahre 1869 
Bergbau getrieben, dann aber wegen Nichtrentabilität eingestellt. Der 


Bergbau bestand aus drei zusammengehörigen Stollen von verschiedenem 


Niveau (Georg-, Barbara-, Johanni-Stollen) und einem unabhängigen 
Versuchsstollen. Ein bei dem Barbara-Stollen zu Tag ausgehender 
Erzfund scheint die Veranlassung zu dem alten Bergbau gegeben zu 
haben, welcher sich wesentlich auf den Aufschluß einer zirka 120 m 
langen und an Stellen der größten Mächtigkeit 8 m dicken, nur wenig 
unter die Georg-Stollensohle hinabreichenden Erzlinse bewegte und 
über diese beschränkte Ausdehnung hinaus zu keinem anderen Erz- 
aufschluß gelangt ist. 

„Die Erze: Fahlerz, Antimonglanz, Kupferkies, Eisenkies und 
Magnetkies sowie Spuren von Bleiglanz waren in Quarzlinsen, denen 
sich noch Dolomit, Ankerit und Eisenspat beigesellte, eingeschlossen. 
Neben ‚den genannten Mineralien fand man noch im Bergbau Larzen- 
bach Buntkupfererz, Aragonit und Bergkristalle. Eine Schmelze der 
Erze im Jahre 1855 ergab nur eine Ausbeute von 10 Prozent Kupfer, 
die Fahlerze enthielten weder Gold noch Silber: Die einhüllenden 
Schiefer sind teils graphitische Phyllite, teils Serizitschiefer. 

„Wenig oberhalb Hüttau bestanden im Fritztale in demselben 
nach NW fallenden Phyllite ebenfalls zwei Stollen, der Fritz- und 
der Habersatt-Stollen, in deren Nähe ein großer Schlackenhaufen auf 
die Stelle der alten Hütte hinweisen soll. Auch diese Stollen dürften 
wenig oder keinen Ertrag geliefert haben“ (Gümbel in einem un- 
gedruckten Berichte vom 20. November 1875). 

Auf der Fromeralpe wurde an der Grenze zwischen Werfener 
Schiefer und Guttensteiner Kalk in alter Zeit ebenfalls Bergbau be- 
trieben, und zwar auf Zinkerze (Kieselzink, Zinkblende und etwas 
Zinkspat) und Bleiglanz; die Erze waren begleitet von Ziegelerz 
(Rotkupfererz), Kupferlasur, Malachit, Kupfergrün, Kupferschwärze und 
Brochantit. Der Bergbau, in welchem auch „alkalisch buntfarbige Silber- 
erze“ einbrachen, war im Jahre 1775 schon aufgelassen. 


Der St. Martiner Graben. 


Bei der Haltestelle Brunnhäusl mündet der St. Martiner 
Graben in die Fritz; er entspringt in unmittelbarer Nähe des Dorfes 
St. Martin, welches auf der Wasserscheide zwischen Fritz und 
Lammer (950 m) steht und bildet den südlichen Teil der Ostgrenze 
des Tennengebirges. An seinem rechten Ufer nimmt er mehrere 
Seitengräben auf, von denen der Haslangergraben und der 
Langeckgraben die bedeutendsten sind. 

An der Straßenecke gegenüber dem Wirtshaus Brunnhäusl steht 
Schotter an, am Bache aufwärts liegt viel Schutt und an der rechten 
Talseite zieht sich bis in die Nähe des Wirtshauses Sag (785 m) 
eine Diluvialterrasse hin. In 770 m Höhe trifft man, und zwar am 
linken Ufer des Baches, das erste anstehende Gestein, grüne, quar- 
zitische Schiefer mit Quarzadern, etwa 100 Schritte weiter oben 
kommen sie noch einmal zutage und ebenso beim Wirtshaus Sag, das 
vom vorigen Punkt ebenfalls ungefähr 100 Schritte entfernt ist. Bittner 


[35] Das Tennengebirge. 403 


* bezeichnet diese Schiefer als „fragwürdig“; es sind dieselben Schiefer 


wie sie auch im Fritztal zunächst unter den sicheren Werfener 
Schiefern vorkommen. Ich halte sie für die tiefste Partie der Wer- 
fener Schiefer. Bei Sag scheinen sie nach NNW zu fallen; beim 
Stadlergut, welches auf dem östlichen Ausläufer des Weyerberges 
gebaut ist, stehen dieselben Schiefer am rechten Ufer direkt an der 
Straße in h 6, 10° mit 45° südlichem Einfallen. 

Im Eingange des Haslangergrabens, welcher wenig nördlich 
von Stadler mündet, sind die weißen oder blaßgrünen Quarzite reichlich 
aufgeschlossen, so wie sie am Weyerberg vorkommen. Beim 
Schmid (850 m) ist an der Straße ein Aufschluß von grünen Wer- 
fener Schiefern und bei Mühlbauer trifft man schon auf die roten 
Schiefer. Von hier aufwärts bis St. Martin ist am Wege nur Diluvial- 
schotter zu sehen. 

Der Haslangergraben wird an seiner rechten Seite von 
den Gehängen des Weyerberges, von dem Höhenzug, welcher ober- 
halb der Schwarzeneckalpe mit der Kuppe 1598 m kulminiert und 
über die Widdernalpe (1596 m) bis zum Fromerfeldkogel (1887 m) 
reicht, begrenzt; im N von der Karrainhöhe, das ist dem Kamme 
zwischen dem Fromerfeldkogel und dem Karrainkopf (1848 m) und 
an seiner linken Seite von dem Höhenzug, der sich von letzterem 
über Langeck und den Kogel 1337 m in das St. Martiner Tal 
erstreckt. Die Richtung des Grabens ist von seinem Ursprung am 
nördlichen Kamme bis etwa 1050 m Höhe eine südsüdöstliche, dann 
wird sie unterhalb des Gehöftes Naßberg rein südlich, biegt dann 
fast nach O ab, um in abermals südlicher Richtung den St. Martiner 
Bach zu erreichen. 

In dem untersten Teil des Grabens, 500 Schritte von seiner 
Mündung, ist an seinem rechten Ufer ein Steinbruch (850 m) auf 
Quarzit, welcher in h 4, 5° in 45° nach NNW einfallend gelagert ist. 
Ein zweiter Steinbruch befindet sich 108 Schritte weiter einwärts bei 
einer Brücke und zeigt denselben Quarzit und die gleichen Lagerungs- 
verhältnisse. Im westöstlich verlaufenden Teil des Grabens steht 
(924 m) im und am Bach abermals der Quarzit an in h 6 mit Nord- 
fallen, ‚darüber ein grauer Schiefer. Bei der Mündung des Seiten- 
baches, der am rechten Ufer von der Häusergruppe Werndl herab- 
kommt, steht noch immer derselbe Quarzit an. In diesem Grabenstück 
mit westöstlicher Richtung befindet sich rechts und links viel Schutt 
und Schotter. Nach der Krümmung des Baches in die nordsüdliche 
Richtung steht am linken Ufer. (970 m) der Quarzit mit Nordfallen 
und so fort noch öfter, das letztemal in 990 m Höhe. Weiter auf- 
wärts im Graben sieht man viel roten Werfener Schiefer herumliegen, 
aber nirgends anstehen, da die Gehänge durchaus mit Vegetation oder 
Schutt bedeckt sind; von 1070 m an triftt man auch viele Trümmer 
von Guttensteiner Kalk. 

In 1180 m Höhe beginnt ein steiler Anstieg, der Alpweg zur 
Widdernalpe. Man geht hier fortwährend auf rotem Werfener 
Schiefer bis zur Alpe (1596 m). In 1545 m lagert er flach nach N 
fallend, etwa 1580 m in h 6 mit 15° südlichem Verflächen und etwa 
200 Schritte östlich der Alpe liegt er, in gleicher Höhe mit der- 

52* 


404 Eberhard Fugger. [36] 


selben, fast horizontal mit sehr schwacher Neigung gegen W. Auf 
dem Kamme nördlich der Alpe steht ebenfalls Werfener Schiefer an, 
und liegen in ungefähr 1700 m Höhe zahlreiche Platten davon herum: 
Quarzite, rote Schiefer, Gervillienschiefer; sie sind häufig fast schwarz 
verwittert, so daß man im ersten Moment glaubt, auf Carditaschiefern 
zu stehen. Von der Alpe aus sieht man sehr deutlich, daß sich un- 
mittelbar südlich vom Fromerfeldkogel ein Kalkband über die Obere 
Postmeisteralpe und das Langeck zur Kuppe 1337 m oberhalb 
Naßberg hinzieht. 

Die Guttensteiner Kalke reichen hier etwa bis 1200 m Meeres- 
höhe in den Haslanger Graben herab, oberhalb der Unteren 
Postmeisteralpe, welche noch auf Werfener Schiefer steht, un- 
gefähr bis 1370 m und auf dem Kamme zwischen Widdernalpe und 
Fromerfeldkogel ist ihre Basis in 1786 m. Gerade an dieser letzteren 
Stelle ist der Guttensteiner Kalk sehr wenig entwickelt und ebenso- 
wenig mächtig ist die Fortsetzung desselben an der Westseite des 
Fromerfeldkogels, welche etwas südlich der Sommerauer Hütte 
endet. Gegen O nimmt die Mächtigkeit des Kalkes zu. Bei der Oberen 
Postmeisteralpe ist er fast 200 m mächtig und der Kamm Karrainkopf- 


Langeck besteht nur aus Guttensteiner Kalk. Über dem Guttensteiner- 


Kalk lagert auf der ganzen Karrainhöhe der Ramsaudolomit, welcher 
stellenweise in Wettersteinkalk übergeht und nur der nordwestliche 
Teil der Höhe dieses Kammes gehört dem Raibler Kalk an. Südlich 
der Widdernalphütte sieht man den Guttensteiner Kalk des Höhen- 
punktes 1598 m, welcher westlich unterhalb der Widdernalpe zur 
Vorderen Fromeralpe reicht; während die Werfener Schiefer des 
Haslangertales und der Widdernalpe oberhalb dieses Kalkzuges zur 
Sommerauer Alpe hinüberziehen. 

Der Langeckgraben entspringt unter dem Karrainkopf 
in zirka 1700 m Höhe und zieht zwischen Langeck und ÖOster- 
maishöhe in südöstlicher Richtung zu Tal; er mündet bei der 
Hammerschmiede in etwa 860 m Höhe. Hier steht, wie schon erwähnt, 
grüner Quarzit mit flachem nördlichen Einfallen an der Straße. Steigt 
man in dem seichten Graben aufwärts, so sieht man nur Felstrümmer 
herumliegen, aber kein anstehendes Gestein; erst in 1010 m steht am 
linken Ufer im Graben Guttensteiner Kalk an; weiter nordwärts am 
Gehänge des Ostermaiswaldes trifft man diesen bereits in 955 m als 
Felsengürtel von 10 bis 20 m Höhe. Uber dem Guttensteiner Kalk 
scheint noch die ganze untere Kalkserie der alpinen Trias vertreten 
zu Sein, denn es liegen hier Stücke von dolomitischem Guttensteiner 
Kalk, Wettersteinkalk, von dem eigentümlichen blauen Kalke, wie er 
in der Blühnbachklamm vorkommt, und endlich von Reiflinger Kalk 
am Gehänge herum. Gegenüber an der linken Seite des St. Martiner 
Tales sieht man bei Burgeck ebenfalls einen ziemlich mächtigen Fels 
von Guttensteiner Kalk. 

Am Fuß des Östermaiswaldes kommen bei Mühlbauer (925 m) 
direkt hinter dem Hause mehrere mächtige Quellen unter dem Berg- 
schutt hervor; im Rinnsal derselben liegen einzelne Stücke roten 
Werfener Schiefers, wohl ein Zeichen, daß diese hier den Unter- 
grund bilden. 


[37] Das Tennengebirge. 405 


Der Kargraben und das oberste Lammertal. 


Der Karbach, welcher in 1700 m Höhe im Karrain!), im NW 
des Karrainkopfes entspringt und anfangs ungefähr in der Rich- 
tung von W nach O fließt, trifft nicht ganz 1 km nördlich von Sankt 
Martin die Straße, welche nach Lungötz führt und biegt nun nach 
N ab, um sich in Lungötz in die junge Lammer zu ergießen. In 
diesem seinen Unterlauf bildet er einen Teil der Ostgrenze des 
Tennengebirges. Dort, wo der Karbach vom W her die Straße erreicht 
und von dieser überbrückt wird, findet man in seinem Bette wenig 
Werfener Schiefer, viel Guttensteiner Kalk und -Dolomit, Ramsau- 
dolomit, Wettersteinkalk und etwas weniges auch von Raibler Schiefer. 
Unterhalb der Brücke (940 m) steht am linken Ufer Guttensteiner 
Kalk an in h 8 mit 35° Verflächen nach NNO, weiter gegen N hin 
(925 m) wird derselbe dolomitisch. Oberhalb der Mündung des Retten- 
bachgrabens steht Ramsaudolomit (915 m) an, gegenüber der 
Mündung desselben Grabens Wettersteinkalk. Letzterer wird auch 
bei der Mühle weiter unten sichtbar. Die Straße geht nun auf das 
rechte Ufer hinüber; hier trifft man bald (865 m) Reiflinger Kalk 
anstehend in h 8 mit 25° Fallen nach NNO. Bei einer Straßenbiegung 
(850 m) unmittelbar oberhalb der 3. Brücke, etwa 10 Minuten Weges 
oberhalb Lungötz — bei der ehemaligen Klause — stehen am 
rechten Ufer Raibler Schiefer und -Kalke durch 60 Schritte an in 
h 7 mit 40° Einfallen nach S „mit Posidonomyen und Sphärosideriten 
mit glänzenden kleinen Halobien“ (Bittner). Nach 30 Schritten steht 
am linken Ufer Salzgebirge direkt am Bach als Gips und Gipston ; 
nach abermals 30 Schritten lagert am rechtsseitigen Gehänge Gutten- 
steiner Kalk in h 6 mit sehr steilem Südfallen. 150 Schritte weiter 
unten steht die 4. Brücke und wenig unterhalb derselben zeigt sich 
an derselben Seite wieder Gipston mit Pseudomorphosen von Gips 
nach Steinsalz; dasselbe Material ist 70 Schritte weiter abwärts 
von brekzienartigem Guttensteiner Kalk überlagert. Nach weiteren 
160 Schritten steht der Gipston nochmals an der rechten Seite an, 
dann folgt Schutt und Schotter und bald darauf steht man in 
Lungötz an der Mündung des Karbaches. 

Die verschiedenen Etagen der Trias, welche längs der Straße 
am unteren Karbach aufgeschlossen sind, ziehen von dem westseitigen 
Gehänge herab, auf dem sie deutlich bloßgelegt sind. Die Gutten- 
steiner Kalke, welche von der 1. Brücke bis oberhalb der Rettenbacl- 
mündung anstehen, bilden zwischen Grub und Gogl eine kleine 
Anhöhe und werden in den oberen Partien (970 m) dolomitisch. 
Westlich dieser Anhöhe zieht sich ein kleines Tal in der Richtung 
nach NNO mit ziemlich sumpfigem Boden hin; ich vermute, daß hier 
der Untergrund Werfener Schiefer ist. Der Abhang von W, welcher 
sich zwischen hier und Haarreut zu einer Anhöhe ausbildet, besteht 
aus Guttensteiner Kalk, der aber in der Mulde von Unter- und Ober- 
Haarreut von Werfener Schiefer verdrängt wird. Er steht in der ge- 


!) Karrain heißt der ganze nördliche Abhang des Kammes, der vom Karrain- 
kopf (1848 m) zur Sommerauer Scharte zieht. 


406 Eberhard Fugger. j [38] 


nannten Einsenkung am Aufstiege von Schweighof her schon in 
1000 m Höhe an, weiter aber in der Höhe von Unter-Haarreut (1092 m) 
trifft man auf die gelben Gervillienschiefer. Auch Ober-Haarreut 
(1180 m) steht auf Werfener Schiefer unterhalb der Kammhöhe, welche 
die östlich gelegene Goglhöhe mit dem Höheneck (im W) ver- 
bindet. Die Werfener Schiefer ziehen über diesen Kamm nordwärts 
hinweg und in nördlicher Richtung in das oberste Lammertal hinab, 
wo sie nur einmal zwischen 900 und 1000 m Höhe durch ein Band 
von Raibler Schiefern überdeckt werden. 

Schreitet man in dem oben genannten kleinen, "nach NNO zie- 
henden, ziemlich sumpfigen Tal nordwärts, so kommt man in den 
Graben zwischen Gogl und Unter-Schober, den sogenannten Gogl- 
graben, durch welchen (960 m) ein Weg hindurchführt. Hier stehen 
Raibler Schiefer in h 7, 5° sehr steil nach SSW fallend. Weiterhin 
erreicht man über kuültiviertem Boden das Bauernlehen Unter- 
Schober (1030 m), bei welchem Reiflinger Kalk in Bänken von 
20—25 cm Mächtigkeit schön geschichtet ansteht; seine Lagerung ist 
h 10 mit 25° Verflächen nach ONO. Auf dem Wege von hier nach 
Merleck (Mehreck der Generalstabskarte) stehen wieder Raibler 
Schiefer an; erst etwa 70 m Luftlinie südlich von Merleck trifft man 
auf zuckerkörnigen Wettersteinkalk. 

Die Höhe von Merleck zeigt keinen Aufschluß, dürfte aber ol 
auch dem Wettersteinkalk angehören. Von hier zieht sich ein Kamm 
erst westwärts, dann in südsüdwestlicher Richtung in 1020— 1030 m 
Höhe gegen Ober-Haarreut hin. Auf dieser Kammhöhe oberhalb Ob er- 
Schober stehen wieder die Raibler Schiefer an, sie reichen bis 
1100 m etwas oberhalb Ober-Schober, darunter kommen gegen O die 
Reiflinger Knollenkalke in h 6, 6° flach nordfallend zutage. Diese 
scheinen das ganze Gehänge bis Unter-Schober zu bilden. Die Raibler 
Schiefer ziehen sohin von der 3. Straßenbrücke in einem nicht sehr breiten 
Bande im Merleckgraben (zwischen Merleck und den beiden 
Schoberhöfen) aufwärts, dann auf der Kammhöhe gegen W weiter, 
wäbrend ein Zweig auf dem Kamm nach SSW abbiegt und dann 
durch den Goglbach, welcher etwas oberhalb der Rettenbachmün- 
dung in den Karbach fließt, sich gegen OÖ zu Tal senkt. Die Reif- 
linger Kalke begleiten diesen Zug auf der Innenseite seines Bogens, 
während die Guttensteiner Kalke seinen südlichen und teilweise auch 
den nördlichen Rand umsäumen. Der Ramsaudolomit unterlagert 
regelmäßig den Wettersteinkalk und dieser in dem Terrain zwischen 
Gogl- und Merleckbach die Reiflinger Kalke. Nur auf der Höhe von 
Merleck scheint — nach den Findlingen zu urteilen — der Wetter- 
steinkalk über Ramsaudolomit und Guttensteiner Kalk eine selb- 
ständige Kuppe zu bilden. Das ganze hier beschriebene Terrain ist 
mit Ausnahme der Ostseite von seiner Unterlage, den Werfener 
Schiefern, umschlungen. 

Steigt man im Kargraben von der Häusergruppe Schweighof 
aufwärts, so trifft man in 1015 m Höhe anstehenden Werfener Schiefer, 
dessen Lagerung wenig weiterhin sich mit Streichen in h4-—5 bei 
40° Einfallen nacı NNW abnehmen läßt; bei der Mühle weiter oben 
und noch an anderen Punkten am Wege steht ein quarzitischer Wer- 


U ut. 20 


[39] Das Tennengebirge. 407 


fener Schiefer an. In 1025 »n trifft man auf Gervillienschiefer, dann 
wieder auf dichte graue und grüne Schiefer. In etwa 1090 m Höhe 
scheint-bereits Guttensteiner Kalk anzustehen, man sieht wenigstens 
im Graben nur mehr Kalkschutt; 10 m höher ist der Bach bereits 
20— 350 m tief in den Schutt eingerissen. 

In beiläufig 1270 m mündet rechtsseitig ein Seitenbach. Steigt 
man an demselben empor, so trifft man in 1370 m Guttensteiner Kalk 
mit Fallen nach ONO anstehend; weiter oben, 1395 m streicht er in 
h2, 5 und fällt steil nach SO. In 1430 m Höhe steht am linken 
Ufer Raibler Schiefer in h3 mit 50° Fallen nach SO, in 1530 m 
Raibler Kalk in derselben Lagerung, am gegenüberliegenden Ufer 
stehen hier Ramsaudolomite. In 1630 m wird der Raibler Kalk dolo- 
mitisch und zieht sich am Karrainhange westwärts. Zwischen den 
beiden Hauptquellbächen des Schöberlgrabensam Karrain stehen 
in 1640 und 1690 m Höhe schwarze Raibler Kalke, bei 1715 m sind 
sie wieder mehr dolomitisch. In dem gewaltigen Rhododendrongestrüpp 
zwischen dem westlichsten Zufluß des K rgrabens und dem östlichen 
Arm des Schöberlgrabens trifft man (1570 m) neben Rhododendron 
hirsutum auch Rhododendron intermedium, ein Zeichen, daß hier 
neben den Kalken auch Schiefer anstehen. An einem rechtsseitigen 
Zufluß des westlichen Armes des Schöberlgrabens stehen von 1720 m 
abwärts die Raibler Schiefer ununterbrochen an bis zur Oberen 
Karalpe (1650); in 1715 m Höhe maß ich die Lagerung in h 11 
mit steilem Östfallen. Daselbst fand ich Halobia rugosa Gbl. und 
Trachyceras Aon Mü. Von der Oberen Karalpe geht man stets über 
Raibler Schiefer zur Soemmerauer Scharte. An den westlichsten 
Quellen des westlichen Armes des Schöberlgrabens stehen in 1700 m 
fast senkrechte Schichten des dolomitischen Raibler Kalkes an in 
einer Biegung aus h8 im Osten, mit einer Ausbauchung gegen N 
nach h 4 im W; darunter sind die Halobienschiefer gelagert. Die 
Wände des dolomitischen Raibler Kalkes begleiten die Schiefer bis 
zur Scharte. Hier erheben sich hinter den Raibler Kalken die Ramsau- 
dolomite des Fromerfeldkogels und ziehen ein Stück an der 
Scharte hin und unmittelbar neben ihnen lagern Werfener Schiefer, 
welche sich von hier aus gegen N über den ganzen Fromerkogel 
ausbreiten. Unter dem Ramsaudolomit des Fromerfeldkogels zieht 
ein schmales Band von Guttensteiner Kalk südwärts, und westlich 
von diesem ziehen die Werfener Schiefer von der Scharte weg auch 
südwärts. 

Steigt man von der Sommerauer Scharte in den Larzenbachgraben 
ab, so kommt man in 1660 m Höhe aus den Werfener Schiefern auf 
Ramsaudolomit und 10 m tiefer auf Guttensteiner Kalk, der hier in 
h 12 sehr steil nach W fällt und bereits dem zweiten, tieferen Kalk- 
zuge angehört. 

Wandert man von Schweighof auf dem Alpwege zur Un- 
teren Karalpe (1420 m), so trifft man bei 1165 m am Wege nicht 
nur Stücke von Guttensteiner Kalk, sondern auch von Wetterstein- 
kalk, Wettersteindolomit, Raibler Schiefern und Raibler Kalk. In 
1220 m Höhe stehen die Raibler Schiefer bereits an. Westsüdwestlich 
von der Unteren Karalpe steht am rechten Ufer des östlichen Armes 


408 Eberhard Fugger. . [40] 


des Schöberlgrabens in 1450 m Höhe Wettersteindolomit, im Graben 
selbst 10 m höher Raibler Kalk. 

Steigt man von der Fundstelle des Trachyceras Aon anfangs längs 
des linksseitigen Armes des Schöberlgrabens aufwärts, so trifft man 
in 1750 m Höhe wieder auf etwas dolomitischen Raibler Kalk. Wendet 
man sich dann ostwärts, so erreicht man schließlich den Karrain- 
kopf (1848 m), welcher das östliche Ende der Karrainhöhe bildet. 
Westlich davon erhebt sich eine zweite Höhe (1830 m) und nach 
einer Einsenkung von etwa 10 m Tiefe eine dritte Höhe. Diese drei 
Gipfel und ihre Verbindung gehören dem Wettersteinkalk an, welcher 
weiß, zuckerkörnig und etwas dolomitisch ist. Der vierte Kogel 
(1860 m) besteht aus Raibler Kalk, geschichtet in h 9 mit ziemlich 
flachem Fallen nach NO, dunkel gefärbt, mit weißen Adern, ebenfalls 
dolomitisch. Ebenso der fünfte Kogel (1864 m). Der Fromerfeldkogel 
(1857 m) besteht aus dolomitischem Wettersteinkalk, welcher sich 
auf dem Kamm zwischen Haselanger- und Larzenbachgraben eine 
Strecke weit herabzieht. In 1790 m stehen am Kamm und südsüdwest- 
lich im Larzenbachgraben schwarze Guttensteiner Kalke fast senkrecht 
mit NS-Streichen, anstoßend an den Wettersteinkalk. Wenige Meter 
tiefer betritt man wieder Werfener Schieferterrain. 

Von Schweighof steigt man, wie schon früher erwähnt, 
zwischen der Goglhöhe und dem Höheneck auf Werfener Schiefer 
nach Ober-Haarreut. Im Graben westlich von Haarreut steht 
bereits in der Höhe von 1130 »n Guttensteiner Kalk an und zieht 
die Haarreuter Mulde entlang aufwärts. Er wird gegen W von Ramsau- 
dolomit und dieser von Wettersteinkalk überlagert. Geht man von 
Haarreut westwärts, so sieht man zahlreiche Trümmer dieser Gesteine 
herumliegen. In 1245 m Höhe stehen am Nordgehänge des Höheneck 
bereits Raibler Schiefer an. Steigt man am Bache, der vom Höheneck 
herabkommt aufwärts, so erreicht man den Weg zur Vorder- 
Schöberlalpe, und auf demselben durchquert man Raibler Schiefer, 
Wettersteinkalk, Ramsaudolomit, Guttensteiner Kalk und Werfener 
Schiefer zu wiederholten Malen. Im östlichen Arm des Schöberl- 
grabens stehen in 1305 m wieder Raibler Schiefer ziemlich steil nach 
N fallend an. Der westliche Arm dagegen zeigt bis hinauf zur Som- 
merauer Scharte Werfener Schiefer, welcher gegen O von Raibler 
Schiefer scharf begrenzt wird. Unten im Graben neben der Alpe am 
Wege steht am rechten Ufer Gipsgebirge an (1290 m), im Bachbett 
liegen Raibler Kalke, dolomitische Raibler Kalke und Raibler Schiefer, 
dann Werfener Schiefer aller Art: Heller Quarzit, grüner Quarzit 
(Bittners „verdächtiger grüner Schiefer“), rote und grüne Schiefer. 
Zwischen Vorder- und Hinter-Schöberlalpe ist nur Werfener Schiefer 
bis auf einen Streifen Guttensteiner Kalk, welcher sich von einem 
Kalkbande herabzieht, welches das Nordostgehänge des Fromerkogel 
in der Höhe zwischen 1500 und 1600 m umgürtet. Der schmal zu 
Tal ziehende Streifen bildet in etwa 1430 m eine kleine Felswand 
von Rauhwacke oberhalb der Alpe und steht als Kalkfels im Graben 
neben derselben sehr steil gegen O fallend an, unter demselben liegt 
auch Rauhwacke. Von der Hinter-Schöberlalpe bis zur Einsattlung 
zwischen Fromerkögel (1814 m) und Hochschober (1663 m) — 


: [#1] Das Tennengebirge. 409 


in der Generalstabskarte Schöberlberg —, in welcher eine Jagdhütte 
(1429 m) steht, und von da hinab zur Aualpe lagern ununterbrochen 
Werfener Schiefer. Im Graben, der von der Einsattlung nach N 
zieht, lagern unten im Aualpental noch die Werfener Schiefer; 
als Schutt sieht man im Graben nur Guttensteiner Kalke und Wer- 
fener Schiefer, von letzteren auch Stücke, welche Quarz mit Braun- 
eisenstein und Baryt enthalten. 

Die Aualpe ist ein weiter, mit schwacher Vegetation bedeckter 
Schuttboden, dessen West- und Südseite von Werfener Schiefern 
eingeschlossen wird. Die Alphütte selbst liegt in 1233 m Meereshöhe, 
am Gehänge westlich oberhalb derselben entspringen die Quellen der 
Lammer. Vom Aualpboden aus sieht man, daß die den Guttensteiner 
Kalk überlagernden Ramsaudolomite am Hochschober sehr hoch hinauf- 
reichen; aus herumliegenden Trümmern von hier sowie von der 
Scharte bei der Jagdhütte 1429 m muß man schließen, daß über dem 
Ramsaudolomit noch die Wettersteinkalke und Reiflinger Kalke die 
Höhe des Hochschober bilden. In der kolossalen Schutthalde der 
Aualpe ist Werfener Schiefer vorherrschend. Von den Hofhäusern 
(zirka 995 m) auswärts steht Werfener Schiefer an beiden Seiten des 
Tales an, also auch am Fuß der Steilwände. 

Die oft genannten Schöberlgräben vereinigen sich unterhalb 
der Vorder-Schöberlalpe zu einem einzigen, dem sogenannten Schober- 
graben, welcher von nun ab am Südostfuß des Hochschober anfangs 
über Werfener Schiefer, dann über Guttensteiner Kalk, schließlich 
abermals über Werfener Schiefer zu Tal zieht und unterhalb des 
Spießhofes in die Lammer mündet. 

Der Moosergraben bildet sich aus zwei Rinnsalen, von denen 
das östliche vom Hoheneck, das westliche von dem Kamme zwischen 
dem letzteren und der Unteren Karalpe herabkommt. Die beiden 
Rinnsale vereinigen sich in 990 m zu einem Graben, welcher dann 
noch unterhalb des Moosgutes an seiner rechten Seite einen 
größeren Seitengraben aufnimmt. Im Hauptgraben stehen in der Nähe 
des Moosgutes in 970 m Höhe Raibler Schiefer in großer Mächtigkeit, 
aber mit nicht bestimmbarer Lagerung an beiden Ufern an. Etwas 
höher im Graben (976 m) lagert bereits Gipsgebirge. Nahe der Ver- 
einigung des westlichen und östlichen Armes des Grabens kommt aus 
einer Höhle im Gipsgebirge rechts ein kleiner Bach heraus. Im öst- 
lichen Arm trifft man bis 1080 m keinen Aufschluß, in 1120 m durch- 
quert denselben ein Weg, und etwa 10 m über demselben steht eine 
Wand von Ramsaudolomit geschichtet in h 6, 10 mit 40° Nordfallen. 
Im westlichen Graben stehen in 1060 m die Werfener Schiefer deutlich 
an, ebenso in 1130 m Höhe. Zwischen diesen beiden Gräben trifft 
man in der Höhenlage des vorher bezeichneten Weges — zwischen 
1120 und 1160 m — noch auf fünf kleine Gräben, von denen 
die ersten drei, von O nach W gerechnet, überall die Raibler Schiefer 
bloßlegen, im zweiten derselben (1150 w) konnte ich ihre Lagerung 
inh8 mit sehr steillem Fallen nach NNO feststellen; der vierte 
Graben zeigt keinen Aufschluß; der fünfte dagegen wieder die Ha- 
lobienschiefer. Tiefer unten am Gehänge — zwischen 1050 und 
1080 m — haben sich diese Zwischengräben schon teils untereinander, 


Jahrbuch d. k.k. geol, Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 53 


410 Eberhard Fugger. . [42] 


teils mit den beiden Hauptgräben vereinigt, und man trifft nur mehr 
einen Zwischengraben, welcher in 1050 m Höhe Werfener Schiefer 
bloßlegt. 

Die Werfener Schiefer breiten sich um die Isohypse 1100 m 
auch noch weiter gegen W hin aus bis zu einer großen Sumpfwiese 
(1120 m) am rechten Ufer des tief unten hinziehenden Schober- 
grabens. Steigt man von der Wiese direkt in den Graben hinab, 
den man in 1040 m erreicht, so steht man mitten im Gipsgebirge, 
welches hier an der neuen Forststraße aufgeschlossen ist. In 1035 m 
stehen geschichtete, aber verdrückte grünliche und gelbliche Wer- 
fener Schiefer, 1025 m Rollsteine und Gebirgsschutt, 1018 m auf 
kurze Strecken Gipsgebirge, dann wieder Schutt und Gerölle. Von 
1040 m „im Graben aufwärts stößt man auf Werfener Schiefer, hierauf 
auf Kalk, dann auf roten und weißen Gips mit Muriazit, Breunerit 
und Salzton; dann wieder auf Werfener Schiefer, Gips, Kalk, bitu- 
minösen Schiefer, der endlich mit kleinen Unterbrechungen durch 
Schiefer in Kalk übergeht“. 


„Beim Lämmerhof im Mooswäldchen am Eingang in den 
Schobergraben bestand ein Bergbau auf eisenschüssigen Kalk und 
Ocker in Werfener Schiefer etwas oberhalb des Weges. Der Eisen- 
gehalt betrug 17 Prozent, die Mächtigkeit betrug beiläufig 1’6 m, das 
Streichen dürfte südlich sein (Mayrhofer 1844). 

Im Merleckgraben stehen die Halobienschiefer an, welche 
bis über den Karbach hinüberreichen und an der Straße sichtbar sind. 


Im Goglbach endlich stehen oben die Halobienschiefer, tiefer 
unten Guttensteiner Kalke an; im Bache und seitwärts desselben 
liegen große Trümmer von Reiflinger Kalk. 


Der Gwehenberg. 


Von Lungötz führt die Straße anfangs am linken, dann am 
rechten und schließlich wieder am linken Ufer der Lammer nach 
Annaberg. Am linken Ufer zieht sich eine Schötterterrasse hin, 
oberhalb welcher die Werfener Schiefer zutage treten; von der 
Gratzmühle ab treten dieselben auch unter der Terrasse hervor. 
Zwischen Lungötz im S und der Häusergruppe Lehen im N erhebt 
sich der niedrige Höhenzug des Gwehenberges. Eine im N auftretende 
Erhebung mit 1220 m Höhe führt speziell den Namen Gwehenberg; 
im S dieses Berges tritt eine größere Erhebung (1322 m) auf, welche 
jedoch namenlos ist. Der Berg, welcher einen niedrigen Ausläufer 
auch im N an die Lammer sendet, bis zur Isohypse 700 m, wird 
im O und S von der Lammer, im NW vom Gwehental begrenzt, 
in welchem sich die Häusergruppe Gwehenberg befindet, und im 
W durch eine Einsattlung in etwas über 1100 m Meereshöhe in 
der Nähe der Gappenalpe vom eigentlichen Tennengebirge abge- 
trennt. Die Hauptmasse des Berges bis zu seiner höchsten Erhebung 
sowie die Scharte gegen die Gappenalpe hin gehört dem Werfener 
Schiefer an; der nördliche Teil des Berges mit dem Höhenpunkte 
1220 m, dem Guttensteiner Kalk, von dem sich auch ein Band an 


[43] Das Tennengebirge. 413 


der Ostseite bis an das Südgehänge abzweigt, welches sich ungefähr 
in der Höhe zwischen 900 und 1100 m hinzieht. 

„Steigt man von Annaberg aus auf den Berg, so wandert 
man vorerst über Werfener Schieferterrain, in ungefähr 1000 m Höhe 
erreicht man den Guttensteiner Kalk, und 100 m höher, dort, wo 
der Weg an den Bach tritt, steht man wieder auf Werfener Schiefer, 
welcher sich nordwärts über das „Moos“ und südwärts über die 
Höhe 1322 m ausbreitet. Von der mehrmals genannten Scharte kommt 
man stets über Werfener Schiefer hinab ins Gwehental, einen weiten 
Graben, dessen Boden Schottergrund ist. Das Gehänge der Ostseite 
gehört in der oberen Talpartie dem Werfener Schiefer an, ziemlich 
an der halben Länge des Tales steht an dessen Ostseite Gips an, dann 
folgen die Kalke des Nordabhanges des Berges. Am Fuße des Gwehen- 
berges bei Lehen steigt die Straße von N her steil an, auf der 
größten Höhe derselben sieht man wieder einen Aufschluß im Wer- 
fener Schiefer und viele Quellen, und oberhalb des Wirtshauses 
Hefenscheer befinden sich verschiedene Eisensteinlager an der 
Grenze zwischen Guttensteiner Kalk und Werfener Schiefer. Von hier 
ab gegen S scheinen die Aufschlüsse ganz regelmäßig zu sein: unten 
Werfener Schiefer, allerdings zumeist von riesigen Schutterrassen 
maskiert, darüber steilere Abstürze von Guttenseiner Kalk“ (Bittner). 

An den östlichen Abdachungen des Hauptstockes des Tennen- 
gebirges zwischen Lungötz und Abtenau beißt an vielen Punkten 
Eisenerz zutag aus, Brauneisensteinfunde sind nicht selten, sie treten 
an der Grenze zwischen Guttensteiner Kalk und Werfener Schiefer, 
meist in der Nähe von Gipsstockwerken auf. Eisenerze von Abtenau 
werden schon im Jahre 1208 erwähnt, man findet in dem Gebiete 
viele verlassene Stollen. „Auf der Wirtsötz bei Annaberg bestand 
ein Bergbau auf Eisenspat mit Quarz und Eisenglimmer, der Eisen- 
gehalt schwankte zwischen 8 und 20 Prozent. 

„In der Mandlötz im Lammertal trifft man beim Ansteigen des 
Berges zuerst Werfener Schiefer, dann Gips von roter und weißer 
Farbe, darüber Kalk mit einem schönen Eisenspatanbruch. Ein Probe- 
register von den Jahren 1804 und 1805 gibt den Eisengehalt mit 
16—21 Prozent an. Es waren Tagbaue. Der im Jahre 1844 noch vor- 
findliche Anstand von stark verwittertem, ziemlich feinblättrigem 
Eisenspat dürfte nach S streichen und ziemlich flach nach W fallen. 
Die Mächtiekeit ist durchschnittlich 1 m und läßt sich mehrere Klafter 
sichtbar verfolgen* (Mayrhofer). 

„Der Bergbau in der Sillerötz an der Straße von Annaberg 
nach Abtenau zwischen den Höfen Krailing und Sillach bestand 
aus zwei durch einen Schacht verbundenen Stollen, ein alter Bau, 
welcher 1789 wieder aufgenommen wurde; 1840 wurde der Stollen 
neuerdings untersucht, aber das Erz nicht abbauwürdig gefunden“ 
(Ebner). 

„Der Bergbau Hefenscheer, ebenfalls nahe der Straße von 
Annaberg nach Abtenau, ist auch schon von den Alten betrieben 
worden. Im Jahre 1792 wurde ein Neuschurf angelegt und bis 1817 
gearbeitet; 1840—1864 war der zweite Betrieb, der trotz der weiten 
Entfernung von Flachau, wohin das geröstete Erz zum Hochofen 

53* 


412 . Eberhard Fugger. . [44] 


überführt wurde, wegen des hohen Gehaltes sich noch immerhin rentierte. 
Das Lagergestein ist ein ungeschichteter bläulicher oder gelblich- 
grauer Kalk von fester Beschaffenheit, welcher gegen SW auf auf- 
gelöstem, mürben, grauen Werfener Schiefer, der in h7 bis 81/, mit 
48° gegen NNO einfällt, aufliegt. Im Unterbaustollen gerade an der 
Formationsgrenze sieht man deutlich, daß im Liegenden die sehr 
dichten Werfener Schiefer die Infiltration des Eisens in die Tiefe 
verhindert haben. Der im Bergbau einbrechende Eisenspat ist derb, 
ohne Kies und Quarz, rötlich, gelblichweiß, mehr dem Feinblättrigen 
sich näbernd und teilweise ins Körnige übergehend. Interessant ist, 
daß der Lehm, welcher die Sohle des unteren Verhaues bis zu 4m 
überdeckt, den Alten das schöne Erzblatt verhüllte, welches in h 2, 
10° mit Südostfallen bis in die zweite Etage sichtbar zu verfolgen ist“ 
(Mayrhofer, Ebner). 

Die Stollen am Gwehenberg sind fast durchaus nach der Richtung 
O—W in den Berg eingetrieben. 


Die Höhengruppe Schallwand—Traunstein— Schober. 
(Fig. 3.) 


Die Schallwand ist das Verbindungsglied zwischen der Tag- 
weide (2126 m) am Hauptgebirgsstock und dem Großen Traun- 
stein (1943 m), welcher durch eine Einsenkung von dem nordöstlich 
gelegenen Kleinen Traunstein (1650 m) getrennt ist; an diesen 
letzteren schließt sich, durch eine verhältnismäßig weniger tiefe Ein- 
senkung der Schober (in der Generalstabskarte „Schoberstein*, 
1789 m) an; fast genau nördlich von diesem erhebt sich die Pail- 
wand mit 1273 m Meereshöhe. Von der Schallwand zieht als Grenz- 
bach ein Graben in südsüdöstlicher Richtung zu Tal, der sich dann nach 
NO umbiegt und sich mit dem vom Gwehenberg kommenden in 
der Nähe der Häusergruppe Gwehenberg vereinigt und bei Hedeck 
in die Lammer mündet. Im NO der Höhengruppe zieht sich die Lamıner 
hin und im NW liegt die Ebene von Abtenau. 

„Die Schallwand baut sich allseits in steilen Wänden auf; 
die Gipfelschneide endigt in mehreren scharf zugespitzten Zacken. 
Der Große Traunstein erhebt sich als eine scharfkantige Pyramide, 
die Abstürze des Berges sind nur an der Südseite erkletterbar“ 
(Purtscheller). Die Wände des Kleinen Traunstein sind be- 
deutend weniger steil. Die Hänge des Schober zeigen steile, felsige 
Abbrüche gegen W, an den übrigen Seiten sind sie mit Krummholz- 
beständen überdeckt. Im S der Berggruppe dehnen sich die weiten 
Weidegründe der Gwehenberg- oder Brettalpe aus; in dem 
Kessel zwischen Kleinem Traunstein und Schober der sogenannte 
Alte Kaiser und die Gsengalpe; am Südostfuß des Schober 
ist ebenfalls ein großes muldenförmiges Becken ausgetieft. 

Steigt man von Abtenau über Kohlhof zur Arler- oder 
Tiefenkaralpe (1008 m), so beobachtet man nirgends anstehendes 
Gestein. Auf dem Rücken, der sich vom Westende der Schallwand 
zwischen Tiefkar- und Höllkargraben zu Tal zieht, trifft man 


[45] Das Tennengebirge. 413 


ebenfalls nur Schutt, und zwar unten vorerst reichlich Werfener 
‘Schiefer, weiter oben vorherrschend Guttensteiner Kalke, später wieder 
Werfermer Schiefer, ferner die schwarzen, gefältelten Strubbergschiefer, 
„schwarze, zum Teil etwas dolomitische Guttensteiner Kalke und 
hornsteinführende Reiflinger Kalke, auch Halobia rugosa-Schiefer 
fehlen nicht; vielleicht entspricht ihnen eine am Nordfuß der Schall- 
wand hinziehende Terrasse, über welche ein Weg führt. Das Fallen 
der Schichten an der Westecke der Schallwand ist — mit großer 
Wahrscheinlichkeit — steil in NO. Beim Fortschreiten von hier auf 
dem Wege zur Tenpnenalpe beobachtet man in der Wand im- 
Osten immerfort dunkle Gesteine, erst in den Wänden der Tag- 
weide tritt der Hochgebirgskorallenkalk auf. Die Grenze zwischen 


Fig. 3 
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Guttensteiner und Dachsteinkalk liest ungefähr in der Linie von der 
Wandalpe zu der im OÖ derselben liegenden Hohen Scharte. 
In diese letztere hinauf ziehen sich die schwarzen Strubbergschiefer 
mit manganschüssigen Gesteinen wechselnd, nördlich davon dunkle, 
rostbraun verwitternde Raibler Schiefer, höher an der Schallwand 
Hochgebirgskorallenkalk. An der Schneide der Scharte selbst treten 
im S die Strubbergschiefer, zum Teil gefältelt und an Carditaschiefer 
erinnernd, im N Quarzite und kalkige Werfener Schiefer auf. 

„Die Nordostabhänge der Tagweide enthalten viel rote Kalke, 
zum Teil mit Crinoiden und spärlichen anderen Petrefakten, auch 
Ammonitendurchschnitten von Hierlatz- oder Adneter Aussehen, auch 
srünlichgraue, braun verwitternde Crinoidengesteine. 

„Jenseits der Scharte biegt der Strubbergschieferzug mit Kalk- 
rücken wechselnd ein wenig gegen SO, wo der Korallenkalk des 
sroßen Traunstein anscheinend unvermittelt klotzig daran stößt. 


414 Eberhard Fugger. " [46] 


Westlich ober der Gwehenbergalpe, südöstlich unter dem Traunstein 
gehen die schwazen Schiefer anscheinend ziemlich rasch und sogar 
mit Wechsellagerung in helle, plattige, dem Hochgehirgskorallenkalk 
ähnliche Kalke über, die in wüsten Karrenfeldern bei nahezu senk- 
rechter Schichtenstellung — Fallen steil nach NO, Streichen scharf 
in SO — genau die Streichrichtung der Strubbergzüge fortsetzen. 
Es folgen weiter im NO, anscheinend im Hangenden der vorigen 
unter den Traunsteinabstürzen dunkle, zum Teil dünnschichtige, teils 
Crinoiden führende Kalke, und, wie es scheint, einige dolomitische 
Lagen, ohne daß deren Lagerung gegenüber dem klotzigen Traunstein- 
kalk, der ganz gleich jenem des Hochkönig ist und auch Korallen ent- 
hält, klar wäre. Doch scheint der Kalk des Großen Traunstein gegen 
den Kleinen Traunstein ziemlich rasch nach NO einzuknicken. 

„Es folgt zwischen Großem und Kleinen Traunstein und in SO 
weiterziehend ein schmaler Wiesenstreifen sicheren Werfener Schiefers, 
der stellenweise gegen N hinüberzugreifen scheint. Der Schober, 
dessen Gipfel und Wände dem Hochgebirgskorallenkalk angehören, 
der ziemlich deutlich nach NO fällt, hat an seiner Südseite unten 
etwas dunkleren, zum Teil dolomitischen Kalk und Spuren von Bänder- 
kalk, und oben helleren, zum Teil weißen, porzellanartigen Kalk. Ob 
die Schutthalden unten einen Streifen von Raibler Schiefer überdecken, 
läßt sich nicht nachweisen. Der Kleine Traunstein, die Kuppen 
um die Gsengalpe und die Basis des Schober gehören jedenfalls 
einem und demselben Zuge an. 

„Wandert man von der Höllkarhütte an dem Nordgehänge 
der Schallwand und des Großen und Kleinen Traunstein hin, so sieht 
man auf dem Kamm zwischen Höllkar- und Tiefkarhütte viel Gutten- 
steiner Kalk und Strubbergschiefer. Die Schallwandabstürze sind petro- 
graphisch Hochgebirgskorallenkalke, man findet darin nicht selten 
Korallen, aber keine anderen Versteinerungen. Werfener Schiefer ist 
bei den Quellen am Wege über den vorher genannten Rücken zur 
Tiefkaralpe aufgeschlossen und steht noch hoch im Tiefkargraben, 
dem Graben, an dessen rechtem Ufer die Tiefkar- oder Arleralpe 
liegt, fast knapp an den Wänden des Großen Traunstein in annähernd 
senkrechter Schichtung an. Die Wände selbst erscheinen deutlich steil, 
fast senkrecht nach NNO fallend. Südöstlich der Tiefkaralpe beob- 
achtet man zwischen dem Werfener Schiefer und den Traunstein- 
wänden schwarzen Guttensteiner Kalk, zum Teil schieferig und lagen- 
weise von Krinoiden ganz erfüllt, gerade so wie im SO des Großen 
Traunstein. Auf dem Kamme, der gegen NW vom Kleinen Traunstein 
abdacht, steht bis hoch über die Tiefkaralpe hinauf Werfener Schiefer 
an, welcher auf dem Kamme Natica, Myacites und andere Versteine- 
rungen enthält. Auf der Nordwestecke des Kleinen Traunstein sowie 
auf dem nach N gerichteten Kamme liegt viel schwarzer Kalkschutt 
und ungefältelter Strubbergschiefer, und ist auch stellenweise anste- 
hend zu sehen; darüber lagert dolomitischer Guttensteiner Kalk, über 
diesem treten an der Nordwestecke steil aufgerichtet Halobia rugosa- 
Schiefer auf, allerdings ohne Fossilien, aber petrographisch identisch, 
mit einigen zähen, krinoidenführenden Bänken. Über diesen Schiefern 
und fast über die ganze Nordseite des Kleinen Traunstein sich aus- 


147] Das Tennengebirge. 415 


breitend steht der klotzige Raibler Dolomit aufgeschlossen, welcher 
auch an der Nordostecke der Wand, jedoch ohne die Unterlage von 
Halobien, deutlich sichtbar ist. 

„In der Einsattlung zwischen dem Kleinen Traunstein und Schober 
zieht sich aus etwa 1100 m Meereshöhe bis zum Alten Kaser (zirka 
1380 m) und der Gsengalpe der Guttensteiner Kalk herauf, während 
von der Südseite des Kleinen Traunstein sich ein breites Band von 
Werfener Schiefer um die Südwestecke desselben, an der Gsengalpe 
vorüber, bis zum Alten Kaser herüberzieht. Im S wird der Werfener 
Schiefer wieder von Guttensteiner Kalk überdeckt, der in seinen 
unteren Partien eine Einlage von mergeligen, sehr weichen und etwas 
gefältelten Strubbergschiefern enthält. Am Südwestfuß des Schober 
wird dieser Kalk von hornsteinreichen Reiflinger Kalken überlagert“ 
(Bittner). 

Die Höhe des Schober besteht, wie schon erwähnt, aus Hoch- 
gebirgskorallenkalk, seine Basis ist umgeben von Guttensteiner Kalk, 
der im N und OÖ eine große Ausdehnung besitzt, während er im S 
nur ein verhältnismäßig schmales Band bildet. Der Kalk reicht im 
N und O bis etwa zur Isohypse 1100 m und wird dann von hier ab- 
wärts von Werfener Schiefer und tiefer unten von reichlichen Schutt- 
massen umgeben. 

„Auf dem Wege von Diegrub an der Lammer gegen S trifft 
man nördlich von Hedeck im Graben "grünen Gipsmergel mit Pseudo- 
morphosen nach Steinsalz; südlich von diesem Hofe steht im Graben 
roter Werfener Schiefer an, welcher bis weit hinauf in den Graben 
reicht, der von dem Südwestgehänge des Schober und dem Nordost- 
abhang des gegen SO ziehenden Kammes des Großen Traunstein 
gebildet wird; ein anderer Arm dieser Werfener Schiefer biegt um 
den oben genannten Kamm herum und zieht in einem breiten Bande 
bis an die Hochgebirgskalke des Verbindungskanımes zwischen Großem 
und Kleinen Traunstein. 

„Bei der Häusergruppe Strubeck am Eingang ins Gwehental 
beobachtet man an einer Stelle einen ganz jungen, gut geschichteten 
Schuttkegel des Gwehenbaches, welcher Sandlagen mit Geschiebeleisten 
und ziemlich stark gegen O geneigte Schichtung zeigt — eine Ablagerung, 
welche lebhaft an das Salzburger Konglomerat erinnert“ (Bittner). 

Der Werfener Schiefer zieht sich ins Gwehental an dessen linker 
Seite und hinauf an die Wände des Schober und Großen Traunstein. 
Am Wege zur Gwehenbergalpe steht an den Serpentinen schwarzer 
Guttensteiner Kalk an, welcher hier die Werfener Schiefer in nahezu 
gerader, von OÖ nach W ziehender Linie begrenzt. Höher am Wege 
zur Alpe gelangt man in Werfener Schiefer, der bei einer Quelle in 
einem Einrisse gut aufgeschlossen ist. Während bis hierher der Gutten- 
steiner Kalk an beiden Ufern des von der Schallwand herabkommenden 
Armes des Gwehenbaches anstehend war, bleibt dieser von nun ab 
nur an der rechten Talseite bis hinauf zur Hohen Scharte, während 
die Werfener Schiefer in ungefähr 1500-1600 m Höhe ihr‘ Ende 
erreichen und an die Hochgebirgskalke herantreten. In der Nähe der 
Alpe beobachtet man im W derselben zwischen den Werfener Schiefern 
und Korallenkalken „steil aufgerichtete plattige Raibler Kalke mit 


416 Eberhard Fugger. i [48] 


Mergelschiefer-Zwischenlagen. Das Streichen ist hier im allgemeinen 
O—W, die Schichtung übrigens nicht sehr regelmäßig, sondern stark 
variabel. Die Kalke zunächst über der Gwehenbergalpe sind ganz 
identisch mit den plattigen Bänderkalken des Gipfels der Pailwand 
mit den glänzenden, alt aussehenden Ablösungsflächen, also echte 
Hallstätter Kalke* (Bittner). 


Diegrub. 


‘Von Hedeck im Lammertal nordwärts stehen Werfener an mit 
Einfallen gegen N, weiter hinaus an der Straße trifft man auf eine 
Kalkbrekzie. Unterhalb Diegrub findet man in dieser Eisenspat- 
körner eingeschlossen und oberhalb der Straße geht dieses Vorkommen 
in einen dichten bläulichen Kalk über. Auf beiden Seiten steht Eisen- 
spat an, auf welchen schon die Alten Bergbau trieben; man findet 
Spuren alter Tagverhaue vorzugsweise unterhalb der Straße auf bebau- 
tem Felde und einen 40 m langen Stollen. In der Nähe desHammerle- 
hens stand eine Schmelze und hier soll vom Lammerufer aus ein 
Stollen den übrigen Bau unterfahren haben. Die Mächtigkeit des Erz- 
vorkommens dürfte durchschnittlich 3—4 m betragen haben. Hier 
wurde am Beginn des (9. Jahrhunderts gearbeitet und merkwürdiger- 
weise durch einen resultatlosen linksseitigen Nebenstollen der eigent- 
lich erzreiche Teil, in dem sich drei alte Verhaue hinter- und über- 
einander befinden, durchfahren. Der letzte Abbau geschah hier in den 
Jahren 1846—1864 mit vier Arbeitern. 


Das Erz ist grobblättriger bis ins Feinblättrige übergehender 
Eisenspat von anscheinend hohem Gehalt und lichter Farbe, dann 
Brauneisenstein, Roteisenstein (Blutstein) in Schwarten, Eisenglanz und 
Eisenglimmer und, in äußerst geringer Menge, Eisenkies. Die Erze 
brechen stock- und muglartig an der Grenze zwischen Werfener Schiefer 
und Guttensteiner Kalk in sehr zerrisenem Kalk. Ebner nennt diese 
Erzstöcke Magazine der Infiltrationsprodukte aus vielen darüber lie- 
senden eisenreichen Schichten. 


„Ganz unverritzte schöne Anstände schürfte man in dem Graben, 
welcher etwas über 1 km unterhalb der alten Baue von Diegrub hin- 
zieht; man kann diese Punkte nacheinander verfolgen, wenn man in 
diesem Graben etwa eine halbe Stunde lang aufwärts geht. Die bedeu- 
tenderen Anstände, deren man sechs von 2—8 m Breite antrifft, liegen 
ziemlich in der Richtung zwischen h 20—23 und sind, ohne daß man 
Schiefergestein sieht, mit dem Kalk innig verwachsen. Das Erzvor- 
kommen stimmt mit dem von Diegrub vollkommen überein, nur wird das- 
selbe am höchst gelegenen Anstande vollkommen weiß.* (Mayrhofer 
1844.) 


Die Pailwand 


ist der nördlichste Höhenpunkt (1273 m) der Vorberge, welche dem 
Hauptstocke des Tennengebirgs im O angelagert sind und wird durch 
eine Einsenkung im S, die sogenannte Winterau (zirka 1020 m), 
von der Gruppe des Schober und Traunstein geschieden. Sie erhebt 


ww 


[49] Das Tennengebirge. AM 


sich ziemlich steil im N, dacht jedoch gegen die übrigen Himmels- 
gegenden allmählig ab. Die Werfener Schiefer, welche auch hier 
wieder.die Basis bilden, ziehen im S von der Lammer über Hoch- 
gseng in die weite Mulde der Winterau und weiter gegen W, wo 
sie unter die Schotter der Ebene von Abtenau untertauchen. Auch 
an der Westseite der Pailwand breiten sich die Werfener Schiefer 
aus, allerdings von einzelnen Kalkfelsen unterbrochen. Ein solcher 
Fels von Guttensteiner Kalk von ziemlich unbedeutender Ausdehnung 
lagert im NO von Eggenreut, ein zweiter von größerer Bedeutung, 
dessen Höhe sich über 1000 m erhebt, tritt im SO und parallel zur 
Westsüdwestseite der Pailwand auf, von den Kalken der letzteren 
durch einen Graben getrennt, in welchem die Werfener Schiefer 
durchziehen. Dieser zweite Kogel zeigt am Nordabhang schwarze, 
zum Teil massige Guttensteiner Kalke, ebenso an der Südwestecke 
und am Südabhange gegen die Winterau. Er reicht beim Anstieg von 
der Südseite her beinahe zum Gipfel und ist meist klotzig; er wird 
an einer Stelle von hornsteinführendem Reiflinger Kalk überlagert. 

Ein Kalkfels von größerer Bedeutung ist die Pailwand. „Von 
Moosbichl gegen Stoiblhof findet man anstehende dunkle 
Guttensteiner Kalke, am Stoiblhof stehen nach N fallende, plattig 
schieferige, helle (Hallstätter) Kalke an. Die Kuppe nordöstlich von 
Stoiblhof ist wieder Guttensteiner Kalk, dunkel, zum Teil plattig mit 
Einfallen nach N oder NW. Am Wege selbst liegen zahlreiche Blöcke 
mit Halobien, teils dunkle, teils helle Kalke. Zwischen der bezeichneten 
Kuppe und den Abhängen der Pailwand zieht ein Wiesenrücken hin, 
auf welchem zahlreiche Stücke von Schollen typischer Halobia rugosa- 
Schiefer, allerdings ohne Petrefakten liegen. Ebenso dürften die 
Felder östlich vom Hof den Carditaschiefern angehören; auch festere, 
mergeligkalkige bis reinkalkige Gesteine, wie sie sonst in Begleitung 
dieser Schiefer vorkommen, liegen herum, einzelne mit Krinoiden 
überfüllt, in einem Stück befand sich der Durchschnitt eines Am- 
moniten. 

„Diese Gesteine scheinen in sehr unregelmäßiger Weise am 
Nordgehänge der Pailwand gegen OÖ, beziehungsweise OSO anzusteigen 
und die klotzigen, hellen Kalke dieser Höhe zu unterlagern. Aus 
diesen Kalken stammen der Gesteinsbeschaffenheit nach die Halobien- 
führenden Blöcke von Hallstätter Kalk, die sich auch noch am Nord- 
gehänge sowie draußen am Moosbichl lose finden. Am Fahrweze, der 
vom Stoiblhof aufwärts führt, sind die obersten Oarditaschichten mit 
südlichem Einfallen eine große Strecke hin aufgeschlossen in Ver- 
bindung mit dunklen Kalken darunter, während die tiefsten Partien 
der oberen Kalke eigentümlich schieferig sind und durch Führung 
von grünlichen, chloritisch oder kalkig aussehenden Ablösungsflächen 
lebhaft an alte Bänderkalke erinnern. Es scheinen dieselben Kalke 
zu sein, wie sie am Stoiblhof anstehen. Auf der Höhe lagern Hall- 
stätter Kalke mit Halobien, die auch Draxlehner Platten führen, dann 
vorherrschend helle, zum Teil riesenoolithische graue Hochgebirgs- 
kalke. Die senkrechten Westabstürze der Pailwand nehmen immer 
mehr den Charakter der grauen Hochgebirgskorallenkalke an; solche 
graue Gesteine fehlen indessen auch im N nicht. Höchst interessant 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 54 


418 Eberhard Fugger. . [50] 


ist, daß unmittelbar unter dem Fuß dieser Wände wieder die Halobia 
rugosa-Schiefer in sehr gequälter Schichtenstellung, zum Teil in 
Winkeln nach Längsverwerfungen (?) zum Vorschein kommen, darunter 
hie und da auch noch etwas plattiger, dunkler Kalk. 

„Die Nordostabhänge der Pailwand sind von Blöcken größten- 
teils hellen, porzellanartigen und etwas dunklen klotzigen Kalkes 
überdeckt, darunter treten bei der Hammermühle mächtige Quellen 
auf, dann folgen hornsteinführende, dunkle und ganz schwarze, 
ziemlich stark krystallinische, dickbankige Guttensteiner Kalke bis 
gegen Diegrub. Der oberhalb der Straße anstehende Eisenstein gleicht 
in seinem Vorkommen vollkommen dem vom Lehenhof in Buchberg. 

„Weiterhin an der Straße gegen S stehen mächtige Konglomerate 
und Schuttmassen an. Wenig unterhalb Punkt 693 m liegen am Ge- 
hänge viel Rauhwackenblöcke und in den Konglomeraten findet man 
petrefaktenreiche, kalkige Werfener Schiefer, zum Teil sogar feine 
rote, oolithische mit schwarzschaligen Petrefakten, ähnlich wie Sagor 
und Hraßnig — ein Unikum in den Alpen! Um Punkt 693 m (bei 
Station VI und einer Johannesstatue) und von da aufwärts stehen 
die Werfener Schiefer mächtig an mit Fallen nach NO, unten rote, 
weiter oben grünliche Schiefer und in diesen letzteren nicht selten 
Gervillien, Myaciten und Naticella costata.“ (Bittner). . 


Das Hügelland von Abtenau 


mit einer mittleren Meereshöhe von etwa 750 m wird im N und NÖ 
von der Lammer, im S und SO teils von dem Hauptgebirgsstock des 
Tennengebirges teils von seinen Vorbergen und im W vom Ostabhang 
des Hinter-Strubberg begrenzt. Das Terrain gehört fast ausschließlich 
dem Diluvium an, es ist teils von Diluvialschotter, teils von Moräne 
bedeckt. Nur in einzelnen Gräben sind die Werfener Schiefer bloß- 
gelegt, so am unteren Schwarzenbach und an der Lammer 
zwischen der Mündung des Rigaus- und Schwarzenbaches. In den 
Werfener Schiefern des Schwarzenbachgrabens tritt an zwei Stellen 
unmittelbar an der Abtenauer Straße Haselgebirge auf. „Hier ent- 
springt eine von weißen Sinterbildungen umgebene Quelle, welche 
zwar keinen Salzgeschmack besitzt, aber reichlich Gips gelöst ent- 
hält. Am linken Lammerufer hin, von der Mündung des Schwarzen- 
bachgrabens aufwärts lagern bräunliche, stark verwitterte Werfener 
Schiefer; Gips und Salzton zeigen sich erst gegenüber der Mündung 
des Spanglgrabens bei Grub, dann höher oben neben rotem Werfener 
Schiefer und Gosaukreide im Egelseegraben. 

„Östlich vom sogenannten Sagsteg bildet das Salzgebirge eine 
15—20 m hohe, unmittelbar zur Lammer abstürzende Wand mit 
schönen, weißen und rosenroten Gipsbändern, in fast horizontaler 
Lagerung, und häufigem Vorkommen von ziegelrotem Anhydrit. Hier, 
etwa 1m ober dem Lammerspiegel, an schwer zugänglicher Stelle 
sickert eine deutlich salzig schmeckende Quelle aus dem Haselgebirge 
und füllt am Fuße der Wand ein etwa 1 m langes und 05 m breites, 
bei höherem Wasserstand jedenfalls von der Lammer überflutetes 
Becken. Wenige Schritte weiter östlich öffnet sich ein alter, ver- 


[51] Das Tennengebirge. 419 


fallener Stollen auf Steinkohle mit petrefaktenreicher, meist aus 
Bruchstücken der Gosaukreide bestehenden Halde“ (Rein|). 


Die Kreide besteht teils aus dichten Gosaukonglomeraten, teils 
aus dunklen Actäonellenkalken, welche reich an Petrefakten: Actäo- 
zellen, Nerineen, Hippuriten und Korallen sind, lagert direkt auf 
dem Haselgebirge, und zieht sich in einem schmalen Streifen in der 
Länge von etwa 1 km am linken Lammerufer hin bis nahe an den 
Fuß des Scheffkogl; unmittelbar gegenüber am rechten Lammer- 
ufer ist von diesem Kreidevorkommen nichts zu bemerken; es tritt hier 
nur Werfener Schiefer und Haselgebirge auf. 


Der Schefikogel (906 m) selbst besteht aus hellem Hallstätter 
Kalk, welcher stellenweise dolomitisch ist und von rotem und grauen 
Werfener Schiefer unterlagert wird. Im WNW desselben liegt der 
kleine Egelsee in eine Moräne eingebettet. Weiter abwärts an der 
Lammer findet sich Salzgebirge erst wieder im Raingraben, dem 
Graben bei dem Gehöfte Krusten, wo sich die Straße nach Rußbach 
von jener nach Annaberg abzweigt, sowie an beiden Ufern der Lammer 
zwischen der Rußbachmündung und Handlhof. 


/ Der Strubberg. 


Zwei lauggestreckte Berge, welche untereinander parallel von SO 
nach NW ziehen und durch einen kurzen Sattel miteinander verbunden 
sind, bilden den Strubberg. Der westliche oder Vorderstrubberg 
kulminiert in 1226 m, der östliche oder Hinterstrubberg in 1206 m. 
Im SO des letzteren erhebt sich noch ein selbständiger Kogel, der 
Arlstein mit dem Höhenpunkt 948 m. Die alte Straße nach Abtenau 
führt von Oberscheffau am Südwestgehänge des Vorderstrubberges 
hin ansteigend von zirka 525 m bis zur Höhe von 796m und dann 
wieder sich senkend. In 700 m Höhe biegt sie nach O und später nach 
NO ab, um den Ort Abtenau (720 rn) zu erreichen. Die neue Straße 
vermeidet die große Steigung, sie führt am linken Lammerufer hin, 
anfangs am West-, dann am Nordgehänge des Strubberges, verläßt 
bei der Mündung des Schwarzenbaches die Lammer und führt nun 
am Ostabhang des Hinterstrubberges nach Abtenau. Die beiden Straßen 
umziehen also den Strubberg vollständig und begünstigen die Um- 
wanderung desselben. 

Bei der Lammerbrücke in Oberscheffau, an welcher sich 
die beiden Straßen trennen, mündet ein Schwarzbach. welcher 
seine Quelle am sogenannten Wienerfall, etwa 1'4km in SSO. hat; 
„er führt in seinem Bett massenhaft Werfener Schiefer. Gleich am 
steilen Anstieg ist dunkler Werfener Schiefer, dessen obere Schichten, 
aufgeschlossen, oberhalb Raad sieht man viel dunklen Guttensteiner 
Kalk, zum Teil dolomitisch, welcher hier anzustehen scheint. Nach 
dem zweiten steilen Anstiege folgt wieder dunkler Werfener Schiefer; 
da, wo Bach und Straße einander nahetreten, beobachtet man bei 
einer Quelle unterhalb der Straße die schwarzen schieferigen Lagen, 
wie sie auch anderwärts am Fuße des Tennengebirges, im Guttensteiner 

b4* 


420 Eberhard Fugger. e [5 2] 


Kalk, vorkommen, die Strubbergschiefer!). Der Aufschluß liegt in 
einer Abrutschung und ist schwer zugänglich; hier liegen auf grünen 
typischen Werfener Schiefern mit Kalkeinlagerungen unmittelbar und 
völlig regelmäßig die schwarzen Schiefer. 

„Weiterhin aufwärts folgt viel Schutt, nahe vor der Sattelhöhe, 
796 m, sind an der Straße die Strubbergschiefer wieder aufgeschlossen, 
und zwar in dem an der Südwestseite der Straße befindlichen tiefen 
Graben in mächtiger Entwicklung, aber wie es scheint, vollkommen 
petrefaktenleer. Sie streichen von NW nach SO und fallen steil nach 
NO, sind gefältelt und vielfach geknickt, von holzartigem, altem 
Aussehen und glänzenden Flächen. Daneben südlich zieht sich ein 
Rücken hin, welcher aus einem Gestein besteht, welches schwarz, von 
manganschüssigem Aussehen, kieselig plattig ist und abfärbt. Weiterhin 
übersetzt die Straße den Graben, so daß dieser nun an ihrer 
Nordostseite zu liegen kommt; auch hier findet man im Graben die 
schwarzen Schiefer. 

„Auf der Straßenhöhe 796 m scheint südlich der Straße gegen 
den Abhang des Tennengebirgstockes etwas dunkler, dolomitischer 
Guttensteiner Kalk anzustehen, aber nur in geringer Breite; die 
herumliegenden Blöcke bestehen durchaus aus diesem Gestein, Stücke 
von Dachsteinkalk sind nirgends zu sehen. 

„Am Abstiege gegen SO trifft man sofort auf Werfener Schiefer, 
zuerst Gipsmergel, tiefer das dunkle, kalkig-sandig-glimmerige Gestein 
der oberen Werfener Schiefer, noch weiter abwärts wieder die Strub- 
bergschiefer. Sowie man in die Ebene hinabkommt, etwa in 700 m, 
steht direkt südlich an der Straße der Dachsteinkalk an und zahl- 
reiche Blöcke desselben liegen unmittelbar auf dem anschließenden 
Schieferterrain.“ Die Dachsteinkalke reichen überhaupt von der 
Schönalpe bis gegen das Höllkar tief in das Tal, bis zur Höhe 
von 700 m und sogar darunter, gegenüber der Strubbergstraße reichen 
sie bis etwa 950 m herab. Südwestlich vom Kreuz an dieser Straße, 
„zwischen diesem und der Roßbergalpe, steht Lias an, vorherrschend 
grau, mit Crinoiden, aber auch rötlich und rot; echte rote Crinoiden- 
kalke scheinen dagegen keine große Rolle zu spielen. Brachiopoden 
scheinen sehr selten zu sein und vorzüglich nur in dem roten Gestein 
aufzutreten; dagegen fanden sich Arieten, Phylloceraten und Gastro- 
poden, in einzelnen sehr dunklen, oolithisch-sinterigen Kalkstücken 
auch kleine, sehr aufgerollte, Planorbis-artige Schnecken. Die Gesteine 
sind durchaus etwas verändert, mit glänzenden tonigen Schlieren und 
Ablösungsflächen, ebenso sind die Petrefakten überrindet. Vielleicht 
ist diese Metamorphose, wie sie an der Pailwand und am Gwehen- 
berg auftritt, eine Folge der Schichtenstörung. Bei der Tricklalpe 
weiter im SO trifft man im Dachsteinkalk schönen Oolith und Mega- 
lodon- und Chemnitziendurchschnitte. 


„Der isolierte Kogl, 948 m, bei Unterberg und Trickl, der 
sogenannte Arlstein, ist dunkler, dolomitischer Guttensteiner Kalk, 


!) Ich habe diese schwarzen Schiefer „Strubbergschiefer“ genannt, da 
Bittner sie gerade am Strubberg zuerst und am genauesten studiert und ihre 
Zugehörigkeit in das Niveau der Guttensteiner Kalke konstatiert hat. 


[53] Das Tennengebirge. 421 


an der südlichen und nordwestlichen Basis regelmäßig unterlagert von 
Werfener Schiefer. In den Kalken, welche stellenweise auch mergelig 
sind, fand Heinrich Prinzinger Encriniten, das Gestein ist an 
manchen Punkten mit Encrinitenstielgliedern ganz erfüllt und zwischen 
den Stielen zerstreut liegt hie und da ein Pentacrinus, in den dolo- 
mitischen Kalken sind die Encrinitenstiele auf der ängewitterten 
Oberfläche in Form von Hohlräumen erhalten“ (Bittner). Der 
Arlstein erhebt sich aus der Diluvialfläche von Abtenau und steht nur 
im NW durch eine niedrige Scharte mit dem Hinterstrubberg in 
Zusammenhang. 

Die neue Straße beginnt am linken Ufer der Lammer, wenn 
man die große Brücke über dieselbe bei der Dampfsäge in Ober- 
scheffau überschritten hat. Hier steht „konglomerierter FluB- 
schotter voll fremdartiger, auch kristallinischer Gesteine, ähnlich wie 
jenes bei Strubeck lebhaft an das Salzburger Konglomerat erinnernd“ 
(B.); diese Bank erreicht eine Höhe bis zu 20 m. Beim Aufwärts- 
schreiten an der Straße stehen dunkle Guttensteiner Kalke und 
„rutschige Schiefer in sehr gequälter Stellung gegen NO fallend“ 
an, erstere erscheinen hie und da dünnplattig und voll Kieseluadeln; 
darüber trifft man weiter oben hellen Ramsaudolomit, und auf der 
Sattelhöhe der Straße ist eine Moorwiese mit Lehmunterlage voll 
Öyclas, sowie zersetzter Werfener Schiefer in Brocken. Die Straße 
senkt sich wieder nach abwärts und nun tritt abermals der Gutten- 
steiner Kalk auf als schwarzes, rutschiges, zum Teil sehr zertrüm- 
mertes Gestein. Weiterhin stehen steil aufgerichtete, dunkelgraue bis 
rötlichgraue, ziemlich dünn geschichtete und zum Teil knollige Kalke 
an der Straße vom Typus der Hallstätter Kalke. In herabgestürzten 
Blöcken fand Bittner Monotis salinaria. In diesem Hallstätter Zug 
und den vorher erwähnten Kalken sind die Lammeröfen ausge- 
waschen, eine sehr tiefe, enge, stellenweise nur 1 m weite Schlucht, 
durch welche ein schmaler Steig hindurchführt. 

An dem nordöstlichen Ende der Hallstätter Kalke tritt die 
Straße direkt an die Lammer und führt ohne merkliche Steigung an 
derselben hin bis in die Vogelau. Man sieht am Gehänge des 
Vorderstrubberg hie und da den Guttensteiner Kalk anstehen, teil- 
weise mit jJungem Konglomerat bedeckt. „Von der Mündung des 
Wallingwinkelbaches an, welcher der Lammer an ihrem rechten 
Ufer zufließt, sind die Gehänge häufig von Moränen bedeckt. Aber 
kaum 100 m Weges oberhalb der Mündung des genannten Baches 
beginnen die Werfener Schiefer, welche bis zu dem Bache reichen, 
welcher das Tal zwischen Vorder- und Hinterstrubberg bewässert, 
und bieten eines der außerordentlichsten Profile, die man im Werfener 
Schiefer haben kann“ (B.). Man sieht zuerst die tieferen Schichten: 
die roten Schiefer, steil nach NO fallend, sie bilden das Nordost- 
gehänge des Vorderstrubberg. Weiterhin folgen mehr glimmerige, 
sandige und weniger kalkige Schichten, grau und grünlich, vorherr- 
schend dunkel gefärbt, mit zahlreichen, von Petrefakten erfüllten 
Bänken. Das Hangende endlich bilden dunkle, kalkige Lagen, auf 
deren Schichtflächen sich glimmerige Auflagen befinden. Sie enthalten 
Naticella costata, Myophoria costata und andere Versteinerungen. 


422 Eberhard Fugger. ; [54] 


Nach einer kurzen Unterbrechung ohne jeden Aufschluß tritt 
wieder Guttensteiner Kalk an die Straße, welcher fast stets ein Ein- 
fallen gegen NO zeigt, an einer Stelle nach SW umbiegt, um bald 
darauf seine gewöhnliche Stellung mit Nordostfallen wieder einzu- 
nehmen. Ein schmaler Steg führt über die Lammer, der Guttensteiner 
Kalk wird zum Teil brekzien- oder rauhwackenartig und ist stellen- 
weise von Moräne überdeckt. Weiterhin wird er wieder sehr dunkel und 
dicht, dann folgt eine Stelle von etwa 2 m Länge voll grünen und 
roten zerreiblichen Gipsmergels, hierauf ist der Guttensteiner Kalk 
an der linken Talseite nur hie und da aufgeschlossen, während er 
an der rechten meist in schönen Wänden ansteht. 

Endlich verengt sich das Tal zur Schlucht, es beginnt eine 
Partie von ganz besonderer landschaftlicher Schönheit. Wände von 
dünn- und dickbankigen, dunklen Guttensteiner Kalken, welche zum 
Teil dolomitisch sind, treten von beiden Seiten eng zusammen, die 
Schichten sind etwas hin und her gebogen, aber konstant nach NÖ 
oder NNO fallend, eine ansehnliche Masse, auf den Höhen von Schutt 
überlagert... Prächtige Kesselbildungen zeigen sich an den Ufern, 
welche von dem schön grünen, klaren Wasser des Flusses bespült 
werden, das stellenweise sogar tief smaragdgrüne Färbung zeigt. 

Die Schlucht hat eine Länge von etwa 700 m, dann öffnet sich 
das Tal an beiden Seiten, am rechten Ufer mit sanften Gehängen, 
am linken in die Ebene der Vogelau übergehend, an deren Nordrand 
hie und da Konglomerate und diluviale Schotter sichtbar werden. 

Die Ostseite des Hinterstrubberg, von unten bis oben Gutten- 
steiner Kalk, erhebt sich aus der Diluvialebene von Abtenau längs 
des linken Ufers des Schwarzenbaches; nur nahe der Mündung 
dieses Baches in die Lammer sind auf etwas mehr als 1 km Länge 
längs seiner Ufer Werfener Schiefer aufgeschlossen. Der Bach, welcher 
zwischen dem Südende des Hinterstrubberg und dem Nordwestfuß 
des Arlstein dem Schwarzenbach zufließt, entblößt an seinen Ufern 
ebenfalls Werfener Schiefer. Die Ostseite des Arlstein gehört aus- 
schließlich dem Guttensteiner Kalk an, unter welchem — wie schon 
erwähnt — im S die Werfener Schiefer zutage treten. 

Steigt man von Unterberg in dem Graben zwischen Vorder- 
und Hinterstrubberg gegen die Hochsattelalpe an, so sieht man „die 
Werfener Schiefer als sehr breiten Zug im Graben aufsteigen, und 
zwar gegen den Vorderstrubberg höher hinaufreichend als gegen den 
Hinterstrubberg. Sie ziehen noch über die Hochsattelalpe hinauf 
und jenseits hinunter, das ganze breite, gegen NW abdachende Tal 
erfüllend. Aber auch ganz nahe unter dem Gipfel des Vorderstrub- 
berg sieht man die dunklen, oberen Werfener Schiefer in sehr steiler 
Schiehtung anstehen. Der Gipfel beider Berge besteht aus dunklem 
Guttensteiner Kalk. Der Kamm vom Vorderstrubberggipfel gegen S 
wird von demselben Kalk bis zur Isohypse 1000 m hinab gebildet, 
die gegen NW gerichtete Fortsetzung desselben jedoch zeigt schon 
in etwa 1200 m keinen Aufschluß mehr, sondern nur Gestrüpp und 
Wald. Erst oberhaib der Engelhartalpe, im SO der Wiese auf 
dem Sattel, trifft man in sehr dunklem Kalk Pedaten, ganz ähnlich 
dem Vorkommen am Jenner. Lose Stücke tief schwarzen Kalkes 


Me 


[55] | Das Tennengebirge. 423 


mit kleinen Pedaten liegen reichlich herum. Näher der Wiese lagert 
dünnplattiges Gestein und einzelne dicke Kalkbänke mit Durchschnitten 
großer Bivalven oder Brachiopoden; das Gestein ist jedoch so hart, 
daß kein einziges Petrefakt daraus zu gewinnen war, um es zu be- 
stimmen. Das Streichen der Schichten scheint durchaus ein nord- 
westliches zu sein. 


„Am Absturz von der Wiese zur Alpe tritt wieder das dunkle, 
dünnplattige Gestein auf mit einzelnen dicken Kalkbänken wechselnd, 
in welchen man hie und da Auswitterungen von kleinen Crinoiden- 
stielen findet. Rechts und links neben diesem Abstieg stehen mächti- 
gere Wände, in der westlichen, und zwar knapp im N der Alphütte 
kommt häufig eine feine und enggerippte Form von Halobien vor. 
In dem Graben, der von der Alpe in westnordwestlicher Richtung 
zu Tal geht, ist zwar viel Wasser, aber kein Aufschluß, da alles von 
Blöcken der Wände überrollt ist. 


„Die sämtlichen Schichten sowohl des Vorder- als Hinterstrub- 
berg stehen steil aufgerichtet und streichen von NW nach SO. Von 
den Höhen des Vorderstrubberg genießt man eine prachtvolle Ansicht 
eines Teiles des Tennengebirgstockes, insbesondere auf die drei 
gegenüberliegenden scharfen Grate unter dem Scheiblingkogel“* (B.). 


Die Schönalpe. 


Vom Wieserbauer westlich der Lammerbrücke am Fuß des 
Strubberges führt ein Weg in südwestlicher Richtung aufwärts in ein 
verhältnismäßig weites Tal, welches dann allmählich nach NW um- 
biegt und gewissermaßen den Sattelberg im S halbkreisförmig 
umgibt. Im östlichen Teil dieses Tales liegt die Schönalpe. Die 
gegen den Hauptstock des Tennengebirges gerichtete Talseite gehört 
durchaus dem regelmäßig nach N fallenden Dachsteinkalk an; die 
entgegengesetzte Seite hilden die Abhänge des Sattelberges. Dieser, 
dessen Spitze die Höhe von 1033 m besitzt, „gehört zu seinem größten 
Teil, von der Lammer bis über die Spitze hin, dem Guttensteiner Kalk 
an, er führt hier die schwarzen Kalke mit weißen Adern, die mangan- 
schüssigen graphitischen Strubbergschiefer und dunklen Dolomite. 
Südlich der Spitze, etwa zwischen den Isohypsen 900 und 1000 m, 
breiten sich in einem weiten Bogen rote Adneter Kalke mit Ammoniten- 
durchschnitten aus; der südlichste Teil des Berges gehört bereits dem 
Dachsteinkalk an. Bei der Schönalpe beobachtet man über dem 
gewöhnlichen Dachsteinkalk einige wenige Bänder von demselben 
Gestein, in welchem jedoch neben Megalodonten Hornsteinknollen 
vorkommen; darüber ganz wenig roten Lias, dann viel graues, plattig- 
kalkiges, sehr kieselreiches, splitterndes mit schieferigmergeligem 
grauen Gestein und einer Hornsteinbrekzie. In diesem Komplex 
treten auch graue Crinoidenplatten auf. Man hat also hier die Lias- 
gesteine in verschiedener Entwicklung übereinander. Auch im NO der 
Schönalpe ist Lias noch auf kurze Strecke anstehend. Nördlich des- 
selben ziehen sich die Guttensteiner Kalke am Rande der Dachstein- 

‚ schichten vom Strubberg her. 


424 Eberhard Fugger. \ [56] 


„Der nach N gerichtete Teil des Tales der Schönalpe, dessen 
Boden fast vollkommen eben ist, wird im N von einem Walle, der 
größtenteils aus Trümmern von Dachsteinkalk mit riesigen Megalo- 
donten besteht, abgeschlossen, vielleicht der Stirnmoräne eines sehr 
kurzen alten Gletschers. Die Entstehung des Tales braucht deshalb 
nicht der Erosion dieses Gletschers zugeschrieben zu werden, es 
kann dasselbe, was wahrscheinlicher sein dürfte, bevor ein Gletscher 
hier tätig war, eine Schlinge des alten Flußlaufes der Lammer 
gewesen Sein. 

„Der Einschnitt in den Hauptstock des Tennengebirges ist hier 
einer der tiefsten und größten, und die Wände des Dachsteinkalkes 
sind in außerordentlicher Regelmäßigkeit geschichtet“ (Bittner). 


Die Infangalpe. 


Geht man vom Lammersteg auf dem Fahrweg zu den Bauern- 
häusern Berger und Kuchelbach, so sieht man am linken Ufer 
des Baches, welcher beim ersten Hause fließt, ein grobes Konglomerat 
anstehen. Beim Bergerhause steht das schwarze, manganhaltige, 
schieferige Gestein, im Bergergraben (515 m) oberhalb der Häuser 
fließt der Bach in mehreren kleinen Stufen über die schwarzen 
Strubbergschiefer; in 525 m Höhe, an der Vereinigung zweier Bäche, 
steht am linken Ufer roter und grauer Werfener Schiefer an, etwa 
in h3 mit 20° Einfallen nach SO, ziemlich reich an Petrefakten, am 
rechten dagegen die Strubbergschiefer, deren Lagerung jedoch nicht 
meßbar ist. Weiterhin folgen über den schwarzen Schiefern schwarze 
Kalke mit weißen Adern und dunkle und helle Dolomite der Gutten- 
steiner Schichten. Dann folgen zwei Wasserfälle, der eine im Haupt- 
graben, der andere im rechtsseitigen Zufluß, welcher hier mündet. 
Wendet man sich im Hauptgraben gegen die Infangalpe aufwärts, 
so hat man fortwährend die Strubbergschiefer wechselnd mit den 
Dolomiten vor sich. Hier fand Bittner im Jahre 1883 in den Strub- 
bergschiefern kleine Bivalven, Spuren von anderen Petrefakten und 
einen Monophyllites, welch letzterer Fund die Zugehörigkeit dieser 
schwarzen Schiefer in das Niveau des Muschelkalkes, also der Gutten- 
steiner Kalke, unumstößlich beweist. 

Uber den Guttensteiner Kalken steht am rechten Ufer des 
Grabens ein dunkler, eigentümlich brekzienartig aussehender, horn- 
steinführender Kalk an. Dieselben Hornsteinkalke ziehen unmittelbar 
oberhalb der Alpe (615 m) als eine mächtige, selbständig hervor- 
tretende Bank durch. Südlich der Alpe stehen noch die schwarzen 
Strubbergschiefer, dann findet man zahlreiche Stücke von Dachstein- 
kalken mit Lithodendron, großen Megalodonten und Gastropoden, 
rotem Adneter Lias und grauen Liaskalken, von denen besonders 
letztere stellenweise reich an Versteinerungen sind. Am Fuß des 
Platteneck steht auch hier der rote Adneter Kalk wirklich an; und 
weiter hinauf lagern die Dachsteinkalke vollkommen ungestört und 
regelmäßig geschichtet nach N gegen das Lammertal einfallend. „Auch 
an dem westlichen Zufluß des Bergergrabens, südöstlich vom Lammer- 
eck, steht in zirka 660 m Höhe Lias an“ (Bittner). 


[57] Das Tennengebirge. 425 


Von den vorhergenannten Bauernhäusern Berger und Kuchel- 
bach zieht sich im Halbkreis über S nach W ein seichtes Tal hin, 
welches als mächtige Schuttfläche an der Nordostseite des Lammereck 
bis an die Lammer reicht — eine Wiederholung der Talbildung bei 
der Schönalpe im Kleinen. Dieser Halbkreis umschließt eine bewaldete 
Höhe von geringer Bedeutung, die aber dadurch interessant ist, daß 
man im O Werfener Schiefer, dann Guttensteiner Kalk, hierauf 
Ramsaudolomit und schließlich, wie es scheint, anstehenden Lias trifft. 
Im N dieser halbkreisförmigen Anhöhe breitet sich eine sumpfige 
Wiese gegen die Lammer hin aus. 


Lammereck— Duscherbrücke. 


Die Guttensteiner Kalke, welche vom Strubberg in westnord- 
westlicher Richtung zum Lammereck und weiter bis zur Duscher- 
brücke ziehen, bilden den Nordfuß des Tennengebirges. Sie sind beim 
Lammereck (884 m), dessen Höhe sie bilden, dickbankig, mehr dolo- 
mitisch und zum Teil hornsteinführend, streichen in der Richtung von 
N nach S und fallen ziemlich steil gegen O; weiter gegen W wird 
ihr Einfallen allmählich flacher. 

„Im SW des Lammereck stößt ganz unvermittelt ein niedriger 
Rücken aus OSO streichenden, senkrecht gestellten Adneter Kalken 
von roter und grauer Farbe, der nur auf eine kurze Strecke von 
freiliegendem Dachsteinkalk unterbrochen wird, an die Guttensteiner 
Kalke. In der Nähe des Lammersteges treten in den Guttensteiner 
Kalken wieder Strubbergschiefer auf, welche flach nach SW fallen“ (B.). 

In der Nähe der Duscherbrücke sind die Liaskalke hart 
an der Lammer in einem Steinbruch aufgeschlossen, die Guttensteiner 
Kalke treten anscheinend über den westlich von ihnen lagernden 
Liaskalken auf; auch hier führen die schwarzen Triaskalke an ver- 
schiedenen Stellen Einlagerungen von Strubbergschiefern. 

Die Ecke, welche durch die Mündung der Lammer in die 
Salzach zwischen den beiden Flüssen gebildet wird, von der Mündung 
bis zur Reichsstraße, welche dem Paßlueg zuführt, gehört in ihrer 
kleineren westlichen Hälfte dem Alluvıum, in ihrer östlichen dem 
Diluvium an; die Grenze zwischen beiden ist durch die Böschung 
der diluvialen Schotterterrasse gegeben. Diese wird von der Eisen- 
bahn in der Richtung von N nach S durchschnitten und im O durch 
die Reichsstraße und die Felsen der Vorlagen des Tennengebirges 
abgegrenzt. 


Das Plateau und die Steilwände. 


Das Plateau des Tennengebirges erhebt sich aus steilen Wänden 
in W, S und O, während es nach N verhältnismäßig flach abdacht. 
Es zerfällt gewissermaßen in drei Hochplateaus, ein westliches, ein 
mittleres und ein östliches, welche von höheren Bergrücken und 
Spitzen, die auf den öden und rauhen Flächen als Wegweiser dienen, 
umgürtet sind. Das westliche Hochplateau nehmen teilweise die 
Vordere und Hintere Pitschenbergalpe und das Ebental 


Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 55 


4936 Eberhard Fugger. . [58] 


ein, das östliche die Tenn- und Wandalpe mit dem Höllkar; 
zwischen diesen beiden liegt das große mittlere Plateau mit dem 
Sandkar, dem Tiefkar und der Tiefen Grube. Gewaltige 
Kämme, die sich nach verschiedenen Richtungen verzweigen, mit 
zahlreichen Spitzen, umgeben das Plateau ringsum und durchqueren 
dasselbe. Eine der höchsten Erhebungen, der Bleikogel (2409 m) 
liegt nahe in der Mitte des Plateaus, die höchste Spitze ist das 
Raucheck (2428 m) als Eckstein im SW. Im N der nördlichen 
Umrahmung, aus welcher besonders der Wieselstein (2298 m) und 
der Scheiblingkogel (2284 m) hervorragen, liegen noch einzelne 
Terrassen, die sich aber rasch in Form von weiten Gräben gegen die 
Lammer zu abdachen. 

„Das westliche und östliche Plateau besitzen einen spärlichen 
Graswuchs, nur das östliche wird durch einige Wochen des Hoch- 
sommers als Alpe benützt und an ihnen kommt noch die Krummholz- 
kiefer, obschon spärlich und kümmerlich fort. Das mittlere Hoch- 
plateau dagegen entbehrt fast jeder Vegetation und es bieten sich 
dem Auge ringsum nur kahle Felsmassen dar, die das Plateau zu 
einer schauerlichen Einöde stempeln. Die einzelnen Plateaus, haupt- 
sächlich das mittlere, werden einerseits von tiefen Schluchten, gleich- 
sam Längs- und Quertälern durchkreuzt, welche teils weithinziehende 
hohe Wände, teils zackige Spitzen hervorbringen; anderseits finden 
sich ungeheure, bis zu hundert Metern tiefe Trichter und Kessel vor, 
die überall von Felsmassen umschlossen und meist das ganze Jahr 


mit Schnee erfüllt sind, und ebenso wieder an anderen Stellen aus- 


gedehnte Karrenfelder“ (Lipold). 

Das Plateau trägt zwei kleine Seen, die Pitschenberglacke 
nächst der Pitschenberg-Jagdhütte und die Schefflacke in dem wilden 
Kar zwischen Wieselstein und Scheiblingkogel. Auch mehrere Eis- 
höhlen sind auf der Höhe bekannt: Der Seeofen an den Wänden 
des Heankrail (Hühnerkralle), die Posselthöhle unter dem Hoch- 
kogel, die Fritzer Kirche unter dem Fritzer Kogel, zwei Höhlen 
an den Eiskogeln und die sogenannten Eislöcher am Tauernkogel. 

Das Plateau des Tennengebirges gehört vollständig dem Dach- 
steinkalk an, die Steilwände sind massiger, ungeschichteter Riffkalk, 
die Felsrippen auf dem Plateau sowie seine Abdachung nach N zeigen 
schöne und regelmäßige Schichten in dicken Bänken mit gleich- 
mäßigem Fallen nach NO. Der Neigungswinkel ändert sich dabei 
allerdings, er beträgt nach Lipold im Längtal am Wege zum 
Niedertörl 36° an der Wiesel- und Rotwand 45° am Kuchel- 
berg 60% An den Wänden des Breitstein an der äußeren und 
unteren Grenze des Gebirges stehen nach Bittner die Schichten 
des Dachsteinkalkes schon nahezu senkrecht. Die breiten Gipfelkuppen, 
wie der Wieselstein, Scheiblingkogel, Hochpfeiler und Bleikogel 
zeigen geschichtete Kalke. Die Gräben, welche in den Nordabhang 
eingerissen sind, lassen hie und da unter dem geschichteten Kalk 
die ungeschichteten Korallenkalke sichtbar werden. 

Die Kalke des Plateaus sind meist einfarbig grau, nur an einigen 
wenigen Stellen ziehen sich mächtige rote Massen oder rote Schmitzen 
durch dieselben, so daß sie im letzteren Falle gebändert erscheinen. 


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[59] Das Tennengebirge. 497 


Solche rote Kalke oder gebänderte Kalke trifft man am Hühner- 
krallkopf und Hochpfeiler (Geyer), am Fieberhorn, am 
Fuße der Rotwand und am Scheiblingkogel (Lipold), in der 
Tiefen Grube und oberhalb der Trickalpe (Geyer) sowie bei 
der Tennalpe (Lipold). Aber auch diese Kalke gehören dem 
Dachsteinkalk an. 

An Versteinerungen fand M. V. Lipold und H. Prinzinger, 
welche im Jahre 1850 das Plateau auf dessen Südseite von W nach 
O und auf der Nordseite von OÖ nach W durchquerten, „Megalodon 
triqueter Wulf. im ganzen Tennengebirge, bald nur selten, bald aber 
wie am Wieselstein, nördlich von den Bleikogeln, südlich von der 
Wieselwand, auf dem mittleren Hochplateau in solchen Mengen, daß 
eine Muschel in die andere verwachsen zu sein und das ganze Gestein 
aus demselben zu bestehen scheint. Besonders interessant ist in dieser 
Beziehung die am nördlichen Fuße des Bleikogel befindliche, nur 
10° nach NO geneigte ebene Fläche, welche die Dachsteinbivalve so 
häufig ausgewittert enthält, daß die Fläche dem schönsten Parkett- 
boden ähnlich wird“ (Lipold). Außer dieser Muschel trafen sie 
Lithodendren, dann eine Chemnitzia, welche an manchen Stellen eine 
ganz gewaltige Größe erreicht; Lipold fand Auswitterungen der- 
selben im Querschnitte mit einem Durchmesser von 5—8 cm und 
darüber. Böse fand am Wieselstein einen Brocken roten Kalkes, 
welcher mit Zrhynchonellina juvavica Bittner erfüllt war und unter den 
Wänden des Raucheck und des Hochthron außer einigen großen Me- 
galodonten und einigen Lithodendronstücken den Querschnitt eines 
Arcestes. Nach all dem scheint die Fauna des Dachsteinkalkes des 
Tennengebirges zwar reich an Individuen, aber arm an Arten zu sein. 

Die Steilwände im W, welche eigentlich erst bei Brunneck im 
Paßlueg beginnen, bestehen bis über Stegenwald aus geschichtetem 
Dachsteinkalk, welcher von der Talsohle bis auf die Höhe des Plateaus 
reicht; weiterhin steigt unter demselben ein undeutlich geschichteter 
Korallenkalk auf und erreicht das Plateau im Bäreck. Schon bei 
Eckhart beginnen die Ramsaudolomite, ohne daß irgendeine Zwi- 
schenlage von Schiefern oder Dolomiten der Raibler Etage sichtbar 
würde. Der Ramsaudolomit zieht sich hier nach Geyer ebenfalls aufs 
Plateau zur Pitschenbergalpe und ist vom Dachsteinkalk durch 
einen Bruch getrennt; längs der Bruchspalte hin lagert im Schart- 
graben eine schöne rote Reibungsbrekzie. Die Ramsaudolomite reichen 
an den übrigen Teilen der Westseite des Gebirgsstockes meist nicht 
viel höher als bis 1100 m ü. d. Meer und bilden im allgemeinen die 
Basis, auf welcher die jüngeren Glieder der Trias aufliegen. Südwärts 
folgen am Fuße gewaltige Schuttmassen, welche teilweise die tieferen 
Etagen, Guttensteiner Kalk und Werfener Schiefer überdecken. Im 
Gundacker Graben beginnen die Wände erst in 755 m Höhe, wo 
der geschichtete Guttensteiner Kalk von wenig oder undeutlich geschich- 
tetem Guttensteiner Dolomit überlagert wird, etwa 40 m höher erhebt 
sich bereits der Ramsaudolomit. Im Loipfargraben kommt man 
erst in 825 m Höhe an die Felswand, welche hier aus einer groben 
Dolomitbrekzie, wohl auch dem Ramsaudolomit angehörend, besteht. 
Von der Höhe westlich oberhalb der Konkordiahütte aus sieht man 


55* 


498 Eberhard Fugger. . [60] 


deutlich die Grenze zwischen den Dolomiten und den darüberliegen- 
den Hochgebirgskalken. 

An der Südwestecke des Gebirgsstockes scheinen an den Steil- 
wänden über dem Ramsaudolomit die Raibler Dolomite aufzutreten, 
im Staudachgraben, wo die Wände in etwas über 1000 m Höne 
beginnen, findet man außer dem ersteren auch Trümmer des dunklen, 
mit roten Adern durchzogenen Raibler Dolomits. In den Gräben unter 
dem Raucheck, dem Fallsteiner, Kalcher und Reichhof- 
graben trifft man Ramsaudolomit am Fuße der Wände in Höhen von 
1055 bis 1200 m; im Fallsteiner Graben liegen Stücke von dunklem 
Raibler Kalk sowie von schwarzem und rotschwarzem Raibler Dolomit, 
welcher in 1215 m Höhe ansteht; ebenso liegen sie auf der Schnepf- 
ries, und heben sich die dunklen Dolomitköpfe aus der hellfarbigen 
Schutthalde deutlich empor. Die Raibler Dolomite dürften hier bis 
1900 oder 2000 m emporreichen. 

Unter dem Hochthron und dem Fieberhorn ist von Raibler 
Dolomit nichts wahrzunehmen; der Guttensteiner Kalk reicht hier 
ziemlich hoch und über ihm lagert Ramsaudolomit, in welchem Böse 
einen Arcestenquerschnitt und Diplopora cf. porosa Schafh. fand. Über 
letzterem erhebt sich direkt der Hochgebirgskorallenkalk. Dagegen 
steigen im Hintergrund der Wenger Au die Ramsaudolomite direkt 
aus dem Talboden (1100 m) auf und werden in etwa 1500 m von 
Raibler Dolomit überlagert; letzterer reicht wohl bis gegen 1650 m 
an der Wand empor. Im SW unter den Eiskogeln scheint dieser 
wieder zu fehlen, im SO dagegen und unter dem benachbarten Tauern- 
kogel tritt er wieder deutlich hervor; ja an dem oberen Ende des 
grasbewachsenen Kammes, welcher sich von der Mitteralpe zum 
Tauernkogel hinzieht, steigen die Raibler Dolomite in 1900 m direkt 
auf und ziehen sich in nicht sehr großer Mächtigkeit mit einer kurzen 
Unterbrechung im NW der Aualpe hinüber bis fast zur Gappen- 
alpe, anfangs von Ramsaudolomit unterlagert, der bis etwas südöstlich 
vom Luftenstein direkt aus der Talsohle aufsteigt. Von da ab tritt 
ansteigend Guttensteiner Kalk auf. 

„Die Gappenalpe im äußersten Osten (1508 m) liegt noch im 
Hochgebirgskalk, der allseits, speziell in S, SO und O darunter 
kleine Wände bildet. Der von hier gegen W hinziehende Rücken der 
Königswand besteht aus demselben Korallenkalk von vorherrschend 
heller Farbe, hie und da mit rötlichen Lagen, stark kristallinisch wie 
an den Abstürzen des Tennengebirges gegen Werfen, und äußerst 
fossilarm. Bittner sah darin nur Crinoiden. Unter der Wand zieht 
sich an der Südseite ein dunkler Streifen von Halobia rugosa-Schiefern 
hin, welche typisch entwickelt sind, mit einigen rostgelb verwitternden 
härteren Kalkbändern und einzelnen kleinen Schälchen von Halobien- 
brut. Schiefer und Kalke fallen steilnach N; darunter lagert dunkler 
Guttensteiner Kalk, darüber dunkler Raibler Dolomit in nicht sehr 
mächtiger Entwicklung, dann zum Teil gebändertes, gut geschichtetes 
Gestein und darüber endlich die hellen Hochgebirgskorallenkalke“ (B.). 


1 


[61] Das Tennengebirge. 429 


Geologische Horizonte. 


Die Silurschiefer bilden die Südgrenze des ganzen Gebietes; 
sie ziehen von Bischofshofen anfangs in fast nordöstlicher Richtung 
hinüber in den Rohrer- oder Raidelgraben, wo sie nicht ganz 
l km südlich vom Fritzbach als das Liegende der Werfener Schiefer 
deutlich aufgeschlossen sind. Weiterhin ist das Terrain wieder teils- 
mit Vegetation, teils mit Schutt bedeckt, und erst im Glatzhof- 
graben gegenüber der Fritzmühle ist die Grenze wieder — kaum 
1/, km südlich der genannten Mühle — sichtbar. In der Nähe des 
Alpfahrttunnels trifft man sie deutlich am rechten Fritzufer, und 
zieht sich dieselbe von hier weg in fast gerader Linie ostwärts bis 
etwa halbwegs zwischen Brunnhäusl und Sag. 

Die in dem beschriebenen Gebiete vorkommenden silurischen 
Gesteine sind meist sehr dünnschieferige Phyllite von größtenteils 
schwarzer oder schwarzgrauer Farbe, mitunter graphitisch, auch grau, 
seltener grünlich, grün oder tief violettgrau, oder es sind helle, grau- 
grüne oder dunkle Quarzphyllite, oder aber grüne Serizitschiefer. Sie 
unterscheiden sich hauptsächlich von den Werfener Schiefern dadurch, 
daß diese letzteren mehr sandsteinartig, die Silurschiefer dagegen von 
sehr schieferigem Gefüge sind. 

In den Silurschiefern befindet sich der alte aufgelassene Bergbau 
Larzenbach, welcher auf Kupfer betrieben wurde. 

Die Werfener Schiefer sind die Basis der gesamten süd- 
lichen Vorberge des eigentlichen Felsstockes des Tennengebirges sowie 
der Vorlagen im Osten und Nordosten; aber auch an der Westseite 
treten sie an einzelnen Stellen unter dem Schutt hervor und fast im 
äußersten Norden bei der Häusergruppe Berger trifft man sie auf 
eine kurze Strecke anstehend. An einzelnen Stellen, wie im Fall- 
steiner Graben, im Suppenwald, am Jochriedl und an der 
Schallwand reichen sie direkt an die Steilwände des Hochgebirges. 
In den Vorbergen werden sie an vielen Stellen von Guttensteiner 
Kalk, längs der Salzach direkt von Ramsaudolomit überlagert. Bei 
der Elmaualpe, im oberen Schöberlgraben, im Mooser und 
Merleckgraben sowie nördlich der Schallwand lagern auf den 
Werfener Schiefern unmittelbar die Raibler Schiefer. Selbständige 
Kuppen bilden sie in den südlichen Vorbergen am Spareggkopf 
(901 m), Fraueneck im Reiterwald (1568 mn), Weyerberg (1438 m), 
Labenberg (1713 m), Fromerkogel (1814 m) und Gratzkopf 
(1322 m) bei Annaberg. 

Die tiefsten Lagen der Werfener Schichten sind meist Quar- 
zite, entweder „ausgezeichnet schieferig mit feinen Glimmerblättchen“ 
(Peters, Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. V, pag. 120) und „chloritischen 
Flächen“ (Bittner), oder diekbankige, dichte, völlig ungeschichtete 
Massen, welche aus der Ferne leicht mit den Kalken verwechselt 
werden können; ihre Farbe ist meist grün, auch hellgrün, grau oder 
weiß. Besonders die dünnbankigen Lagen sind nicht selten von Quarz- 
adern quer auf die Schichtung durchzogen. Diese Quarzite sind aber 
nicht immer nur im Liegenden zu finden, sondern bilden auch manch- 
mal mehr oder minder mächtige Lagen in den höheren Etagen. 


430 Eberhard Fugger. a [62] 


Die höheren Lagen werden von den gewöhnlichen roten oder 
rotbraunen, oft fast violetten Schiefern gebildet, welche weiter oben 
mit grünen und grauen Schiefern wechseln oder in solche übergehen. 
Sie sind weniger kalkig, mehr glimmerig und sandig, manchmal auch 
wirkliche Sandsteine und führen in ihren Bänken nicht selten Petre- 
fakten. Alle diese Schiefer enthalten häufig Einlagerungen oder Adern 
von Quarz mit Eisenspat und Brauneisenstein, aber auch hie und da 
von Eisenglimmer, Eisenglanz, Baryt, Lazulith Malachit und Berg- 
kristall. Im Raidelgraben wurden seinerzeit auch Wagnerite ge- 
funden. Manchesmal sind die Schiefer ziemlich stark kristallinisch, 
besonders die grünen Bänke sind oft sehr großglimmerig mit allerlei 
Wülsten auf den Schichtflächen; auch Brekzien dieser Schiefer 
kommen vor. In diesen Schiefern, aber besonders in den hangendsten 
Partien des ganzen Werfener Schieferkomplexes treten massige Lagen 
von Salzgebirge (Haselgebirge), das ist von rotem und weißen Gips, 
roten, grauen und grünlichen Gipston oder Gipsmergeln auf, welche 
letztere nicht selten Pseudomorphosen von Gips Bar Steinsalz, auch 
Muriazit und Breunerit enthalten. 

Nahe im Hangenden der Werfener Schiefer finden wir dünn- 
schichtige elimmerreiche Platten von gelber Farbe, meist reich an 
stark verzogenen und verdrückten Gervillien. Das Hangende endlich 
bilden dunkle kalkigsandige Schiefer, auf deren Schichtflächen sich 
glimmerige Lagen befinden; sie gehen nach oben zu allmählich in 
eigentliche Kalkplatten über. 


An Versteinerungen wurden gefunden: 


Myacites Fassaensis Münst. im Salzachtal bei Bischofshofen, im Bischofs- 
hofener Tunnel, zwischen der Strussing- und Mayeralpe, im 
Fritztal, bei Annaberg und am Kleinen Traunstein. 

Myophoria costata am Buchberg und Strubberg. 


Gervillia sp. beim Bischofshofener Tunnel, im Fritztal, Larzenbach- 
graben, Kargraben und bei Annaberg. 


Naticella costata Wissm. bei Annaberg, am Kleinen Traunstein und 
auf dem Strubberg. 


Turbo rectecostatus Hauer und 
Ceratites sp. beim Bischofshofener Tunnel. 
Krinoidenstielglieder bei Annaberg. 


Im Werfener Schiefer bestand ein Bergbau auf Eisen im 
Raidelgraben und ein solcher auf Blei und Zink auf der Fromer- 
alpe; an der Grenze zwischen Werfener Schiefer und Guttensteiner 
Kalk die Bergbaue auf Eisen an der Roten Wand, im Schober- 
sraben und am Gwehenberg; neuerdings in Betrieb gesetzt ist 
der alte Eisenbau bei Diegrub. 

Die Guttensteiner Kalke umziehen das eigentliche Hoch- 
gebirge an allen Seiten mit Ausnahme der Westseite und bilden 
stellenweise die Basis der Steilwände, so insbesondere — allerdings 
mit Unterbrechungen — an der Südseite des Gebirgsstockes vom 
Gundacker Graben bis zum Tauernkogel, dann an der Süd- 


[63] Das Tennengebirge. 431 


ostecke des Hochgebirges vom Edelweißkopf bis über die Schall- 
wand hinaus. 

Am- Nordfuß des Gebirges zieht sich ein zusammenhängendes 
Band von Guttensteiner Kalk von Epen nahe der Lammermündung 
bis gegen Unterberg bei Abtenau, ebenso zeigen sich drei parallele 
Züge an und auf den beiden Strubbergen; ein mehrfach unter- 
brochener Zug reicht vom Aubach bei Abtenau um die Pailwand 
und den Schober, unter der Schallwand und Gappenhöhe 
hin bis unter den Edelweißkopf und um den Gwehenberg 
herum; ein anderer um den Hochschober. 

In den südlichen Vorbergen lassen sich vier teilweise zusammen- 
hängende Züse von Guttensteiner Kalk erkennen; der Zusammen- 
hang in den beiden nördlichen ist wenig unterbrochen, von den beiden 
südlichen dagegen sind nur einzelne Reste erhalten. Der erste, nörd- 
lichste dieser vier Züge reicht von Schreckenberg über die 
Fallsteinwand, den Fuß des Hochthron, das Scharreck, die 
Mooser Alpe, um dem Fromerfeldkogel zum Ostermais- 
wald und durch den oberen Karbach bis Guglhof an der Straße 
von St. Martin nach Lungötz. Das zweite, ebenfalls deutlich zu ver- 
folgende Band zieht von Loipfar im Salzachtal durch die Erzherzog 
Eugen-Klamm über die Kreuz- und Bischlinghöhe zur 
Schwarzeneckhöhe. Der dritte Zug ist nur mehr durch vier 
Reste markiert: bei dem Elektrizitätswerk Pfarrwerfen bis über 
Unterkendl, bei Arnoldseck bis Mühlbacher, am Stein- 
berg, und endlich bei Seiden an der Mündung des Lindaugrabens 
in das Larzenbachtal. Von dem vierten Zuge sind nur ganz unbe- 
deutende Spuren an der Südseite des Fritztales sichtbar bei Lehen 
auf dem Buchberg, im Brandstatt- und im Glatzhofgraben. 

Selbständige freie Kuppen bildet der Guttensteiner Kalk nur am 
Nordgehänge des Gebirgsstockes am Lammereck (884 m) und 
Sattelberg (1033 m), über deren Höhen die Grenze zwischen 
Guttensteiner Kalk und dem bergseits auflagernden Lias sichtbar ist, 
im Vorderen (1225 m) und Hinteren Strubberg (1206 m) und in 
der Fortsetzung des letzteren, dem Arlstein (948 m). 

Die normale Überlagerung der Guttensteiner Schichten durch 
Ramsaudolomit trifft man nicht überall; man beobachtet sie zwar an 
dem ZugeSchreckenberg—Scharreck und zwischen Edelweiß- 
kopf und Riffelwand, dann am Hochschober, ferner in dem 
zusammenhängenden Zuge vom Fromerfeldkogel über Karrain 
und die Ostermaishöhe zum Höheneck, bei der Karalpe und 
im unteren Oberschobergraben. Direkte Auflagerung von Reif- 
linger Kalken wurden nur an zwei unbedeutenden Stellen, die eine 
nördlich der Schallwand, die andere westlich der Pailwand beob- 
achtet. Zwischen Stoiblhof und der Pailwand, dann zwischen dem 
Großen Traunstein und der Schallwand, an der Wand zwischen 
Gappenhöhe und Riffelwand, südlich von Merleck und im 
oberen Oberschobergraben liegen die Guttensteiner Kalke un- 
mittelbar unter den Raibler Schiefern. Am Vorderstrubberg werden 
sie von Hallstätter Kalken, am Traunstein, an der Schallwand 
und im Aubachgraben von Dachsteinkalk überlagert. Der Gutten- 


432 Eberhard Fugger. ' [64] 


steiner Kalkzug am Nordfuß des Gebirges von Epen bis Unterberg 
wird größtenteils von Dachsteinkalk, stellenweise auch direkt von Lias 
überdeckt. 

Die Gesteine der Muschelkalkserie sind meist die gewöhnlichen 
Guttensteiner Kalke, d. h. dunkle, graue bis schwarze, fast dichte 
Kalke, welche häufig von weißen Kalkspatadern durchzogen sind; 
manchmal sind sie eisenschüssig und werden dann blaugrau oder ver- 
wittern braun oder gelblichbraun. Sie sind teils dickbankig oder unge- 
schichtet, dann auch wieder dünnplattig; letztere kommen auch 
bituminös vor. An einzelnen Orten trifft man mehr oder weniger groß- 
luckige Rauhwacken. Nach oben zu. werden die Kalke meist dolomitisch 
von zwar grauer, aber doch etwas hellerer Farbe und enthalten auch 
häufig noch die weißen Kalkspatadern ; an einzelnen Stellen sind diese 
Dolomite brekzienartig. 


Den Kalken sind gar nicht selten die Strubbergschiefer 
eingelagert; schwarze, häufig gefältelte Schiefer von holzartigem Aus- 
sehen mit glänzenden Flächen oder manganschüssige, abfärbende, 
kieseligplattige Schiefer. Schon Lipold (Jahrb. d. k.k. geol. R.-A. II, 
1851, pag. 7TO— 71) beschreibt sie vom Nordfuß des Tennengebirges als 
„dünngeschichtetes, einem Tonschiefer nicht unähnliches Gestein, das 
dicht, schwarz, mit unebenem Bruch, erdigem Ansehen und einzelnen 
sehr zarten glänzenden Punkten, angehaucht stark nach Ton riecht 
und in Salzsäure die Gestalt des angewendeten Splitters behält. Sein 
spezifisches Gewicht ist 2°738, die Härte 5'8. Die Analyse ergab Kiesel- 
säure 35'725, Tonerde 7'400, Eisenoxyd 9'225, Manganoxyd 1'125, 
Magnesiumkarbonat 2493, Kalziumkarbonat 36 330 Prozent.“ 

In den tieferen Lagen des Guttensteiner Kalkes, an der Grenze 
gegen die Werfener Schiefer treten Eisensteine auf, wie Eisenspat, 
Eisenglanz und Eisenglimmer, dann aber auch wirkliche Eisenschiefer 
ähnlich denen, wie man sie im Silur des Dientener Tales findet. 


Die ganze Muschelkalkformation des Gebietes ist arm an Petre- 
fakten. Fischschuppen oder Knochenzerreibsel und Brachiopodenspuren 
sah Bittner auf der Elmaualpe, Gastropoden- und Brachiopoden- 
durchschnitte sowie Crinoiden zwischen Lungötz und Annaberg an der 
Lammer. Crinoiden finden sich ferner auf der Elmaualpe, am Traun- 
stein und auf dem Arlstein, an letzterem fand Heinrich Prinzinger 
auch deutliche Exemplare von Pentacrinus liliiformis und in der Nähe 
der Infangalpe entdeckte Bittner einen Monophyllitvs und kleine 
Bivalven, und weiter östlich auch ein Bruchstück eines Hungarites. 


An der Fallsteinwand bestand ehemals ein Bergbau auf Blei- 
und Zinkerze im Guttensteiner Kalk. 

Ramsaudolomit umzieht das eigentliche Hochgebirge von 
Eckhart im Salzachtal längs der südlichen Steilwände bis zur Riffel- 
wand teils von Raibler Dolomit, teils direkt von Hochgebirgskorallen- 
kalk überlagert. Die Kuppe des Hochschober (1668 m) gehört dem 
Ramsaudolomit an, der Kamm vom Fromerfeldkogel (1887 m) über 
Karrain (1848 m) zum Höheneck besteht ebenfalls aus Ramsau- 
dolomit, welcher an der Nordseite unter die Raibler Schiefer einfällt 
und bei der Vorderen Karalpe unter denselben wieder zutage 


[65] Das Tennengebirge. 433 


tritt. Außerdem steht er an der Straße von St. Martin nach Lungötz 
zwischen dem Oberschober- und Merleckgraben an. 


Der Ramsaudolomit ist ein meist hell gefärbter, brekzienartiger, 
ungeschichteter Dolomit mit charakteristischer Oberflächenverwitterung. 
An vielen Stellen geht er nach oben in den zuckerkörnigen, ebenfalls 
hellgefärbten Wettersteinkalk über, der in seinen oberen Partien 
auch wieder häufig dolomitisch ist. An einigen Stellen ist der Ramsau- 
dolomit oder der Wettersteinkalk von Reiflinger Kalk überlagert, 
einem dichten, grauen Kalkstein, reich an dunklen Hornsteinknollen. 
Dieser ist auf der Elmaualpe, an der Straße zwischen St. Martin 
und Lungötz, im Merleckgraben und am Gehänge zwischen 
Ober- und Unterschober aufgeschlossen. Westlich der Pailwand 
und nordwestlich der Schallwand finden sich kleine Aufschlüsse 
von Reiflinger Kalk, an letzterem Orte die Raibler Schiefer unter- 
teufend. Auf der Ostermaishöhe und auf dem Hochschober 
tritt auch jener dichte bläuliche Kalk auf, welcher in einer 
wenig mächtigen Schicht in den Dolomiten der Blühnbachklamm 
vorkommt. 


Im Ramsaudolomit fand Böse unterhalb des Hochthron und 
Fieberhorn einen Arcestes-Durchschnitt und Diplopora cf. porosa 
Schafh. . 

Verhältnismäßig sehr schwach entwickelt sind im Gebiete des 
Tennengebirges die Raibler Schiefer und Kalke. Die Raibler 
Schiefer bilden kleine Komplexe unmittelbar den Werfener Schiefern 
auflagernd auf der Elmaualpe, auf Guttensteiner Kalk im Steiner- 
graben, dann einen schmalen Zug unter dem Raibler Dolomit der 
Riffelwand und unter den Hochgebirgskorallenkalken der Königs- 
wand und der Gappenhöhe; sie finden sich am Nordwestgehänge 
der Pailwand, den Hallstätter Kalk unterteufend, und in schmalen 
Streifen im NW der Schallwand, dann im SW und SSO des Großen 
Traunstein, an diesen Orten von Dachsteinkalk überlagert. 


Die größte Verbreitung zeigen sie um die obere und untere 
Karalpe; sie bedecken hier das Nordgehänge des Fromerfeld- 
kogels, Karrain und Höheneck, sind im Moosergraben 
bis zum Moosgut aufgeschlossen und ziehen dann östlich durch den 
Merleck- und Oberschober-Graben. An der Mündung des 
ersteren findet man sie an der Talstraße wenige hundert Meter süd- 
lich von Lungötz. 


Während an den genannten Lokalitäten nur die Schiefer auftre- 
ten, findet man am Karrain und bei der oberen Karalpe auch 
Raibler Kalke. 


Die Raibler Schiefer treten am Tennengebirge als Halobienschiefer 
auf, das heißt in derselben -Form wie am Hagengebirge, Hochkönig, 
Steinernen Meer und Birnhorn häufig Halobia rugosa führend, als 
schwarze, braun verwitternde Schiefer, welche überall, wo sie ausge- 
dehntere Flächen bilden, gute, quellenreiche Weideplätze erzeugen. Die 
Raibler Kalke sind schwarze, seltener graue, sehr dichte und harte 
plattige Gesteine, welche ebenso wie die Schiefer braune Verwitterungs- 
flächen zeigen. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 56 


434 Eberhard Fugger. h [66] 


An Versteinerungen wurde in dieser Etage unseres Gebietes 
bisher nur sehr wenig gefunden, nämlich Trachyceras Aon Mü. auf 
der Oberen Karalpe, Carnites floridus Wulf. beim Oberschober, 
Halobia rugosa Gbl. daselbst, dann auf der Oberen Karalpe, an der 
Straße südlich von Lungötz, unterhalb der Gappenhöhe und an der 
Pailwand, endlich cf. Posidonomya Wengensis südwestlich unter der 
Königswand. 

„Auch die Dolomite der Carditaschichten sind nicht 

mächtig ausgebildet. Man findet sie nur an den Felswänden der Süd- 
seite des Hauptmassivs des Tennengebirges von der westlichen, gegen 
das Salzachtal gerichteten Ecke mit einzelnen Unterbrechungen bis 
zur Königswand im OÖ als Unterlage der Hochgebirgskalke, welche 
die oberste Partie der Felswände bilden. 

Es sind meist dunkle, fast schwarze, auch rote oder rot und 
schwarze, selten helle Dolomite, welche die bekannten klotzigen 
Formen bilden und sich dadurch von den mehr scharfkantigen Formen 
der unteren Dolomite und den mehr ebenflächigen Wänden der Dach- 
steinkalke abheben. 

Hallstätter Kalk ist vorläufig nur an drei Stellen mit Sicher- 
heit nachgewiesen: am Vorderen Strubberg, wo derselbe von 
der Lammer in einem schmalen Streifen über die Engelhartalpe 
bis gegen den höchsten Punkt des Berges als Überlagerung des 
Guttensteiner Kalkes aufwärts zieht; ferner als Scheffkogel, 
welcher sich aus der Diluvialfläche nördlich von Abtenau bis 908 m 
erhebt; endlich als Kuppe der Pailwand 1273 m, teils die Raibler 
Schiefer, teils den Guttensteiner Kalk überlagernd. Die Stelle an der 
Pailwand ist auch noch deshalb interessant, weil hier zum erstenmal 
die Lagerung der Hallstätter Kalke über den Raibler Schichten — 
im Jahre 1883 durch Alexander Bittner und mich — nachgewiesen 
werden konnte. 

Auch an den Steilwänden am Südabhange des Tennengebirges 
müssen nach Funden in der Schnepfries, unter dem Fieberhorn 
und im Rettenbachgraben Hallstätter Kalke eingelagert sein. 

Die Kalke sind teils klotzig, teils dickbankig, teils plattig, dicht, 
hell oder dunkel, rötlichgelb, rötlichbraun, rötlichgrau, dunkelgrau, 
auch schwarz, zum Teil knollig, meist sehr hart; auch Draxlehner 
Platten, das ist helle oder rote Kalke mit Einlagen von Hornstein 
kommen vor. In den tieferen Partien der Hallstätter Kalke der Pail- 
wand bilden sie eigentümlich schieferige Platten mit grünlichen, 
chloritischen oder talkigen Ablösungsflächen. 

An den Steilwänden fand Bittner kleine Halobien, auf dem 
Strubberg außerdem die Monotis salinaria Br., Halobia cf. plicosa Mojs. 
und Pedaten sowie undeutliche Reste anderer Versteinerungen; an 
der Pailwand insbesondere fünf verschiedene Halobia-Arten, einen 
Arcestes af. subumbilicatus Br., eine andere Arcestes-Art, einen Mono- 
phyllites af. eugyrum Mojs. und einen Tropites. 

Das Plateau des Massivs sowie das Nordgehänge desselben bis 
an den Fuß herab gehört dem Dachsteinkalk an, ebenso die 
oberen Partien der Steilwände an der Südseite. Am Westabhange 
reicht derselbe bis ins Tal herab und wird erst südlich von Eck- 


Al re. en u EEE nie BEN 


[67] Das Tennengebirge. 435 


hart von Ramsaudolomit unterteuft. Auch die Hauptmasse des 
Großen Traunstein (1948 m) und seines östlichen Nachbars, des 
Schober (1789 m), ist Dachsteinkalk. Er wird nur an einigen 
wenigen Stellen von Liaslagen überdeckt. 

In den tiefsten Partien bildet der Dachsteinkalk helle Platten; 
darüber folgen die massigen ungeschichteten Korallenkalke, manchmal 
sogar klotzig, von dunkler, grauer, aber auch von fast rein weißer 
Farbe; die grauen Kalke sind häufig von riesenoolithischer Struktur, 
die weißen oft fast kristallinisch, ja manche schon beinahe weißer 
Marmor. Über den ungeschichteten Korallenkalken folgen die ge- 
schichteten als helle, fast weiße, wenig rote Kalke, mitunter hellgrau 
oder graurötlich, dann wieder hell mit schwarzen oder roten Bändern 
oder Fiecken und Schmitzen, selten mit Hornsteinknollen. Eine be- 
sondere Varietät der Dachsteinkalke sind die hellen porzellanartigen 
Einlagerungen. 

„Die ungeschichteten Riffkalke enthalten Bruchstücke und Durch- ° 
schnitte von Cephalopoden, Bänke voll Halobienbrut, am häufigsten 
aber schöne Korallen- und Bryozoenauswitterungen* (B). Im geschich- 
teten Dachsteinkalk finden sich Megalodon triqueter Wulf. stellenweise 
häufig, so im Paßlueg, bei Stegenwald, bei der Infang-, Schön- und 
Roßbergalpe und auf dem Plateau; Halorella amphitoma Br. und 
H. rectifrons Bittner var. praematura bei Stegenwald, Phynchonellina 
jwvaviea Bittn. und Kissoa alpina Gbl. an mehreren Punkten. 


Kössener Schichten wurden bisher nur an einer einzigen 
Stelle in einem Streifen vom nördlichen Anstieg im PaßBlueg über 
Zimmerau hin bis gegen Bruneck nachgewiesen. Es sind graue, 
dichte Mergelkalke, ziemlich reich an Brachiopoden. 

Adneter Kalke, rot, graublau oder dunkel gefärbt, sind in 
dem Steinbruch nächst der Duscher Brücke aufgeschlossen; eine 
zweite Stelle findet sich nördlich von Zimmerau, ein Streifen 
dieser Kalke zieht an der Westseite des Lammereck hin. Eine 
sehr schmale Lage derselben trifft man westlich von Berger. eine 
andere südlich dieses Bauernhauses, dann südlich der Infangalpe, 
bei der Schönalpe, ebenso nordöstlich des Roßberg und im Höll- 
kar. Bei der Schönalpe und der Infangalpe tritt über den Adneter 
Kalken eine andere Entwicklung von Liasablagerungen auf in der 
Form von grauem, plattigkalkigen, sehr kieselreichen, splitternden 
Gestein, einer Hornsteinbrekzie mit schieferigen grauen Mergeln 
und grauen Platten voll Crinoiden. 

Der Lias am Nordostabhang der Tagweide scheint dem Hier- 
latz anzugehören, er ist vorherrschend dunkel bis nahezu schwarz, 
reich an Crinoiden und enthält zahlreiche Ammonitendurchschnitte, 
besonders von Angulaten. 

Außer den oben angeführten Crinoiden findet man in den 
Adneter Kalken Versteinerungen bei der Duscher Brücke und der Roß- 
bergalpe gegen den Südfuß des Vorderstrubberg, und zwar an beiden 
Orten Nautilen, Arieten, Aegoceraten, Phylloceraten und Lytoceraten, 
an ersterem Fundorte überdies Aulacoceras, bei der Roßbergalpe 
außerdem Phylloceras eilindricum Sow., Psiloceras sp., Ammonites 

56* 


436 Eberhard Fugger. . [6 8] 


Suessi Hauer, Lytoceras Haueri Stur, mehrere Rhynchonellenarten, 
Terebratula Aspasia Menegh. sowie Pleurotomaria sp. und Trochus sp. 
An der Lammer gegenüber der Mündung des Rigausbaches beim 
sogenannten Salzsteg treten auf kurze Strecken Gosauschichten 
auf, und zwar harte dichte Gosaukonglomerate und Mergelkalke mit 
Actäonellen, Nerineen, Hippuriten, Sphärulithen, Korallen und 
anderen Versteinerungen. 

Diluviale Terrassen lassen sich an der Salzach von 
Stegenwald aufwärts verfolgen und sind hie und da als junge 
Konglomerate bloßgelegt. Diese Terrassen werden deutlicher von der 
Mündung des Kalcher Grabens aufwärts, sie reichen in dieser 
Gegend etwas über 600 m Meereshöhe, entsprechend der Höhe der 
Reichsstraße in dem Einschnitte zwischen dem Werfener Schloßberg 
und dessen westlichem Nachbar, dem Schartenberg. Auch an der 
Lammer von Lungötz abwärts bis zu ihrer Mündung in die Salzach 
lassen sich hin und wieder Reste von diluvialen Terrassen wahr- 
nehmen; die letzte Terrasse ist durch die Bahnlinie zwischen Lammer 
und Salzach markiert. Auch bei Brunnhäusl und in den unteren 
Partien des St. Martiner Grabens sind deutlich Terrassen 
sichtbar. 

Große Massen von diluvialem Schotter sind in der Ebene 
von Abtenau angehäuft, auch die Hochflächen von Moosfeld 
südlich von Mordeck, der Wenger und der Fromer Au enthalten 
diluviale Schotter, teilweise überdeckt von Gebirgsschutt. Auch sonst 
gibt es noch ziemlich viele kleinere Flächen, deren Boden aus dilu- 
vialem Schotter besteht. Geradezu riesige Schottermassen weist der 
Wenger Graben zwischen Arnoldseck und der Grabenmühle 
im Salzachtal auf. Der Bach hat sich in diese stellenweise bis zu 
100 m und noch tiefer eingeschnitten. Auch im weiten Tal der Au- 
alpe lagern reichliche Mengen von Diluvialschottern, von Gebirgs- 
schutt an vielen Stellen überlagert. Die Wasserscheide zwischen 
Lammer und Fritz, die Hochfläche von St. Ben ist von diesen 
Schottern gebildet. 

Von ganz besonderem Interesse sind die diluvialen Konglo- 
merate des Fritztales, welche fast horizontal geschichtet sind 
und sich als interglaziale Seebildung erweisen, da sie im Saizachtal 
bei Bischofshofen nächst der oberen Eisenbahnbrücke auf der Liegend- 
moräne auflagern und auf den Höhen des Buchberges von jüngeren 
Moränen überdeckt werden. 

Ein Zug sehr grober Brekzien mit teilweise abgerundeten 
Steinen, von denen einzelne sogar 1 m Durchmesser und darüber be- 
sitzen, läßt sich an der Südwestecke des Hochgebirges vom Setzen- 
bergegraben bis in die oberste Partie der Erzherzog Eugen- 
klamm in zirka 900 m Meereshöhe nachweisen. Diese Brekzie stammt 
wohl aus jener Zeit, als die Salzach ihre Wässer noch über den 
OÖfenauer Berg ins weite Tal ergießen mußte. Auch in den Gräben 
zwischen Kreuzhöhe und Mordeck liegt in zirka 1450 m Höhe 
viel zusammenhängende Gebirgsschuttbrekzie. 

Moränen finden sich außer der bereits genannten Liegend- 
moräne von Bischofshofen im Paßlueg in der Nähe des Block- 


La a Ei Do Zu 7 u ı 


[69] Das Tennengebirge. 437 


hauses, in den südlichen Seitengräben des Fritztales, auf der 
Höhe des Buchberges, im Lammer Tal, um Abtenau, am 
Fuße der beiden Strubberge; größere erratische Blöcke in 
der Fritz bei Hüttau und im Larzenbach noch in ziemlich be- 
deutender Höhe, Granatkristalle in Chloritschiefer auf dem Hoch- 
plateau in 1900 m Meereshöhe (Haidingers Berichte II, 1847, 
pag. 301). 

| Auch einige größere Moore kommen im Gebiete vor, so ins- 
besondere das Moosfeld und die nächste Umgebung von Werfen- 
weng. 

Schutthalden bedecken ausgedehnte Flächen am Fuße der 
Steilwände, Flußalluvionen trifft man außer im Salzachtal zwischen 
Sulzau und Bischofshofen nur in geringer Ausdehnung an den Ufern 
der Lammer. 


Tektonik. 


Am rechten Ufer des Salzachtales und an dem gegen dieses 
abfallenden Gehänge treten die ersten Aufschlüsse im Werfener 
Schiefer ungefähr beim Schwimmbad von Bischofshofen auf; noch 
bei der Ortsbrücke südlich von Bischofshofen ist in einem Stein- 
bruch Phyllit mit nördlichem Einfallen sichtbar. Vom Schwimmbad 
nordwärts ist der Werfener Schiefer wohl mehrfach von Schotter 
und Moräne bedeckt, aber doch an manchen Punkten aufgeschlossen, 
und zwar mit durchaus nördlichem Einfallen, so im Graben, welcher 
zwischen den beiden Eisenbahnbrücken mündet, sowie noch an zwei 
Punkten zwischen diesem und der Tunnelmündung. Im Eingang ins 
Fritztal fallen die Werfener Schiefer ebenfalls nach N, aber hundert 
Schritte weiter drinnen bemerkt man schon eine Störung, die Schiefer 
fallen zuerst nach NNO, dann W und sogar SW, unmittelbar nörd- 
lich darüber an der alten Hüttauer Straße in NO, südlich von Feuer- 
seng wieder nach N und weiter östlich in W, darauf wieder in N. 

An der genannten alten Straße westlich von Seeberg ist das 
Einfallen südwestlich, weiterhin rein südlich und bei Salzachgrub 
normal nördlich, auch bei Frischl verflächen die Schiefer in N. 
Nordöstlich vom Dechanthof fallen die Schichten nach NW unter 


die Guttensteiner Kalke ein, welche hier westlich von Unterkendl 


ebenfalls nach N oder NW, etwas nordöstlich davon aber in SO 
einfallen. 

Es folgt gegen N wieder Werfener Schiefer, welcher an der 
Mündung des Wengergrabens nach OÖ fällt, aber oben auf dem 
Gehänge bei Scheibenhub und Einberg nach NW verflacht. Auch 
am linken Salzachufer trifft man oberhalb der Eisenbahnstation Werfen 
die Werfener Schiefer nach S, unterhalb derselben nach N fallend. 

Die nordwärts folgenden Guttensteiner Kalke fallen im unteren 
Kalchergraben nach NNW oder N, unterhalb Zeismanm nach 
SO ; die Werfener Schiefer im oberen Kalchergraben fast nach N, 
im Staudachgraben in 720 und 735m Meereshöhe nach $S, die 
Guttensteiner Kalke darüber in 775 m nach N; darauf folgen Werfener 


438 Eberhard Fugger. ö [70] 


Schiefer, deren Lagerung ich nicht konstatieren konnte; in 810m Höhe 
lagert wieder dolomitischer Guttensteiner Kalk mit südlichem Einfallen. 
Die Werfener Schiefer im Gundacker Graben fallen in 575 m 
Höhe nach N, die Guttensteiner Kalke in 745 m nach NNW. 

Es ergeben sich aus diesen Beobachtungen, wenn man die 
kleineren Störungen außer acht läßt, im Salzachtal an dessen rechtem 
Ufer zwischen Bischofshofen und der Eisenbahnhaltestelle Kon- 
kordiahütte fünf Synklinalen (Fig. 4): Fritztal—Seeberg, Salzach- 
grub-Unterkendl, Scheibenhub-Schwandbach, Kalchergraben — unterer 
Staudachgraben, 775—810 m Meereshöhe im oberen Staudachgraben, 
und dementsprechend fünf Antiklinalen. 

Ein Profil von Lehen bei Buchberg (Fig. 5) durch den 
Faistengraben über die Ellmaualpe an die Felswände der 
Wenger Au gibt uns in bezug auf die Schichtung weniger Klarheit. 


Fig. 4. 
„MM 
BN 
N I S S S 
IN S S Q S I 
= Se Se ISIS 
0 = rn S SS SIHrSnff 
ss. S S S 8 S  /sS 
ee in S je Srre, SPA 
R S i i ; 
Ä == 5 ü Y Vz, > 
SUıY N \V/ IN IN 
UN N IN 
RE SS == 
‚Honglomerat MWerteneröchiefer Eutensteiner Kalk 


In Fig. 4 links oben soll es anstatt Frötztal richtig Fritztal heißen. 


Die Guttensteiner Kalke von Lehen liegen konkordant auf Werfener 
Schiefern, welche nach NW fallen; die Werfener Schiefer des Fritz- 
tales verflächen in N, weiter nördlich bei Ellmautal in S, die 
Guttensteiner Kalke bei Mühlbacher und Arnoldseck in SW, 
die nun nacheinander folgenden Schichten von Werfener Schiefern, 
Guttensteiner und Reiflinger Kalken und Raibler Schiefern im Faisten- 
graben alle wieder nach N; aber auch die Werfener Schiefer des 
nördlich davon gelegenen Laimgrabens und der Laimau sowie 
ihre am Fuß der Felswände aufliegenden Guttensteiner Kalke fallen 
ebenfalls konkordant nach N unter die Ramsaudolomite der Steil- 
wände ein. 
Hier findet man also nur eine Synklinale zwischen der Fritz 
und Ellmautal sowie eine Antiklinale zwischen Arnoldseck und dem 
Faistengraben, dagegen eine scheinbar konkordante Auflagerung der 
Werfener Schiefer der Laimau auf den Carditaschichten der Ellmaualpe. 
Das Profil Glatzhofgraben—Jochriedl zeigt ähnliche 
Verhältnisse. Im Glatzhofgraben tritt Werfener Schiefer mit 
Einfallen nach N auf, welchem eine kurze Strecke Guttensteiner Kalk 


[71] Das Tennengebirge. 439 


konkordant aufliegt. Im Boden des Fritztales hat der Werfener 
Schiefer dieselbe Lagerung; auf der Höhe von Hochbruck tritt er 
mit südlichem Einfallen auf, wenig weiter nordwärts bei Ebner und 
in der Nähe von Grub ist das Verflächen wieder nördlich. Weiterhin 
folgt Guttensteiner Kalk, dessen Lagerung nicht bestimmbar ist, im 
Steinberg. Im Verfolge gegen NO trifft man wieder auf Werfener 
Schiefer, den zwei Bänder von Guttensteiner Kalk durchziehen, und 
welcher im Jochriedl direkt an die Steilwände des Tauern- 
kogels anstößt. Auf der ganzen Strecke vom Fuß des Steinberges 
bis zu den Wänden des Tennengebirges passiert man sowohl im Graben 
als auf den Höhenzügen rechts und links derselben drei Züge von 
Werfener Schiefern und zwei von Guttensteiner Kalk, alle überall mit 
Einfallen nach N oder NNO, ohne eine einzige Stelle mit südlichem 


Verflächen zu finden. 


Fig. 5. 
S Nu. 
3 a t)r 
Rn AM I) S S 
Ss UL) | 


301 


Konglomerat HerlenerSihieier Eutiensteiner Kalk Kaibler Schichten” 


Es gibt daher in diesem Profil wieder nur eine Synklinale 
zwischen der Fritz und Hochbruck und eine Antiklinale zwischen 
Hochbruck und Ebner. 

Geht man durch den Larzenbachgraben zum Jochriedl, so 
trifft man im Ausgang des Grabens Silurschiefer, dann weiterhin 
Werfener Schiefer, beide mit nördlichem Einfallen; nun folgt der 
Kalkfels von Seiden, über dessen Verflächen sich nichts bestimmen 
läßt, und hierauf wieder Werfener Schiefer mit Einfallen nach N. 
Unterhalb des Bauerngutes Speck liegt in 999 m Meereshöhe eine 
unbedeutende Kalkmenge, deren Lagerung ebenfalls nicht bestimmbar 
ist. Von hier nordwärts lagert nur Werfener Schiefer bis zum Joch- 
riedl, zweimal von Bändern von Guttensteiner Kalk unterbrochen. Im 
ganzen Profil ist aber das Verflächen in N oder NNO zu konstatieren. 
Die ganze Schichtfolge ist wie vollständig normal konkordant mit 
nördlichem Einfallen gelagert. 

Die Vorberge der Südwest- und Südseite des 1 
stellen also ein kompliziertes, übereinandergeschobenes Faltengebirge 
dar, in welchem die Falten nur im W und SW noch einigermaßen 


440 Eberhard Fugger. [72] 


nachweisbar sind, während sie im S vollständig verschwinden und die 
einzelnen Schichten selbst zu parallelen Platten gepreßt sind. 

„Am Jochriedl schneiden die Werfener Schiefer scharf am Fuße 
der Steilwände ab, daher ist mit Sicherheit hier eine Bruchlinie 
anzunehmen“ (Bittner). 

Die Stelle gegenüber Schloß Werfen an der Staatsbahn, etwas 
nordnordwestlich der Mündung des Setzenberggrabens, welche 
im Vorhergehenden (pag. 378) beschrieben wurde, kann uns ein Beispiel 
geben von der Art und Weise, in welcher die Faltung und Pressung 
der Schichtplatten der südlichen Vorberge stattgefunden hat. 

Die südöstlichen Vorberge zeigen ziemlich normale 
Lagerungsverhältnisse. Die Werfener Schiefer, welche hauptsächlich 
im Süden und Südosten mächtig entwickelt sind, fallen im Allgemeinen 
nach N ein; nur an dem unteren Drittel des Martiner Baches 
beim Stadlergut beobachtet man Faltenbildung und zwar etwas 
nördlich von Stadler die Anti-, zwischen Stadler und Sag die Syn- 
klinale. Auch im Haslangergraben fallen die Werfener Schiefer 
durchaus nach N, nur nordöstlich der Widdernalpe tritt eine un- 
bedeutende Störung auf kurze Strecken ein. 

Uber den Werfener Schiefern lagern konkordant Guttensteiner 
Kalke, Ramsaudolomite und Raibler Schiefer, welche im Westen 
nach NW, weiter gegen Osten hin nach NO und sogar SO verflächen, 
also eine Art Kuppe bilden. Am nördlichen Fuß der Raiblerschiefer- 
kuppe des Karrain lagern, normal unter derselben hervortretend, 
bei der vorderen Schöberlalpe und unteren Karalpe in 
schmalen Zügen Ramsaudolomit und Guttensteiner Kalk, und in 
größerer Ausdehnung wieder die Werfener Schiefer. 

Wenig weiter nördlich der hinteren Schöberl-Alpe erhebt 
sich über den Werfener Schiefern der Hochschober und zwar 
wieder normal aus Guttensteiner Kalk und darüber liegenden Ram- 
saudolomit bestehend. An seiner Westseite scheint in der Richtung 
von SO nach NW eine kurze Bruchlinie durchzuziehen. 

Auch der Karbach zeigt an seinem nördlich gerichteten Lauf 
längs der Straße von St. Martin nach Lungötz annähernd nor- 
male Verhältnisse. Aus den Werfener Schiefern von Schwaighof 
und Grub kommt man in den Guttensteiner Kalk, nördlich von 
Goglhof in Ramsaudolomit, im Merleckgraben auf Reiflinger 
Kalk, welcher von Raibler Schiefern überlagert ist. Dann folgt gegen 
Nord allerdings wieder Werfener Schiefer. 

Dagegen zieht vom Höheneck ein Streifen Raibler Schiefer 
anfangs nordwärts, dann nordöstlich direkt auf dem Werfener Schiefer 
gegen das Moosgut, dann östlich zum Merleckgraben, während 
ein anderer Arm dieses Zuges über den Reiflinger Kalk vom Ober- 
schobergut südwärts zum Oberschobergraben reicht und 
dann ostwärts in diesen einbiegt, wo die Raibler Schiefer mit süd- 
lichem Einfallen den Guttensteiner Kalk überdecken. Die Reiflinger 
Kalke zwischen Ober- und Unterschobergut fallen im Westen 
nach N, im Osten nach NO; auch die Guttensteiner Kalke zwischen 
Grub und Goglhof verflächen in NO. Die Guttensteiner Kalke 
von Merleck liegen wieder normal auf den ‚Werfener Schiefern. 


[73] Das Tennengebirge. 441 


Der Gwehenberg bietet in seinen Lagerungsverhältnissen 
nichts auffallendes. Weiter gegen Norden werden diese sehr verwirrt; 
zwischen die Hochgebirgskalke der Schallwand und des Großen 
Traunstein sind Werfener Schiefer, Guttensteiner Kalke und 
Raibler Schiefer emporgepreßt in einer Bruchlinie, welche vom 
Höllkar in südöstlicher Richtung bis ins Gwehental reicht. In 
einer zweiten Bruchlinie, welche sich südlich von der Spitze des 
Großen Traunstein in den Dachsteinkalken ebenfalls gegen SO 
hinzieht. sind Werfener Schiefer emporgetrieben. Zwischen den 
Dachsteinkalken des Kleinen Traunstein und des Schober 
ist ebenfalls ein Bruch vorhanden; auch am Nordgehänge des 
Großen Traunstein sowie an der Pailwand dürften Längs- 
brüche anzunehmen sein. Es sind im Gebiete der Ostseite des Tennen- 
sebirges sehr zahlreiche Störungen vorhanden, so daß Bittner die 
Verhältnisse hier als „die denkbar verwickeltsten“ bezeichnet. 

An der Nordseite des Tennengebirges senken sich die mächtigen, 
außerordentlich regelmäßig geschichteten Dachsteinkalkmassen des 
Plateaus im westlichen Teile nach N, dieses Fallen geht gegen Osten 
hin allmählig steiler werdend in ein, steiles Einfallen gegen O über 
und scheinen die Plateaukalke alle nördlich von ihnen auftretenden 
Gebiete des unteren Lammertales zu unterteufen. Man hat es 
also hier mit einem mächtigen Längsbruch zu tun, welcher von der 
Duscherbrücke ostwärts bis zum Höllkar zieht, wo sich die 
bereits besprochene Bruchlinie nach Südost ins Gwehental anschließt. 

Dieser Längsbruch ist auch sonst noch von großem Interesse; 
er bildet nämlich die Grenze zwischen den nördlich der unteren 
Lammer auftretenden rhätischen Kalken und den südlich ge- 
legenen (karnischen) Dachsteinkalken. Diese letzteren, die 
eigentlichen Dachsteinkalke reichen von Bayern herüber am linken 
Ufer der Salzach bis an den Nordrand der Kalkalpen, der Unters- 
berg ist hier ihre letzte nördliche Vormauer; am rechten Ufer der 
Salzach dagegen beginnen im Norden der Lammer bereits die rhä- 
tischen Kalke mit dem Gollinger Schwarzenberg als südlichem 
Punkt, dem Gaisberg als Nordrand, nur am Ausgang des Paßlueg 
zieht sich ein schmales Band von rhätischen Mergelkalken (Kössener 
Schichten) bis gegen Brunneck. Die Verlängerung der Linie des 
Längsbruches ist auch noch weit nach Osten hin die Grenze zwischen 
rhätischem und Dachsteinkalk. Nördlich dieser Linie tritt nur noch 
am Schwarzenberg von der Salzach bis zum Westfuße des 
Vorder-Strubberges Ramsaudolomit auf, über diesem lagert der 
. Hauptdolomit, welcher südlich derselben vollkommen fehlt. 


Jalirbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (E. Fugger.) 57 


449 Eberhard Fugger. [74] 
Inhaltsübersicht. 
TRFUTE Seite 
Einleitung 17.0 re SE ER EEE ER 369 [1] 
TOPOSTApRIE . 1 72... N 7 ER DE EEE NNn u rkaan SLLEOELE LEN 369 [1] 
Ihteratne 4. 00 SULCmNEN SR TI ERRRUDN 7 1 REN RER 373 [5] 
Der Pass Imeogar via 00 ec Se a in cn Ran aa ee 373 [5] 
Der Gundacker (raben.; „DL; u 7 ade mtl zone bad Ba Se 376 [8] 
Der ‚Loipsergraben, 4 za Bu. a aa ie fl: 377 [9] 
Der ‚Seizenheregraben: „use. ‚euE Alız. „1 ana 53 ren are 377 [9] 
Der Staudacboraben 2. cmuanEnta au ac Rena je va are 378 [10] 
Der Kalchenerahen,.ı „er zer ae 2 nn ae ee 379 [11] 
Werfener Gräben zwischen Kalchergraben und Rettenbach.. . . . . 383 [15] 
Der Rettenbach- oder Schlaminggraben . .. . 2. 2 2 2 2 220. 383 [15] 
DEN GNeBr KaTaDen, 10... a ER eofeoy Dlanpı nur Das Jolpätın Zr 384 [16] 
Dan Reale ee 2 0 RE ne er ee BE 391 [23] 
Trias. an der linken Seite, des Frifztales . ..... . - "ec. 394 [26] 
Das rechte Ufer des Fritztales vom Alpfabrttunnel bis Brunnhäusl . 398 [30] 
Der St. Martmerseraben“. ... Ben... „4 1 cuinsugE, jergeisen ken 402 [34] 
Der Kargraben und das oberste Lammertal. .. . 2.2.2.2... . 405 [37] 
Der-GwehenDers zn. 9 ee ul ni. Sorte Sehe Fame 410 [42] 
Die Höhengruppe Schallwand—Traunstein—Schober ....... 412 [44] 
NETIET 3 PN N 1 2 VE RE EEE Pe oe 416 [48] 
FRE ELLI ER EEE . .. „416, [48] 
Das HageNand: vouAntenum u 0 ee en 418 [50] 
TIEERSLIMDDEIE 00,00 N ee => an 2 rar Se 419 [51] 
III ISERDBAIDE 2. „Ich a u: 1er SE En |. Pen 423 [55] 
DIeAlmtansalde. cn 0 DE ern ae 424 [56] 
Lammereck —- Duseherbrücke En 0. nn 425 [57] 
Dası Plateau und- die Steilwande 2... .. alu nem lem ee 425 [57] 
Geologische Horizonte. , AT u . len. Ne ee ld 429 [61[ 
ToktonikN. 3. I Mr ET A 437 [69] 


Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen 
Oberinntal. 


Von Wilhelm Hammer. 


Mit 31 Figuren im Text, einer Übersichtstabelle (Tafel Nr. XXI) und 5 Tafeln 
(Nr. XXI—XXV]). 


Einleitung. 


Wenn man in Tirol dem Inn entlang aufwärts wandert, so ver- 
läßt man bei Landeck die Grenze der nördlichen Kalkalpen gegen die 
Zentralalpen, welcher man im mittleren Inntal entlang zieht, und tritt 
in die kristallinen Schiefer der Silvretta ein. Doch schon wenige Stunden 
oberhalb Landeck öffnen sich die schluchtartigen Steilhänge des Gneis- 
gebirges und neuerdings stehen jüngere kalkige Formationen beiderseits 
des Flusses an, von welchen nun die Gehänge des Inntals bis über die 
Schweizer Grenze hinauf aufgebaut werden: das Gebiet der Bünd.ner- 
schiefer. Die Gneisgrenze weicht beiderseits bis zu den begleitenden 
Kämmen zurück; erst im Unterengadin steigt sie wieder zu Tal und 
oberhalb Ardetz schließen sich Nord- und Südrand zusammen — das 
Inntal ist wieder allein in die Silvrettagneise eingeschnitten. 

Dieser eigenartige Aufbruch jüngerer Schichten, der einerseits 
von den Silvretta-, anderseits von den Otztalergneisen umwallt wird, 
hat eine Längserstreckung von rund 55km und erreicht an den breitesten 
Stellen eine Breite von ungefähr 18 km; seine Längsachse richtet sich 
von SW nach NO. 

Das Gebiet stellt dem Geologen zwei Hauptfragen: die eine nach 
dem Alter der Bündnerschiefer, die andere danach, ob ein über- 
schobenes Senkungsfeld oder ein „Fenster“ in einer Schubdecke vor- 
liege. 

Die erstere ist sehr verschieden beantwortet worden; vielfach 
war der Einfluß vorausgegangener Studien in ähnlichen Nachbar- 
gebieten maßgebend dafür; die Schweizer Geologen (Theobald, 
Escher, Studer, Heim, Tarnuzzer u.a.) übertrugen sofort die 
Erfahrungen von Inner-Graubünden und dem Prättigau und stellten die 
Gesteine des Oberinntals dementsprechend zu Jura, Kreide und Ter- 
tiär, wogegen die aus den ostalpinen Kalkphyllitregionen der Hohen 
Tauern kommenden österreichischen Forscher, besonders Stache sie 
ganz oder zum Teil dem Paläozoikum zuzurechnen geneigt waren. 
Gümbel stellt ihre Verschiedenheit gegenüber den bayrischen Alleäu- 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W, Hammer.) 57* 


444 Wilhelm Hammer. - [2] 


schiefern fest, während G. A. Koch sich für eine Zusammenfassung 
von Schichten paläozoischen bis tertiären Alters aussprach und damit 
in der damaligen weiteren Fassung des Begriffs Bündnerschiefer dem 
derzeitigen Befunde am nächsten kam. 

Bei der hier vorliegenden Darstellung wurden, soweit Vergleiche 
mit anderen Regionen in Frage kamen, die graubündnerischen Ver- 
hältnisse herangezogen, weil diese regionaltektonisch am nächsten 
stehen, die größte lithologische Ähnlichkeit besitzen und in ihrer 
Altersbestimmung besser bekannt und teilweise durch Fossilfunde ge- 
stützt sind, während in den Hohen Tauern die stratigraphischen Ver- 
hältnisse, besonders auch hinsichtlich der Beimengung paläozoischer 
Gesteine, noch nicht so geklärt sind und erst die weiteren Unter- 
suchungen von Sander, Ohnesorge, Stark u. a. abgewartet 
werden müssen. 

Über die zweite Frage wurden im „Geologischen Querschnitt durch 
die Ostalpen vom Allgäu zum Gardasee“ (Jahrb.d.k. k.geol. R.-A. 1911) 
im allgemeinen und im speziellen von meinem Freund O. Ampferer 
und mir Erörterungen angestellt und die Ansichten früherer Forscher 
besprochen. 

Hier lege ich die eingehende Beschreibung des tirolischen 
Anteiles auf Grund der von mir bei der Kartierung im Maßstab 
1:25.000 gemachten Beobachtungen vor, wobei das angrenzende 
Schweizergebiet nur so weit herangezogen wird, um den Zusammen- 
hang mit der von W.Paulcke zu erwartenden Monographie und den 
Arbeiten von Spitz-Dyrenfurth und Tarnuzzer über diesen Teil 
anzubahnen, sowie in einigen Fragen, für welche der schweizerische 
Teil besser oder allein Aufklärung gewährt. In Rücksicht auf die 
Arbeit Paulckes wird hier auch der noch auf tirolischem Boden 
liegende Teil des Fimbertales und Vidertales nicht eingehender be- 
handelt. 

Mit der Untersuchung des Bündnerschiefergebietes habe ich im 
Herbst 1907 begonnen und dieselbe durch alle folgenden Jahre bis 
1914 fortgeführt. Zwei Ausschnitte aus der Originalkarte sind in den 
beiliegenden Karten wiedergegeben, das ganze aufgenommene Gebiet 
wird, auf 1:75.000 verkleinert, auf den Blättern Nauders und 
Landeck der geologischen Spezialkarte von Österreich im Laufe der 
nächsten Jahre erscheinen. 

Eine weitere Erörterung der regionaltektonischen Frage 
soll nachfolgen, sobald ich die Untersuchung der Region zwischen Nörd- 
lichen Kalkalpen und Bündnerschiefergebiet — der Nordostteil der 
Silvretta und das vordere Pitztal — abgeschlossen habe. 


Schriften, welche die Geologie des Unterengadin (Oberinntal) 
abhandeln oder näheren Bezug darauf nehmen: 
Ampferer, O. und Hammer, W. Geologischer Querschnitt durch die Ostalpen 


vom Allgäu zum Gardasee. Jahrb. d. k.k. geol. R.-A. Wien 1911, S. 574—603, 
683— 688 und 697 —709. 


Blaas, J. Geologischer Führer durch Tirol und Vorarlberg. Innsbruck 1902. 


Böse, E. Zur Kenntnis der Schichtenfolge im Engadin. Zeitschr, d. D. geo]. Ges. 
48. Bd., S. 557. 


a _ 


A Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 445 


Diener, C. Bau und rau der Ostalpen und des Karstgebietes Wien und Leipzig 
1903. 

Dyrenfurth, G. Die Bade, Dolomiten. Habilitationsschrift. Breslau 1913. 

Frech, F. Über den Gebirgsbau der Alpen. Peterm. geogr. Mitt. 1908. 

Grubenmann, U. Über einige Gesteine aus dem Stollen des Elektrizitätswerkes 
von Schuls im Unterengadin. Eclogae geol. helv. 1904, Nr. 2. 

Gümbel, C. W. v. Geologisches aus dem Engadin. Jahrb. d. naturf. Ges. Grau- 
bündens. XXI. Bd. Chur 1888. 

— Geologisches aus Westtirol und Unterengadin. Verh. 'd. k.k. geol. R.-A. Wien 
1887, S. 291. 

— Geologische Mitteilungen über die Mineralquellen von St. Moritz im Oberengadin 
und ihre Nachbarschaft. Sitzber. d. Ak. d. Wiss. in München. 1893, Heft 1, S. 19. 


Hammer, W. Glazialgeologische Mitteilungen aus dem Oberinntal. Verh. d. k. k. 
geol. R.-A. 1912, S. 402. 

— Über einige Erzvorkommen im Umkreis der Bündnerschiefer des Oberinntals. 
Zeitschr. d. Ferdinand. Innsbruck 1915. (Im Druck.) 

— „Pfunds-Landeck“ im „Führer zu geologischen Exkursionen in Graubünden etc.“ 
Herausgegeben von der Geologischen Vereinigung. Leipzig. M. Weg. 1913, 
S. 36—38. 

Koch, @. A. Geologische Mitteilungen aus dem vorjährigen Aufnahmsgebiet in 
den Ötztaler Alpen. Vorlage der Karte des Pitz- und Kauusertals. Verh. d. k. k. 
geol. R.-A. 1875, S. 123. 

— Geologische Mitteilungen aus der Ötztalergruppe, Pitztal und Kaunsertal. Jahrb. 
d. k. k. geol. R.-A. 1875, S. 247. 

— Erläuterungen zur geologischen Aufnahmskarte des Silvrettagebietes. Verh. d. 
k. k. geol. R.-A. 1877, S. 137 und 202. 

— Die Abgrenzung und Gliederung der Silvrettagruppe. Wien 188%. 

Kober, L. Über Bau und Entstehung der Ostalpen. Mitteilungen der geol. Gesell- 
schaft in Wien. 1V. Bd. 1912, 8. 45 u. f. 

Penck und Brückner. Die Alpen im Eiszeitalter. I. Bd. 1909. 


Paulcke, W. Geologische Beobachtungen im Antirhätikon. Ber. d. naturf. Ges. 
in Freiburg. XIV. Bd. 1904, S. 257. 

— Tertiär im Antirhätikon. Zentralbl. f. Min., Geol. ete. 1910, $. 540. 

— Beitrag zur Geologie des „Unterengadiner Fensters“. Verh. d. naturw. Vereins 
in Karlsruhe. 1910, 3. 33. 

— Alpiner Nephrit und die Nephritfrage. XXIII. Bd. d. Verh. d. naturw. Vereins 
in Karlsruhe. 1910, 8. 77. 

— „Fetan-Finstermünz“ im .Führer zu geol. Exkursionen in Graubünden etc.“ 
Herausgegeben von der Geol. Vereinigung. Leipzig. M. Weg. 1913, S. 25—35. 
Rothpletz, A. Geologische Alpenforschungen. II. Ausdehnung u. Herkunft d. 

rhätischen Schubmasse. 1905. 

Senger. Ergebnisse d. geognost.-montanist. Bereisung des ÖOberinntales u. \d. 
Vintschgau. Ber. über die Leistungen des geognost.-montanist. Vereins f. Tirol 
u. Vorarlberg. Innsbruck 1839. 

Schiller, W. Geologische Untersuchungen im östlichen Unterengadin. I. u. II. 
Teil. Ber. d. naturf. Gesellsch. z. Freiburg. i. B. XIV. Bd. 1904, S. 138 und 
XVI. Bd. 1906, S. 126 u. f. 

Schubert, R. Über das „Tertiär im Antirhätikon“. Verh. d. k. k. geol. R.-A. 
1910, S. 328. 

Spitz, A. u. Dyrenfurth, G. Monographie der Engadiner Dolomiten zwischen 
Schuls-Tarasp, Scanfs und dem Stilfser Joch. Beiträge z. geol. Karte d. Schweiz. 
Neue Folge. 44. Lief. (Im Druck.) 


Stache, G. Notiz aus den Tiroler Zentraialpen (Lias [?]-Kalkschiefer von Finster- 
münz). Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1873, S. 221. 

— Über die als Lias gedeuteten Kalke und Kalkschiefer südlich Landeck im 
Oberinntal. Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1872, S. 253. 

— Die paläoroischen Gebiete der Ostalpen. Jahrbuch d. k. k. geol. R.-A. 1874, 
S. 135 u. ff. 


446 Wilhelm Hammer. r [#] 


Steinmann, @. Geologische Beobachtungen in den Alpen. I. Das Alter der 
Bündner Schiefer. Berichte d. naturforsch. Gesellsch. i. Freiburg i. B. X. Bd. 
1898, 8. 215 u. f. | 

Stotter, M. Die Ötztaler Gruppe und die Silvretta. Aus dem Nachlaß herausgeg. 
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Die Literatur über die Mineralquellen von. Schuls- Tarasp und Val 
Sinestra ist zusammengestellt zu finden bei Tarnuzzer u. Grubenmann und bei 
Spitz u. Dyrenfurtb. Über die tirolischen Quellen siehe Zehenter, Die Mineral- 
quellen Tirols. Zeitschr. d. Ferdinand. Innsbruck. 37. Heft. 1893. 


Geologische Karten sind beigelegt den Arbeiten von Theobald: 
Blatt 15 (Martinsbruck—Davos) der geol. Karte d. Schweiz 1:100.000. 1864/66 und 
eine Karte des Uuterengadin 1:150.000 in Ziegler (Über das Verhältnis der 
Topographie z. Geologie 1876), ferner den Arbeiten Schiller (Lischannagruppe, 
1:50.000), Tarnuzzer u. Grubenmann (Unterengadin Blatt Tarasp u. Ardetz, 
1:50.000) und Spitz-Dyrenfurth (Engadiner Dolomiten, 1:50.000). 


I. Stratigraphischer Teil. 
Verrucano und Buntsandstein. 


Diese Schichtgruppe wird. auf Grund der petrographischen 
Gleichheit mit der so benannten Formation in den benachbarten 
Nordtiroler Kalkalpen und den Münstertaler Alpen aufgestellt. Fossile 
fehlen hier wie dort, ihre Stellung als Transgressionsbildung über dem 
kristallinen Grundgebirge und unter der Trias ist aus jenen Gebieten 
sicher bekannt. 

Verrucano durchzieht in einer mächtigen Zone den Nordrand 
des Gebietes vom Kaunerberg über Ladis, Sattelkopf, Lazid ins oberste 


[5] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 447 


Stubental und tritt auch weiterhin im Samnaun und Fimbertal mehr- 
fach, aber in Schollen zerteilt auf, während er am Südrand im öster- 
reichischen Gebiete bisher nicht gefunden wurde. 

Er besteht aus: Serizitschiefern und Serizitphylliten 
von weißlicher, lichtgrüner, silbergrauer, stahlblauer, seltener von roter 
oder violetter Färbung, feinkörnigen Serizitquarziten, ebenfalls 
licht gefärbt, blaßgrünlich mit großen Quarzkörnern und auch großen 
Quarzknauern und Knoten, feldphatführenden Serizitquarziten und 
Arkosen, Quarziten und reinem Quarzfels. Die Quarzite und der Quarz- 
fels ragen dank ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die Verwitterung als 
Felsmauer aus dem Gehänge auf, während die serizitreichen Gesteine 
daneben in Mulden niederwittern: so beiderseits von Prutz, einerseits 
im Gehänge von Faggen und anderseits an dem schroffen Felskamm 
über Entbruck, auf welchem die Ruine Laudeck steht. Ein mächtiger 
Zug von lichtapfelgrünem, reinem Quarzit mit großen Nestern von 
Quarzfels zieht vom unteren Sattelkopf bei Serfaus gegen den 
Beutelbach hinab als wildzerborstener, unfruchtbarer Felsrücken. 
Manchmal enthalten die Serizitquarzite weinrot gefärbte Quarzkörner, 
wie dies für den Verrucano des Münstertals vielenorts charakteri- 
stisch ist. 

Im westlichen Teile treten auch Quarzsandsteine auf, teils 
weißlichgrün, welche durch ihren Feldspatgehalt den Arkosen sich an- 
gliedern, teils reine Quarzsandsteine von weißer, blaßgrünlicher oder 
auch dunkelroter Färbung (Greitspitz, Malfrag). An beiden Orten 
erscheinen in Verbindung damit dunkelrote, tonig-feinsandige Schiefer, 
welche zusammen mit den Quarzsandsteinen es nahelegen, diese Schicht- 
gruppe dem Buntsandstein (Werfener Schichten der Nordalpen) gleich- 
zustellen. (E. Suess erinnert auch bei den roten Serizitschiefern von 
Entbruck an diese Schichten.) 

Im Verband mit den übrigen Verrucanogesteinen findet man auch 
mehrfach dunkle Phyllite, teilweise von relativ hoher Kristallinität, 
welche dann glimmerschiefer-- oder phyllitgneisähnlich aussehen, 
sehr oft kleine, rostige Putzen umschließen und manchmal auch 
metallische Anlauffarbe zeigen (z. B. am Fuß des Hexenkopf). Am 
Fließerberg, Minderskopfjoch, Urgenebnerbach, Ladis bilden sie den 
Rand der Verrucanozone und auch bei den anderen Vorkommen er- 
scheinen sie nahe dem Rande. Derartige Schiefer mit Limonitputzen 
beobachtet man auch in der Landecker Gegend zwischen den dortigen 
Phylliten und dem Verrucano (am Rand der Kalkalpen) und auch an 
der Basis des Ortlers liegen an der Grenze von Verrucano und Quarz- 
phyllit solche Schiefer mit rostigen Putzen. 

Ihre Zurechnung zum Verrucano gründet sich auch darauf, daß 
in ihnen an verschiedenen Stellen (z. B. ober Fiß, bei der Fißer- 
Ochsenhütte, Arrezjoch) Lagen von typischen Verrucanogesteinen sich 
einschalten, welche durch alle Übergänge und Zwischenstufen mit ihnen 
verbunden sind. Am Arrezjoch enthalten die Phyllite Eisenkarbonat 
entsprechend den „rostigen Putzen“, auch die begleitenden Lägen 
von lichtgrünem Schiefer umschließen in ihren großen Quarzknauern 
Eisenkarbonat. Es ist derselbe Verrucanozug, welcher in der Masner 
(und am Lausbach) die Eisendolomite einschließt. 


448 Wilhelm Hammer. i [6] 


In dem gut aufgeschlossenen Verrucanoprofil am Arrezjoch 
ist folgende Gesteinsfolge von S nach N zu beobachten: 


Dunkle Phyllite, untermischt mit Lageu’ heller, grüner Serizitschiefer ; 


srobkörnige, weiße Quarzsandsteine und Quarzitschiefer, teilweise 
Muskovitquarzschiefer ; 


dunkle Phyllite mit Quarzknauern und Serizitschiefern ; 

bunte Reihe von lichtgrünem Serizitschiefer, violettem Tonschiefer, 
weißen quarzreichen Lagen, auch dunkelgrünliche oder graue 
Phyllite mit feinen Brauneisensteinflasern und Quarzlinsen ; 

dunkelgrüngraue Phyllite mit Eisenkarbonat, manchmal phyllitgneis- 
ähnlich ; 

weiße Quarzserizitschiefer und Quarzfelse, gegen oben mit Zwischen- 
lagerung von grobkörnigen quarzreichen Phylliten 


ein geringmächtiger Zug von dunklem Phyllit. 


Die Wiederholung der Phyllitzone dürfte eher auf Schuppenbau 
beruhen als auf sedimentärer Wiederkehr. 


Eine gleichbleibende Reihenfolge der Gesteinsarten in verti- 
kaler Richtung ist im übrigen nicht feststellbar; auch sind beträchtliche 
Schwankungen der Ausbildung in horizontaler Richtung vorhanden, 
wie schon aus dem stellenweisen Auftreten und Anschnellen der 
Quarzite an den oben angegebenen Orten ersichtlich ist. 


In der Prutzer Gegend und am Urgenebnerbach erreichen die 
Schichten des Verrucano eine Mächtigkeit von ungefähr 400 m. Da 
man das Fehlen von Wiederholungen nicht sicher annehmen kann, ist 
es natürlich fraglich, in wieweit dies primäre oder sekundäre Mächtig- 
keit ist. Bei Fiß und am Lazidkamm würde er in gleicher Weise 
200—300 m Mächtigkeit besitzen. 


An’Stellen, wo der Verrucano als Serizitphyllit oder als dunkler, 
rostiger Phyllit entwickelt ist, ist es nicht immer leicht, ihn von 
dem bunten Bündnerschiefer zu trennen, wie die unten anzuführenden 
Fälle inniger Verwebung beider dartun. Im allgemeinen können aber 
beide dadurch unterschieden werden, daß der Verrucano — mit Aus- 
nahme der noch zu besprechenden Eisendolomite — aus kalkfreien 
Quarz- und Quarzserizitgesteinen besteht, während jene in weit- 
aus den meisten ihrer Gesteinsarten mehr oder weniger kalkhaltig 
sind und mit HC! aufbrausen. Zweifel über die Zuordnung ergeben 
sich übrigens meist nur in den Grenzzonen oder in sehr stark zer- 
schollten Gebieten, während bei größerer Entfaltung kaum eine Un- 
sicherheit eintreten wird. 


Der Kalkgehalt wurde deshalb, der allgemeinen Erfahrung folgend, 
in Fällen, wo andere Kriterien fehlten, hier als Unterscheidungs- 
merkmal verwendet. 

Östlich vom Dorfe Ladis, beiderseits des Wolfsbaches, liegt in 
dem Verrucanoschiefer ein sehr stark verschiefertes diabasisches 
Gestein; ebenso beobachtete ich an der Westseite des unteren Sattel- 
kopfes (Serfaus) einen Diabasschiefer im Verrucano. 


[7] Das Gebiet der Bündnerschiefer iın tirolischen Oberinntal. 449 


Eine stratigraphisch und technisch wichtige primäre Einschaltung 
im Verrucano bildet der Eisendolomit. Man findet ihn in der 
Hauptverrucanozone vom Stubental bis Fiß; die Form seines Auf- 
tretens ist gleich wie jene des Triasdolomits und der Liaskalke: er 
ist in eine Reihe einzelner wenig ausgedehnter Schollen zerlegt. 
Die größte derselben ist der Rothenstein am Lausbach auf der 
Kompertellalm: 500 m lang und ungefähr 150 m an der mächtigsten 
Stelle dick, die Tiefe ist nicht erschlossen. Von ihm weg, teilweise 
neben ihm als zweite Reihe zieht eine Kette von bedeutend kleineren 
und schmächtigeren Schollen über den Lazidkamm. Vereinzelte kleine 
Schollen tauchen westlich davon in der Masner auf, im Osten eine am 
unteren Sattelkopf ober Serfaus und eine ober Fiß am oberen Rand 
der Wiesen. Sehr wahrscheinlich gehören auch die wenigen und großen 
Blöcke eines gelblichen spätigen Dolomits, welche in die schwärzlichen 
phyllitischen Tonschiefer an der Grenze des Verrucano am Wolfsbach 
bei Ladis eingeknetet sind, zu diesen Eisendolomiten. 

In typischer Ausbildung ist es ein weißer oder hellgelblichgrauer, 
zuckerkörniger Dolomit mit brauner oder rötlicher Verwitterungsrinde, 
undeutlich diekbankig. Gegen die umschließenden Serizitschiefer hin 
wird er am Rothenstein serizitführend und erscheint als schiefriger, 
serizitischer, gelber (braun anwitternder) Dolomit; dünne Lagen von 
Serizitphyllit sind randlich im Dolomit eingewachsen und vermitteln 
eine Art Übergang zum Schiefer. Der Dolomit ist durch Quarzgehalt 
verunreinigt. 

In den Eisendolomitschollen am Rothenstein und Lazidkamm 
sowie jenen in der Masner setzen Gänge von Kupfererzen auf, 
welche in verflossener Zeit auch Gegenstand des Bergbaues waren !). 
Es sind Gänge von silber- und antimonhaltigem Kupferfahlerz und 
Kupferkies, ähnlich jenen von Schwaz und Brixlegg. Näheres darüber 
wird ein Artikel des Verfassers in der Zeitschrift des Ferdinandeums, 
Innsbruck 1915, enthalten. 

Ein geringer, verstreuter Gehalt an Kiesen ist in den Serizit- 
phylliten des Veruccano vielfach zu beobachten und kehrt in anderer 
Form auch in den oben erwähnten rostigen Putzen’ der dunklen Phyllite 
wieder. 

Das Auftreten erzreicher Karbonatgesteine in Begleitung des 
Verrucano kehrt in der Ortlergruppe wieder, wo zwischen Verrucano und 
den untersten Horizonten der Trias mehrerenorts spätiger Dolomit 
mit Kiesgehalt auftritt und auch Gegenstand alter Bergbauversuche 
war. In der Lischannagruppe erscheinen (am Rimsspitz) in den obersten 
Lagen des Verrucano, beziehungsweise des Buntsandsteins Lager von 
Eisendolomit. Im Oberengadin treten in diesem Horizont nach Zöpp- 
ritz kleine Erzlagerstätten auf. Im Verrucano der Thialspitze bei 
Landeck beobachtete ich gleichfalls kleine Linsen von Eisendolomit. 


!) Sperges, Tirolische Bergwerksgeschichte 1765. — Isser, Die Montanwerke 
und Schurfbaue Tirols der Vergangenheit und Gegenwart. Berg- und Hüttenm. Jahr- 
buch. Wien 1888, S. 273. — Trinker, Petrographische Erläuterungen zur geogno- 
stischen Karte von Tirol. Innsbruck 1853, S. 42 und 43. Ferner: Bericht über die 
4. und 5. Generalversammlung des geogn.-montanistischen Vereines für Tirol und 
Vorarlberg. Innsbruck 1842 und 1843. 


Jahrbuch d, k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer.) 58 


450 Wilhelm Hammer. j [8] 


Ein weiteres Zeichen des Erzgehaltes im Verrucano sind schließ- 
lich auch die Mineralquellen. Bei Entbruck entspringt aus den 
Quarziten und Arkosen, weiche die Ruine Laudeck krönt, ein Eisen- 
säuerling, im Dorfe Ladis im selben Gesteinszug eine Schwefel- 
quelle. Ihre Entstehung kann auf den Schwefelkiesgehalt des Verrucano 
und die Wechselwirkung mit eingeschlossenen Schollen von Eisendolomit 
— für deren Vorhandensein die erwähnten Schollenvorkommen am 
Wolfsbach ein Zeichen sind — zurückgeführt werden. (In Obladis 
entspringen ebenfalls ein Eisensäuerling und eine Schwefelquelle, wo- 
von besonders die letztere einen beträchtlich höheren Mineralgehalt 
aufweist als die entsprechende Quelle in Ladis; sie stehen aber, 
soweit überhaupt Aufschlüsse in der Nähe der Quellen vorhanden 
sind, nicht mit einem Verrucanovorkommen in Verbindung, sondern 
dürfte hier mehr die Nähe des Gneisüberschiebungsrandes in Frage 
kommen, der in der Prutzer Gegend (z. B. auch oberhalb Asters) Erzimprä- 
gnationen aufweist, oder vielleicht ist das bei Obladis durchstreichende 
Diabaslager kiesführend und übernimmt so die Rolle des Verrucano). 

Oberhalb der Masner Schäferhütte brechen mitten in der Glazial- 
schuttdecke beiderseits des Baches zwei starke Quellen auf, deren 
starker Eisengehalt sich durch den Absatz eines blutroten Sinters 
offenbart. Die gleiche Erscheinung beobachtet man in dem von den 
NO-Hängen des Minderskopf zum Masnerbach ziehenden Graben nörd- 
lich der Gseßschneid: nahe dem Bach entspringen oberhalb von P. 2557 m 
starke Quellen, welche den Rücken, an dessen Nordseite sie jetzt 
austreten, mit einer stellenweise ein paar Meter dicken Kruste eines 
roten Kalksinters gepauzert haben. Die Austrittstelle der Quellen 
war früher offenbar auf der Höhe des Rückens. Dicht dabei steht 
im Graben eine kleine Scholle von Eisendolomit an. Alle drei Quellen 
liegen in einer schmalen, von Triasdolomitklippen begleiteten Verrucano- 
zone, von buntem Bündnerschiefer beiderseits umschlossen. 


Die Untersuchung des Gebietes zwischen Landeck, Paznaun und 
Pontlatz hat ergeben, daß hier zwischen der Verrucanozone, welche 
— mit Unterbrechungen — den Südrand der Kalkalpen säumt, und dem 
Bündnerschiefergebiet von Prutz eine Menge von Verrucanovorkomm- 
nissen als schmale, teilweise aber ziemlich weit zu verfolgende Ein- 
klemmungen in den Phylliten und Gneisen erhalten geblieben sind, 
so am Thialspitz, im Urgtal und an den Berghängen südlich über Nieder- 
sallmig und Runs, ausnahmsweise auch von Triasresten begleitet. 
Durch diese Vorkommen ist jene Zone der nördlichen Kalkalpen 
verbunden mit dem Ausbreitungsgebiet des Verrucano innerhalb der 
Bündnerschiefer und ergibt sich dadurch ein geschlossenes Verbrei- 
tungsgebiet des Verrucano in der eben beschriebenen Ausbildung, 
welches von den Lechtaler Alpen bis zum Ortler reicht. 


Trias. 


Aus den Massen der Bündnerschiefer heben sich vielenorts Kalke 
und Dolomite heraus, welche in erster Linie durch ihre Gesteins- 
ähnlichkeit mit triadischen Schichten der Nordalpen und der Lischanna- 


[9] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen ÖOberitntal, 451 


gruppe, anderseits aber auch durch vereinzelte Fossilfunde ihre 
Zugehörigkeit zu dieser Formation bekunden. 


Die Trias ist durch folgende Gesteinsarten vertreten: 


1. Hellgraue, weißliche auch schwach gelbliche Kalke, dicht bis 
fein zuckerkörnig, hell anwitternd, dickbankig oder undeutlich gebankt; 
dunkelgrauer bis schwärzlicher Kalk, dicht, gut gebankt, auch dünn- 
bankig, rostig anwitternd, am Beutelkopf grob kristallin (siehe unten); 
gelber, poröser, rauhwackiger Kalk; dunkelgrauer, dichter, blaugrau 
anwitternder, dünnbankiger Kalk; ein solcher enthält in der Triaszone 
am Südfuß der Frudigerwand (siehe Fig. 15) Knauern und Schnüre 
von braun herauswitterndem kieseligem Kalk. In der Felsnische ober 
Fiß sieht man am Fuße der Triaswand in dem dunkelgrauen, gut ge- 
bankten, etwas dolomitischem Kalk Linsen von hellerem, gänzlich brec- 
eciösem und von Kalzitausscheidungen durchschwärmten dolomitischen 
Kalk eingelagert. (Siehe die Zeichnung bei Profil Fig. 5.) 


2. Dolomit, hellgrauer und dunkelgrauer, sehr oft breceiös, 
- dicht, „bituminös* riechend, ungeschichtet bis dickbankig. 

3. Graue, weißlichgelb verwitternde, kalkige Mergel, dünnschiefrig 
bis blättrig, mild sich anfühlend, dicht; schwarze, dünnblättrige Ton- 
schiefer, rostig anwitternd oder mit metallischen Anlauffarben, bei 
Entbruck und Faggen übergehend in tonigsandige Schiefer und feine 
glimmerhaltige Sandsteine. Auch bei Fiß treten solche feine dunkle 
Sandsteine in Gesellschaft der Tonschiefer auf. 


An Fossilspuren fanden sich (in den Vorkommen auf tirolischem 
Gebiet): In den Mergeln am Frudigerkamm (fraglich auch am Urgen- 
ebnerbach) Baktryllien, welche aber nicht näher bestimmbar sind; 
dünnplattige, graue Kalke aus der südlichen Triaszone des Frudiger- 
kammes mit zahlreichen runden CGrinoidenstielgliedern von 
2—3mm Durchmesser; in dem Kalk auf dem Beutelkopf ober Serfaus 
Diploporen: Durchmesser der Querschnite 2—-2'5>mm, doch fand 
sich ein schräger Durchschnitt auch mit 4mm kürzerem Durchmesser. 
An dem einen deutlichen Längsschnitt, der gefunden wurde, ist keine 
Ringelung zu bemerken, doch ist bei der starken Umkristallisierung der 
ganzen Gesteinsmasse eine Zerstörung dieser Skulptur möglicherweise 
eingetreten und eine verläßliche Bestimmung nicht mehr möglich. 
Außerdem Durchschnitte von Zweischalern. 

Neben den zahlreichen kleineren Klippen und Blöcken, welche 
in den Bündnerschiefern stecken und nur aus einer Gesteinsart be- 
stehen, sind fünf größere Schollen erhalten, an denen mehrere der 
aufgezählten Gesteinsarten sich beteiligen: Die südliche Zone am 
Frudigerkamm, in der Felsnische ober Fiß, bei Entbruck und zwischen 
Faggen und Falpaus und die kleine Scholle bei Asters. Einzelne der 
anderen, z. B. Frudigerkamm Nordzone, Fließerberg bestehen aus 
Kalk und Dolomit, Alle diese zeigen eine verschiedene Auf- 
einanderfolge der Schichten mit verschiedenen Wiederholungen ein- 
zelner Gesteine, so daß aus der Lagerung — nachdem auch Hangend 
und Liegend sich mangels der Versteinerungen nicht bestimmen 
lassen — keine Schlüsse auf die Schichtfolge gezogen werden können. 
In den Profilen Fig. 1, 2, 5, 13 und 17 ist dies ersichtlich. 


58* 


459 Wilhelm Hammer. m [10] 


Eine gesonderte Stellung nimmt das Vorkommen am Beutel- 
kopf ober Serfaus ein. Das Gestein ist hier zum größeren Teil 
grobkristallinischer (Korngröße 1—2 mm) Kalk (dunkelgrau bis 
schwärzlich), zum Teil dichter Dolomit (sehr stark dolomitischer 
Kalk von hellerer Farbe). Manche Lagen sind kleinknollig mit toniger, 
oft rötlicher Füllung der Grübchen, ähnlich wie im Muschelkalk der 
Nordalpen. Auch sieht man stellenweise helle, dichte, gelblichgraue, 
knollenartige Partien eingeschlossen im kristallinen Kalk. Der kri- 
stalline Kalk durchdringt in Adern den Dolomit und letzterer ist 
noch in kleinen Resten im Kalk eingeschlossen: es hat eine Um- 
wandlung des dichten, dolomitischen Gesteins in kristallinischen Kalk 
stattgefunden, nach der Art der Magnesitisierung von Kalken und 
Dolomiten (am Ortler- Zumpanell und den steirischen Magnesitvor- 
kommen etc.), welche bereits den größten Teil des Dolomits ergriffen 
hat. Die Diploporen stecken in dem dunkleren Kalk als weiße Kalzit- 
röhrchen. Da auch die anderen Kalke eher zu kristalliner Ausbildung 
neigen als die Dolomite, können auch da teilweise solche Um- 
wandlungen mit im Spiele sein. 

Die gelbe Rauhwacke in der Felsnische ober Fiß tritt einerseits 
an der Hangendgrenze im Übergang zu stark breceiösem Dolomit 
auf, anderseits an der Basis in Gesellschaft der Sandsteine und Ton- 
schiefer. Daß erstere Verbindung nicht immer auf tektonischer Rauh- 
wackebildung beruht, läßt sich daraus schließen, daß auf Spadlas (Munt 
da cherns Nordseite) Rauhwacke aus einer deutlich geschichteten 
‘ feinen Dolomitbreccie hervorgeht. Über die Rauhwacken in Gesellschaft 
von Gipslagern siehe des weiteren im Abschnitt über letztere. 

So wie die Trias im großen nicht als zusammenhängende Zone, 
sondern nur in einzelnen Linsen erhalten ist, so sind auch diese wieder 
in sich in Schollen und Linsen aufgeteilt. Am deutlichsten tritt dies 
an dem Triaszug südlich des Frudigerkopfes in die Erscheinung (siehe 
Fig. 1). Der Dolomit ist hier in mehrere Linsen zerteilt, welche rasch zu 
bedeutender Mächtigkeit anschwellen und dann in langgezogene, dünne 
Streifen sich ausdünnen; die Dolomitlinsen lösen sich von Ost nach 
West mit ihren Anschwellungen ab; in den zwischengeschalteten 
Schieferzügen schwimmen kleine Linsen von Kalk und Dolomit. Die 
großen Dolomitlinsen sind wieder größtenteils brecciös und von Kalzit- 
geäder durchzogen (besonders am P. 2754), Grünschiefer in sie ein- 
gequetscht. Das rasche An- und Abschwellen der Mächtigkeiten ist 
allen Vorkommen gemeinsam und jedenfalls in erster Linie tek- 
tonischen Ursprungs, doch können auch fazielle Schwankungen mit- 
gewirkt haben. 

Das Auftreten der Triasgesteine als Gerölle in den Konglo- 
meraten der bunten Bündnerschiefer und in den weitverbreiteten, 
oft wiederkehrenden Breccien derselben (siehe unten) zeugt für eine 
bedeutend größereursprünglicheAusdehnung und Mäch- 
tigkeit der Triassedimente in diesem Bereich, deren jetzige spora- 
dische Verteilung nicht minder auf dieser Zerstörung als auf tek- 
tonischen Vorgängen beruht. 

Es gibt die beobachtete Mächtigkeit der einzelnen Gesteine 
wenig Aufschlüsse über ihre ursprüngliche Massenentfaltung. Die größte 


[11] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 453 


der erschlossenen Triasmassen ist jene ober den Guferhöfen (NNO 
von Prutz), sie besteht nur aus grauem, ungeschichtetem, feinkörnigem 
bis dichtem Dolomit und besitzt eine Mächtigkeit von 500 m quer 
zum Streichen, Längserstreckung mindestens 1500 m. Ober Fiß kann 
die Mächtigkeit des unteren Dolomits auf 100 m geschätzt werden, 


Fig. 1. 


Fig. 1a. Profil durch die südliche Triaszone des Frudigerkammes. 


Fig. 15. Schematische Ansicht der Triaszone am Fuß des Frudigerkopf 
(von S gesehen). 


C = Bünduer-Kreidekalke. — B = Bunte Bündnerschiefer; Trias: D = Licht- 
grauer, späthiger oder dicht von Calcitadern durchzogener Dolomit und dolomitischer 
Kalk, oft brecciös. — k, = Lichtgrauer, zuckerkörniger dickbankiger Kalk. — 
k, = Dünnplättiger dunkelgrauer, blaugrau verwitternder Kalk im mittleren Teile 
mit Knauern von kieseligem Kalk. — s — Schwarze und gelbe Mergel- und Ton- 
schiefer, in der nördlichen s-Zone die Baktryllienmergel. — 5% — Grünschiefer. 


die des darüberliegenden Kalkes auf 40 m: in dem anscheinend wenig 
gestörten Profil am Urgenebnerbach wird der Dolomit nur etwa 
8—10 m mächtig. Gegenüber den Kalken und Dolomiten treten die 
Mergel und Sandsteine ganz zurück, ausgenommen die Stellen am 
Frudigerkamm, wo sie angestaut sind; in den östlichen Profilen sind 
sie nur wenige Meter mächtig. 


454 Wilhelm Hammer. \ [12] 


Auf Schweizer Boden liegt die von Paulcke entdeckte mächtige 
Triasscholle des Stammer. Sie enthält eine Kalkmergelschichtreihe 
mit sicheren Fossilien des Rhät und einen wahrscheinlich dem Haupt- 
dolomit zuzurechnenden Dolomit. Lithologisch besteht zwischem dem 
Rhät (Kössener Schichten) des Stammer und den Mergelsandsteinlagen 
der östlichen Triasvorkommen darin ein Unterschied, daß bei ersterem 
die tonigmergeligen Schichten stark mit kalkigen Bänken und einem 
Dolomitlager wechsellagern, die Kalke überhaupt vorherrschen, was 
bei den anderen nicht der Fall ist: von den sehr unregelmäßigen, 
wahrscheinlich tektonischen Einkeilungen in Kalk und Dolomit am 
südlichen Frudigerkamm - Vorkommen abgesehen, bilden die im 
ganzen auch weit geringer mächtigen Schiefer hier eine geschlossene 


Fig. 2. 


Profil am oberen Ende der Klamm des Urgenebnerbaches (bei 1400 m Höhe). 


s = Bunte Serizitschiefer und Arkosen. — Pk = Dunkle Phyllite mit Quarz- 

knauern, teilweise stark kristallinisch. — kck = Hellgraner (selten rötlicher), dichter 

dünnbankiger Kalk. — D = Breceiöser Dolomit. — ms = Schwarze und graue 

feine Mergel (Bactryllienmergel) und feine Sandsteine. — ki —= Weißlicher zucker- 

körniger unreiner Kalk, rasch übergehend in kd. — kd = Schwärzlicher, dünn- 
bankiger Kalk, rostig anwitternd. 


Lage frei von Kalklagern. Allerdings könnten vielleicht die im Profil 
vom Urgenebnerbach darüberliegenden schwärzlichen, dünnbankigen 
Kalke zur selben Formation gehören und ebenso die blaugrauen 
dünnbankigen Kalke am Frudigerkamm. Eine Wechsellagerung tritt 
aber in beiden Fällen nicht ein. Anderseits erinnern die metallisch 
anlaufenden, schwärzlichen Tonschiefer von Entbruck stark an die 
„herbstlaubfarbenen“ Tonschiefer des Stammer und sind an letzterem 
auch im Rhät sandigtonige Schiefer enthalten. Das Vorkommen von 
Bactryllien stünde mit einer Zuordnung zum Rhät in Einklang. 

Der Kalk vom Beutelkopf besitzt in seinen knolligen Bänken 
gute Ähnlichkeit mit dem Muschelkalk, wie er z. B. am Jaggl bei 
Graun oder in den Nordtiroler Kalkalpen entwickelt ist — abgesehen von 
der starken Umkristallisierung —, die Diploporen könnten ihrer Durch- 
schnittsgröße von 2 mm Durchmesser nach zur Physoporella pauciforata 


[13] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 455 


gehören, doch macht der eine größere Querschnitt von 4 mm die nur 


auf die Größe gestellte Bestimmung unsicher. Bei den Mergelschichten 
spricht der Ubergang in Sandstein gegen eine Zuordnung zu den Part- 
nachschichten — mit denen sie sonst lithologisch und durch den Gehalt 
an Bactryllien Verwandtschaft besitzen —, weil für letztere in den 
Nordalpen der Mangel der Sandsteine geradezu charakteristisch ist. 
Will man sie doch zu jenen stellen, so könnte der dunkelgraue ge- 
bankte Kalk im Urgenebner Profil und auch anderen Orts die Stelle 
des Muschelkalks vertreten, welcher Annahme sich der Kieselknollen- 
kalk im Frudigerzug gut einfügen würde. Es steht aber auch die 
Möglichkeit offen, sie als Aquivalent der Raibler Schichten anzusehen. 
Durch keine der Deutungen ist in mehreren Profilen eine Überein- 
stimmung in der Reihenfolge von Dolomit, Kalk und Schiefer zu 
erzielen. 

Bei einer Zuordnung der Kalke in das Niveau des Wetterstein- 
kalkes ist zu bemerken, daß dieses in den Münstertaler Alpen als 
Dolomit entwickelt ist!). Das Auftreten größerer Mengen von Kalken 
in der Trias bildet einen Unterschied gegenüber der ausschließlich 
oder stark vorherrschend dolomitischen Ausbildung der Trias in den 
Radstätter Tauern und am Semmering. (In den Radstätter 
Tauern ist nach Frech 30—40 m Guttensteiner Kalk an der Basis 
der Trias vorhanden, deren Zugehörigkeit zur Trias aber von Uhlig, 
Kober etc. bestritten wird.) 

Das Rhät des Stammer schließt sich in seiner faziellen Aus- 
dehnung an jenes der Nordalpen und Münstertaler Alpen an. 

Eine Aufteilung der Triasvorkommen in zwei Gruppen, entsprechend 
einer lepontinischen und einer ostalpinen Triasentwicklung ist nicht 
durchführbar. Die Trias am Stammer wurde schon von Paulcke als 
typisches Ostalpin angesprochen. Ebenso gliedern sich aber auch 
die anderen Vorkommen durch ihre teilweise große Mächtigkeit der 
Dolomite und auch der Kalke, die Schieferzone (Baktryllienmergel, 
sandige Schiefer) und den muschelkalkähnlichen Kalk des Beutelkopf 
der ostalpinen Entwicklung an. Wie im tektonischen Teil erläutert wer- 
den wird, gehören Stammerscholle und die Schollen des Frudigerkamms 
und weiter östlıch derselben tektonischen Zone an. Die am Gneis- 
überschiebungsrande liegenden Triasschollen z. B. Asters, Gufer, 
Komperdellalm (unter Planskopf und Hexenkopf) bestehen aus den 
gleichen Gesteinen wie die innersten der Schollen. 


Gips. 


In Begleitung des Verrucano, der Triasdolomite und der bunten 
Bündnerschiefer treten in den Schieferzonen des Nordrandes sowie 
in der Zone Sent-Ardetz zahlreiche Lager von Gips auf, deren Größe 
von wenige Meter langen Schmitzen (Felsnische ober Fiß in den 


!) Am Stammer (Westgipfel) enthält eine Bank im obersten Teil des Dolomits, 
welcher die Südwand bildet, Hornsteinknollen. Es sei diesbezüglich daran eriunert, 
daß nach W. Schiller im Wettersteindolomit der Lischannagruppe in seinem 
unteren Teil Lagen mit Kieselknollen vorkommen und auch in seinen höheren Teilen 
ein Kieselhorizont erscheint. 


456 Wilhelm Hammer. j: [14] 


bunten Schiefern) bis zu Kilometer langen und entsprechend mächtigen 
Lagern, wie jene bei Salas-Zebles wechselt. In den grauen Bündner 
Schiefern liegt nach Tarnuzzer der Gips bei Fetan-Sainas, 
was auch Dyrenfurth bestättigt, letzterer vermutet aber, daß es 
sich um die Grenzregion grauer und bunter Schiefer handelt; jene 
bei Ardetz liegen in einer besonders stark gestörten Region, so 
daß die stratigraphische Zuordnung hier kaum als Beleg herangezogen 
werden kann, abgesehen von der weiter unten zu besprechenden 
Möglichkeit metasomatischen Ursprungs. Die Karte des geognostisch- 
montanistischen. Vereins (1849) verzeichnet bei den Häusern von 
Tschupbach Gips und auch Stotter berichtet von einem Gipslager, 
welches hier nahe über dem Inn bestehe. Derzeit ist nichts mehr 
davon zu sehen und auch die Kunde davon in Tösens verschollen. 
Doch wurde mir ein (jetzt nicht mehr dort wohnhafter) Mann namhaft 
gemacht, welcher sich jenes Gipses erinnerte. Dieser Gips würde 
dann in den tieferen Teilen der grauen Bündnerschiefer liegen, 
wenn er nicht ein tieferliegendes Vorkommen von Trias ‚oder bunten 
Schiefern anzeigt. 

Der Gips ist in der Regel dicht, mitunter Kanal, selten groß- 
kristallin, weiß gefärbt, selten blaß rötlich oder grau, manchmal gebankt 
oder es ist durch lagenweise Verunreinigungen eine feine Schichtung 
angezeigt. In vielen Fällen aber enthält er eckige Fragmente von 
grauem (ungeschichteten) Dolomit oder auch von Kalk. Die Frag- 
mente haben meist eine geringe Größe, es kommen aber auch große 
Blöcke davon vor, z. B. steckt in dem Gips im Schloßwald (Kaunertal) 
ein Dolomitblock von vielen Kubikmeter Größe und ein zweiter kleinerer, 
daneben faustgroße Stücke und endlich in großer Menge ganz kleine. 
Die durch Verunreinigung angezeigten Schichten des Gipses biegen 
sich um die größeren Stücke herum. Anderwärts häufen sich die kleinen 
Fragmente so, daß eine Dolomitbreccie mit Gipsadern vorliegt. Die 
Dolomitfragmente stimmen in der Gesteinsbeschaffenheit mit den 
Dolomiten der Trias völlig überein. 

Bei den kalkigen Einschlüssen ist eine Parallelisierung weit 
unsicherer, wegen der Mannigfaltigkeit kalkiger Lager, sowohl in der 
Trias als auch in den Bündnerschiefern. Selten enthält der Gips 
Splitter von grünen phyllitischen Schiefern (Fenga pitschna, Sent 
u.a. ©.). Nach Tarnuzzers Angaben enthalten die Gipse bei Sainas 
und an der Straße unterhalb Schuls auch Schollen von „grünen und 
grauen Engadinschiefer* (Bündnerschiefer). 

An manchen Stellen beobachtet man, daß der Gips mit den 
umgebenden Schiefern durch Lagen gemischter Zusammensetzung 
verbunden ist, Gipslagen wechseln und sind vermischt mit solchen 
von Kalzit und Ton oder Serizit. 

Sehr häufig werden die Gipse von karbonatischen Gesteinen, 
vor allem Dolomit und Rauchwacke, begleitet. Allein ohne daß solche 
in nächster Nähe in derselben Schieferzone aufgeschlossen sind, liegt 
der Gips im Wald über Obergufer (bei Prutz). Das oben erwähnte 
Gipsvorkommen im Schloßwald enthält nur die genannten Blöcke. In 
der Felsnische ober Fiß liegen ober und unter der großen Triasmasse 
in den Schiefern 3—4 kleine Schmitzen und Lagen von Gips ohne 


[15] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 457 


Zutat von Karbonatgesteinen. Dasselbe gilt für einzelne der vielen 
Lager zwischen Salas und dem Fimbertal. In der Mehrzahl der Fälle 
begleiten. Rauhwacke oder Dolomit beziehungsweise Dolomitbreccien 
dieselben. In der großen Felsausbruchnische am Südhang des Schönjöchl 
bilden folgende aneinandergereihte Glieder eine schmale Zone: Dolomit, 
Gips, rotgelbe Rauhwacke, welche erfüllt ist von Fragmenten eines 
lichtgrünen Serizitquarzschiefers (Verrucano), welcher auch in kleinen 
Partien daneben ansteht. Am Nordabhang des Munt da Cherns liegen 
übereinander von unten nach oben: Dolomit; gelbe Rauhwacke, 
welche stellenweise viele Bruchstücke von grünen Tonschiefern und 
quarzitischen Schiefern sowie von Dolomit enthält; geschichtete feine 
Dolomitbreccien, in Rauhwacke übergehend; Gips; (bunte Bündner 
Schiefer). Ebenso begleitet Rauhwacke, stellenweise mit Schiefer- 
fragmenten die Lager von Salas bis Fimbertal. Bei den Gipslagen 
von Salas durchzieht die Rauhwacke in;mehrfachen dünnen Bändern 
den Gips. Sie ist teils fein porös, gelb und enthält kleine Dolomit- 
fragmente, teils geht sie in eine grobe Breccienrauhwacke über, 
welche große Blöcke von Dolomit und zahlreiche Stücke von bunten 
Bündner Schiefer umschließt, seltener auch Diabasschiefer. 

Gips und Rauhwacke können als syngenetische salinare 
Bildungen betrachtet werden. Die letzteren sind aber sicher oft 


‚tektonisch umgearbeitet und mit fremden Fragmenten ver- 


mischt worden. 

Die Frage nach einer späteren metasomatischen Entstehung 
von Gips drängt sich bei einzelnen Vorkommen auf, welche mit tria- 
dischen Kalken oder Dvlomit im Verband sind. Oberhalb Fiß, am 
Westrand der Felsausbruchnische, erscheint mitten in dem Triaszug 
eine große, unregelmäßig umgrenzte Gipsmasse, welche mittels einer 
gipsdurchäderten Dolomitbreccie in die normale Trias überzugehen 
scheint (siehe Fig. 5). In ähnlicher Art sieht man am Kamm zwischen 
Pfundser Ochsenberg und Fließer Alpe den als Felsklippe aufragenden 
brececiösen Dolomit von Gips unterlagert und von Adern und Nestern 
von Gips durchzogen. Dann kann an das oben erwähnte Vorkommen des 
Dolomits im Gips des Schloßwaldes (Kaunertaleingang) erinnert werden. 
Ebenso sieht man an einem der unteren Lager von Zebles einen 
großen Dolomitblock, welcher von einem Netz kleiner Gipsadern zer- 
teilt wird — auch eine dicke Ader neugebildeten Gipses durchzieht 
ihn — und ringsum enthält der Gips zahlreiche kleine Dolomitfrag- 
mente. In solchen Fällen sehe ich eine Erklärung darin, daß von 
einem am gleichen Ort bestehenden oder einem benachbarten Gips- 
lager aus durch die zirkulierenden Lösungen die Gipsbildung auf die 
Triasgesteine übergegriffen hat und bis zur Auflösung dieser in ein- 
zelne Blöcke und schließlich in kleinste Fragmente gediehen ist, 
welche dann auch ganz in Gips aufgehen können. Dies kann auch 
gegenüber anderen kalkigen Gesteinen, vor allem den Bündner- 
schiefern, eintreten. An dem Vorkommen im Schloßwald ist an Stelle 
des Kalzits in den an den Gips angrenzenden Lagen der Serizitkalk- 
schiefer Gips getreten. Bei dem Gips am Südgrat des P. 2827 (Stuben- 
tal) greift die Gipsbildung im Hangenden auf die Kalkschiefer über; 
es besteht ein Übergang zwischen beiden in einer Zone von Gips mit 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer.) 59 


Wilhelm Hammer. 


458 


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Triasscholle nördlich P. 2854 (Frudigerkamm). 


mit Breccienlagen). — v = Verrucano. — D = Triasdolomit. — g = Gips. 


ö — Diabasschiefer. 


[17] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 459 


parallel eingelagerten Serizitschuppenlagen und gelben Kalkschnüren. 
Auf ein derartiges Vorschreiten des Gipses kann das von Tarnuzzer 
beschriebene und auch von ihm so erklärte Eindringen des Gipses in 
die benachbarten Bündnerschiefer sowie die Einschlüsse solcher im 
Gips zurückgeführt werden. 

Das Vorhandensein aller Abstufungen vom gipsdurchädertem 
Dolomit über Dolomitbreccie mit Gips zu den einzelnen im Gips 
schwimmenden Blöcken und weiter kleineren Fragmenten von Dolo- 
mit spricht gegen die Annahme, daß die Dolomitstücke durch Ein- 
schwemmung während der Ablagerung des Gipses in denselben gelangt 
seien, um so mehr, als die Eckigkeit der Fragmente einen weiteren 
Transport derselben durch Wasser ausschließt. Ausblühungen von 
Magnesiumsulfat sind, wie schon Gümbel angibt, sehr häufig. 


Das Gipslager von Salas wird von Verrucano unterlagert und 
auch die unteren Lager von Zebles von einer Verrucanozone be- 
gleitet. Die kleinen Gipsvorkommen von Malfrag, Frudigerkamm, 
Schönjöchl treten desgleichen mit Verrucano in Verband. 


Manche werden von buntem Bündnerschiefer umschlossen, liegen 
aber in unmittelbarer Nähe von Verrucanoeinschüben oder in Trias- 
schollenzonen. Dies gilt von den unteren Lagern bei Zebles und 
mehreren derselben am Piz da val gronda und jenem am Südgrat 
von P. 2827 (Stubental). Andere verraten durch den Gehalt von 
Dolomitbruchstücken (Gips im Wald ober Gufer, Schloßwald) die ein- 
stige Nähe von Triasschollen. Die höheren Lager am Zebles—Vider- 
joch wie jenes am Joch Zebles—Salas liegen in den bunten Schiefern, 
können aber doch auf Schuppenbildung in dieser Störungsregion be- 
zogen werden. 


Man wird auf Grund jenes Schichtverbandes mit Verrucano und 
Trias die Gipslager im allgemeinen in Übereinstimmung mit dem Auf- 
treten salinarer Schichten im Buntsandstein und Trias in den Nord- 
alpen und in den Münstertaler Alpen (Val Schais bei St. Maria) in 
die Trias einreihen können. Der stratigraphische Wert kleinerer 
Gipslager wird überhaupt durch die Möglichkeit einer sekundären 
Entstehung stark beeinträchtigt!) und mahnt — zusammen mit dem 
verwickelten Schuppenbau — zur Vorsicht bei dem naheliegenden 
Versuch, die Gipse der bunten Bündverschiefer als oberen Gips- 
rauhwackenhorizont entsprechend den Raibler Schichten dem unteren 
von Verrucano begleiteten Lagern gegenüberzustellen. 


Lias. 


Die Kalke des Lias sind diejenigen unter den Gesteinen des 
„Fensters“, weiche am frühesten durch Fossilfunde ihrem Alter nach 
bestimmt wurden und der einzige Horizont, der reich an Fossilien 


!) Auch Dyrenfurth (l. c. pag. 84) vermutet, daß „manches Gipsvor- 
kommen nicht an Ort und Stelle entstanden, sondern durch Wanderung des so 
leicht löslichen und beweglichen Minerals zugeführt“ ist. Eine Vergipsung von 
Triasdolomit wird in der Brianconnais von Termier und Kilian angenommen 
(C. R. d. Ak. d. sc. XCII, pag. 900 und Etud. geol. dans les alpes occidental Il). 


59* 


460 Wilhelm Hammer. - [18] 


ist. Seine stärkste Entfaltung fällt in den Bereich des Fimber Tales 
und einzelner Teile des Samnaun sowie in die Gegend von Ardetz. 
In dem hier behandelten östlichen tirolischen Teil reicht nur noch am 
Malfrag (Fließer Alm) sein Ostende herein. Während er im west- 
lichen Gebiet in eine Unzahl kleiner Schollen zerteilt ist, streicht er 
von der Alp bella („In der Kirche“) als zusammenhängender Zug und 
in Gestalt steiler Felsmauern aus dem sanften Schiefergelände her- 
vortretend zum Malfragkopf und endet östlich. desselben auf der 
Fließer Alm. Diesem Zug sind südlich noch mehrere Schollen vor- 
gelagert. 

Die Basis des Liaszuges bilden schwärzliche, sandigmergelige, 
oft rostig anlaufende Schiefer, auch mit feinen Glimmerblättchen auf 
den Schichtflächen. Am Aufbau der Kalkwände beteiligen sich hier 
besonders weißliche, kieselige Kalke und lichte, marmorisierte, spätige 
Kalke sowie bräunlich anwitternde, hellgraue, gebankte Kalke. Auf 
der Alp bella und weiter westlich erscheinen als Leitgestein gelb- 
lichgraue, grobspätige Crinoidenkalke, welche in Menge Belemniten 
und Brachiopoden führen, seltener auch Ammoniten. Außerdem auch 
dichte graue Kalke mit dunkelrötlichgrauer Anwitterungsfarbe. Am 
Greitspitz liegen in schwarzen Schiefern auch geringmächtige 
konglomeratische Bänke (mit schwärzlichem Bindemittel). 


Die Fauna ist nach den Angaben Paulckes eine unterliasische. 
Am Malfrag ist er relativ arm an Versteinerungen, während bereits 
auf der Alp bella solche in Menge zu sammeln sind; weitere vorzüg- 
liche Fundpunkte liefert das obere Fimber Tal. Von Paulcke und 
von Prof. Schlosser, München, welche umfangreiche Aufsammlungen 
gemacht haben, sind eingehendere Mitteilungen darüber zu er- 
warten. 


Die dem Liaszug des Malfragkopfes südlich vorgelagerten 
Schollen bestehen aus einem weißen, gelblich anwitternden Karbonat- 
gestein, erfüllt von Quarz- und Kalkspatadern und Nestern, das in 
der nördlichen Scholle gegen N am P. 2669 in einen lichtgrauen, 
knauerigen, dickbankigen, stellenweise marmorisierten Kalk übergeht, 
wie er in gleicher Weise im Liaszug wieder erscheint. Die südliche 
Scholle am Kamm besteht nur aus der erstgenannten Gesteinsart. 
Der Verband mit dem lithologisch sicher dem Lias zugehörigen Ge- 
stein von P. 2669 macht es sehr wahrscheinlich, daß auch dieses 
zum Lias gehört. Am Ostabhang des Kammes steht eine große Scholle 
eines lichtgrauen Dolomits an, welche durch die starke spätige Durch- 
aderung den Gesteinen der genannten Schollen ähnlich ist, ihrem 
dolomitischen Charakter nach aber wohl eher zur Trias gestellt 
werden muß. Das Karbonatgestein der südlichen Kammscholle ist 
kalkiger Natur. An dem vom Martinskopf gegen Süden aus- 
strahlenden Kamm (östlicher Fließer Berg) liegen an der entsprechenden 
Stelle im Profil Blockschollen von rotgelb verwitterndem, lichtgrauem, 
spätigem, quarzreichem Kalk begleitet von den schwärzlichen Ton- 
schiefern, welche beide zusammen als letzte östliche Ausläufer des 
Liaszuges angesehen werden können. 


u Are Aa 


[19] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 461 


Hellbunte Kalke. 


In,der südlichen und nördlichen Randzone treten einige kleine 
Vorkommen von Kalken auf, welche sich weder der Kreide noch 
den älteren Kalken ohne weiteres sicher zuordnen lassen und mög- 
licherweise Analogien zu bestimmten Gesteinen verwandter Gebiete 
eröffnen. 

Es sind dünnbankige Kalke von sehr lichter, gelblicher, röt- 
licher und grünlicher Färbung, meist mit einem grünlichen, serizitischen 
Belag auf den Schichtflächen. Dazwischen fehlen auch nicht hellgraue, 
selten dunkelgraue oder auch weißliche Lägen. Stets ist der Kalk 
mehr oder weniger kristallinisch, von feinstem Korn bis zur spätigen 
Struktur, sehr oft sind die Kalke von groben Kalkspatadern und 
Nestern durchzogen. Die Mächtigkeit ist stets eine geringe, die hori- 
zontale Erstreckung desgleichen. Am besten entsprechen dieser Charak- 
terisierung die Gesteine, welche unter P. 2921 (Frudigerkamm) an 
der Gneisgrenze anstehen und deutliche Zeichen heftigster Pressung 
und Verbiegung an sich tragen. Unter dem Arrezkopf (oberste west- 
lichste Hänge der Lawensalm) streicht unter der Gneisgrenze ein 
ähnlicher hellgrauer bis weißer, ziegelrot anwitternder Kalk hin. Gegen 
Westen steht ober dem Arrezjoch anscheinend in der streichenden 
Fortsetzung desselben ein dunkelgrauer, gelblich anwitternder, dünn- 
bankiger Kalk mit Bänken feinkörniger Crinoidenbreecien an, der 
jedenfalls zu den Kreidekalken zu rechnen ist. Am Südfuß des 
Hexenkopf, nahe dem See in der Masner, steht wieder ein ähn- 
licher, weiß- bis rötlichgelber, dünnbankiger Kalk an, der aber auch 
eine Bank feinster Breccien enthält. Weiter weg vom Gneisrand steht 
am SW-Fuße des Minderskopf am Pfundser Ochsenberg ein 
hellgrauer, weißlicher, gelblicher und gelblich anwittender, dünnbankiger, 
feinkristalliner Kalk an, der ebenfalls an diese Gruppe erinnert. 

Auf der Gamoralm bei Nauders stehen am Westkamm des 
Gaisblaiskopf zwischen dem Gmneisrand und den Diabasschiefern eine 
Wechselfolge kalkiger und serizitischtoniger Lagen an, letztere stellen- 
weise zwischen violettrot und grünlich in der Farbe wechselnd, erstere 
lichtgelb, rötlich, weiß oder grünlich und feinkristallin bis dicht; 
dazwischen auch Lagen, welche den gewöhnlichen kalkigtonigen grauen 
Bündnerschiefern gleichen. Sehr heftig gequetscht und verbogen. 

Die Hauptfrage scheint mir hier die, ob es sich überhaupt um 
ein eigenes Formationsglied handelt oder ob es nur umgewandelte 
Teile der übrigen großen Schichtgruppen sind. Am Arrezkopf und 
Hexenkopf hat durch die eingeschalteten Breccienbänke und die nur 
durch Schutthänge unterbrochene Fortsetzung in die Kreidekalke 
des Arrezjochs eine Zurechnung zu diesen große Wahrscheinlichkeit 
für sich, desgleichen am Minderskopf. Die Kalke unter P. 2921 könnten 
als Fortsetzung der den Liaszug südlich Martinskopf begleitenden Kalke 
angesehen werden; hier ist das Gestein am besten der vorausgeschickten 
Gesteinsbeschreibung entsprechend. Entsprechend der Lage dieser 
und des Vorkommens auf der Gamoralm an der großen Gneisüber- 
schiebung können die Kreidekalke durch Dynamometamorphose in 
jene Form übergeführt worden sein — siehe die deutlich sichtbare 


462 Wilhelm Hammer. ‘ [20] 


starke Pressung der Gesteine. — Bei P. 292] ist vielleicht auch um- 
gewandelter Lias in Betracht zu ziehen, nachdem dieser im Gebiet 
von Malfrag großenteils in solchen hellgelblichen spätigen Kalken 
auftritt. Bei der Gamoralm ist schließlich auch Kontaktmetamor- 
phose mögleicherweise vorhanden: unmittelbar unterhalb der hell- 
bunten Kalkschiefer steht dort eine größere diabasische Gangmasse 
(amSüdhang des Kammes) an und auch am Ostrand erscheint noch ein 
kleiner Aufbruch eines Ganges zwischen Gneis und Kalkschiefer (siehe 
Fig. 4). 

Auf dem Gipfel von Clünas ober Fetan steht eine grob- 
blockige, brecciös flaserige Gesteinsmasse an, welche gleiche hellbunte 
Serizitkalke (Marmore) enthält wie die hier aufgezählten Vorkommen 
(neben gneisigen Komponenten, verrucanoähnlichen Trümmern, pfirsich- 


Fig. 4. 


Be Gneis. 
gar! Bündnerkreide. 
hät Hellbunte Kalke, 


Diabasisches Gang- 
gestein. 


Diabasquetschzone. 


Kartenskizze vom Westkamm des Gaisblaiskopf. 
Maßstab: ungefähr 1: 25.000. 


Punktiert: Moräne und Gehängeschutt. 


roten Kalken etc... Paulcke ist geneigt, sie für Tithonäquivalente 
zu halten. Ein zweites Vorkommen solcher heller, marmorisierter 
Kalke beschreibt Paulcke vom Futschöltal und mutmaßt auch 
hier tithonisches Alter derselben. Sie sind bei letzterem Vorkommen 
begleitet von einer groben poligenen Breccie (auch Granit als 
Gerölle führend). Das Vorkommen liegt wieder nahe dem Gneisrand. 

Das Gestein am Gipfel von Clünas zeigt alle Eigenschaften 
einer hochgradigen tektonischen Beanspruchung; möglicherweise ist 
es ein Konglomerat, das derartig umgearbeitet wurde. In den tirolischen 
Vorkommen fehlt jeder konglomeratische Charakter. 

Der petrographische Charakter der „hellbunten Kalke“ so wie 
sie heute vorliegen, ist zweifellos ein sekundärer — worin auch die 
Färbung inbegriffen sein kann — ändere Merkmale für ihre Er- 
kennung und Abtrennung fehlen aber völlig; in einzelnen Fällen sind 
Anhalte da für Zuordnung zu sonst anders ausgebildeten Formationen, 


[21] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 463 


(Breccienbänke der Bündnerkreide). Dies zusammen mit ihrer sehr 
fragmentarischen Ausdehnung machen alle auf solches Gestein ge- 
stützten stratigraphischen und tektonischen Schlüsse zu sehr unsicheren. 
Meines Erachtens wäre auch in anderen bündnerischen Gebieten, z.B. 
in Schams, die Frage sehr am Platze, ob die auf Grund der Gesteins- 
art für Jura erklärten marmorisierten hellen Kalke, nicht auch _ 
manchenorts nur metamorphe Fazies anderer Formationen sind und 
tatsächlich hat auch Zyndel jene marmorisierten Kalke des Hinter- 
rheingebietes, auf welche sich Paulcke wegen der Tithonäquivalenz 
der Gesteine am Futschölpaß beruft, jetzt teils zum Lias, teils zur 
Trias gestellt. 


Graue, basale Bündnerschiefer und Bündnerkreide. 


Unter diesem Titel fasse ich alle Büudnerschiefer mit Aus- 
nahme der „bunten“ zusammen; da letztere — im tirolischen Teil — 
nur an den Rändern entwickelt sind und die nicht in Bündner Fazies 
ausgebildeten Formationen desgleichen, so fallen */; des ganzen 
Bereiches hierher. Es sind jene mächtigen, dem flüchtigeren Be- 
schauer eintönig erscheinenden Kalkschiefermassen, welche von Ried 
bis Schuls die Flanken des Inntals bis zu den Kämmen der Vor- 
berge hinauf bilden und welche hier aus den untenstehenden Gründen 
mit den als Bündnerkreide bezeichneten crinoidenführenden Breccien 
und Kalken zusammengefaßt werden, welche den Südrand begleiten 
und im Norden zwischen den bunten Schiefern und anderen Schicht- 
zügen des Nordrandes eingeschaltet sind. 


a) Petrographische Beschreibung. 


Die Gesteine dieser Gruppe sind größtenteils umkristallisiert; 
die ursprünglich kalkigtonigen Gesteine sind in Kalkglimmerschiefer, 
Tonschiefer in phyllitische Schiefer umgewandelt. Am wenigsten unter- 
liegen der Metamorphose die klastischen Gesteine — Breccien und 
Konglomerate —, doch ist auch bei diesen die Grundmasse meistens 
umkristallisiert und sind die organischen Einschlüsse dadurch zerstört 
oder unbestimmbar gemacht worden. Die Umwandlung nimmt von 
Westen gegen Osten zu. Während man in der Bündnerkreide 
des Fimbertals in den Schliffen die Foraminiferenfauna noch gut er- 
halten und bestimmbar findet, ist es wftirolischen Teil in den gleichen 
Schichten nur ausnahmsweise noc#"möglich, überhaupt das Vorhanden- 
sein von Foraminiferen festzustellen. Nur die Crinoidenstielglieder 
haben vielfach noch ihre Gitterstruktur bewahrt. Die basalen, kalkig- 
tonigen Schichtmassen des Val Sinestra und Mondinstockes gehen vom 
Schalklbach an in Kalkglimmerschiefer über und behalten diese Aus- 
bildung bis weit gegen Osten. Außerdem sind im allgemeinen die 
tieferen Schichten mehr umgewandelt als die höheren, so daB durch 
die Verbindung beider Tendenzen die höchstkristallinen Gesteine im 
innern Teil der Antiklinale in der Gegend von Pfunds auftreten. 

Die genaue Kartierung hat ergeben, daß der scheinbar ein- 
tönig ausgebildete Kalktonschieferkomplex eine Reihe verschiedener 


464 Wilhelm Hammer. [22] 


Fazies und besondere Horizonte auszuscheiden gestattet, welche 
größtenteils primär, zum Teil auch durch die Metamorphose hervor- 
gerufen sind. 

Als eine Fazies letzterer Art sind die Kalkglimmerschiefer 
aufzuführen. Es sind schuppigkörnige Gesteine — in der Struktur etwa 
einem mittel- bis grobkörnigen Gneis ähnlich t) -—- von weißem, bei 
abnehmender Kristallinität auch hellgrauem Kalzit und feinen Musko- 
vitschuppen, neben welchen aber meistens noch ein großer Teil des 
Tongehaltes in schwärzlich glänzenden Schuppen vorhanden ist, 
wodurch das Gestein ein weißschwarz gesprenkeltes Aussehen erhält. 
Die Glimmer und Tonschuppen geben dem Gestein Paralleltextur. Auf 
den größeren Schieferungsflächen breiten sich auch größere glänzende, 
Tonbelage mit zwischengestreuten Muskovitschüppchen aus. Im großen 
sind stets auch einzelne geringmächtige Lagen von dunklen Tonschiefern 
eingeschaltet. Sie wittern gelbbräunlich an, gesprenkelt mit den Ton- 
und Glimmerschuppen. Stärker verwitterte Lagen sind mit winzigen, 
rostigen Punkten durchsetzt. Sie sind teils ziemlich dickbankig, teils 
auch ganz dünnplattig. 

Alle Übergänge verbinden sie mit den noch nicht so meta- 
morphen Schichsen gleicher Zusammensetzung: dunkelgrauen, gutge- 
bankten bis schieferigen Kalken mit wechselnd starker Bestreuung 
von feinsten Glimmerschüppchen oder auch nur einem dunklen, tonigen 
Überzug auf den Schichtflächen; dazwischen dann gelegentlich eigene 
Tonschieferlagen. Häufig durchziehen weiße Kalzitadern das Gestein, 
auch Quarzadern fehlen nicht und sind auch gemischt mit Kalzit 
anzutreffen. 

Die Kalkglimmerschiefer sind, wie oben schon gesagt wurde, 
am besten bei Pfunds entwickelt: im unteren Gehänge des Inntales 
bei Stuben und ebenso an den untersten Hängen beiderseits vom 
Eingang ins Radurscheltal und bis gegen Tösens hinab. In wechselnd 
guter Entfaltung sind sie am ganzen Nordufer bis gegen Ried (Frauns) 
zu sehen und nehmen mit abklingender Kristallinität auch die höheren 
Hänge und Teile der Seitenkämme ein, so am Kreuzjoch, Laderberg, 
Heuberg. Westlich vom Schalklbach sind sie schon bedeutend weniger 
kristallin. 

Bei den weniger metamorphen basalen Schiefern lassen sich 
dann undeutlich umgrenzte Bereiche herausheben, welche vorwiegend 
kalkiger Natur sind und nur sehr wenig Ton-, beziehungsweise 
Glimmerüberzüge und wenig oder keine Tonschieferlagen enthalten: 
Gutgebankte, dunkelgraue, nahezu dichte Kalke von sehr gleich- 
mäßiger Ausbildung, manchmal mit feinen weißen Kalzitflasern durch- 
woben, auf den Schichtflächen Glimmerüberstreuung ganz unbedeutend. 
Am deutlichsten ist diese Fazies in den Wänden ausgebildet, welche 
die Finstermünzer Straße von den Grünschiefern über Altfinstermünz 
angefangen bis zur Mündung des Labaunerbaches, also besonders in 
der Schlucht des Stillebachs anschneidet. 


!) Stache bezeichnet sie auf der Manuskriptkarte als „gneisartige Kalk- 
tonphyllite.* 


[23] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 465 


In anderen Zonen entfalten sich die Tonschiefer sehr stark 
und überwiegen gegenüber den geringen kalkigen Zwischenlagerungen. 
Es sind schwarze oder silbergrau glänzende Tonschiefer, beziehungs- 
weise halbphyllitische Schiefer, dort und da graphithaltige Lagen. 
Zwei solcher Zonen durchziehen z. B. die Nordabhänge des Roßkopfs 
und Ulrichkopfs gegenüber Stuben. Schließlich ergeben sich auch 
Zonen mit einer sehr lebhaften oftmaligen Wechsellagerung stärkerer 
kalkiger und tonigphyllitischer Züge, bei ungefähr gleicher Menge 
beider oder eher einem Uberwiegen der tonigphyllitischen Schiefer. 
Solche Zonen sind in der Prutzer Gegend häufig. 

Eine in den höheren Regionen des Nord- und Südschenkels 
weitverbreitete Ausbildung ist jene als dünntafelige Kalk- 
schiefer von hell- bis dunkelgrauer Farbe. Das Gestein zerfällt in 
klirrende, ebentafelige Scherben und ist meist nur wenig kristallin, 
mit feinsten Glimmerschüppchen auf den Flächen schwach bestreut; 
stellenweise von Kalzitadern durchzogen. Am Heuberg (Hint. u. Vord.) 
sind sie stark kristallin und erscheinen teilweise als dünntafelige 
Kalkglimmerschiefer. Halbkristallin ist der Komplex solcher Schiefer 
am Ulrichskopf. Am Kamm „In der Keil*-Blauwand treten ebenfalls 
ähnliche dunkelgraue Kalkschiefer auf, wechselnd mit gutgebankten 
grauen Kalken, beide schwach kristallin. Die Anwitterungsfarbe der 
Kalkschiefer ist oft gelblich oder schwach rötlich. 

Diese Kalkschiefer enthalten im allgemeinen keine ausgedehn- 
teren Züge jener schwarzen Tonschiefer wie die anderen kalkigen, 
basalen Schiefer, dagegen findet man am Ulrichskopf in ihnen 
mehrfach kleine Schmitzen von grünen, serizitisch - chloritischen, 
blätterigen Schiefern (05—1 m mächtig und von geringer Horizontal- 
erstreckung) sehr innig mit dem Kalkschiefer verbunden und ver- 
schliert. Quarzknauern stellenweise darin; an einzelnen Stellen beobach- 
tete ich einen intensiv grünen Anflug auf dem Schiefer wie Kupferlasur. 

In den Kalkschiefern am Kamm südlich der Blauwand treten 
in ähnlicher Weise ein paar kleine Lagen von lichtgraugrünem 
glattem Tonschiefer auf. 

Am „Blauen Talrücken“ zwischen Masnertal und Pfundser 
Ochsenberg liegt im Hangenden der grauen Bündner Schiefer 
ein Komplex von dünnbankigen, gelb anwitternden Kalkschiefern 
und dünnblättrigen Kalken mit knauerigen, quarzreichen Lagen und 
Linsen. In dieser Serie treten im Hangendsten auch wieder grünlich- 
graue kleine Tonschieferlagen auf, die zu größeren schwarzen Ton- 
schieferzügen an der oberen Grenze des Komplexes überleiten. 

Sehr oft sind die kalkigen grauen Schichten durch feine Quarz- 
beimengungen verunreinigt und gehen in dichte, beziehungsweise 
äußerst feinkörnige, dunkelgraue, quarzitische Kalke über. 

In einzelnen Zonen überwiegt dann der Quarzgehalt so, daß eine 
eigentliche quarzitischsandige Fazies auftritt. Dünnplattige, 
kalkigsandige Schiefer sind in diesen Zonen stark verbreitet, bräunlich- 
graue mit rostigen Punkten, mit zunehmendem Kalkgehalt reiner 
grau gefärbt, dann bräunliche, dichte, quarzitischkalkige Lagen, aus- 
nahmsweise ziegelrot verwitternd (Schmalzkopfgipfel). Ferner dick- 
bankige, hellgelbgraue Quarzite mit ähnlicher Anwitterungsfarbe und 

Jahrbuch d. k. k, geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer.) 60 


466 Wilhelm Hammer. [24] 


knaueriger, rauher Oberfläche, welche an älteren Verwitterungs- 
flächen sofort durch den an Urgebirgsblöcke erinnernden Flechten- 
überzug sich unterscheiden von den davon freien Kalkgesteinen. Sie 
brausen mit HCl nicht auf. Daneben dichte, hellgelbgraue, dünn- 
schieferige stärker kalkhaltige Lagen. Stets ist diese Serie von zahl- 
reichen Tonschieferlagen durchzogen: hellgraue oder schwarze Ton- 
schiefer, letztere oft mit metallischen Anlauffarben. Häufig beobachtet 
man eine vielfache Wechsellagerung feiner Lagen von schwarzen 
Tonschiefer mit weißlichen oder grünlichgrauen, sehr feinkörnigen 
bis dichten quarzitischen Lagen. Meistens sind diese Mischgesteine 
intensiv gefältelt und auch von Transversalschieferung durchsetzt. 
Die schwarzen Tonschieferzüge gehen zwischen Schmalzkopf und 
Ulrichskopf in grüne Tonschiefer über, welche dann den oben 
beschriebenen Tonschieferschmitzen vom Ulrichskopf gleichen. 

Diese Serie ist typisch am Schmalzkopf entfaltet und streicht 
von dort mit abnehmender Mächtigkeit zum Frudigerjoch und bis 
gegen Übersachsen. Gegen SW nimmt sie bei Nauders mehr kalkig- 
sandige Bänke mit vielen Tonschieferlagen auf (Norberthöhe). Eine 
ähnliche Fazies tritt im Kern der großen Antiklinale bei der Kobler- 
alm (Rauhes Eck, am Eingang ins Samnaum) auf und streicht über 
Kobl gegen das Stubental. 

Sehr reich entfaltet sich die quarzitische Fazies in der westlichen 
Fortsetzung der Naudererzone an dem Kamm vom Mondin zum Muttler 
und an dessen südlichen Seitenkämmen (Mot dellas Amblannas, 
Parai naira). 

Einen für die stratigraphische Orientierung verwendbaren 
Horizont bilden dann die im „Querschnitt“ (1911) als Tüpfel- 
schiefer eingeführten Gesteine: „Graue, dünntafelige Kalkschiefer, 
deren meist mit feinem Glimmerbelag bedeckte Flächen von kleinen 
(05—1 mm) schwärzlichen Tupfen, stellenweise bis zu kleinen Knötchen 
anschwellend, gleichmäßig dicht übersät sind. Im Dünnschliff ent- 
sprechen ihnen rundliche oder längliche dichte Ansammlungen aller- 
kleinster farbloser Nädelchen und Körnchen in dem Karbonat-Quarz- 
gemenge des Gesteins, welche vielleicht als unbestimmbare Reste 
von kleinen Organismen gedeutet werden können.“ 

Besonders deutlich und mächtig sind sie im Sockel der Stam- 
merspitze entwickelt und in der Fortsetzung derselben über den 
Muttler und den Kamm zwischen Sampuoir und Samnaun. An der Südseite 
des Stammer erreicht die gesammte Tüpfelschieferzone eine Mächtigkeit 
von etwa 400-500 m; den unteren Teil bildet eine Serie dünnblätteriger, 
kalkiger Tüpfelschiefer, darüber folgt eine Wechselfolge von sehr dünn- 
plattigen Kalkschiefern, dunkelgrauen, sandigkalkigen Schiefern und 
vielen Tonschieferlagen und einzelnen Bänken von Tüpfelkalk; die 
Tonschiefer nehmen noch oben überhand zur Bildung einer Zone von 
bleigrauen, feinblätterigen, phyllitischen Tonschiefern, welche eine 
geringe Verminderung der Steilheit des Gehänges verursacht; sie 
wird von einem geschlossenen niederen Wandgürtel überragt; am 
Fuße desselben steht eine etwa 3 dm starke Bank einer Breccie an 
mit sehr lichtgrauem äußerst feinkörnigem Zement und grauen kalkigen 
Einschlüssen von wenigen Millimetern Größe. Außerdem schaltete sich 


[25] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 467 


hier am Fuße der Wandstufe ein schieferigflaseriges, feinquarzitisches 
Gestein ein von hellgrüner, seltener rötlicher Färbung, welches auf der 
Südseite in einzelnen linsenförmigen Anschwellungen, auf der Nord- 
seite in drei ausgedehnten, durch Tonschiefer getrennten Lagen 
übereinander auftritt. Den Wandgürtel selbst bilden wieder Tüpfel- 
kalke, in lebhaftem Wechsel mit feinblätterigen Tonschiefern. Diese 
obersten Lagen der Tüpfelkalke erscheinen auch auf der Nordseite 
wieder an gleicher Stelle und bilden den oberen Abschluß der 
ganzen Serie. 

Dünnschliffe der genannten Breccie zeigen ein sehr feinkörniges 
Zement von Quarzkörnchen und in diesem schwimmend eckige oder 
etwas gerundete Fragmente eines dichten Kalkes, welcher stets in 
großer Zahl deutliche Radiolarien enthält. Die Kalkfragmente sind 
umrindet von großen neugebildeten Kalziten und auch in dem Quarz- 
zement treten einzelne Kalzitrhomboeder auf. (Siehe Tafel XXIII) 
Das Quarzzement der Breccie ist vollkommen gleich im Schliff mit 
dem hellgrünen, feinquarzitischen Gestein und in Schliffen 
des letzteren (von der Nordseite des Stammer) treten auch noch 
einzelne flachgedrückte Kalklinsen in dem quarzitischen Aggregat auf, 
welche einen Kern von dichtem Kalk mit einzelnen Radiolarien 
und eine Kalzitrinde besitzen. Untersucht man aber die Tüpfel- 
schiefer und Tüpfelkalke selbst, so erkennt man auch hier die 
gleiche Struktur wieder: die feinquarzkörnige Grundmasse, in 
beträchtlich geringerer Menge als in den genannten Gesteinen umzieht 
kalkige Linsen, bestehend aus dem Tüpfel, d. h, der dunklen, oft 
eckigen, scharf umgrenzten !) Anhäufung feinster Körnchen, unter 
welchen man in Anlehnung an die Beobachtungen in den obigen Ge- 
steinen selten einmal noch rundliche Körperchen als Radiolarien an- 
sprechen kann und einem großen nach der Schieferung gestreckten 
Hof von neugebildetem Kalzit. Auch die einzelnen Kalzite in der 
Quarzgrundmasse fehlen nicht. (Siehe Tafel XXIH.) 

Man kann eine vollständige Ubergangsreihe von der 
Breccie mit radiolarienhältigen Kalken bis zu den 
typischen Tüpfelschiefern aufstellen. Die feinen Körnchen, 
aus deren Anhäufung die Tüpfel bestehen, können als die letzten, nicht 
mehr umgewandelten oder fortgeführten Teile der Radiolarienskelette 
erklärt werden. l 

Vom Samnaun gegen Osten zu werden die Tüpfeschiefer 
stärker kristallinisch und damit schwerer erkennbar; es ergeben sich 
weiße, gelblichweiße oder hellgraue, dünntafelige Kalkschiefer, seltener 
auch dickere Kalkbänke dieser Art, welche auf den Schichtflächen 
und im Querbruch dort und da noch die Tüpfel hervortreten lassen. 
Doch ist auch bei diesen im Dünnschliff noch jene Struktur erkenn- 
bar. Die Umkristallisation des Kalks hat hier auch den Kern der 
Kalkfragmente ergriffen. Die neugebildeten Kalzite ordnen sich der 
Kristallisationsschieferung entsprechend; das feine Aggregat des stark 
zurücktretenden Quarzzementes ist auch oft zu größeren Körnern, um- 


!) Auch makroskopisch sind Bänke mit eckigen Tüpfeln nicht selten, z. B. 
an der Westseite des Piz Arina. 
60* 


468 Wilhelm Hammer. . [26] 


kristallisiert, die Tüpfel selbst sind noch durch jene Skelettreste 
erhalten, ohne die Umrisse wesentlich geändert zu haben). Makros- 
kopisch ist bei diesen die Auseinanderhaltung von den Kalkglimmer- 
schiefern mit kleinen glimmerigtonigen Schüppchen oft schwer. 

Im Gebiet Spiß—Stubental sind die Tüpfelschiefer schon stark 
umkristallisiert. Sie verteilen sich auch hier auf einen Komplex von 
ein paar hundert Meter Mächtigkeit, bestehend aus Kalkglimmer- 
schiefern mit fleckigem Tonbelag, einzelnen wenig mächtigen Ton- 
schieferlagen, beziehungsweise phyllitischen Schiefern, und auch von 
weniger kristallinen Kalkschiefern. Die Tüpfel treten am deutlichsten 
in tonreicheren, dünnschiefrigen Lagen hervor, seltener in diekeren 
Kalkbänken. Vom östlichen Ast des Stubentals (Kadratschtal) an hat 
die Umwandlung fast alle Spuren der Tüpfelung zerstört und nur 
vereinzelte Bänke sind in der Fortsetzung der Zone noch zu finden, so 
am Tschupbach, bei der Morrlealm und am Südabhang von Gallmötz. 

Deutlich als eine Zone von ein paar hundert Meter Mächtigkeit 
erscheinen sie bei Wegfall der starken Umkristallisierung im Süd- 
schenkel der Hauptsattelung zwischen Tösner- und Stafelleralm, 
und zwar wieder in der Weise, daß einzelne Lagen von Tüpfelkalk- 
schiefern eingeschaltet sird in einer Reihe von grauen Kalkschiefern 
mit zahlreichen Zwischenlagen von schwarzen oder hellgrauen 
Tonschiefern. Undeutlicher ist schon die Fortsetzung dieses Zuges 
am Malzkopf (Platzertal). Weiter gegen SO ist im Saderergraben 
noch ein vereinzeltes deutliches Vorkommen beobachtet worden und 
ein paar lithologisch nicht ganz sichere am Roßkopf, an der Flucht- 
wand und bei Parditsch, deren Zugehörigkeit zu einer solchen Zone 
durch die Gleichheit des Horizonts, in welchem diese Spuren auf- 
treten, wahrscheinlich gemacht wird. 


Von besonderer Bedeutung für die Gliederung und Altersbe- 
stimmung sind die Brecceien, welche in den grauen Bündnerschiefern 
vielfach auftreten. 

Es lassen sich zwei Arten derselben unterscheiden : quarzreiche 
Breccien und kalkige, beziehungsweise dolomitische Breccien. 

Die Quarzbrececien sind deutlich geschieferte, kleinkörnige 
Gesteine von grauer Farbe mit bräunlicher, rauher, oft von Flechten 
bezogener Verwitterungsfläche und zeigen in einer äußerst feinkörnigen, 
dichten, sandigen, grauen Grundmasse sehr zahlreiche Einschlüsse 
von rundlichen, weißlichen Quarzkörnern von 1—4 mm Durchmesser. 
Kleine Muskovitschüppchen sind reichlich im Gestein der Schieferung 
parallel verteilt. Außerdem beobachtet man in geringer Menge eckige 
ockergelbe Fragmente eines kalkigdolomitischen, dichten Gesteins, 
ebenfalls von wenigen mm Breite, in manchen Lagen auch Blättchen 
von Tonschiefer in größerer Anzahl. Im Dünnschliff (siehe Tafel XXI) 
erweist sich auch die völlig umkristallisierte Grundmasse als sehr 
quarzreich. Die Einschlüsse sind große Quarze und Quarzaggre- 


!) Sander beschreibt einen analogen Fall von „aufzehrender Neukristalli- 
sation des Karbonats“ an Fragmenten von Dolomit in einem Mylonit (Quarz- 
serizitgrauwacke) aus den westlichen Tauern. (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1912, 
S. 232.) 


[27] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 469 
» 

gate, sehr selten Quarzfeldspataggregate, selten auch einzelne Feldspate 
und größere Glimmerblättchen. Die Karbonatgesteinseinschlüsse sind 
ein sehr kleinkörniges, reines Karbonatgestein, meist mit einer rostigen 
Rinde; dort und da auch einzelne größere Karbonatrhomboeder mit 
einer solchen Rostrinde. Die Grundmasse besteht aus Quarz, Kalzit 
und Muskovit. 

Durch Abnahme der Größe und Zahl der Einschlüsse gehen sie 
in graue, sandigkalkigglimmerige Schiefer über, welche in beträcht- 
licher Mächtigkeit die stets geringe Dicke erreichenden eigentlichen 
Breccienbänke begleiten. Bei geringer Metamorphose erscheinen sie 
als schiefrige, kalkige, feine Sandsteine. 

Die Breccien kalkiger Natur besitzen eine fast rein 
kalkige Grundmasse. Sie ist makroskopisch dicht und dunkelgrau. Im 
Dünnschliff (siehe Tafel XXIII) erscheint sie stets kristallinisch, oft 
mit deutlicher Kristallisationsschieferung. Selten ist sie auch makros- 
kopisch kristallinisch. Ein Beispiel dieser Art ist der obere Breccien- 
horizont am Gamsblaiskopf, welcher als weißlicher, grobkristalliner 
Kalkgiimmerschiefer mit reichlicher Ausbildung von Muskovit erscheint, 
in dem ziemlich zahlreich kleine Bröckelchen des gelben Dolomits 
eingebettet sind, ferner jene im Fernertobel (dunkelgrau). In jener 
dunkelgrauen Kalkgrundmasse sind in großer Zahl, aber doch so, daß 
sie immer noch einzeln in der Grundmasse schweben, kleine, eckige 
Bröckelchen eines gelbanwitternden Dolomits oder dolomitischen Kalkes 
eingebettet. Wo der Dolomit nicht gelblich angewittert ist, entschwindet 
er leicht dem Auge. Beimengungen von Quarz sind selten oder fehlen 
ganz. Nur ausnahmsweise erreichen die eingeschlossenen Fragmente 
eine bedeutende Größe, wie z. B. in einer Breccie östlich des Saderer- 
jochs, am Abhang des Schmalzkopf, wo lagenweise längliche, eckige 
Fragmente desselben gelben dolomitischen Kalkes bis zu 2cm Länge 
parallel der Schichtung eingeschlossen sind. 

Anderseits kann die Größe der Einschlüsse zur mikroskopischen 
Kleinheit herabsinken: Gesteine, welche makroskopisch als graue 
feinkörnige Kalke oder Kalkschiefer erscheinen, im Schliffe aber in 
der kalzitischquarzigen Gesteinsmasse massenhaft kleinste Fragmente 
des gleichen dichten Karbonatgesteins enthalten wie die grobkörnigen. 
Solche Bänke kommen sowohl in den basalen als auch in höheren 
Lagen vor, z. B. in der Schlucht des Val sinestra, bei Spiß, am 
Fließer Berg u. a. O. 

In den makroskopisch als solche erkennbaren Breccien sind als 
ein sehr charakterischer Bestandteil einzelne weiße Gimmerblättchen 
von 1—3 mm Durchmesser oder kleine Nester gleicher Blättchen 
gleichmäßig verstreut. Häufig beobachtet man, daß dieselben alle 
parallel stengelartig in die Länge gezogen sind, wohl als Folge einer 
Streckung des Gesteins. Auch die gelben Fragmente zeigen in solchen 
Fällen manchmal eine parallele Anordnung und Streckung. 

Diese Glimmerblättchen dürften nicht durch Metamorphose ent- 
standen, sondern primäre Einschwemmungen sein, da ihre Anwesenheit 
unabhängig vom Grad der Metamorphose des ganzen Gesteins ist. 

Die Breccien sind in der Regel dickbankig, oft mit lagenweiser 
Verschiedenheit des Materiales, wobei die einzelnen Bänke oft eine 


470 Wilhelm Hammer. [28] 


mehr oder weniger ausgeprägte Paralleltextur besitzen können. Stark 
schiefrige Partien zeigen auf den Schieferungsflächen einen phyllit- 
ähnlichen Glimmer-(Serizit-)belag oder größere Glimmerflasern. 

Breccien obiger Art enthalten nun auch kleine schwarze Cri- 
noidenstielglieder, deren Gitterstruktur im Dünnschliff oft noch 
deutlich zu sehen ist; Durchmesser 1 mm. Mit dem stärkeren Auf- 
treten derselben nimmt nun meistens der brecciöse Charakter des 
Gesteins ab, die Zahl der Dolomitbröckelchen sinkt mit steigender 
Menge der Crinoidenstielglieder und es ergeben sich alle Übergänge 
zu Crinoidenkalken welche dann oft dicht erfüllt sind von 
schwarzen Stielgliedern: dunkelgraue, schwärzliche, dickbankige, dichte, 
feste Kalke mit helleren Anwitterungsflächen, auf welchen die Stiel- 
glieder auswittern. Auch die Glimmerblättchen treten in diesen 
Kalken schließlich ganz zurück. Im Dünnschliff ist oft noch eine feine 
Schieferung oder Flaserung des Gesteins zu beobachten, wobei die 
Stielglieder augenartig in die Flasern eingebettet sind. Meistens ist 
das Gestein rein kalkig, sonst mit geringer Quarzbeimengung und etwas 
Glimmer. 

Auch in manchen Breccienlagen, welche makroskopisch keine 
Stielglieder mehr erkennen lassen und zu den oben beschriebenen 
kalkigen Breccien gehören, sind im Schliff noch besonders große, oft 
ungenau rundlich umgrenzte Kalkspatindividuen in die feinkörnige 
Gesteinsmasse eingebettet, welche auf Grund von Übergangsformen 
auf Crinoidenstielglieder zurückgeführt werden können, 

In kalkigen Breccien, welche noch ziemlich viel gelbe Dolomit- 
einschlüsse, weiße Glimmerblättchen und Crinoidenstielglieder _ent- 
halten, und dabei eine wenig oder gar nicht umgewandelte Grund- 
masse von rein kalkiger oder mit Quarz untermischter Zusammen- 
setzung, sind im Dünnschliffe zahlreiche wohl erhaltene Foramini- 
feren und darunter auch Orbitulinen (Orbitulina lenticularis) zu 
finden, außerdem eine Diplopore, welehe von Paulcke als Diplopora 
Mühlbergi bestimmt wurde. Derartige Breccien sind besonders im 
Gebiet des Fimbertales und des Tasnastockes zu finden und weiter 
gegen Osten hin noch auf der Alp bella. Von hier an ostwärts sind 
aber durch die Umkristallisation die organischen Strukturen zerstört 
worden mit Ausnahme der Crinoidenstielglieder. Am Südrand, wo die 
Crinoidenbreccien eine weite Verbreitung finden, gelang es südlich 
des Sadererjochs noch eine Bank aufzufinden mit deutlichen Fora- 
miniferen (Textularien, Milioliden u. a. aber keine Orbitulinen). In stark 
verdrückter Form auch noch in Proben vom Valribach (Nauders). Ein- 
zelne Schlifiproben aus der Crinoidenkalkzone von Riatsch enthielten 
Diploporenähnliche Reste. 

In der Zone von Nauders ins Radurscheltal vergesellschaften sich 
die Crinoidenkalke und Breceien mit der quarzitischen Fazies, indem 
Bänke der ersteren mit Quarziten und Tonschieferlagen wechsellagern. 
Dabei entwickeln sich auch quarzitisch-kalkige, dichte, dunkel- 
graue Bänke mit Crinoidenstielgliedern. Im weiteren Verlaufe gegen 
NO ist diese Geisteinsgruppe bei geringerer Menge von Quarziten 
auch noch zwischen Radurschel- und Tösnertal in der gleichen Zone 
zu sehen und auf der Fendleralm. 


[29] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 471 


Zu dieser langen Reihe sedimentogener Gesteinsarten kommen 
als ein weiterer Bestandteil der Serie der grauen Bündnerschiefer 
noch Einlagerungen eruptiver Natur in Gestalt von Diabas- 
decken, welche als Ergüsse zwischen die Sedimente eingeschaltet 
sind. Sie erscheinen, wie aus der Tabelle auf Tafel XXI ersichtlich, 
bereits in den tiefsten Teilen der Schichtfolge (Finstermünz) in be- 
trächtlicher Entfaltung; die Diabasmasse des Mondin erreicht eine 
Mächtigkeit von mindestens 300 m. Die Bündnerschiefer unterlagern 
den Mondindiabas einerseits in flacher Wölbung, wie im Fernertobel 
schön zu sehen ist, ebenso klar aber ist auch die konkordante mantel- 
förmige Überlagerung durch solche am Signalgipfel und der Westseite 
des Massivs zu sehen !). Ein zweitesmal entfalten sich die Diabas- 
lager besonders in dem hangendsten Teil des Südprofils. 


Es wurde bereits im „Querschnitt“ auf die Umstände hinge- 
wiesen, welche für die Ergußnatur dieser großen Lager sprechen und 
daneben das Vorkommen von Diabasgängen genannt. Grubenmann 
hat aus den Analysen beider nach dem Chemismus einen eigenen 
Diabastypus „Unterengadin“ aufgestellt. 

Nach den Angaben von Dyrenfurth steht die Diabas-Spilit- 
masse von Aschera-Muntana durch allmählichen Übergang in Zusammen- 
hang mit dem Serpentin von Tarasp-Clemgia.. Wenn auch ein 
Weitergreifen des Serpentinisierungsvorganges vom Serpentin auf den 
Diabas angenommen werden kann, so ist doch die Hauptmasse des 
ersteren aus einem anderen Ursprungsgestein hervorgegangen (nach 
Grubenmann aus einem feldspatfreien Olivinpyroxengestein). 
Zwischen beiden besteht aber ein für die Altersfrage bedeutsamer 
Unterschied darin, daß der Diabas bereits zum großen Teil ge- 
schiefert und in Grünschiefer übergeführt ist, während der Serpentin 
keine analoge Umbildung erfahren hat. Dies hat er mit den Gabbro- 
intrusionen (Clemgia, Flimspitz) gemein, welche ebenfalls keine der- 
artige Verschieferung (Durchbewegung und Umkristallisation) erfahren 
haben und demnach wahrscheinlich jüngeren Alters sind. Gruben- 
mann faßt Peridotit (Serpentin) und Gabbro als Differentiationen eines 
Magmas bzw. ersteren als Abspaltungen von letzterem auf. 


!) Zufolge neuer genauer Kartierung sind die im „Querschnitt* über die 
Lagerung des Diabases an der Südseite des Mondin gemachten Angaben in 
folgendem zu berichtigen: An der Costa bella fällt der Diabas nicht unter die 
Bündnerschiefer ein, sondern hier wie am Mot Mondin liegt Diabas auf den 
Bündnerschiefern. Am Mot Mondin sieht man, daß es sich um eine höhere Lager- 
masse handelt, welche an dem Sattel zwischen Mot Mondin und dem Mondin- 
kamm durch ein Zone von Bündnerschiefer (darunter auch Tüpfelkalk) von der 
Hauptmasse getrennt ist; die letztere fällt unter diese Bündnerschieferzone ein. Am 
Südabfall des Mot Mondin ist an dessen Westseite sehr wahrscheinlich das aus- 
keilende Ende dieses höheren Lagers aufgeschlossen, zwischen dem flachfallenden 
Bündnerschiefer im Liegenden und steil am Diabas sich aufrichtenden Schiefern 
des Südkammes als Hangendes,. Am Mot Mondin und an der Costa bella sind 
diese höheren Diabaslager muldenförmig mit NW-Streichen eingebogen. 

An der Westseite des Mondinkammes ist die Überdachung des Diabases 
durch Bündnerschiefer sehr schön zu sehen; ein kleines Erosionsfenster läßt den 
Diabas in einem der obersten Talwinkel von Val Sampuoir unter dem Cuolmen 
d’alp nochmals aus dem Schiefermantel hervorschauen. 


472 Wilhelm Hammer. j [30] 


Serpentin und Diabas-Spilit des Zuges Tarasp-Aschera können 
nicht einfach als Differentiationen eines Intrusivkörpers äAufgefaßt 
werden, sondern sind wahrscheinlich aus zwei verschiedenaltrigen 
Teilen zusammengeschweißt. 

Der Serpentin ist, seinen Kontaktwirkungen nach zu schließen 
(Marmorisierung angrenzender kalkiger Bündnerschiefer, Ophikalzit), 
intrusiv; auf die anschließende Diabas-Spilitmasse von Aschera läßt 
sich dies nicht unmittelbar übertragen. Es ist immerhin bemerkens- 
wert, daß die Bündnerschiefer im Osten vom Serpentin „scharf dis- 
kordant abgeschnitten werden“ (Dyrenfurth), während sie am 
Muntanakamm — ganz ähnlich wie am Mondin — gewölbeförmig und 
konkordant die Diabas-Spilitmasse ummanteln. 

Auch bei dem Serpentin von Nauders (Schwarzsee) läßt sich in 
sehr beschränktem Ausmaß eine Marmorisierung angrenzender Kalk- 
bänke und Einschlüsse von Serpentin in denselben beobachten. 


b) Faziesverteilung und Schichtfolge. 


Die verschiedenen sedimentären Fazies der grauen Bündner- 
schiefer sind durch Übergänge im Streichen und quer zum Streichen 
miteinander verbunden. Die Verbreitung der durch die Metamorphose 
bedingten sekundären Gesteinsiazies ist durch die oben angeführte 
Richtung der Zunahme der Kristallinität bedingt. 

Die Aufstellung einer Reihenfolge der primären Sedimentarten 
wird in ihrer Verwendbarkeit als Altersschichtfolge dadurch einge- 
schränkt, daß keine Sicherheit darüber besteht, ob und wo Wieder- 
holungen oder Umkehrungen der Schichtfolge infolge von Faltung 
oder Schuppung vorliegen. Faltenumbiegungen sind allerdings nirgends 
in diesem Komplex zu sehen (abgesehen natürlich von der sehr ver- 
breiteten Kleinfaltung, die hier nicht von Einfluß ist), Schuppungen 
können mindestens in den oberen Teilen des Komplexes sehr wohl vor- 
handen sein, nach Analogie der Struktur der Randzonen. Dagegen 
spricht nur der stetige Ubergang der Schichten ineinander, gegen- 
über den deutlich voneinder abgegrenzten Schichtzügen der Randzonen. 

In der beigegebenen Tabelle (Tafel XXI) wurde der Versuch 
unternommen, die größeren Schichtzüge und gewisse petrographisch 
gekennzeichnete Horizonte im Nord- und Südschenkel der großen 
Wölbung miteinander in Verbindung zu bringen in Hinsicht auf die 
Einordnung in der heutigen Schichtfolge 1). Als Ausgangspunkt wurde 
anfänglich das Profil vom Kern gegen den Südrand bei Nauders- 
Schmalzkopf gewählt und in dieses die streichende Fortsetzung der 
einzelnen Zonen des Südschenkels eingeordnet. Die Untersuchung der 
Mondin-Muttlergruppe — am Schlusse der Aufnahmen im Bündner- 
schiefergebiet — ermöglichte es dann infolge des Absteigens der 


F !) Der Raum, den die einzelnen Züge in der Tabelle einnehmen, soll keines- 
wegs eine Darstellung ihres wirklichen Mächtigkeitsverhältnisses sein ; petrographisch 
gut verfolgbare Horizonte von ganz geringer Mächtigkeit treten daher hier mehr 
hervor als große, aber straiigraphisch schlecht verwendbare Folgen indifferenter 
Kalk- und Tonschiefer. 


[31] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 473 


Mondinwölbung gegen SW, einzelnen Horizonten vom Südschenkel in 
den Nordschenkel hinüber zu folgen und so eine Parallele der beider- 
seitigen”Profile einzuleiten. 

Für die tieferen Teile des Systems bieten die Grünschiefer 
einen Anhalt. Jene des Mondin bilden den Scheitel der Wölbung 
und ziehen sich tief in das Nordprofil hinab; anderseits können sie 
den Grünschiefern der Finstermünz in der stratigraphischen Höhen- 
lage gleichgestellt werden. Sie hängen zwar nicht unmittelbar zu- 
sammen, die Schichtbänke im Liegenden leiten aber direkt von den 
einen zu den anderen über. 

Die quarzitische Zone im Kern der Antiklinale ist nur vom 
unteren Samnauntal bis zur Schlucht des Stubentales aufgeschlossen 
und verschwindet beiderseits unter den kalkigen Zonen, welche sie 
an der Ostseite des Schalklkopfs und am Laderberg überdecken. 

Für die oberen Teile bieten die Tüpfelschiefer und die 'Breccien 
sowie die obere quarzitische Zone gute Richtlinien. 

Die auarzitische Fazies (diekbankige Quarzite und quarzitische 
Kalke, kalkig-sandige Schiefer, Tonschiefer). ist besonders ausgedehnt 
entfaltet an dem Süd- und ÖOstgrat des Muttler, durch starke 
Stauchfaltungen zu ungewöhnlicher Mächtigkeit aufgestappelt. Sie läßt 
sich in schwächerer Entwicklung durch das Gehänge ober Schleins 
hin verfolgen, hinab gegen den Inn, jenseits dessen sie dann bei 
starkem Zurücktreten der Quarzite gegenüber kalkig-sandigen Schiefern 
_ und Tonschiefern den Sattel bei Norberthöhe überschreiten und ober 
Nauders sich zum Schmalzkopf fortsetzen, wo wieder die Quarzite 
stark hervortreten. Gegen NÖ setzt sie sich einerseits an der Nord- 
seite des Ulrichskopf ins Radurscheltal fort, streicht dann längs dem 
Frudigerjoch hin und ist noch bei Ubersachsen, am Ausgang des 
Tösnertales festzustellen; anderseits schiebt sich über der sehr ver- 
schmälerten Quarzitzone eine starke Folge von grauen Kalkschiefern 
am Ulrichskopf ein, über denen im Saderergraben nochmals 
quarzitische Gesteine liegen; letztere verlieren sich gegen NO, bzw. 
setzen sich nur als Teilglieder der Bündnerkreidezone des Südrandes 
fort. Auch westlich von Nauders, inntalaufwärts bis Remüs, sind die 
quarzitische Zone und die Bündnerkreidezone des Südrandes noeh 
durch eine Zone von Kalkschiefern getrennt. Anderseits tritt auch 
im Südgehänge des Piz Mondin ein analoger Fazieswechsel ein, inso- 
fern die unmittelbar den Mondindiabas überlagernden Quarzite etc. 
nordöstlich von Cuolmen d’alp und ebenso die ähnlichen Gesteine 
des Piz Malmurainza am Südgehänge der Bergkette (Blaisch del 
painch, Plan d’ors usw.) in einförmige Kalkschiefer übergehen. Am 
Schmalzkopf erreichen die Quarzite also ein Maximum, indem sie 
nach oben bis zur südlichen Randzone und auch noch tiefer als zu 
beiden Seiten übergreifen, ebenso setzt am Mondin diese Fazies 
schon besonders tief ein. Das Verbindungsglied der ganzen Fazies- 
zone bilden im Raume Schmalzkopf-Muttler hauptsächlich die starken 
Tonschieferzüge, welche vom Südkamm des Muttler über Schleins 
(Tea nova), die Norberthöhe und das Labaunertal bis zum Schmalz- 
kopf sich durchgehends verfolgen lassen. Weiterhin nach NO verlieren 
sie sich gänzlich. 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer.) 61 


474 Wilhelm Hammer. [32] 


Die Zone der Quarzite überschreitet am Kamm Muttler-Mondin 
den Scheitel der Wölbung und streicht im Nordschenkel nach Val 
Sampuoir hinab. Die Quarzite machen hier immer mehr sandig- 
kalkigen Schiefern Platz, deren Ausstreichen sich dann über Spisser- 
mühl, Spiß, das Kreuzjoch und den Hahntenn bis ins Stubental ver- 
folgen läßt. 


In diesem Teil wird die hier sonst wenig auffällige Zone deut- 
licher durch die Einlagerung von Quarzbreccien, welche über die 
ganze Erstreckung vom Hahntenn bis Val Sampuoir zu verfolgen sind. 
Im oberen Teil dieses Tals treten an ihrer Stelle kalkige Breccien 
genau vom Habitus der Bündnerkreide (Alp bella ete.) im selben Zuge 
auf (Munt da Sterls und rechtes Talgehänge bis Plan god nair) und am 
Grat Muttler-Mondin und dessen Südauslegern sind an zahlreichen 
Stellen Bänke feiner und gröberer kalkiger Breccien von ähnlichem 
Typus den quarzitischen Gesteinen zwischengeschaltet (Cuolmen d’alp, 
Saletzjoch 1], Amblannas, Muttler-Ostgrat, Parai naira). In jener am 
Kamm des Parai naira sind selten auch kleine schwarze Crinoiden- 
stielglieder zu erkennen. In der tirolischen Fortsetzung sind sie 
seltener; hierher zu stellen ist eine solche Breceienbank an der Nord- 
seite des Schmalzkopfes. 


Der Zug der Quarzbreccien und Quarzite ete. wird im Nord- 
schenkel von einer ebenfalls weithin beständigen Gesteinszone über- 
lagert: nämlich jener Zone von Tüpfelschiefern, welche zusammen- . 
hängend vom Stubental (Kadratschtal) über Kreuzjoch-Spiß bis zum 
Muttler — dessen Spitze aus ihnen besteht — und unter der 
Stammerspitze durch ins Val sinestra zieht. 


Der N fallenden Tüpfelschieferfolge am Stammer entsprechen 
im Val sinestra im Südflügel die Tüpfelkalke und Schiefer, welche an 
der Westseite des Piz Arina von der Alpe Pradatsch bis Manas 
hin ausstreichen. Ihre Mächtigkeit ist eine wesentlich geringere 
als jene am Stammer und Muttler. Sie werden neuerlich von einer 
Serie quarzreicher Schichten überlagert, welche als sandige Schiefer 
und als quarzreiche Brecceien besonders am Piz Arina stark entwickelt 
sind, sich aber noch weiter über Plaiazan und an den Gehängen ober 
Schleins hin bis Pragrond verfolgen lassen und hier vielfach noch 
von einzelnen Tüpfelschieferlagen von geringer Mächtigkeit und oft 
wenig deutlicher Ausprägung begleitet sind; demselben Niveau ent- 
sprieht östlich des Inn dann noch die quarzreiche Breccie am 
Lochschrofen (Landesgrenze); weiter läßt sich die Zone nicht. ver- 
folgen. Eine etwas höhere Lage im Schichtsystem dürfte den weiter 
nordöstlich im Südschenkel gefundenen Tüpfelschiefervorkommen 
zukommen, jenes im Saderergraben, besonders aber die stärker ent- 
falteten Tüpfelschiefer des Tösnertales (Malzkopf, Stafelleralm). 

Die im Nordschenkel nordöstlich des Stubentals noch ge- 
fundenen vereinzelten Vorkommen von Morrlealm, Tschupbach, Gal- 
mötz dürften ziemlich genau in den gleichen Horizont fallen wie die 
Hauptzone (Stubental etec.). 


!) Hier neben kalkigen auch eine Bank von Quarzbreccien. 


[33] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 475 


Bei dem Mangel des Zusammenhanges der verschiedenen kleinen 
Vorkommen kann im Südflügel von einer Haupttüpfelschieferzone 
nicht gesprochen werden; sie verteilen sich über verschiedene Niveaus. 
Auch im Nordflügel liegen außerhalb der Hauptzone noch die Tüpfel- 
schiefer am Ostgrat des Schalkkopfes, nahe unter der Basis des 
Mondin-Diabas und eine Bank von Tüpfelschieferkalk, in dem schmalen 
Bündnerschieferlager, welches den Diabas des Mot Mondin unter- 
lagert und von der Hauptmasse des Mondin-Diabas abtrennt. Diese 
beiden sind die stratigrapbisch tiefstliegenden Vorkommen solcher 
Schiefer. Solche treten also zwar in sehr verschiedenen Höhenlagen 
auf, bilden aber in ihrer Hauptzone (Stubental— Stammer—-Arina) 
einen guten Leithorizont. 

Es wurde bereits im Vorhergehenden auf verschiedene Brec- 
cien, als der dritten der stratigraphisch besonders verwendbaren 
Gesteinsarten hingewiesen. 

Sie sind im tieferen Teil mehr sporadisch verteilt und erreichen 
ihre Hauptentfaltung in den oberen Zonen. 

In den basalen Regionen sind an verschiedenen Orten kleine, 
wenig ausgedehnte Lager von kalkigen Breccien eingeschaltet, 
welche sich nur teilweise durch eine stärkere Kristallinität von den 
erinoidenfreien Bänken der hangenden Breccienzonen unterscheiden. 

Das tiefste bisher bekannt gewordene Vorkommen steht an der 
linken Seite des Fernertobels am Quersteig in 2200 m Höhe, noch 
ungefähr 500 m unter der Basis der hier flachliegenden Diabasdecke 
des Schalklkopf-Mondin an und kommt etwas höher oben auf dem 
Ostgrat des Schalklkopfes wieder zum Vorschein. Unmittelbar über 
dem Mondin-Diabas in den Hängen der Ruina cotschna gegen 
Sampuoir stehen Bänke an, welche man makroskopisch für Crinoiden- 
kalke ansehen möchte, nach der Schliffuntersuchung scheint es sich 
aber eher um Tüpfelkalke zu handeln, also die untersten Lagen der 
großen Tüpfelschieferzone Muttler—Spiß. 

Höher als die Fernertobelbreccie, nämlich zwischen den Grün- 
schieferlagern der Finstermünz, steckt eine Linse kalkiger Breccie in 
den Felsgehängen an der Nordwestseite der Fluchtwand und ebenso 
wird das dritte Grünschieferniveau, jenes am Stillebach (oberhalb der 
Mündung des Labaunerbaches) von einem nahe benachbarten Breccien- 
vorkommen am Abhange des Seleskopfes begleitet. Dieses letztere 
enthält bereits Spuren von Crinoidenstielgliedern. 

Hier wären weiter dann die schon erwähnten zahlreichen, aber 
auch stets einzeln gestellten und gering mächtigen kalkigen Breccien 
in der Quarzitzone aufzuführen. 

Über dem unteren Teilzug der quarzitischen Zone im Süd- 
schenkel liegen die gleichgearteten kalkigen Breccien, welche den 
Breithaslachgraben (zwischen Tösner- und Stalanzertal) durchqueren. 
Uber ihnen lagern die Tüpfelschiefer der Stafelleralm und erst über 
diesen reihen sich dann die Crinoidenkalke und Breceien des Süd- 
randes ein. 

Die Zone von Crinoidenkalken und Breccien, welche den Süd- 
rand vom Kaunertal bis zur Iaandesgrenze und noch weiterhin ins 
Unterengadin begleitet, bildet ähnlich wie die Tüpfelschieferzone einen 

61* 


476 Wilhelm Hammer. f [54] 


stellenweise mehrere hundert Meter mächtigen Schichtzug, in dem 
neben verschiedenen Kalkschiefern, Tonschiefern, Quarziten und quar- 
zitischen Kalken jene crinoidenführenden Gesteine in einzelnen weit- 
hinstreichenden Lagern eingeschaltet sind. 

Dazu kommen im Nauderer Gebiet dann noch Einschaltungen 
bedeutender diabasischer Lager. 

Die Einordnung der crinoidenführenden Gesteinslager ist keine 
sleichbleibende. In dem mehrere hundert Meter mächtigen Komplex 
Schmalzkopf—Sadererjoch—Suntawa liegen zu unterst die 
mächtigen Quarzite und Tonschiefer des Schmalzkopfes, darüber ein 
paar schmächtige Breceienzüge wechselnd mit Quarzit, dann sandig- 
kalkige Schiefer; Diabas; dann Crinoidenkalk und Breceie; Diabas; 
Kalkschiefer; Diabas und zu oberst wieder kalkig-sandige Schichten 
und Tonschiefer. 

In den Felswänden südlich ober den Pfundser Tschey- 
wiesen folgen über den untersten wenigen und sehr feinkörnigen 
Breccienbänken quarzitische Kalke, dann eine Menge von Kalk- 
schiefern und Kalken, dann wieder ein Zug von Crinoidenkalken mit 
Breccie und darüber eine mächtige Folge von Tonschiefern und 
Quarziten mit einzelnen Crinoidenkalkbänken oder Brecceienbänken 
und im Hangenden abermals Kalkschiefer. Die ganze Folge ist etwa 
500 m mächtig. 

In der Strecke von der Bergleralm (Tösnertal) bis zur Stalanzer- 
alm ist die Zone der Crinoidenkalke, welche hier durch einen Zug 
von bunten Schiefern von den tieferen Teilen der grauen Bündner- 
schiefer abgetrennt ist, nur als schmaler Saum und ohne deutliche 
Crinoidenkalke etc. entwickelt und nur dunkelgraue dichte, blaugrau 
anwitternde Kalke lassen als charakteristische Vertreter diese Zone 
die Fortsetzung jener sehr wahrscheinlich machen. Von der Stalanzer- 
alm nordöstlich setzen dann wieder typische crinoidenhaltige Bänke 
ein. An der Nordseite des Schlanderskopfes gegen die Fendler- 
alm liegt über den bunten Schiefern zunächst Quarzit, gleich denen 
vom Schmalzkopfe und darüber zwei je ein paar Meter mächtige 
Lager von Crinoidenkalk und Breccie, getrennt durch Kalkschiefer 
und Tonschiefer und überlagert von Kalkschiefer. 

Jenseits der weiten Schuttüberdeckung im Bereiche der Fendler- 
almweiden taucht sie in noch geringerer Mächtigkeit, aber typischer 
Gesteinstracht am NW-Kamm des Mathankopfes zwischen Gneis und 
buntem Schiefer wieder auf und ist undeutlich und schlecht aufge- 
schlossen noch bis zum Faggenbach hinab zu verfolgen. 

Von der Landesgrenze gegen SW setzen sich die besonders gut 
entwickelten crinoidenführenden Gesteine von Riatschhof usw. durch 
die Waldresion an der rechten Flanke des Inntals fort bis Rasch- 
wella, wo sie den Inn erreichen. Die hier schon stark sandigen 
Crinoidenkalke leiten einen raschen Fazieswechsel ein, insofern jenseits 
des Inn dann bei P. 1113, nahe Saraplana, neben kieseligen Kalken 
und wenigen kalkigen Breccien vom Bündnerkreidetypus, vor allem 
quarzreiche Breccien entwickelt sind, lithologisch ganz jener vom 
Lochschrofen und Piz Arina gleichend. Sie setzen sich über den 
Fortezzasattel gegen SW fort. 


[35] Das Gebiet der Bündnersehiefer im tirolischen Oberinntal. 477 


In der Nordzone fehlt im Hangenden des geschlossenen 
Profils der grauen Bündnerschiefer, d. h. unterhalb der inneren 
Zone buater Schiefer und ihrer Fortsetzung in den Triasschollen 
Munschuns- Che’ d’mott-Stammer die erinoidenreiche Serie. Über der 
Tüpfelschieferzone und dem stellenweise noch unmittelbar darüber 
lagernden Breccienhorizont (Gamsbleiskopf) lagert im unteren Samnaun- 
und Stubental noch ein mächtiges Stockwerk von Kalkschiefern und 
Kalken, beziehungsweise Kalkglimmerschiefer im Osten und über diesen 
folgt dann gleich die innerste Zone bunter Schiefer; weiter westlich 
am Stammer aber reicht die Tüpfelschieferzone bis zur Triasscholle 
hinauf. 

Am Schafberg im Stubental (zwischen Kadratsch und Masnertal), 
dann am Lazidkamm und weniger deu:.lich am Riesenkopf (Lafaiersch) 
ist an der Grenze gegen die bunten Schiefer eine starke Anreicherung 
von schwarzen Tonschiefern zu bemerken, durch welche scheinbar ein 
Übergang zu den bunten Schiefern hergestellt wird. Am Schafberg 
findet man in diesen Tonschiefern auch einzelne Lagen von Tüpfel- 
schiefern als ein oberstes, vereinzeltes Vorkommen im Nordschenkel, 
außerdem Lagen von sandsteinfeinen Breccien, welche den Eindruck 
eines Übergangs zu den bunten Schiefern noch verstärken. 

Jedenfalls ist an dieser Grenze vom Frudigerkamm bis gegen 
Serfaus die Abgrenzung beider eine solche, daß man eher an einen 
primären Zusammenhang als an eine tektonische Scheidung zu denken 
geneigt ist. 

Auch am Beutelbach, unterhalb Serfauserfeld, ist nochmals die 
Zone schwarzer Tonschiefer an der besagten Stelle deutlich entwickelt. 

Die Crinoidenbreccien und Kalke treten dann aber ober 
dieser Zone bunter Schiefer, beziehungsweise ober der Triasschollen- 
linie Stammer - Munschuns in den den bunten Schiefern und anderen 
Formationen zwischengeschalteten Kalkzügen in typischer Entwick- 
lung. auf. 

Der innerste Zug, jener des Piz Ott—Munt da Cherns—-Fließer- 
berg—Frudigerkopf, enthält in seinem westlichen Teile zahlreiche sehr 
charakteristische derartige Breccienlagen, z. B. besonders schön in 
Inner Salas; sie vermindern sich gegen Osten hin an Menge und Deut- 
lichkeit, sind aber allenthalben noch zu finden (am Fließerberg von 
besonders heller Farbe und mit sehr kleinen Crinoidenstielgliedern). 
Die crinoidenhältigen Bänke enden auf der Fließeralm, am Frudiger- 
kopf sind noch Breceienbänke zu finden, aber auch diese verlieren 
sich weiter gegen Osten hin im Stubental. 

Ein nördlicher Kalkzug zeigt auf der Alp bella besonders schön 
die Entwicklung als Crinoidenkalke und Breccien, mit guter Mikro- 
fauna — es ist das von Paulcke entdeckte und mehrfach erwähnte 
Vorkommen von Bündnerkreide — und setzt sich über den Malfrag 
kamm ins tirolische Gebiet hinein ununterbrochen fort, verringert 
aber gegen Osten hin seine charakteristische Ausbildung und endet 
im NO-Eck der Fließeralm. 

In der Kalkzone, welche — vielleicht als Fortsetzung jener 
des Frudigerkopfes — den Kamm des Pezidkopfes bildet und 
weiterhin den Lazidkamm überquert, fand ich nur noch am Westende 


478 Wilhelm Hammer. a [36] 


des Kammes (Westabfall desselben) ein Bänkchen von Breccie. Im 
übrigen sind es hellgraue bis dunkelgraue Kalke mit gelblicher, rauher 
oder knaueriger Anwitterungsfläche in denen nicht selten Knoten von 
Haselnuß- bis Wallnußgröße stecken, welche aus grobspätigem Kalzit 
bestehen und seitlich allmählich mit der weniger kristallinen, oft etwas 
quarzitischen Kalklage verfließen: möglicherweise Reste von Fossilien ? 

Die grauen Bündnerschiefer welche im Gebiete nordostwärts 
von Serfaus bis zum Kaunertal, in bedeutender Mächtigkeit einge- 
schaltet zwischen bunte Bündnerschiefer und Verrucano auftreten, 
enthalten weder Breccienlagen noch Crinoidenstielglieder. Es sind 
graue Kalke und Kalkschiefer, teilweise auch noch Kalkglimmerschiefer 
mit Tonschieferzwischenlagen. Letztere erreichen in dem Komplex 
zwischen Burgschrofen und Kauns sowie jenem nördlich von Falpaus 
die Oberhand; schwarze oder silbergraue Tonschiefer, stellenweise 
auch mit graphitischken Lagen, wechselnd mit Kalktonschiefern und 
halbkristallinen Kalkschiefern oder auch Kalkglimmerschiefern bilden 
Zonen, welche den „tonschieferreichen Zonen* der Finstermünzer 
Gegend gleichen oder auch den tonschieferreichen Tüpfelschieferzonen 
wie auf der Tösneralm. Letzterer Vergleich erhält dadurch eine Be- 
kräftigung, daß im Leitenwald in dem östlich des Burgschrofens 
abwärts ziehenden Graben tatsächlich ein Kleines verrutschtes Vor- 
kommen von deutlichen Tüpfelschiefern aufgefunden wurde. 


c) Alter und Vergleich mit Nachbargebieten. 


Den Ausgangspunkt für die Bestimmung des Alters der „grauen 
Bündnerschiefer* bilden die Foraminiferen in den crinoidenführenden 
Kalken und Breccien des westlichen Teiles: Dureh die in ihnen ent- 
haltenen Orbitulinen konnte Paulcke das kretazische Alter 
derselben feststellen. Solche orbitulinenführende Crinoidenkalke sind 
auch jene auf der Alp bella!) so daß zunächst der davon gegen 
Osten weiterstreichende Zug der Kreideformation zugerechnet werden 
muß. Wie schon oben bemerkt wurde, konnten im Südflügel beim 
Sadererjoch gleiche Foraminiferenkalke aufgefunden werden, aber 
ohne daß es bisher gelungen wäre, in ihnen auch die altersbestimmenden 
Örbitulinen sicher festzustellen. In den demseiben Zuge angehörenden 
Quarzbreccien bei Saraplana fand W. Schiller Lithodamnien. 

Die makroskopische Gesteinstracht sowohl der crinoidenhaltigen 
kalkigen Breccien wie der Crinoidenkalke in dem Zuge von Rasch- 
wella über Sadererjoch bis Fendleralm entspricht genau den kre- 
tazischen Gesteinen von der Alp bella, Piz Tasna und den anderen 
westlichen Fundplätzen. 

Paulcke faßte diesen Komplex von crinoidenführenden Kalken 
und Brecceien als Bündnerkreide zusammen und machte bereits 
auf die Ubereinstimmung mit der Tristelbreccie des Rhätikon 
aufmerksam. Die Gesteine der Zone der Tristelbreccie stimmen makro- 
und mikroskopisch mit der Bündnerkreide des Samnaun überein, 


!) In den Kreidekalken der Alp bella fand ich auch eine kleine Lima 
spec, ind. 


[37] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 479 


enthalten eine reiche Mikrofauna und auch Crinoidenstielglieder, nur 
sind sie nicht metamorph. Auch die Tristelbreccie ist (bei Tristel) mit 
Quarziteiır eng vergesellschaftet. 

Ahnlich wie im tirolischen Gebiete sind auch im Samnaun-Fimber- 
bereich alle Übergänge von Crinoidenkalken bis zu (crinoidenarmen oder 
-freien) Breccien vorhanden, in denen das dunkelgraue, dichte, kalkige 
Zement an Menge gegenüber den eingeschlossenen Fragmenten zurück- 
tritt; die weißen Glimmerblättchen bleiben beiden gemeinsam. 

Daneben erscheinen im westlichen Gebiete Breccien, welche 
neben der obigen charakteristischen Zusammensetzung Quarz in 
steigender Menge enthalten, teils fein verteilt, vor allem aber als 
eingeschlossene gröbere Körner (Geschiebe), ein ähnlicher Fazies- 
wechsel, wie er oben vom Südrand bei Raschwella-Saraplana schon 
erwähnt wurde. 


Derartige Breccien sind von Paulcke als Rozbreccie — 
nach ihrem Vorkommen am Piz Roz — beschrieben und auf Grund eines 
Orbitoides-Fundes an diesem Berge als Tertiär bestimmt worden. 
Am Piz Minschuns (und wohl auch anderwärts im westlichen Gebiet) 
kommen Ausbildungen dieser Breccie vor, welche fast reine, sehr 
grobkörnige Quarzbreccien mit geringen Beimengungen kalkiger oder 
toniger Einschlüsse darstellen (quarzitische Rozbreceie). 

In dem Profil von Clünas ober Fetan liegen über dem Gneis 
zuerst die typischen dunklen Crinoidenkalke und Breccien der 
Bündnerkreide, wie sie oben beschrieben wurden und über ihnen 
in engem Verband mit Quarziten Rozbreccie, welche hier infolge ihrer 
feineren sandigen Beschaffenheit den Quarzbreccien und Sandsteinen 
am Piz Arina und Kreuzjoch ähnlich sieht. Auch am Piz Minschuns 
sind Quarzite, Rozbrececie und crinoidenhaltige, dunkelgraue, dichte 
quarzitische Kalke gleich denen der Bündnerkreide auf das engste 
vergesellschaftet. | 
| Makroskopisch ist die Rozbreccie durch alle Übergänge mit der 
Breccie der Bündnerkreide verbunden und überhaupt nur in den 
quarzreicheren Abarten von ihr verschieden. Aus einer solchen 
stammt der Orbitoides vom Piz Roz. Sofern dieses Fossil überhaupt 
als Tertiär bestimmt werden kann (Orthophragmina? siehe Schubert, 
Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1910), so scheinen hier Kreide und Alt- 
tertiär eng miteinander verbunden oder es gibt auch kretazische Roz- 
breccie; in den groben, in Konglomerate übergehenden Ausbildungs- 
formen der Rozbreccie, welche am Piz Minschuns anstehen und von 
Paulceke Minschunsbreccie benannt wurden, sind bereits Frag- 
mente der Bündnerkreide eingeschlossen. 

Die quarzreicheren Rozbreccien nähern sich auch stark den 
analogen Breccien in den „bunten Bündnerschiefern* und sind diesen 
auch im Schliff sehr ähnlich. 

Breccienbänke vom Habitus der Tristelbreccie und der Bündner- 
kreide enthalten auch die Kreideschichten der Lechtaleralpen!). 


1, Über die von Ampferer entdeckte Kreide der Lechtaleralpen siehe im 
„Querschnitt“ den Abschnitt über die Lechtaleralpen und Verhandl. d. k. k. geol. 
R.-A. 1910, Nr. 2; sein reiches Schliffmaterial konnte ich zum ‚Vergleich benützen, 


480 Wilhelm Hammer. . [38] 


Mikroskopisch entsprechen sie meist den quarzreicheren Lagen in der 
Bündnerkreide und werden dadurch oft der Rozbreceie lithologisch 
sehr ähnlich. Das auch bei zahlreichen Quarzeinschlüssen in der 
Regel kalkige Zement unterscheidet sie von Breccien der bunten 
Bündnerschiefer, doch kommen untergeordnet auch Lagen mit quarz- 
reichem Zement vor. Eine Umkristallisation wie bei den Bündner- 
schiefern, beobachtete ich in den Lechtaler Gesteinen nirgends, nur 
zahlreiche neue Kalzitadern und oft auch jüngere Kalzitumrindungen 
der eingeschlossenen Fragmente, Sie enthalten als Einschlüsse oft 
Quarzsandstein mit kalkigem Bindemittel, welcher auch selbständig 
als Schichtglied in der Serie auftritt. Die Lechtalerbreccien sind auch 
im allgemeinen arm an Mikrofossilien, doch sind von Ampferer 
mehrfach orbitulinenreiche Bänke darin gefunden worden. Crinoiden- 
stielglieder sind allenthalben darin zu finden. 


Die Breccienbänke in den basalen Teilen der grauen Schiefer 
gleichen völlig jenen der „Bündnerkreide“ Am Seles- 
kopf enthalten sie auch Reste von Crinoidenstielgliedern ?). Sie sind 
meistens mehr kristallinisch. Die quarzhaltige Breecie am Kreuzjoch 
sieht stark den quarzitischen Rozbreccien des P. Minschuns ähnlich. 

Ein anderer Horizont, welcher Vergleiche mit benachbarten 
Gebieten ermöglicht, sind die Tüpfelschiefer. 

Gesteine vollkommen gleicher Art kommen mehrfach in den 
Bündnerschiefern von Innergraubünden vor. An der Straße ins Val- 
sertal (südlich Ilanz) sind solche zwischen St. Martin und Lun- 
schania in der Übergangszone der grauen Kalkphyllite (von St. Martin) 
in die Kalkglimmerschiefer, welche nördlich Lunschania anstehen, 
also in der Grenzzone zwischen Rothpletz’s paläozoischen und 
liasischen Schiefern, während Heim bekanntlich beide als unter- 
jurassisch bezeichnet. 


Tüpfelschiefer fand ich ferner in der Via mala, am Beginn 
des oberen Teiles der Schlucht; die Bündnerschiefer dieser Schlucht 
sind im ganzen lithologisch der Serie im unteren  Samnaun ent- 
sprechend und enthalten auch Breccien, welche C. Schmidt?) für 
identisch erklärt mit der Serie der Tristelbreccie bei Küblis 
im Prätigau. Er fand auch Foraminiferenreste in ihnen. G. Stein- 
mann stellt die Viamalaschiefer zum Oligocänflysch; F. Zyndel?) 
hält sie für vorwiegend jurassisch. 


Ebenso enthalten die Bündnerschiefer auf der Stutzalm ober 
Splügen zahlreiche Lagen kristallinischer Tüpfelkalke, denen an 
der Straße gegenüber Spissermühl oder im Stubental gleichend. (Weiße 
feinkristalline Kalzitgrundmasse mit den grauen Tüpfeln.) Es hat den 
Anschein, als ob unter den Tüpfeln auch kleine dunkle Crinoiden- 


un 
1) Die Breccie im Fernertobel enthält auch vereinzelte Foraminiferen, nach 
freundlicher Bestimmung von Dr. R. Schubert Miliola (Triloculina). Auch in der 
Breccienbank nahe Cuolmen d’alp beobachtete ich vereinzelte Reste von solchen. 
?) C. Schmidt, Über die Geologie des Simplongebietes und die Tektonik 
der Schweizer Alpen. Ecl. geol. Helvetiae. IX. Bd. 1906, S. 573. 


3) F. Zyndel, Über den Gebirgsbau Mittelbündens. Beiträge zur.’ geol. 
Karte d. Schweiz. Neue Folge, 41. Lieferung 1912. 


[39] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 481 


stielglieder sich befänden!). Neben den Tüpfelschiefern enthält die 
Serie der Stutzalm auch Breceienbänke gleicher Art wie jene der 
basalen „Bündnerschiefer im Inngebiet und ähnlich der Tristelbreccie. 
Welter?) fand ebenfalls solche Breceien am angrenzenden Löchli- 
berg und stellt sie denen der Viamala und von Tristel gleich. 

Im Tal von St. Antönien im Prätigau erscheinen in den 
Bündnerschiefern Tüpfelschiefer an der Straße nördlich von Pany 
und in der Talenge unterhalb St. Antönien. Sie werden bei Pany 
von Breccienbänken gleicher Art wie die Tristelbreceie begleitet, 
mit Echinodermenresten, Foraminiferen und Bryozoen, wie dies bereits 
C. Schmidt?) feststellte. Die Tüpfelschiefer sind einem Zug von sehr 
schwach oder gar nicht metamorphen Kalken und Tonschiefern nebst 
Breccienbänken eingeschaltet und sind zum Teil ganz jenen des Sam- 
naun gleich, im allgemeinen sind die Tüpfel aber hier kleiner. In dem 
mehr aus tonigen* Gesteinen zusammengesetzten Schieferzug unterhalb 
St. Antönien findet man auf denselben Platten, welche die (mittel- 
großen) Tüpfel tragen, auch Algenreste, welche den Bildern von 
Phycopcis arbuscula entsprechen. Schmidt fand in dem Schieferzug 
nördlich Pany ebenfalls Chondriten ®). 

Die Tüpfelschiefer von Pany werden von Seidlitz) unter 
dem Namen „Knötchenschiefer* angeführt und auf ihre Ahnlichkeit 
mit ähnlich struierten Lagen in den Globigerinenschiefern des 
Partnunsees hingewiesen, ein Vergleich der auch von Bruno 
Sander‘) bestätigt wurde. Ich konnte mich ebenfalls an Ort und 
Stelle von der Übereinstimmung mit den kleintüpfeligen Lagen der 
Tüpfelschieferzone von Pany überzeugen. 

Bei mikroskopischer Untersuchung stimmen die Tüpfelschiefer 
des Hinterrheingebietes ganz mit den stark umkristallisierten 
Lagen des Samnaun und Stubentales überein, die brecciöse Struktur 
ist dadurch verwischt, die „Quarzgrundmasse“ tritt ganz zurück. In 
einem Schliff aus dem Tüpfelschiefer der Via mala waren in einzelnen 


!) Auch die Tüpfelkalke, welche ober Pfandshof (Sampuoir) über dem 
Mondindiabas liegen, erwecken makroskopisch den Verdacht, solche Stielglieder zu 
enthalten. Im Dünnschliff läßt sich aber nichts von einer Gitterstruktur mehr er- 
kennen und entsprechen die dunklen Partien auch nicht einzelnen runden großen 
Kalziten, wie dies sonst in Crinoidenkalken zu sehen ist. Es dürfte sich also eher 
um eine durch die hohe Kristallinität verursachte Täuschung handeln, wie sie 
auch bei der Breccie im Fernertobel auf gleiche Weise zustande kommt, ohne unter 
dem Mikroskop Bestätigung zu finden. Die, Möglichkeit von Crinoiden in den 
Tüpfelschiefern ist deswegen keineswegs von der Hand zu weisen. 

2) OÖ. Welter, Stratigraphie und Bau der Alpen zwischen Hinterrhein und 
Safıental. Eel, geol. Helvetiae. X. Bd. 1909, S. 811. 

3) C. Schmidt, Über das Alter der Bündnerschiefer im nordöstlichen 
Graubünden. Berichte der oberrheinischen geol. Ver. 35. Vers. Freiburg i. Br. 
1902, S. 1. 

*) Im Dünnschliff der Tüpfelschiefer von Pany sieht mau in Menge feine, 
manchmal auch verzweigte, aus Kalzit zusammengesetzte Stäbchen, bzw. Röhrchen, 
welche wohl als Algenreste anzusprechen sind. Eine engere Beziehung zwischen 
ihnen und den Tüpfeln ist nicht ersichtlich. 

5) W. v. Seidlitz, Geologische Untersuchungen im östlichen Rhätikon. 
Bericht d. naturf. Ges. z. Freiburg i. Br. Bd. XVI. 1906, S. 50 und 52. 

°%, Br. Sander, Zum Vergleich zwischen Tuxer- und Prättigauer - Serien. 
Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1911, S. 339. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer.) 62 


482 Wilhelm Hammer. j [40] 


Tüpfeln kreisrunde, lichte Körperchen noch zu erkennen, analog den 
Radiolarien im Gestein der Stammerbasis. 

Dagegen zeigen die Tüpfelgesteine des Antöniertals nichts 
von dieser Struktur im Schliff: Im Globigerinenschiefer von Partnun 
entsprechen den Knötchen besonders feinkrümelige, dunkel erscheinende 
Partien der Gesteinsmasse, welche an manchen Stellen den ganzen 
Zwischenraum zwischen den Foraminiferenschalen einnehmen, in anderen 
Lagen aber in isolierten rundlichen oder unregelmäßigen Flecken der 
sonst helleren und etwas grobkörnigeren Gesteinsmasse eingelagert sind. 
Manchmal werden sie randlich von Schalenscherben teilweise ein- 
gefaßt. Deutlicher treten in einem Schliffe der Schiefer von Pany 
die Tüpfel in analoger Weise als länglichrunde, dichtere und dunklere 
Partien der sehr feinkörnigen (nicht metamorphen) Gesteinsmasse 
hervor, welche mehr Quarzkörnchen zu enthalten scheint als die 
Tüpfel. In anderen Schliffen sind sie wieder undeutlicher geformt; 
wo Fossilspuren erkennbar sind, sind die Tüpfel unabhängig davon. 
Bei den Tüpfelschiefern des Antöniertales könnte man eher an 
oolithische Bildungen denken (doch habe ich nichts von einer kon- 
zentrischen Struktur oder dergleichen gesehen). Schmidt spricht 
bei dem Schieferzug von Pany von oolithischen Kalken, womit wohl 
die Tüpfelschiefer gemeint sein dürften. Aus dem Vorkommen von 
Phycopsis in diesen Schiefern, der Ähnlichkeit mit den Globigerinen- 
schiefern und der Begleitung durch tristelbreccie-ähnliche Bänke 
kann auf ein kretazisches Alter der Antönier Tüpfelschiefer 
geschlossen werden, was auch in Übereinstimmung damit steht, daß 
die auf Theobald’s Karte als „kalkige Bündnerschiefer (sk)* 
ausgeschiedenen Zonen, zu denen eben die Schiefer bei Pany und 
Antönien gehören, an der Casanna bei Klosters nach Seidlitz’ 
Angabe Orbitulinen führen. 

Die Tüpfelschiefer des Inntalgebietes können aber nach 
obigem Befunde ihrer Mikrostruktur nach jenen des Antöniertals nicht 
direkt gleichgestellt werden. Die Begleitung durch Breccien von der 
Tracht der Tristelbreccie ist auch im Inntalgebiete an mehreren 
Orten vorhanden. Beide kommen hier auch in tieferen Teilen der 
Bündnerschiefer vor (Ostgrat des Schalklkopfes). 

Die Herleitung aus der Radiolarienkalkbreccie gewährt 
keinen sicheren Schluß auf das Alter, da außer den bekannten 
Radiolarienkalken des Jura auch schon aus dem Muschelkalk der 
Lischannagruppe von Schiller radiolarienhaltige Kieselkalke ange- 
führt werden. ia 

Anderseits spricht die petrographische Übereinstimmung der 
kalkigen Breccien in den basalen Schiefern mit jenen der Bündner- 
kreide stark für eine Altersangliederung. Der Breccienhorizont im 
Fernertobel liegt wenige hundert Meter über dem Kern der Schiefer- 
wölbung; von hier an aufwärts folgen in den verschiedensten 
Horizonten an zahlreichen Stellen eingeschaltet Lagen von Breccien 
(und Tüpfelschiefern) bis hinauf zur höheren Bündnerkreide. 

Es spricht demnach viel Wahrscheinlichkeit dafür, dab 
zum mindesten der größere Teil der grauen Bündner- 
schiefer der Kreideformation zuzurechnen ist. Ob in den 


[41] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 483 


tiefsten Teilen auch ältere Formationen vertreten sind, dafür liegen 
keine verläßlichen Anhaltspunkte vor. Der Zusammenhang mit den 
oberen ist durch keine erkennbare Grenze gestört — ebenso wie auch 
die Bündnerkreide im Hangenden mit den mittleren (Breccien 
und Tüpfelschiefer enthaltenden) Teilen der Schichtfolge durch all- 
mählichen Übergang verbunden ist — die lithologische Gleichheit von 
Unterschieden der Metamorphose abgesehen, eine völlige. Einige 
stratigraphische Möglichkeiten, die ganze Serie betreffend, werden in 
einem späteren Kapitel erörtert werden. 

Die lithologische Ubereinstimmung der Inntaler grauen Bündner- 
schiefer mit jenen des mittleren Graubünden ist schon seit den 
ältesten Aufnahmen bekannt. Sie ist für die Gleichstellung beider der 
nächste Anhaltspunkt und wird durch die Gemeinsamkeit charakteri- 
stischer Horizonte, der Tüpfelschiefer und der Tristelbreccien, gestützt. 
Doch wird dadurch nicht eine vollständige Gleichsetzung des strati- 
sraphischen Umfangs der ganzen Ablagerung gewährleistet und 
können selbst bei Gleichheit der faziellen Ausbildung diese ein- 
ander nicht ohne weiteres in ihrem Alter gleichgesetzt werden. Zu 
dieser Vorsicht mahnt z. B. der Umstand, daß die durch Fossilfunde 
als liasisch bekannten Gesteine des Piz Mundaun bei Ilanz in ihrer 
Ausbildung als graue sandige Kalke, Quarzsandsteine mit kalkig- 
quarzigen brecciösen Bänken, weißen kristallinen Kalktonschiefern 
und schwarzen, oft metallisch angelaufenen Tonschiefern, ganz analog 
der Serie vom Schmalzkopfe ist, welche letztere aber in engstem 
Verband mit der Bündnerkreide steht. 

Es wurden bereits oben ein paar fazielle Gleichstellungen von 
innerbündnerischen und inntalerischen Komplexen gegeben, auf Grund 
eigener Besichtigung. Als weitere solche Parallelen seien angeführt: 

Die in der Klus zwischen Landquart und Seewies (Bahnstation) 
so prächtig aufgeschlossene Kalkserie entspricht lithologisch völlig 
den Kalken in der Stillebachschlucht (Finstermünzstraße). Gegen das 
Dorf Seewies hinauf folgen sandige Schichten, sehr ähnlich denen der 
Norberthöhe bei Nauders. Am Weg von dort nach Ganey durch- 
schreitet man eine Serie, die jener an der neuen Samnaunerstraße 
oder zwischen der Norberthöhe und Martinsbruck ähnlich ist. Unter 
Cavadurli begegnet man bereits einer Breccie, welche denen der 
Finstermünz — Nauderergegend entspricht (kalkig, gelbe Dolomit- 
einschlüsse, weiße Glimmerblättchen), nur ist sie zum Teil grob- 
brecciös und enthält dann Stücke kristalliner Gesteine, was dort nicht 
beobachtet wurde. 

In dem schönen Profil, welches die Straße von Ilanz nach 
Vals Platz eröffnet, stehen im obersten Teil der Schlucht Kalk- 
glimmerschiefer an und marmorisierte glimmerarme Kalke, in welche 
bei Buccarischuna Grünschiefer eingelagert sind. Nördlich davon 
mengen sich graue Kalkphyllite, graue halbkristalline Kalke und 
phyllitische Schiefer mit hochkristallinen Kalkglimmerschiefern. Von 
Lunschania abwärts, nördlich des letzten größeren Kalkglimmerschiefer- 
zuges, streichen dann die Tüpfelschiefer durch. Die Kalkglimmerschiefer 
entsprechen lithologisch denen der Pfundsergegend, erreichen aber 
teilweise eine Höhe der Kristallinität, die im Inntal kaum vor- 


62* 


484 Wilhelm Hammer. i Eh [42] 


kommt, besonders in den glimmerarmen Formen, wie auch so ton-, 
bzw. glimmerarme Arten im Inntalergebiet kaum auftreten. Von den 
Tüpfelschiefern nordwärts bis Tersnaus folgt ein Komplex grauer 
Kalkphyllite und Tonschiefer, im südlichen Teil noch als glimmer- 
reiche Phyllite entwickelt, eine Serie, die etwa denen am Eingang 
ins Kaunertal ähnlich ist. Den Valsergesteinen eigen ist der im 
tirolischen nicht beobachtete häufige Pyritgehalt. Im Gebiet Tersnaus- 
Furt scheint ein Ubergang zu der Mundaunserie einzutreten, von der 
die beschriebene Schichtfolge sonst deutlich unterschieden ist. Die 
höherkristallinen südlichen Teile und die Kalkphyllitregion sind durch 
Wechsellagerung miteinander verbunden, insofern. schon im Gebiete 
von Lunschania zwischen den Kalkglimmerschiefern Züge weniger 
kristalliner Kalke, Kalkphyllite ete. eintreten, so daß meines Er- 
achtens hier eine allenfallsige Grenze zwischen paläozoischen und 
mesozoischen Schiefern eine künstliche wäre. 

Die bereits oben zum Vergleich herangezogene Kreide der 
Lechtaleralpen hat mit den Bündnerschiefern die erwähnten 
Breccien gemeinsam. Außerdem treten in ihnen, wie ich z. B. am 
Kaiserjoch und am Zürsersee beobachten konnte, kieselige Kalke 
und Quarzite auf von ganz gleicher Beschaffenheit wie am Schmalz- 
kopfe etc., grau, bräunlich, rauh anwitternd, fein zuckerkörnig, 
manchmal mit kleinen, schwarzen Crinoidenstielgliedern; sie gehen 
stellenweise in feine Breccien über und sind begleitet von kalkigen 
und tonig-kalkigen Bänken und Tonschiefern, ähnlich wie im Bündner- 
schiefergebiet. Im, übrigen unterscheidet sich die Lechtalerserie 
durch das starke Uberwiegen der Tonschiefer, welche am ehesten 
mit den Fucoidenschiefern unseres Gebietes verglichen werden 
können. Allerdings kann möglicherweise der Unterschied gegenüber 
den anderen Tonschiefern der Bündnerschiefer nur durch die Meta- 
morphose entstanden sein. Die mit Breceien und quarzitischen Ge- 
steinen ausgestatteten Zonen entsprechen lithologisch der Schicht- 
gruppe: Kreide der Alp bella oder von Clünas samt den begleitenden 
Flyschschiefern. 


Bunte Bündnerschiefer. 
a) Petrographische Beschreibung. und Verbreitung. 


Der Nordabfall der Bündnerschieferwölbung ist vom. Samnaun 
bis zum Kaunertal ausgezeichnet durch das Auftreten einer Schiefer- 
serie, welche sich durch ihren Reichtum an kalkig-tonigen, sandigen 
und grobklastischen Sedimenten und die Dünnschieferigkeit der kalkigen 
Teile sowie durch ihre Färbung leicht kenntlich von den anderen 
kalkigen Bündnerschiefern abhebt. Sie durchziehen das Gebiet in 
zwei Zonen, deren südliche oft in mehrere kleine Zonen ge- 
spalten ist. 

Ich verwende für dieselben den Namen „bunte Bündner- 
schiefer*. Von Theobald und Gümbel wurde dieser Name in 
einem weiteren Sinne gebraucht, insofern sie auch die verschiedenen 
Eruptivgesteine miteinbezogen. In dem engeren Sinne wie hier be- 


[43] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 485 


nützen ihn W. Schiller und G. Dyrenfurth. Wenn auch die 
Farben dieser Schiefer keine lebhaften sind, so erscheinen sie doch 
im Verhältnis zu dem eintönigen Grau der basalen Bündnerschiefer 
oder dem Gelbgrau der Kreidekalke abwechslungsreicher und deutlich 
verschieden. Anderseits ist eine derart allgemeine Benennung bei 
der Unsicherheit der stratigraphischen Einstellung einem bestimmten 
Formationsnamen vorzuziehen. 


Die Ablagerungen dieser Serie sind fast durchwegs mehr oder 
weniger kalkhaltig — vielfach eigentliche Kalkgesteine. Dagegen 
treten Ablagerungen, welche ganz oder überwiegend aus Quarz zu- 
sammengesetzt sind, an Ausdehnung und Mächtigkeit ganz zurück 
und ebenso sind rein tonige Gesteine selten. Fast alle Schiefer 
dieser Serie brausen mit HCl auf. 


In allen Teilen ihrer Erstreckung sind Zeichen der Um- 
kristallisierung zu beobachten. Sie ist im westlichen Teile am 
geringsten und verschwindet hier an vielen Gesteinsarten gänzlich, 
gegen Osten hin nimmt sie zu: Zunahme des Serizitgehaltes, Um- 
wandlung des dichten grauen Kalkes in weiße kalzitische Aggregate. 
Im nördlichen und in den südlichen Schieferzügen ist dies gleicher- 
weise entwickelt, doch ist in den südlichen inneren Schieferzonen 
im allgemeinen die Metamorphose um ein geringes stärker: die 
am stärksten umgewandelten Bereiche dementsprechend bei Fendels. 


Die Serie entfaltet eine große Mannigfaltigkeit in Gesteins- 
unterarten, in Schwankungen der Farbe, der prozentischen Zusammen- 
setzung, des Grades der Metamorphose und der Klastizität. Die Arten 
wechseln ofmals in horizontaler und vertikaler Richtung, sind aber 
durch Übergänge und Wechsellagerung so eng miteinander verknüpft, 
daß eine weitere Aufteilung in petrographisch selbständige Kom- 
plexe oder Gesteinszüge kaum durchführbar ist. Dagegen heben sie 
sich als Ganzes fast immer deutlich von den anderen Schicht- 
gruppen ab). 


!) Das Zusammengehen von Serpentin und bunten Bündnerschiefern in der 
Gegend Schuls—Ardetz hat die Frage erweckt, ob die letzteren nicht Kontakt- 
bildungen des Serpentins seien, wie dies z. B. Studer und Theobald annehmen. 
Für den tirolischen Teil und die hier gegebene Definition der bunten Schiefer ist 
eine derartige Deutung ausgeschlossen, wie ohne weiteres aus der nachfolgenden 
Gesteinsbeschreibung der Serie, dem Fehlen des Serpentins in nahezu dem ganzen 
Bereiche und der Seltenheit anderer basischer Eruptiva im Verhältnis zur 
Mächtigkeit und weiten Ausbreitung der bunten Schiefer erhellt (abgesehen davon, 
daß letztere Eruptiva meines Erachtens syngenetisch mit den Schiefern sind). Die 
bunten Schiefer bei Sent—Schuls— Ardetz gehören, soweit ich zum kleineren Teil 
aus eigenen Beobachturgen, zum größeren aus der Literatur entnehme, derselben 
Gesteinsserie an. Sie können vielleicht durch das Eindringen des Serpentins, 
welcher hier aus tektonischen Ursachen (Schubflächen) oder aus lithologischen 
den bunten Schiefern nachgeht, stellenweise kontaktmetamorph geworden sein, 
doch sind keine sicheren Zeichen dafür da und ist die Erklärung des Quarz- 
reichtums, bzw. der Kalkarmut oder Kalkfreiheit der am Kontakt liegenden 
Muskovitquarzite durch Kontaktmetamorphose aus dem sonst in der Regel kalk- 
haltigen bunten Schiefer, wie Spitz und Dyrenfurth betont haben, petro- 
graphisch kaum zu begründen. Bei einzelnen dieser Muskovitquarzite ist es nicht 
sicher, ob sie überhaupt zu den Bündnerschiefern gehören (z. B. Muntanaweg, 
Spitz und Dyrenfurth, 8. 75). 


486 Wilhelm Hammer. [44] 


Neben den kleinen örtlichen Schwankungen der Gesteins- 
entwicklung ergeben sich im Überblicke auch größere fazielle 
Anderungen im Streichen. 

Beginnen wir mit der Betrachtung der Gesteinsfolge im Osten, 
so finden wir im Gebiete zwischen Kaunertal und Ried als 
Hauptbestandteile Kalkschiefer und Tonschiefer. Erstere 
sind dünnblättrig bis tafelig. im Querbruch lichtgrau oder bräunlich 
und dicht, oder weiß bis gelblich und fein kristallin; auf den Schicht- 
flächen mit feinstem grünem oder grüngrauem Serizitbelag, der bei 
den kristallinischen Partien aus feinen Glimmerschüppchen bestehend 
erscheint, bei den weniger kristallinen aber einen matt glänzenden 
dichten Überzug bildet. Kalzitische Ausscheidungen sind häufig und 
geben dann dem Gesteine eine kleinlöcherige, knauerige Struktur. 
Sonst ist dasselbe feinschieferig, flaserig oder fein gefältelt. 

Unter den Tonschiefern sind besonders lichtgrüne glatte, 
mild sich anfühlende bezeichnend, oft mit dunkleren Flecken und 
Maserung; im Querbruch feinblättrig nnd meistens mit kalkigen 
Tagen und Flasern vermischt. Daneben treten hier schwarze und 
dunkelgraue kalkige Tonschiefer auf, selten sind sie dunkelviolett. 
Manche Tonschieferlager enthalten auch Quarzknauern. Als weniger 
charakteristisch sind graue tonig-kalkige Schiefer beigemengt. 

In dem Schieferkomplex treten dann hier einzelne gering- 
mächtige Bänke einer Dolomit-Breccie auf: Eckige Fragmente 
von durchschnittlich 3 bis 5 mm Durchmesser eines grauen, gelblich 
anwitternden Dolomits stecken nahe beisammen in einem weißen 
kalzitischen Bindemittel. Die Korngröße ist lagenweise verschieden 
bis zum Übergang in feine kalkige Sandsteine. Am Weg von Prutz 
nach Fendels sieht man eine Breccienbank in einzelne Blöcke und 
Linsen aufgelöst in dem leicht graugrünen Kalkschiefer, wohl auch 
infolge Zerquetschung einer ehemals zusammenhängenden Lage. 

Im Schloßwald am Eingang ins Kaunertal findet sich in dieser 
Serie weiter ein Konglomerat von sehr geringer Ausdehnung und 
Mächtigkeit, welches viele gerundete Gerölle von Dolomit (bis zu 
Eigröße), Stückchen grüner Tonschiefer und Kieselgerölle enthält in 
einem lichtgrünlichen kalzitisch-serizitischen Zement. Die Dolomit- 
geschiebe sinken bis zur Kleinheit und Form derer in den Breccien 
herab. Derartige kleine Linsen von Konglomerat sind über die ganze 
Erstreckung dieser Schiefer hin in geringer Zahl allenthalben ver- 
breitet und werden weiterhin noch erwähnt werden. Das gleiche gilt 
von den Diabasschiefern, deren einer nördlich Fendels auftritt. Auch 
sie sind in ganz geringer Ausdehnung und Mächtigkeit, zwar spärlich, 
aber überall wieder in diesem Schichtkomplex anzutreffen. 

Der innere Schieferzug setzt sich aus dem Fendlergebiet gegen 
SO in bedeutender Mächtigkeit bis ins Tösnertal fort, wo er ober 
der Bergleralm plötzlich endet. Die Gesteinselemente bleiben die 
gleichen, doch ist ihre Kristallinität eine wesentlich geringere. 
Schwarze, graue und grüne Tonschiefer sind auch hier sehr reichlich 
vertreten neben verschiedenen Kalkschiefern, unter welchen besonders 
die braunen bemerkenswert sind. Vielfach sind Bänke von ganz fein- 
körnigen Breccien enthalten und auch solche mit größeren Dolomit- 


[45] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 487 


fragmenten, gleich denen unter Fendels. Ober der Stalanzeralm ist 
auch eine kleine Linse eines großblockigen Konglomerats (auschließ- 
lich mit Dolomitgeröllen) eingeschlossen. Am Kamm Stafeller- 
alm—Zirmeskopf, der ein schönes Profil durch die ganze Serie 
bietet, liegt zu unterst, die Gufelköpfe bildend, ein mächtiger Komplex 
von Breccien, abwechselnd feinbreceiös-sandige und grobbrecciöse 
Lagen und erst darüber dann eine abwechslungsreiche Folge von 
Kalkschiefern, Kalkserizitschiefern, Tonschiefern, Schiefern mit Quarz- 
knauern und auch einzelnen feinsandig-brecciösen Lagen. Am Pleiß- 
köpfl (Bergleralm) durchzieht auch ein charakteristisches Quarzitlager 
den unteren Teil der Serie, während die Breccien hier schon wieder 
ganz zurücktreten. 

Nach der anderen Seite findet die Schieferzone von Fendels 
ihre Fortsetzung nach Westen, indem sie bei Ried den Inn über- 
schreitet und dann über die Beutelbachschlucht gegen Serfaus 
streicht. Die Schiefer sind bis Serfaus hin immer noch in ähnlicher, 
wenn auch minder typischer Weise ausgebildet, da neben dem 
lichtbräunlichen sandig-kalkigen Schiefer mit tonigem grünem Belag 
und lichtgrünen Tonschiefern viel graue Tonschiefer und Kalk- 
schiefer sich einstellen. Im nördlichen Schichtzug, an den Abhängen 
des Schönjöchls, sind gleichfalls lichte Kalkschiefer von grauer, 
gelblicher oder grünlicher Färbung mit serizitischem, feinschuppigem 
Belag auf den Schichtflächen, darüber auch dunkelgraue Kalkpnyllite 
neben großen Mengen von Tonschiefern, die herrschenden Gesteine. 
Die Tonschiefer sind als graue, stellenweise noch metamorphe Phyllite 
mit Kalklagen und schwärzlichen Tonschiefern entwickelt, daneben 
auch als lichtgrüne, milde Tonschiefer. Ferner kommen auch die 
weiter westlich stark entfalteten braunen Kalkschiefer mit wulstiger, 
grün-serizitischer, beschuppter Oberfläche vor. Lagen von sehr stark 
verschieferten und verfältelten, dunkelgrün und dunkelviolett gefärbten 
Diabasschiefern sind mehrfach eingeschaltet. 

In den Wiesen zwischen Urgenebnerbach und Fiß, bei P. 1464, 
steht eine große Masse von Konglomerat an, welche in einem 
lichten, kalkig-serizitischen Zement fast ausschließlich gerundete 
Gerölle von dunkelgrauem (seltener hellgrauem) Dolomit, dolomitischen 
Kalk und Kalk enthält bis zu Faustgröße; außerdem stellenweise 
große Scherben von Verrucan) (bis zu Handgröße). Es gehört einer 
rings von Verrucano umgeschlossenen Zone von buntem Schiefer an, 
deren andere Bestandteile aber nahezu gänzlich von Vegetation 
bedeckt sind. 

Feinere Breccien habe ich in dem Raume Fiß—Schönjöchl in den 
bunten Schiefern nicht gefunden. 

Gegen Westen zu keilen auf der Fisser Ochsenalm 
(Mulde zwischen Schönjöchl und Sattelkopfkamm) die lichten gelb- 
lichen Kalkschiefer, welche ostwärts die Hauptmasse bilden, aus — 
hier von Diabasschiefer begleitet — und machen am Kamm der Sattel- 
köpfe (ober Serfaus) einer in dieser Serie ganz ungewöhnlichen 
quarzreichen Ausbildung Platz: Grüne serizitische Gesteine mit 
vielen großen Quarzknauern und Lagen, schwärzlicher quarzitischer 
Schiefer, dunkle, graue Phyllite und graue Serizit-Quarzschiefer. Im 


Wilhelm Hammer. [46] 


488 


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[47] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 489 


Erklärung zu vorstehender Figur 5. 
K. O0. = Kalkofen. 


b — Lichtgrüne Tonschiefer mit bräunlichen kalkigen Lagen (bunte Bündner 


schiefer). 
ph = Dunkle Phyllite mit Brauneisensteinputzen. Verrucano. 
v —= Lichtgrüne und violette Quarzserizitschiefer. Verrucano. 
k = Eisendolomit. 


d — Diabasschiefer. 
y = Gips (und vergipste Kalke oder Schiefer). 


Trias: 


x 
| 


Gelbe Rauhwacke. 

kh — Lichte Kalke, gebankt. Im Hauptprofil an der Basis derselben weiße 
späthige Bank. 

s — Schwarze Tonschiefer, rostig oder metallisch anlaufend und Sandsteine, 
in sandig-kalkige Schiefer übergehend. 

kd = Dunkelgrauer, dünnbankiger Kalk. 

D = Dunkelgrauer Dolomit und dolomitischer Kalk, brecciös, besonders an 

der Hangendgrenze. 


Bunte Bündnerschiefer und Verrucano, im Hangenden Jer Trias. 


1 = Schwärzliche Pbhyllite mit Quarzknauern, gleich v. An der Basis ver- 
drückte Serizitschiefer mit gelben Kalkschlieren. 

2 — Lichte grünliche und graue, helle violette Tonschiefer mit gelben Kalk- 
lagen und mit Quarz, selten pyrithältig, in ihnen eine weiße Quarz- 
bank q. 

— Graue Kalklagen und Tonschiefer. 

— Grüne und gelbe kalkige Serizitschiefer und Tonschiefer mit Gipslinsen y. 

— Grüne Tonschiefer, im Qnerbruch oft blaßrötlich-kalkig. 

— Lichte quarzreiche Verrucanoschiefer. 

—= Graue Kalklagen und Touschiefer, gefältelt. 

— Violette und grüne Tonschiefer. 

= Grünliche Tonschiefer mit gelben Kalklagen. 

— Weißlicher Serizitquarzit. 

Übergang zu grauen halbphyllitischen Tonschiefern mit gelblichen Serizit- 

belegten Kalklagen. 
Halbpbyllitische grauschwarze Tonschiefer. 


— 
-- OÖ 2o 19 Bw 


| 


Hangenden sind die Phyllite hochkristallin. Außerdem die lichtgrünen 
glatten Tonschiefer und Diabasschiefer. Es ist schwer anzugeben, 
wie viel in dieser Serie noch zu dem darunterliegenden Verrucano- 
zuge zu rechnen ist. 

In den dürftigen Aufschlüssen unter dem Planskopfe, welche 
die Fortsetzung jener Zone bilden, erinnern noch die stahlgrauen, stark 
quarzhaltigen Phyllite an die Ausbildung am Sattelkopf; auch eine 
größere Masse von Quarzfels (Verrucano ?) steckt dazwischen. Daneben 
treten kalkige graue Phyllite mit Brauneisensteinputzen, lichtgrüne 
Serizitschiefer und solche mit braunem kalkigem Querbruch und graue 
und bräunliche Kalkphyllite auf. 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer.) 63 


49) Wilhelm Hammer. { [48] 


Am Ostgrat des Furgler herrschen wieder (Detailprofil siehe 
unten) ganz die Kalkschiefer in dieser Serie, graue, gelbliche mit 
grünem Serizitüberzug, auch weißliche, kalzitisch-kristalline und 
braun anwitternde; weiter grünlichgraue Kalkphyllite und zahlreiche 
Lagen von grauen und grünlichen phyllitischen Tonschiefern. Hier 
erscheint vereinzelt auch wieder eine Breceienbank. In dem ent- 
sprechenden Teile der südlichen Schieferzone erinnern die auf der 
Lawensalm auftretenden grüngrauen, dichten, grauwackenähnlichen 
Schiefer — begleitet von grünen Tonschiefern und gelben Kalk- 
schiefern — an das Sattelkopfprofl, mehr aber noch der am 
Lazidkamm aufgeschlossene schmutziggraue Serizitquarzfels, darunter 
eine Bank reinen Quarzits. Daneben erscheinen grüngraue und 
bräunliche, dünntafelige, kalkige Schiefer und dünne, feinsandige 
Schiefer, ähnlich den Flyschschiefern des Fimbertales. An den 
Riesenköpfen sind auch mehrfach Breccienbänke in diese Serie 
eingeschaltet. Unter den zahlreichen Tonschiefern kommen hier wieder 
schwarze wie bei Fendels zum Vorschein und schwärzliche Ton- 
phyllite mit metallischen Anlauffarben. 

In den grüngrauen Schiefern der Lawensalm liegt auch ge- 
schieferter Diabasporphyrit (makroskopisch dicht, grüngrau, mit 
sehr kleinen, plattgedrückten und parallel geordneten Feldspatein- 
sprenglingen, im Schliff zum Teil noch wohlerhaltene, teilweise idio- 
morphe Plagioklase, als „Augen“ in dem feinflaserigen, metamorphen 
Grundgewebe, größtenteils aber zu Flasern zermalmt unter Neu- 
bildung von Chlorit und Quarz. 

In der weiteren Fortsetzung beider Zonen über das Stuben- 
tal und die Fließeralm nehmen besonders die klastischen 
Gesteine an Häufigkeit und Ausdehnung zu, sowohl durch die zahl- 
reichen Breccienbänke, als durch die feinsandig-kalkigen Bildungen. 
Da alle diese eine bräunliche Anwitterungsfarbe besitzen, erhält 
die Serie eine bräunliche Gesamtfärbung. Auch rein kalkige Gesteine 
sind häufig, während Tonschiefer gegenüber ihrer östlichen Ent- 
faltung hier zurücktreten. Die Metamorphose ist gering oder ganz 
fehlend. 

Die klastischen Bestandteile der Breccien sind von mittlerer 
bis sehr geringer Größe, eingebettet in einer dichten Bindemasse; die 
Größe der eckigen Fragmente beträgt durchschnittlich wenige Milli- 
meter und sinkt bis zu Übergängen in Sandstein. Sie sind schieferig, 
dünnplattig, selten dickbankig und dann aus gröberem klastischem 
Material (bis zu 0°5 cm Größe). Die Farbe ist gelbbräunlich, manchmal 
tragen die Schichtflächen sehr geringe serizitische Belage. 

Die Komponenten der Breccie sind hauptsächlich dunkelgrauer, 
gelb verwitternder Dolomit. 

Im Schliff erscheint das Bindemittel zusammengesetzt aus Kalzit 
und Quarz in annähernd gleicher Menge und ist kristallinisch-körnig, 
manchmal schwach parallel texturiert. Die Einschlüsse sind sehr fein- 
körniger bis dichter Dolomit (oder Kalk), oft mit rostiger Umrindung, 
seltener Kalksandstein, Aggregate von Quarz, auch einzelne größeıe 
Quarze, selten Feldspate (Plagioklas) und ganz vereinzelt und selten 
eroße Glimmerflasern (siehe Tafel XXIII, Fig. 4). In einem Schliffe 


149] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 491 


wurde ein Geschiebe eines diabasischen Gesteines (gleicher Art wie 
in dem Konglomerat) gefunden. Einzelne dicke Bänke gröberer Breceie, 
wie sie in der Masner und in den bunten Schiefern nahe der Verru- 
canogrenze unter dem Hexenkopf liegen, enthalten im Gegensatze zu 
den anderen wenig Quarz, haben also ein fast ganz aus gleich- 
mäßigem Kalzitaggregat bestehendes Zement und sehr viele dicht 
gedrängte Einschlüsse des gleichen Karbonatgesteins wie die übrigen. 

Die Breceien der bunten Bündnerschiefer unterscheiden sich 
von denen der grauen kretazischen Breccienkalke durch ihre Dünn- 
schiefrigkeit, den Mangel der Crinoidenstielglieder und 
durch ihren Quarzgehalt. Jene der Bündnerkreide enthalten in 
der Regel relativ wenig Einschlüsse anderer Gesteine, ihr Zement ist 
mehr oder weniger rein kalkig und sie gehen allerorts in geschiebe- 
freie dickbankige graue Kalke über, während die der bunten 
Schiefer in feine Sandsteine übergehen. 

Mehr Ahnlichkeit besitzen sie mit den quarzreichen Breccien- 
horizonten der basalen grauen Bündnerschiefer (Arina, Hahntenn, 
Lochschrofen). Diese enthalten die gleichen Einschlüsse, allerdings 
durchschnittlich in geringerer Menge als jene der bunten Schiefer. 
Das Zement ist bei denen der basalen Schiefer mehr umkristallisiert 
(deutliche Kristallisationsschieferung).. Von den genannten Quarz- 
breccien abgesehen, neigen aber die Breccien der basalen Schiefer 
mehr zu rein kalkiger Ausbildung und nähern sich damit mehr der 
Bündnerkreide, doch kommen auch solche mit einer den Breccien der 
bunten Schiefer ähnlichen gleichmäßigen Menge von Quarz und Kalzit 
vor (zum Beispiel Val sinestra, Spiß, mit wenigen größeren und teil- 
weise sehr viel mikroskopisch kleinen Einschlüssen). Paulckes Roz- 
breccie ähnelt dort, wo sie quarzreich-sandig entwickelt ist, den Arina 
breccien, steht aber sonst durchaus den Breccien der „Bündnerkreide“ 
näher als denen der bunten Schiefer. 

Im Überblick ergeben sich also folgende grobklastische Ge- 
steinsarten: 
kalkige (Finstermünz etc.) 
quarzige (Kreuzjoch, Arina) 
Crinoidenhaltige kalkige Breceien der oberen grauen Bündner- 

schiefer (Bündnerkreide, Tristelbreccien) 


Rozbreceie Paulckes und quarzitische Ausbildung derselben und 


Minschunsbreccie Paulckes (als grobblockige Ausbildung der 
ersteren. 


A. Breccien der basalen grauen Schiefer | 


normale kalkig-quarzige 

quarzreiche, serizitische Ausbildung der- 
selben 

gsrobkörnige Dolomitbreccien (Fendels, 
Beutelkopf ete., übergehend in die erste), 


Konglomerate der bunten Bündnerschiefer mit Übergang in. die 
Breceien. 


B. Breceien der bunten 
Bündnerschiefer 


Die zweitangeführte Abart der Breccien der bunten Serie ist 
durch stärkeren Quarzgehalt ausgezeichnet, indem sie Quarz nicht nur 
g* 


492 Wilhelm Hammer. isch [50] 


im Bindemittel, sondern auch reichlich in größeren Körnern als 
klastische Komponente führt. Sie ist auf den Schieferungsflächen 
stark mit Serizit belegt, im Querbruch weiß-gelblich. Im übrigen ent- 
hält sie auch die Karbonatfragmente wie die anderen. 

Wir kehren wieder zur Schilderung der Schieferzonen zurück: 

In gleicher Weise wie weiter östlich sind auch im Stubental 
und auf der Fließeralm weit verstreut einzelne Linsen von Kon- 
slomerat eingeschaltet, so an der Blauwand, am Pfundser Ochsen- 
berg, unter P. 2827 (Masner), auf der Fließeralm u.a. O. Die größte 
derselben (Pfundser Ochsenberg) hat eine Längenerstreckung von etwa 
300 m, bei einer Mächtigkeit von 10 bis 20 m. Jene an der Südseite 
der Blauwand besitzt schätzungsweise 100 m Länge und 30 m Mächtig- 
keit. Meist sind sie aber bedeutend kleiner, bis zu wenigen Meter 
Erstreckung. Die Gerölle sind größtenteils gut gerundet, manchmal 
auch nur kantengerundet, duchschnittlich nuß- bis eigroß, oft aber 
auch kopfgroß und noch größere kommen vor. Die meisten bestehen 
aus dunkelgrauem, ungeschichtetem Dolomit und ebensolchem Kalk, 
andere aus grünem Tonschiefer, Quarz, Quarzit, Verrucanogesteinen, 
sehr selten Gneis (Pfundser Ochsenberg und Matschiberle-Sattel), 
außerdem an der Blauwand auch dichte grüne Gesteine, welche im 
Schliff als ein sehr feinkörniges, diabasisches Gestein, beziehungsweise 
als feinfaseriger Grünschiefer sich zu erkennen geben. 

Das Bindemittel ist metamorph, serizitführend, im Querbruch 
weiß feinkristallinisch kalzitisch, seltener schwach metamorph und mehr 
sandig. Das Konglomerat am Pfundser Ochsenberge geht lagen- 
weise in die oben beschriebenen feinen Breccien über, 
ebenso geht das Bindemittel des Konglomerats im Schloßwald (Kauner- 
tal) durch Einstreuung kleiner eckiger Dolomitbröckelchen in eben- 
solche Breccien über. Im Schliff erscheint das Zement des letzteren 
Vorkommens als feinkörnige, sehr quarzreiche Breccie, gleich den 
Breccien im Stubentale !). 

Charakteristisch für die Serie in der Erstreckung westlich vom 
Pezidkopf und Arrezjoch sind die — im östlichen Teil seltener 
oder weniger typisch entwickelten — braunen feinsandigen Kalke und 
Kalkschiefer. Sie sind auch im Querbruch bräunlich (rötlichbraun), 
die Schieferungsflächen fleckig, teils mit grünlichem Serizit über- 
streut, größtenteils aber braun, sandig, fein gerauht, oft wellig oder 
wulstig. Daneben kommen dann rein kalkige, dünnschiefrige Gesteine 
vor und die gelben, serizitbestreuten Kalkschiefer wie im Osten, 
seltener flaserig-bankige, gelbliche Kalke; ferner häufig dünntafelige, 
oft wellig verbogene grüngraue oder bräunliche, sehr feine Sandsteine, 
oft von Narben und Rissen durchzogen. Sie erinnern sehr an die 


!, In Rücksicht auf die von Kober in den Mitteilungen der geologischen 
Gesellschaft in Wien 1912, S. 47 (Separatabdruck) geäußerte Vermutung, daß die 
polymikten Konglomerate (in dem burten Bündnerschiefer) nichts anderes seien 
als die Schwarzeck-Breccien der Radstädter Tauern, also nach Kober tektonische 
Bildungen, muß bemerkt werden, daß diese Konglomerate die typische Form der 
Sedimentärkonglomerate an sich tragen, weshalb ich auch eigens den Namen 
Konglomerate und nicht Breceicn für dieselben gebrauche. Auch die Art ihres 
Auftretens spricht gegen eine tektonische Erklärung. 


[51] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 493 


helmintoidenführenden Flyschschiefer des Fimbertals und ich be- 
obachtete in der Masner nördlich der Gseßschneid auch Lagen mit 
stark den Helmintoiden ähnlichen, langgestreckten, dünnen Wülsten 
auf den Schichtflächen. Deutliche Bildungen dieser Art wurden aber 
nieht gefunden. 

Die Tonschiefer sind gleicher Art wie östlich, besonders die 
milden lichtgrünen. 

Ein häufiges, wenn auch nicht mächtiges Gestein, das in seiner 
Stellung zu dieser Serie nicht ganz sicher ist, und auclı vom östlichen 
Bereiche schon erwähnt wurde, sind grüne serizitisch-tonige Gesteine 
mit sehr viel und großen rauhen, löcherigen Quarzknauern - und 
Knollen. Sie scheinen besonders am Rande der Serie aufzutreten 
(Frudigerkamm). Beim Zerfall derselben bleibt die Humusdecke 
überstreut von den übrigbleibenden Quarzknauern. 

Am Südgrat von P. 2827 (nördlich des Minderskopfes) sind in 
engem Verbande mit den typischen Gesteinen dieser. Serie auch 
schmutzig dunkelgrüngraue Quarzite und quarzitische Schiefer ent- 
wickelt. 

Auch in diesem westlichen Bereiche treten wieder dort und da 
kleine, wenig ausgedehnte Lager von sehr stark verschieferten Dia- 
basen und diabasisch- sedimentären Mischgesteinen auf: Fein gefäl- 
telte Schiefer, in der Farbe zwischen dunkelgrün und dunkelviolett 
vielfach wechselnd, oft mit dünnen kalkigen Lagen (besonders rand- 
lich). Es wurde schon im „Querschnitt“ erwähnt, daß gerade unter 
diesen kleinen Diabaslagern sich öfter solche mit Relikten einer Mandel- 
steinstruktur finden (z. B. nördlich Arrezjoch, nördlich P. 2854 des 
Frudigerkamms, östlicher Fließerberg, Chant d’alp trida usw.). 

In dem Profil über das Arrezjoch und den Pezidkamm sin. 
nur wenige Breccienbänke zu sehen. Es herrschen hier und am 
Pezidkamm die verschiedenen braunen kalkig-sandigen Schiefer, Kalk- 
schiefer und flyschähnliche Lager. Im Masnertal nimmt die Serie 
aber rasch einen stark klastischen Charakter an: am Minderskopf 
und P. 2827 nördlich davon sind in allen Zonen dieser Schiefer Jie 
Breccien in sehr zahlreichen Lagen entfaltet. Ebenso sind auch noch am 
Frudigerkamm (zwischen Pfundser Ochsenberg und Fließeralm) 
die Breceien noch in besonderer Häufigkeit anzutreffen. Auf der 
Fließeralm geht zunächst ihre Ausbreitung wieder zurück, da am 
östlichen Fließerberg nur noch drei oder vier Zonen von brecciösem 
Charakter die Schieferfolge durchziehen, nimmt aber gegen Westen 
gleich wieder ihre breite Entfaltung an; am Malfragkamm baut. sich 
ober den tonigen und sandigen Schichten des Matschiberlesattels eine 
mächtige Folge der typischen Breccien. dieser Serie auf, welche oben 
durch Wechsellagerung in Flyschschiefer übergeht. Sie setzt sich in 
ähnlicher Ausbildung zum Kamm Munt da Cherns—Grübelekopf fort, 
wo südlich des P. 2716 die Breccienzonen durchstreichen, In den 
höheren und auch in den tieferen Lagen sind hier mehrfach ganz 
kleine Linsen von gröberem Konglomerat eingeschaltet u das 
unten genau ausgeführte Schichtverzeichnis). 

Gegen Westen hin streicht die Zone dann über die Alp bella 
und die Salaseralm zum Inneren Viderjoch und erreicht 


494 Wilhelm Hammer. [52] 


über dem Zeblespaß und den Piz da val gronda das oberste 
Fimberta]l.. Alle charakteristischen Gesteinsarten des tirolischen 
Bereiches sind auch hier wieder anzutreffen: die grünen Tonschiefer, 
die quarzknauerigen Serizitschiefer, die braunen und die gelblichen 
feinen kalkig-sandigen Schichten, die „flyschähnlichen* feinen, dünn- 
tafeligen Sandsteine, ferner die dünnschieferigen Breccien, hier be- 
sonders die quarzführenden; auch Konglomeratlager finden sich. 
Charakteristisch für die Entwicklung am Viderjoch ist die starke 
Entfaltung von Quarziten, teils dickbankig, teils feinschieferig und 
vielfach wechsellagernd mit grüngrauen feinsandigen Schiefern; also 
wieder eine Fazies, ähnlich der am Sattelkopfkamm. Am Piz da val 
gronda treten sie schon wieder ganz zurück und es überwiegen 
wieder die verschiedenen Ton- und Serizitschiefer und Sandsteine. :' 


Die Aufstellung einer bestimmten zeitlichen Schichtfolge inner- 
halb der Serie wird durch den lebhaften Gesteinswechsel erschwert, 
vor allem aber durch die stark gestörten Lagerungsverhältnisse 
wertlos gemacht, infolge welcher kein Profil sicher als Normalprofil 
angesprochen werden kann. | 

Um ein genaues Bild des Gesteinswechsels innerhalb eines 
Profils zu geben, seien als Beispiele hier noch drei zusammen- 
hängend aufgeschlossene Profile im einzelnen, von unten nach oben, 
aufgezählt. 


1. Profil durch die „bunten Bündnerschiefer“ am 
Ostgrat des Furgler: 


Grüngelbe Kalkbänkchen, 

gelbliche Kalkschiefer und graue Kalkphyllite (mächtig), 

grüngelbe Kalkbänkchern, wechselnd mit grauen und violettgrünen Phylliten, 

braun anwitternde Kalkschiefer, knollig-flaserig, intensiv verquetscht, manche 
Lagen mit schmutzig grünlichem Tonbelag, nach unten auch graue Phyllite, 

graue und gelbliche dünnblättrige Kalkschiefer, 

graue kalkige Schiefer und Phyllite, gelbliche und weiße kalkige Schiefer 
mit Serizitbelag; in diesem Komplex eine Breccienbank, 

grüngraue Quarzknauerschiefer und dünnblättrige grünlichgraue Kalkphyllite 
und auch saudige Schiefer; 

Gesamtmächtigkeit ungefähr 300 m. 


2. Profil über den P. 2827 im Kamme zwischen Masner und 
Pfundser Ochsenberg: 


Sandig-tonige Schiefer, 

braune, seltener graue Kalkschiefer, rötlichbraun anwitternd oder mit grün- 
lichem serizitischem Überzug, oft narbig, fleckig, 

ein paar Bänke dickbankigen hellgrauen Kalkes, übergehend in serizitbelegte 
bräunliche Bänke, 

Gips, 

lichtgrüne Tonschiefer und gelbkalkige, serizitbelegte Bänkchen, 

Gips, 

braune, grünserizitische Kalkschiefer, 

Schuppe von Verrucano (weißer Quarzfels und Serizitquarzit) 4—5 m, 

braune kalkige und kalkig-sandige Schiefer mit vielen Bänkchen sehr 
feinkörniger Breccie, ferner schmutziggraue dichte Quarzite und „flyschähnliche* 
Schiefer, 


[53] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberiuntal, 495 


Schuppe von Verrucano (grüne Serizitquarzite und violette Serizitquarz- 
schiefer, 2—3 m), 

braungrüne sandig-kalkige Schiefer, feinsandige Breccienbänke, graugrüne 
Tonschiefer und schmutzig dunkelgrüngraue Quarzite und quarzitische Schiefer, 
fiyschähnliche Schiefer, 

kalkreicher Diabasschiefer, 

grüne serizitische Schiefer mit braunen kalkigen Flasern, nach oben in 
kalkige Schiefer übergehend, 

Flyschschiefer (dünnblättrige, feinsandige Schiefer mit Wülsten und Rissen) 
und in ihnen einzelne Breccienbänke und braune kalkig-sandige Schiefer. 


Daran schließt sich das weiter unten besprochene Grenzprofil 
gegen den Verrucano, am Sattel nördlich des P. 2827. Mächtigkeit 
von der oberen Verrucanoschuppe bis zur hangenden Verrucanogrenze 
ungefähr 230 m. 


3. Profil vom Joch Spadlas nördlich des Munt da Cherns 
bis zum P. 2716: 


(Rauhwacke und Gips), 

braunkalkige Schiefer mit grünlichen Flecken auf den Schichtflächen, 

grüne, schwarze, graue Tonschiefer, 

sandige Schiefer und feine Breccien, 

Tonschiefer, 

schwärzliche Quarzitbänke mit schwarzen Tonschieferschmitzen, 

kalkig-tonige Schiefer und helle Kalkbänke, 

Breccien, 

Quarzit, 

kalkig-tonige Schiefer, 

feine Breceien und braune kalkig-sandige Schiefer mit feinschiefrigen Zwischen- 

lagen, feine Breccien (Konglomerate) mit nußgroßen, gut gerundeten Dolomit- 
geröllen, 

blaugraue Tonschiefer, 

Bänke von dunkelgrauer kalkiger Breccie, in Kalkbänke übergehend, den 

Kalken der „Bündnerkreide“ gleichend, 

branunsandige Schiefer mit einzelnen Breccienbänken und einer Lage von 
grobblockigem Konglomerat, 
. Zone mit besonders vielen Breccienbänken, braunsandige Schiefer, 

„Flyschähnliche“* braunsandige Schiefer und Tonschiefer mit kalkigen 
Bänken und ganz kleinen Konglomeratlinsen, j 

grüne Tonschiefer, vereinzelte Breccienbänkchen, 

(Verrucanoschuppe d. P. 2716); 

Gesamtmächtigkeit etwa 500 m. 


Der hohe Kalkgehalt der Schieferserie äußert sich darin, daß 
die austretenden Wässer vielfach Kalksinter abgesetzt haben. Die 
Schieferzonen werden von zahlreichen größeren derartigen Bildungen 
begleitet; in der südlichen Zone liegen solche im Schloßwald, NO 
unter dem Burgschrofen, am Fahrweg nach Fendels, bei der Lourdes- 
kapelle am Inn gegenüber Ried, im Serfauserfeld, am Weg nach 
Komperdell, in der Masner. In der nördlichen Zone, jene bei Ladis, 
Obladis, Fisser Ochsenalm, Fließeralm, dagegen ist mir aus den 
übrigen Gesteinen des Bündnerschieferbereichs (österreichischer Teil) 
nur ein größeres Kalksintervorkommen (Kälbermais bei Pfunds) be- 
kannt geworden. Es scheint also trotz des höheren Kalkgehaltes der 
basalen Bündnerschiefer, der Bündnerkreide und Triaskalke leichter in 


496 Wilhelm Hammer. ! [54] 


den bunten Schiefern zur Lösung und Absetzung des Kalkes zu 
kommen. Das Zusammenvorkommen des Sinters und der Schiefer- 
serie ist ein.so ständiges, daß man bei weiterer Untersuchung sich 
selten täuscht, wenn man aus dem Vorkommen der ersteren auf das 
der Schiefer schließt. Im Schweizergebiet wird die Schieferzone 
Schuls—Crusch von Kalksinterbildungen begleitet. Nähere Bestim- 
mungen über die örtliche Zugehörigkeit der zahlreichen Kalktuff- 
bildungen, : welche im schweizerischen Inntal nach Tarnuzzers 
Angabe außerdem noch vorkommen, stehen wir nicht zur Verfügung; 
ein Teil derselben sind Absätze der Mineralquellen von Tarasp-Schuls. 


B. Über das Alter der bunten Schiefer. 


Näher bestimmbare Fossilien sind bisher in diesen Schiefern 
nicht gefunden worden. In den Dünnschliffen der Breccien beobachtet 
man nicht selten unregelmäßig umgrenzte, länglichrunde Körper 
(bis zu 2 mm Größe), welche von zahlreichen, manchmal dicht- 
gedrängten Röhrchen (kreisrunde und ovale Querschnitte ohne Poren) 
durchzogen sind (siehe die Zeichnung Fig. 6) ohne erkennbare Ordnung. 
Vielleicht handelt es sich um irgendwelche Hydrozoenskelette, manche 
Schnitte erinnern auch an periphere Anschnitte von Großforaminiferen, 
andere an Bruchstücke von Gesteinen mit verschiedenen Mikrofaunen- 


Fig. 6. 


elementen. Die gleichen organischen Reste fand ich auch in der Roz- 
breccie (Schliff von Piz Tasna) und ebenso auch in einer kalkigen 
Breceie der basalen grauen Schiefer am Salezjoch und in der Quarz- 
breccie am Kreuzjoch. 

Einen Anhaltspunkt für die Altersbestimmung bilden die Ge- 
rölle in den Konglomeraten und die Bestandteile der Brececien. Die 
ersteren enthalten Gerölle von Verrucano, in großer Menge solche 
von dunkelgrauem zuckerkörnigem Dolomit und von dunkelgrauem 
Kalk, welche beide den Gesteinen der Trias vollkommen gleichen. 
Ebenso können die kleinen Dolomitfragmente in den Breceien kaum 
aus einer anderen Schichtgruppe abgeleitet werden, da nur in der Trias 
hier solche Dolomite vorkommen. Da die Konglomerate (und Breccien) 
zweifellos primäre Glieder der. Schieferserie sind, so muB diese 


en a 


[55] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 497 


ober- oder posttriadisches Alter besitzen. Die übrigen Gerölle 
gewähren keine weiteren Anhaltspunkte, da unter den enthaltenen 
„Bündnerschiefern* keine typischen Gesteine, etwa der basalen 
Schiefer beobachtet wurden und die seltenen Grünsteingeschiebe aus 
tieferen Teilen der bunten Schieferserie sein können. Bemerkens- 
wert ist, daß Gneis (oder andere kristalline Schiefer der Ötztaler 
und Silvrettagruppe) nur äußerst selten anzutreffen ist, die jetzt so 
nahe liegenden Gneismassen also zur Zeit der Ablagerung der Breccie 
entweder unter den jüngeren Sedimenten begraben oder in einer ent- 
fernteren Lage gewesen sein müssen. 

Die Zonen der bunten Schiefer werden über ihre ganze Er- 
streckung vom Kaunertal bis zur Alp bella von Kalken und Dolomiten 
der Trias (siehe oben) begleitet, welche in zahllose Schollen auf- 
gelöst sind. Es kommen solche überhaupt mit wenigen Ausnahmen 
(Stammer!) nur in oder an den Schieferzonen vor. Sehr oft begleiten 
sie den Rand der Schieferzonen und dies gilt besonders von den 
großen Triaslagern am Frudigerkamm, Fließeralm, ober Fiß und 
Burgschrofen, welche an den Rändern breiter Schieferzonen liegen, 
bei Gufer-Faggen, wo große Triasmassen am Rande schmälerer 
Schieferzonen liegen. In schmalen (tektonisch verschmälerten) Schiefer- 
zonen mit sehr stark zerstückelten Triasschollen, wie in der Masner und 
a. O., liegen diese auch mitten in den Schiefern oder nahe dem 
Rande derselben in den angrenzenden Kreidekalken (Gmeier). Wo 
solche ohne begleitende Schieferzone im Kalkschiefer liegen, können 
die Schiefer auch tektonisch ausgeschaltet worden sein (Munt da 
Öherns, Piz Minschuns). 

Während die südliche der beiden Schieferzonen des Nordrandes, 
beziehungsweise ihre Teilzonen, nur ausnahmsweise mit Verrucano 
in Verband tritt (Riesenköpfe), läuft die nördliche Schieferzone fast 
durch den ganzen österreichischen Teil hin an der Seite eines Verrucano- 
zuges fort und wird im Stubental beiderseits von einem solchen be- 
grenzt, abgesehen von kleineren tektonischen Schuppenbildungen mit 
Wiederholung des Verrucano. 

Dabei tritt an der Grenze mehrfach ein Ineinandergreifen der 
Schichten dergestalt ein, daß entweder einzelne Bänke und Lager 
des Verrucano im bunten Schiefer oder einzelne Züge letzterer im 
Verrucano eingeschaltet sind. 

An dem Joch P. 2740, zwischen dem Hexenkopf und P. 2827 
liegt von Süd gegen Nord auf der geschlossenen Serie der dünn- 
tafeligen feinen Sandsteine und braunen Schiefer mit Breccienbänken 
zuerst ein gering mächtiger Zug von weißem Serizitquarzit (siehe Profil 
Figur 7, 1), also Verrucano, dann grüne und braune Schiefer mit 
Quarzknauern (2), den Schiefern der bunten Serie sehr ähnlich, dann 
(3) schwarze, metallisch anlaufende Tonschiefer und Phyllit, darüber 
(4) eine Bank gelbbrauner Kalkschiefer — nun wieder weißer Serizit- 
quarzit (5), dann eine Lage violetten Schiefers (6) und eine Bank (7) 
von gelbbräunlichem Kalkschiefer, wulstig auf den Schichtflächen und 
darüber wieder weißer Serizitquarzit, der an die große Verrucano- 
masse (3) unmittelbar anschließt. Ober derselben, am Ausgang des in 
die Südseite des Hexenkopfs eingebetteten Kares findet sich 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer.) 64 


498 Wilhelm Hammer. . [56] 


zwischen den Moränen ein größerer Aufschluß, an dem man einerseits 
Verrucano, anderseits die bunten Schiefer sieht, dazwischen zwei aus- 
keilende schlierenförmige Streifen der Schiefer, parallel der Schicht- 
grenze, von 1/; m Breite ungefähr, nahe nebeneinander im Verrucano 
(weißer oder blaßgrünlicher Serizitquarzit), der am Rand eine feine 
Zicekzackfältelung zeigt. 

Das umgekehrte Verhältnis kann man am Nordfuß der Gseß- 
schneid (Stubental) sehen, nahe südlich über dem vom Minderskopf 
kommenden Bachgraben, im untersten Teile desselben: hier liegen 
kleine Schmitzen von weißem Serizitquarzit in den braunen Kalk- 
schiefern. Der nächste zusammenhängende Verrucanozug liegt erst 
nördlich des Baches. Weiter aufwärts, bei der ersten Teilung des 
Baches, sieht man weißen Serizitquarzit und braune kalkige Schiefer 
(mit Serizitbelag) mehrfach miteinander wechsellagern bei engstem 
Verband der beiden Gesteine miteinander. 


Fig. 7. 


\ Ne 5 nn n N $ 6% > 


> N 


Verrucano-bunte Bündnerschiefer, Grenzzone nördlich P. 2827 (Hexenkopt, Südfuß). 
(Erklärung im Text.) 


Eine besonders enge Verknüpfung beider Gesteinsgruppen ist 
ferner oberhalb Fiß am Weg zur Fisser Alm und in der großen 
Felsnische über den Wiesen zu beobachten (siehe Figur 5). Die Unter- 
scheidung wird hier noch erschwert dadurch, daß der Verrucano 
nur an wenigen Stellen in der typischen Form entwickelt ist, sondern 
meist in Gestalt der dunklen rostfleckigen Phyllite. Zu deu „bunten 
Bündnerschiefern®* rechne ich die milden grünen Tonschiefer mit 
bräunlich kalkigem Querbruch. Diese sind auch hier von den Verru- 
canophylliteu deutlich abgegrenzt und Übergänge oder Mischgesteine 
nicht erweisbar. Kalkgehalt und die Kristallinität, bzw. der Mangel 
einer solchen in den Tonschiefern, sind Unterscheidungsmittel. Die 
Phyllite umschließen eine große Linse von Eisendolomit (am Wiesen- 
zaun, unteres Ende der Felsnische). Eine Stelle, welche am ehesten 
noch eine wirkliche stoffliche Vermengung der beiden Gesteinsarten 
in kleinstem Ausmaße aufweist, zeigt die Zeichnung Figur 8 (oberstes 
Profil in Figur 5, 5-1 ph). 

Von unten nach oben folgen: 

1. milde lichtgrüne Tonschiefer, 

2. ein 4—5 cm starkes Bänkchen von dunkelbraunem (eisen- 
schüssigem) Kalk, 

3. dunkle (Verrucano-) Phyllite, 


ern 


[57] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 499 


4. wieder ein Bänkchen des braunen Kalkes, 

5. hellere und 

6. dunklere Phyllite (im ganzen 2—3 m Phyllite), 

7. 1, m milde lichtgrüne, braunfleckige Tonschiefer mit kalkigen 
Lagen und Kalzitadern, 

8. dunkle Phyllite mit großen Quarzknollen. 


An der unteren Grenze enthalten sie auch brauneisenstein- 
haltige kalkige Flasern (7a) und ähnliche Flasern enthält auch der an- 
grenzende Tonschiefer. Ebenso sind den untersten Lagen von 3 solche 
beigemengt (2a). 

Das Auftreten der eisenschüssigen Kalke läßt sich wohl mit 
dem benachbarten Eisendolomit in Beziehung bringen. 


Fig. 8. 


Detailprofil aus dem Westrand der Fißer Felsnische. 


(Erklärung im Text.) 


Am Südgrat des P. 2827 (nördlich Minderskopf) sind zwei je 
nur ein paar Meter mächtige Schichten von Verrucano in die hier 
sehr mächtige nördliche Schieferzone tektonisch eingeschaltet (Gleit- 
bretter, im Sinne Spitz’) und quer über den ganzen Berg hin im 
Streichen zu verfolgen. Ahnliches beobachtet man an der Ostseite 
des Frudigerkamms, am Arrezjoch u. a. ©. 

In gleicher Weise dürften meines Erachtens die beschriebenen 
Wechsellagerungen an der Grenze tektonisch zu erklären sein. Ein 
wirklicher Übergang der einen Gesteinsart in die andere ist nicht 
zu beobachten. Bei der schlierigen Ineinanderschaltung unter dem 
Hexenkopf z. B. sind die Grenzen beider ganz scharf. Schwerer ist 
die Grenze beider dort festzulegen, wo die Schieferserie in quarz- 
reichen Gesteinen entwickelt ist und die Quarzserizitgesteine an der 
Grenze auftreten, wie dies am Sattelkamm der Fall ist, oder wo im 
Verrucano Phyllit stark entfaltet ist, weil solche auch in den bunten 
Schiefern in ähnlicher Form vorkommen, z. B. bei Zebles und 
Salas, Fiß. 

Ein anderes Verhältnis von Verrucano, bzw, Bundsandstein und 
buntem Bündnerschiefer scheint bei einem Vorkommen an der Ost- 
seite des Malfragkamms, bei den südlichen Liasklippen zu be- 


64* 


500 Wilhelm Hammer. i [58] 


stehen. Wir sehen hier am Rande einer Zone von Buntsandstein 
(siehe die Kartenskizze Figur 19) an dem in Figur 9 abgebildeten 
Felsen zunächst: 


1. Rötlichen feinen Quarzsandstein (auch etwas serizithaltig), 

2. weißen grobkörnigen Quarzsandstein (weiß anwitternd), stellen- 
weise in Quarzfels übergehend — beides deutlicher Buntsandstein, 
dann folgen 

3. dicke, gelb oder bräunlich anwitternde Bänke eines kon- 
slomeratischen Gesteins mit kalkiger Grundmasse, welches 
teils so dicht mit groben Quarzkörnern erfüllt ist — darunter auch 
weinrote Quarzkörner, wie sie sonst für den Verrucano charakte- 
ristisch sind —, daß es sehr dem Verrucano ähnlich sieht, aber da- 
neben auch einzelne Dolomitgerölle enthält. Zum Teil aber überwiegt 
die Kalkgrundmasse bei weitem, so daß ein Kalk mit Dolomitgeröllen 


Verrucano und kalkiges Konglomerat östlich Malfrag. 


(Erklärung im Text.) 


und Quarzkörnern vorliegt. Beide Arten sind in derselben Gesteins- 
bank nebeneinander mit Übergang vorhanden, auch unmittelbar am 
Rande gegen den Verrucano; hier tritt auch Pyrit in geringer 
Menge auf, 

4. Bänke mit großen Quarzgeröllen und großen Dolomitgeröllen 
(4—-5 cm), dazwischen Lagen von feinem, gelblichem sandigem Kalk, 

5. grüne und graue, milde blättrige Tonschiefer, 

6. durch eine kleine Schuttgasse davon getrennt wieder weißer 
Quarzsandstein. 


Der ganze Felsen von 1—5 ist quer zum Streichen etwa 3 m 
mächtig; 2 und 3 stehen vollkommen konkordant nebeneinander, an 
der Schichtfuge scharf getrennt, aber ohne daß irgendwelche Spuren 
einer tektonischen Nebeneinanderschaltung aufzufinden wären. 

Trotzdem man sich hier in einer der stärkst zerrütteten Zonen 
befindet, erweckt die Art des Kontaktes und vor allem die Ein- 
streuung der Quarzkörner den Eindruck eines stratigraphischen Ver- 
bandes von Buntsandstein und buntem Bündnerschiefer, einer Trans- 


[59] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 501 


gressionsbildung mit Geröllen von zerstörten Triasdolomiten und dem 
Buntsandstein entnommenen Quarzgeröllen und Körnern. 

Ein- Schliff aus Schichte 3 zeigt unter dem Mikroskop, daß die 
kalkige Grundmasse bereits völlig in ein richtungslos kleinkörniges 
Kalzitaggregat umkristallisiert ist. In dieser schwimmen zahlreiche 
sroße Quarzkörner und Körner aus Aggregaten von Quarz, von rundlichem 
oder geschlossen eckigem Umriß, welche teils Kataklase zeigen, teils 
vollständig frei davon sind. Neben den Quarzen finden sich selten 
auch Einschlüsse dichten Kalkes, ferner ein Stück jenes hydrozoen- 
ähnlichen Fossils, welches oben aus der Breccie der bunten Bündner- 
schiefer und der Rozbreccie beschrieben wurde (Figur 6), auch ohne 
Zeichen einer mechanischen Beanspruchung. Um die Quarzeinschlüsse 
herum ist der Kalzit als langstengliger Saum auskristallisiert (Stengel 
ungefähr senkrecht zum Quarzrand), vielfach umgibt aber die Quarze 
zunächst eine Rinde von analogen stengeligen Quarzen, welche dann 
mit den Kalziten ineinandergreifen — es beginnt hier also eine ähnliche 
Aufzehrung der Einschlüsse durch Umkristallisation wie bei der Tüpfel- 
schieferbreccie und wie dies auch gelegentlich an den anderen Breccien 
der Bündner Schiefer zu sehen ist. — Soweit die Umkristallisation 
einen Rückschluß erlaubt, spricht dieser für sedimentäre Transgres- 
sionsbildung. 


In gleicher Weise, wie mit dem Verrucano in den früher auf- 
gezählten Fällen vermengen sich die typischen Gesteine der „bunten 
Schiefer“ im westlichen Gebiet, besonders im Fimbertal (Piz da Val- 
gronda u. a. O.) mit einer hier stark vertretenen Art dünntafeliger, 
kalkigsandiger und toniger Schiefer, welche Fucoiden führen und 
deren Schichtplatten stellenweise mit Helmintoiden dicht bedeckt 
sind; doch läßt sich aus den Fucoiden keine sichere Altersentscheidung 
— ob kretazisch oder tertiär — ziehen. Die Ineinanderschiebung beider 
Schieferserien dürfte in diesen Gebieten wahrscheinlich auch eine 
tektonische sein, zudem wir uns hier in nächster Nähe der höchst- 
gestörten Zone — jener des Lias — befinden. 

Ein Zug solcher Fucoidenschiefer zieht von Westen her zum 
Islitzerjoech; am Kamm Grübelekopf—Cherns erscheinen sie im 
Hangenden der Kreide nördlich der „Kirche“ und sind mit den Kreide- 
kalken durch vielfache Wechsellagerung stratigraphisch verbunden. 

Am oberen Malfragkopf, zwischen Diabas und Kreidekalk: zieht 
ein diesen Fucoidenschiefern sehr ähnlicher Schieferstrich durch, be- 
stehend aus feinsandigen, dünnblättrigen, grüngrauen Schiefern mit 
Rissen und Narben auf den Schieferungsflächen, teilweise auch knollige 
grüngraue Sandsteine und mit einzelnen Brecceienbänken gleich jenen 
der bunten Schiefer. 

Auch am vorderen Malfrag (2652 m) erscheinen wieder diese 
Schiefer, hier durch Wechsellagerung mit den unterliegenden bunten 
Schiefern, beziehungsweise deren Breccien verbunden. 

Diese Schieferart ist nun auch weiter östlich noch mehrfach 
in der Serie der „bunten Schiefer“ enthalten und wurde bei der 
obigen Beschreibung mit dem wenig präzisen Namen „flyschähnliche 
Schiefer“ (der an ihr Jüngeres Alter erinnern sollte) aufgeführt, mit 


502 Wilhelm Hammer. . [60] 


dem Verdachte, daß hier vielleicht nicht zur Serie gehörige Beimen- 
gungen vorliegen könnten. Ihre Abgrenzung gegenüber den anderen 
Gesteinen jener Serie ist aber durchwegs eine sebr undeutliche. So 
sind sie gut nördlich von P. 2854 und P. 2827 beiderseits des Pfundser 
Ochsenbergs (Stubental) entwickelt, ebenso auch am östlichen Fließer- 
berg, überall im Hangenden der Schieferserie und begleitet von 
grünen Quarzserizitgesteinen. An der Nordseite von P. 2827 verfließen 
sie im Streichen mit den anderen „bunten Schiefern“. Fast alle 
Schieferzonen des Stubentals führen Lagen von petrographisch gleichen 
Schiefern. Eine kartographische Ausscheidung ist nur in einzelnen 
Fällen, wo sie größere Mächtigkeit erlangen möglich (siehe Karten- 
beilage). Weiterhin findet man sie am Pezidkamm und in Lawens, 
von hier gegen NO werden sie selten, kommen aber immerhin an 
einzelnen Stellen, z. B. ober Fendels, zum Vorschein. 

Die diesen Schiefern auf der Nordseite von P 2827 (Stubental) 
eingeschalteten Breceienbänke sind makro- und mikroskopisch von 
den Breccien der bunten Schiefer nicht zu unterscheiden. Sie liegen 
aber nahe der ganz unsicheren Grenze der beiden Schieferarten. 

Inwieweit bei diesen Vorkommen „flyschähnlicher“ Schiefer nun 
tektonische Einschaltung oder stratigraphischer Verband vorliegt, ist 
bei der innigen Durcheinandermengung verschiedener Schichtglieder in 
manchen Zonen schwer festzulegen und hängt vor allem von der 
Alterszuordnung der bunten Schiefer selbst ab. 


Über Altersfolge und Fazies der gesamten Schichtreihe. 


Von den sämtlichen Schichten des Gebietes stimmen in ihrer 
faziellen Ausbildung Verrucano, Trias, Rhät und Lias mit den benach- 
barten nördlichen Kalkalpen und den Münstertaleralpen im wesent- 
lichen überein und lassen sich zwanglos den entsprechenden Schichten 
dieser Gebiete anreihen. Dagegen verweisen die Bündnerschiefer 
in erster Linie auf das Faziesgebiet von Mittelbünden und Prättigau; 
es ergaben sich aber auch Beziehungen zur Kreide der Lechtaleralpen. 

Daß wir es im ganzen nicht mit tektonisch gemischten Schicht- 
reihen zweier verschiedener Faziesgebiete, sondern mit der For- 
mationsreihe eines Ablagerungsraumes zu tun haben, dafür spricht 
der Zusammenhang, welcher zwischen Bündnerschiefer und 
Trias durch die Breccien hergestellt wird. Die bunten Bündner- 
schiefer erhalten durch die starke Beteiligung sedimentärer Breccien 
und der kalkig-sandigen Schiefer den Charakter einer küstennahen 
Ablagerung, ähnlich wie dies für den Flysch angenommen wird (siehe 
u. a. Zuber’s Vergleich der Flyschfazies mit den Küstenablagerungen 
an der westafrikanischen Küste 1). Vor allem spricht dafür aber die 
Einschaltung einzelner „Linsen grober Konglomerate: Materiale 
welche an den Mündungen kleiner gefällsstärkerer Flüsse in das 
allgemeine feinere klastische Sediment hineingeschwemmt wurden. 


') Zuber R., Geolog. Beobachtungen aus Westafrika. Verhandl. d. k. k. 
geol. R.-A. 1911, S. 97, und die früheren Arbeiten desselben Autors in Zeitschr. 
f. prakt. Geol. 1901 und Verhandi. 1904. 


[61] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 503 


Die Zusammensetzung der Konglomerate bedingt ein Erosionsgebiet, 
dessen Oberfläche in erster Linie aus Trias, dann aus Verrucano und 
nur sehr selten aus Gneis bestand. Diese Annahme hat meines Er- 
achtens mehr Wahrscheinlichkeit für sich, als jene, daß auf rein tek- 
tonischem Wege in die Nähe der jetzt hier bestehenden Zonen 
von Verrucano und Trias Konglomerate gerückt worden seien, welche 
gerade die gleichen Gesteinsarten enthalten wie jene Zonen. 

Wenn wir demnach alle Schichten in eine Schichtreihe _ein- 
ordnen, so haben wir in dieser Verrucano durch lithologische Eigen- 
schaften, Trias, Rhät, Lias, untere Kreide und wahrscheinlich auch 
Tertiär durch Fossilien festgelegt; für die Einstellung der bunten 
Schiefer — und der basalen grauen Bündnerschiefer, wenn man 
diesen ein größeres Alter als den Crinoidenkalken zumuten will — 
bleiben mehrere Möglichkeiten offen: 

1. Man kann die bunten Schiefer für älter als die grauen 
Bündnerschiefer ansehen. Sie wären dann möglicherweise der 
karnischen Stufe (Raiblerschichten der Nordalpen) äquivalent (Gipse!), 
ein Teil der Dolomite untertriadisch, die Dolomitkomponenten der 
Breccien stammten größtenteils aus aufgearbeiteten älteren Trias- 
dolomiten. Mehr Wahrscheinlichkeit schiene mir aber die Einrückung 
in den Jura zu haben, als Transgression über der gesamten Trias 
und dem unteren Lias (Konglomerate als „Liasbreccien“ gedeutet), 
wobei die basalsten Teile der grauen Bündnerschiefer auch noch in 
den Jura herabreichen könnten. 

Oder die bunten Schiefer könnten auch Trias und Jura ver- 
treten. 

Diesen Alterseinordnungen steht der Umstand erschwerend 
gegenüber, daß die bunten Schiefer tatsächlich nur im Hangenden 
der Hauptmasse der grauen Bündnerschiefer und zwischen den 
Bündnerkreidezügen anstehen und auch in den tiefsten Aufschlüssen 
der zentralen Aufwölbung (Stubental, Schalklbach, Val sinestra) nicht 
mehr unter den grauen Bündnerschiefern zum Vorschein kommen. 

Spitz und Dyrenfurth beschreiben nun allerdings aus 
dem südlich des Inn liegenden Gebiete Schuls—Ardetz eine 
Antiklinale, mit einem Kern aus gabbroid intrudiertem vermut- 
lichem Altkristallin, darüber Serpentin, dann bunte Bündnerschiefer 
und zu oberst die grauen Bündnerschiefer (welche der Beschrei- 
bung nach zum Teil der „Bündnerkreide“ entsprechen), so daß 
also hier die geforderte Unterlagerung vorhanden wäre. Die Anti- 
klinale von Tarasp—Muntana entspricht aber meines Erachtens nicht 
der Hauptantiklinaie, welche sich vom Val sinestra zum Kamm 
P. Soer — Minschuns fortsetzt, sondern bildet eine dazu parallele 
eigene kleinere Aufwölbung und die grauen Bündnerschiefer über der- 
selben können nicht dem großen Komplex jener von Val sinestra 
gleichgesetzt werden, so daß ein Untertauchen der bunten Schiefer 
unter jene Hauptmasse dadurch noch nicht bewiesen ist. Die bunten 
Schiefer bei Crusch—Schuls (welche lithologisch dem entsprechen, 
was hier mit diesem Namen bezeichnet wird) liegen übrigens auf 
dem Südabfall der Hauptantiklinale, so daß, falls die bunten Schiefer 
der Tarasper Antiklinale wirklich die Fortsetzung dieser sind, die 


504 Wilhelm Hammer. , \ [62] 


höhere Lage gegenüber der Hauptantiklinale dadurch bezeichnet 
wird. Außerdem aber zeigen die Gneisfetzen von Fontana und Rufnat 
an, daß die Tarasper Antiklinale von Bewegungsflächen durchschnitten 
wird, welche ihre stratigraphische Verwendbarkeit von vorn- 
herein sehr einschränken. Spitz und Dyrenfurth sind geneigt, 
diese Gneisschollen mit dem Tasnagranit in einer Bewegungs- 
fläche zu vereinen; da letzterer über den basalen Bündnerschiefern 
liegt, wäre auch dadurch die höhere Lage der Bündnerschiefer 
jener Antiklinale gegenüber den grauen Schiefern der Hauptauf- 
wölbung dargetan. Daß die bunten Schiefer hier so nahe dem alt- 
kristallinen Kern, den man als Basis der ganzen Schieferserie an- 
sprechen könnte, liegen, kann auf die randliche Lage bezogen, bzw. 
die Aufwölbung analog aufgefaßt werden, wie die kristallinen Ein- 
schübe am Viderjoch — Bürkelkopf, wofür auch jene Schubflächen 
sprechen. 

Die 2. Möglichkeit wäre: Die bunten Schiefer sind jünger 
als die Crinoidenkalke, also obere Kreide und verbunden damit 
darüber die tertiären Schichten (Fucoidenschichten ?, Schichten mit 
Orbitoides). 

Manches läßt sich aber nun besser erklären, wenn man unter 
Beibehaltung der Annahme von der primären Zusammengehörigkeit 
aller Schichten von der Vorstellung ausgeht, daß Bündnerschiefer 
und Trias-Lias in einem Sedimentationsraume sich als verschiedene 
und teilweise äquivalente Fazies nebeneinander abgesetzt haben. 
Der Verrucano ist als erste Transgressionsbildung über dem Grund- 
gebirge gleichmäßig über das ganze Gebiet hin abgesetzt worden. 
Darüber setzten sich im Norden und Süden die Diploporenkalke und 
Dolomite der Trias und die Liaskalke und Schiefer (Samnauner 
Lias) ab im Zusammenhang mit den mächtigeren gleichen Bildungen 
der nördlichen Kalkalpen und der Münstertaleralpen, während in 
anderen Teilen des Gebietes entweder keine Sedimentation erfolgte 
— Festland? — oder sich bereits Bündnerschiefer abzusetzen be- 
gannen. Die tiefsten Teile der basalen grauen Bündnerschiefer 
könnten als Aquivalente des Jura angesehen werden. In der 
Lischannagruppe beginnt der Lias mit einer Transgressionsbreccie 
über dem: Hauptdolomit als ein Zeichen, daß schon zu dieser Zeit 
Bewegungen in diesem Teile der Erdkruste einsetzten, durch welche 
die Aufarbeitung der Triasgesteine eingeleitet wurde; die ersten 
Zeichen derselben wären im Bündnerfaziesgebiete dann die tiefsten 
Breccienlager der grauen Bündnerschiefer. In der unteren Kreide 
breiten sich dann die Bündnerschiefersedimente mit den Crinoiden- 
breccien, deren Komponenten immer noch von der Trias geliefert 
werden, über das ganze Gebiet aus. Die vorgosauische Auffaltung 
rückt dann die benachbarten und randlichen Triasbereiche neuer- 
dings in den Bereich der Erosion empor und sie und die sie be- 
deckenden Teile der Bündnerschiefer setzen ihre Aufarbeitungs- 
produkte in den Breecien der bunten Schiefer ab, welche sich nun 
über das ganze Gebiet ausbreiten. Sie werden hernach noch von 
Tertiärschiefern überdeckt. Auf diese Weise würde die zonare Ver- 
teilung der Trias und der Mangel andersfazieller Gesteine im 


[63] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 505 


Liegenden der basalen Bündnerschiefer, sowie die Herkunft der 
Triaskomponenten in den klastischen Gesteinen verständlich gemacht. 
Die Annahme eines Übergreifens der bunten Schiefer auf das von 
Trias und Verrucano bedeckte Grundgebirge steht einerseits mit der 
zonaren Verteilung derselben, ihrer engen Verknüpfung mit dem Ver- 
rucano und mit der Küstenfazies der Gesteine in Übereinstimmung — 
auch der oben genanute Fall von Transgression über Verrucano bei 
Malfrag ordnet sich hier ein —, andrerseits trotz jener Verknüpfung 
auch mit der Annahme eines jüngeren Alters, wofür die Lagerungs- 
verhältnisse und der Verband mit wahrscheinlich tertiären Schichten 
spricht. 

Es könnte auch die Bildung bunter Schiefer an verschiedenen 
Orten verschieden früh eingesetzt haben und so auch teilweise 
Gleichaltrigkeit der beiden Arten von Bündnerschiefern bestehen. 

Die Grenze zwischen buntem und grauem Bündner- 
schiefer ist im allgemeinen klar und bestimmt, ohne aber irgendwo 
deutlich als tektonische erkennbar zu sein. Doch liegen auch ein- 
zelne Momente vor, welche einen engeren stratigraphischen Zu- 
sammenhang anzeigen. Es wurde schon oben (S. 477) beschrieben, daß 
die Nordgrenze der grauen Bündnerschiefer gegen die innerste Zone 
der bunten vom Beutelbach bis zur Fließeralm von einer besonders 
tonschieferreichen Zone eingenommen wird, welche bei grünlicher 
Färbung der Tonschiefer sehr stark den bunten Schiefern sich 
nähern (Blauer Talrücken) oder durch Begleitung von feinsandigen 
Lagen jenen ähnlich werden (Schafbergkamm). 

Wo die Brececien der bunten Schiefer besonders kalkig sind 
und zu dickeren Bänken gefestigt, kann eine fazielle Annäherung an 
die Crinoidenbreceien und Kalke eintreten, so zwischen Matschiberle- 
sattel und Malfrag und an den Gufelköpfen (Staffelleralm); am Kamm 
Mathankopf—Burgschrofen liegt (unter P. 2137) in den bunten 
Schiefern eine Zone von gelblichen Kalken (ohne Breccien), nach 
oben mit grünen Tonschiefern wechselnd, bei der eine Zuordnung 
zu den bunten Schiefern oder den Crinoidenkalken gleich gut mög- 
lich ist; auch die „hellbumen“ Kalke östlich unter dem Hexen- 
kopf neigen zu beiden Schichtgruppen hin. Auch Dyrenfurth be- 
richtet für das Schuls—Ardetzergebiet von einem allmählichen Über- 
gang der bunten und grauen Bündnerschiefer ineinander, ja auch von 
Wechsellagerung und Übergang im Streichen zwischen beiden. 

Die obige Erklärung der Ablagerungsfoige leidet an der frag- 
würdigen Beziehung zur Gosautransgression. Ein dieser ent- 
sprechender Schnitt in der Schichtfolge — wie ihn etwa die Gosau- 
ablagerungen am Muttekopf gegen die unterlagernde Trias zeigen — 
fehlt in der Bündnerschieferfolge vollständig und es müßte daher zu 
der Annahme gegriffen werden, daß die vorgosauische Faltung nur die 
randlichen und benachbarten Gebiete betroffen habe, während im 
Hauptbereiche die bunten Schiefer sich ohne Unterbrechung über den 
srauen Bündnerschiefer abgelagert hätten; in dem randlichen Teile 
kann durch die Überschiebungen des Gneisgebirges und der Misch- 
zonen eine transgressive Lagerung verdeckt sein. Wir befänden uns 
hier am Westrande des kretazischen Auffaltungsbereiches. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer. 65 


506 Wilhelm Hammer. [64] 


Kober') hat versucht, bei der Deutung des Gebietes als 
„Fenster“ mit vorgosauischer Überschiebung des Ostalpinen über das 
Lepontinische das Vorhandensein nachgosauischer Schichten inner- 
halb des Fensters in der Weise zu erklären, daß er die höheren 
Teile der Schichtfolge (Serie des Piz Roz, Piz Minschuns u. a.) als 
erst nach der Hauptüberschiebung entstanden und durch spätere Be- 
wegungen miteinbezogen annimmt. Eine derartige Abtrennung ist aber 
ganz undurchführbar, auch der Grad der Metamorphose kein Kri- 
terium dafür, weil die Metamorphose nicht nur von oben nach unten, 
sondern auch im Streichen desselben Schichtzuges (z. B. innere Zone 
bunter Schiefer) von wenig oder nicht metamorphen zu hochmeta- 
morphen führt, und auch zwischen unten und oben in keiner Weise 
abgrenzbar ist. 

Der von älteren und neueren österreichischen Geologen beschrie- 
bene Zusammenhang zwischen den Gosauschichten der österreichischen 
Kalkalpen und dem Flysch, welchem auch Kober mit’ der Annahme 
des vorgosauischen Schubes von Ostalpin über Lepontinisch gerecht 
zu werden sucht, lehrt, wie F. F. Hahn?) schreibt, „daß hier an eine 
namhafte nachkretazische Annäherung von Lepontinisch und Austro- 
alpin kaum zu denken ist“. Wenn dies auch für Westtirol zu Recht 
besteht, so könnte auch das Engadinergebiet in nachkretazischer 
Zeit nicht mehr von der Silvrettamasse samt ihrer kalkalpinen Decke 
überfahren worden sein — oder die Schichtfolge reicht hier bloß bis 
in die untere Kreide: Die Feststellung tertiärer Schichten ruht ja 
allerdings — abgesehen von den bei Flyschfazies nicht sehr verläßlichen 
Gesteinsvergleichen — nur auf einem einzigen Mikrofossil, dessen 
Schnittlage im Dünnschliff obendrein eine vollkommen sichere Gattungs- 
bestimmung nicht zuläßt. 

Die Beantwortung dieser Frage hängt von der weiteren Fr- 
schließung der Lechtalerkreide und den Beziehungen zwischen ihr, 
der Gosau und dem Flysch ab. Das Alter der Lechtalerkreide im 
Verhältnis zur Gosau ist noch nicht genau bekannt und ebenso ist der 
Zusammenhang von Gosau und Flysch für diesen Teil der Kalkalpen 
nicht sicher festgestellt. Wie mir Freund Ampferer versichert, ist 
die Lechtalerkreide mehr den Bündnerschiefern ähnlich als dem Flysch 
und von diesem deutlich unterschieden, ebenso wie auch die Gosau 
des Muttekopf. 


II. Die Lagerungsverhältnisse. 
I. Die zentrale Aufwölbung. 


Die Lagerung der Schichten in dem hier bearbeiteten Gebiete 
ist scheinbar eine sehr einfache. Von einer SW—-NOÖ verlaufenden 
Achse aus fallen die Schichten gleichmäßig nach beiden Seiten ab, 
bis an den Rand des Gneisgebirges. 


!) Mitteil. d. geol. Ges. in Wien 1912, S. 45 u. ff. 
») Mitteil. d. geol. Ges. in Wien 1913, S. 246. 


65 ] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 507 


Die Achse verläuft über den Grat des Piz Mondin — an dessen 
Ostabfall die große Wölbung schön auf weithin zu sehen ist — zieht 
über «die Kobleralm (Rauhes Eck) am Südhang des Kreuzjoch hin, 
verquert das Stubental unterhalb der Talteilung und erreicht bei 
Tschupbach den Inn entsprechend der schwachen Divergenz zwischen 
dem Schichtstreichen und dem Flußlauf. Von hier ab senkt sich die 
Antiklinalwölbung gegen Nordosten in die Tiefe: In den Berg- 
hängen östlich und südöstlich von Tösens (UÜbersachsen, Breithas- 
lachgraben) streichen die Schichten NS mit Abfall gegen Osten, weiter 
gegen Süden schwenken sie in die NO-Richtung des Südschenkel ein, 
ebenso wie sie im Norden durch NW-Streichen mit dem Nordschenkel 
verbunden sind. Auch ober Tschupbach, also im Nordschenkel bemerkt 
man ein Einbiegen des Streichens aus der NO-Richtung in OW und 
OSO in den tieferen Gehängen; höher oben in der Gegend von Ser- 
faus streichen die Schichten mit ONO- bis NO-Richtung gegen Prutz 
hin weiter. Im Stalanzertal ist wieder durch das bogenförmige 
Streichen (NW in der Talöffnung, NS innerhalb Spielebner und NNO 
unter der Alm und am Mittelrücken) und das Ostfallen der perikli- 
nale Abfall der großen Antiklinale gegen Osten ausgedrückt. 

Sehr schön kommt die östliche Abwölbung im bogenförmigen 
Verlauf der inneren Schieferzone zum Ausdruck: diese streicht bei 
Fendels und über dem Burgschrofen OW mit steilem N-Abfall; 
den Kamm zwischen Wiesele und den Fendler Bergmähdern (Kiesel- 
alm) überschreitet sie mit NS-Streichen und steilem ÖOstfallen und 
jenseits der weiten Schutt- bzw. Vegetationsflächen der Kieselalm 
setzt sie ‘sich mit NO-Streichen und Südfallen über Fendleralm 
und Stalanzeralm im Südschenkel der Gesamtwölbung bis ins Tösner- 
tal fort. 

Sie schiebt sich hier zwischen den dem Gneisrand folgenden 
Zug der Crinoidenkalke und die am Kamm Serneskopf—Malzkopf 
noch nahe darunter befindliche Zone von Tüpfelschiefern ein. Die 
letzteren schwenken bereits auf der Stafelleralm gegen N hin ab und 
dürften . vielleicht das untere Stalanzertal im Bogen durchziehen — 
es sind hier nur unsichere Spuren davon vorhanden. Ein Zusammen- 
schluß mit jenen von Gallmötz ist aber aus stratigraphischen Über- 
legungen (siehe oben) nicht wahrscheinlich. Die Crinoidenkalke dagegen 
ziehen über der Zone der bunten Schiefer in einem schmalen Streifen 
dem Gneisrand entlang fort — wenn auch ober der Bergleralm ihr Zu- 
sammenhang mit jenen des Serneskopf ein kurzes Stück unterbrochen 
ist, so müssen sie doch als Fortsetzung dieser angesehen werden. 
Vom Pleißköpfl ober der Bergleralm bis zum Nordwestkamm des 
Mathankopfs ober Fendels streichen sie so zwischen Gneis und 
bunten Schiefern fort, am letzteren aber trennen sie sich wieder 
davon, indem die bunten Schiefer gegen N umschwenken, die Crinoiden- 
kalke aber durch den Waldhang südlich des Petersbaches fragmen- 
tarisch bis ins Kaunertal hinab zu verfolgen sind. 

Am Mondin ist die Wölbung flach und weit, sinkt aber’nach 
den Seiten rascher ab. Gegen Osten hin ist die Antiklinale enger 
zusammengepreßt, wie dies besser noch als an den basalen Schichten 
in den Zonen der bunten Schiefer zum Ausdruck kommt. 

65* 


508 Wilhelm Hammer. [66] 


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[67] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 509 


Erklärung zu nebenstehender Figur 10. 
Übersichtsprofile durch die Autiklinale der Bündnerschiefer. 


Fr Maßstab nahe 1:90.000. 

G = Gneis und Amphibolit. gt — Tüpfelschiefer. 

v = Verrucano. gb —= Quarzreiche Breceien. 
Brian URN h kb = Kalkige Breccien. 

gk — Kristallinische graue Bündner- Ei 1 

ter cb — Crinoidenkalke und Breccien. 

9 = Kalkige graue Bündnerschiefer. b = Bunte Bündnerschiefer. 

gs = Tonschieferzonen. ö — Diabaslager. 

9q = Quarzitische Ausbildung der A = Diabasgänge. 


grauen Bündnerschiefer. 


Sattel- oder Muldenumbiegungen großen Ausmaßes innerhalb der 
Schenkel der Hauptwölbung, welche also die Mächtigkeit der Schenkel 
in Faltenelemente auflösen ließen, sind nirgends zu sehen, so daß der 
Nordschenkel vom Kern bis zum Innenrand der innersten Zone bunter 
Schiefer im Norden gemessen eine Mächtigkeit von 3°5 bis 45 km 
erreicht, der Südschenkel (Nauders—Tösnertal) vom Kern bis zum 
Gneisrand gemessen eine solche von etwa 5 km. 

Allenthalben ist eine Kleinfältelung der Schichten einge- 
treten, welche besonders in den stark mit Tonschiefern durchzogenen 
Zonen auffällig wird, aber auch in den rein kalkigen nicht mindere 
Intensität erreicht und hier durch die ihr folgenden weißen Kalk- 
spatadern oft sehr schön hervorgehoben wird. E. Suess hat diese 
Erscheinung von der Stillebachschlucht als „galoppierende Fältelung“ 
beschrieben, indem hier die Fältchen gegen die Neigung der Schicht- 
flächen übergeneigt sind, also scheinbar gegen die Schieferkuppel an- 
steigen. Ein Schluß auf die Tektonik im großen ist aber daraus nicht 
zu ziehen, da diese Fältelungen nur der Ausdruck der von Ort zu Ort 
wechselnden Differentialbewegungen sind und dementsprechend die 
Uberkippung der Fältchen keine über größere Bereiche einheitliche 
ist; überdies ist die Bewegungsrichtung vielfach überhaupt nicht ein- 
deutig bestimmbar. 

Es lassen sich verschiedene Arten der Fältelung unterscheiden: 
Die Achsen der Fältchen können parallel oder divergent bis senkrecht 
zum Streichen der Schichten liegen. Das letztere beobachtet man oft 
an völlig zusammengeklappten liegenden Fältchen, welche zwischen 
unverbogenen Schichtplatten eingeschlossen sind; erscheint die Um- 
biegung nicht im Querbruch, so glaubt man eine konkordante Folge 
der Schichtplättchen vor sich zu haben (Figur 11, 3). Bei Parallelität 
der Fältchenachsen mit dem Streichen trifft man einerseits den Fall, 
daß einzelne oder mehrere Schichtblätter zwischen weniger oder nicht 
verbogenen über größere Erstreckung hin in stehende oder liegende 
Fältchen gelegt sind, wobei die Fältchen im Sinne des Fallens oder 
entgegengesetzt überkippt sein können: Gleitfältchen, durch un- 
gleich rasche oder ungleich gerichtete Verschiebungen parallel den 


510 Wilhelm Hammer. \ 168] 


Schichtflächen hervorgerufen. Die Zeichnung (Figur 11) zeigt zwei 
Arten solcher Gleitfältchen (1). Anderseits beobachtet man, daß eine 
Zone quer, senkrecht zu dem Fallen der ganzen Schichten in liegende 
Fältchen verknittert oder auf das vielfältigste durcheinandergeknäult 
ist: Knitterfältchen, welche vielleicht durch Zusammentreffen ent- 
gegengesetzt gerichteter Bewegungsimpulse an schwächeren Zonen aus- 
gelöst werden (2). Schließlich wäre der seltener zu beobachtende Fall 


Fig. 11. 


Fältelungsformen. 


zu erwähnen, daß ehvor es zur Ausbildung liegender Fältchen kam, 
ein Zerreißen und Aufstapeln in quer gestellten gebogenen Schüppchen 
zwischen parallelen Bänken erfolgte (4). 

Auch daß liegende Fältchen senkrecht zu ihrer Achse nochmals 
in Faltenwellen gelegt sind, ist nicht selten zu sehen. 

Das größte Ausmaß der einzelnen Fältchen beobachtete ich an 
den Nord- und Ostwänden des Muttler, wo die Bänke der quar- 
zitischen Fazies zwischen den Tonschieferlagen zu liegenden Falten von 
vielen m? Querschnitt zusammengestaut sind. Es entspricht der von 


[69] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 5ll 


Br. Sander!) aufgestellten Regel der Stauchfaltengröße, daß die 
festeren quarzitischen Bänke dies zeigen, während die Tonschiefer- 
lagen ganz kleine Fältelungen annehmen oder an Gleitflächen ver- 
schoben werden. 

In der Gegend von Finstermünz, nach Süden bis in die 
Schlucht des Labaunerbaches und am unteren Teil der Samnauner- 
schlucht (Fernertobel) werden die grauen Bündnerschiefer von großen 
Klüften durchschnitten, welche eine Richtung nahe um NS einhalten 
und im Gelände als Felsrinnen, kleine Bachklammen oder „Kamine“ 
von der Erosion ausgearbeitet sind. Vielleicht steht ihr Vorhandensein 
im ursächlichen Zusammenhang damit, daß der Inn gerade hier eine 
ungefähr nordsüdliche Richtung innehält gegenüber dem sonst herr- 
schenden NO-Lauf. 


1I. Die nördlichen Randzonen. 


Der Nordrand des Gebietes erscheint in seinem gleichsinnigen 
NW- beziehungsweise N-Fallen und im Streichen völlig dem Nord- 
schenkel der zentralen Aufwölbung zugehörig, hier zeigt aber das 
Auftreten von ihrem Alter nach besser kenntlichen Ablagerungen sowie 
deren Wiederholung deutlich an, daß wir es nicht mit einer ein- 
heitlichen Schichtfolge, sondern einem tektonischen Verband 
zu tun haben. 

Die tektonische Struktur dieser Zone gleicht der eines fla- 
serigen Lagengneises: langhinziehende Flasern, beziehungsweise 
Schichtzonen, welche schließlich auskeilen oder sich zerteilen, strecken- 
weise anschwellen und dann wieder ganz schmächtig werden. Anzahl 
der Teilzonen, Breite und Zusammensetzung der Randzone wechselt 
in den verschiedenen Profilen. 

Die Breite der ganzen Randzone ist am geringsten am Arrez- 
joch, wo sie auf der Karte ca. 1400 m mißt (vom Innenrand der süd- 
lichsten Schieferzone bis zum Gneisrand), gegen Westen verbreitet 
sie sich; am Frudigerkamm 2200 m, am Kamm Grübelekopf—Munt 
da Cherns 3100 m und erreicht im Fimbertal noch größere Breite; 
ebenso treten die Randzonen gegen Osten auseinander: bei Serfaus 
nehmen sie bereits einen Streifen von 3%km Breite ein und im Profil 
Fendels—Pontlatz erreichen sie ein Höchstmaß von 6 /km. 

Sieht man von der „Verflaserung“, dem Mangel an Stetigkeit 
ab, so kann man die Randzone im tirolischen Gebiet in vier Haupt- 
zonen gliedern, zu denen sich von der Fließeralm an gegen Westen 
noch weitere zwei oder drei zugesellen. Die vier Hauptzonen wären: 


die innere Zone bunter Schiefer, begleitet von Trias- 
schollen, 

eine Zone grauer Bündnerschiefer, 

die Verrucano-Triaszone, 

die äußere Schieferzone, ebenfalls mit Triasschollen, 


!) Tschermaks Min. Mitteilungen 1911, S. 286. 


Wilhelm Hammer. 


512 


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Fig. 12. Schematische Darstellung der Randzonen, 


— Maßstab: 1:168.750. — Strichpunktierte Linie: Antiklinalachse. 


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Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 


[71] 


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Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 3. Heft. (W. Hammer.) 


[72] 


Wilhelm Hammer. 


514 


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15.789. 


Maßstab: 


Fig. 17. 


518 Wilhelm Hammer. [76] 


im westlichen Teil setzt dann auf der Fließeralm die Liaszone ein und 
nach außen zunoch eine solche mit Bündnerkreide, Fucoiden- 
schiefern und Diabasen. 


Die innere Zone bunter Schiefer entfaltet sich bei Fendels 
in großer Mächtigkeit (Schichtbeschreibung der bunten Schiefer siehe 
im stratigraphischen Teil). Im Profil von Fendels 1400 m mächtig, OW 
streichend mit steilem N-Fallen. 

Am Nordrand, an der Grenze von bunten und grauen 
Schiefern ragen Schollen von Triasdolomit als steile Felsklippen 
auf: Vor allem der Burgschrofen als größte derselben; drei 
weitere von absteigender Größe zu beiden Seiten davon. Auch 
am nächstöstlichen Bergeck (am Weg nach Wiesele) sind noch 
kleinere Reste zu sehen. Sie sind wie Pfähle isoliert voneinander an 
der Schichtgrenze steilstehend eingerammt. Eine liegt über dem Inn, 
nördlich Ried. 


Profil über die beiden Gipfel des Pezidkopfes. 


K = Kalkschiefer. — kr — Knauerige Kalke. — s = Bunte Schiefer. — 
km = Marmor. — D = Dolomit, breceiös. — DR = Dolomit und Rauhwacke. 
R = Rauhwacke. 


Zwischen Ried und der Komperdellalm ist die Zone viel- 
fach von Glazialschutt überdeckt. Am Lazidkamm zieht in ihrer 
Fortsetzung am Alpweg nach Lawens eine 400 m breite Zone bunter 
Schiefer durch, höher oben am Kamm, getrennt durch eine Zone 
grauer kalkiger Schiefer, eine zweite noch etwas schmälere. Damit 
beginnt eine Zerteilung und Zerfaserung der inneren Zone, welche 
im Pezidkamm und Stubental ihren Höhepunkt erreicht. 

Die bunten Zonen des Lazidkamms übersetzen das Lawenstal 
und streichen schräg über den Pezidkamm weiter. Südlich der 
südlichsten Zone erscheint eine isolierte „Flaser“ von bunten 
Schiefern am Ostabhang des Riesenkopfs, mitten in den grauen 
Kalkschiefern. Ein eigenartiger isolierter Einschub ist hier weiters 
am Kamm zum Heuberg, nahe der Stelle, wo der Steig von Lawens 
zur Heubergalm den Kamm überschreitet, vorhanden: es steckt eine 
kleine Linse von grünem Serizitquarzknauerfels und weißem grob- 
körnigen Arkoseschiefer, also Gesteine des Verrucano, mitten im 


[77] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal, 519 


grauen Bündnerschiefer. Auch in der zweiten Teilzone bunter 
Schiefer, welche über den höchsten Riesenkopf (auf der Karte ohne 
Höhenzahl und Name) streicht, tritt hier nun Verrucano ein: zwei 
Bänder von je 2—3 m Mächtigkeit, bestehend aus weißem Serizit- 
quarzit mit etwas grünen und violettgrauen Tonschiefern begleiten 
die bunten Schiefer und schließen sich am Joch gegen den Pezid- 
kopf zu einem Bande zusammen, welches dann am südlichen Seiten- 
kamm des Pezidkopfs auskeilt. 

Getrennt durch graue Kalkschiefer gliedert sich am Pezid- 
kopf nun noch eine dritte Zone (bzw. vierte) von bunten Schiefern 
an, welche über den Sattel zwischen den beiden Gipfeln des Pezid- 
kopfs streicht und sich am nächsten südlichen Seitenkamm (über dem 
Kadratschtal) abermals in zwei Teilzüge spaltet, am letzten Südkamm 
dieser Gruppe sich aber wieder zu einem vereinigt durch Auskeilen 
der dazwischentretenden Kalkschiefer. 

In der Pezidgruppe treten nun wieder — zuerst in dem 
nördlichsten Teilzug, dann auch in dem südlichen — Schollen von 
Triasgesteinen auf, durchwegs von geringen Dimensionen. Starke 
tektonische Beanspruchung spricht sich in dieser Zerteilung aus, der 
Dolomit, ist oft stark breceiös, oft ganz umkristallisiert, von Quarz- 
adern durchzogen. Am Pezidkopf vertritt zum Teil eine gelbe 
löcherige Rauhwacke seine Stelle. 

Sie sind in diesem Teile ziemlich regellos in den bunten 
Schiefern verteilt, doch kommt auch in dieser kleinzerteilten Region 
die Neigung zu einer Anordnung an der Grenze der bunten Bündner- 
schiefer gegen die Kalke und Kalkschiefer mehrfach zum Ausdruck. 
Ganz selten dagegen sind Triasschollen in die grauen kalkigen Zonen 
selbst eingeschlossen. Eine ganz verquetschte solche Linse von 
Dolomit beobachtet man am Nordabsenker des Riesenkopfs; eine 
andere ist am Westabfalle des Kammes Arrezjoch—Schafberg, nahe 
an der Grenze gegen die nördlichste Teilzone bunter Schiefer in die 
Kalkschiefer eingeflochten (gelber Dolomit). 

Zwischen den beiden Ästen des Stubentals ist die „innere 
Zone“ ebenso zerteilt wie am Pezidkamm; vier Teilzonen, von denen 
eine der südlichen auskeilt und im Westen zwischen den oberen 
wieder eine neue einsetzt. In dem Hügelland nördlich der GseB- 
schneid entfaltet sich Verrucano inmitten dieser Zone stark und 
endet dann plötzlich unter dem Minderskopf. Er ist eng mit den 
bunten Schiefern verflasert. Zahlreiche Triasschollen von Hausgröße 
bis zu Blöcken herab sind hier teils in, teils am Rande der bunten 
Schiefer eingeschaltet, einzelne auch zwischen die schmalen Züge 
grauer kalkiger Bündnerschiefer. In dem Bereich zwischen Masner 
und dem Pfundser Ochsenberg sind in dieser inneren Zone etwa zwei 
Dutzend solcher Triasschollen aufgeschlossen, welche meist als kleine 
schroffe Klippen den sanften Schieferhängen entragen. Dolomit, 
Kalke und Rauhwacke sind beteiligt; außerdem ist am Bach bei 
P. 2557 im Zuge der anderen Klippen auch eine Scholle von 
spätigem Eisendolomit, gleich jenem von Serfaus aufgeschlossen, 
dicht dabei entspringt eine starke Eisenquelle (siehe S. 450). Auch 
ein Gipslager ist da, überlagert von grauen Kalkschiefern und unter- 


520 Wilhelm Hammer. [78] 


lagert von einem dünnen Band bunter Schiefer, unter welchem dann 
erst der Verrucano liegt. Das Lager liegt in der Mischzone von 
Verrucano und buntem Schiefer (und flyschähnlichem Schiefer). 


Am Südwestfuß des Minderskopfes liegt, von Halden umgeben, 
ein anstehender kleiner Felsrücken von „hellbunten“* Kalken (siehe 
oben S. 461). 

In der Fortsetzung der Zone vom Pfundser Ochsenberg zur 
Fließeralm (Frudigerkamm) vereinfacht sich die tektonische 
Struktur wieder. Am Kamm sind nur mehr zwei Zonen bunter Schiefer 
da (deren südliche am Ostabhang der Blauwand aus der Vereinigung 
zweier schmaler, teilweise erst im Gmeiertal auftauchenden Züge 
besteht): eine schmälere südlich der Blauwand und eine sehr 
breit angeschwollene Schieferzone im Sattel zwischen dem genannten 
Gipfel und dem südlichen Vorkopf des Frudigerkopfes. Es wurde 
schon früher angegeben, daß der Südrand gegen die „zentrale Auf- 
wölbung“ sowohl hier als weiter östlich keine Zeichen einer Schub- 
fläche erkennen läßt. 

Von den zahlreichen Triasschollen der ganzen Zone von Fendels 
bis ins Samnaun liegt mit Ausnahme einer kleinen am Pezidkopf 
keine am Südrand der Zone, die größten und viele kleinere am 
Nordrand. 

Den Nordrand begleitet eine der größten und ausgedehntesten 
Triasschollen (siehe das Profil Figur 1), welche in sich wieder heftig 
geflasert ist und innerhalb der Trias die Struktur der ganzen Zone 
wiederspiegelt. Gegen Osten lauft sie in einer Reihe kleinster Block- 
schollen aus, welche zwischen kalkige Bündnerschiefer eingeklemmt 
sind. Ebenso ist ihre Kortsetzung zur Fließeralm in einem Schwarm 
von kleinen Schollen aufgelöst, welche der Grenze zwischen bunten 
Schiefern und den Kreidekalken des Frudigerkopfs folgen. Am Kamm 
ist der obere Teil der Triaskalke in Blöcke zerteilt, welche linsen- 
förmig in den Bactryllienmergeln stecken. Trotzdem lassen sich aus 
letzterem tischgroße, vollkommen ebene, dünne Platten abheben. Im 
östlichen Teil stecken im Dolomit, am Fuß der Felsen gangartig 
Grünschiefer (zwei gangförmige Vorkommen und östlich davon ein 
etwa Quadratmeter großes Nest des gleichen Gesteins mitten im 
Dolomit, siehe Figur 15). Der Grünschiefer ist auch heftig zerpreßt 
und geschiefert, der angrenzende Dolomit kreuz und quer von Klüften 
und Rutschflächen durchtrümmert. Es handelt sich dem Anscheine nach 
eher um eine mechanische Einschiebung des Diabases in den Dolomit, 
als um Eruptivgänge. Am Südgrat von P. 2754 liegt ein schmales 
Band von Grünschiefer nach Art einer konkordanten Einlagerung oder 
einer konkordanten Schuppe zwischen den Triaskalken (siehe das 
Profil Figur 1). 

Am Pfundser Ochsenberg, im „Gmeier“, siebt man sehr schön 
ein paar kleine Triasdolomitlinsen in dem mittleren Zug kalkiger 
grauer Schiefer eingeschlossen (siehe Tafel XXI). 

Auf der Fließeralm schrumpft die „innere Zone* noch mehr 
zusammen; am Tilolet ist der Schieferzug der Blauwand noch zu 
sehen, der breite nördliche Zug ist nur undeutlich (gutenteils wohl 


[79] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 521 


wegen. der schlechten Aufschlüsse) und in bedeutend geringerer Mäch- 
tigkeit aufzufinden; Triasschollen fehlen hier. j 

Am nächstwestlichen Kamm endlich zwischen Malfragtal (Zan- 
derswiesen) und der Alp bella zeigen nur mehr ein paar kleine 
Dolomitkeile bei „Sur la prada“, beiderseits von grauen kalkixen 
Bündnerschiefern (mit Tonschieferzwischenlagen) umschlossen, die 
Fortsetzung jener Zone an. 

Im Streichen entsprechen ihnen am Ostabhange des Piz Mun- 
schuns, wieder etliche isolierte Dolomitschollen und weiterhin trifft 
man im Verfolg dieses Horizontes auf das Gipslager bei Che d’Mott. 
Hier enden zunächst die zusammenhängenden Spuren der „inneren 
Zone“; geht man aber dem Streichen der Schubflächen nach weiter, 
so gelangt man in die Gegend des Stammer und kann die Trias- 
scholle dieses Gipfels als tektonische Fortsetzung der „inneren Zone“ 
zurechnen. 

Die bunten Schiefer von Fendels werden in steiler Stellung 
überlagert von einem Komplex grauer Bündnerschiefer (Profil 
Figur 13), welche petrographisch den basalen Schiefern gleichstehen, 
keine Breccien enthalten, wohl aber ein kleines Vorkommen von 
Tüpfelschiefer. Es liegen hier nicht wie weiter westlich die Gesteine 
der Bündnerkreide (im Sinne von Paulcke) über der „inneren Zone“, 
sondern es scheint sich hier im Osten noch eine mächtige Schuppe 
basaler grauer Bündnerschiefer emporgedrängt zu haben. Sie besitzt 
am Eingang des Kaunertals und bis gegen Fiß hin eine Mächtig- 
keit von ungefähr 1500 m; westlich FißB verschmälert sie sich. Am 
Beutelkopf ober Serfaus ist mitten in sie eine größere Scholle 
von Trias, der oben beschriebene Diploporendolomit, beziehungsweise 
Kalk eingesenkt (siehe Profil 4, Figur 14); trotzdem die Bänke 
der Trias mäßig nordfallend liegen (OW-—-NO-Streichen), zieht der 
Triasstreifen gerade über den steilen Waldhang gegen den Beutel- 
bach hinab, gleich wie das Streichen der Schichten, beiderseits 
eingeschlossen von den tonreichen grauen Schiefern. Da der Lage- 
rung des Trias zufolge diese am Gehänge taleinwärts ausstreichen 
müßte, kann angenommen werden, daß sie an saigeren Bruchflächen 


in die Bündnerschiefer eingesenkt ist. Gegen Westen zu endet sie 


auf der Höhe des Kopfes (lokal mit NNW- oder NS-Streichen), hebt 
also hier gegen W ansteigend in die Luft aus. Am Südwestabhang 
des Beutelkopfs steht (nahe über dem den Hang durchziehenden 
Wasserwaal, welcher das Serfauserfeld versorgt) ein starkes Lager 
von Dolomitbreccie an, gleich jener in den bunten Schiefern unter- 
halb Fendels: graue, beziehungsweise braungelbe Dolomitfragmente 
in weißlichem feinkristallinem Zement; Breccienlagen mit großen und 
solche mit kleinen Geröllen wechseln ab. BeiderseitsÜstehen nahe 
daran graue, stark kristallinische kalkige Bündnerschiefer an, im N 
manchmal an kristallinisch gewordene Tüpfelschiefer erinnernd. 
Weiter südlich läßt die Kristallinität nach, bevor man die südliche 
Zone bunter Schiefer erreicht. Der Art der Breccie nach ist anzu- 
nehmen, daß es sich um eine tektonische Einschaltung handelt. Gegen 
Westen grenzt das Vorkommen an die weite Glazialschuttfläche der 
Serfauser Bergwiesen, welche die ganze Zone grauer Bündner- 
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 8. Heft. (W Hammer.) 67 


522 Wilhelm Hammer. [80] 


schiefer hier überdeckt. Erst nordwestlich und westlich der Kom- 
perdellalm taucht der Fels wieder hervor. Am östlichsten Teile 
des Lazidkammes stehen noch die gleichen grauen kalkigen 
Schiefer an, wie bei Serfaus und Fiß, hier aber nur ungefähr halb 
so mächtig und sie verschmälern sich noch weiter mit dem Eintritt 
in die Zerfaserungszone des Pezidkamms. 

Von Westen her greifen die auf Grund ihrer Breccienführung 
zur Bündnerkreide gestellten Kalkzüge in die gleiche Zerfaserungs- 
region ein. Ein mächtiger Zug derselben überquert das Gebiet der 
Fließeralm, durch seine steilen Felshänge das Gebiet der unteren 
Almweiden von den hochgelegenen Weideflächen der Karböden 
trennend (NO streichend und mehr oder weniger steil bergein- 
fallend) und bildet dann verschmälert den Gipfel des Frudiger- 
kopfs. Weiterhin gegen NO, am Pfundser Ochsenberg, keilt er in 
der „Flaserungszone“ aus. 

In der Masner kann allenfalls die schmale, von vielen Trias- 
schollen begleitete nördliche Kalkzone als Wiederauftauchen des 
Frudigerzuges angesehen werden und ihr entsprächen dann weiterhin 
die den Pezidkamm bildenden Kalke, in denen auch noch eine 
Breccienbank gefunden wurde. Diese setzen dann noch zum Lazid- 
kamm sich fort — durch eine Zone bunter Schiefer getrennt liegt 
hier darunter das Westende des oben beschriebenen Zuges 
grauer basaler Schiefer Prutz—Fiß—Serfaus und zerflasert 
sich in den südlicheren Kalkzügen des Pezidkammes und Stubentals. 


Zwischen Komperdellalm und Fließeralm sind die von Osten 
und Westen heranrückenden Kalkzüge — einerseits die „basalen“ 
grauen Bündnerschiefer, anderseits die Kalke mit Bündnerkreide- 
brecie — in einer Flaserungszone ineinander verwoben, ohne daß 
ein Übergang und Zusammenhang in einem stetigen Zuge fest- 
zulegen wäre. 

Von der Fließeralm westwärts findet der mächtige Kalk- 
schieferzug des Fließerberges (Tilolet) seine Fortsetzung im Munt 
da Cherns, Piz Munschuns und dem Bergzug des Piz Ott 
(Hoher Spitz) und von dort zum Massiv des Piz Roz und Piz Vadret. 


Ein auf weite Strecken hin stetig fortstreichender Gesteinszug 
grenzt die Zone grauer Bündnerschiefer gegen N ab: die Verrucano- 
zone. In einheitlichem, zusammenhängendem (nur von Schuttbedeckung 
unterbrochenem) Zuge verläuft sie vom Kaunerberg über Ladis, den 
unteren Sattelkopf, Lazidkamm, bis zur Lawensalm. Die Mächtigkeit 
schwankt zwischen 500 und 1000 m. 


Südlich von Ladis liegt an der Südgrenze. des Verrucano. gegen 
die grauen Bündnerschiefer ein Zug von hellgrauen oder grün-grauen, 
seltener schwärzlichen Phylliten und phyllitischen Tonschiefern. Der 
Verband mit typischen Gesteinen der Verrucanoserie und die Wieder- 
kehr dieser Phyllite weiter nördlich zwischen den Verrucanotypen 
sprechen dafür, auch sie dem Verrucano zuzurechnen. In ihnen stecken 
einzelne kleine Blöcke spätigen gelben Dolomits, den ich dem Eisen- 
dolomit bei Serfaus gleichstelle (siehe S. 449). Die angrenzenden 
Phyllite sind im Kontakt verknetet, die Dolomitklötze anderen Orts 


[81] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 523 


quer zur Schieferung verschoben: Differenzialbewegung infolge Material- 
unterschiedes. 

Die erste Zerteilung tritt bei den Eisendolomitlinsen am Laus- 
bach (Komperdellalm) ein. Westlich von der Hauptlinse von Eisen- 
dolomit, in welcher der alte Bergbau umging, und dem begleitenden 
Verrucanoschiefer tritt ein zweiter Zug von sechs bis acht kleinen 
Schollen von Eisendolomit auf, welcher von dem ersteren durch einen 
Streifen grauer, tafeliger Kalke und Kalkschiefer getrennt ist. Dieser 
westliche Zug liegt nahe dem Südostrand des großen Verrucanozuges, der 
den Ostgrat des Furgler umzieht; seine Dolomitlinsen verteilen sich 
vom Lausbach bis zum Lazidkamm hinauf; das unterste Vorkommen 
derselben nähert sich schon stark der Hauptlinse und ist durch einen 
Schuttkegel davon getrennt. Der die Hauptlinse begleitende Verrucano- 
schiefer keilt gegen Südwesten aus; in seiner Fortsetzung liegen 
zwischen dem genannten Kalkschieferstreifen und dem Kalkzug des 
Lazidkammes Schollen von grauem, teilweise breeciösem Dolomit und 
Kalk, welche der Gesteinsart nach der Trias zugehören. Eine ebensolche 
Scholle liegt am Kamm zwischen Verrucano und grauem Bündnerschiefer, 
eine weitere am Südhang an der unteren Grenze des letzteren. Auch 
Reste von bunten Schiefern scheinen sich an dem die beiden Eisen- 
dolomitzüge begleitenden Streifen zu beteiligen. 

Der Verrucanozug überschreitet in großer Mächtigkeit das 
Arrezjoch (Schichtfolge siehe S. 448) und durchzieht in zwei 
Zonen, von kleineren Blättern begleitet, die Masneralm. Am Pfundser 
Ochsenberg dagegen sind plötzlich nur mehr drei dünne Streifchen 
von Verrucano in der weiten Flucht von bunten Schiefern vorhanden. 
Auch auf der Fließeralm treten nur mehr vereinzelte Reste davon 
auf (östlicher Fließerberg). 

Im oberen Samnaun wird der weitere Verlauf dieser Zone durch 
die Verrucanovorkommen bezeichnet, welche nördlich von der großen 
Kalkzone Munschuns—Piz Ott hinziehen auf den beiden Salaser- 
almen und auf Zebles. 

Ein wichtiger Begleiter der Verrucanozone sind mehrere große 
Schollen von Trias, welche an der Nordseite der Zone liegen, 
aber nicht genau an diese Grenze gebunden, sondern mehrfach etwas 
in die nördlich folgende Zone bunter Schiefer hineingerückt sind oder 
in Abwesenheit des Verrucano zwischen dem Kalkzug und der äußeren 
Zone bunter Schiefer liegen, also ebensowohl dieser als der Verrucano- 
zone zugezählt werden können, wenn man nicht alle drei zusammen 
als eine Einheit nehmen will. 

Dieser tektonische Verband zeigt sich auch an der östlichsten 
Scholle, jener ober Innergufer (NO von Prutz). Der Triasdolomit 
ist an seinem Südrand zerspalten und schmale Blätter won Verrucano- 
schiefer schieben sich an ein paar Stellen noch dazwischen ein. 
Zwischen diesen randlich abgespaltenen Triaspartien und der ge- 
schlossenen Triasmasse zieht aber noch ein schmaler Streifen von 
dunkelviolettgrauen Schiefern unsicherer Zugehörigkeit und von kalkigen 
Schiefern mit lichtgrünem Serizitbelag, gelben kalkigen Schiefern und 
liehtgrünen, milden tafeligen Tonschiefern durch, welch letztere drei 
Gesteinsarten sicher den bunten Schiefern zuzurechnen sind. Die 

67* 


524 Wilhelm Hammer. [82] 


Hauptmasse der Trias, welche 300—400 m mächtig ist, läßt durch die 
(nicht symmetrische) Wiederholung der Gesteinsarten (siehe Profil 
Fig. 13) erkennen, daß sie aus mehreren Schuppen besteht. An der 
Nordseite wird sie sehr wahrscheinlich durch eine steil südfallende 
Verwerfungsfläche keilförmig nach unten abgeschrägt. 

Die Fortsetzung der Triasscholle jenseits des Talbodens von 
Prutz, bei Entbruck (siehe Profil Fig. 13), stoßt unmittelbar an den 
Verrucano. (Die roten und violetten Schiefer am Nordende der Sauer- 
quellenwand, welche E. Suess als Werfener Schiefer angesprochen 
hat, bilden nicht das Hangende der Verrucanoserie, sondern über 
ihnen liegen, in dem angrenzenden Baumgarten und den darüber 
liegenden Wiesen, nochmals quarzknotenreiche Quarzserizitschiefer, 
typische Verrucanogesteine.) Das Liegende der Trias bilden hier 
Mergel (= Bactryllienmergel des Frudiger) und feine Sandsteine 
(NO streichend und sehr steil NW einfallend). Die freiliegende Wand 
des darüber folgenden Kalkes wird von einer größeren Rutsch- 
fläche eingenommen, deren Striemen flach gegen NO ansteigen. Der 
nördliche Teil der Scholle scheint, soweit die wenigen Aufschlüsse 
einen Einblick gewähren, aus einer Gruppe einzelner Dolomitschollen 
zu bestehen (eine davon zwischen den Häusern von Außer-Entbruck, 
die anderen in den Wiesen darüber). 

Die untere Triasscholle am Urgenebnerbach grenzt an die dunklen, 
hier teilweise stark kristallinischen Phyllite des Verrucano (Fig. 2). 

Der Bau der nächstwestlichen Triasscholle, jener in der Aufbruchs- 
nische ober Fiß ist in den Profilen Fig. 5 dargestellt. Zwischen ihr 
und dem Verrucano zieht noch ein Streifen intensivster Verschuppung 
von Verrucanophylliten und bunten Schiefern sich hin. Die Triasscholle 
erreicht am Ostrand der Nische eine Mächtigkeit von 200 m und 
schrumpft nach beiden Seiten rasch zusammen. Ob ein Zusammenhang 
mit der Urgenebnerscholle besteht, wird durch Vegetation verdeckt. 
Aus der Verteilung der Gesteinsarten im mittleren Teile läßt sich 
wohl ein synklinaler oder antiklinaler Bau, mit Dolomit (Hauptdolomit ?) 
in der Mitte, je nachdem man die Kalk-, Tonschiefersandstein- und 
Rauhwackenserie als Rhät oder Raibler-, beziehungsweise Partnach- 
schichten ansieht, herauslesen. Mannigfache Zeichen heftiger tekto- 
nischer Bearbeitung sind der Scholle aufgeprägt: der Dolomit ist 
durchwegs brecciös, besonders im Hangenden; in dem dunkelgrauen 
dolomitischen Kalk an der Basis sind zwischen nicht brecciösen Lagen 
desselben linsenförmig abgequetschte Bänke eines etwas lichteren 
dolomitischen Kalkes eingeschlossen, welche breceiös und stark von 
Kalzitausscheidungen durchsetzt sind, deutlich abgesetzt von den um- 
hüllenden Lagen (siehe Zeichnung bei Fig. 5). 

Mit der Ausdünnung der Verrucanozone am Pfundser Ochsenberg 
und weiterhin gegen Westen erscheinen dann wieder ein paar größere 
Triasschollen an der genannten Zonengrenze. Die größte derselben 
bildet den einen Gipfel und den Nordgrat des Frudigerkopfes 
und zieht sich beiderseits in die Kare hinab. Mehrere senkrechte 
Brüche durchsetzen sie und verursachen ein staffelförmiges Absitzen 
gegenüber dem südlichen Kreidekalkzug, an welchen die Trias un- 
mittelbar anstoßt; dagegen sind hier am Nordrand der Trias noch 


[83] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 525 


stellenweise (Westseite des Frudigerkammes) Schmitzen von weißem 
Quarzsandstein mit den angrenzenden „bunten Schiefern“ verwoben. 
Der Dolomit ist brecciös, stellenweise in Rauhwacke übergehend, der 
Kalk kristallinisch und stellenweise in grobspätigen Nestern. und. 
Adern umkristallisiertt — wie dies auch in der Fisser Nische zu 
beobachten ist. 


Am östlichen Fließerberg ist die Trias aus mehreren 
großen linsenförmigen Massen zusammengesetzt, welche durch breceiöse 
Partien miteinander verbunden sind; die einen bestehen aus dunklem, 
zuckerkörnigem Dolomit, die anderen aus hellgrauem Kalk (Profil 17, 
Fig. 17). Die Trias wird im Süden durch ein schmales Blatt von 
bunten Schiefern von dem Kreidekalkzug getrennt, gegen Nordost 
bildet eine bescheidene Flaser von Verrucano (serizitischer Quarz- 
sandstein, glimmerschieferähnliche Phyllite) gewissermaßen eine Fort- 
setzung der Trias, die sonst beiderseits von den bunten Schiefern 
umschlossen wird. 


Die Triasscholle am Kapplerkopf wird beiderseits von schwärz- 
lichen Tonschiefern eingefaßt, unsicherer Zugehörigkeit, im Liegenden 
auch von silbergrauen Tonschiefern. 


Die größere Triasliinse am westlichen Fließerberg 
(Matschiberlesattel) stoßt wieder im Süden unmittelbar an die 
Kreidekalke und ist am Westende durch Zerteilung mit ihnen verkeilt; 
im Hangenden lagert am Dolomit zunächst ein Konglomerat, ähnlich 
dem in den bunten Schiefern an der Blauwand (enthält dunkle 
Kalke, grüne Tonschiefer, ein Gneisfragment), welches stark gepreßt 
ist und durch seine Verflaserung in engem Verband steht mit dem 
nordwärts folgenden Kalkserizitschiefer und flyschähnlichen Schiefer, 
der Serie der „bunten Schiefer“. 


Auf der Strecke vom Urgenebnerbach (Fisser Ochsenalm) bis 
zur Fließeralm nimmt den Raum zwischen der Verrucanozone, be- 
ziehungsweise den Triasschollen und dem Gneisrand die schon mehr- 
fach erwähnte „äußere Zone der bunten Schiefer“ ein. Ihre 
Mächtigkeit ist analog wie bei den anderen eine wechselnde; zum 
Teil mag dies hier auch auf verschieden starke Rückwitterung des 
Randes der übergeschobenen Gneise zurückzuführen sein. Außer den 
eben beschriebenen, in den Südrand der Zone eingeschobenen Trias- 
schollen durchsetzen besonders im östlichen Teil mehrfach tektonische 
Blätter — „Gleitbretter‘ im Sinne Spitz’ — von Verrucano die 
bunten Schiefer. Es kann diesbezüglich auf die Darstellung der 
Gegend von Fiß—Schönjöchl in der Karte und den Profilen erwiesen 
werden. Aber auch weiter westlich sind solche nicht selten, wie zum 
Beispiel die zwei schönen am Südgrat von P. 2827 (Stubental) und 
die auch mit Trias, Gips und Diabas vergesellschaftete Scholle zwischen 
P. 2921 und 2854 des Frudigerkammes. 

Am Gneisrand sind zahlreiche kleine Schollen verschiedener 
Gesteine zwischen „bunte Schiefer“ und Gneis eingeklemmt. 

Am Frudigerkamm sind am Gneisrand unter P. 2921 (des Haupt- 
kammes) die früher beschriebenen „hellbunten Kalke“ in stark ge- 
quetschtem und zerdrücktem Zustand und mit bunten Schiefern ver- 


596 Wilhelm Hammer. [84] 


flochten eingeschoben; beiderseits verschwinden sie unter den Halden, 
ohne jenseits derselben Fortsetzung zu finden. 

Am Südfuß des Hexenkopfes ist eine mächtige, nach beiden 
Seiten rasch auskeilende Linse von typischem Verrucano zwischen 
Gneis und flyschähnliche Schiefer eingeschoben. (Wechsellagerung mit 
den bunten Schiefern siehe S. 497 und Fig. 7.) 

Gegen NO am Gneisrand fortschreitend treffen wir an der Ost- 
seite des Hexenkopfes, nahe dem See in der Masner, wieder eine 
kleine Scholle von teilweise mikrobrecciösen Kalken (ONO streichend 
und N fallend), die, wie S. 461 ausgeführt wurde, sehr wahrscheinlich 
zu den Kreidekalken gehören. Mehr in die bunten Schiefer hinein- 
gerückt sind zwei kleine Triasklippen (die eine brecciöser Dolomit, 
die andere hellgrauer Kalk), welche an dem den See abdämmenden 
Hügelrücken anstehen. 

Am Südgrat des Arrezkopfes liegt im Hangenden der bunten 
Schiefer, welche das Arrezjoch nördlich des Verrucano überqueren, 
ein etwa 50 m mächtiger Zug von dunkelgrauem Kalkschiefer (gelblich 
anwitternd) mit Crinoidenbreccien (Bündnerkreide), welcher vom Gneis 
nur noch durch einen ganz dünnen Streifen verdrückter bunter Schiefer 
(braunknollige Sandsteine, phyllitische grüngraue Schiefer) getrennt 
wird. Der streichenden Fortsetzung des Kalkzuges gehören aller Wahr- 
scheinlichkeit nach die „hellbunten Kalke“ östlich davon an. Auch hier 
liegt (Ostabfall des Seitengrates P. 2729) zwischen ihnen und dem 
Gneis, beziehungsweise dem Amphibolit, der hier mit dem Gneis wechselt, 
ein schmales Streifchen von grünbraunen, kalkig-serizitischen Schiefern 
(auch quarzitisch-löcherige Lagen und phyllitische Lagen), wie sie 
allenthalben in der Serie der „bunten Schiefer“ vorkommen. 

Von hier an weiter gegen NO folgen zunächst einige kleine 
Triasschollen. Ein abgerollter Block am Ostgrat des Furgler verrät 
eine solche; eine größere anstehende Scholle von lichtgrauem, weißlich 
anwitterndem Dolomit (mit den eigenartigen breit-messerstichartigen 
Auswitterungen, wie sie im Wettersteinkalk der Nordalpen oft zu sehen 
sind) ist am Ostfuß des Furgler (südwestliche Seitenkare des Laus- 
bachtales) aufgeschlossen. Hangendes und Liegendes ist durch Schutt 
verdeckt; das nächste Anstehende darüber ist der Gneis. 

Unter dem Planskopf (am Steig zur Furka) liegen mehrere 
sehr kleine Schollen von Triasdolomit und Rauhwacke, an der Unter- 
grenze des hier stark diaphtoritischen Gneises, und dünne Lagen dieses 
schieben sich auch zwischen sie. Unter ihnen liegen die „bunten 
Schiefer“ (kalkige graue und graugrüne Phyllite, stahlgraue Phyllite, 
gelbgrünliche Serizitkalkschiefer und ein mächtiger Quarzfels). Eine 
große zusammenhängende Triasklippe liegt dann etwas weiter östlich 
(östlich des Kammes Planskopf — Komperdellalm) unmittelbar unter 
dem Gneis (grauer, weißlich anwitternder, diekbankiger bis unge: 
schichteter Dolomit, von feinem Kalzitadernetz durchschwärmt; außer- 
dem eine mit Vegetation überwachsene schmale Zone gelber glatter 
Tonschiefer wie jene in den Raiblerschichten des Jaggl). Eine ganz 
kleine Scholle von Dolomit liegt weiterhin unter dem Sattelkopf, 
jenseits desselben eine große Verrucanoscholle. 


[85] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 597 


An der Gneisgrenze unter dem Planskopf und weiter östlich bis 
gegen den Brunnenkopf sind mehrfach dichte grüne Schiefer anstehend. 
unter dem Planskopf auch über die untersten Gneispartien eingeschoben. 
Vom Sattelkopfkamm ostwärts ist in den oberen Teilen der bunten 
Schiefer in mehrfachen Aufbrüchen bis zur Felsnische unter Schönjöchl 
ein heftig verschieferter und gefältelter Diabasschiefer (Diabaskalk- 
' schiefer) eingeschlossen. Vielleicht handelt es sich bei den westlichen 
Vorkommen um eine an die Gneisgrenze gerückte Fortsetzung dieses 
Niveaus. Im Schliffbild sind sie den Grünschiefern der Finstermünz 
‚ ähnlich, aber durchschnittlich ärmer an dunklen Gemengteilen, be- 
ziehungsweise deren Stellvertretern. Jene unter Planskopf liegen in 
der Nähe der Triasschollen, die östlichen liegen abseits von solchen. 

In der Ausbruchsnische unter dem Schönjöchl werden die 
über den bunten Schiefern liegenden Schollen von Dolomit, Rauhwacke 
und Gips vom Gneisrand durch eine gering mächtige Lage von grauem, 
kalklagenreichem Tonschiefer (Kalkphyllit) getrennt, welche am ehesten 
den tonschieferreichen Zonen der grauen Bündnerschiefer in der 
Prutzer Gegend gleichen. Alles fällt ziemlich steil unter die Gneise 
ein, bei ONO- bis OW-Streichen. In dem Profil Fiß—Schönjöchl 
stehen sich also hier an beiden Rändern der äußeren Schieferzone 
Triaseinschaltungen gegenüber. 

Diese Gegenüberstellung wiederholt sich am Urgenebner- 
bach (siehe Profil 1, Fig. 14). Die obere Triaszone ist hier ver- 
treten durch eine schon ziemlich tief in die bunten Schiefer hinab- 
gerückte Einschaltung dichter hellgrauer und schwärzlicher, gut ge- 
bankter Kalke, konkordant mit ONO-Streichen und Bergeinfallen in die 
Schiefer eingereiht, in zirka 1700 m Höhe. Ein Zusammenhang mit 
den Vorkommen in der Felsnische unter dem Schönjöchl besteht aber 
. keineswegs; zwischen beiden liegt eine plötzliche, wahrscheinlich 
durch einen Querbruch bedingte Tieferrückung der Gneisgrenze um 

Die Reihe der Randschollen findet ihre Fortsetzung durch ein 
sehr schlecht aufgeschlossenes Dolomitvorkommen über dem Bad Ob- 
ladis zu dem Schwarm von Triasklippen, welche in den Gräben und 
Waldhängen südlich Asters; aufgeschlossen sind. Die größte derselben 
ragt als Felsturm, von der Landstraße aus sichtbar, aus dem Wald 
heraus; lichtgrauer breceiöser Dolomit mit Rutschfläche, deren Striemen 
wie bei Entbruck gegen NO austeigen, hier aber steiler und daneben 
noch Striemungen senkrecht dazu. Daneben in den benachbarten 
Klippen auch bankige hellgraue und tafelige dunkle Kalke. Das 
Liegende der Hauptklippen bilden bunte Bündnerschiefer (lichtgrüne 
und graue Tonschiefer, gelbliche kalkige Schiefer, helle Kalkschiefer, 
graue Kalktonschiefer, im oberen Teil dazwischen aueh Lagen von 
grünlich- und violettfleckigen Schiefern, welche sehr an Verrucano 
erinnern), das Hangende Gneis, der aber größtenteils in Blöcke auf- 
gelöst ist, weshalb bei der dichten Bewachsung es meist schwer zu 
entscheiden ist, ob er ansteht oder nur Blockhalden bildet. Auch 
südlich der Klippen zieht schon ein Gneisblockwall durch, der 
möglicherweise Anstehendem entsprechen könnte. Bei den unterhalb 
Unterasters gelegenen Schollen ist das Angrenzen von anstehendem 


528 Wilhelm Hammer. [86] 


Gneis unzweifelhaft aufgeschlossen. Die nordöstlichste derselben steht 
ungefähr 8S0—100 m über der Reichsstraße, am Waldhang ober der 
Tullenaukapelle, an; es ist das von Steinmann beschriebene Trias- 
vorkommen südlich Pontlatz. 

Den Schlußstein in der Reihe bildet endlich jenseits des Inn 
die mächtige ungeschichtete Dolomitmasse, welche die Felsköpfe ober 
den Guferhöfen (nördlich Prutz) aufbaut. Während der Nordrand 
in nahe ostwestlicher Richtung gerade über den Hang hinauf verläuft, 
ist der Südrand des Dolomits durch ein paar Querbrüche gestaffelt 
(die westlicheren Teile rücken stufenweise weiter gegen Süden vor). 
An einer NNW gerichteten Kluftfläche beobachtet man sehr flach 
gegen N ansteigende Rutschstreifen. Die angrenzenden Bündnerschiefer 
werden von der Dolomitgrenzfläche schräg abgeschnitten. Die Dolomit- 
masse entsendet nach unten eine gewaltige Bergsturzhalde, welche 
den Berghang bis zum Inn hinab überdeckt. Am Südrand bei P. 1823 
noch eine vielleicht auch zur Trias gehörige Lage von gelb und grau 
sestreiftem Bänderkalk. 

Während die „äußere Schieferzone“ einschließlich der Triasschollen 
und Verrucanoblätter im Südgehänge desSchönjöchl eine Mächtigkeit 
von 1000—1500 m besitzt, schrumpft sie nordöstlich vom Urgenebner- 
bach auf wenige 100 m zusammen: eine Erscheinung, welche in erster 
Linie dadurch erzeugt wird, daß sich von hier ab zwischen die 
Verrucanotriaszone (Ladis—Faggen) und die äußere Schieferzone ein 
neuer Schichtzug einschiebt, nämlich dunkelgraue Kalkschiefer, seltener 
stärkere Kalkbänke, wechselnd mit Lagen von schwärzlichen oder 
silbergrauen halbphyllitischen Tonschiefern, und Kalktonschiefer ; selten 
auch graphitische Schiefer; im ganzen ein Schichtkomplex, der am 
meisten den grauen Bündnerschiefern, wie sie südlich Prutz anstehen, 
oder den tonschieferreichen Zonen am Frudigerjoch, Finstermünz ete. . 
entspricht (Fig. 13). In der Wiese unter Bad Obladis steht in ihnen 
eine Bank grober Breccie an, ähnlich denen der basalen Bündner- 
schiefer. 

Diese Schichtzone setzt zuerst nordöstlich des Urgenebnerbaches 
ein, wo sie beiderseits des von Ladis zu den Bergwiesen führenden 
Weges anstehen. Das Gehänge zwischen Ladis, Obladis und Asters ist 
leider sehr stark von Glazialschutt und besonders von Gneisblockhalden, 
welche teilweise direkt den höher oben anstehenden Gneisabbrüchen 
entstammen, überschüttet, so daß nur einzelne zerstreute Aufschlüsse 
zu finden sind. Immerhin sind die grauen Kalk- und Tonschiefer ober 
und unter dem Bad Obladis mehrfach anstehend zu finden und weiter- 
hin auch am unteren Waldrand zwischen Entbruck und Asters. Nahe 
über Bad Obladis steht angrenzend an den schwarzen Tonschiefer 
seschieferter Diabas an, ebenso unterhalb des Hotels; vielleicht ist 
auch der Diabasblockwall in dem Wäldchen nördlich Ladis anstehend 
und dann die Fortsetzung jener. Sicher anstehend trifft man Diabas- 
schiefer dann weiter nördlich bei P. 1251 der Originalkarte (Wald- 
wiese ungefähr Mitte Weges zwischen Ladis und Asters) mit fragmen- 
tarischem Dolomitblockwerk und mit grauem Kalkschiefer vergesell- 
schaftet. Möglicherweise ist dieses Vorkommen von dem Hauptzug der 
grauen Schiefer durch eine Gneisschuppe getrennt, da tiefer unten 


[87] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 529 


im Wald, nahe dem Nordrand der Wiesen über Entbruck Gneis sehr 
wahrscheinlich ansteht. 

Ein weiteres unsicheres Vorkommen von Diabas besteht gleich 
ober dem Dorfe Ladis, am Nordrand des Verrucano (bei der Sägemühle 
und am westlichen Almweg). Wenn er ansteht, so ist der in Blöcke 
aufgelöste Diabas jedenfalls stark verrutscht. In seiner Gesellschaft 
ist auch eine ebenfalls in ihrer Bodenständigkeit etwas fragliche 
kleine Dolomitklippe 1), daneben und dazwischen viel lokaler und 
erratischer Gneisschutt. Immerhin genügen die Aufschlüsse, um das 
Bestehen einer Zone von grauem Bündnerschiefer mit Diabasein- 
lagerungen festzustellen. 

Die äußere Zone bunter Schiefer ist einerseits durch die Auf- 
schlüsse am Urgenebnerbach, anderseits durch jene unter den Asterer 
Triasklippen angezeigt; in der Gegend von Bad Obladis fehlen 
verläßliche Aufschlüsse dieser Zone völlig und ist nur das Dolomit- 
vorkommen im Wald ober dem Badhotel (Promenadeweg bis zum 
Fißer Almweg hinauf, alter Kalkofen) als Vertreter der randlichen 
Triasklippen zu sehen. Da die Aufschlüsse der grauen Schiefer und 
des Diabases über dem’ Bad und die aus Gneis bestehende Wand 
zwischen Bad und Kreßbründl sich sehr nahe rücken, so fehlt jene 
Schieferzone hier ganz oder ist auf ein sehr bescheidenes Maß ein- 
geschränkt. Der mehrfach abseits von den Mineralquellen vorhandene 
Kalksinterüberzug würde im allgemeinen für ihr Vorhandensein 
sprechen, kann aber in einem so quellenreichen Gelände wie hier 
doch nicht als verläßlicher Beleg dafür genommen werden. 

Breit und deutlich ist der Zug der grauen Kalkschiefer und 
Tonschiefer östlich des Inn, am Gehänge von Falpaus, entwickelt, 
mit einer Mächtigkeit von 500—600 m. Im Süden stoßen sie unmittel- 
bar von der Trias ab; nördlich vom Gehöft Falpaus, am Waldrand, 
ist auch hier ein Diabaslager eingeschaltet. Gegen Osten keilförmig 
sich verschmälernd, reicht der Zug bis an den Gneisrand unter der 
Aifneralm. Die Fortsetzung der äußeren Schieferzone, welche ihn im 
Norden umgibt, ist auch hier schmal und wird noch zum größten Teil 
von einem mächtigen Diabasschieferlager eingenommen, welches 
vom Inn aufwärts bis zur Gneisgrenze das Gehänge durchzieht. Süd- 
lich von ihm sind die „bunten Schiefer“ nur durch das Gipslager 
vertreten, welches östlich im Wald über Obergufer liegt, und die 
sehr geringen Reste von gelbgrünlichem, kalkigserizitischem Schiefer, 
welche es begleiten). Die Schiefer nördlich des Diabases, zwischen 
ihm und dem Triasdolomit, sind von unsicherer Zugehörigkeit; es 
sind dunkelgraue Kalkschiefer, wechselnd mit vielen Tonschieferlagen, 
stellenweise aber auch weißliche serizitische Lagen, auch schmutzig- 
grüne glimmerige Schiefer, welche an „bunte Bündnerschiefer“ denken 
lassen. Für diese Einordnung würde die gleiche tektonische Stellung 
wie die der bunten Schiefer unter Asters sprechen — zudem auch 


!) Es wäre die Fortsetzung der Triasklippen von Entbruck, deren oberste, 
sicher anstehende vor dem Hof Panzer nördlich Ladis aufgeschlossen ist, 2“ 

2) Südlich P. 1826 treten am Rand des Diabases auch wieder grüne serizi- 
tische Schiefer, Quarzknauerschiefer und gelbe kalkige Lagen auf, den „bunten 
Schiefern“ entsprechend. 


Jahrbuch d.k. k, geol. Reichsanstalt, 1914, 64, Band, 8, Heft. (W. Hammer.) 68 


530 Wilhelm Hammer, [88] 


dort manche indifferente graue Lagen beigemengt sind —, während 
die Gesteinsart im ganzen sie den Falpauser grauen Schiefern näher- 
stellt. Jedenfalls wird die äußere Zone hier fast ganz durch den stark 
anschwellenden Zug der grauen Schiefer verdrängt. 


Ähnlich wie am Ostende tauchen auch am westlichen Ende 
des hier behandelten Teiles der nördlichen Randzone neue tektonische 
Elemente auf. 


Kartenskizze von einem Teil des Malfragkammes und seinem Ostabhang. 


Ls = Liasschiefer. — IL = Liaskalke. — C = Großspäthiges Karbonatgestein 

(kalkig mit Quarz). — D = Lichtgrauer Dolomit von Spatadern durchzogen. — 

D, = Gelblicher dolomitischer Kalk mit Spatadern (zu C gehörig?). — K = Bündner- 

kreide (Kalk mit Crinoidenbreecien). — S— Bunte Bündnerschiefer. — qg = Weißer 

und roter Quarzsandstein. — qr = Dunkelrote, tonige, schwach sandige Schiefer. 

— gc = Kalkiges Konglomerat (siehe Figur 9 und Beschreibung S. 500). — 
6 — Diabasschiefer. — y = Gips. 


Am Malfragkamm streichen die bunten Schiefer der äußeren 
Zone über den Matschiberlesattel, im mittleren Teile reich an 
Breccien und nördlich davon Flyschschiefer. An der Westseite werden 
sie von einem Diabaslager begleitet. 

Nördlich dieses Zuges bunter Schiefer reiht sich dann.-am 
Malfragkamm eine neue Schichtzone an: die Liaszone. Sie ist strati- 
graphisch durch das Auftreten der Kalke und Schiefer des Lias 
charakterisiert, tektonisch durch eine sehr heftige Zertrümmerung 
und Verschuppung der verschiedenartigsten Schichtglieder, so daß 


[89] Das Gebiet ‘der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 531 


sie vielfach den Charakter einer Art von tektonischer Riesenbreceie 
annimmt. Die Zone erreicht ihr Ostende auf der Fließeralm. An dem 
vom Martinskopf zum östlichen Fließerberg sich absenkenden 
Kamme sind noch einzelne Blöcke von Liaskalken (gelbrot verwitternde 
knauerige, lichtgraue oder gelbe spat- und quarzreiche Kalke) und 
wahrscheinlich auch zum Lias gehörige schwärzliche Schiefer in ge- 
ringer Mächtigkeit, eingeschlossen zwischen zwei Züge von Kreide- 
kalken, als letzte Ausläufer zu sehen. Am Malfragkamm selbst ist 
die Zone charakteristisch entwickelt (siehe Kartenskizze Fig. 19 und 
Profil Fig. 20). Verrucano, Trias, Lias, Kreidekalke, bunte Schiefer, 
Diabas, Gips, sind in Schuppen durcheinandergemischt. Der Lias ist 
hier ausnahmsweise neben kleineren Schollen noch in einer einheit- 
lichen Scholle von ungefähr 2 km Längenerstreckung erhalten, welche 
als schroffe Felsmauer quer über den Malfragkamm und über den 
Kamm Grübelekopf—Munt da Cherns sich erstreckt. Am Westabhang: 
des letzteren zeigt der Lias sich auf der bekannten Örtlichkeit „bei 
der Kirche“ zu einem engen Sattel aufgebogen, während er sonst 
gleichmäßig steil NW fällt. In ihrer Fortsetzung gegen Westen erreicht 
die Zone den Greitspitz und findet im Fimbertal ihre stärkste 
Entfaltung. Zahlreiche klippenartig aufragende Liasschollen verschie- 
densten Ausmaßes entragen hier allenthalben der bunt zusammen- 
gesetzten Zone — auch Gneis tritt hier stellenweise darin auf. 

An der Nordseite begleitet den Liaszug am Malfrag eine mächtige 
Zone von Kreidekalken. Sie endet im nordöstlichsten Winkel 
der Fließeralm (unter P. 2921). Das Auftreten der Kreidekalkschollen 
am Arrezjoch unter dem Gneis könnte man als abgerissene Zeugen 
einer weiteren östlichen Erstreckung auffassen, wenn man nicht vor- 
zieht, sie als zusammenhanglose Schubschollen an der Gneisüber- 
schiebung zu erklären. Gegen Westen hin streichen sie vom Malfrag- 
kamm zur Alp bella hinüber, zu dem wegen seines Fossilgehaltes schon 
oft erwähnten typischen Vorkommen von Bündnerkreide. 

Am Martinskopf stoßen die Kreidekalke an den Gneis; hier in 
' Spuren, etwas weiter westlich deutlicher (unter dem Kreuzjoch) über- 
lagert sie noch ein Diabaslager; am Malfragkamm liegt am oberen 
Malfragkopf zunächst eine Schmitze von „bunten Schiefern“, be- 
gleitet von einer Bank Rauhwacke, über diesen dann ein Komplex 
von „Flyschschiefern“, welche aber manche Gesteinsarten mit 
der Serie der bunten Schiefer gemeinsam haben (knollige, dunkel- 
graugrüne Sandsteine, auch eine Bank feiner Breccie), und erst über 
diesen folgt dann wieder Diabas von beträchtlicher Mächtigkeit, welcher 
gegen Osten hin den Hauptkamm mit schrofien Felsen krönt (P. 2760 
bis P. 2684) und sich ein Stück weit in die obersten Kare des Grübele- 
tales (Paznaun) hinabsenkt. - 

Das Streichen der den Diabas unterlagernden Schiefer dreht 
sich hier in die NS-Richtung herum, mit Einfallen gegen W, und die 
Schiefer fallen an der Scharte P. 2684 steil vom Gneis ab. Desgleichen 
wird das Diabaslager in der Mitte von einem Schieferzug durchtrennt, 
der einerseits den Diabas am P. 2760 unterteuft, anderseits auf die 
östliche Scholle von Diabas etwas aufgeschoben ist. An den Südhängen 
sieht man sehr anschaulich, daß beide Diabase von der Schieferserie 

685* 


[90] 


Wilhelm Hammer. 


= 


| 


532 


| 


Profil über den Malfragkamm. 
Maßstab: ungefähr 1:3000. 


Flysehschiefer. 

Dunkelgraue Kalkbänke mit Tonbelag. 

Bunte Bündnerschiefer: grüne tonigkalkige 
Schiefer, braune Sandsteinschiefer, schiefrige 
Quarzbreccien, nördlich des Diabases auch weiß- 
lich grüne stark gequälte Kalkschiefer. 
Weißlichgrüner und roter Quarzsandstein (Bunt- 
sandstein). 


: — Gelbe Rauhwacke, 


= Gips. 

— Liaskalke. 

— Grobspäthiges quarzhältiges gelblich weißes 
Carbonatgestein. 

= Liasschiefer (mit ein paar Kalkbänken)*). 

= Diabasschiefer. 


*) Dicht schraffiert, der Buchstabe s ist im Klichee ausgeblieben. 


[91] Das Gebiet der Bündnerschiefer iın tirolischen Oberinntal. 533 


unterlagert werden und neben dem W-Fallen am Kamm sich gleich- 
zeitig gegen N hinabsenken. Unter den Flyschschichten kommen hier 
noch kalkige Schichten hervor, welche wohl den Kreidekalken von 
Malfrag gleichzustellen sein dürften. Am Gneisrand sind kleine Reste 
von Triaskalk (und ein paar Blöcke von Diabas [?]) eingeklemmt. Die 
Auflagerung auf dem Gneis ist allem Anschein nach keine primäre 
sedimentäre Anlagerung, sondern ist wahrscheinlich durch eine der 
Hauptgebirgsbildung folgende spätere Bewegung zustande gekommen, 
da auch der anstehende Gneis in gleicher Weise aus seinem 
herrschenden O—W-Streichen heraus in die NS-Stellung gedreht 
wurde (siehe Profil Fig. 21). 

Am Grübelekopf (Gribellakopf) stehen Gneis, Diabas und 
Flyschschiefer in saigerer Stellung nebeneinander und sind ineinander 
verzahnt. Dies ist besonders auch am Westgrat desselben der Fall; 
in saigerer oder sehr steil gegen S abfallender Stellung stecken im 
diaphtoritischen Gneis mehrere Schuppen von Flyschschiefer, von 
Kreidekalk und von Triasdolomit. Ein dem Diabas von P. 2760 (NO 
Malfragkopf) entsprechendes Diabaslager bidet den südlichen Gipfel- 
zacken des Grübelekopfes und findet seine von Halden unter- 
brochene Fortsetzung über das Islitzerjoch (Cuolm d’Alp bella) zu der 
gewaltigen Grünsteinmasse desBürkelkopfes. Am Kamm Grübele- 
kopf—Cherns liegt zwischen dem die Kreide überlagernden 
Fucoidenschiefer und dem Diabas des Grübelekopfes eine Scholle 
von Gneis, welche zum Teil hochgradig mylonitisiert ist in der 
Art der dichten Mylonite (siehe unten)!). (In Paulckes Profil im 
Exkursionsführer 1912 als „Schiefer vom Casannatypus“ eingetragen.) 
Darüber folgen nochmals Kreideschichten (?). Westlich im Kar gesellt 
sich zum Gneismylonit ein sehr ähnlich aussehender Spilit. 

Das Auftreten der Triasschollen am Gneisrande von Malfrag 
und Grübelekopf läßt erkennen, daß diese als Schubschollen an den 
Gneisrand gebunden sind und daher auch die weiter östlich be- 
obachteten gleichgelegenen Schollen tektonisch nicht Bestandteile der 
„äußeren Schieferzone“, sondern unabhängig von den Zonen sind, an 
welche sie gegen innen angrenzen. 

Die Fucoidenschiefer unter dem Diabas setzen sich gegen Westen 
fort über Mutt da Chöls zur Südseite des Flimspitz und dem 
Außeren Viderjoch. 


III. Ostrand. 
(Kaunerberg—Langetzberg.) 


Das Streichen der Schichten ist in den nördlichen Randzonen vom 
Samnaun bis in die Gegend von Ladis gegen NO oder ONO gerichtet 
und von den meist in diesem Rahmen sich haltenden Schwankungen, 
welche schon durch die „flaserige“ Struktur bedingt sind, abgesehen, 
ein recht gleichmäßiges; stärkere Abweichungen führen an einzelnen 


1) Die Gneisscholle entspricht in ihrer Lage und Gesteinsart (zweiglimmeriger 
Adergneis) der Gneisscholle zwischen Flimspitz und Bürkelkopf. 


[92] 


Wilhelm Hammer. 


534 


Fig. 21 


P 20684 


Abe VAL: St Me 
230 IS MR 
IT MIST 


EGGDWDE AP) SUN gr 


ONMO 


Profil entlang dem Hauptkamm zwischen Fließer Stieralm und dem Grübeletal, nordöstlich vom oberen Malfragkopf. 
Maßstab: 1:6250. 


gn = Diaphtoritischer Perlgneis. — a —= Amphibolit. — & — Geschieferter Diabas. 


1 


= Flyschschiefer. 

Kalkschiefer (Kreide?) gegen W in Mischung mit den knolligen Sandsteinen etc. (Flyschschiefer). 
Halbphyllitische hellgrünlichgraue Schiefer, gegen O mehr sandig-glimmerige Schiefer. 
Dunkelgraue gebankte Kalke (ähnlich der Kreide des Malfragkopfs). 

Kleine Schollen von lichtgrauem Kalk (Trias) und ein Paar Blöcke von Diabas (?). 


ee op m 
aa 


[93] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 535 


Stellen, zum Beispiel am Sattelkopf—Beutelkopfkamm zu OW-Streichen ; 
ebenso beständig ist das Fallen gegen NW, beziehungsweise NNW 
gerichtet, meist mit steiler Stellung; flache Lagerung herrscht im 
Gebiet der Fisser Ochsenhütte, öfter treten Abweichungen in sehr 
steile Stellung ein. Sehr steil sind die Schichten besonders in dem 
Gebiet nördlich von Prutz aufgerichtet. 

Die nördlichsten Zonen erreichen, wie eben geschildert wurde, 
mit ONO-Streichen den Gneisrand unter der Aifneralm und enden 
hier: die nördlichste Triasscholle, der schmale Zug bunter Schiefer 
mit dem Diabas und die grauen Bündnerschiefer von Falpaus, letztere 
keilförmig verschmälert. Nahe unter der Gneisgrenze ist in den obersten 
Mähdern noch ein Aufschluß der letzteren zu sehen. 

Die mehrteilig zusammengesetzte Trias von Falpaus zerteilt 
sich gegen Osten am Kaunerberg in drei Äste, die auf der Karte wie 
die Zinken einer Gabel aussehen: ein Zug lichter Triaskalke sticht 
in den Mähdern ober Noggels aus der Grasdecke hervor; ein 
zweiter Zug, ebenfalls vorwiegend lichte Kalke, tiefer unten auch der 
Tonschiefer der Trias, streicht gerade beim Hofe Noggels vorbei 
durch den Wald und ein dritter tiefster Zug ist im Wald über 
Gaiswies aufgeschlossen, vorwiegend aus brecceiösem Dolomit be- 
stehend, dem sich aber in geringer Menge auch helle Kalke beige- 
sellen. Alle drei streichen in NO-Richtung schräg am Gehänge auf- 
wärts, bald östlich der genannten Gehöfte unter der das ganze Gehänge 
dicht überziehenden Decke von erratischem Blockwerk und Vegetation 
verschwindend. Was zwischen ihnen liegt, ist nur zwischen den beiden 
nördlichen teilweise zu sehen: in dem schmalen Waldstreifen zwischen 
den Mähdern, welchem der Steig von Noggels bergaufwärts folgt, be- 
findet sich ein Rundhöcker von Gneis (glimmerreicher Paragneis mit 
feiner Lagenstruktur, NO streichend und saiger) und ein gleicher auch 
in den Wiesen östlich daneben. Einerseits seine Lagerung, angepaßt den 
umgebenden Schichten, anderseits die Gesteinsverschiedenheit gegen- 
über dem durchwegs aus Granitgneis (und dessen Mylonit) bestehenden 
benachbarten Gneisrand sprechen dafür, daß es nicht eine Deckscholle, 
sondern eine zwischen die Trias etc. eingeschlossene Schuppe ist, 
ähnlich jenen am Flimspitz, Grübelekopf etc. 

Der Verrucano südlich der Trias von Falpaus reicht in voller 
Breite bis unter Gaiswies und endet hier unter der Glazialdecke. Im 
nächstöstlichen Graben ist nichts mehr von ihm zu sehen. 

Alle Zonen mit Ausnahme der drei nördlichsten schwenken kurz 
vor dem östlichen Gneisrand in NW- und dann in NS-Richtung ein. 

Als Fortsetzung der Triaszonen des Kaunerberges östlich des 
großen Glazialschuttfeldes, das von Obwahls über Schnadigen 
zu den Mähdern sich erstreckt, können die Aufschlüsse"im SchloB- 
bachgraben unter der Gneisgrenze betrachtet werden. 

Wir treffen hier auf zwei schmale Triaszüge (siehe Profil Fig. 22): 
der eine (7) dicht unter der Gneisgrenze, besteht aus einem 30—40 m 
mächtigen, lichtgrauen, breceiösen Dolomit und wird vom randlichen 
Gneismylonit getrennt durch einen 5—10 m mächtigen Streifen eines 
schwärzlichgrünen Schiefers (8), welchen man makroskopisch für einen 
Diabasschiefer ansprechen möchte, nach dem mikroskopischen Bild er- 


536 Wilhelm Hammer. [94] 


scheint dies aber sehr fraglich, denn er erscheint hier als ein fein- 
faseriger gefältelter Serizitphyllit, von dünnen Chlorithäutchen durch- 
zogen, schwach kalzitführend ). 

Den unteren Triaszug bildet ein am unteren Ausgang der kleinen 
Schlucht rechter Hand anstehender lichtgrauer, ebenfalls etwas brecciöser 
Kalk (2). Vielleicht gehören auch die südlich angeschlossenen licht- 
grauen, gelblich anwitternden, dünntafeligen Kalkschiefer (1), welche 
viel Kies in kleinen Körnchen enthalten, dazu. Uber dieser Trias 
liegt zunächst ein dunkelgraues mylonitisches Kalkquarzgestein (3), 
dann ein Diabasschiefer (4). 

Zwischen beiden Triaszügen liegt eine Folge von grünlichgrauen 
und lichtgrünen serizitisch-kalkigen Schiefern (5) mit Quarzknauern, nach 
oben in graue Kalktonschiefer übergehend. Sie sehen den Schiefern 


Fig. 22. 


Profil im Schloßbachgraben zwischen 1550 und 1700 m. 
Erklärung im Text. 


m = Moräne. — Am unteren Rand von 10 ein Schurfloch. 


zwischen dem Diabas und Dolomit ober den Guferhöfen ähnlich und 
dürften dem ganzen Habitus nach den „bunten Schiefern“ zugehören. 
In den obersten, wieder mehr grünen und serizitischen Lagen ist eine 
meterdicke Bank eines lichtgrauen dichten, serizitbelegten Kalkes (6) 
eingeschlossen mit unsicheren Crinoidenstielgliedern, vielleicht eine mit 
den hier sehr verdrückten Schiefern zusammengewalzte Triasbank, 
um so mehr, als in der Nähe auch brecciöse Trümmer einer Kalkbank 
im Schiefer stecken ?). 

Die zwei Triaszüge können als letzte Ausläufer der Falpauser 
Trias betrachtet werden. Sie enden hier am Gneisrand; das Streichen 
der ganzen Profilreihe ist NW mit Einfallen gegen NO. Der nörd- 


!) Wohl aber befindet sich darüber ein mylonitisierter und zersetzter Diabas, 
siehe darüber im Abschnitt „Gneisrand“, 

2) Dieses Profil in seinen Hauptelementen beschreibt bereits Stotter 1859 
unter der Bezeichnung „Pirkigtobel“ bei Kauns! 


[95] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 537 


lichste der drei Triasäste über Noggels dürfte wahrscheinlich dort in 
den Mähdern enden, im Schloßbachgraben lägen die Enden der beiden 
südlicheren Aste oder eine weitere Gabelung eines derselben vor. 

Unterhalb des gezeichneten Profils streicht noch ein Diabaszug 
quer über den Schloßbachgraben (NW streichend). R 

Die „bunten Schiefer“ entfalten sich östlich des Schloßbach- 
grabens zu großer Mächtigkeit: zwischen Gähenfeld und Brauneben 
reichen sie vom Gneisrand bis nahe über den Schloßbach herab. Im 
obersten Teil ist hier eine Bank grober Breccie eingeschaltet. 

Den Mühlbachgraben überqueren sie mit NNW-Streichen 
und steilem ONO-Fallen. Sie enthalten hier mehrfach Kiese. Zwischen 
sie und den Gneis schiebt sich im Mühlbachgraben eine Schuppe von 
Verrucano, in welchem eine kleine Linse von brecciösem Triasdolomit 
steckt. (Streichen des Verrucano nahe NS). Die bunten Schiefer über- 
queren wahrscheinlich unterhalb der Säge (Gasthaus „Alpenrose“) das 
Kaunertal, da am linken Ufer des Faggenbaches oberhalb des Kalk- 
ofens ein schmaler Streifen von grünen und grauen Tonschiefern mit 
NNW-Streichen und steilem ONO-Fallen durch den Waldgraben hinauf- 
zieht. Am linken Einhang des Petersbaches taucht einmal ein Rest 
von grünen Serizitarkoseschiefern auf, der in diese Zone gehören 
kann. Begleitet wird dieser Streifen wieder von einer etwas größeren 
Triaslinse (Kalk und Dolomit, Kalkofen im Wald, ungefähr 100 m 
über dem im Tal gelegenen). 

Uber dem genannten Zug bunter Schiefer taucht, da die Gneis- 
grenze weiter gegen SO zurückweicht, eine neue Schuppe auf: graue 
Bündnerschiefer, vorwiegend graue Tonschiefer, bei Martinsbach 
NNW streichend und steil bergeinfallend, und setzt sich zum unteren 
Teil des Petersbaches fort (linkes Ufer des Kaunertales). Sie wird 
bei Martinsbach wieder überlagert von gelben, grünlichen und 
grauen Tonschiefern, in denen ganz kleine Trümmer von Triasdolomit 
eingebettet sind. Östlich des Petersbaches endet diese Schieferschuppe 
hier deutlicher als zu den bunten Schiefern zu rechnend erkennbar 
(hellgelblich kalkige Serizitschiefer, hellgrüne Tonschiefer etc.) mit 
NS-Streichen und steilem O-Fallen am Gneisrand. 

Unmittelbar am Gneisrand besteht nahe bei Martinsbach 
(unter dem Weg nach Kaltenbrunn) ein alter Bergbau, der in den 
letzten Jahren einmal von Ingenieur P. Bewersdorff neu gewältigt 
wurde. Nach dem mir freundlichst zur Einsicht gesendeten Gruben- 
plan durchfährt der Stollen zuerst ungefähr 95 m Bündnerschiefer 
und trifft dann auf eine Lage von bituminösem, dunklem Tonschiefer, 
dessen Erzgehalt die Alten nachgegangen sind. Er fällt mit mittlerer 
Neigung bergein bei nahezu nordsüdlichem Streichen, und enthält 
marmorartige Kalkknollen. Hinter (über) ihm traf der Schurfbau auf 
dolomitische Kalke, eingelagert in graugrünem Tonschiefer, also offen- 
bar die gleichen Schiefer mit Triasträmmern, wie sie über Martins- 
bach zutage kommen. 

Die gleiche Beugung im Streichen wie die vorgenannten Zonen 


erfährt auch die breite Zone von grauen Bündnerschiefern, in welche 
der Ausgang des Kaunertales eingeschnitten ist. Beim Dorf Kauns 
und südlich davon in der Talschlucht streichen die Kalkschiefer nahe 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 8. Heft. (W. Hammer.) 69 


438 Wilhelm Hammer, [96] 


OW mit sehr steilem N-Fallen. Bei der Ruine Berneck schwenken 
sie rasch in NNW- und NS-Streichen mit sehr steilem O-Fallen ein und 
das NNW-Streichen behalten sie weiterhin bei bis zu der Zone bunter 
Schiefer. Die gleiche Biegung ist in den südlichen Steilhängen (Schloß- 
wald) zu verfolgen }). 

Kurz bevor man auf der Talstraße zur „Alpenrose“- Säge kommt, 
schaltet sich zwischen die grauen Kalkschiefer ein Zug von grünen 
und roten Tonschiefern, lichtgrünen Serizitquarzschiefern mit Quarz- 
knauern und schwärzlichen Tonschiefern ein, die Grenzzone ist pyrit- 
führend. Die Schiefer brausen nicht mit ZC!. Sie dürften dem Verru- 
cano zuzurechnen sein; allerdings fehlen typische Vertreter dieser 
Schichtgruppe und ist in manchen Teilen eine Annäherung an die 
bunten Schiefer nicht zu verkennen. Besonders ist dies am linken 
Ufer des Faggenbaches der Fall, wo weiter oben am Hang nur mehr 
grüne Tonschiefer auftreten und mit kalkigen Lagen sich mischen. 
Die Schuppe keilt nach beiden Seiten rasch aus. 


Bei der Schilderung der „zentralen Aufwölbung“ wurde bereits 
das bogenförmige Ende der inneren Schieferzone angeführt. Zur 
Ergänzung ist hier noch das eigenartige Ineinandergreifen mit der 
Kalkschieferzone nördlich davon nachzutragen. In der Rinne, welche 
unterhalb Wiesele beginnt und durch den Schloßwald zum Faggen- 
bach hinab verläuft, streichen die bunten Schiefer mindestens 200 m 
tief von Wiesele an hinab — sie umschließen hier das im strati- 
graphischen Teil besprochene Gips-Triasdolomitvorkommen — und 
gliedern sich mit NNW-Streichen und sehr steilem O-Fallen in dieser 
schmalen Zunge konkordant zwischen den grauen Kalkschiefern dem 
Schalenbau der östlichen Abwölbung völlig an. Eine bedeutend kleinere 
solche Zunge bunter Schiefer greift schon am oberen Rand der großen 
Wandabbrüche im Schloßwald in die grauen Bündnerschiefer ein. Die 
innere Schieferzone erfährt also an ihrem Ostende eine hammerförmige 
Ausbreitung nach Norden und Süden, sie ist von Osten her „breit- 
gequetscht“. (Da die bunten Schiefer unterhalb Wiesele selbst und 
ein Stück weit gegen Petersbach hin anstehen, dann auch wieder am 
linken Einhang dieses Grabens in 1800 m Höhe, so ist trotz der starken 
erratischen Blocküberstreuung der Hänge ober Wiesele der direkte 
Zusammenhang mit den Aufschlüssen des darüberstehenden Kammes 
anzunehmen, im anderen Falle könnte es sich nur um eine etwas 
tiefere Auftrennung an dem quergerichteten Zonenende handeln.) 

Über den an der Waldgrenze typisch mit zahlreichen Breccien- 
bänken entwickelten bunten Schiefern liegt unter P. 2157 des Kammes 
ober Wiesele (siehe Profil Figur 23) eine Folge von hellgrauen, gelb an- 
witternden Kalken, sehr stark verknetet und geflasert und stellenweise 
mit dunkelgrauen Kalzitknötchen. Sie erinnern am ehesten an die 
Kreidekalke vom Pezidkamm oder an Kalke des oberen Malfragkopfes. 
Deutliche Breccienbänke fehlen; nach oben zu schalten sich lichtgrüne 
Tonschieferlagen ein. Es handelt sich wohl um Verschuppungen mit 


!) Die’ Schwenkung im Streichen in Verbindung mit den Windungen des 
Tales täuschten E. Suess hier einen Sattel vor (l. c. Seite 721). Ein Einfallen 
gegen SO besteht hier nirgends, ebenso ist die Neigung durchwegs steil bis sehr steil. 


539 


Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 


[97] 


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540 Wilhelm Hammer. [98] 


Kreidekalken. Über ihnen liegt ein Lager von sehr stark verschiefertem 
Diabas (P. 2137) und dieses wird wieder überlagert von den Tonschiefern 
der bunten Bündnerschiefer. In ihnen steckt nahe dem Sattel südlich 
P. 2137 eine Scholle von dunkelgrauem, dickbankigem, etwas bituminös 
riechendem Kalk, welcher teilweise ganz marmorisiert ist: der letzte 
Ausläufer der Triasschollen der inneren Schieferzone. Als oberstes 
Glied des Profils zum Mathankopf folgt dann jener schon oben er- 
wähnte Streifen von Crinoidenkalken und Breccien, welcher, wie oben 
angeführt wurde, dem Gneisrand vom Tösnertal bis zum Faggenbach 
folgt. Es wurde auch das schon angeführt, daß die innere Zone der 
bunten Schiefer sich mit bedeutender Mächtigkeit noch längs des 
ÖOtztalerrandes bis zum Tösnertal fortsetzt, ohne daß weitere tektonische 
Komplikationen innerhalb der Zone sich bemerkbar machen (siehe 
die Profile Figur 29 und 30). 


IV. Der Südrand. 


Gegenüber den vielfachen Schichtwiederholungen und Ver- 
flechtungen des Nordrandes erscheint der Südrand einfach zusammen- 
gesetzt. Die geschlossene Masse der grauen Bündnerschiefer mit den 
typischen Gesteinen der Bündnerkreide im Hangenden reicht bis an 
den Gneisrand heran, den Zonen bunter Schiefer im Norden steht 
nur im nordöstlichen Teil eine Zone solcher am Südrand gegenüber, 
weiterhin aber nur in sehr bescheidenen Resten dort und da; Trias 
(und Lias) ist unterhalb des Gneisrandes nur in ein paar ganz geringen 
Resten in der Nauderergegend beteiligt und kommt dann noch in 
einer in die randlichen Gneise eingeschalteten Schubzone bei Nauders 
zutage, fehlt aber sonst dem tirolischen Südrand völlig. 

Wir beginnen die Schilderung in der Gegend von Nauders. 

Wie schon aus der Tabelle (Tafel XXI) ersichtlich ist, schaltet 
sich in der Nauderergegend in die Bündnerkreide (Crinoidenkalke, 
Breccien etc.), welche das Hangende des geschlossenen Bündner- 
schieferkomplexes bilden, ein mächtiges Diabaslager ein; es setzt 
bei Grenzstein 5 auf tirolischem Gebiet ein — nach Schiller keilt 
es auf der Schweizerseite sehr bald aus —, zieht sich an und über 
den Kohlstattrücken hin, überschreitet bei Schloß Nauders- 
berg den Stillebach, steigt an der rechten Flanke am Eingang des 
Gamortales zum Westkamm des Gaisblaiskopfes an und zieht an 
der Nordseite desselben zum Suntawakamm, wo es sich in mehrere 
kleine Teillager zerfasert und im obersten Saderergraben dann ver- 
schwindet. Während längs dieser ganzen Erstreckung hin der Diabas 
sonst im primären Verband mit den unterliegenden Kalken etc. steht 
— auf Gamor sowohl wie am Suntawa feine Kalklagen, wechselnd mit 
diabasischem (tuffigem ?) Material, am Rand des Diabaslagers — schiebt 
sich an der Schweizergrenze bereits an der Basis des Diabases eine 
Schuppe von stark zerpreßtem serizitischem Gneis ein, welche nach 
ihrer petrographischen Beschaffenheit sehr wahrscheinlich aus einem 
Granitgneis entstanden ist. Nach beiden Seiten verschwindet er rasch 
im Wald. Von der Schweizerseite gibt Schiller außerdem noch 
unterhalb des Gneises einen „weißen und blaßgrünen Marmor in 


u Ann — 


[99] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 541 


mäßig dicken Bänken mit hellen und rotbraunen Crinoidenstielgliedern“ ?) 
an, welche er mit dem Lias von Steinsberg vergleicht. Da hier 
me auch er sezinoidenkalke an der Landesgrenze an- 
stehen, so wäre auch die Möglichkeit von m ig 
Kalken in Betracht zu behalten. I 
Uber dem ‚(steil S fallenden) Diabasschiefer folgt wieder eine 
Zone Bündnerschiefer mit (besonders gut entwickelten) Crinoidenkalken 
und Breccien der Bündnerkreide (begleitet von kleineren Tonschiefer- 
lagen). Sie setzen an der Sumpffläche unterhalb des Schwarzsees 
ein und sind bis ober Riatschhof zu verfolgen und neuerdings 
erscheinen sie in gleicher Stellung wieder am Valribach, von wo 
sie bis zum Westkamm des Gaisblaiskopfes anhalten. Nach einer 


Fig. 24. 


Profil am Valribach in etwa 1650 m Höhe. (Weg zu einem aufgelassenen kleinen 
Steinbruch.) 


D = Diabasschiefer. — b — Kalkig-sandige graue Bündnerschiefer mit vielen 
Tonschieferlagen. — k = Lichtgraue Kalkschiefer. — T = Dolomitische Kalke 
(Trias). — g = Gneisquetschlinge. 


Unterbrechung an der Nordseite dieses Kammes beobachtet man sie 
wieder zwischen den Teillagern am Suntawa. 

Am Valribach sind in diese Zone kleine Schollen von Trias 
und Gneis eingeschoben, wie auf dem beifolgenden Profil (Figur 24) 
ersichtlich. Es schneidet den Bach in zirka 1650 m Höhe. Der dichte, 
graue, gelblich anwitternde Triaskalk geht nach oben und talaufwärts in 
einen dunkelgrauen, primärbreceiösen, stark dolomitischen Kalk über, 
der den Sedimentationsbreecien im Triasdolomit des Ortler oder der 
Lischannagruppe gleicht. Er ist in mehrere Quetschlinsen zerrissen 
und in die Bündnertonschiefer eingeknetet. Unter ihm sind ganz kleine 
Schollen von Gneis eingepreßt. Eine etwas größere steht höher oben 
am Valribach bei 1900 m an2). Über den Triaslinsen liegen zunächst 


1, L 8. 186. - f i 
2) Möglicherweise von etwas Grünschiefer begleitet; es ist unsicher, ob 
letzterer ansteht. 


542 Wilhelm Hammer. | 100] 


Tonschiefer und Kalkschiefer, dann wenige Meter eines dunkelgrün- 
grauen dichten Quarzites und dann über ihm Crinoidenkalke und 
Kalkschiefer (im ganzen 30—50 m mächtig) und zuoberst noch kalkig- 
quarzitische Bänke. 


Am Westkamm des Gaisblaiskopfes zwischen 2300 und 2400 m 
und am obersten Südhang desselben schieben sich an der Grenze 
gegen den Gneis die oben (Seite 461 und Figur 4) beschriebenen 
„hellbunten Kalke* ein. Sie werden von Crinoidenkalken unter- und 
überlagert und liegen am Nordrand direkt auf dem Diabasschiefer. 
Nahe dem südlichen Ende bricht eine Gangmasse von (ungeschiefertem, 
mittelkörnigem, phaneromerem) Diabas auf und zwischen ihr und 
den hellbunten Kalken liegt stark geschieferter Diabas. Am Kamm 
bricht am Gneisrand noch ein kleiner Gang diabasischen (?) Charak- 
ters durch. 


Der Gneisrand greift am Kamm über die Zone der Kreidekalke 
und ihre Schollen vor bis zum Diabaslager und erst am Suntawakamm 
taucht die Zone wieder unter dem Gneis hervor. 


Bei Riatsch setzt über dem Crinoidenkalk eine Gneiszone ein, 
welche dann bis zum Stillebach direkt dem Diabasschiefer aufliegt — 
sei es, daß erstere auskeilen oder der Gneis sie bis zum Diabas- 
schiefer hin überdeckt. Sie besteht zum größeren Teil aus Ortho- 
gneisen (Augengneis im Gamortal und bei der Säge am Stillebach, 
stark verquetschter serizitischer Flasergneis bei Riatsch und im 
Gamortal, beide petrographisch gleich den Orthogneisen des Gaisblais- 
kopfes; bei Riatsch am Nordrand ein kleinkörniger, stark mylonitischer 
Gneis, wahrscheinlich aus einem Biotitorthogneis hervorgegangen, 
mit makroskopisch in kleinen dunkelgrünen Tupfen hervortretendem 
Biotit-Chlorit), zum kleineren Teil aus Paragneisen (Phyllitgneis 
am Stillebach, unter Novelles und im Gamortal inmitten der Augen- 
gneise, ferner nördlich des Valribaches zwischen der Granitgneismasse 
des Gaisblaiskopfes und den Bündnerschiefern eine Zone von Phyllit- 
gneis und feinschieferigem Biotitgneis [Biotitschiefern], letztere gleich 
den zahlreichen analogen Einschaltungen in den Schiefergneisen von 
Mutzwiesen und Stables-Novelles). Bei Novelles aplitisch-granitische 
Lagen (Lagergänge ?). 

Am Valribach weicht der Gneis wieder weit vom Diabasschiefer 
ab und überlagert die eben beschriebene Zone von Bündnerkreide etc. 
Das Streichen des Gneises ist hier OW und ONO (seltener OSO mit 
starkem Südfallen), also jenes der Ötztalergneise, stark verschieden 
von dem NO- bis NNO- Streichen der unterlagernden Bündner- 
schiefer. 


Bei Riatschhof liegt auch auf dem Gneis noch eine Scholle 
von Crinoidenkalk der Kreide. Zwischen ihm und dem darunter ein- 
fallenden Gneis steht ein sehr dunkelgrüngrauer, massiger, dichter 
Quarzit an. U. d.M. erblickt man einen feinen Quarzsandstein (wenig 
gerundete Quarzkörner, oft ineinandergreifend, dicht gedrängt, mit 
sehr wenig äußerst feinkörniger Zwischenmasse, vereinzelte Biotit- 
schüppchen und chloritische Fasern). Da ein gleicher Quarzit (nur 
geschiefert) innerhalb der Crinoidenkalke am Valribach ansteht, ist 


2 


[101] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 543 


er dieser Formation ofienbar zuzurechnen — wie ja der Verband mit 
quarzitischen Gesteinen für sie charakteristisch ist !). 

. Im Gebiet westlich des Stillebaches bricht nun südlich von der 
Crinoidenkalkzone, beziehungsweise dem Gneis eine mächtige Masse 


Fig. 25. 


FTELEGOH 
Profile zwischen Nauders und der Landesgrenze (von NNW—SSO). 


= Linkes Gehänge des Stillebachtales. — 2 = Zwischen Tiefhof und Riatschhof. 
— 3 — Über Kohlstätte, nahe bei Tiefhof vorbei. — 4 — Östlich nahe neben 
Grünsee und Schwarzsee. — 5 = An der Landesgrenze. 


db = Graue Bündnerschiefer und be = Crinoidenkalke derselben (in Profil 5 am 
Nordend die Quarzbreccie des Lochschrofen). — qg = Quarzit bei Riatschhof. — 
bb = Bunte Bündnerschiefer, mit Dolomiteinschluß bei Tiefhof. — 8 = Diabasschiefer. 
— 6 — Serpentin. — T, = Fragliche Trias oder Tithon der Zone Tiefhof—Grava- 
lada. — T, = Triaskalke ober dem Grünsee. — T, = Trias des Piz Lad. — 
m, = Mylonit. — Go = Orthogneis. -- @s = Paragneise. — G@q — Gneisquarzit. 


von Serpentin auf, das Rundhöckergelände um den Schwarzsee 
aufbauend. Er beginnt am Inn unterhalb der Plattamala von Remüs 


!) Der Quarzit von Riatsch erinnert makroskopisch an die xOlquarzite“ der 
Schweizer. Vergleich der Schliffe mit solchen von Ölquarziten aus dem Rhätikon, 
welche mir Freund Ampferer zur Verfügung stellte, zeigten zwar Überein- 
stimmung in dem Charakter von feinkörnigen (typischen) Quarzsandsteinen bei 
beiden, dem Riatschgestein fehit aber der die Olquarzite kennzeichnende Agirin- 
augit, welcher in den Rhätikongesteinen durch sehr fein aggregierte, lebhaft grüne 
chloritische Umwandlungsprodukte vertreten ist. Zeichen von Kontaktmetamorphose 
fehlen in der Struktur gänzlich bei beiden, auch die gute Erhaltung organischer 
Strukturen (Crinoidengitterstruktur) in Fossilresten der Rhätikongesteine spricht 
gegen eine solche. 


544 Wilhelm Hammer. [102] 


und zieht sich vom Ausgang der Valtorta zusammenhängend fort bis 
zur Landesgrenze, wo er am Schwarzsee zu besonderer Mächtigkeit 
anschwillt und dann am Stillebach endet. Es ist das nordöstliche Ende 
der Serpentinzone von Schuls. 

Westlich des Stillebaches über dem Serpentin, östlich desselben 
über der Gneiszone zieht sich eine schmale, aus verschiedenen 
Schichtgliedern zusammengesetzte Zone hin. Es beteiligen 
sich an ihr: 1. Graue kalkige Bündnerschiefer (dunkelgraue 
dünnschieferige Kalkschiefer, gelblich oder lichtgrau anwitternd, oft 
mit serizitischtonigem Belag, viele Kalzitadern und phyllitische und 
halbphyllitische graue Tonschiefer, lithologisch etwa dem Komplex an 
der Straße Norberthöhe—Martinsbruck gleichend), anstehend am 
Karrenweg nach Tiefhof, weiter oben am Weg Tiefhof--Grünsee und 
an der Landesgrenze. 2. Bunte Bündnerschiefer: auf dem 
Felsköpfchen am Südrand der Wiesen von Riatschhof, ferner auch 
weiter aufwärts zwischen Tiefhof und Grünsee stehen grüne, etwas 
serizitische Tonschiefer mit weißen Kalzitflasern, Tonschiefer mit grünen 
und schwärzlichvioletten Lagen wechselnd, mit feinen grauen kalkigen 
Flasern durchzogen, schwärzlichrostige Tonschiefer, schließlich grüne 
Tonschiefer mit braunen Kalklagen an, also Gesteine, welche charakte- 
ristische Glieder der Serie der bunten Schiefer sind. 3. Gesteine der 
Trias: Beim Hof Novelles ober Nauders setzen zwischen den Gneisen 
Dolomite ein und ziehen sich durch die linksseitige Flanke des Gamor- 
tales bis zu der von den Gamorböden herabziehenden Rinne: hell- 
grauer, sehr licht anwitternder, oft brecciöser Dolomit und dunkel- 
grauer Dolomit, dem Diploporendolomit des Jaggl und Piz Lad gleich; 
über ihm im Gamortale sowie ober und unterhalb Novelles liegen 
dunkelgraue, dichte, dünnschieferige Kalke, licht anwitternd, gestriemt, 
welche dem Muschelkalk entsprechen dürften. Sehr ähnliche solche 
Kalkschiefer, manchmal licht rötlich anwitternd, treten nun auch 
zwischen Tiefhof und Grünsee in dieser Zone auf und erinnern stark 
an Teile des Muschelkalkes unter Piz Lad oder mehr vielleicht noch 
an die Tithonkalkschiefer von Valtorta, Plattas etc. Allerdings 
ist ihre Abtrennung von den grauen Bündnerschiefern infolge der 
weitgehenden Gesteinsähnlichkeit sehr schwer und macht der enge 
Verband mit dem PBündnerschiefer überhaupt ihre Zurechnung zu 
einer anderen Formation unsicher. E. Suess hat sie (zwischen Tief- 
hof und Grünsee) gleichwohl als „in unzweifelhafter Weise als ost- 
alpine Trias kennbar“* bezeichnet). Unter den bunten Bündnerschiefern 
zwischen Riatsch und Tiefhof taucht auch noch ein Dolomitknollen 
hervor. 

Diese komplexe Zone überschreitet die Landesgrenze bei Grenz- 
stein 3 (1859 m). Ober Grava lada schiebt sich zwischen sie und den 
Serpentin wieder Gneis ein, der gegen Westen rasch an Ausdehnung 
gewinnt und zwischen oberem und unterem Gneis keilt die hier nur 
aus grauen Bündnerschiefern bestehende Zone bald aus. 

Ein letzter Rest jener unteren Gneiszone findet sich noch in 
einer SO über dem Schwarzsee zwischen Serpentin und Kalk- 


) L.c. 8. 731. 


[103] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 545 


schieferzone anstehenden kleineren Gneisscholle. Schließlich entspricht 
beim Wegfall des Serpentins östlich vom Stillebach der Gneis zwischen 
Bündnerkreide und Kalkschieferzone, beziehungsweise Dolomit der- 
selben Position. 

Die Kalkschieferzone verlauft mit NO-Streichen zwischen Tief- 
hof und Riatschhof vorbei (näher ersterem) zum Stillebach, den sie 
oberhalb der Säge erreicht. Am oberen Ende des Schuttkegels des 
Galdstierbaches (südlich Nauders) taucht sie wieder aus dem Talschutt 
heraus. Die Dolomitzone endet, wie oben beschrieben, am linksseitigen 
Einhang des Valribaches; als ein letzter einzelgestellter Ausläufer 


Fig. 26. 


OS 


Querprofile durch das Tal des Valribaches, bei 1700 und 1800 m ungefähr den 
Bach schneidend. 


Maßstab: 1:12.500. 


Go = Orthogneise (Augen- und Flasergneis). — @s = Paragneise (zweiglimmerige 


Schiefergneise und Biotitschiefer). — @q = Gneisquarzit. — D = Diabasschiefer. 
— b = Graue kalkig-sandige und quarzitische Bündnerschiefer mit Touschiefer- 
zwischenlagen. — bc = Crinoidenkalke und Breccien. — Td = Triasdolomit. — 


T%k = Dunkelgraue Kalkschiefer der Trias oder des Tithon. 


kann ein sehr kleines Triasvorkommen an der rechten Talseite in 
2300 m Höhe angesehen werden: eine sehr kleine Klippe von Dolomit 
und etwas rötliche Kalkschiefer sind hier eingekeilt zwischen saiger 
gestelltem, stark zerquetschtem und serizitisiertem Phyllitgneis. 

Die unter der Triaszone liegende Gneiszone fließt mit dem 
Aufhören der ersteren zusammen mit der geschlossenen Gneismasse 
der Ötztaler und ist weiterhin östlich die Spur der Schubfläche nicht 
mehr weiter zu verfolgen. Die besprochene Zone tritt an einer in 
den Rand der Gneise eingeschnittenen Bewegungsfläche auf und keilt 
beiderseits in demselben aus, ohne daß die Schubfläche nach den 
Seiten sich weiter verfolgen ließe. 

Östlich des Stillebaches setzen am oberen Rand der Triaskalk- 
schieferzone die Ötztalergneise ein, deren einzelne Gesteinszonen von 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 8. Heft. (W. Hammer.) 70 


546 Wilhelm Hammer. [104] 


der Grenzfläche schräg abgeschnitten werden, entsprechend dem Winkel, 
welchen die ostwestliche bis ostnordöstliche Streichrichtung der Gneise 
mit dem Verlauf jener Fläche bildet. Es sind zweiglimmerige Schiefer- 
gneise, wechsellagernd mit feinschuppigen Biotitgneisen (Biotitschiefern), 
während gegen Norden und Osten zu die große Granitgneismasse des 
oberen Gamortales und Gaisblaiskopfes sich ausbreitet und an die 
Grenzfläche herantritt. Westlich vom Stillebach wird die Gneis- 
masse aber von einer noch höher liegenden Schubfläche durchschnitten: 
ober dem Grünsee, an der Schwelle der Wiesenmulden der Mutz- 
wiesen und im Waldgehänge westwärts steht dunkelgrauer, weiß- 
aderiger, hell anwitternder, gutgebankter Kalk an, der begleitet wird 
von schwarzen, bräunlich anwitternden, mergeligen Kalklagen und 
dunkelgrauem brecciösem Dolomit; im ganzen eine Gesteinsfolge, 
welche viel Verwandtschaft mit dem Muschelkalk der Lischannagruppe 
besitzt, im Kalke allenfalls auch mit dem Tithon derselben Gruppe. 
Sie fallen steil bergein. Der unterliegende Gneis ist am Grünsee 
ein stark verschieferter zweiglimmeriger Orthogneis, etwas deutlicher 
als solcher weiter gegen Tiefhof zu erkennbar. Über der Trias liegen 
zweiglimmerige Gneisglimmerschiefer mit Einlagerungen von Biotit- 
schiefern und Biotitquarziten (im nördlichen Teil der Mutzwiesen 
NO streichend und N fallend, gegen Westen dreht sich das Streichen 
in NS unter dem Piz Lad herum bei sehr steiler Aufrichtung der 
Schichten). Der Schichtkomplex findet seine nordöstliche Fortsetzung 
in den Schiefergneisen und Biotitschiefern des Piengertales. 

Der Einschub mesozoischer Gesteine ober dem Grünsee ver- 
schwindet gegen SW zunächst unter den ausgedehnten Schutthalden 
des Piz Lad. Am westlichen Wandfuß des letzteren (Valtorta) wird 
der Dolomit des Lad unterlagert von einer Mischzone von Tithon, 
Lias und Trias und zuoberst unter dem Dolomit liegen auch noch 
kleine Fetzen von schwärzlichen phyllitischen Schiefern (Casanna- 
schiefer bei Schiller), welche vielleicht besser als schieferige 
Gneismylonite zu deuten sind. Diese Zone liegt auf den Gneisen der 
Valtorta als direkte Fortsetzung jener beim Grünsee. Gleiche phylli- 
tische Schiefer sind auch im obersten Val Dascharina in gleicher 
Position vorhanden. Alles zusammen führt zur Deutung, daB — wie 
schon anderenorts ausgeführt wurde — die große westliche Randüber- 
schiebung der Otztalergneise vom Val Dascharina an längs jener 
Quetschzone unter dem Piz Lad durch verläuft — der Piz Lad ist 
ein triadischer Rest auf den Gneisen analog dem Jaggl — und ihre 
Fortsetzung in jener Zone über dem Grünsee findet. 

An dem Bächlein, welches die Mutzwiesenmulden entwässert, 
endet die Triaseinlagerung: der Verlauf der Schubfläche ist aber 
bis zum Stillebach hin noch zu erkennen an dem Auftreten von 
dichten schwarzen und dunkelgrünen Myloniten mit Quarzknoten 
und Brauneisensteinkrusten in den Waldhängen südlich Tiefhof. 
Unter dem Mikroskop erscheinen sie als typische Mylonite teils un- 
geschiefert, teils flaserig, aus Quarz und Serizit bestehend, wobei die 
groBe Menge des letzteren zum Teil wohl auf Feldspate zurückzu- 
führen ist. Der Schliff zeigt einen sehr hohen Gehalt an neuge- 
bildetem Kalzit. Im ganzen dürfte es sich um zermalmte Gneise und 


[105] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 547 


Quarzite handeln, deren Kalkgehalt wohl von mitverarbeiteten oder 
in der Tiefe steckenden Trias-Tithonschollen herrührt, allenfalls käme 
auch Verrucano noch als Ursprungsmaterial der Mylonite in Betracht. 

Der Verlauf der Schubfläche fällt, soweit die mangelhaften Auf- 
schlüsse und die intensive Verschieferung der Orthogneise eine Ab- 
grenzung erlauben, zusammen mit der Grenze des Orthogneises 
welcher nur nördlich davon gefunden wurde, und dem Schiefergneis 
mit Biotitschiefer und Quarzit, welcher das ganze Gelände südlich 
davon zusammensetzt. 

Jenseits des Stillebaches fehlen Spuren jener Schubfläche im 
Gneis über der tieferen Triaszone; bis zum Rand dieser reicht der 
enggeschlossene, OW—ONO streichende Faltenbau der Ötztalergneise, 
welcher im Gehänge von Stables und Novelles zwei Synklinalen bildet. 


Der höhere, ober der westlichen Randüberschiebung liegende 
Teil der Otztalergneise wird von der Triaskappe des Piz Lad ge- 
krönt. Während im Norden und Osten die Auflagerung der Trias eine 


Gaisbleiskopf 


[27 


Go = Orthogneise (Augen- und Flasergneis). — @s = Paragneise (zweiglimmerige 

Schiefergneise und Biotitschiefer).. — ö& = Gänge von Diabas und Diabasphophyrit, 

— D = Diabasschiefer. — 5 —= Graue, kalkig-sandige und quarzitische Bündner- 
schiefer mit Tonschieferlagen. — be — Crinoidenkalke und Breccien. 


relativ normale ist, insofern an der Basis Verrucano — allerdings in 
verdächtig geringer und lückenhafter Entwicklung — über dem Gneis 
liest, dann Muschelkalk stark entfaltet und darüber Dolomit — wird er 
im Süden allem Anschein nach durch eine Bruchlinie abgegrenzt: die 
NS bis NNW streichenden und W fallenden Schichten des Dolomits 
stoßen hier, nur durch einen schmalen Streifen von Kalkschiefern des 
Muschelkalkes am Seßlat davon getrennt, von dem OW streichenden 
Gneis ab, der an der Grenze sehr steil aufgerichtet ist mit wech- 
selndem Fallen, weiterhin aber N fällt. In der Gneisunterlage kommt der 
Bruch nicht so deutlich zum Ausdruck insofern als zwischen die NS 
streichenden Gneise der Mutzwiesen und die OW streichenden des 
Seßlat sich NO streichende Partien bei Tendereshof einschalten und 
anderseits das NS-Streichen am Fuß des Gebirges bis nahe zum 
Reschenscheidek, also unter dem Seßlat durch, anhält. Das Fallen 
ist in den tieferen Teilen gegen O, beziehungsweise SO gerichtet. 

Sehr deutlich offenbart sich der Bruchcharakter dieser Grenze 
am Grat des Piz Lad und jenem des Piz Ajüz. 
, 0* 


548 Wilhelm Hammer. [106] 


Mit dem Verschwinden der Diabasschiefer an der Suntawa- 
Ostseite tritt die Serie der Crinoidenkalke mit Quarziten und Ton- 
schiefern geschlossen an den Gneisrand heran. Reich an Torschiefer- 
zügen umzieht sie den Nordhang des Kreuzjoches (P. 2212) 
zwischen Saderertal und Radurscheltal, dessen Sohle sie bei 
der Einmündung des Silberbaches erreicht. Unmittelbar nördlich des 
Kreuzjoches begegnet man an der Obergrenze der Bündnerschiefer 


Fig. 28. 


Pfundser 
Tschey Wiesen 


Ar 9’ Mu 500 7000 m so 


Zwei Profile zwischen Radurschel- und Platzertal. 
Maßstab ungefähr 1:14.000. 


Go = Orthogneis. — A — Amphibolit. — m = Mylonitzone südlich Lahnkopf 

mit mehreren kleinen Blöcken von Dolomit. — ks = Kalkschiefer. — g = Quarzite 

und quarzitische Kalke. — iq — Quarzite mit viel Tonschiefer wechselnd. — 

kt = Kalkschiefer mit wenigen Tonschieferlagen. — Kk = Kreidekalke. — 

kbr —= Kalkige Kreidebreccien. — qgbr —= Breccie mit Quarzkörnern. — 
cb = Crinoidenhaltige Breccien. 


einer großen Schmitze von ‚lichtgrünen Tonschiefern mit Kalklagen, 
welche wohl den „bunten Schiefern“ zugerechnet werden müssen. 
Sie gleichen ganz denselben Tonschiefern in der Zone von Tiefhof. 

Gerade bei dem Kreuz des Kreuzjoches (P. 2212) ist 200 m 
über der Liegendgrenze des Gneises in diesen ein Keil von dichten 
dunkelgrauen, blaugrau anwitternden Kalkschiefern eingeschoben, mit 
OW-Streichen und flachem SO-Fallen, wobei die angrenzenden Gneis- 
partien hochgradig diaphtoritisch sind. Gesteinsähnlichkeit besteht 
sowohl mit manchen Lagen der Crinoidenkalke (doch fehlen Crinoiden 


[107] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 549 


hier gänzlich), als auch mit Gesteinen der Trias oder des Rhät in 
den benachbarten Münstertaleralpen. 

Vom Radurscheltal bis zum Platzertal (westlicher Ast 
des Tösnertales) stoßen die Gesteine der Bündnerkreide ohne weitere 
Komplikationen unmittelbar an den Gneis, der keine Anzeichen weiterer 
Schubflächen an sich trägt. Am Westausläufer des Hochjoches, am 
Rauchkopf, sind an der Gneisgrenze noch sehr bescheidene Reste 
von Diabas zu bemerken. 


V. Der Gneisrand. 


Die Grenze der Gneisregionen gegen jene der Bündnerschiefer 
verläuft an der Silvrettaseite nahe dem Kamm zwischen Paznaun und 
Inntal — vom Vesulspitz bis zum Schönjöchl, an der Ötztalerseite 
überscbneidet sie die vorderen Teile der in nordwestlicher oder nörd- 
licher Richtung gegen den Inn vortretenden Seitenkämme, im Osten 
zieht sie im Bogen über den Kaunerberg. Pontlatz und Kaltenbrunn 
(Martinsbach) sind die tiefsten Taleinschnitte. Der genauere Verlauf 
ist auf den beigegebenen Karten, im Umriß auch auf der Skizze 
(Figur 12) zu ersehen und wird in einheitlicher Darstellung auf der 
geologischen Spezialkarte erscheinen. 

Fast überall längs dieser Linie fallen die jüngeren 
Schichten unter die Gneise ein. Das umgekehrte Verhältnis 
ist einmal auf der Fließeralm zu sehen, in dem im Profil Figur 21 
dargestellten Kamm nordöstlich des oberen Malfragkopfes; möglicherweise 
auch am Südfuß des Martinskopfes, doch sind an letzterer Stelle die 
Aufschlüsse nicht genug tiefgehend. Jedenfalls sind derartige Fälle 
seltene Ausnahmen und können auf sekundäre tektonische Bewegungen 
zurückgeführt werden. _ 

Die Neigung der Überlagerungsfläche ist an den Stellen, wo 
ein tieferer Einblick möglich ist, im tirolischen Bereich steil, nicht 
selten eine nahezu senkrechte. Soweit die Grenze dem Kamm entlang 
läuft, ist selten ein tieferer Einschnitt in die Grenzzone vorhanden, 
wohl aber bieten einen solchen die großen Taldurchbrüche: das Inntal, 
Kaunertal, Tösnertal und Radurscheltal. In geringerer Tiefenausdehnung 
ist senkrechte Aufrichtung der Grenzfläche am Grübelekopf deut- 
lich zu sehen, wobei auch die beiderseits angrenzenden Schichten 
nahezu saiger gestellt sind. An anderen Stellen mit nahezu senkrechter 
Aufrichtung der Grenzfläche, wie am Lahnkopf ober den Tscheywiesen 
(siehe Profil Figur 28) und am Suntawa (südlich des Sadererjoches, be- 
sonders an der Ostseite zu sehen), werden die gegen die (Gmeise 
einfallenden Bündnerschiefer, wenigstens in ihren oberen Teilen, von 
der Grenzfläche abgeschnitten nach Art einer Verwerfung. 

Im tiefen Taleinschnitt des Inn, der Pontlatzschlucht, stehen 
Gneise und Bündnerschiefer, beziehungsweise Trias in sehr steiler 
Stellung und mit einer gleich steil aufgerichteten Grenzfläche neben- 
einander. In Kaunertal bezeichnet der Verlauf der Grenze gerade 
über den Berghang herab die steile Stellung der Grenzfläche; der 
bogenförmige Verlauf der Grenzlinie zwischen Aifneralm und Mathan- 
kopf korrespondiert mit dem periklinen Abfall der Bündnerschiefer, 


550 Wilhelm Hammer, 


Fig.29. 
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Qufel ae 4 N En 
wi N) SITIIY Zirmess 


N 
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N \ MS N dc“ 
N 4 N NS N @ Do 
R (& 5 
S > A IR 
\ 5 Platz wiesen: | 
2% Aufbereilun 
sn N 3 des Tösner Bergbaus 
WW 7 Platzertal so 
Maßstab: 1:16.66. 
Zeichenerklärung: 
= Orthogneis. cb = Crinoidenkalk und Breccie. 
@s — Paragneise. ch, —= Kalke der Bündnerkreide. 
ra Aupkibolit, b = Bunte Bündnerschiefer. 
6 — Diabasgänge. 5 5 ee 
9 = Graue Bündnerschiefer. r — PIECE 
gt = Tüpfelschiefer. q = Quarzite in den bunten Bündner- 
9s — Tonschiefer. schiefern. 


eq — Quarzite und quarzitische Kalke. m = Mylonit. 


[109] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 551 


welche gegen Osten unter die Gneise einfallen, wie dies im kleinen 
im Profil des Schloßbachgrabens zu sehen ist (Profil Figur 22). Die aus 
der Ötztalergruppe entspringenden Seitentäler des Inn: Stalanzertal, 
Tösnertal, Platzertal, Radurscheltal, zeigen größtenteils und zum Teil 
in sehr schönen, steil und tief eingeschnittenen Talprofilen (Platzertal!) 
ein steiles Einfallen der Bündnerschiefer unter die Gneise, zum Teil 
ist die Grenzfläche wellig verbogen und infolgedessen wechselnd 
steiles und flaches Einfallen, wie sich aus der Verbindung der Profile 
zwischen Bergleralm und Zirmesspitzkamm (Figur 29) und aus jenen 
an der Westseite des Schlanderskopfes (Stalanzeralm, Figur 30) ergibt. 

Am Westrand dagegen beobachtet man am Fluchthornkamm 
bekanntlich eine mehrere Kilometer weite flache Auflagerung der 
Gneise, beziehungsweise Amphibolite auf den Bündnerschiefern. 

Eine Querverwerfung des Gneisrandes konnte auf der Fißer 
Ochsenalm mit einiger Wahrscheinlichkeit festgestellt werden: 
Unter dem Schönjöchl verläuft die Gneisgrenze parallel zum Kamm 
zwischen 2100 und 2200 m Höhe, bis sie den oberen Rand der großen, 
von Wiesen und Weiden bedeckten Mulde der Ochsenalm erreicht, 
welche mit Moränenmaterial erfüllt ist. Am Westrand derselben stehen 
überall „bunte Schiefer“ an, am Ostrand aber Gneis bis unter 1700 m 
herab. Eine felsige Steilstufe im Wald bezeichnet den unteren Gneis- 
rand, darunter folgen dann auch auf dieser Seite die Bündnerschiefer. 
Das Streichen sowohl der Bündnerschiefer als der Gneise ist beider- 
seits und unterhalb der Mulde ONO mit Bergeinfallen. Die plötzliche 
Tieferrückung der Gneisgrenze ist hier sehr wahrscheinlich durch 
eine NW—SO laufende Verwerfung zu erklären. Dem entspricht es 
auch, daß die Trias in der Felsnische ober Fiß zwischen 1600 und 
1700 m liegt und die in gleicher Position über dem Verrucano in die 
bunten Schiefer eingeschaltete untere Trias am Urgenebnerbach 
zwischen 1400 und 1500 m. Das obere Triasvorkommen am selben 
Bach kann man — weniger verläßlich — der Trias unter Schönjöchl 
parallel setzen und erhält dann auch hier eine ähnliche Tieferrückung 
wie bei dem Gneis. Auch der obere Rand der Verrucanozone liegt 
am Urgenebnerbach noch um mindestens 100 m tiefer als westlich 
desselben. Dagegen ist am unteren Rand derselben Zone keine 
Differenz mehr feststellbar. Die großen Moränenmassen der Fißer 
Ochsenalm reichen von 2100 m in breitem Zug bis zur Terrasse von 
Fiß-Ladis herab und überdecken durchwegs die Verschiebungs- 
grenze. 

Ein kleiner Querbruch durchtrennt ober der Fendleralm den 
Gneisrand, mit Senkung des Ostflügels um etwa 200m. Der vom 
Gamskopf zur Almhütte (1943 m) herabziehende Rücken besteht bis 
nahe zu dieser herab aus Gneisen, während an dem anderen, die Ab- 
zugsrinne des Kars ober der Alpe einschließenden, vom Schlan ders- 
kopf herabziehenden Gehänge die Bündnerkreide bis 2300 m hinauf- 
reicht. 150m ober der Alpe rücken die beiden Gesteine nahe an- 
einander, sonst trennen Moränenwälle dieselben. 

Das Streichen der Gneise in der Ötztaler- und Silvretta- 
gruppe ist vorwiegend ein ostwestliches, mit mannigfachen kleinen 
Schwankungen in ONO- und OSO-Richtung. Es werden infolgedessen 


— 
oO 
ii 
— 
ol 


Wilhelm Hammer. 


Fig. 30 

ne ME % 

OT, > 90,56 IRISE 
3 NUR Ye RR RCICHER 

ISSSÄNNN so Fan 0 38 er 08: 

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Zirmes köpfl RR —L N 1898 Go 


BIO iR 
r 


Britcke oberhalb, 


der Alm, 
NW 30 
Profile durch die rechte Flanke des oberen Stalanzertales. 
Maßstab: 1: 12.500. 
Go —= Orthogneis. — g = Graue Bündnerschiefer. — db = Bunte Bündnerschiefer, db" = Breccien derselben. 


cb —= Crinoidenkalke und Breccien. — m = Moräne. 


[111] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 553 


die einzelnen Gneiszüge von der im ganzen NO laufenden Grenz- 
fläche gegen die Bündnerschiefer schräg abgeschnitten. 

Ahnlich wie bei anderen großen Dislokationslinien, zum Beispiel 
der Judikarienlinie, ist in nächster Nähe der Grenze vielfach eine 
Anpassung an das Streichen derselben eingetreten, dergestalt, 
daß die randlichen Teile des Gneises ungefähr parallel zum Verlauf 
der Dislokationslinie streichen und dadurch eine scheinbare Konkordanz 
zwischen überschobenem und übergeschobenem Gebirge entsteht, so 
zum Beispiel fast längs dem ganzen Nordrand, auf der Gamoralpe usw. 

Diese randliche Anpassung findet einen auffälligen Ausdruck 
auch in der Verbreiterung, welche die an der Grenze hervor- 
tretenden ÖOrthogneiszüge am Otztalerrand stellenweise zeigen. 
So tritt nördlich des Radurschler Hochjoches eine breite Zone von 
Osten kommend an die Grenze heran, breitet sich aber hier gegen 
SO hin so weit aus, daß sie am Ausgang des Friunsertales mit dem 
nächstsüdlichen Granitgneislager zusammenstoßt, während der da- 
zwischenliegende Paragneisstreifen ohne die Grenze zu erreichen endet, 
beziehungsweise herausgehoben wird. Der Granitgneiszug breitet sich 
am Gneisrand um mehrere Kilometer weiter aus, als die Schnittlinie 
bei gleichbleibender Breite desselben an der Grenze sein würde. 

Die gleiche Erscheinung ist auch am Ostrand, an der Augen- 
gneismasse der Aifenspitze, zu sehen. Die Südgrenze derselben verläuft 
dem (vorherrschend NNO- bis NO-) Streichen und Nordwestfallen 
entsprechend vom Grat abwärts in ostwestlicher Richtung bis sie 
nahezu die Sohle des Mühlbachgrabens erreicht, hier aber biegt sie 
rasch nach Süden aus und statt, wie bei normalem Verlauf zu er- 
warten wäre, im genannten Graben den Bündnerschieferrand zu er- 
reichen, streckt sie sich bis Martinsbach südwärts. Dabei paßt sich in 
diesem Zipfel Streichen und Fallen dem Verlauf der Randfläche an: 
NNW und steiles NNO-Fallen; darüber am Hang aber streichen die 
Paragneise und Amphibolite in dem regionalen ONO-Streichen und 
N-Fallen entsprechend der konkordanten Schichtfolge am Kamm. Auch 
weiter nördlich (Schloßbachgraben) ist Streichen und Fallen des Aifen- 
spitzgneises konkordant gepreßt zu den Bündnerschiefern und der 
Grenzfläche. Dabei ist, wie weiter unten auszuführen ist, der ganze 
Grenzsaum und besonders jener Verbreiterungszipfel vollkommen mylo- 
nitisiert. 

Randliche Anpassung im Streichen und Verbreiterung der Zonen- 
enden’müssen, wenn man das Gebiet als „Fenster“ auffaßt, nach der 
Hauptüberschiebung, während oder nach der Steilstellung der Schub- 
flächen entstanden sein und zeigen, daß der Verlauf des Randes nicht 
nur der einer zufälligen Erosionsöffnung ist, sondern tektonisch be- 
stimmt. | 

Die Verbreiterung am Ostende läßt sich als eine Anpressung in 
der Richtung gegen Westen verstehen, aber auch als Schleppung bei 
einer nordwärts gerichteten Bewegung, beziehungsweise deren Teil- 
bewegungen von Gneis oder Bündnerschiefer. 

In manchen Randzonen ist es zu einer Verschuppung von 
Gneis mit Bündnerschiefer und auch Trias und Verrucano gekommen. 
In kleinerem Ausmaße ist solches zum Beispiel am Grübelekopf zu 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64, Band, 3, Heft. (W. Hammer.) 71 


554 Wilhelm Hammer. [112] 


sehen (siehe Seite 533) oder unter dem Planskopf, in größerem Aus- 
maße in der Gegend von Nauders, wie oben beschrieben wurde. 
Ebenso tritt zwischen Flimspitz und Bürkelkopf und südlich 
des Grübelekopfes eine bedeutende Abspaltung von Gneis zwischen 
die Diabase und begleitenden Schiefer der beiden Gipfel ein. 


Gesteinsumwandlungen am Gneisrand. 


Die beiderseitigen Gesteine sind am Rande scharf voneinander 
abgesetzt; eine Vermischung beider, etwa in Gestalt polymikter 
Reibungsbreccien oder größerer Gesteinsverknetungen ist nirgends zu 
beobachten. 

In den Bündnerschiefern ist selten am Rande selbst eine 
stärkere mechanische oder chemische Umwandlung zu bemerken, als 
sie auch weiter gegen innen in ihnen zu sehen ist. Anzuführen wären 
hier etwa die Scholle von „hellbunten Kalken* am Fuß von P. 2921 
(Frudigerkamm). Die Triasschollen am Gneisrand sind gleich stark 
zerteilt und zertrümmert wie tiefer unten im Profil. — Die Bündner- 
schieferregion ist durch die ganze Masse ziemlich gleichmäßig stark 
gepreßt und gefältelt, ohne daß eine Steigerung am äußersten Rande 
hervortreten würde. 

Dagegen sind die Gneise in einer schmalen Randzone 
meist stark umgewandelt gegenüber dem normalen Bestand der- 
selben. 

Es bilden sich Diaphtorite und Mylonite. Zu ersteren 
sind zu rechnen: dunkelgrüne oder graugrüne, dichte feinfaserige 
oder undeutlich geflaserte Schiefer, in denen stellenweise noch kleine 
Schmitzen und Fläserchen mit deutlicher Gneisstruktur eingewoben 
sind; Rutschflächen durchziehen in großer Zahl das Gestein. Solche 
treten zum Beispielam Grübelekopf auf. Oder man findet lichtere, 
graugrüne, feinserizitische Schiefer, wellig verknetet und dicht mit rost- 
roten, glänzenden, buckligen Gleitflächen durchzogen; Übergänge dazu 
bilden sehr muskovitreiche Schiefer, welche flaserweise noch eine 
körnelige Gneisstruktur erkennen lassen; Beispiele dieser Art trifft 
man bei Asters—Obladis, Fließeralm u. a. O. 

Einer derartigen Verschieferung unterliegen hauptsächlich die ver- 
schiedenen sedimentogenen Gneise, welche hier meist glimmer- 
reich sind. Dagegen scheinen die Granitgneise eher zu mylo- 
nitischer Deformation zu neigen, das heißt vorwiegend ru- 
pturell-kataklastisch deformiert zu werden, doch sind auch in ihnen 
diaphtoritische Schiefer mehrfach zu sehen. 

Ein gutes Beispiel dafür liefert der Rand der Aifenspitz-Granit- 
gneismasse, welche am Ostrand des Gebietes die oben beschriebene 
Breitquetschung erlitten hat. Der hauptsächlich als zweiglimmeriger 
Augengneis entwickelte Granitgneis ist am Rand in mylonitische Ge- 
steine umgewandelt, von grauer oder bräunlicher Farbe und rostig- 
brauner Verwitterungsrinde, welche teils dicht bis feinkörnig und von 
quarzitähnlichem Aussehen sind, teils mehr oder weniger geflasert 
oder auch feinschiefrig und wellig gefältelt. Stets sind sie von vielen 
Rutschflächen und buckligen, rostigen Harnischen und Klüften durch- 


[113] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 555 


zogen; wenig verarbeitete Partien zeigen kleinkörnelige Feldspate und 
solche Formen leiten über zu dem nicht mylonitischen Gestein. U. 
d. M. sieht man ein vollkommen kataklastisch-breceiöses Gefüge von 
Quarz, Kalifeldspat (auch Mikroklin) und Plagioklas richtungslos oder 
es sind bei geschieferten Myloniten die Bestandteile in Flasern be- 
stehend aus Aggregaten von ungleicher Korngröße verteilt, welche 
mit Glimmerflasern (oft chloritisiert) wechseln; letztere oft durch 
Eisen rot gefärbt. Bei beginnender Mylonitisierung kann man im Schliff 
sehen, wie der kristallisationsschiefrige (eventuell auch gefältelte) 
Gneis von einem Netz von Mylonitadern quer und parallel zur 
Schieferung durchzogen wird. Die Grenze gegen den angrenzenden 
Schiefergneis ist in der Zone Mühlbach—Kaltenbrunn verwischt und 
auch im Schliff das Ursprungsgestein oft nicht mehr sicher erkennt- 
lich. Die Schiefergneise sind ober Martinsbach von Quetschzonen 
durchzogen und zeigen hier nicht selten Rutschflächen, deren Striemen 
horizontal und parallel zum Streichen (nahe OW) verlaufen. 


Eingeschaltete Amphibolite widerstehen der Verarbeitung besser. 
Der Amphibolit, welcher nahe dem Unterrande des stark mylonitischen 
Granitgneises im Schloßbachgraben eingelagert (Profil Figur 22) ıst, 
zeigt makroskopisch keine Zeichen von Mylonitisierung und u. d. M. 
ist nur eine geringe Kataklase (hauptsächlich am Quarz, an der Horn- 
blende gar nicht) festzustellen. Bedeutend stärker deformiert ist ein 
Diabas, welcher wahrscheinlich als Gang der Gneisgrenze folgte (9 in 
Profil Figur 22). Makroskopisch ist das Gestein weiß mit bräunlichen 
Punkten, pulverig und braust mit HCl auf; u. d. M. zeigt es die 
richtungslos verteilten Bestandteile ineinander verzahnt und zer- 
bröckelt; es sind Albite, oft von einsprenglingartiger Größe, farbloser 
Pyroxen (reichlich) und sehr wenig farblose Hornblende. 

Stärker verändert als der obige Amphibolit sind solche am 
Petersbach und Mathankopf, ersterer ist von dichten, grün- 
schwarzen serizitischen Flasern durchzogen, zwischen denen Linsen 
von normal struiertem Amphibolit erhalten geblieben sind, letzterer 
ist dicht und undeutlich flaserig geworden und mit dicken, talkähn- 
lichen Serizitüberzügen bedeckt an den dicht gedrängten Rutschflächen. 
Ersterer ist mikroskopisch kaum mehr zu erkennen, so gänzlich ist er 
in Flasern von Chlorit, Zoisit, Quarz mit erhaltenen Titanitkristallen 
umgewandelt; Adern von neugebildetem Quarz, Kalzit und Feldspat 
durchqueren ihn. Letzterer zeigt mehr mechanische und weniger 
chemische Umformung. 


Dichte Gangmylonite. 


Unter diesem Namen sei hier ein Gestein beschrieben, welches 
am nördlichen und westlichen Gneisrand allenthalben anzutreffen und 
für diesen geradezu charakteristisch ist, dessen Natur aber nicht 
ganz sicher gedeutet werden konnte. Ich habe es vom Pontlatz 
bis zum Fluchthorn immer wieder am Gneisrand gefunden und nach 
Mitteilungen von Dr. Spitz ist es auch in der Ardetzer Gegend 
in gleicher Lage zu finden; dagegen habe ich es am Ötztalerrand 

Ts 


556 Wilhelm Hammer. [114] 


von der Landesgrenze bis zum Kaunertal nirgends gefunden). Vom 
Kaunerberg kenne ich ein kleines Vorkommen bei Unterbrauneben. 

Es ist ein vollkommen dichtes, licht- bis dunkelgrau oder auch 
schwärzlich gefärbtes Gestein von großer Härte, massig, mit muscheligem 
Bruch. Vielfach ist es reichlich durchsät von glasig glänzenden Quarz- 
körnern. Es durchzieht den Gneis oder Amphibolit in Gängen und 
Adern nach allen Richtungen nach Art eines Eruptivdurchbruches; 
selten sammelt es sich in Massen von ein oder ein paar Meter, öfter 
sind es nur schmale Adern von wenigen Zentimetern bis zu mikroskopi- 
scher Feinheit herab. In den diaphtoritischen Gneisen der Grenzzone 
folgt es ungenau der Flaserung, wobei die Abgrenzung vom Gneis un- 
deutlich wird, während sie bei den quer greifenden Adern in der Regel 
vollkommen scharf ist. Wo es ein Netz von Querklüften in den gebän- 
derten Amphiboliten erfüllt, ergibt sich ein Bild, wie es für die Eruptiv- 
breccien bezeichnend ist (siehe Bild Figur 31). Es ist an die engere 
Randzone des Gneises gebunden, weiter fort von demselben habe ich 
es nur in der Verrucanotriasquetschzone gefunden, welche nördlich 
Pontlatz die Gneise durchschneidet; es ist aber auch nie außer- 
halb der Gneisregion, in den Bündnerschiefern, Trias etc. gefunden 
worden, auch nicht in den Diabasschiefern an der Grenze. Meistens 
liegt es unmittelbar an der Grenzlinie des Gneises und in den ersten 
50—100 m desselben. 


Vor allem die Art des Auftretens veranlaßten mich, es zuerst 
als eruptive Gangbildung aufzufassen und ich habe es im „Quer- 
schnitt“ 1911 als felsophyrische Durchäderung angeführt, da die 
damals zur Verfügung stehenden Schliffe am ehesten dieser Gesteins- 
art zurechenbar schienen. Weitere mikroskopische Untersuchungen 
— welche durch die außerordentliche Feinkörnigkeit des Gesteins 
erschwert werden — an neu aufgesammeltem Material sowie be- 
sonders die chemischen Analysen haben aber mehrfache Kriterien 
beigebracht, welche für eine Deutung als mylonitische Bildung 
sprechen. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab folgendes (Tafel XXIV): 

Ein paar Schliffe von Adern des fraglichen Gesteins aus Amphi- 
bolit am Larainjoch und am Arrezkopf (unsicher auch in einem Schliff 
vom Hexenkopf S) zeigen bei sehr starker Vergrößerung ein sehr feines, 
richtungslos-körniges, gleichmäßiges Mineralaggregat, bestehend aus: 
sehr viel Zoisit in kurzlänglichen Körnchen, Nädelchen einer nahezu 
farblosen Hornblende, Chlorit und farblose Körner, welche vielleicht 
Quarz oder Feldspat oder beides sind, ferner in großer Zahl gleich- 
mäßig verteilte winzige Nester von Rutil (Leukoxen); akzessorisch 
Pyrit, Titaneisen. Das Gestein sieht nach Struktur und Zusammen- 
setzung einem umgewandelten‘ diabasischen oder gabbroiden Gang- 
gestein ähnlich. 

Schliffe des Adergesteins aus Gneis (Fließerscharte, Scharte 
Vesulspitz-Bürkelkopf), zeigen ein noch bedeutend feineres Korn, so 


!) Vom schweizerischen Südrand zeigte mir Herr Dr. Spitz einen Mylonit 
aus der Val torta von der Grenze zwischen dem Granit von Raschwella und dem 
darüberliegenden Gneis, welcher ebenfalls zu diesen Myloniten gerechnet werden kann. 


[115] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 557 


I 


Fig. 31. 
Pseudoeruptiver Mylonit in einem gebändertem Amphibolit. 
Frratischer Block bei Zuort im Val Sinestra 


558 Wilhelm Hammer. [1 1 6] 


daß bei 500facher Vergrößerung die körnelige Struktur gerade noch 
deutlich wird. Das Gemenge besteht aus farblosen, ungefähr isometri- 
schen Körnchen und besitzt in seiner Gesamtheit eine Lichtbrechung 
höher als Quarz und Kanadabalsam, während die Doppelbrechung 
jener des Quarzes nahesteht. Einzelne Schüppchen lassen sich als 
Glimmer deuten; Hornblende läßt sich nicht nachweisen. In einem 
Schliff (von der Fließerscharte) sind wieder die winzigen Leukoxen- 
nester in großer Zahl gleichmäßig im Gestein verstreut, in anderen 
Schliffen fehlen sie oder sind selten. In einem Schliff vom Kontakt 
mit Gneis (Grenze beider geradlinig, scharf, Dünnschliffbild Tafel 
XXIV, Figur 3) zeigt das Adergestein — besonders bei Einschaltung 
des Gipsblättehens — einheitliche Auslöschung, durchzogen von einem 
erst bei gekr. Nikols hervortretenden kataklastischen Netzwerk. Die 
Auslöschung erfolgt bei Einstellung der Gneis-Adergrenze in das 
Fadenkreuz, eine schmale Randzone löscht ein wenig abweichend aus 
(y + || der Gneisgrenze). 

Dieser Schliff besitzt das feinste Korn von allen; in etwas 
weniger feinkörnigen Schliffen ist bereits eine Annäherung. an dieses 
Verhalten entwickelt. 

Sowohl bei den Adern im Gneis wie im Amphibolit wird am 
Gesteinsrand und um Einschlüsse herum eine schlierig-streifige Struktur 
durch dunklere Färbung hervorgehoben. 

Das Adergestein enthält allenthalben zahlreiche Einschlüsse der 
verschiedensten Größe, welche dem angrenzenden Gneis, bzw. Amphi- 
bolit entstammen. Die meisten sind Quarze, dann Feldspate ganz gleicher 
Art wie im Gneis, bzw. Amphibolit und Aggregate beider. Losgelöste 
(größere) Hornblenden oder Biotite, bzw. Aggregate mit solchen, habe 
ich nur selten und dann in nächster Nähe des Gesteinsrandes be- 
merkt. In den Adern im Amphibolit auch größere Körner von Titanit, 
wie sie gleich im Amphibolit enthalten sind. Ebenso auch Pyrit, 
welcher auch makroskopisch im Amphibolit vorkommt. Alle Einschlüsse 
sind stark kataklastisch bis zu breceiöser Struktur, meistens zackig 
und unregelmäßig umgrenzt, in ein paar Schliffen fand ich aber auch 
stark abgerundete Einschlüsse. 

Der Rand der Adern gegen das angrenzende Gestein ist häufig 
ganz scharf, wobei der Gneis oder Amphibolit nur ganz am Rande 
etwas kataklastisch ist, sonst aber bis zu dem der Schichtung paral- 
lelen oder querabschneidenden Rand sein kristallisationsschieferiges 
Gefüge und seine Zusammensetzung unverändert beibehält. An anderer 
Stelle ist eine randliche Zertrümmerung mit Ablösung einzelner 
Körner und Körnergruppen zu sehen. Schließlich beobachtet man auch 
ein flaseriges Ineinandergreifen beider Gesteine, besonders wo die 
Adern der Schieferung nach sich ausbreiten, wobei das Adergestein 
in feinsten Verzweigungen sich zwischen den einzelnen Körnern des 
Gneises, bzw. Amphibolits ausfasert (Taf. XXIV, Figur 1). Auch eine 
verschwommene, unscharfe Abgrenzung von Gang- und Muttergestein 
ist manchmal zu finden. Dies ist besonders bei den stark verflaserten 
Formen der Fall. Bei einer solchen aus Amphiboliten am Pfunder 
ÖOchsenberg ist auch eine subparallele Einordnung der Hornblende- 
nädelchen (und der Zoisite) des Adergesteins zu pemerken. Jegliche 


[117] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 559 


Spuren einer Kontaktstruktur im Gneis oder an den Einschlüssen 
fehlen, Kontaktmineralien wurden keine beobachtet. 

In einem Schliff vom Larainjoch beobachtet man innerhalb einer 
Ader zwei verschiedenaltrige Gesteinsarten: einerseits das sehr fein- 
körnige, gleichmäßig struierte Gestein, wie es oben aus den Amphi- 
boliten beschrieben wurde, welches auch in feinen Verzweigungen 
zwischen die Amphibolitschieferlagen eindringt, anderseits in ihm und 
deutlich abgegrenzt ein gröberes, deutlich brecciöses Gestein aus 
‚Fragmenten von Feldspat, Hornbleude, Quarz und sekundären Bestand- 
teilen; abgerissene Trümmer des Amphibolits und kleinere Körner- 
gruppen aus diesem sind eingeschlossen oder randlich angrenzend, 
ferner umschließt es auch Stücke des feinkörnigen (dichten) 
Gesteins. Nach Bildung der dichten dunklen Adern ist hier 
also nochmals der Amphibolit samt seinen Adern längs diesen 
aufgerissen und zerrieben worden. In einem Schliff von der Scharte 
Vesul-Bürkelkopf (Ader im Gneis) fand ich umgekehrt kleine Stücke 
einer derartigen gröberen Breccie schwimmend in dem äußerst fein- 
körnigen Adergestein, auch wieder scharf abgegrenzt voneinander (Taf. 
XXIV, Figur 3). 

Herr Dr. OÖ. Hackl, Chemiker der geologischen Reichsanstalt, 
hatte die Freundlichkeit, für mich zwei Analysen des Adergesteins 
auszuführen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen Dank aus- 
spreche. Die eine Gesteinsprobe (Analyse I) stammt aus einer solchen 
Ader in den Paragneisen der Fließerscharte (Hauptkamm ober 
der Fließeralm), die andere (Analyse II) aus einer Ader in dem 
mächtigen Amphibolitzug nordöstlich des Arrezkopfes, unmittelbar 
an der Gneisgrenze (während I bereits innerhalb des Gneisrandes 
liegt): 


I II 
Be, 6: 80:82 47:53 
BEE, u ...2298 16:37 
a an, Bl 3:63 
N. 080 10:88 
ah 0 08 853 
ee „219 6:80 
A ee RE. << 1:17 
nn, „0:98 3:10 
H, O (Gesamtmenge) 387 1:16 

er nr. BZ 1:60 
100:39 10077 


Aus den Analysen ist zu ersehen, daß es sich ‚bei den Adern 
nicht um ein einheitliches Gestein handelt, sondern es kommt die 
schon bei der mikroskopischen Untersuchung festgestellte Ver- 
schiedenheit der Adern im Amphibolit von jenen im Gneis noch 
deutlicher zum Ausdruck. Das Gestein der Analyse I besitzt ferner 
nicht jenes Verhältnis der Gemengteile, welches für Eruptivgesteine 
charakteristisch ist, sondern ausgesprochen jenes von tonerdereichen 
Paragneisen (Pelitgneisen). Mit solchen stimmen sowohl die 


560 Wilhelm Hammer. [118] 


absoluten Mengen überein als auch die gegenseitigen Verhältnisse, 
vor allem der hohe Tonerdegehalt bei relativ niederem & 0, — da- 
bei erscheint letztere infolge der zahlreichen Quarzeinschlüsse 
jedenfalls in der Analyse beträchtlich höher als es dem Adergestein 
selbst entspricht. 

Die Analyse II aber steht ebensogut im Einklang mit solchen 
von typischen Amphiboliten (beziehungsweise von Gabbro und 
Diabasen), auch wieder sowohl in der Menge der Gemengteile (hoher 
Eisengehalt!) als im Verhältnis der Alkalien zueinander, von Ca O 
zu Mg O usw. Auch hier ist übrigens der Kieselsäuregehalt durch die 
Einschlüsse erhöht. 


Die Adern stimmen also inihrer Zusammensetzung 
in den beiden untersuchten Fällen auffallend überein mit dem 
Gestein, inwelchem sie stecken. Bei der Deutung als Eruptiv- 
sang müßte man eine derartige Einflußnahme des Nebengesteins auf 
das Magma annehmen, wie sie bisher noch nirgends beobachtet wurde, 
beziehungsweise es mangelt ein entsprechendes Ausgangsmaterial 
(I). Reinhold!) hat bei aplitischen und pegmatitischen Gängen be- 
obachtet, daß sie, wo sie Amphibolite durchdringen, manchmal reich- 
lich Hornblende führen (während sie außerhalb derselben frei davon 
sind); es handelt sich hier um pneumatolytische Bildungen; dagegen 
läßt sich Analyse I nicht auf ein analoges granitisches Gangmagma 
beziehen, da bei einem Gehalt von 20—30 Prozent Quarz- (und Feld- 
spat-) einschlüssen nur ein Kieselsäuregehalt von etwa 30-—40 Pro- 
zent verbleibt. Die andere, näher liegende Möglichkeit, wäre die, die 
Adern als Diabasgänge zu deuten und Analyse I durch sekundäre 
Umwandlungen solcher zu erklären. Wenn man die von Reinisch?) 
festgestellte Richtung der chemischen Umwandlung bei Dynamometa- 
morphose von Diabasgängen auf den vorliegenden Fall anwendet, er- 
gibt sich, daß zwar bei 41,0, und CaO, bei Abrechnung der Quarz- 
einschlüsse auch bei 50, die Anderung in gleicher Richtung, aber 
in viel höherem Grade erfolgt wäre, daß aber bei FeO, MgO und 
Na,0 statt einer Zunahme eine starke Abnahme des Gehaltes ein- 
getreten wäre. Da bei der Deutung als Ganggestein die Einschlüsse 
von Trümmern des durchbrochenen Gesteins auf jeden Fall abgerechnet 
werden müßten, ergibt sich ein so niederer Kieselsäuregehalt, daß 
damit die sehr geringe Menge von CaO und MgO in keiner Weise 
in Einklang zu bringen ist. Nimmt man beide Möglichkeiten zusammen, 
so bleibt unerklärt, warum die sekundäre Umwandlung nur bei dem 
Gang im Gneis das Bild magmatischer Zusammensetzung so weitgehend 
zerstört hätte, bei jenem im Amphibolit aber nicht. Grubenmann 
gibt (l.c. S. 170 und 172) zwei von Hezner ausgeführte Analysen 
von petrographisch mit dem Gneis der Fließerscharte nahe überein- 
stimmenden Gneisen vom Silvrettarand (Piz Cotschen) und vom Otz- 
talerrand (Rasassergrat). Die Abweichungen von Analyse I sind hier 


!) Tschermaks Min. Mitteil. 1910,\8. 43 ff. 
?)R. Reinisch, Druckprodukte aus Lausitzer Biotitgranit und seinen Diabas- 
gängen. Habilitationsschrift, Leipzig 1902. 


[119] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal, 561 


gering und bewegen sich in derselben Richtung, wie sie Reinisch 
für dynamometamorphe Umwandlungen an granitischen Gesteinen angibt. 

Die beiden Analysen lassen sich also mit der Deutung als My- 
lonit gut in Einklang bringen. 

Sie fordert aber dann eine Erklärung der Mikrostruktur, da das 
richtungslose körnige Hornblende-Zoisitgemenge der Adern im Amphi- 
bolit kaum der primären Struktur eines Zerreibungsprodukts entspricht. 
Es könnte in diesem Falle eine Umkristallisation angenommen werden. 
Auch die Adern im Gneis scheinen ihren optischen Verhältnissen nach 
nicht einfach aus feingemahlenem Quarz, Feldspat und Glimmer zu be- 
stehen. In einzelnen feinen Adern im Amphibolit beobachtet man eine 
subparallele Ordnung der Hornblendenädelchen, also ein Mylonit mit 
„geregeltem Gefüge“ im Sinne von Sander!). Eine bedeutend 
weitergehende Gefügeregelung besteht dann in dem obbeschriebenen 
Schliffe mit einheitlicher Auslöschung der Gangmasse. Sander be- 
schreibt aus den Tauern?) Mylonite mit geregeltem Gefüge und 
regenerierender Kristallisation: „Blastomylonite*, unter welchen Be- 
griff die hier behandelten Adern auch fallen würden, wobei im letzt- 
genannten extremen Fall nicht nur eine regenerative Kristallisation, 
sondern auch eine völlige Umwechslung des Mineralbestandes statt- 
gefunden hätte. 


Bei der Deutung als Mylonit ergibt sich aus den Analysen 
weiters auch, daß dieser nur zerriebenes Gneis-, beziehungs- 
weise Amphibolitmaterial enthält; der Kalkgehalt ist in 
beiden Proben nicht größer als einem Gneis, beziehungsweise Amphi- 
bolit entspricht, CO, in I sehr gering und auch in II noch so nieder, 
daß keine merkliche Beimengung, in I überhaupt keine, von Bündner- 
schiefermaterial (oder Trias) stattgefunden haben kann. Es 
wurden auch weder makroskopisch noch in den Schliffen Fragmente 
kalkiger Gesteine oder von Tonschiefern, Diabasen etc. in diesen 
Adern gefunden °). 

So sehr man also auch erwarten möchte, daß bei Mylonit- 
bildung an einer Überschiebung von Gmneisen über Kalkschiefer, 
Kalke, Kalksandsteine etc. die letzteren stärker herangezogen würden 
als der widerstandsfähigere Gneis (und Amphibolit!), bestätigt die 
Analyse das schon in der örtlichen Verbreitung sich ausdrückende 
Verhältnis, daß nur der Unterrand der übergeschobenen Gneismasse 
in dieser Art mylonitisiert wurde. 3 

Ein ähnliches Verhältnis scheint bei den lappländischen Über- 
schiebungen zu herrschen, wo am Luopahta (siehe Holmquist, 
Exkursionsführer d. XI. Geol.-Kongr. 1910) die überschobenen Ton- 
kalksteine des Silur nur ganz nahe am Rande stärker hergenommen, 
zum größten Teil aber ohne dynamische Umwandlungenisind (Erhaltung 
von Versteinerungen usw.), während das übergeschobene Syenit- und 


1) Tschermaks Min. Mitteil. XXX. Bd. 1911, S. 281 u. fi. 
2) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1912 (siehe „Blastomylonite“ im Index). 
®) Spitz und Dyrenfurth berichten von der ‚südlichen Gneisgrenze in 
der Clemgiaschlucht von einem vermutlich als Reibungsbreccie von Granit- 
gneis und Bündnerkalkschiefer zu deutendem Gestein — dem einzigen bekannt- 
gewordenen Fall einer derartigen Mischung an der Hauptgneisgrenze. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 8. Heft. (W. Hammer.) 72 


562 Wilhelm Hammer. | [120] 


Granitgebirge auf mehrere hundert Meter Mächtigkeit kataklastisch 
und mylonitisiert ist (Kakirite). Doch hat hier immerhin noch in der 
Grenzzone eine Vermengung von Silur und Kakirit teilweise statt- 
gefunden. Die Mächtigkeit der Kakiritbildung mag hier dadurch ver- 
ursacht sein, daß noch weitere, höherliegende Schubflächen das über- 
geschobene Gebirge durchschneiden. 

Nach Holmquists Beschreibung gleichen mikroskopisch 
den Kakiriten die oben vom Kaunerberg beschriebenen Granitgneis- 
mylonite, nicht aber die pseudoeruptiven Mylonite, womit auch. das 
Vorhandensein von (makroskopischen) UÜbergängen zur normalen 
Gesteinsart bei den beiden erstgenannten übereinstimmt )). 


Diabasgänge und Erze im Gneisrand. “ 


Die Randzone der Otztalergneise wird von zahlreichen Gängen 
von Diabas durchsetzt. Einzelne derselben sind am Aifenspitz— 
Kaunerberg zu beobachten und längs dem Gneisrand am Fendlerkamm, 
in rasch zunehmender Zahl weiterhin im Stalanzertal. Den Höhepunkt 
der Anhäufung erreichen sie in den beiden Tösnertälern und dem 
Radurschler Hochjoch — in den dicht überwaldeten und mit reichlichem 
Glazialschutt ausgestatteten Einschnitt des Radurscheltals sind bisher 
keine bekannt geworden; sie kommen aber wieder zahlreich zum 
Vorschein, wo die Gneisgrenze in der Gruppe des Gaisbleiskopfes’ 
ober Holz verläuft, bis zur Gamoralm ober Nauders. Es sind in der 
Regel Lagergänge, doch fand ich im Stalanzertal auch ein paar schöne 
Quergänge !). Folgen so also die einzelnen Gänge auch dem Ostwest- 
streichen der Gneise, so sind sie in ihrer Gesamtheit als Zone doch 
schräg zum Gneisstreichen, entlang dem Dislokationsrande der Gneise 
angeordnet und zeigen dadurch den ursächlichen Zusammenhang 
zwischen dem Aufdringen der Eruptivgesteine und jener Bewegungs- 
fläche an. 

Im Gegensatz zu den Diabaslagern in den Bündnerschiefern, 
welche größtenteils in Grünschiefer umgewandelt sind und eine deut- 
liche Diabasstruktur nur mehr in einzelnen Fällen, gleichsam als 


!) Während des Druckes dieser Abhandlung zeigte mir Herr Professor Dr. 
F.Becke einen Schliff aus dem von Paulcke im Fimbertal gesammelten Material 
dieser fraglichen Gesteinsadern, welcher zweifellos ein basisches Eruptivgestein 
(Diabas?) mit unversehrt erhaltener primärer Erstarrungsstruktur zeigt. Gegen den 
angrenzenden Gneis besitzt es eine schmale, äußerst feinkörnige und nicht weiter 
auflösbare Randzone, welche durch Übergang mit dem größerkörnigen Eruptiv- 
gestein verbunden und gegen den Gneis scharf abgesetzt ist. Makroskopisch ist 
das Material des Schliffes von den sicheren Mylonitadern nicht zu unterscheiden, 

Es sind also doch auch echte Ganggesteine mit diesen Mylonitadern ver- 
quickt, wenn auch nach dem bisherigen Schliffmaterial selten. Die gute Erhaltung 
der Erstarrungsstruktur (Feldspatskeletie!) wird sich schwer mit der Annahme 
einer passiven Verschleppung vereinen lassen, wenn man auch die Randzone viel- 
leicht als Mylonitrand auffassen könnte. Am Ötztaler Gneisrand treten ja zahl- 
reiche Diabasgänge auf (welche aber mit Myloniten nicht zu verwechseln sind), 
während ich am Paznauner Gneisrand bisher keine derartigen Gänge gefunden habe, 

!) Weitere Angaben über diese Gänge enthält der Artikel „Uber einige 
Erzvorkommen im Umkreis der Bündnerschiefer des Oberinntals“ in der Zeit- 
schrift des Ferdinandeums, Inusbruck 1915 (im Druck). 


-[121] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 563 


‚Reliktstruktur zeigen, haben jene Gänge in den Ötztalergneisen ihre 
ursprüngliche magmatische Struktur mit seltenen Ausnahmen (zwei 
-Gänge im Stalanzertal) unverändert bewahrt. 

Dieselbe Randzone der Ötztalergneise wird außerdem von zahl- 
reichen Erzgängen und Imprägnationen durchzogen !). Sie sind zum 
Teil an denselben Flächen wie die Diabase emporgestiegen: der Blei- 
‚glanzgang, welcher im Tösnerbergbau (Platzertal) abgebaut wird, folgt 
dem liegenden Salband des Diabases, andere halten sich in nächster 
Nähe solcher, z. B. die Kiesimprägnation im Schloßbachgraben, Peters- 
bachgraben u. a.; zum Teil folgen sie unmittelbar dem Gneisrand und 
seinen Zerrüttungszonen, wie dies bei der Erzimprägnation und den Quarz- 
kiesgängen der Gegend von Martinsbach der Fall ist. Hier greift die 
Vererzung, wie aus dem oben schon erwähnten Stollen im Bündner- 
schiefer zunächst Martinsbach zu ersehen ist, auch unter die Gneis- 
grenze hinab auf die angrenzenden Teile der Bündnerschiefer. Weitere 
Beispiele sind die Erzvorkommen in der Schuppenzone von Riatsch— 
Tiefhof bei Nauders, wo einer der alten Stollen direkt in dem Mylonit 
angesetzt ist, welcher die Fortsetzung der obersten Triasschuppe 
(über dem Grünsee) bildet. Am Nordrand beobachtete ich sowohl 
unter dem Arrezkopf. als auch zwischen Obladis und Asters eine 
schwache Imprägnation des dichten Mylonits mit Pyrit. 

Tektonisch läßt sich aus all dem folgern, daß Diabase und Erz- 
gänge jünger sind als die Randdislokation der Gneise und daß der 
Ötztalergneisrand wie er jetzt vorliegt, nicht nur der zufällige Erosions- 
rand eines „Fensters“ ist, sondern von Anfang an oder bei späterer 
Beanspruchung tektonisch vorgebildet wurde. Es ist nicht verständlich, 
warum sich die Gänge nach einem späteren zufälligen Erosionsrand 
angeordnet haben sollten. Unerklärt bleibt dabei, daß nicht auch 
auf der „anderen Seite“ der Randdislokation in den randlichen 
Bündnerschiefern Diabasgänge eingedrungen sind; für die Erzlösungen 
gilt die Beschränkung auf die Gneisregion nicht in dem Maße, zufolge 
der Erzvorkommen im Bündnerschieferrand bei Martinsbach und 
einzelnen kleinen Erzaufbrüchen im Pfundser Tscheytal und im La- 
baunertal. 

Wenn man annimmt, daß die Diabasgänge längs der Schubfläche 
emporgedrungen und dann in den randlichen Teilen parallel den Schie- 
ferungsflächen der Gneise aufgestiegen sind, so ist es wahrscheinlicher, 
daß die Schubfläche entweder von Anfang an oder infolge Aufrichtung 
bei einer späteren („vordiabasischen“) Neubelebung steil gestellt ist, 
da sich die Gänge sonst auf lange Strecken hin quer zu den steil- 
stehenden Gneisen an der Unterfläche hinbewegt haben müßten und 
anderseits für ein Durchbrechen der unter der Schubfläche liegenden 
Bündnerschiefer keinerlei Anzeichen vorhanden sind — es wurden 
weder Fragmente solcher in den Diabasen noch Gänge dieser Art in 
den Bündnerschiefern aufgefunden. ' 

Die Diabas- und Granitporphyrgänge, welche im Rojental die 
Ötzgneise durchbrechen, sind älter als der letzte Vorschub der Gneise 
gegen W über das Mesozoikum der Lischannagruppe, da die Gänge 


ı) Näheres siehe Ferdinandeumzeitschrift 1915. 
72* 


564 Wilhelm Hammer. [ 122] 


in den Gneisdeckschollen der letzteren nicht in den mesczoischen 
Sockel sich fortsetzen — möglicherweise sind sie zwischen zwei 
Vorrückungsphasen der Überschiebung einzureihen !). Dieser Unter- 
schied in der Altersbeziehung der Gänge gegenüber den beiderseitigen 
Überschiebungen steht in Übereinstimmung damit, daß die Westschübe 
(und Faltungen) allgemeinen in diesem Alpenteil jünger sind als die nord- 
südliche Hauptbewegung, wieim „Querschnitt“ auseinandergesetzt wurde. 
Es können dabei die Gänge des Nordwestrandes und jene der Rojener 
Gegend gleich alt sein, ihr Emporsteigen ist eingeschaltet zwischen 
die beiden Hauptschubbewegungen. Auch wenn man den Westschub 
(auf Grund der Deutung der in der Verhandlung 1912 beschriebenen 
Kalkschollen im Gang am Zwölferspitznordgrat) in zwei Phasen zer- 
legen will, können die Rojenergänge gleich alt sein wie jene am 
Inntalrand: man kann den ersten Vorschub gegen Westen zeitlich 
gleichsetzen der Steilaufrichtung der Schubfläche Gneis-Bündnerschiefer 
— nach dieser Phase Aufbrechen der Diabase im Inntalgneisrand 
und gleichzeitig Durchbrechung der überschobenen Teile der Lischanna- 
gruppe samt ihrem kristallinen Deckgebirge durch die Rojenergänge, 
schließlich weiterer Vorschub gegen Westen (eventuell begleitet am 
Inntalgneisrand von vereinzelten Einwirkungen auf die dortigen Gänge). 


Bemerkungen zu den Kartenbeilagen (Taf. XXV u. XXV]). 


Auf den Kartenbeilagen sind zwei Ausschnitte aus den Aufnahmsblättern 
1:25.000 wiedergegeben, welche Bereiche von besonderer Mannigfaltigkeit des 
Schichtenbaues und erhöhtem tektonischem Interesse umfassen und auf der das 
ganze Gebiet darstellenden Spezialkarte 1:75.000 nur schematisiert wiedergegeben 
werden können. 

Schichtgrenzen, welcbe durch Gesteinsübergänge verwischt sind oder mangels 
der nötigen Aufschlüsse im Gelände nicht genau festgestellt werden konnten, sind 
mit gestrichelten Linien eingetragen; deutlichere Grenzen durch ausgezogene Linien. 

In der Umgebung von Prutz und Fiß sind beträchtliche Flächen vollständig 
von Humus und Vegetation überdeckt und wurden deshalb dort, wo sie im Bereiche 
lebhaften Schichtwechsels und tektonischer Komplikation liegen, weiß gelassen; 
wo auf Grund ruhigerer geologischer Verhältnisse ein verläßlicher Schluß auf den 
Untergrund oder auf vorhandene Schuttablagerungen gezogen werden konnte, ist 
die diesbezügliche Eintragung angebracht. Mehrfach sind Hänge dicht von grobem 
Blockwerk glazialen Ursprungs überstreut, z. B. am Kaunerberg, ohne daß eine 
eigentliche Moränenbedeckung festgestellt werden konnte; da diese Flächen auch 
mehrfach über komplizierter gebaute Hänge sich ausbreiten, wurden sie gesondert 
(„glaziale Blockbestreuung“) eingetragen. Einer ähnlichen Überlegung entstammt 
die gesonderte Eintragung von „G&neisblockwerk“ an den Hängen bei Obladis 
und Gufer: bei diesen die Hänge dicht überdeckenden großblockigen Massen, 
welche unmittelbar an der Gneis-Bündnerschiefergrenze liegen, ist es nicht sicher 
zu entscheiden, ob oder zu welchen Teilen sie von höheren Hängen abgerollte 
Gneishalden, glaziale Blockbestreuung, respektive Moräne oder endlich zerfallenes 
anstehendes Gneisgebirge sind. In Rücksicht auf die kritische Lage der betreffenden 
Stellen wurde es vorgezogen, sie eigens auszuscheiden. Innerhalb der höheren 
Gneisgebirge, wo über ihre Natur kaum Zweifel entstehen werden, wurde natürlich 
auf eine derartige Darstellung verzichtet. 

Bei dem Gneisgebirge wurde nur eine elementare geologische Einteilung in 
Para- und Orthogneise sowie die amphibolitischen Einlagerungen vorgenommen. 


!) siehe Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanst. 1912, S. 145— 147. 


[123] Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 565 


Die Orthogneise der Aifenspitzen sind vorwiegend muskovitführende Granitgneise, 
größtenteils mit der Struktur von Augengneisen. Im Massiv des Hexenkopfes 
sind die Schiefergneise von zahlreichen Adern und Gängen von Aplit, Pegmatit 
(auch mit Turmalin) und reinen Quarzgängen, von Zentimeter- bis zu Meterdicke 
durchzogen. Die Paragneise sind glimmerreiche, meist zweiglimmerige Schiefergneise ; 
in der Pontlatzschlucht Phyllitgneis. In der Gegend von Pontlatz und Asters werden 
sie von Phyllitzonen durchzogen, welche nur sehr undeutlich von den Phyilit- 
gneisen sich abheben, manchenorts aber auch schon den Verrucanophylliten sich 
nähern. Am linken Innufer bei Pontlatz enthalten sie auch Lagen reich an Granat 
und Biotit. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sie zum Teil dynamisch umgewandelte 
Phyllitgneise (Phyllonite im Sinne von Sander) sind. 

Als „mylonitische Gneise“ wurden nur die stark mylonitisierten Gneise, 
welche ihre Schieferung ganz oder größtenteils verloren haben und zu einem massigen, 
bräunlichen, quarzreichen, körnigen, mylonitischen Gestein umgewandelt sind aus- 
geschieden. Die häufige schwächere Diaphtorisierung der Gneise am Überschiebungs- 
rand wurde nicht eigens bezeichnet. Unter „dichter Gangmylonit“* sind die oben 
Seite 555, beschriebenen „pseudoeruptiven“ Mylonite gemeint. 

Mit der Farbe des Verrucano wurden auch die im Gebiete der Fließer- 
alm auftretenden Quarzsandsteine (Buntsandstein) am Malfragkamm eingetragen. 
Am westlichen Rand der Karte der Fließeralm ireten an der Gneisgrenze westlich 
des oberen Malfragkopfes ein paar Schollen eines dunkelgrüngrauen feinkörnigen 
Quarzits unsicherer Zugehörigkeit auf, welche mit der Liasfarbe bezeichnet sind, 
desgleichen ein Block eines sandig gelb anwitternden Kalkes begleitet von etwas 
Diabasschiefer, welch letzterer seiner Kleinheit wegen weggelassen wurde. Ein ganz 
ähnliches quarzitisches Gestein begleitet auch den Rand der kleinen Diabasscholle 
an der Nordseite des oberen Malfragkopfes, ohne eingetragen zu sein, wie ja auch 
der Maßstab 1:25.000 noch an verschiedenen Stellen infolge der feinen Zer- 
schollung mancher Zonen noch zu kleinen Auslassungen und Vereinfachungen 
zwingt. 


Inhaltsverzeichnis. 


— ll Seite 
LE sr u ı y 
Literaturverzeichnis . . ...... Be  )] 

| I. Stratigraphischer Teil. 
Verruceano und Buntsandstein... 446 [4] 


Gesteinsarten, Eisendolomit (449), Erzführung (449), Mineral- 
quellen (450). 
ee \\ aa) |: 
Gesteinsarten und Fossilspuren, Verkalkung des Dolomits am Beutel- 
kopf (452). 


A  : |.) 
a |) BE \W 
Hellbunte Kalke. ee RE .461 [19] 
Graue, basale Bündnerschiefer und Bündnerkreide.. .463 [21] 

a) Petrographische Beschreibung . . . . „463 [21] 


Tüpfelschiefer (466), Quarzbreccien (468), kalkige Breccien (469), 
Diabase (471). 
b) Faziesverteilung und Schichtfolge . . » : 2. mn ee 
Quarzbreccien (474), Tüpfelschiefer (474), Breceien (475), Urinoiden- 
kalke im Südflügel (476), oberste graue Bündnerschiefer im Nord- 
flügel (477). 
c) Alter und Vergleich mit Nachbargebieten.. . . » 2.2... . 478 
Rozbreccie und Lechtalerkreide (479), Tüpfelschiefer in Grau- 
bünden (480), Vergleich mit Fazies von Innergraubünden (483), - 
mit der Lechtalerkreide (484). 


472 [30] 


566 Wilhelm Hammer. [124] 


Seite 
Bunt6s:;Bündnerschiefer) ri A ee aa 484 [42] 
a) Petrographische Beschreibung und Verbreitung . .. . 2... 484 [42] 


Kalkgehalt und Metamorphose (485), Kaunertal—Ried (486), quar- 
zitische Ausbildung am Sattelkopf (487), Breccien (490), Über- 
sicht aller klastischen Gesteinsarten (491), Konglomerate (492), 
Diabase (490 und 493), Detailprofile (494), Kalksinter er: 
);Über das Alter‘ der ‚bunten Schiefer. . ... ...2. Js: 496 [53] 
Fossilreste, Abgrenzung gegen den Verrucano (497), "Transgressions- 
konglomerat in Malfrag (499), Fucoidenschiefer (501). 


Über Altersfolge und Fazies der gesamten Schichtreihe. 502 [60] 


1I. Die Lagerungsverhältnisse. 


1. Die zentrale Angmolbunp a. 5. Sa a a ae 506 [64] 


Verlauf der Achse, Periklinale Abwölbung im Osten (507), Klein- 
fältelung (509), Klüftung in der Finstermünzer-Gegend (511). 


I. Die nördlichen Randzonenı . m... . a ET aa 511 [691 


Innere Zone bunter Schiefer (518), Zone grauer Bündnerschiefer 
beiderseits Prutz (521), Verrucanozone (522), Triasschollen der- 
selben (523), äußere Zone der bunten Schiefer und Schollen am 
Gneisrand (525), graue Bündnerschiefer nördlich Prutz (528), 
Liaszone (530), Kreidekalke —Diabas am oberen Malfragkamm (531). 


II. Der Ostrand (der Bündnerschiefer), Kaunerberg und Langetz- 
berg "AgNa, A ee ee HERR 4.025588 191] 


1V. Der Sudrand (derBundguerschiefer) .. ... 2. . u u went. 540 [98] 
Schichtzonen beiderseits Nauders, Serpentin vom Schwarzsee (543), 
Piz Lad (546), Radurscheltal (549). 


VDeErLGneisrand ur A ent a ee 549 [107] 
Einfallen der Bündnerschiefer unter die Gneise, Stellung der Grenz- 
fläche; Querverwerfungen (551), Streichen der Gneise, randliche 
Anpassung (553). 
Gesteinsumwandlungen am Gneisranl . . ..... en a a BR TED] 
Dichter Gaugmylonite „te. >... scene Mer, u Tre Reiten Kalle . 555 [113] 
Mikroskopische Beschreibung derselben (556), Analysen (559). 
Diabasgänge und Erze. im 'Gneisrand) >. „su... a mosl.u un, .. 562 [120] 


Altersbeziehungen der Gänge zu den Überschiebungen (563). 
Bemerkungen zu den Kartenbalagen, .. „vum. Eli. 564 [122] 


Tafel XXI. 


W. Hammer: 
Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 


Erklärung zu Tafel XXIII. 


Dünnschliffbilder. 


Fig. 1. Breccie mit radiolarienhältigen Kalkfragmenten als Ausgangsmaterial 
von Tüpfelschiefer. Südseite der Stammerspitze in Val sinestra. 


Fig. 2. Tüpfelschiefer vom Südabhang der Stammerspitze in Val sinestra. 


Fig. 3. Quarzreiche Breccie in den grauen Bündnerschiefern, Lochschrofen 
bei‘ Martinsbruck (an der österreichisch-schweizerischeu Grenze). 


Fig. 4. Breccie aus den bunten Bündnerschiefern von P. 2845 des Frudiger- 
kammes (Stubental). 


Fig. 5. Crinoidenhältige kalkige Breceie aus der Bündnerkreide südlich des 
Sadererjochs bei Nauders. 


16 fache Vergrößerung. 


Tafel XXIV. 


W. Hammer: 
Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 


Erklärung zu Tafel XXIV. 


Dünpschliffbilder. 


Fig. 1. Amphibolit mit mylonitischen Flasern und Adern. Pfundser Ochsen- 
berg (Stubental) unter P. 2921 des Hauptkammes. 


Fig. 2. Gangmylonit im Biotitgneis. Erratischer Block bei Zuort in 
Val sinestra, 


Fig. 3. Gangmylonit mit Gneisrand. (Ader mit einheitlicher Auslöschung, 
brecciöse Einschlüsse.) Scharte zwischen Vesulspitz und Bürkelkopf. (Pazunaun.) 


Fig. 4. Gangmylonit im Gneis der Fließerscharte. (Material der Analyse). 


16fache Vergrößerung. 


Eb. Fugger: Das T i 
g ennengebirge. Tat, XX. 


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N Mühlbacher Zeichenerklärung: 
Alluvium und Diluvium Dachsteinkalk Raibler Dolomit 


Re . 
Ralbler Schiefer und Kalk Reiflinger Kalk Ramsaudolomit Guttenstelner Kalk 


CRLHLITE) AnAAnAn 
ESSTER SEHE 
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Gips Worfener Sohlefer Silursohlefer Strelohen- und-Fallen 


südlichen Vorberge 


des 


Tennengebirges 


Maßstab 1:50.000 


1000 m 500 o 1 ® Ikm 


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Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k, k. geologischen Reichsanstalt, Wien IIL, Rasumofskygasse 23. 


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W. Hammer: Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 


Tafel XXI. 


Übersichtstabelle über die Schichtfolge in den grauen Bündnerschiefern. 


Nordschenkel. 


Tschupbach—Stubental— Samnaun. | 


Südschenkel. 


Muttler—Mondingruppe. 


Nauders— Finstermünz— Pfund». 


Radurschel—Tösnertal—Stalanzertal. 


Kalkglimmerschiefer 
(Tschupbach—Praiskopf—Spiß). 


Quarzbreccie und kalkig-sandige 
Schiefer von Hahntenn — Kreuz- 
joch — Spiß — Val Sampuoir. — 
Kalkige Breccie des oberen Val 
Sampuoir (Munt da sterls etc.). 


Kalkglimmerschiefer, Kalke 
und Tonschiefer an der neuen 
Samnaunerstraße, 


Kallk:ige Breccie im Fernertobel. 


Tüpfelschiefer am Ostgrat 
d.Schalkkopfu. am Mot Mondin. 


6Grünschiefer des Mondin. 


Kalkschiefer der 

Zone Schleinseralm 
der Quarzite, u. südlich Piz 
quarzitischer Malmurainza 


Kalke, kalkig- |(Tüpfelschiefer?). 
sandigen nn 


Schiefer und Tonschiefer: 
Muttler Süd- und Ostgrat, 


Quarzitische Schiefer und Tonschiefer im Kern der Antiklinale 


(Kobleralm— Perflkopf). 


Kalkglimmerschiefer. 


Grünschiefer von Raut. | 


Kalke a. d. Straße unterhalb Finstermünz mit Tonschieferzone. 


6rünschiefer von Weinberg. | 
Kalkige Breccie ober Finstermünz (Fluchtwaud N). 


Grünschiefer b. d. Galerien d. Finstermünzerstraße. | 


Kalke beim Sperrforts Nauders. 


Grünschiefer d. Bazallerkopf u. oberhalb d. Sperrforts. | 


Kalkschiefer d. Fluchtwand u. d. Bazallerkopf, mit 
der crinoidenhältigen Breccie v. Seleskopf. 


Tüpfelschiefer v. Parditsch u. Fluchtwand, 
Tonschieferreiche Zone d. Labauneralm. 


Kalkglimmerschiefer. 


Tonschieferreiche Zone Finstermünz—Kälbermais— Aussergreit. 


Grünschiefer innerhalb Greit. 


Kalke und Kalkschiefer 
vom Frudigerjoch. 


Kalkglimmerschiefer. 


Quarzitische Zone 


Amblannas, Piz Malmurainza—Tea nova—Pragrond—Norberthöhe und 


Tüpfelschieferzone: 


Gallmötz, Morrlealm 
Stubental—Spiß—Curschigliakamm — 
Muttler—Stammerbasis. 
Kalkige Breccie am Gamsblaiskopf 
(Stubental). 


Kalke, Kalkschiefer und grüne Ton- 

schiefer (In der Keil-Blauwand) ton- 

schieferreiche Grenzzone (Stubental, 
Lavens etc.). 


eingelagert darin kalkige Breccien: 
Parainaira—Muttler Ostgrat, Amblannas, 
Saletzjoch, Cuolmen d’alp. 


Tüpfelschiefer von der 
Westseite d. Piz Arina. 
Quarzbreccie d. Piz Arina— 
Plaiazan — Schleins begleitet 
von Tüpfelschiefer. 


Kalkschiefer. 


Quarzbreccien 
von Saraplana. 


Crinoidenkalk 
von Raschwella. 


Schmalzkopf 
an der Basis kalkige Breccie d. Nordseite des 
Schmalzkopf. 


Quarzbreccie vom 
Lochschrofen. 


Riatschhof— Gamor—Sadererjoch 
und Diabaslager (Kohlstatt—Suntawa). 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23. 


des Fradigerjoches 


von Übersachsen. 


Kalkschiefer mit grünen 
Tonschieferschmitzen 
(Ulrichskopf) crinoiden- 
hältige Breccie d. Zonnen- 
kopf. 
Tüpfelschiefer von 
Saderergraben ; Quarrite, 
Kalke und Tonschiefer 
(Saderertal). 


Krinoidenkalke und Breccien 


Gschneier—Platz. 


Kalke, Tonschieferzone, 
kalkige Breccie vom Breit- 
haslachgraben, 
Tüpfelschiefer des 
Malzkopf, d. Tösner- und 
Stafelleralm. 


Fendleralm. 


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Tafel XXI. 


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Das Gebiet der Bündnerschiefer 


W. Hammer 


P.:2921° 
des Hauptkammes. 


P. 2854. 


Frudigerkopf. 


Blauwand. 


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Graue Bündnerschiefer, 
(Bündnerkreide.) 


Bunte 
Bündnerschiefer. 


Verrucano, Weiß: Trias. 


Gneis und 
Amphibolit, 


Ansicht des Frudigerkammes und der Ochsenbergalm im Stubental von Osten. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Band LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23. 


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W. Hammer: Bündnerschiefer ec. Tafel XXIV 


Autor. phot. 3 
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914, 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, Ill, Rasumofskygasse 2. 


B.. 


Paragneise. 


Quarzit und quarzitischer 
Gneis. 


Granitgneis. 


MM 


Amphibolit. 


Mylonitischer Gneis, 
dichte Mylonite. 


B 


Phyllit. 


Quarzserizitschiefer, 
Qnarzfels und Arkosen des 
Verrucano. 


Phyllite des Verrucano. 


W.Hammer. Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 


Geologische Karte 


der 


Umgebung von Prutz im Oberinntal 


aufgenommen von W. Hammer. 


1:25000 oder Icm-250m oder 3 cm -1000 Schritte 


200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 
Ze —— - +—— 
200 00 600 E09 1000 1200 1400 1800 1200 2000 Schritte 


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Eisendolomit. 


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A 


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Dolomit und 
dolomitischer Kalk 
der Trias. 


Kalke der Trias. 


Tonschiefer und Sandstein 
der Trias. 


u 


Rauhwacke. 


Gips. 


Schuttkegel und 
Gehängeschutt. 


Kalksinter. 


Postglaciale Schutterassen 
am Inn. 


Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, LXIV. Band, 1914. 
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygusse 23, 


Y, ARR 
AANAAANAN 
ANANAAAA 
NAAAAAAAA 


Blocksturzhalden 
aus Triasdolomit. 


Gneisblockwerk. Verrutschungen. Aufschlußlose Vegetations- 
hänge und Alluvien der Tal- 


böden, Seen. 


Tafel XXV. 


el 


Graue kalkige Bündner- 
schiefer. 


e= 


‘Tonschieferreiche Zonen 
derselben. 


Tüpfelschiefer. 


Breccien der grauen 
Bündnerschiefer. 


Crinoidenkalk und Breccien 
(Bündnerkreide). 


Bunte Bündnerschiefer. 


Breecienzonen der bunten 
Bündnerschiefer. 


Konglomerat in den 
bunten Bündnerschiefern. 


Diabasschiefer. 


Diabasgänge in den 
Gneisen. 


Moränen. 


Moränen mit Schotter- 
lagen wechselnd. 


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TITH 1 
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Konglomerierte Schotter 
gegenüber Ried. 


z 
res | SIR eg un 


Eisenquellen, Schwefel- 
quellen, Bergbaue und 
Schurfe. 


Seigere, steile, minder steile 
und flache Schichtlage. 


mr Ares: 


— 


ee 


i 


Paragneise. 


Granitgneis. 


| 


Pegmatitische Aderung. 


- 


Amphibolit. 


\ 


Dichte Mylonite. 


Quarzserizitschiefer, 
Quarzfels und Arkosen des 
Verrucano. 


Phyllite des Verrucano. 


' 


Eisendolomit. 


Dolomit und 
dolomitischer Kalk 
der Trias. 


Kalke der Trias. 


Tonschiefer und Sandstein 
der Trias. 


IE 


Rauhwacke. 


W. Hammer. Das Gebiet der Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. 


Geologische Karte 


der 


Fließeralm und des oberen Stubentales 


aufgenommen von W. Hammer. 


1:25000 oder Icm-250m oder 3 cm -1000 Schritte 


100 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1300 2000m 
rk - 7 + + ——_— 


+ — - — - 
100 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 600 1890 2000 Schritte 


u ZZ una 
I | EZ Be 
Schuttkegel und Kalksinter. Blocksturzhalden aus 
Gehängeschutt. Liaskalk. 


Er 


Moränen. 


Diabasschiefer. Glaciale Blockbestreuung. 


Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, LXIV. Band, 1914. 
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III., Rasumofskygasse 23. 


böden, Seen, Firnfeld am 
Hexenkopf. 


gFe 


Eisenquellen, 


alter Bergbau. 


Tafel XXVI. 


schiefer. 


Tonschieferreiche Zonen 
derselben. 


Tüpfelschiefer. 


Breceien der grauen 
Bündnerschiefer. 


Crinoidenkalk und Breccien 
(Bündnerkreide). 


Bunte Bündnerschiefer. 


Breecienzonen der bunten 
Bündnerschiefer. " 


Kong omerat in den 
bunten Bündnerschiefern. 


Grüngrane sandige Schiefer 
(Fucoidenschiefer des 
Samnaun). 


Erz] SL 
Seigere, steile, ıninder steile 
und flache Schichtlage. 


Inhalt. 


3. Heft. 


Seite 


Das Tennengebirge. Von Eberhard Fugger. Mit einer Tafel (Nr. XX) 


und 5 Illustrationen im Text , ...... RE ER TE rer 369 
Das Gebiet der-Bündnerschiefer im tirolischen Oberinntal. ‘Von Wilhelm 


a  — 


NB. Die Autoren allein sind für den Inhalt und die Form 
ihrer Aufsätze verantwortlich. 


Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek, Wien III. Steingasse 25. 


JAHRBUCH 


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4. Heft. 
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wien, 1915. 


Verlag der k. K. resigetschen Reichsanstait. 


ER: 


bei R. Lechner (With. Müller), k. u. K. Hofbuchhandlung 


L. Graben Bi. 


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Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der 
Gesteinsgefüge. 
(Erste und zweite Folge, November 1914.) 


Von Bruno Sander. 
Mit 12 Tafeln (Nr. XXVII-XXXVIN). 


1. Feinschichtung, Teilbewegung und Kristallisation im Klein- 
gefüge einiger Tiroler Schiefer. 


Einleitung. 


Es ist eine vom Verfasser schon mehrfach begonnene Aufgabe 
für sich, dem Verhältnis zwischen Teilbewegung und Kristallisation 
im Gesteinsgefüge oder im Kleingefüge anderer umgeformter Körper 
(Metalle etc.) nachzugehen. Hierzu sind einige Unterscheidungen nötig, 
um so mehr als es in der Gefügekunde der Gesteine ermöglicht werden 
soll, Befunde zu beschreiben, ohne sich schon durch den Gebrauch 
unserer meist halb bes-hreibenden, halb eine bestimmte Entstehung be- 
hauptenden Ausdrücke einer Hypothese über die Entstehung anzu- 
schließen. Es scheint, wie in ähnlichen Arbeitsgebieten, eine rein 
beschreibende Bezeichnungsweise nicht ohne Vorteile. Hierbei werden 
die als Beobachtungen und Hypothesen höchst schätzenswerten Ergeb- 
nisse hoffentlich nicht verkannt, welche in Ausdrücken wie Kristalli- 
sationsschieferung und Piezokristallisation verdichtet und freilich auch 
fest mit -Hypothesen über die Entstehung verknüpft worden sind. 

Eine Anzahl solcher Unterscheidungen und Ausdrücke ist in 
früheren Studien des Verfassers angeführt, worauf hier nur verwiesen 
werden kann, besonders auf das Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt 1912 
und das Literatur- und Sachverzeichnis dieser Arbeit, ferner auf Ver- 
handlungen der k. k. geol. Reichsanstalt 1914, Nr. 3 und Nr. 9. Immer 
handelt es sich darum, Teilbewegung und Kristallisation 
begrifflich zu trennen und ihr Verhältnis womöglich zu 
bestimmen. Hierin kann man ziemlich weit gelangen, wenn neu- 
gebildete größere Mineralkörner etwas vom Gefüge, wie es zur Zeit 
ihrer Entstehung war, umschlossen und aufbewahrt haben. Es werden 
also hier häufig Gesteine mit großen Holoblasten als Beispiele heran- 


gezogen werden. 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Ile ft. (B Sander.) 73 


568 Bruno Sander. [2] 


Zugleich bildet die Beschreibung dieser meist der unteren Tauern- 
Schieferhülle entnommenen Typen eine gewisse Ergänzung der in der 
erstzitierten Arbeit erfolgten Beschreibung von Tauerngesteinen, 
welche namentlich mit Hinblick auf stratigraphische Fragen aus- 
gewählt waren. 

Das Gesteinsmaterial wurde insbesondere anläßlich früherer von 
der kaiserlichen Akademie subventionierten Begehungen in den 
Tauern gesammelt, die Herstellung des sehr beträchtlichen Schliff- 
materials vom geologischen Institut Innsbruck und von der 
k.k. geologischen Reichsanstalt ermöglicht, so daß ich den 
genannten Instituten verpflichtet bin. 

Da es bekanntlich nicht immer leicht ist, mit den Ausdrücken 
Struktur und Textur inGrubenmanns Definition zu Werke zu gehen, 
wird hier Gefüge gesagt und mag dieser unmittelbar verständliche 
Begriff die Merkmale des inneren Baues alle umfassen, welche man 
bei manchen Gelegenheiten gewiß mit Vorteil weiter - einteilen und 
voneinander trennen kann. 


Bei einer ausführlichen Besprechung eines Schiefers im Sinne 
dieser Übersicht wird der Kürze halber etwa folgendes Schema vor- 
geschlagen und teilweise verwendet. 


Rein beschreibend: 


1. Gefügeelemente (Minerale, Aggregate etc.). 
2. Kleingefüge. 


s= eine wie immer entstandene Schar paralleler Gefügeflächen (Schieferung, 
Feinschichtung etc.). 
snd = Gefügeflächen mit grobmechanischer Korndeformation z. B.: 
sr — Gefügeflächen mit ruptureller Korndeformation. 


sb = Gefügeflächen ohne grobmechanische Korndeformation (z. B. Bild der Kristalli- 
sationssohieferung). 

Erfahrungsgemäß schließt snd an dem einen Gefüg.element (z. B. Quarz 
oder Glimmer), ss an dem anderen Element (z. B. Karbonat) nicht aus. Auch 
ist gegebenenfalls ebenfalls eigens für jedes Gefügeelement zu unterscheiden, 
ob das s nur durch heterometrische (z. B. oblonge) Körnerform ohne Regelung 
der Kristallachsen der verschiedenen Körner zustande kommt oder mit Regelung 
der Achsen (z. B. subparallele Stellung der c-Achsen bei Quarz; subparal- 
lele Stellung oder bloß Regelung ||s der Hornblendeachsen). 


si = s innerhalb von Kristalloblasten (intern). 


se — s außerhalb von Kristalloblasten (extern), sö kann = se sein oder Unter- 
schiede zeigen. 


Die Minerale liegen entweder nur ungefähr geregelt in s, wie z. B. im 
Glimmergebälke (vgl. Figur 6) und in den Polygonalbögen von Falten 
mit Abbildungskristallisation, oder scharf in s. 


Von der Gebälkform der Glimmer ist das Glimmergeflecht (vgl. 
Figur 1) seiner Deutung halber möglichst zu unterscheiden. Aneirander- 
grenzende gleichartige Körner (z. B. Quarz) sind entweder scharf oder un- 
scharf umrissen (bei gleicher Schliffdicke und unabhängig von verzahntem, 
buchtigem oder Mosaikverband). 


Die Gefügedeutung betreffend: 


— Teilbewegung im Gefüge (Differentialbewegung, Gefügebewegung). 
d3= SasınEs: 
md —= molekulares d z. B. ds. 
nd = nichtmolekulares d z.B. nds, Fältelung. 


RE Ge Zn ee Pre N ee 7 


BE? Ze „Eu 0 09 Ze 


[8] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 569 


k —=_die Kristallisation; vor, mit oder nach d. 
ss — sedimentäres s (leinschichtung). 

ab — abgebildet durch Kristallisation, 

ag — ausgearbeitet, gleichsinnig weiterentwickelt. 
mag zeigt an, daß dies durch md geschah. 

nag zeigt an, daß dies durch nd geschah. 


} Die hier unternommenen Studien schließen sich eng an folgende Vorarbeiten 
des Verfassers an: 


B. Sander, Über Zusammenhänge zwischen Teilbewegung und Gefüge in Gesteinen. 
. Tschermaks Mineralog. und Petrogr. Mitteil. 1911. XXX. Wien. 

— Über tektonische Gesteinsfazies. Verhandl. der k. k. geol. R.-A. Wien 1912. 

— Über einige Gesteinsgruppen des Tauernwestendes. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 
Wien 1912, 

— Studienreisen im Grundgebirge Finnlands. Verhandl. d. k.k. geol. R.-A. Wien 
1914, Nr. 3, 

— Bemerkungen über tektonische Gesteinsfazies und Tektonik des Grundgebirges. 
Verhandl. d.k.k. geol. R.-A. Wien, 1914, Nr. 9. 


’ 


I. Untere Schieferhülle der Tauern. 


Zur leichteren Orientierung über die Ortslage der beschriebenen 
Schieferhüllengesteine wird denselben hier wie in den geologischen 
Studien am Westrande der Hohen Tauern (Denkschr. d. Akad. math.- 
nat. Kl. Bd. LXXXI) in folgender Ordnung nachgegangen. Wir um- 
fahren im Süden beginnend das Tauerngneisende der Hochfeilergruppe 
und weiter westlich, bei Sterzing, die vom Pfitscherbach und Senges- 
bach angeschnittene „Sengeser Kuppel“ ; im Anschluß werden Gesteine 
aus dem Sterzinger Becken angeführt, welche dem „Schneeberger 
Zug“ der unteren Schieferhülle angehören. Ebenfalls im Süden am 
Pfitscherjoch beginnend wird das Ende der Zillertaler Gneise um- 
fahren und hierbei am Brenner einiges angeschlossen. Dann wird die 
untere Schieferhülle zwischen Maulser Gneisen und nördlich folgendem 
Kalkphyllit beschrieben, welche in der geologischen Beschreibung 
als eine südlich von Termiers angenommener Fortsetzung verlaufende 
Fortsetzung der „Matreier Zone* den Lokalnamen „Rensenzone“ 
erhielt. Diese Notizen betreffen also geographisch den Hochfeiler, 
das Pfunderer Gebirge, (die Sarntaler Alpen), die Stubaier Alpen, 
den Tuxer Hauptkamm und die Tuxer Voralpen. Die genauen Orts- 
angaben sind im Hinblick auf eventuelle spätere Weiterarbeit an- 
geführt. 


Hochfeiler und Sengeser Kuppel. 


1. Zwischen Weißzinnt und Eisbruckjoch ist dem Zentralgneis 
des Hochfeiler als scharfes, konkordantes Brett ein dunkler Glimmer- 
schiefer eingeschaltet, welchen in der Hand besonders quer zu s ge 
stellte Biotite bezeichnen; ein Gestein, welches da und dort im 
Tauerngneis seinesgleichen hat, welche sich wieder mit etwas ab- 
weichenden in eine Gruppe stellen lassen: es sind Typen der unteren 
Schieferhülle, welche dem Tauerngneis selbst eingeschaltet sind 
(Greiner Schiefer im Tauerngneis). 

73° 


570 Bruno Sander. [4) 


Das Kleingefüge zeigt nur sb. 

Quarz zeigt eckige Körner mit unfgerelielten Achsen, außer- 
halb der Biotite merklich oblong in s. Dieses se setzt durchwegs 
gänzlich unverlegt durch die verschieden orientierten Biotite. si des 
Quarzes in den Biotitholoblasten unterscheidet sich von se nur durch 
das Fehlen oblonger Körner. Es ist demnach s des Quarzes vor- 
biotitisch und wahrscheinlich ss (sedimentär angelegt), da im Biotit 
nicht durch oblonge Körnerform bestimmt, sondern lediglich durch 
Anordnung in Zeilen (wie wir sie bei Feinschichtung bestimmend 
sehen). 

Epidot, fast ebenso wie Quarz vertreten, bildet Säulchen durch- 
schnittlich etwa im Maße 1X 10. 

Die 5-Achsen sind subparallel gestellt, also linear. sö im Biotit 
ist gut entwickelt, also vorbiotitisch. Die Epidote in se sind größer 
und anscheinend besser linear: geordnet. Ihre Unversehrtheit läßt die 
Epidote als Holoblasten betrachten. 

Grüne Hornblende tritt mit linearer Anordnung der c-Achsen 
auf und fehlt im Biotit (Aufzehrung? spätere oder gleichzeitige 
Bildung ?) 

Die häufig von s abweichenden Biotitholoblasten zeigen zu- 
weilen deutlich einen epidot- und hornblendefreien Hof aus größer 
entwickelten Quarzkörnern, wie man sie auch in Erstarrungsstruk- 
turen in der Nähe des Biotits finden kann. Die von s abweichenden 
Biotite sind nicht verkümmert. 


Zeitliche Generationen: 
1. Quarz, Epidot, 
2. Quarz, Hornblende, Biotit, 
ö. Quarz. 


An Teilbewegung ist höchstens mds vorhanden (lineare Regelung 
von Epidot und Hornblende). Die Kristallisation des Biotits ist nach 
oder mit »nds erfolgt. Wahrscheinlich fiel mds mit dem Kristallisations- 
maximum (oben 2) zusammen. 

Es war also ein Gefüge aus feingeschichteten, scharfeckigen 
Quarzkörnern und kleinen Epidotnädelchen (scheinbar schon in s an- 
geordnet, wodurch ? —) vorhanden. Dann kamen die Biotitholoblasten, 
welche diese erste Generation reliktisch (als si) umschlossen. Die 
Epidote scheinen sodann im allgemeinen noch weiter gewachsen zu 
sein und Hornblende trat, ebenfalls linear geordnet, auf. Epidot stellte 
sich, wie gewöhnlich mit der b-Achse, Hornblende mit der c-Achse // 
der Streckung. Ebenfalls wurden die Quarze oblong; alles gute Hin- 
weise auf mds, wahrscheinlich „Streckung*. Bewegung kann nur in 
s stattgefunden haben, denn sö im Biotit ist unverlegt gegenüber se. 
In Vergleichstypen aus dem Habachtal, welche mir Herr Dr. Ohne- 
sorge freundlichst zur Einsicht gab, findet man die Gleichzeitigkeit 
der Kristallisation von Biotit und Hornblende deutlich und viel Kalzit. 
Letzteren betrachte ich als einen sedimentären Charakter im Zu- 
sammenhang mit der Feinschichtung des Quarzes, welche auch in 
OÖhnesorges Material sehr deutlich ist. In einer tektonischen Fazies 
dieser Habacher Gesteine wurde die im Kalzit seltene, interne Relikt- 


[5] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 571 


struktur und ihre Verlegung durch nd in schöner Ausbildung be- 
obachtet. 
Demnach betrachte ich derartige zum Teil im Tauerngneis, zum 


Teil peripher liegende Biotit-Hornblende-Schiefer als Paraschiefer 
mit Feinschichtung. 


2. Kalkepidotalbitschiefer zwischen Napfspitze und Roter Riffl. 
Quarz spielt eine geringe Rolle und zeigt Aggregate eckiger 
Körner in s verflacht. 
Auch der Albit bildet in s verflachte Aggregate großer kanten- 
gerundeter Holoblasten mit ungeregelten Achsen. 
Epidot und Hornblende als Nädelchen und filzige Lagen in s. 
Kalzit bildet geschlossene Körnerlagen in s. Gegenüber sb spielt 
sr keine Rolle. 
Zeitlich scheint nur wahrnehmbar: 
Quarz, Epidot, 
Hornblende, Albit, 
Kalzit. 


Ein voralbitisches s, von welchem im Albit Epidot und tonige 
Substanz (Nädelchen) als si zu sehen sind, wurde von den Albitholo- 
blasten umschlossen. Es erfolgte sodann die Verlegung dieses si durch 
parakristalline Teilbewegung in s: nds der Albite, mds bei Hornblende 
und Epidot. 

Die Albitkristallisation fand vor und mit ds statt. 


3. Chloritschiefer mit Epidotknollen im Kalkphyllit der Roten Riffl. 

sb wird gebildet aus Lagen eckiger, schwach verzahnter Quarz- 
körner (hierbei etwas Albit und Kalzit) mit ungeregelten Achsen, 
ferner aus wechselnden Lagen von Chlorit, Epidot und kleinen 
Hornblenden; namentlich Epidot und Hornblendelagen wechseln. 
Feinschichtung ist wahrscheinlich. Große Hornblenden ohne si sind 
wahrscheinlich selbst Relikte. 

Auch hier ist im Albit verlegtes si (Epidot, Tonschiefersubstanz) 
wahrnehmbar. 

Es hätte demnach ss mit Tonschiefersubstanz Epidot und (?) 
sroßer Hornblende eine schwache Albitisation erfahren, worauf Ver- 
legung von si erfolgte. Parakristallines nds der Albite und mds mit 
Kristallisation von Chlorit, Epidot und kleiner Hornblende hätten die 
Ausgestaltung der Feinschichtung bewirkt mit dem Bilde von sb. 


4. Hieran ist ein zweiglimmeriger Epidotgneis (Muskovit 
und Biotit in sb) anzuschließen, in welchem, wie ich nach vielen 
derartigen Beobachtungen glaube, im Zusammenhang mit der 
Glimmerführung stark oblonge (1:5) Gestalt der Quarzkörnerquer- 
schnitte in sb auftritt. mds. 


5. Zweiglimmergneis zwischen den beiden Marmormänteln des 
Hochfeiler zeigt dieselbe Erscheinung an Albitquerschnitten in Lagen 
sehr verschiedener Korngröße, mit ungeregelten Achsen in reinem sb. 

Auch die Glimmer, Muskovit, Biotit (und etwas Chlorit nach 
Biotit) zeigen keine Spur nichtmolekularer Deformation, sondern 
schöne Abbildungskristallisation von Stauchfältelung (Polygonalbögen 


572 Bruno Sander. [6] 


der Glimmer). Die Kristallisation ist nach und mit der genannten 
Teilbewegung erfolgt. 

Die Glimmer werden gedeutet als Hemiblasten, deren Kristallo- 
blastese zur Abbildung eines vorhandenen s mit Stauchfältelung führte. 


6. Muskowitglimmerschiefer vom Gneiskontakt im Gliederkar 
zeigt reines sb, Muskovit in sb oblong, quer sb gedrungen, ferner 
Quarz mit stark schwankender Korngröße und verzahnten Umrissen. 
Große Quarzholoblasten zeigen unverlegtes si aus kleinen Muskoviten. 
nds fehlt, mds ist vielleicht vorhanden. 

Ein vorkristallines s wurde kristallin abgebildet und bestand aus 
kleinen Muskoviten und wahrscheinlich auch aus Quarz, welcher im 
si der Quarzholoblasten nicht sichtbar blieb. Sodann kam das Kıistal- 
lisationsmaximum mit Bildung der Quarzholoblasten und Weiterwachsen 
des externen Muskovits außerhalb derselben, besonders in s als Ab- 
bildungskristallisation. 

Hier wie in vielen Fällen drängt sich ein Erklärungsprinzip 
der Schieferung außerhalb des Riecke-Beckeschen in die 
Überlegung. Ist s einmal da (wie in diesem Falle durch s erwiesen), 
so ist die Zirkulation und Zufuhr in s leichter als quer zu s. Damit 
läßt sich ein Weiterwachsen von Kristallen vorzugsweise in der 
Richtung von s, eine Verstärkung der Schieferung, auch ohne 
Druck denken und ohne Umformung eines zuerst vorhandenen iso- 
metrischen Korns in ein in s oblonges Korn. Diesen Gedanken halte 
ich besonders in solchen Fällen für anwendbar, in welchen die Neu- 
entstehung eines Korns aus den zirkulierenden Lösungen bei Mobili- 
sation gewisser Bestandteile erfolgt. Für manche Gesteine, von welchen 
gelegentlich hier noch Beispiele gegeben werden, möchte ich also 
neben das Rieckesche Prinzip noch diesen Gedanken an die 
Wegsamkeit von s für Lösungen stellen als ein die Schiefe- 
rung nicht nur abbildendes, sondern weiter ausgestaltendes Prinzip. 


7. Auch der Marmor (vom Kontakt ibid.) mit Biotit und Muskovit 
in sb zeigt eine bei hoher Kristallisation abgebildete Feinschichtung. 


8. Ebenso zeigt Graphitglimmerschiefer nächst Gliederferner 
sichere, kristallisierte Feinschichtung. Schon die Lagen von Erz und € 
in sb sind nicht anders deutbar. Die Lagen verschiedener Korngröße 
aus verzahntem Quarz sind diesem sicheren ss parallel und mangels 
irgendwelcher Streckung und Verlängerung der Körner als ss mit 
Abbildungskristallisation zu bezeichnen. 


9. Einige Glimmerschiefer über dem äußeren Kalkmantel des 
Hochfeiler gegen Süden. 
Ein Glimmerschiefer von der Röthelspitzostwand bei Pfunders 
zeigt starke kristallin abgebildete Faltung eines präkristallinen s (wahr- 
scheinlich Feinschichtung). „Sentealm bei Dun“ und „Röthelspitz 
zwischen den Marmoren* zeigen sb lediglich durch Muskovit und 
etwas Chlorit zwischen Lagen aus ganz ungeregelten, isometrischen, 
verzahnten Quarzkörnern; keine Spur von nds. Ebenso gehört ein 
Biotitglimmerschiefer mit Granaten von der Lapaalm zu diesen ganz 
vorwaltenden hochkristallinen Typen mit wohlausgebildeten unphylli- 
tischen Glimmern und dementsprechend fehlendem nds. 


[7 Beiträge aus den Zentralpen zur Deutung der Gesteinsgefiige. 573 


10. Biotitquarzit über dem Kalk gegenüber der Kramerspitze im 
Sengestal bei Mauls ist gut geschichtet und weniger kristallin. Die 
Schieferung ist nicht nach Rieckes Prinzip zu erklären, so z. B 
die Lagen ungeregelter und nicht oblonger Quarzkörner, deren von 
Lage zu Lage wechselnde Korngröße eben dieses nicht nach Riecke 
erklärbare s ausmacht. Die Biotite sind nicht strenger orientiert und 
nicht von anderer Tracht als in den Fällen geschichteter Glimmer- 
sandsteine ohne Metamorphose, welche ich mir zum Vergleich ansah. 


11. Albitgneis mit Karbonat zwischen beiden Marmorlagen des 
Hochfeiler. 

Das Kleingefüge zeigt sb ohne sr. 

Quarz bildet mit oblongen verzahnten Körnern Lagen verschie- 
dener Korngröße. 

Muskovit liegt streng in sb. 

Albit in isometrischen Körnern zeigt weder in bezug auf si noch 
in bezug auf se eine Regelung. Von Teilbewegungen ist nur nd der 
Albite bestehend in Drehung mit Verlegung von si nachzuweisen. 

Ein Tonschiefer mit ss aus Quarz und Nädelchen erfuhr Kristalli- 
sation. Die Nädelchen sind Holoblasten (schärfste Konturen), die 
Quarze bereits oblong, sodann findet Fältelung statt; dann die Kri- 
stallisation der Albite, welche als Holoblasten alles bisher Vorhandene 
als interne Reliktstruktur lokal in sich einschließen. Dann erfolgt eine 
Differentialbewegung im Gefüge, bei welcher sich die Albite drehen 
und si in den Albiten „verlegt“ wird. Diese Drehung erfolgt als eine 
in bezug auf die Albitkristallisation „parakristalline“* Gefügebewegung. 
Nach derselben wachsen die Albite weiter. Die Albitkristallisation ist 
also vor bis nach dieser Gefügebewegung erfolgt. Was aber nun neu 
hinzukommt, ist ein reliktfreier Saum. Es fehlte die Gelegenheit, 
weiteres sö zu umschließen, welches, wie ich annehme, durch die eben 
erwähnte parakristalline Teilbewegung im Gefüge zerstört war. 


Im weiteren Verlaufe fand Abbildungskristallisation des se statt, 
besonders durch Wachstum des Muskovits. 

Zur Deutung dieses mit einigen Abweichungen in der unteren 
Schieferhülle weitverbreiteten Gesteinstypus ist noch einiges an- 
zumerken. Im si des Albits kommt zuweilen auch Epidot, Erz, Mus- 
kovit bereits vor, wie 1912 in diesem Jahrbuch beschrieben. Dieses 
si ist in verschiedenen Fällen verschieden weit gediehen. bleibt aber 
gewöhnlich weit hinter se zurück, was den Grad seiner Kristallisation 
anlangt. In manchen Fällen beobachtet man aber in der Schieferhülle 
Albitisation in Gesteinen, welche auch nach derselben in se nicht über 
den Habitus eines Tonschiefers hinausgeraten sind. 

Zuweilen fehlt die voralbitische Fältelung und es istitrotzdem die 
Fältelung durch reine Abbildungskristallisation gekennzeichnet. Hier 
ist wahrscheinlich die Fältelung erst in der Phase der Albitverlegung 
erfolgt und sodann erst kristallisiert, wie reliktfreie Säume am Albit 
und die Polygonalbögen des gefalteten se anzeigen. 

Außer Muskovit findet man auch Biotit oft in se, ebenso un- 
versehrten Chlorit. Zuweilen aber kommt in tektonischen Fazies dieser 
Gesteine sehr deutlich nds nach der Kristallisation des ganzen Ge- 


5974 Bruno Sander. [8] 


füges zum Ausdruck: Verflößung der Albite, fluidales Gefüge der zer- 
schmierten Muskovite, Quarzgefügeregel. 

Ganz allgemein in der unteren Schieferhülle, besonders sichtbar 
aber in den eben herangezogenen Gesteinen, beweisen interne Relikt- 
strukturen das Vorhandensein in s geregelter Keime vor der Blastese 
der entscheidendsten Neubildungen, nämlich .der folgenden: Albit, 
Quarz, Epidot, Hornblende, Biotit, Granat. In diesen Gesteinen war 
also eine Schieferung schon vor der kristallinen Mobilisation des Ge- 
füges gut ausgebildet, und zwar als Feinschichtung. 

Mit dieser Feinschichtung stimmen alle folgenden Ausgestaltungen 
der Schieferung überein, sind also eben Ausgestaltungen von Fein- 
schichtung. In manchen Fällen ist diese Feinschichtung vor der Kri- 
stallisation bereits gefältelt. In solchen Fällen scheint mir die Wirk- 
samkeit des Rieckeschen Prinzips gegenüber der Abbildungskristalli- 
sation ganz zurückzutreten. - Dagegen scheint mir auch in dieser 
(resteinsgruppe das oben erwähnte Prinzip der leichteren Zirkulation 
in s als ein die Schieferung unabhängig von Druckverhältnissen aus- 
gestaltendes wirksam. Vielleicht könnte man dieses Prinzip mit- 
bedenken, wenn man, wie Hinterlechner, von einer „Potenzierung 
der Schieferung durelı Kontaktmetamorphose“ spricht oder mit schwedi- 
schen Forschern gewisse Adergneise als Entmischungserscheinungen 
deutet, welche ebenfalls vorhandenes s weiterentwickeln. Alle solchen 
Möglichkeiten gehören zur Ausgestaltung eines vorhandenen s durch 
molekulare und nichtmolekulare Teilbewegung in s. 


12. Glimmerschiefer vom Gehänge der Kramerspitze gegen Senges. 


An Gefügeelementen sind vorhanden Quarz, Muskovit (fein), 
Biotit, Epidot und Erz. 

Quarz ist in Lagen angeordnet und zeigt oblonge Körner in sb. 

Erz in Lagen deutet auf Feinschichtung, Muskovit liegt in sb, 
Biotit zum Teil ebenso, zum Teil aber quer zu s mit vorbiotitischem 
sals si. 

nd ist vorhanden als Stauchfältelung. Diese erfolgte nach der 
Kristallisation der Biotitholoblasten und nach, mit und vor der Kri- 
stallisation des Muskovits. 

Es war also ein Gefüge da mit Feinschiehtung (durch Erz und 
Opazit noch angedeutet). Es entstanden (vorwiegend quer zu s) Biotit- 
holoblasten und umschlossen s/. Die Blastese von Muskovit in s fand 
statt als Abbildungskristallisation von Feinschichtung. Sodann fand 
statt nd, hauptsächlich als Fältelung. Die Biotite mit ihrer internen 
Reliktstruktur wurden verlegt (vielfach gedreht). Das vorhandene s«b 
wurde durch nds noch ausgearbeitet, durch Phyllitisierung der Mus- 
kovite. 

Die Muskovitkristallisation dauerte aber fort und bildete manche 
Stauchfalte kristallin ab in Form von Polygonalbögen aus Muskovit. 


13. Ralkglimmerschiefer, welcher im innersten Sengestal über 
dem Kalk und Glimmerschiefer der Sengeser Kuppel folgt, zeigt ein 
ziemlich regelloses Gefüge aus Kalzit und Quarz zu ungefähr gleichen 
Teilen und ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die typischen Kon- 
turen in kristalloblastischen Kalzit-Quarzgefügen. Die Grenze der 


[9) Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 575 


Quarzkristalloblasten gegen Kalzit ist weichbuchtig und lappig und 
veranschaulicht die Energie des Quarzes, Tropfen- und Kugelformen 
im Kalzit zu bilden. 

Nachkristalline Beanspruchung wird durch Lamellen und Undu- 
lation und durch Trennung der fertigen Muskovite und Biotite deutlich. 


14. An einem anderen Glimmerschiefer aus dem Gehänge der 
Kramerspitze gegen Senges sind als besonders wichtig hervorzuheben 
größere Epidotholoblasten mit si aus länglich tropfenförmigen Quarzen. 
Dieses si ist bei nachepidotischer intensiver Fältelung des Gesteins 
verlegt worden. Diese lebhafte nd im Gefüge hat Muskovit und Chlorit 
mechanisch gebogen, aber auch nach der Teilbewegung war die kri- 
stalline Mobilisation für Glimmer noch so lebendig, daß die vielfach 
vorhandenen Polygonalbögen die Teilbewegung zu einer jedenfalls vor- 
kristallinen, d. h. vor Abschluß der Kristallisation erfolgten, stempeln. 

Wir fanden also in unseren Beispielen aus der unteren Schiefer- 
hülle des Hochfeiler und der Sengeser Kuppel, welche die für unsere 
Frage wichtigsten Gesteine umfassen dürften, folgendes: Kristallin 
abgebildete Feinschichtung ist weit verbreitet, parakristalline Teil- 
bewegung häufige. nd spielt keine bedeutende Rolle. nd ist vor,und 
mit, höchst selten nach der Kristallisation der wesentlichen Neu- 
bildungen erfolgt. 


Pfitschtal. 


15. Zweiglimmeriger Granatglimmerschiefer von Stein. Quarz bildet 
ungerundete, sehr scharfkantige, in sb oblonge Körner ohne Achsen- 
regelung. Dies gilt sowohl innerhalb als außerhalb der Granaten. 

Muskovit bildet kleine Schüppchen in se; Biotit große Schuppen 
in s und quer s, ohne interne Reliktstruktur und ohne selbst an si in 
Granat teilzunehmen. 

si der Granaten ist vollkommen unverlegt. An Teilbewegung 
könnte höchstens etwas mds stattgefunden haben. Eine ausgesprochene 
Abbildungskristallisation von Feinschichtung ist das Bezeichnende, 

16. Ein sonst ganz verwandter Typus vom Rotbachlspitz am 
Pfitschjoch zeigt hingegen nds nach der Kristallisation: verlegtes s 
der Granaten, welche von s fluidal umschlungen sind. Die lang- 
gestreckten undulösen Querbiotite nehmen hier im Schliff eine Lage 
ein mit 001Ls, was man durch Streckung nicht erklären kann. Denn 
sonst müßte ein Druckminimum die Biotite genau ebenso orientieren wie 
ein lineares Druckmaximum und man müßte annehmen, daß sich der 
Biotit einmal L zum Druckmaximum stelle, ein andermal L zum 
Druckminimum. 

Diese Querbiotite haben unverlegtes si aus Opazit, 

17. Seidengrauer Zweiglimmerschiefer ibidem mit Zirkon, 
Karbonat und Orthoklas. 

Quarz bildet gleichmäßig große Körner oblong in s, Muskovit 
kleine Schüppchen ungefähr in s, ebenso Erz, Zirkon und Biotit 
parallel verwachsen mit Chlorit. F 

Viel Turmalin als scharf ausgebildete Holoblasten in s. Karbonat 
in Rhomboedern mit ungeregelten Achsen, oblong in s, bildet Holo- 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (B. Sander.) 74 


576 Bruno Sander [10] 


blasten, welche nach Turmalin und Biotit entstanden, aber keinerlei 
si enthalten. Sie scheinen im Entstehen die anderen Minerale zu 
verdrängen. 

18. Im Überwassergraben bei St. Jakob steht Chloritquarzit bzw. 
Glimmerschiefer an, welcher in sb oblonge Quarzkörner, Chlorit 
und Titanit zeigt und namentlich durch Karbonat in s deutlich ge- 
machte Feinschichtung. 


19. (Fig. 14.) Im Graben nördlich über St. Jakob tritt Biotit- 
epidotamphibolit als Kontaktmetamorphose aus Amphibolit auf am 
Kontakt mit Aplit. 

Hierbei ist ein sedimentäres s durch Erz bezeichnet. In etwas 
srößerer Ferne vom Kontakt ist der Biotit streng in s angeordnet, 
Quarz oblong in s. Allernächst dem Kontakt aber ist jederlei s ver- 
schwunden. 

In etwas größerer Entfernung aber ist eine gewisse „Potenzierung“ 
der Schieferung durch Kontaktmetamorphose (Hinterlechner) 
tatsächlich bei der Biotitisierung der Hornblende erfolgt und läßt 
sich als eine Kontaktmetamorphose anderer Art von der regellosen 
Biotitisierung nächst Aplit unterscheiden. 

nds ist vorhanden und hat größere Hornblende (ohne si) be- 
troffen. 


20. Muskovitglimmerschiefer in demselben Graben zum Teil 
in extrem tektonischer Fazies. 

Das Kleingefüge zeigt sb ohne sr. Nähere Untersuchung ergibt, 
daß hier Blastomylonite mit mds und nds vorliegen. nds ist vor 
Ende der Kristallisation erfolgt. 

Der Quarz ist oblong in s, Muskovit liegt fast zusammenhängend 
linealscharf in s. Es besteht das charakteristische Bild der Kristal- 
lisationsschieferung, welche der Verfasser hier als eine von mole- 
kularer und nicht molekularer Teilbewegung in s ausgestaltete 
Feinschichtung auffaßt. Epidot, Turmalin und Zirkon liegen streng 
in s. Größere Quarzkörneraggregate (wahrscheinlich Geröllchen) 
liegen umflossen von s. 


21. Was über diesem Gesteine folst, ist Gneis mit mds und nds. 
Am Feldspat wird es sehr deutlich, daß nds vor und mit der Kristal- 
lisation erfolgte. Wir bemerken einerseits deutliche, mechanische 
Verflößung von Fragmenten, anderseits gänzliche Kristallisation jeder 
mechanischen Deformation, so daß keine Glimmerbiegung etc. sicht- 
bar ist. Erz und Quarz bilden si in Epidot, so daß wahrscheinlich auch 
dieses Gestein ein Paragestein mit ausgestalteter Feinschichtung ist. 


22. (Fig. 12.) Graphitglimmerschiefer mit Rhätizit und Quarz- 
geröllchen, Grubenwald, Pfitsch. 

Hier ist die Feinschichtung durch Graphit bezeichnet, durch 
Muskovit und in sb oblonge Quarze ausgestaltet. Wo die größeren 
Quarze noch in Form einer Sedimentärbreceie liegen, ist auch von einem 
s des Muskovits nichts zu sehen. Das s des Muskovit und Quarz ist 
in diesem Gestein nur vorhanden, wo Feinschichtung vorhanden war 
und solcherart als kristalline Abbildung von Feinschichtung gekenn- 
zeichnet. 


[11] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 577 


23. Die Greiner Schiefer aus der Floite (Zillertal) zeigen 
ausgezeichnetes s mit oblongen Quarzen, Hornblende, Muskovit und 
Biotit in sb. Ferner aber auch große Biotitholoblasten, welche Granaten 
einschließen, welche noch jetzt in diesem Gestein in gleicher Größe 
überall verteilt wird. sz fehlt diesen Biotiten. Sie gehören, da sie 
die vollkommen fertigen Granaten umschließen, der späteren Blastese 
an. Sichere Zeichen für ds fehlen. Nachkristallines ds läßt sich aus- 
schließen. 


24. Dagegen läßt sich ds vor und mit der Kristallisation und 
damit Blastomylonitcharakter sehr gut in der tektonischen Fazies 
der „Konglomeratgneise“ vom Pfitschjoch nachweisen. 

Quarz und Albit sind oblong in s bis isometrisch, Biotit liegt 
in Gestalt größerer und gefranster Fetzen in s; Muskovit in s. 

Die Glimmer zeigen keine näherungsweise Eigenform (wie sonsi 
an diesen Holoblasten zu sehen ist), sondern Zerfransung und Sieb- 
struktur. Uber die Bedingungen der verschieden starken Energie zum 
reinlichen Auskristallisieren läßt mein Tauernmaterial noch keine 
Schlüsse zu. 

Authigene Turmalinholoblasten sind vorhanden. ds vor bis mit 
der Kristallisation ist besonders durch die verflachten „Knöllchen“ 
illustriert. 


Sterzing, Pflersch, Ridnaun. 


Es ist zu beachten, daß die jetzt anzuführenden Gesteine 25—33 
tektonisch nicht der unteren Schieferhülle angehören, sondern noch 
über dem Kalkphyllit folgen, welcher die Zentralgneise und ihre 
Schieferhülle bedeckt. 

Die tektonische Stellung von 27 ist nicht Klar; 31, 32 sind auch 
stratigraphisch nicht mit Sicherheit zur unteren Schieferhülle zu rechnen. 


25. Im Profile von Schmuders bei Sterzing findet man einige Schiefer, 
in welchen im Gegensatz zu den weitaus meisten der bisher beschrie- 
benen starke Teilbewegung in s nach der Kıistallisation die Haupt- 
rolle spielt. 

Der liegende Schiefer (Biotit, Chlorit, Quarz, Plagioklas, Epidot) 
zeigt regellos durcheinandergeknetetes s ohne irgendeine Regel und 
mit ganz unbedeutender Rekristallisation. 

Darüber folgt eiu Muskovit-Quarzit. Der Quarz ist unscharf kon- 
turiert, verzahnt und bildet oblonge Körner bis Lagen in sr mit durch- 
greifender Quarzgefügeregel. Muskovit streng if sr als Fetzen. Albit 
oblong in sr. Es handelt sich um einen Phyllitmylonit ohne Relikt- 
strukturen mit starkem nds nach der Kristallisation, wobei die Quarz- 
gefügeregel ausgebildet wurde. Geringe Rekristallisation. 

Nicht so durchgreifend ist die Quarzgefügeregel in dem Biotit- 
epidotgneis mit Quarz und Feldspatungen, welcher über dem Quarzit 
folgt. Auch dieses Gestein zeigt stärkste n ds nach der Kristallisation. 


26. (Figur 11) Muskovitglimmerschiefer mit Querbiotit und Gra- 
naten (Greiner Schiefer) aus dem obersten Teile des Grabens zwischen 
Flans und Tschöfs (nördlich Sterzing). 


74* 


578 Bruno Sander. [12] 


Quarz etwas oblong in sb, Achsen ungeregelt. Muskovit und Biotit 
zum Teil in sb bedingen schon die oblonge Quarzkörnerform, da der 
Quarz nicht quer durch den Glimmer wachsen kann. Auch rein 
mechanisch dürfte übrigens für den wachsenden Kristall die Weg- 
samkeit in s in sehr vielen Fällen eine bessere sein als quer s und 
also deshalb dieser Weg eingeschlagen werden, wobei s weiter aus- 
gestaltet wird. Die Granatholoblasten mit si (scharfeckige, meist iso- 
metrische Quarze, Erz) sind in diesem Gestein sehr deutlich oblong 
in s angelegt, was ich durch die leichtere Zirkulation und Stoffzufuhr 
in s erklären möchte. Es besteht kein Grund, anzunehmen, daß etwa 
zuerst ein isometrisches Granatkorn vorgelegen hätte oder daß sich 
Granat überhaupt nach einem Drucke orientiere. Anzeichen von Teil- 
bewegung sind keine vorhanden, si ist unverlegt. Das Gestein ist bei 
mangelnder Teilbewegung ein gutes Beispiel für steigernde Abbildungs- 
kristallisation älterer Feinschichtung. 


27. a) Wald über Gasteig bei Sterzing. Ein Glimmerschiefer mit 
sehr starken Glimmerlagen (Greiner Schiefer) zeigt sb stark ausgearbeitet 
durch ds. Hierbei entstanden an Stelle der Glimmergebälke vielfach 
Glimmergeflechte. Dementsprechend zeigt auch der in s oblonge und 
verzahnte Quarz lokal die Quarzgefügeregel. Es ist also auch hier 
ds nach der Kristallisation festzustellen. 

b) Ein gefalteter Ankeritgrünschiefer, ebendort, zeigt starke d 
(Faltung und nds) deutlich nach der Kristallisation. Die Faltung ist 
gänzlich durch Biegung und Geflechtbildung der Glimmer erreicht. 
Quarz liegt oblong in sr, die Epidote sind zertrümmert. 


23. Von den Typen der unteren Schieferhülle, welche an der 
Schleierwand bei Gossensaß über dem Tribulaundolomit liegen, sind 
hier zwei anzuführen, welche in das Verhältnis zwischen Kristallisation 
und Teilbewegung Einblick geben. 

a) Ein Albit-Karbonatschiefer (mit Muskovit und Quarz) zeigt 
nds nach der Kristallisation mit Verlegung des bekannten si in Albit 
und Störung des Karbonats. Der unregelmäßig in s angeordnete Mus- 
kovit ist weniger verletzt. 

b) (Figur 9.) Dagegen zeigt ein Amphibolit (Greiner Schiefer) kaum 
Spuren von Durchbewegung. Feinschichtung ist durch Erz sehr gut 
bezeichnet. Ankeritisches Karbonat ist parallel hierzu in sb oblong 
gewachsen. Muskovitgeflechte liegen in s. Dagegen liegt die Horn- 
blende mit ganz ungeregelten Achsen vor in Gestalt großer Holoblasten 
mit im allgemeinen wmverlegtem si aus Erz, Quarz, Chlorit und Mus- 
kowit. Ein vor dem Auftreten der Amphibole feingeschichtetes Gestein 
ohne stärkeres ds. 


29. Im Garbenschiefer von der Telferweißen liegt Quarz etwas 
oblong in s, Serizitfilz streng in s; stark umgewandelte Hornblende- 
holoblasten mit si liegen ebenfalls in s. si enthält Quarz, wie in se, 
aber nichts von dem reichlichen Muskowit in se. si ist unverlegt, aber 
starke ds nach der Kristallisation vorhanden und durch fluidale An- 
ordnung der Glimmerfilze und Quetschung der Hornblende erkennbar. 
Sehr gutes Beispiel für Ausarbeitung kristallisierter Feinschichtung 


a a a 


[13] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 579 


durch nds. Die Kristallisation des Muskovits hat die Zerreißung der 
Hornblende überdauert und solche Risse verheilt. 


30. (Figur 3.) Granatphyllit über dem Tribulaundolomit des 
„Pflerscher Kalkkeiles“. i 

Dieses Gestein (Muskovit, Quarz, Chlorit, Granat) ist ein Muster- 
beispiel für intensivste Teilbewegung im Gefüge in Form von Um- 
faltung und nds im gänzlich umgestellten s. Auch hier fand die Teil- 
bewegung nach der Kristallisation statt. 

Die Kristallisation hatte einen ziemlich hohen Grad erreicht. 
Dieser Phyllonit ist aus einem Glimmerschiefer hervorgegangen, dessen 
Glimmer schon gut balkenförmig kristallin war. Das ergibt ein charakte- 
ristisch anderes Bild als bei Umfaltung wenig kristalliner Phyllite. 

Quarz zeigt intensivstes sr mit unscharf konturierten verzahnten 
Körnern. 

Glimmer zeigt Umfaltung mit Zerstörung der Scharniere durch 
nds im umgestellten s. In da und dort noch erhaltenen Scharnieren 
ist auch noch die Balkenstruktur des Glimmers erhalten geblieben im 
Gegensatz zu dem unscharfen verschmierten Bild der Glimmergeflechte. 
ss durch Erz angedeutet. 


3l. Glimmerschiefer mit Querbiotit (und Chlorit) unter dem 
Tribulaundolomit von Vallming bei Gossensaß. | 

Quarz scharf verzahnt oblong in s, ohne Regel. Besonders ein- 
zelne Quarzkörner und Linsen mit grobkörnigem Gefüge und starker 
Ausplättung in s weisen auf vorkristalline ds. 

Muskovit bildet Geflechte in s. Biotitholoblasten mit si (Quarz) 
und oft quer s gestellt, zuweilen von nds deformiert und chloritisiert. 

Die Granatboloblasten mit si (Quarz) zeigen Musterbeispiele für 
Scharung der Granaten bis zur Entstehung größerer. 

Es ist also Feinschichtung durch s im Granat und Biotit an- 
redeutet (sehr feinkörniger Quarz). ds fand statt. Biotit- und Granat- 
holoblasten traten auf. Kristalline Abbildung von s. nds nach (viel- 
leicht noch mit) der Kristallisation. 

Ein zweites Gestein, ebendort, ist gänzlich von nds nach der 
Kristallisation beherrscht. Quarz und Plagioklas liegen scharf verzahnt 
und zerpreßt in sr. Muskovit schlingt sich in trüben, fluidalen Ge- 
flechten um zerpreßte Quarz-Feldspatknollen. Das Gestein kann ein 
Orthogneis gewesen sein. 


32. Granatglimmerschiefer aus dem Alrisstal (Pflersch). Quarz 
liegt oblong in s ohne Achsenregel mit klaren Konturen verzahbnt. 
Muskovit und zum Teil auch Biotit bildet fluidale Geflechte. Außer- 
dem liegt Biotit vor in Gestalt mit Chlorit parallel verwachsener, 
deformierter Holoblasten quer zu se mit verlegtem si (Quarz). Die 
Granatholoblasten blieben gut erhalten trotz lebhafter nds nach der 
Kristallisation. 

53. Giggelberggraben bei Schelleberg. Im oberen Teile dieses Gra- 
bens steht phyllitischer Glimmerschiefer an mit nds anscheinend aber 
vor Abschluß der Kristallisation erfolgt. Quarz ist scharf verzahnt, in s 
oblong, ohne Regel. Muskovit bildet fluidale Geflechte in s. Größere 


580 Bruno Sander. [14] 


Biotite sind dagegen wenig mechanisch beeinflußt. Sie nehmen Lagen 
ein, welche durch beliebige Drehung von (001) um eine in s gelegene 
Achse entstehen. Granat scharf und unversehrt. 


Brenner bis St. Jodok. 


Hiermit kehren wir aus der tektonisch höher liegenden, über 
dem Kalkphyllit folgenden „unteren Schieferhülle“ des Sterzinger 
Beckens jn die über den Gneisen folgende untere Schieferhülle 
zurück, welcher diese Bezeichnung auch hinsichtlich ihrer tatsäch- 
lichen Lagerung zukommt. Nur 35 liegt über dem Kalkphyllit. 


34. a) Zweiglimmergneis unmittelbar unter dem Kalk der Kalk- 
wand am Brenner, 

Quarz und Plagioklas (nahe Albit) zeigen oblonge Körner in sb. 
Die Glimmer zeigen Gebälke und Polygonalbögen in dem hiernach 
vor der Kristallisation gefältelten sb. Hierbei nähert sich das Gebälk 
zuweilen etwas einem Glimmergeflecht als Anzeichen naclıkristalliner 
Teilbewegung. Nirgends aber reicht diese als Differentialbewegung 
der kleinen Faltenbögen quantitativ aus. Es erfolgte also Abbildungs- 
kristallisation eines gefalteten s. Lokal überdauerte die fältelnde 
Gefügebewegung die Kristallisation der Glimmer. 

b) Amphibolit ebendort zeigt sb. 

c) Folgende bereits bei anderer Gelegenheit beschriebenen Ge- 
steine des Profils Kalkwand-—Landshuterhütte lassen keine nach- 
kristalline Teilbewegung erkennen: 

Paragneis und Kalzit zwischen Schlüsseljoch und Flatschspitze ; 
ds vor Schluß der Kristallisation. 

Blastophyllonit (pbyllitisierter Augengneis) vom Gneiskontakt 
Griesbergalm; ds vor Schluß der Kristallisation. 

Aplitgneis und Biotitgneis vom Wildseespitz. 


35. a) Quarzphyllit, Wechselalm am Brenner, zeigt Quarz, Mus- 
kovit und Graphit in guter Feinschichtung. Quarz ist nicht oblong in s. 

Muskowit bildet Geflechte was auf nds hinweist. 

Greiner Schiefer von der Wechselalm zeigt Quarz unscharf ver- 
zahnt oblong in sr mit ausgezeichneter Quarzgefügeregel. Letztere 
also hängt wieder zusammen mit starker nds nach der Kristallisation 
und wie in anderen Fällen mit einer eigenartig wolkigen Ausböschung 
am Quarz mit anomalen, beinahe an Turmalin erinnernden Interferenz- 
farben. Dieselbe Teilbewegung hat aus den Glimmern Geflechte mit 
fluidalem Verlauf gemacht. Unversehrter, authigener Turmalin ist als 
letzte Bildung wichtig. Erz. 

Es war Feinschichtung vorhanden mit Erzlagen und großen 
Einzelquarzen (Geröllchen ?). Sodann erfolgte die Glimmerbildung, dann 
nds, dann die Turmalinbildung. 

b) Drei quarzitähnliche, feldspatreiche Gesteine von der Stein- 
alm zeigen stärkste nds nach der Kristallisation. Nur in einem Falle 
ist der Kalzit jünger als diese mylonitisierende Durchbewegung. 

36. Wir betrachten nun die Verhältnisse am Sillesschartl, wo 
eine bedeutende Wiederkehr der hochkristallinen Greiner Schiefer 
über der untersten Marmorlage vorhanden ist. 


[15] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge, 581 


a) Der über diesen Schiefern liegende Quarzphyllit zeigt als 
Zeichen starker nds fluidales Muskovitgeflecht mit Scharnieren. 
Welchen Grad die Kristallisation vorher erreicht hatte, läßt sich nicht 
bestimmen. Die durch nds ausgearbeitete Feinschichtung ist nament- 
lich durch graphitische Substanz bezeichnet. 


b) Schwarzer, gefältelter Albitphyllit wie in der Hochfeilerhülle. 

Das Grundgewebe ist ein Geflecht von Glimmern (Muskovit; 
etwas Chlorit) mit spärlichen Zwischenlagen oblonger Quarzkörner 
und opazitischer Lagen, welche Feinschichtung bezeichnen. 

Nachdem die Kristallisation dieses ss einen gewissen Grad er- 
reicht hatte und auch nd, Fältelung, schon da und dort begonnen 
hatte, traten große, amöboid umgrenzte Holoblasten feinstlamellierten 
Albits auf und umschlossen sö (Quarz, Graphit, Muskovit), wie es 
scheint unter teilweiser Aufzehrung der Glimmer und Quarze. Weitere 
Faltung ging nur da und dort als nd mit Biegung der Glimmer vor 
sich und mit Stauerscheinungen an den Albiten. Wir haben also: 
ss, sab; nd vor und nach der Albitisation. Die starke, voralbitische 
Fältelung ist nach der Muskovitbilduug erfolgt. Die nachalbitische 
Fältelung ist im Ausmaß unbedeutend. Das Gestein ist ein Beispiel 
für parakristallin durchbewegtes Gefüge. 


c) Auch ein Glimmerschiefer aus dem Sillesschartl zeigt nach- 
muskovitisches nds durch Glimmergeflechte angedeutet. 


d) Ein anderer Greiner Schiefer, ebendort, Amphibolit mit 
Karbonat zeigt mechanisch unversehrtes, regelloses Amphibolgebälk. 
Es fehlt also jede nd nach der Bildung der reliktfreien Amphibole. 
Auch das Karbonat ist ungestört. Zirkon, Erz, Chlorit und Quarz 
bilden ein feines s-Gefüge, aus welchem sich hinsichtlich eventueller 
vorkristalliner Teilbewegung nichts entnehmen läßt. Sicher keine Be- 
wegung nach der Kristallisation. 


e) An einem Kalkglimmerschiefer läßt sich lokal starke Kataklase 
des Quarzes mit unscharfer und scharfer Verzahnung als Zeichen von 
nds feststellen; auch Muskovitgeflechte scheinen mir so aufzufassen. 
Aber auch hier fand nach nds noch Kristallisation statt wie die 
unversehrten Karbonate und der mit diesen im charakteristischen 
blastischen (rundlappigen) Kontakt stehende Quarz beweist. Also ein 
Typ mit vorkristalliner nds. 

f) Quarzit. Zeigt schwach oblonge Körner ohne Zeichen von ds, 
Feinschichtung durch Lagen größerer Körner, welche als s auch 
durch Granaten ziehen. Diese sind oblong in s, ohne daß ein Grund 
besteht, etwa ihre Ausflachung anzunehmen oder daß sie unter Druck 
so wuchsen. Hier wie bei Gestein Nr. 26 scheint mir am besten an- 
zunehmen, daß die Granaten deshalb vorzugsweise in s fortwuchsen, 
weil der Gesteinsquerschnitt quer zu s mehr Intergranularen enthält 
als der Schnitt in s. Intergranularen im Gesteinsgefüge sind die 
Körnergrenzen. Wer Zirkulation von Lösung im Gestein annimmt, 
der kann sich nicht die Kristalle, sondern schließlich nur die je- 
weiligen Intergranularen als Wege denken, wonach mir die Bedeutung 
der Richtungen mit reichlicheren Intergranularen zu beachten scheint. 
Die Wegsamkeit der Intergranularen bei kristalliner Mobilisation des 


582 Bruno Sander. [16] 
Gesteins läßt sich auch für andere Fälle als für den hier als Beispiel 
heraugezogenen zeigen, was bei anderer Gelegenheit versucht werden soll. 


g) Biotitglimmerschiefer (Greiner Schiefer). 

Quarz ist sehr stark oblong in sb (bis 1:10) ohne Achsenregel, 
scharf verzahnt bis glatt in den Umrissen. Muskovithäute in s bilden zu- 
weilen Geflechte unscharfer Blättchen, manchmal fluidal angeordnet 
und weisen so auf ds. 

Biotit liegt zum kleinen Teile in kleineren Fetzen in s, meist 
in eroßen Exemplaren oblong in s mit Winkel 001:s = 45°; zuweilen 
undulös und mit Zeichen der Pressung Ls. Erz bezeichnet Fein- 
schichtung. 

Diese ursprünglich vorhandene Feinschichtung erfuhr Abbildungs- 
kristallisation und sodann ds, welche als „ds auch die Biotite ver- 
letzte. Jedoch entstand ein sich vielfach idealer Kristallisations- 
schieferung näherndes Bild. Denn die Kristallisation dauerte nach ds 
noch fort, wie besonders die unversehrten Karbonatholoblasten zeigen. 
Dagegen erzielte diese Kristallisation keine Verwandlung der para- 
kristallin deformierten Glimmergeflechte in Gebälke. Es ist für die 
Gesteine vom Sillesschartl charakteristisch, daß die Karbonat (Kalzit 
— Ankerit) Kristalloblasten auch dann noch unversehrt sind, wenn 
die Glimmer deutliche Spuren von nds zeiven. Die Mobilisation des 
Karbonats überdauerte die der Glimmer (Biotit, Chlorit, Muskovit). 

h) Zu erwähnen ist noch ein Glimmerschiefer, in welchem nds 
nach der Kristallisation in den fluidalen Glimmergeflechten gänzlich 
vorherrseht. Der Quarz zeigt starke Kataklase. 

Die Teilbewegung in den tektonischen Fazies vom Sillesschartl 
ist also selten vor, hauptsächlich mit bis nach der Kristallisation 
erfolgt, und zwar öfter nach der Glimmerbildung und vor der Bildung 
der Albit- und Karbonatholoblasten. 


37. (Fig. 8.) Biotitglimmerschiefer unter dem Marmor der Sax- 
alpenwand. 

Allgemein zeigt sich an den großen Biotitholoblasten (mit si) 
eine nur durch gewaltsame nds überwundene Tendenz des Biotits, 
quer zu s zu wachsen, im großen Gegensatz zu Muskovit. Die Kristai- 
lisation des Biotits überdauerte hier ds, denn es wachsen ganze 
Rasen unversehrter Biotite quer zu s. Allgemein tritt ferner hervor, 
daß die Quarzkristalloblasten in nächster Nähe von Biotit viel größer 
werden. 

38. a) Granatphyllit (Greiner Schiefer), Huttnerbergalm, Brenner. 

Die Granaten enthalten si (Quarz, Erz) als Zeichen von Fein- 
sehichtung. Fluidale Faltung von Glimmergeflecht erweist starke nd 
nach der Kristallisation. 

b) In Kalkglimmerschiefer, ebendort, hat die nachkristalline 
Teilbewegung auch noch den Kalzit ergriffen. 

c) Ganz dasselbe gilt von den kalkhaltigen Grauwacken. 

d) Ebenso hat in Glimmerschiefer mit Querbiotit starke, nach- 
kristalline nds die Muskovite zu fluidalen Geflechten gemacht, die 
Querbiotite zerknetet und das Quarzgefüge geregelt. 


[117] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 583 


Umfaltung mit zerrissenen Scharnieren. Es ist das beste Bei- 
spiel für nachkristalline Phyllitisierung eines hochkristallinen Greiner 
Schiefers. Hierbei ist die mechanische Widerstandskraft der Granaten 
besonders hervorzuheben. 

Für die Gesteine im Bereiche der Huttnerbergalm ist also im 
Gegensatz zum Sillesschartl nds nach der Kristallisation (inklusive 
Kalzit) das Bezeichnende. 


39. Bei der Ploderalpe, Tscheich, zeigt der amphibolitische Grenz- 
gneis keine Spuren nachkristalliner Teilbewegung. Glimmerschiefer 
(Greiner Schiefer) einige Dezimeter mächtig zwischen diesem Grenz- 
gneis und dem folgenden Marmor zeigt sb mit oblongen Quarzen und 
lokal in Geflechte verwandelten Glimmern. Also Spuren von nds nach 
Glimmer. Aber die Falten mit polygonalem Glimmergebälke erweisen 
die Teilbewegung als eine von der Kristallisation zeitlich überholte. 

Der nun folgende Marmor zeigt unversehrtes sab aus lappigem 
Quarz und aus Kalzit. 


40. Schiefereinlage im Zentralgneis bei der Gera-Hütte. 


Quarz oblong (bis 1:10) in s. In dieser Form bereits im un- 
verlegten si der Granaten. Dieses sö enthält Quarz und Erz, der in 
se reichliche Muskovit fehlt. Ein Paraschiefer mit sab ohne Spuren 
nachkristalliner Teilbewegung. 


Von St. Jodok nach Osten. 


41. a); Ottenspitze, Schmirntal, Albitglimmerschiefer. Quarz ist 
in s oblong ohne Achsenregel, ebenso in si des Albits, aber mit viel 
kleineren Körnern. Muskovit liegt in se als gefälteltes Geflecht, in si 
(im Albit) sehr selten als kleine. unversehrte Schüppchen. Albitholo- 
blasten ohne si freie Schale. Karbonat in s unversehrt. 

Es fand also Abbildungskristallisation statt von Feinschichtung 
unter Ausbildung von oblongem Quarz, Muskovit und Tonschiefer- 
nädelchen. Sodann Fältelung. Dann Albitisation mit Umschließung des 
bisherigen s als si. se wuchs weiter begleitet von nd: es fanden noch 
Biegungen im Glimmergeflecht zuweilen Verlegung von si statt. Zu- 
letzt ging die Kristallisation des Karbonats vor sich. Parakristalline 
nd fällt also zeitlich zwischen die Kristallisation des Glimmers und 
des Karbonats. 

b) Dagegen zeigt ein Gestein gleicher Zusammensetzung mit 
Ankeritholoblasten vom Gammerspitz stärkste nds nach der Kristal- 
lisation. 

Man sieht stärkste Kataklase an Quarz und Albit (ohne die 
geringste chemische Metamorphose) und ein ausgezeichnetes Beispiel 
für Verwandlung eines da und dort noch erhaltenen hochkristallinen 
Glimmergebälks in fluidale Geflechte. Die Ankeritholoblasten haben 
in diesem Falle das durch die Teilbewegung gebildete sr als si um- 
schlossen, sind aber auch selbst von nd noch etwas mitergriffen. 

c) In einem benachbarten noch ankeritreicheren derartigen 
Glimmerschiefer tritt nds nach der Karbonatbildung noch viel deut- 


licher hervor. 
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (B. Sander.) 75 


584 Bruno Sander. 1 8]: 


d) Auch ein Greinerschiefer vom Gammerspitz zeigt sehr gut 
nds nach der Kristallisation von Glimmer und Quarz, und zwar starke 
Umfaltung mit d im umgestellten s. 

e) Gneis vom Hohen Nopf mit stärkster nds am Quarz und 
Muskovit. Reste von schon ziemlich hochkristallinem sb (Muskovit?) 
lassen das Ausgangsgestein dieses Tektonits besser als Gneis bezeichnen 
denn als Porphyroid, trotz vorhandener Porphyrquarze mit Buchten. 

f) Nicht so ausgesprochen nachkristallin ist die Teilbewegung 
im Kalkglimmerschiefer über dem höheren Marmor des Kahlen Wand- 
kopf (Quarz, Muskovit, Kalzit). Quarz ist scharf verzahnt, Glimmer 
hält zwischen Gebälk und Geflecht die Mitte. Karbonat ist unverletzt. 
Starke ds zum Teil nds ist bezeichnend. 

Es ist also nds nach der Kristallisation für die Gesteine des 
Kammes Kahler Wandkopf—St. Jodok das Bezeichnende. Nur die 
Karbonatkristallisation hat die Teilbewegung bisweilen noch überdauert. 


42. (Fig. 1.) Selbst in den Lagen im Zentralgneis des Kahlen 
Wandkopfes, in phyllitisierten Biotitschiefern und Gmeisen herrscht 
hier die nachkristalline Teilbewegung vor. 

Man sieht Quarz oblong, scharf und unscharf verzahnt in sr, 
lokal mit geregelten Achsen, Biotit und Muskovit bilden Fetzen in 
fluidalen Geflechten. Die Feldspate sind zertrümmert. Es ist hier wie 
in zahlreichen anderen Fällen von nds nach der Kristallisation her- 
vorzuheben, daß diese Biotitphyllonite keine Diaphtorite sind, da ihnen 
deren mineralogische Kennzeichen fehlen. Man begegnet namentlich 
bei petrographisch nicht vorgebildeten Geologen einer mißverständ- 
lichen Gleichsetzung von Diaphtorit und tektonischer Fazies eines 
kristallinen Schiefers, weshalb solche Beispiele bemerkenswert sind. 


Von Kaseın im Schmirntal nach Osten. 


43. a) (Fig. 13.) Granatschiefer mit Biotit, Südgrat des Kleinen 
Kaserer. 

Dieses Gestein besteht fast gänzlich aus Granat. Biotit bildet 
unversehrtes, hochkristallines Gebälk in sb, an Granat haarscharf ab- 
setzend, wenn er ihn quer trifft. Wachsende Granaten können das 
sanze Biotit-Quarz-Gefüge zwischen sich schließen als si. Quarz zeigt 
auch bei sicheren Holoblasten, welche ungestört als Füllung von 
Sprüngen wuchsen, scharfe Verzahnung, deren Auftreten demnach 
nicht mechanische Einflüsse votaussetzt. Kein Zeichen von ds ist vor- 
handen. Feinschichtung in se und in sö durch Erz, Quarz und wenig 
Biotit bezeichnet, durchzieht ungestört die Granaten. 

Die Feinschichtung wurde durch Biotitgebälk hochkristallin. 
Granatlagen in sb traten auf und schlossen noch Reste von sb mit 
Biotit zwischen sich ein. Sie umwucherten sb (ohne Biotit) als sö voll- 
kommen. Der Biotit von se schneidet in solchen Fällen am Granat 
haarscharf ab (entweder aufgezehrt oder jünger als Granat?). 

Sowohl Erz als Quarz und namentlich Biotit sind noch kristallin 
mobil geblieben als die Granaten fertig waren und von scharfen 
Sprüngen durchsetzt wurden. Denn diese Sprungnetze sind durch 
Quarz, Erz und Biotit verheilt. 


[19] Beiträge aus den Zentralalpeu zur Deutung der Gesteinsgefüge. 585 


b) Ebensowenig wie in diesem Gestein ist in benachbartem Kalk- 
glimmerschiefer anderes als kristallisierte Feinschichtung durch Kalzit 
und Erzlagen bezeichnet nachzuweisen. 

Gleiches gilt von Biotitquarzit aus dem Hintergrund des Wild- 
lahnertales (Bachbett). 


44. Dagegen zeigen die Gesteine im Liegenden also noch näher 
am Gneis und die Gneise zwischen Kaserer und Ölperer starke ds 
vor und während der Kristallisation. 

So zwei Typen vom Südgrat des Kleinen Kaserer. Das eine 
Gestein zeigt nds in Form von Zertrümmerung und jenem körnigen 
Zerfall der Feldspate, welchen Ohnesorge aus dem Hocheder be- 
schrieb (Verhandlungen der k. k. geol. R.-A.), nds ist in diesem 
Falle älter als die Glimmerkristallisation, im zweiten Fall älter als 
Glimmer und Karbonat. Dasselbe Verhältnis zwischen parakristalliner 
Teilbewegung und Bildung unversehrter Glimmer zeigen zwei Gneise 
aus dem Verbindungsgrat zwischen Kaserer und Ölperer und ich 
führe bei dieser Gelegenheit an, daß mir Herr Dr. Ohnesorge 
die vollkommene Übereinstimmung meiner Proben von Olperergneis 
mit jenen Hochedergneisen hervorhob, an welchen er den körnigen 
Zerfall der Feldspate beschrieb, welche nach Einsicht der Präparate 
im Sinne dieser Ausführungen als eine besondere Form von nds 
zu bezeichnen wäre. 


45. Stellenweise, so im Porphyrgneis der Tuxer Klamm und des 
Krierkars, findet man auch in den liegendsten Gneisen nachkristalline 
Teilbewegung ganz vorherrschend neben Gesteinen mit vorkristalliner 
nds (Biotitgneis unter dem Kalk der Tuxer Klamm; Friesenberg- 
scharte, nördl. Friesenbergscharte; Rifflerscharte). Diese Gesteine 
werden hier nur kurz erwähnt, da sie mit anderen schon im Jahrbuch 
der geol. Reichsanstalt beschrieben sind. Wie dort ausgeführt, handelt 
es sich bei den damals beschriebenen Glimmerschiefern und Gneisen 
des Bereiches St. Jodok—Ost um tektonische Fazies, an welchen ds 
durch fluidale Linien und linsenförmiges Verflachen der Elemente in 
s sehr deutlich wird. Bezüglich der weiter vom Zentralgneis enfernteu 
Gesteine gilt, daß nachkristalline nds schon ziemlich große Glimmer- 
kristalloblasten vorfindet und in Geflechte verwandelt (z. B. Gneise 
von Frauenwand und Tuxerjoch). Dagegen zeigen die gneisnäheren 
Typen und der Gneis selbst im allgemeinen mehr und mehr vor- 
kristalline und parakristalline Gefügebewegung. Ob in solchen |. e. 
Blastomylonite genannten Typen, in welchen Kristallisation und nd 
gleichzeitig auftrat, die Kristallisation eine Teilbewegung oder ledig- 
lich. kristalline Abbildung nach ds ist, das wage ich derzeit noch in 
zahlreichen Fällen nicht zu entscheiden. Wahrscheinlich ist, daß beides 
vorkommt, aber es scheint mir daß Abbildung (Rekristallisation) nach 
der Deformation ganz sicherzustellen ist und häufiger vorkommt. 


46. Unter dem Marmor des Schmittenberges, an dessen 0TO- 
graphisch linker Seite liegt Muskowitgneis mit Umfaltung. Diese 
zeigt einen Zwischentypus zwischen Polygonalbögen und Glimmer- 
biegung, welch letztere häufig vorkommt, aber als nd der Faltung 
nicht ausreicht. Im wesentlichen hat diese Umfaltung die Glimmer 

75* 


586 Bruno Sander. [20] 


schon in gut kristallinem Zustand getroffen und auch größere Glimmer- 
scheite gebogen. Die Umfaltung ist am besten als parakristallin auf- 
zufassen, 

Schon im gleichen Gesteine überwiegt aber an anderen Stellen 
nachkristalline nds (fluidale Glimmergeflechte und sr) und nur die 
Kristallisation des Kalzits hat noch nachher stattgefunden. 


47. Begeben wir uns nun aus diesen Gneisen unter dem Marmor 
in die über den Marmor gefalteten Gneise des Höhlner, so finden wir 
in zahlreichen Schliffen nur noch Muster für gänzlich nachkristalline 
nds. Es sind Mylonite mit starker Kataklase, ausgezeichneter Quarz- 
gefügeregel, fluidalen Geflechten der Glimmer (auch des Biotit) und 
Haarspalten (Zugrissen) quer zu s. Nur in einem Falle wurde noch 
unversehrter Quarzit gefunden. 

So finden wir in einem letzten Beispiel auch durch die diesmal 
beschriebenen Gesteine die Regel bestätigt, daß die nachkristalline 
Teilbewegung mit der Entfernung vom Gneis herrschend wird; eine 
' Regel, deren Ausnahmen mit angeführt wurden. Sie harmoniert damit, 
daß wir nachkristalline Teilbewegung auch in der über dem Kalk- 
pbyllit folgenden ehemals schon hochkristallinen „unteren Schiefer- 
hülle* westlich von den Tauern fort immer antrafen. Im Zusammen- 
hange mit der Tektonik kann man wohl sagen, daß in den ehemals 
nach Grad und Art der Kristallisation und stratigraphisch der unteren 
Tauernhülle angehörigen Gesteinen nachkristalline Differentialbewe- 
gung um so wichtiger wird, je höher sie tektonisch über den Gneisen 
liegen. 


Schneeberger Zug. 


Die stratigraphische Zugehörigkeit dieses altbekannten Schiefer- 
zuges zwischen Sterzing und Similaun zur unteren Schieferhülle wurde 
durch Unterscheidung der ihn zusammensetzenden Glieder fester be- 
gründet. Hier werden nur die für unsere Frage dienlichen Gesteine 
des Schneeberger Zuges erwähnt, welche aber den stratigraphischen 
Charakter als untere Tauernhülle nebenbei miterweisen mögen um so 
mehr, als auch der vorkristalline Charakter des Gesteins beachtet wird. 

Nicht mit Sicherheit zur unteren Schieferhülle ist jedoch zu 
rechnen Nr. 50 aus Ratschiuges, ein Gneis, welcher vollkommen 
gsrauem Otztaler Gneis aus Pfossen gleicht. 


48. Zweiglimmerschiefer im Graben zum Wetzelwald Inner- 
ridnaun. 

Quarz oblong in sb; keinerlei sr. 

In Granatholoblasten unverlegtes si. Zeichen für nd fehlen. 


49. «) Amphibolit unter dem Marmor von Innerridnaun (oro- 
graphisch linke Talseite). 

Feinschichtung ist sehr gut durch Erz bezeichnet und durchziebt 
unverlegt als si, zusammen mit Quarz, die vollkommen regellos angeord- 
neten Hornblendeholoblasten. Letztere sind ohne jede Beziehung zu 
s und ohne s irgendwie zu stören kreuz -und quer gewachsen. Es 
gibt kein Zeichen für Teilbewegung; sicher keine Bewegung nach 
der Hornblende. 


[21] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 587 


b) Gleiches gilt von Albitamphibolit, Graben über Bacherbauer, 
Innerridnaun. Ebenso von Biotitgranat-Amphibolit vom Schneeberg, 
in welch letzterem jedoch die Hornblende einigermaßen in s liegt 
mit Siebstruktur durch reichliche Aufnahme von si. 


50. Gneis unter dem Marmor von Häusern in Inner-Ratschinges. 
Dieser Zweiglimmergneis (Biotit und Muskovit) mit chloritisierten 
Granaten und dunklem Epidot zeigt reines sb. Quarz ist oblong in 
sb, aber hier wie in anderen Fällen nur dort, wo Glimmer da ist. 
In solchen Fällen scheint mir das Prinzip von der besseren Weg- 
samkeit vons dem Rieckeschen hinsichtlich der oblongen Quarze 
vorzuziehen. 


51. a) (Fig. 10). Graphitschiefer mit Rhätizit und Granat, Hangend 
des Marmors in der Zirmaidscharte Inner-Ratschinges. 

Rhätizit und Granat haben die Feinschichtung (Graphit, Quarz) 
umschlossen als sie schon gefältelt war. Jedoch dauerte die para- 
kristalline Teilbewegung noch fort nach der Holoblastenbildung, wie 
die verlegte Reliktstruktur erweist. 


b) Ein Glimmerschiefer, ebendort, zeigt s in Granat (Quarz 
und Biotit) und in Biotit (Quarz), abgebildete Feinschichtung und 
hinsichtlich der in sb oblongen Quarze ganz dasselbe wie 50. Teil- 
bewegung ungewiß; sicher keine nachkristalline. 


52. Hochparigg, Ridnaun. Ankeritschiefer mit Chloritgebälk. 
Teilbewegung wie in 5lb. 


53. Dasselbe gilt hinsichtlich der Teilbewegung von folgenden 
Gesteinen: 


a) Kalkglimmerschiefer von der Schneeberger Weißen (ss durch 
Biotit und Erz). 

b) Greiner Schiefer aus dem Pockleitenstollen Schneeberg. 

c) Biotit-Hornblendeschiefer. Rauhes Joch, Pfelderstal. 

d) Greiner Schiefer (Muskovit, Biotit, Quarz, Kalzit) Pfelders. 

e) Glimmerschiefer, Gürtelscharte, Schneeberg; Gneis, Gürtel- 
scharte Schneeberg. 

f) Glimmerschiefer mit Granat nach Hornblende. Pfossental. 

g) Albitamphibolit, Pfossental, In der Grub. si unverlegt in 
Albit enthält bereits sehr kleine wohlausgebildete Hornblenden, ferner 
Zoisit, Quarz, Erz und Granat. Beispiel für ziemlich spät einsetzende 
Albitholoblastenbildung. 

h) Garbenschiefer, Faulwand, Pfossental. 

Die älteren großen Garbenhornblenden sind verwandelt in Aggre- 
gate von kleiner Hornblende und Biotit zu gleichen Teilen. Granatlagen 
zeigen vorzüglich Feinschichtung an. Querbiotite, Muskovitgebälk. 

i) Zweiglimmerschiefer mit Granaten. Die Granaten zeigen Sieb- 
struktur (Quarz, Feldspat, Muskovit). Sie zeigen jederlei Stadium von 
Chloritisierung ohne Zusammenhang mit Teilbewegung. Biotit und 
Muskovit liegen in sb mit verschieden stark ausgesprochenem Balken- 
charakter. Manches macht in diesem Falle vorkristalline ds wahr- 
scheinlich. Auch in den anderen Fällen läßt sich diese nicht aus- 
schließen, wenn man Fälle wie den folgenden mit in Betracht zieht. 


588 Bruno Sander. [22] 


54. Knollengneis vom Schneeberg, Passeier. Quarz oblong in sb, 
nur bei Körnertrennung durch Glimmer (wie in 50, 51). In diesem 
Falle eines idealen sb ist gleichwohl ein sicherer Schluß auf ds mög- 
lich durch weitgehend ausgeflachte Quarz-„Geröllchen“. Auch ist in 
einem Falle vorkristalline bis parakristalline Fältelung, vorhanden, 
welche manche Glimmer der Polygonalbögen noch gebogen hat. 


55. Glimmerschiefer von der Gürtelscharte Schneeberg zeigt 
vorkristalline Fältelung (Polygonalbögen des Glimmers). 


56. Im Granatglimmerschiefer mit Biotit und Kalzit vom Gipfel 
der Faulwand im Pfossental zeigt nur das stark verlegte si (Quarz) 
in Granat die Teilbewegung an, welche sonst aus dem feingeschichteten 
Gefüge kaum zu entnehmen wäre. Die Teilbewegung fand nach 
Granat und vor Kalzit statt. 

Seltener sind im Schneeberger Zug die Gesteine mit nach- 
kristalliner Teilbewegung. Hierher gehören außer dem bereits unter 
27 erwähnten Gestein von Gasteig im Ridnaun folgende. 


57. Granatglimmerschiefer Pfossental hinter Vorderkaser. 


Die Granaten zeigen einerseits Kerne und Zonen aus Quarz, 
Erz, Graphit, einmal aber auch gefälteltes s. Die Feinschichtung 
ist kristallin abgebildet, sodann erfolgte starke nachkristalline nds, 
welche alle Bestandteile ergriff. 

Dasselbe gilt von Zweiglimmerschiefer mit Granat und Albit. 


58. Faulwand, Pfossental. 


a) Granatphyllit zeigt neben Glimmergebälk, welches nach- 
kristalline nds ausschließt, bereits da und dort Geflechte. si zieht 
aber noch unverlegt durch die kleinen Albite. Die Granaten sind teil- 
weise chloritisiert. 

b) Phyllitgneis. Ein ganz ähnliches Gestein mit gänzlich (ohne 
Deformation!) chloritisierten Granaten und starker, nachkristalliner 
nds im fluidalen Muskovitgeflecht. 

Opazit durchzieht als sö unverlegt große Chlorite, welche wohl 
ehemaligen Querbiotiten entsprechen und deren Wachstumsart durch 
Interposition illustrieren: sö rückt in der Richtung s unstetig aus- 
einander. 

Es scheint, daß im Schneeberger Zug die Gesteine mit nach- 
kristalliner Teilbewegung randlich gegen das Altkristallin liegen (27, 
57, 58). Wie schon an Beispielen erläutert, können die Gesteine 
dieses Zuges sehr wohl mehr ds enthalten als heute, nach der Kristal- 
lisation aus dem Gefüge nachweislich ist. Die stetige Tektonik, welche 
zuweilen (so in der Texelgruppe bei Meran) vollständig geschlossene 
Falten erkennen läßt, weist ebendahin. Aber selbst wenn man ge- 
neigt wäre, die Kristallisation im großen Ganzen als Teilbewegung 
korrelat zu dieser Tektonik aufzufassen, bleibt folgendes zu bedenken. 

Das Wachstum sehr vieler Holoblasten der beschriebenen Ge- 
steine ist keine Teilbewegung in s und vermittelt keine Deformation 
und Anpassung an Spannungstrajektorien etwa nach Rieckes Prin- 
zip. Dies ist zum Beispiel bei Chlorit nach Granat oder nach Horn- 
blende deutlich. Dasselbe fanden wir bei Neubildung der großen 


[23] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 589 


Querbiotite (vgl. auch Weinschenks Mineralogie unter „Biotit“) der 
ungeregelten Hornblendegebälke, der (isometrischen) Albite, der iso- 
metrischen Quarze, der Pseudomorphosen von Biotit mit Hornblende 
nach Hornblende und von Granat nach Hornblende. Wir fanden also 
bei einer großen Zahl sicherer Holoblasten in unseren geschieferten 
Gesteinen mit kristallisierter Feinschichtung, daß ihr Wachstum nicht 
nur keine von ss abweichende Struktur begründet, sondern auch 
keine Anpassung an Deformationen einzelner Kristalle bedeutet; was 
von Anpassung an Deformationen des Gesteins begriffliich zu trennen 
ist wegen der Irrelevanz einer gewissen Fassung des Rieckeschen 
Prinzips für letztere. 

Dies gilt auch von Gesteinen, in denen wir vorkristallines ds oder 
Fältelung finden. Es entspricht der „Abbildungskristallisation“ in solchen 
Gesteinen, daß deren große s verquerende Holoblasten, auch wenn 
sie während der Blastese des übrigen Gefüges entstanden (durch si 
oft ersichtlich), ungeregelt bleiben und so auch in tektonischen Fazies 
Teilbewegung und Kristallisation trennen lassen. 

Man könnte es in manchen Fällen vorkristalliner nd bedenken, 
ob nicht die Teilbewegung sozusagen durch Umrühren die kristalline 
Mobilisation für die folgende Abbildungskristallisation fördere. Aber 
trotz besonderer Aufmerksamkeit auf solche Fälle finde ich gerade 
große Holoblasten oft in Gesteinen, deren vorherige Durchbewegung 
wenigstens nicht nachweislich, manchmal aber sogar höchst unwahr- 
scheinlich ist. 

Man hat geologisch (Ptygmatitgebiete) und technologisch Anlaß 
zu der Annahme, daß die kristalline Mobilisation die Deformierbarkeit 
der Gesteine steigert. Es wäre aber denkbar, daß hierin nicht die 
Deformierbarkeit des Einzelkorns durch gerichtete Spannung die 
wichtige Rolle spielt, sondern die gesteigerte Wegsamkeit der Inter- 
sranularen, welche die Orte geringster chemischer und mechanischer 
Festigkeit werden. Und zweitens wäre es möglich, daß, ohne ge- 
staltenden Einfluß von Spannungstrajektorien auf einzelne Kristalle, 
zum Ausgleich von Differenzen im allseitigen Druck des Gesteins 
während der Deformation, korrelat zur Deformation Materialtransporte 
nach Stellen mit geringerem Druck stattfänden. Dies wäre ein 
von der Korndeformation zu unterscheidender Fall der Kristallisation 
als Teilbewegung von Deformationen. Man würde sich mit dieser 
Kristallisationsbewegung den Verhältnissen in erstarrenden Magmen 
nähern und auf die Möglichkeit von Differenzierung durch Bewegungen 
achten können. Man könnte das Aufreten der ptygmatischen Falten 
verstehen in den Gesteinen, deren Mobilisation sich der Wiederein- 
schmelzung näherte und in den leicht löslichen Salzen. Denn diese 
Kristallisationsbewegung würde durch die oben vorausgesetzte Wirk- 
samkeit der Gefügemobilisation sehr erleichtert und mit ihr die Defor- 
mierbarkeit. 


Rensenzone bei Mauls. 
Wir betrachten nun die Fortsetzung der Gesteine von Gasteig 
gegen Osten. Dabei bewegt man sich wieder an der Südgrenze des 
Tauernkristallin gegen das Altkristallin, welche wir schon mehrfach 


590 Bruno Sander. [24] 


durch starke, nachkristalline Gefügebewegung gekennzeichnet fanden. 
Tatsächlich finden wir auch für die Tauerngesteine der Rensenzone 
starke nds bezeichnend und in der Mehrzahl der Fälle von der 
Kristallisation nicht überholt. Die nachkristalline, mehrfach diaphto- 
ritische „ds im Altkristallin dieser Zone wurde schon andernorts ver- 
merkt. Sie wird hier zusammen mit vorkristallin durchbewegten Ge- 
steinen des Altkristallin pag. 551 ff. erwähnt. 


59, Ankeritgrünschiefer, Rensen, zeigt unversehrten Ankerit in 
sroßen Kristallen, Chlorit sowohl gebogen als in Polygonalbögen. Der 
Hauptsache nach ist nd vor Ende der Kristallisation von Karbonat 
und Chlorit erfolgt. 


60. a) Kalkglimmerschiefer, Furkel bei Pfunders, zeigt sb ohne sr. 
Man kann jedoch nach allen Erfahrungen aus der Quarzgefügeregel 
auf ds schließen vor der Kristallisation. 

Die Quarzkörner sind isometrisch, wenn sie nicht der Glimmer 
trennt. 

b) Dasselbe gilt von Glimmerschiefer mit etwas Karbonat ebendort. 


61. „Knopfschiefer* von der Plattenspitze, sind durch stärkste 
nds phyllitisierte Gneise und Granatglimmerschiefer, deren Feldspate 
und Granaten aus den phyllitischen Schieferungsflächen ragen. Die 
Rekristallisation dieser Gesteine reichte hin, sie festzubinden. Muster- 
beispiele für Quarzgefügeregel. 


62. a) Kalkphyllit von der Plattenspitze zeigt stärkste nach- 
kristalline nds, welche das Karbonat (ohne Rekristallisation) betraf, 
das Quarzgefüge regelte und Lagenquarze erzeugte, welche die Ecken 
von Albiten umfließen. 

b) In anderen Fällen ist das Karbonat unversehrt, also jünger 
als nds, deren Zeichen sonst dieselben sind. 

c) Ein Kalkphyllit mit Ankerit und farblosem Augit zeigt den 
zertrümmerten Augit in Glimmergeflechten schwimmend. 


63.a) Gneis bis Quarzphyllit von der Rensenspitze zeigt Chlorit- 
Muskovitgeflecht. Quarzgefügeregel und sr. 

b) ebenso Albitgneis von der Grenze zwischen Rensengneis und 
Kalkphyllit. 


II. Phyllite. 


Bei der Einförmigkeit dieser Gesteine läßt sich nicht an einzelne 
Schliffe anknüpfen, sondern nur allgemein Gültiges kurz anmerken. 

Die Phyllite des Pfunderer Gebirges sind mittelkörnige Quarz- 
glimmerphyllonite, oft mit Biotit. Diaphthorese wurde nicht gefunden. 

Die schon kurz gestreiften Quarzphyllite, welche am Brenner 
(Sillesköpfl) über den Greinerschiefern liegen, sind kataklastische 
Phyllonite mit ruptureller Teilbewegung. 

Die Phyllite bis zur Schöberspitze im Osten (Schmixntal) gleichen 
den Pfunderer Phyiloniten; nur fehlt ihnen der Biotit und sie sind 


[25] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 591 


im allgemeinen etwas weniger klar kristallin, sozusagen weniger säuber- 
lich kristallisiert. Die Quarzphyllite der Tuxeralpen sind ihrer größeren 
Menge nach (z. B. Hennensteige, Grindl; ebenso die Vergleichsstücke 
von Treglwang in Steiermark) stark in s bewegte, aber nie hoch- 
kristallin gewesene Gesteine. 

Angefügt sei hier, daß nach einer Reihe von Schliffen der von 
mir gesammelten Murauer Kalkphyllite in diesen Gesteinen durchwegs 
starke, nachkristalline nds mit Deformation von Quarz, Glimmer und 
Kalzit vorhanden ist. Letztere zwei Minerale waren vorher als gute 
Kristalle ausgebildet. Die Murauer Kalkphyllite sind sämtlich sehr 
typische postkristalline und mit Zerstörung früheren kristalloblastischen 
Gefüges (kristallisierte Feinschichtung) nichtmolekular in s durchbe- 
wegte tektonische Fazies. Ebenso ein Stück Kalkphyllit von Obertauern, 
wovon allerdings nur 1 Schliff vorlag. 


III. Bemerkungen über ‚„altkristalline“* Schiefer. 


Die altkristallinen Schiefer südlich der Tauerngesteine zeigen 
in allen untersuchten Proben mit Ausnahme einiger Intrusiva tek- 
tonische Fazies. Man findet gute Beispiele für tektonische Fazies 
auch ohne Kataklase, z. B. Zoisitamphibolit vom Passenjoch im Pfunders- 
tal. Außerordentlich starke Durchbewegung des Biotits ohne Chlori- 
tisierung und sowohl nach als während der Biotitkristallisation zeigt 
der Augengneis vom Passenjoch (Blastomylonit, Fig. 2). Diese Teil- 
bewegung erfolgte während der Existenzbedingungen des Biotits und 
ohne Diaphtorese.. Im Altfaßtale läßt sich an Blastomyloniten das 
Nebeneinander von nds, mds und regenerierender Abbildungskristalli- 
sation hervorheben; der Biotit ist chloritisiert. 

Die Teilbewegung der Intrusiva im Altkristallin nördlich des 
Brixner Granits ist meist eine nichtmolekulare und von Diaphtorese 
begleitet. 

Manche der im Handstück von randlichen Tauerngneisen nicht 
unterscheidbaren Biotitaplitgneise der Rensenzone (so über Rensen- 
granit; unter Kalkphyllit des Fensterlekofl) erwiesen sich als ge- 
schieferte Aplite des Altkristallin und unterscheiden sich u. d. M. 
sehr von den viel grobkörnigeren vorkristallin deformierten Aplitgneisen 
der Tauernhülle (Saxalpenwand). Es ist jedoch beizufügen, daß in der 
Rensenzone (Graben östl. v. Pfunders) auch Gneise ohne Unterschied 
von den Tauerngneisen vorkommen. 

An den Tauerngneisen selbst läßt sich beobachten, daß bei gleichen 
Typen die Gneise in größerer Entfernung vom Hauptmassiv (Navisjoch 
in Navistal Norden der Gneise) viel stärker korrelat zur Bewegung 
zersetzt sind als ihresgleichen in größerer Nähe des Hauptmassivs 
(Gneislage von Dun in Pfunders). 

Die Gesteine vom Jaufen zeigen auffallend viel regressive che- 
mische Metamorphose, welche nicht mit Teilbewegung zusammenhängt. 

Wichtig ist, daß die reichlich (bis zur Arteritbildung) imprägnierten 
mineralreichen Glimmerschiefer vom Penserjoch bis Taserbauer bei 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (B. Sander.) 76 


592 Bruno Sander. [26] 


Meran neben nachkristalliner auch vorkristalline Teilbewegung (Fälte- 
lung bis starke Umfaltung) zeigen und Abbildungskristallisation von nd 
ohne Diaphtorese. Sie gehören in dieser Hinsicht mit den Tauern- 
gesteinen den Laasergesteinen und mit manchen anderen Gliedern 
der Otztaler Schiefermasse zusammen (siehe unten). 

Dagegen ist die Verfaltung der Kalkkögel mit ihrer Unterlage 
aus Stubaier Schiefern auschließlich diaphtoritisch erfolgt (Burgstall, 
Kreiter Graben). 

Es ergibt sich aus dem oben Gesagten, daß auch unter den Ge- 
steinen des Altkristallin vorkristalline und nachkristalline Teilbewegung 
vorkommt. Erstere wurde z. B. mit Bezugnahme auf Stücke vom Otztal- 
ausgang schon früher gelegentlich vom Verf. erwähnt. Es wird die Auf- 
gabe des nächsten petrographischen Bearbeiters dieser Areale sein, 
auch im Otztaler und Stubaier Massiv vorkristalline und nachkristalline 
Deformation zu trennen und darauf zu achten, ob erstere an Intrusionen 
gebunden sei. Nach dem Einblick in sein Schliffmaterial, welchen ich 
meinem Freunde Hammer verdanke, zeigen die Schliffe „Ortler und 
Ötztaler Gneise“ ganz überwiegend sb durch nachmaliges nds voll- 
kommen ausgearbeitet; vielfach spielt nds ganz und gar die Hauptrolle 
und bringt auch hier wieder die Quarzgefügeregel mit sich. 

Zuweilen beweist si (z. B. Erz in Staurolith), daß kristallisierte 
Feinschichtung schließlich mechanisch ausgearbeitet wurde. 

Dasselbe gilt fast ausnahmslos von den Schiefern „NO-Viertel 
des Blattes Glurns-Ortler*. Ausnahmen sind Salisatis, Planail, Straße 
Matsch—Mals, Spitzige Sun—Plantavillas. 

Auch am Material aus der Laasergruppe sieht man vielfach, daß 
Feinschichtung schon vor der Blastese vorhanden war und für s 
die entscheidende Orientierung gab. 

Unter den Laaserschiefern sind nicht selten Beispiele für starke 
ds vor bis mit der Kristallisation (Talfrazer Graben bei Göflan, östlich 
Ast), und für vorkristalline Fältelung (Weißkrantl). Freilich wäre eine 
eigens auf das Verhältnis zwischen Kristallisation und Gefügebewegung 
gerichtete Untersuchung der Laaser und Ötztaler Schiefer von 
Interesse, aber etwas scheint mir schon aus Hammers Material 
hervorzugehen: 

Die Laaser Schiefer zeigen als häufigstes Gefüge sb (sab, mds). 
Ihre Teilbewegung ist von der Kristallisation überholt. 

Die Otztaler Schiefer zeigen vorwiegend nds nach der Kristal- 
lisation. 

Ausnahmen sind auf Seite der Laaser Schiefer anscheinend rand- 
lich vorhanden, z. B. SW-Grat der Vertainspitze mit starker nds, 
Eingang in die Tschengelser Schlucht. 

Vielleicht geologisch wichtiger sind die Ausnahmen auf Seite der 
Ötztaler Schiefer. Z. B. treten in den Nachbargesteinen des Amphi- 
bolits von der Schlinigalm vorkristalline Falten auf. Ebenso hat in 
einem breiten Streifen, aus dem ich nur die Punkte Ötztaler Hoch- 
joch—Weißkugelgruppe—Elferspitzgruppe nenne, die Kristallisation 
jederlei Gefügebewegung überdauert, wie wir dies für die meisten 
Tauernschiefer bezeichnend fanden. Diese Gesteine kommen also, was 
das Verhältnis zwischen Teilbewegung und Kristallisation anbelangt, 


[27] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 593 


neben die Tauern, Laasergesteine, mineralischen Glimmerschiefer 
von Pens etc. zu stehen; vielleicht am nächsten neben die letztge- 
nannten. Ob hiermit eine ähnliche stratigraphische Stellung verbunden 
ist, bleibt derzeit dahingestellt. Näher scheint mir die Frage zu liegen, 
ob nicht die Intrusionen mit dem vorkristallinen Charakter der Ge- 
fügebewegung zusammenhängen, welche sowohl bei den Penser Glimmer- 
schiefern als nach Hammers mündlicher Mitteilung bei den er- 
wähnten Ötztaler Gesteinen bis zu Arteriten führen. 

Vielleicht gelingt es, in den Ötztaler Gesteinen eine Gruppe mit 
Intrusion und überdauernder Kristallisation durchbewegter Gesteine 
noch da und dort hervorzuheben uud ihre Deformation als eine ältere 
Tektonik von Bewegungen wie der von Hammer untersuchten Auf- 
schiebung des Elferspitzkristallins auf die Gebilde des Engadiner 
Fensters zu trennen. 


Anhang. 
Über Albitisation. 


Mit Albitisation kann man die Kristallisation der Albite bezeichnen, 
ohne damit etwas über Stoffzufuhr zu behaupten. Die Albitisation er- 
folgt in Gestalt einer lokalen Imprägnation des Grundgewebes mit 
Albitindividuen. Von einer Imprägnation kann man sprechen, weil die 
Albitindividuen, wie bekannt, mit weitgehender Schonung des bereits 
vorhandenen Gefüges wachsen und dasselbe hierbei nicht mechanisch 
verändern, sondern als interne Reliktstruktur (z. B. Helizitstruktur 
Weinschenks) umwachsen, als Dauerpräparat aus der Zeit vor der 
Albitisation aufbewahren und unter gewissen Vorbehalten einen oft 
lehrreichen Vergleich mit dem externen Gefüge gestatten. 

Die Gestalt der Albitholoblasten ist in der Regel isometrisch, 
zuweilen geradezu kugelig. In diesem Falle schließen sich die da 
und dort im Grundgewebe keimenden Kristalle bei gegenseitiger Be- 
rührung zu idealer Pflasterstruktur zusammen aus Körnern mit iso- 
metrisch polygonalem Querschnitt. Solche Querschnitte entstehen in 
der Weise, daß etwas vor der Berührung und bei der Berührung sich 
wachsend begegnender isometrischer Keime vermehrte Stofizufuhr gegen 
den Berührungspunkt erfolgt, nach einem in der Gesteinskunde viel- 
fach wirksamen Prinzip. Hierbei entstehen biskuitförmige Stadien, wie 
bei anderen Konkretionen, welche sich mit wachsenden Oberflächen 
begegnen. 

Die Gestalt der Albite kann aber auch oblong sein. In diesem 
Falle entspricht der längere Durchmesser der Richtung von si im 
Kristall, ohne daß dieses si selbst gedehnt wird. Dies gilt gleichviel, 
ob nun si verlegt oder unverlegt vorliegt. In ersteren, Fällen ist es 
bisweilen um so deutlicher, daß die oblonge Form der Albite auf 
das Prinzip der leichteren Stoffzufuhr in s zurückzuführen ist und 
keine Anpassung der Gestalt an gerichtete Spannungen bedeutet. 

Niemals, weder in den schwachkristallinen noch in den hoch- 
kristallinen Albitphylliten noch in den Albitgneisen des von mir unter- 
suchten reichlichen Materials erfolgt die Kristallisation eines Einzel- 
individuums nachweislich als „tektonoblastische* Teilbewegung einer 

76* 


594 Bruno Sander. [28] 


Deformation. Da es sich hierbei um Typen der obersten bis mittleren 
Stufe Grubenmanns handelt auf deren Kristallisation gerichtete 
Spannungen am meisten Einfluß hätten, wäre um so mehr hervorzuheben: 
Die Kristallisation der Albite erfolgt ohne Anpassung ihrer Form an 
gerichtete Spannungen. 

Von solcher Anpassung eines Kristallindividuums an gerichtete 
Spannungen ist begrifflich zu unterscheiden eine Kristallisationsbe- 
wegung, welche in vermehrter Albitbildung in den Kniehöhlen ge- 
stauchter Einlagen im Schiefer besteht. Denn bei solcher Kristallisations- 
bewegung, welche an meinem Material in einem Falle wahrscheinlich 
ist, paßt sich nicht ein Kristallkorn z. B. nach Rieckes Prinzip der 
Druckverteilung an, sondern eine bestimmte Substanz gelangt am Orte 
mit günstigen Druckverhältnissen zum Absatz, wobei Differenzen im 
ungerichteten Druck und nicht Druckrichtungen das Wichtige für 
diese Art von Teilbewegung sind. 


Diese Kristallisationsbewegung spielt für das Zustandekommen 
der Schieferung überhaupt keine Rolle, wohl aber als Teilbewegung 
mancher Deformationen. 


Der Zustand des Grundgewebes vor der Albitisation ist im Grade 
der Kristallisation verschieden. 


si besteht auch ganz in der Nähe der Zentralgneise und bei 
stärkster Albitisation bisweilen nur aus opazitischer Substanz, was 
freilich in manchen Fällen auch auf eine Aufzehrung von Quarz und 
Glimmer bei der Albitisation zurückgehen könnte. Bisweilen ist das 
Gefüge durch Ausbildung von Glimmern oblongen Quarzen, Epidot etc. 
schon vor der Albitisation ziemlich hochkristallin geworden. Daraus, 
daß der Entwicklungszustand von si im Albit jeweils für größere 
Gesteinspartien derselbe ist, kann man entnehmen, daß die Bildung 
der zahllosen im Gestein verstreuten Albite jeweils eine verhältnis- 
mäßig gleichzeitige war und eine ganz ausgesprochene Entwicklungs- 
‘phase des Gesteins bedeutet. Andernfalls hätte man wohl in den 
verschiedenen Albiten verschiedene Entwicklungsstadien des Grund- 
gefüges zu erwarten, welches ja häufig eine Entwicklung vom Ton- 
schiefer bis zum hochkristallinen Glimmerschiefer durchlief. 


Durchbewegung des Gefüges ist in Gestalt von Fältelung oft 
schon vor der Albitisation vorhanden. Sie dauert aber gewöhnlich 
nach, zuweilen auch nachweislich während der Albitisation gleich- 
sinnig oder in einem anderen Sinne fort und erreicht sehr oft erst 
nach der Albitisation ihren Höhepunkt (verlegtes si in den Albiten 
oder in deren Kern). 

Auch die Bewegung der Albite kann durch die Kristallisation 
anderer Minerale überholt werden und nur noch an der verlegten 
Reliktstruktur kenntlich sein, wie an vielen Beispielen gezeigt wurde. 


28) Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 595 


Erläuterung der Bilder. 


Die in Klammern den Bildern beigegebenen Zahlen entsprechen der Numerierung 
im Texte. 

1. Biotitphyllit im Kalk des Kahlen Wandkopf, Schmirn, Brenner. 
Tektonische Fazies eines Tauerngneises ohne Diaphthorese. Bildung 
von Glimmer- (Biotit-) Geflechten durch nds nach der Biotit- 
kristallisation. 

2. Zerkneteter Augengneis; Passenjoch, Pfunderstal; „Mühl- 
walder Augengneis“. Tektonische Fazies eines „altkristallinen“ Gneises 
ohne Diaphthorese. 

Halbfluidale Struktur des Biotits zwischen den Augen anläßlich 
einer Durchbewegung mit und nach der Biotitkristallisation. 

3. Quarzphyllit mit Granaten über dem Tribulaundolomit, Santig- 
joch bei Gossensaß,. 

Tektonische Fazies eines ehemals ziemlich hochkristallinen 
Glimmerschiefers durch nachkristalline Teilbewegung. 

4. Phyllit, welcher den Magnesit von Tux begleitet. Beginnende 
Albitisation. 

5. Albitphyllit. Gamskarspitz bei Hintertux. Oblonge Form der 
als Imprägnation längs s auftretenden Albitindividuen a. + Nikols. 
Dunkelstellung der Albite. 

6. Granitgneis, Schloßkopf, Inzing, Inntal. Aus Material Ohne- 
sorges: „vollständig umkristallisierter Granitporphyr.“ 

Glimmergebälk ungefähr in s. ds gänzlich von der Kristallisation 
überholt. Zeigt auch den von Ohnesorge beschriebenen körnigen 
Zerfall der Feldspate. 

7. Glimmerschiefer (Greinerschiefer) über Stranses, orographisch 
linkes Gehänge des Ridnauntals beı Sterzing. 

Scheitform der Glimmer. Als einzige mechanische Läsion des 
ringsum unversehrten hochkristallinen Gefüges: Pressung des hellen 
Muskovits in der Mitte durch Biotit (unten); Wachstumsdruck des Biotits. 

8. Glimmerschiefer unter dem Marmor der Saxalpenwand am 
Brenner. 

Biotite in s bisweilen noch von ds ergriffen und Biotite quer s, 
welche, vollkommen unversehrt, Teilbewegung in s nach ihrer Kristalli- 
sation ausschließen lassen. 

9. Amphibolit, Gipfel der Schleierwand bei Goßensaß. Holo- 
blasten von Hornblende, Quarz und Albit durchwachsen mit voll- 
kommen ungeregelten Achsen s, welches durch Feinschichtung (Erz) 
bezeichnet ist. Keinerlei d. 

10. Greinerschiefer, Zirmaidscharte, Ratschinges. s, Feinschich- 
tung durch Graphit, durchzieht als sö nur wenig verlegt und verändert 
den großen Rhätizitholoblasten. 

1l. Greinerschiefer, Graben zwischen Flans und Tschöfs bei 
Sterzing. 

Granaten mit unverlegtem si und oblong in s infolge besserer 
Wegsamkeit längs s. 


596 Bruno Sander. [30] 


12. Graphitglimmerschiefer, Grubwald, Pfitsch. Klastische Form 
der Quarze in kristallinem Schiefer ohne Kataklase. 


13. Granat-Biotitschiefer, Südgrat des Kleinen Kaserer, Schmirn- 
tal, Brenner. Unverlegtes si in Granaten in der Ausbildung stark ab- 
weichend von se. Letzteres ist Abbildungskristallisation von Fein- 
schichtung. 

Biotitfüllung der meist quer s verlaufenden Sprünge im Granat 
erweist die lange Dauer der Biotitkristallisation unter Bedingungen, 
welche rupturelle Deformation der Granaten zuließen. 


14. Biotitschiefer nächst Kontakt mit Aplit, Graben bei St. Jakob 
im. Pfitschtal. Kontaktmetamorpher Amphibolit, dessen Schieferung 
durch Biotitbildung in s gesteigert ist. 


Sachverzeichnis. 


(Die nebenstehenden Ziffern geben die Seitenzahlen an.) 


Abkürzungen 568. - Quarz, Form der Körner 574, 576, 578, 
Biotitgeflechte 584. 584, 587. 
Blastomylonite 585, 591. Quarzgefügeregel 577, 580. 


Diaphtorite 584, 591. 


Feinschichtung 570, 573, 574, 576. Querbiotite 575, 582, 588. 


Generationen, zeitliche 570, 571, 573. Steigerung von s 572, 574, 576, 578. 
Granaten, mechan. Widerstand 579. Teilbewegung und Kristallisation, Über- 
Hof um Biotit 570, 582. sichten 567 ff., 574, 575, 582—586, 
Kristallisationsbewegung 588-9, 59394. 588, 590--593. 
Metamorphose ohne Korndeformation Wegsamkeit von s 572, 578, 581, 587, 
587, 588, 591. 589, 598. 
Inhalt. 
Seite 
Einleitung . . . . a a a ur! ae 
I. Untere Schieferhülle der Tauern . . . . 2. 2. 2..2...569 [8] 
Hochfeiler und Sengeser ie LE RE.” 1. 21156986013] 
Pfitschtal . . . Ir. VHERESERE ee). BEBUSR] 
Sterzing, Pflersch, Bidnaun or MW. Von [11] 
Brenner bis St: .Jodok . 2, E38. | or. Vu ee: an 
Von St. Jodok nach Osten . . NT RE LEO 7] 
Von Kasern im Schmirntal nach Osten . » © 2222202. 584 [18] 
Schmenbenker ZUR: 1.2.1. apa a nee era are... BORBMEN 
Rensenzone bei’Mauls ., -AnR 2m u 0 2 a eg 2 er 
II..Phyllite .. ı . sl 0.20 See 1 1 NE. 2 RE SER 
III. Bemerkungen über „altkristalline“ Schiefer . Ve... [25] 
Anhang: Über Albitisation u... your eur tr 59 art 
Erläuterung der Bilder „. 4... ° 2: 24 200 Das u Terz Sin a. 2,595 


SACHVETZEICHMIS ,  -.- .. >. Eine.’ .. U Dee en En De] 


[31] Beiträge aus deu Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 597 


2. Über Kristallisation und Faltung einiger Tiroler Schiefer. 


Einleitung. 


Seit 1909 (Verh. d. k. k. geol. R.-A.) war es das in mehreren 
Veröffentlichungen zum Ausdruck gebrachte Bestreben des Verfassers, 
auf den Wert einer Betrachtung der Teilbewegungen hinzuweisen und 
die Teilbewegungen im Zusammenhange mit den tektonischen Defor- 
mationen zu betrachten, zu welchen sie gehören. Bei dieser Gelegen- 
heit wurde auf die Betrachtungsweisen der Deformationskunde trei- 
benden Techniker aufmerksam gemacht und für dienlich gehalten, die 
Betrachtung der Teilbewegungen, zunächst bei einfachen tekto- 
nischen Formen, für sich und noch vor einer Debatte über die „gebirgs- 
bildenden Kräfte“ zu betreiben. 

Die geologischen Aufnahmsgebiete des Verfassers (Zentralalpen) 
zeigen bekanntlich in hohem Grade „stetige* Umformungen, das soll 
heißen Umformungen, .bei welchen die Größe der die Teilbewegung 
ausführenden Teile im Verhältnis zur Größe des deformierten Körpers 
so gering ist, daß die fließenden Umformungen entstehen, welche man 
heute in zahlreichen Querschnitten dargestellt findet. 

Da die Gesteine der Zentralalpen gewöhnlich geradezu Korn für 
Korn bewegt sind, war es möglich, schon an verhältnismäßig kleinen 
durch Dünnschliffe noch studierbaren Umformungen die Teilbewegung 
im Gefüge zu untersuchen. In vielen Fällen gelingt es, solche einer 
genauen Untersuchung noch zugängliche Deformationen (durch die 
Erfahrungen bei der geologischen Aufnahme und wohlüberlegte Aus- 
wahl des Materials für die ziemlich teuren Schliffe) mit Sicherheit 
als Teilbewegungen tektonischer Bewegungen zu erkennen. Man ge- 
langt so vor manche neue Aufgaben, unter welchen ich hier die Frage 
nach den Beziehungen zwischen Teilbewegung und Kristallisation durch 
das Studium von Faltungen in kristallinen Schiefern zu fördern ver- 
suchte. 

In allen Wissenschaften, welche sich mit Gegenständen befassen, 
deren Querschnittsbild sich mit der Richtung des Schnittes ändert, wird 
das größte Gewicht auf gute Orientierung der zu untersuchenden Schnitte 
gelegt. Dagegen gibt es noch große Institute, in welchen auf die Orien- 
tierung der Gesteinsschliffe und auf die Vorrichtungen, womit man orien- 
tierte Schliffe macht, wenig Gewicht gelegt und ein für manche Fragen 
unbrauchbares Schliffmaterial hergestellt wird. Die Firma Voigt und 
Hochgesang, Göttingen, hat auch diesmal nach meinen Tusch- 
marken gutorientierte Schliffe aus den Falten geschnitten. 

Dank den optischen Untersuchungsmethoden, welche im Dienste 
der Mineraldiagnose unter dem Mikroskop eingeführt wurden, ist man 
in der Lage, die geringsten Anfänge mechanischer Deformation an 
Mineralkörnern zu sehen, da die anisotropen gesteinbildenden Minerale 
schon vor der Ruptur wohlbekannte Veränderungen ihrer optischen 


u 


598 Bruno Sander. [32] 


Verhältnisse erfahren und im Schliff zwischen Nikols in Form von 
Störungen ihre Interferenz erkennen lassen (z. B. undulöse Aus- 
löschung an Quarz und Glimmer, Zwillingslamellen an Kalzit). Dazu 
kommt, daß viele Gefüge schon infolge der Kornkonturen mechanisch 
sehr empfindlich gebaut sind. Es wäre geradezu schwierig, ein Gefüge 
zu erfinden, welches die geringste Kornverschiebung und schon das 
Bestreben solcher Gefügebewegungen so ausgezeichnet kontrollierbar 
macht wie z. B. ein stark verzahntes Quarzgefüge, in welchem un- 
versehrte Quarzkörner lückenlos schädelnahtartig ineinander greifen 
und keine latente Verschiebung gestatten; oder ein Gefüge, in welchem 
kreuz und quer gestellte Glimmerblättchen oder Kristallnadeln von 
irgendeiner Seite kommenden Druck registrieren; oder ein Gefüge, 
in welchem strauchartig verzweigte Einzelkristalle durch optische 
Störungen in ihren Zweigen wie mit empfindlichen Fühlern auf jede 
Bewegung in dem von ihnen durchwachsenen Gefüge reagieren. 

So gibt es also unter den Gesteinen zahlreiche, deren Gefüge- 
bewegung sich vielseitiger und gründlicher studieren läßt als die 
Gefügebewegung in Metallen. Übrigens sind sehr viele Fragestellungen 
der Petrographie und Metallographie gemeinsam nicht nur auf dem 
Gebiete der Erstarrung, wo das in einem Referat in Links „Fort- 
schritten der Mineralogie* von anderer Seite übersichtlich gemacht 
wurde, sondern auch auf dem Gebiete der Deformation, auf welchem die 
Petrographie sogar manchen Vorsprung besitzt, welchen sie der guten 
Kenntnis der gesteinbildenden Minerale, der Möglichkeit im Dünn- 
schliffe zu untersuchen, der Mannigfaltigkeit des Materials und den 
hiermit zusammenhängenden Fragestellungen verdankt. Ist der Spiel- 
raum für Experiment und direkte praktische Verwertbarkeit der Er- 
gebnisse auch derzeit ein sehr geringer, so darf man wohl die Be- 
deutung einer Gefügekunde, welche Teilbewegung und Kristallisation 
systematisch betrachtet sozusagen einer Petrographie der deformierten 
Gesteine für die Geologie hervorheben, da es sich ja meist. um tek- 
tonische Gesteinsfazies handeln wird. 

Die Beobachtungen an den der Untersuchung im Schliff zugäng- 
lichen Fa'tungen lassen sich übereinstimmend an die mit viel zahl- 
reicheren gewöhnlichen Schliffen erhaltenen Befunde über das Ver- 
hältnis der Teilbewegung in s zur Kristallisation anschließen. Dem- 
nach gehören in der Regel Faltung und Bewegung in s derselben 
Durchbewegungs-Phase an. Es ist in der Regel’ mehr als wahrschein- 


lich, daß diese Durchbewegung einer tektonischen Hauptphase ent-. 


spricht. 

Was die Faltung betrifft, so wurde vom Verfasser bereits in 
früheren Arbeiten manches hervorgehoben, was sich aus der tech- 
nologischen Betrachtungsweise ergibt. Es sei daher hier nur noch 
kurz erinnert an die Möglichkeit von Biegetrajektorien in Falten, au 
die Unterscheidung von Faltung und Biegung, an die Abbildung der 
bei Faltung auftretenden Teilbewegungen und Kräfte (Spannungs- 
doppelbrechung in Gallerten, aufgedruckte Kreismuster an plastischem 
Material und an Karton oder Papierpaketten etc.), an Falten, welche 
mit und ohne Leitung gerichteten Druckes entstanden und ihre Er- 
kennungszeichen (Stauchfaltenregel) an die Bedeutung der Bewegung 


[33] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 599 


in s bei Faltung und die Bedingungen dieser Bewegung, an die Be- 
deutung der relativen Größe der „Gefügeelemente“, welche die Teil- 
bewegungen ausführen. Besonders wäre für das Folgende die „zur 
Faltung korrelate Streckung“ in Erinnerung zu bringen, bei welcher 
die Ausweichung normal zum umformenden Druck erfolgt. Alles Dinge, 
von denen oft hervorgehoben wurde, daß sie für geologische Profile 
geradeso gut gelten wie für Dünnschliffe. Der Verfasser beabsichtigt 
alles dies bei späterer Gelegenheit noch lehrhaft zusammenzustellen, 
ohne bei diesen schrittweisen Berichten über die Fortschritte in solchen 
Studien jedesmal alles zu wiederholen, um so weniger, als ihm doch 
scheint, daß manches von der in jenen früheren Arbeiten geübten 
technologischen Betrachtungsweise derzeit schon eher in der Fach- 
literatur angetroffen werden kann als damals, 

Außerdem weiß der Verfasser, daß sein lieber Arbeitsgenosse und 
erster Lehrer in der Geologie Dr. OÖ. Ampferer nunmehr Studien 
in dieser Richtung an seine Arbeit über das Bewegungsbild von 
Faltengebirgen anzuschließen gedenkt, so daß wir in Anbetracht 
der zur Eile drängenden Kriegszeit übereinkamen, zunächst unab- 
hängig voneinander unsere Studien niederzuschreiben, hierbei aber 
zur Vermeidung allzu vieler Parallelismen eine gewisse Arbeits- 
teilung im Auge zu behalten. Auch ist durch die Arbeiten von 
Schmidt, Leoben, Belehrung über Teilbewegung in Gesteinen und 
Metallen zu erwarten. Demgemäß bespreche ich derzeit von meinen 
allgemeineren Betrachtungen nur das, was unmittelbar zur Deutung 
meiner Präparate gehört. 


Bezüglich einiger Abkürzungen siehe die vorhergehende Arbeit. 


Die hier unternommenen Studien schließen sich namentlich an 
folgende Vorstudien des Verfassers an: 


1. Abbildung der bei geologischen Experimenten aufıretenden Kräfte und Ver- 
schiebungen im Material. Verhandl. der k. k. geol. Reichsanst. Wien 1909, Nr. 16, 


2. Über Zusammenhänge zwischen Teilbewegung und Gefüge in Gesteinen. 
Tschermaks Mineralog. u. Petrogr. Mitteil. 1911, XXX. Wien. 


3. Über einige Gesteinsgruppen des Tauernwestendes. Jahrb. d. k. k. geol. Reichs- 
anstalt, Wien 1912. 


4. Referat über Lachmanns Beiträge zur Plastizitätsfrage. Verhandl. der k. k- 
geol. Reichsanst. 1912, Nr. 17. 


5. Referat über Starks Tauernstudien. Verhandi der k. k. geol. Reichsanst. 
1913, Nr. 9. 


6. Studienreisen im Grundgebirge Finulands. Verhand]. der k. k. geol. Reichsanst. 
Wien 1914, Nr. 3. 


7. Bemerkungen über tektonische Gesteinsfazies und Tektonik des Grundgebirges. 
Verhandl. der k. k. geolog. Reichsanst. Wien 1914, Nr. 9. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (B. Sander.) 17 


600 Bruno Sander. i [34] 


I. Allgemeinere Bemerkungen. 


Vorkristalline Deformationen sind solche, bei welchen die Kristal- 
lisation eines oder mehrerer Gefügeelemente die Deformation zeitlich 
überdauert hat, also nach der Deformation noch stattfand. 

Man erkennt im Gefüge solche Deformationen daran, daß die 
nichtkristallinen Korndeformationen (Biegung, Bruch) entweder fehlen 
oder, als Teilbewegungen der Deformation betrachtet, quantitativ nicht 
ausreichen; so z. B. wenn sich bei starker Fältelung in einem hoch- 
kristallinen Schiefer ab und zu unter den unversehrten Glimmern, 
welche die polygonalen Faltenscharniere bilden, gebogene Individuen 
vorfinden. Wir trachten hier den Fall gänzlichen Fehlens korrelater 
nichtkristalliner Korndeformationen zu erklären, weil mit den Er- 
klärungsmöglichkeiten für diesen Fall auch die Fälle mit unzuläng- 
lichen nichtkristallinen Korndeformationen erledigt sind. 

Solche Deformationen mit unversehrtem kristallinem Gefüge können 


1. entweder korrelate Korndeformationen der unversehrten Einzel- 
körner zeigen 
2. oder nicht. 


Iın 1. Fall hat zweifellos die Molekularbewegung, in welcher die 
Kristallisation besteht, die Rolle einer zur Deformation korrelaten 
Differentialbewegung gespielt. Es ist zweckmäßig, diesen Fall mit 
korrelater Korndeformation als die erste der möglichen und beobacht- 
baren Kristallisationsbewegungen zu unterscheiden von der Kristalli- 
sationsbewegung ohne korrelate Korndeformation. Das bekannteste 
Beispiel für erstere ist die Kristallisationsschieferung Beckes. 

Im 2., viel häufigeren Fall, wenn also im unversehrten kristallinen 
Gefüge eines deformierten, z. B. gefalteten, Gesteins korrelate Defor- 
mationen der Einzelkörner fehlen, wurden zwei Möglichkeiten be- 
grifflich unterschieden, welche sich praktisch nicht ausschließen und 
bei derselben Deformation eine Rolle spielen können. 

Diese zwei Entstehungsmöglichkeiten sind: a) kristalline Abbildung 
der fertigen Deformation (wie irgendeiner anderen Struktur, z. B. Fein- 
schichtung, Fossil). Hierbei folgt die entscheidende, das letzte Gepräge 
gebende Kristallisation des Gesteins nach der Deformation; zuweilen 
wohl wie eine mechanische Erstarrung nach einer Phase 
größerer Beweglichkeit. Es können hierbei entweder die 
mechanischen Korudeformationen der Deformationsphase durch Um- 
kristallisation verschwinden. Oder es kann die Deformation an wenig- 
kristallinem Material erfolgt sein, welches erst nach der Deformation 
die Vergrößerung seiner (sedimentär oder durch Deformationen ge- 
richteten) Keime zu größeren Körnern unddie Neubildung von Holo- 
blasten erfuhr. Dieser Fall scheint mir nach meinen bisherigen Unter- 
suchungsmaterialien eine wichtige Rolle zu spielen. 

b) Es ist möglich, daß eine Kristallisation korrelat zur Defor- 
mation als eine Differentialbewegung derselben erfolgt, ohne daß 
Einzelkörner korrelate Deformationen, z. B. im Sinne des Rieckeschen 
Prinzips zeigen. 


[35] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 601 


Diese Kristallisationsbewegung ohne korrelate Korndeformation 
spielt eine wichtige Rolle. Hierher gehören die kristallinen Ausheilungen 
aller tektonischen Rupturen im Gestein, bei welchen bestimmte, bei 
den jeweiligen Bedingungen gelöste und mobile Stoffe sich an die 
Orte mit Absatzmöglichkeit begeben. Das absolute Ausmaß solcher 
Rupturen ist hierbei nebensächlich und wir beobachten begrifflich 
gleiche Kristallisationsbewegung an Gängen wie an Haarspalten und 
noch viel feineren Rupturen, deren Verheilung z. B. Jahrb. der geol. 
Reichsanstalt 1912, pag. 255 ff., beschrieben ist. Wir begegnen ferner 
nichts neuem, wenn wir nun auch die kristallin regenerierten Blasto- 
mylonite hier anschließen und alle Fälle, in welchen Kornrupturen 
durch die jeweils charakteristische mobile Lösung ausheilen. Oft ver- 
ändern sich die Zusammensetzung der mobilen Lösung und die Aus- 
scheidungsbedingungen, wie uns zeitliche Mineralgenerationen in 
kristallinen Schiefeın und die Erscheinung der gemischten Gänge 
lehren, welch letztere auch in Haarspalten zuweilen noch sichtbar ist. 
In allen diesen Fällen wäre nicht nur die Kristallisation als Differen- 
tialbewegung tektonischer Deformatiunen verschiedensten Ausmaßes zu 
betrachten, sondern auch zu beachten, daß sich in weitaus den 
meisten Fällen gleichzeitig hiermit auch eine chemische Entmischung 
des deformierten Gesteinskörpers vollzieht. _ 

Man kann nun die Frage, wie die chemische Mobilisierung zu- 
stande kommt, zunächst beiseite lassen und nicht nach der Auflösung, 
sondern nach dem Absatz der beweglichen Stoffe fragen. In manchen 
der oben angeführten Fälle mögen die Orte mit den besten Absatz- 
bedingungen offene Rupturen gewesen sein. Es ist aber in vielen 
Fällen wahrscheinlich, daß die Deformation nicht bis zu einer offenen 
Ruptur gedeiht, sondern letztere in statu nascendi, sozusagen 
bevor sie eine Wunde ist, schon ausheilt, indem an bestimmten, z. B. 
vor Druck besser geschützten Stellen im Gestein bestimmte Stoffe, 
sich anreichernd, auskristallisieren; so in den Augenwinkeln der 
Augengneisfeldspate, an manchen Stellen widerstandsfähiger Falten- 
scharniere etc. 

Auf diese Weise kann sich die Kristallisation chemisch und 
räumlich an Inhomogenitäten des Druckes im Gestein anpassen und 
zugleich eine Kristallisationsbewegung. in unserem Sinne, d. h. eine 
Teilbewegung einer Deformation sein. 

Für die jetzt besprochene ‚Art der Kristallisationsbewegung ist 
es wesentlich, daß sich die Stoffe an Orten mit günstigen Druckbedin- 
gungen absetzen, was schon voraussetzt, daß sie weniger günstige 
Orte verlassen haben, also wandern und zur Umformung des Gesteins 
als molekulare Differentialbewegung in Beziehung stehen; ohne daß 
Druckriechtungen hierbei zum Ausdruck gelangen oder irgendwelche 
Rolle zu spielen brauchen. Ein Gestein, in welchem nur gewisse Stoffe 
solche Kristallisationsbewegungen als Teilbewegung einer Deformation 
ausführen, wird „teilweise fließend‘ umgeformt; ein Begriff, den das 
Studium der Gesteinsdeformationen so wenig entbehren kann, wie z.B. 
den der Abbildungskristallisation. 

Es ist nun der Fall denkbar, daß sämtliche für eine Deformation 
erforderlichen Teilbewegungen in einem Gesteine in Form von Kristal- 


11% 


602 Bruno Sander. 136] 


lisationsbewegung (mit oder ohne korrelate Korndeformation) vor sich 
gehen und daß sich das Gestein hierbei als eine unter den gegebenen 
Bedingungen (welche mineralogisch-chemische Verhältnisse und die 
Deformationsgeschwindigkeit betreffen) zähe Flüssigkeit stetig defor- 
miert. Bis jetzt aber ist mir eine Gesteinsdeformation, durch deren 
Gefüge dieser Idealfall unzweifelhaft würde, weder unter den minera- 
logisch einheitlichen noch unter den mineralogisch zusammengesetzten 
Gesteinen begegnet. 


Ja es wird sich im Verlaufe der folgenden Beschreibungen von 
Falten zeigen, daß sich die Abbildungskristallisation einer fertigen 
Deformation besser und häufiger nachweisen ließ als während der 
Faltung erfolgende Umkristallisations- und Ausheilungsprozesse, welche 
eine Kristallisationsbewegung der Faltung darstellen würden. Und ich 
glaube, daß man geradezu von einer mechanischen Erstarrung 
mancher heftig durchbewegten kristallinen Schiefer 
anläßlich ihrer Kristallisation sprechen darf; da nach der- 
selben das Gefüge viel weniger leicht beweglich war und tatsächlich 
keine Teilbewegung mehr stattfand. So mag mancher vorkristallin 
heftig durchbewegte (auch sedimentäre) Teil eines Gebirges in seiner 
Bewegungsphase die Störung des inneren Gleichgewichts, welche 
die Kristallisation ermöglichte, erlebt haben und hernach den neuen 
Bedingungen gemäß kristallin erstarrt: sein. 


Es ist zu überlegen, welche Beziehungen bestehen zwischeu 
Kristallisationsbewegung ohne korrelate Korndeformation und zwischen 
Kristallisationsschieferung im Sinne Beckes. 


Wenn ein Korn an der gepreßten Stelle schwindet und an minder- 
gepreßten Stellen wächst, so scheint mir dieser Fall theoretisch ebenso 
möglich wie Kristallisationsbewegung ohne korrelate Korndeformation. 
Der Fall, daß Schwinden und Wachsen am selben Korn erfolgt, ist 
lediglich ein ohne weiteres möglicher Spezialfall, welcher zur Abbil- 
dung von Druckrichtungen nach Beckes Annahme führt. Wenn 
man nun aber nach Beispielen hierfür sucht, so ist immer im Auge 
zu behalten, daß es mehrere andere Wege gibt, auf welchen es zur 
Bildung oblonger Körner kommen kann; so die Wegsamkeit von s 
für Stoffzufuhr und Weiterwachsen, ferner die Einstellung hetero- 
metrischer, gänzlich neugebildeter Kristalle in s schon in statu nascendi, 
welch letztere mir übrigens nicht immer die bedeutende Rolle zu 
spielen scheint, welche ihr viele zuweisen. Z. B. verweise ich hier 
auf die in der Arbeit über „Feinschichtung, Teilbewegung und 
Kristallisation im Kleingefüge einiger Tiroler Schiefer“ abgebil- 
deten Schliffe aus Hochedergneis (Material Ohnesorge). In solchen 
sehr verbreiteten Fällen scheint mir weder Einstellung von Neu- 
bildungen in s noch Korndeformation nach Becke-Riecke in Frage 
zu kommen, obgleich es sich um einen gut geschieferten Schiefer 
handelt, welcher aus einem Granit entstand. 


Es gibt eine Definition, welche als zähflüssig einen Körper 
definiert, der unter dem EinfluB einer konstanten Kraft eine fort- 
schreitende Deformation erleidet. Diese Definition enthält viel Unbe- 
stimmtes, selbst wenn man als konstante Kraft die Schwerkraft nimmt, 


[37 Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 603 


in welchem Falle Festigkeit oder Flüssigkeit eines Körpers gar von 
seiner äußeren Form abhängen würden. 

Man wird besser überhaupt nicht sagen, ein Körper ist zäh- 
flüssig, der andere fest, brüchig etc. etc. 

Alle diese Atribute gelten für den betreffenden Körper nur 
unter bestimmten Bedingungen (Deformationsgeschwindigkeit, Druck, 
Temperatur), wozu bei Körpern, welche, wie die meisten Gesteine, 
aus ganz verschiedenen Elementen zusammengesetzt sind, noch weitere 
Bedingungen kommen. Es ist also irreführend, wenn man, ohne 
solche Bedingungen zu fixieren, sagt, ein Körper ist so oder so. 
Besser ist es zu sagen: Ein Körper deformiert sich unter den und 
den Bedingungen so oder so. Und wer Gefügekunde deformierter 
Körper treibt, der sagt zunächst besser als alles dies: Ein Körper hat 
seine Deformation mit so oder so gearteten Teilbewegungen erlitten. 
Diese können rupturell oder blastisch oder auch mechanische stetige 
Deformationen einzelner Gefügeelemente sein. Fügt man solchen 
Angaben noch die Beschreibung der Gefügeelemente bei, so ist alles 
gesagt, was man aus dem Gefüge rückschließend über die Defor- 
mation eines Körpers sagen kann, während ein im Sinne der oben 
gegebenen physikalischen Definitionen als zähe Flüssigkeit defor- 
miertes Gestein sowohl ein Mylonit als ein erstarrendes Magma sein 
könnte oder ein Gestein, dessen Rupturen während der Deformation 
sukzessive kristallin verheilen. Die Stetigkeit einer Deformation wird 
um so größer, je kleiner die sich differentiell gegeneinander verschie- 
benden Gefügeelemente sind, verglichen mit den Ausmaßen des 
korrelaten deformierten großen Körpers. N 

Eine besondere Beachtung muß man ferner bei Überlegungen 
über Gesteinsdeformationen der Zeit schenken. Wenn die betrachtete 
Deformation in einer gewissen Zeit 7’ vor sich geht, so gehen auch 
alle zur Deformation gehörigen Teilbewegungen in dieser Zeit vor 
sich. Die Geschwindigkeit (Weg in Zeit) der Teilbewegungen kann 
aber eine sehr verschiedene sein. Denn diese Geschwindigkeit hängt 
sowohl von der konstanten Zeit 7 ab als von dem in dieser Zeit 
zurückgelegten Weg, d.h. vom Ausmaß der Teilbewegung. Je kleiner 
die sich bewegenden Teile, verglichen mit dem zu deformierenden 
Körper, den sie zusammensetzen, sind, desto geringer wird absolut 
gemessen ihre Verschiebung gegeneinander, der Weg ihrer Teilbe- 
wegung und damit auch bei gleichbleibender Deformationszeit die 
Geschwindigkeit der Teilbewegung. Diese Beziehung nenne ich die 
Geschwindigkeitsregel der Teilbewegung. 

Wenn sich z. B. ein körniger Gesteinskörper, in welchem bei 
den gegebenen Bedingungen die Teilbewegung von Korn zu Korn 
erfolgt, in einigen Tagen oder Stunden in eine Falte legt, so stehen 
diese Tage und Stunden den Körnern im Gefüge für die Zurücklegung 
winziger Wege zur Verfügung. Die Körner bewegen sich gegeneinander 
außerordentlich langsam. Die Geschwindigkeit der Teilbewegung ist 
in solchen Gesteinen selbst bei ziemlich schneller Deformation eine 
sehr geringe. 

Ist nun eines oder sind mehrere Minerale dieses Gesteines 
mobil, so daß sie sich lösen und wieder umkristallisieren können, so 


604 Bruno Sander. [38] 


wird es bedeutungsvoll, daß sich die Teilbewegungen so langsam voll- 
ziehen. Denn hierdurch wird es möglich, daß Auflösung und Kristal- 
lisation, welche eine gewisse Mindestzeit beanspruchen, im Gefüge der 
sich beständig, aber sehr langsam aneinander verschiebenden Körner als 
Kristallisationsbewegung eine Rolle spielen und mehr oder weniger 
sogar an Stelle ruptureller Gefügedeformationen treten. 

Freilich muß hier angefügt werden, daß in manchen Fällen die 
Vorstellung kristalliner Regenerations- oder Erholungs- 
pausen während der Durchbewegung des Gesteins mehr zum Ver- 
ständnis des Gefüges beitragen dürfte. Eıfolgt die Kristallisation in 
einer solchen Pause, für deren Dauer die Kristallisationsgeschwindig- 
keit der Substanz ein Minimum bestimmt, als Ausheilung von Rupturen, 
welche bei der Deformation erzeugt wurden, so liegt ebenfalls ein Fall 
von Kristallisationsbewegung vor, wie sie oben erläutert ist. Erfolgt 
also eine Deformation in einem Gestein, dessen Bestandteile wenigstens 
zum Teil mobilisiert sind, mit gleichförmiger Geschwindigkeit, so 
kann diese Geschwindigkeit eine gewisse Größe nicht überschreiten, 
ohne daß an die Stelle der molekularen Teilbewegung (Kristallisations- 
bewegung) mehr und mehr die rupturelle tritt, da Auflösung und 
Neukristallisation der mobilen Bestandteile eine gewisse Zeit erfordert, 
aber eine wichtige Rolle für die Ermöglichung der Kristallisations- 
bewegung spielt, die oben erläuterte Abhängigkeit der Teilbewegungs- 
geschwindigkeit von der Größe der Teile. Ein Extrem bedeutet der 
Fall, daß die Teile Moleküle sind. 

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, wie eine Faltung vor sich 
geht, bei welcher weder Korndeformation noch kristalline Mobilisation 
eine Rolle spielen. Hierfür bietet die Falte Abb. 1, aus gefalteten 
ungebundenen glazialen Sanden bei Innsbruck ein Beispiel. Von dieser 
Falte, deren Bau infolge von trockener Behandlung mit dem Gebläse 
in der Abbildung sehr gut hervortritt, wurde ein Präparat für das 
Mikroskop durch Aufkleben und Abreißen, wie es Rosenbusch be- 
schreibt, hergestellt. Es zeigte sich, daß die besonders durch Glimmer 
bezeichnete Feinschichtung bei der Faltung keine Verringerung und 
Störung erlitt. 


II. Faltung der unteren Schieferhülle. 


Die Faltungen in der unteren Schieferhülle im weiteren Sinn 
(einschließlich des Schneeberger Zuges etc.) wurden durch eine 
größere Anzahl (32) von Faltenquerschliffen untersucht. Wo es sich 
nicht um irgendwie besonders lehrreiche Fälle handelt, ist im Folgenden 
nur das Verhältnis zwischen Faltung und Kristallisation angegeben, 
wobei die Kristallisation aller Minerale gemeint ist, wenn nichts Be- 
sonderes bemerkt wird. 

Wie zu erwarten, handelt es sich bei diesen Gesteinen in der 
Regel um eine von der Kristallisation überdauerte Faltung; aber es 
kommen charakteristische Ausnahmen vor. In sehr vielen Fällen ist 
nicht nur der vorkristalline Charakter der Faltung, d. h. daß 
die Faltung von der Kristallisation überdauert wurde, sondern auch 


[39] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 605 


ihr parakristalliner Charakter sicher nachzuweisen, d. h. daß 
‚..sie nach dem Beginn und vor dem Ende, also während der Kristal- 
lisation erfolgt ist. Da es sich hierbei allem Ermessen nach in vielen 
Fällen um eine gleichsinnige Hauptphase der Kristallisation, nämlich 
um die „Tauernkristallisation“ handelt, so dürfen diese Beobachtungen 
wohl als lokale Begründungen der Annahme gelten, daß die tektonische 
Deformation der unteren Schieferhülle in der Regel in die Zeit 
ihrer Kristallisation fällt. Diese Regel, welche Weinschenk ge- 
bührend betonte, hat, wie eingehende Gefügestudien ergaben, mehr- 
fach charakteristische Ausnahmen. 


l. Graphitglimmerschiefer; Faulwand, Pfossental (südl. 
Ötztaler Alpen). 


Die durch Graphitstaublagen gut gekennzeichnete Feinschichtung 
ist stark gefaltet. Das Gestein ist ohne ersichtlichen Zusammenhang 
mit dieser Deformation gleichmäßig zersetzt (Bleichung der Biotite, 
Chlorit an Stelle von Biotit und Granat). Nichts weist darauf hin, 
daß das Gefüge mit seinen durchwegs fetzenförmig und unregelmäßig 
umgrenzten Bestandteilen jemals gut kristallin gewesen sei und die 
geringe relative (im Verhältnis zur Deformation betrachtete) 
Korngröße schließt eine sichere Beurteilung der Beziehung zwischen 
Kristallisation und Faltung aus. Es liegt also ein für diese Frage- 
stellung unverwendbarer Fall vor, an welchem nur die Feinschichtung 
hervorzuheben ist. Das Gestein gehört wahrscheinlich, aber nicht 
sicher, der unteren Schieferhülle an. 


2. Tremolitmarmor; Hintergrund des Pfossentales. 


Tremolitlagen und quarzreiche Lagen des Gesteins bezeichnen 
noch die ursprüngliche Feinschichtung. Diese ist jedoch vollkommen 
kristallisiert durch Neubildung der kristallographisch scharf umrissenen 
(1100; {110}) Tremolitstengel, des großkörnigen Kalzitgefüges und des 
in demselben mit den charakteristischen blastischen, weichen bis 
tropfenförmigen Konturen schwimmenden Quarzes, zwischen dessen 
Körnern der Kalzit da und dort nur noch die Rolle eines Zements 
spielt. Längsschnitte und Querschnitte durch die Falten zeigen, daß 
die Tremolitstengel fast durchwegs parallel zur Faltenachse liegen, 
nicht nur im Falienbogen, sondern auch in den parallelen Schenkeln. 
Kalzit und Quarz zeigen weder in der Form noch in den Achsen eine 
dementsprechende Regelung, wofern sie nicht als Zement zwischen 
Tremoliten oblonge Schnitte zeigen. Das mit Ausnahme geringer 
Beschädigungen von Tremoliten und undulöser Auslöschung der (ge- 
streiften) Quarzkristalloblasten unversehrte Gefüge der Falten erweist 
die Faltung als eine vorkristalline, zumindest vor Hem Ende der 
Kristallisation abgeschlossene. 

Die Stellung der Tremolite ist am besten als eine Anpassung 
an das zur Faltung korrelate Druckminimum zu bezeichnen, ohne 
damit genau genug “erklärt zu sein. 


3. Granatglimmerschiefer; Hintergrund des Pfossentals. 


Durch fAluidale Muskovitgeflechte, welche zerbrochene Granaten 
umfließen, ist das Einsetzen der fälteinden Druckbewegung nach der 


606 Bruno Sander. [40] 


Kristallisation von Muskovit und Granat erwiesen. Daß die Granaten 
Holoblasten sind, zeigen ihr Gehalt an scharfeckigen kleinen Quarz- 
körnchen, welche zwar meistens zonar, zuweilen aber als verlegtes si 
angeordnet sind. 

Auch Biotit ist zuweilen von der Durchbewegung berührt, meis; 
aber wohlerhalten. Dies geht, wie gewisse Stellen im Schliffe lehren, 
zum Teil auf die auch sonst oft zu beobachtende größere Widerstands- 
fähigkeit des Biotits im Vergleich zu Muskovit zurück und hänst 
anderseits auch damit zusammen, daß der Biotit hauptsächlich in 
einzelnen größeren Schuppen im Quarzgefüge liegt. Dieses ist fast 
unversehrt. Ob mehr infolge der Lokalisation der Teilbewegung im 
Muskovitgefüge oder infolge überdauernder Quarzkristallisation, ist 
nicht zu entscheiden. 

Sicher aber ist, daß Kristallisation von Biotit (Polygonalbögen) 
und Quarz (Verheilung der Granatfragmente) noch nach der Umfäl- 
telung vorkommt, welche als eine wesentlich nachkristalline, 
immerhin aber von der Kristallisation etwas überholte Teilbewegung 
die Glimmerschiefer des hinteren Pfossentales im weiten Ausmaße 
mit vertikaler Achse umgefältelt hat. Vgl. Abb. 7. 


4. Amphibolit; Pfossental. 


Dieses enggefaltete Gestein ist ein Muster für vollständig vor- 
kristalline, durch Abbildungkristallisation wiedergegebene enge 
Faltung. Keiner der Bestandteile Hornblende, Biotit, Plagioklas, Quarz, 
zeigt eine der Bewegung entsprechende Deformation. 

Die Bildung seltener querer Biotitholoblasten ist in einer Zeit 
erfolgt, als das ganze übrige Gefüge schon in seiner jetzigen Form 
vorlag. Quarz-, Erz-, Hornblende sieht man unverändert als unverlegtes 
sö durch diese Biotite ziehen, welche demnach zu den letzten Neu- 
bildungen gehören. Nur die Hornblende geht bisweilen nicht mit, 
sondern schneidet an Biotitholoblasten ab, wofür mir die Annahme, 
daß die Hornblendebildung nach Bildung solcher Biotite weiterging, 
brauchbar scheint, nachdem die Begründer der modernen Schiefer- 
lehre auf die Bedeutung der gleichzeitigen Bildung verschiedener 
Minerale vielfach hingewiesen haben. 

Die Biotite sind zuweilen mit 0:01 L s sehr oblong in s gediehen. 

Die Hornblenden stehen mit ihren Achsen nicht parallel zur 
Faltenachse, so daß keine Andeutung einer zur Faltung korrelaten 
Streckung da ist. Vgl. Abb. 4. 


5. Phyllitischer Glimmerschiefer; Pfossen hinter Vorderkaser. 


Dieses Gestein, dessen Feinschichtung durch Graphitstaub gut 
sichtbar ist, wurde intensiv umgefaltet. Im weiteren Verlauf der 
Durchbewegung erfolgte Bewegung im umgestellten s unter Zerreißung 
der Scharniere und Linsenbildung aus quarzreicheren Einlagen. Inner- 
halb dieser Linsen fand, wie die geringere Faltung ihrer Graphit- 
schichten erkennen läßt, nicht so starke Bewegung statt wie in ihrer 
glimmerreicheren Umgebung. Wahrscheinlich hängt damit zusammen, 
daß man in ihnen noch besser entwickelte Muskovitschüppchen findet, 
während aller übrige Muskovit die häufige „phyllitische“ Form hat, 
welche sich nur bei stärkster Vergrößerung in Schuppen auflöst. Mit 


[41] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 607 


Sicherheit läßt sich an den Fältchen innerhalb der Quarzlinsen fest- 
stellen, daß die Kristallisation die Fältelung überdauert hat, ob 
dies auch hinsichtlich der Bewegung in s gilt, ist nicht zu entscheiden. 


6. Paragneis mit Feinschichtung durch Graphit und geröll- 
artigen Quarzen. Schneeberg. 

Die Umfaltung dieses Gesteins ist von der Kristallisation über- 
dauert, hat aber auch ab und zu an fertigen Glimmern Spuren hinter- 
lassen, so daß man sie als parakristallin bezeichnen kann. 


7.Grünschiefer mit Ankerit; Wald über Gasteig im Ridnauntal. 

Nachkristalline Faltung. Der reichlich vorhandene Albit 
in Form ovaloider Körner in fluidalen Biotitgeflechten, welche wohl 
zur Hälfte Chlorit geworden sind. Vgl. Abb. 3. 


8. Glimmerschiefer zwischen den beiden Marmormänteln 
des Hochfeiler. 


Vorkristalline Faltung mit Spuren parakristallinen Charakters: 
gebogene Glimmer rings umgeben von unversehrtem Gefüge. 


9, Granatphyllit, Kar zwischen Rötheck, Pfunders, Hülle 
des Hochfeiler. 

Vorkristalline Fältelung von den Granatholoblasten um- 
schlossen und nicht weiter verlegt. Abgesehen von den Granaten 
geringe Kristallisation. 


10. Glimmerschiefer über dem tektonisch höheren Marmor 
der Röthelspitze, Ostwand, Pfunders, Hülle des Hochfeiler. 


Starke Fältelung im allgemeinen durch große unversehrte Glimmer 
(Muskovit und Biotit) abgebildet, also vorkristallin. Selten korre- 
late Biegung an Glimmer, als Zeichen parakristalliner Bewegung. 


11. Albitphyllit mit queren Biotiten, Gehänge der Kramer- 
spitze gegen Senges, Hülle der Zillertaler Gneise in der Sengeser Kuppel. 

Größere quere Biotitholoblasten mit unverlegtem gefälteltem si 
(Feinschichtung durch Graphit, Erz und Quarz) sind nach der Fäl- 
telung entstanden. 

Ganz dasselbe gilt von Albitholoblasten, welche, wie das über- 
haupt sehr häufig ist, Teile der fertigen Falten durch ein einziges 
Albitindividuum imprägnieren. 

Die Quarzlagen und die spärlich vorhandenen Kalzite sind 
unversehrt. 

Muskovit und die streng in s liegenden Biotite sind in den 
Faltenbögen zuweilen unversehrt, zuweilen etwas gebogen. 

Demnach scheint etwas Glimmer bei Beginn dieser im wesent- 
lichen vorkristallinen Fältelung schon vorhanden gewesen zu sein. 

An den Albiten ist noch besonders ihre häufig sehr oblonge 
Form hervorzuheben, welche dem infolge der Fältelung ganz ver- 
schieden orientierten s parallel und also auch selbst verschieden 
orientiert ist. Da die Albite jünger als die Fältelung sind, sind sie 
schon mit verschieden orientierten längsten Durchmessern entstanden. 
Es ist also für ihre oblonge Form nicht gerichteter Druck, sondern 
nur der Umstand entscheidend gewesen, daß ein Gestein mit Fein- 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (B, Sander.) 78 


608 Bruno Sander. [42] 


schichtung leichter // s imprägnierbar ist als quer s (Prinzip der 
besseren Wegsamkeit von s). 


12. Glimmerschiefer (Biotit, Muskovit), Gehänge der Kramer- 
spitze gegen Senges, Hülle der Zillertaler Gneise in der Sengeser Kuppel. 

Dieses Gestein ist ein sowohl gefälteltes als in größere Falten 
gelegtes (nach der Regel der Stauchfaltengröße) Muster für para- 
kristalline Faltung. In diesem Falle hat die Faltung eingesetzt, 
nachdem die Mehrzahl der schönen, übrigens selten chloritisierten 
Biotite vorhanden war und hat sie gestaucht und zu Falten gebogen, 
wie besonders an kleineren Falten deutlich wird. In anderen gleichı- 
großen Faltenbögen bilden ganz gleiche Biotite unversehrte Gebälke, 
wie sie nur bei Überholung der Faltung durch die Kristallisation als 
„reliktische“ Falten vorkommen können. Die Faltung ist also in bezug 
auf Biotit parakristallin. 

Dasselbe gilt in bezug auf den in kleineren Individuen kristal- 
lisierten Muskovit. 

Das aus isometrischen scharfeckigen Körnern bestehende Quarz- 
gefüge zeigt keine der Faltung entsprechende Kataklase, ist also 
vorkristallin gefaltet. Vgl. Abb. 8. 


15. Albitgneis aus der unteren Schieferhülle, Saun bei Sterzing. 


Dieses Gestein gestattet einen sehr lehrreichen Vergleich mit 
dem später vom Wechsel beschriebenen Beispiel vollkommen nach- 
kristalliner Durchbewegung. Denn im Gegensatz hierzu hat in diesem 
Falle die Kristallisation eine nicht weniger starke Durchbewegung 
und Umfaltung überdauert. Man findet neben immerhin noch zahl- 
reichen, aber für die Faltenbögen nicht ausreichenden Glimmerver- 
biegungen viele Stellen, welche noch die wirre Orientierung der 
zwischen Körnern deformierten Glimmergeflechte zeigen, aber aus 
unversehrten Blättchen bestehend, also neuksistallisiert. Die Quarz- 
kataklasen treten zurück. Die Albite zeigen wie gewöhnlich si (Quarz, 
Muskovit) ohne Biegung. 

Demnach hat hier Kristallisation der Feinschichtung und der 
Albite stattgefunden, sodann Durchbewegung und weiter noch Kristal- 
lisation. Die Durchbewegung ist also eine parakristalline In 
einem der Präparate wurde ein gefälteltes, schon ziemlich kristallines 
(oblonge Quarze, Glimmertäfelchen, Epidot) Gefüge durch Imprägnation 
mit großen Albiten fixiert, nach deren Bildung keine Bewegung mehr 
stattfand. 


14. Rhätizitphyllit mit Graphit; Saxalm, Venna, Brenner. 

Die Rhätizite dieses Gesteins erweisen sich durch die reich- 
liche Aufnahme des im Gestein vorhandenen Graphits und durch ihre 
Garbenform als Holoblasten. Ihre Kristallisation vor der faltenden 
Durchbewegung des Gesteins ist deutlich, denn sie sind immer in den 
Faltenbögen ausreichend gebogen und zerrissen. An den selteneren 
Fällen, in welchen die Rhätizite nicht mit c // s liegen, läßt sich 
erkennen, daß die ausgezeichnete Feinschichtung durch Graphit auch 
die Rhätizite durchziehen kann und daß der Graphit nicht immer nur 
nach c im Rhätizit geordnet ist. 


[43] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 609 


Ferner ermöglicht der Graphitgehalt die Unterscheidung allothi- 
genenen und authigenen Quarzes, namentlich tritt das vollkommene 
Fehlen des Graphits in ovaloiden Quarzkörneraggregaten (Geröllen) in 
lehrreichen Gegensatz zu der Erscheinung, daß in anderen Quarz- 
körnerlagen jedes Korn von Graphit umgeben ist, wodurch die 
klastischen Konturen auch ohne Nikol gut hervortreten.. Die neu- 
gebildeten Quarze dagegen enthalten selbst Graphit zuweilen sogar 
als schön erhaltenes si. Es gibt nun Fälle, wo solche neugebildete 
Quarze anläßlich der Faltung zerpreßt wurden. Auch ausreichende 
Biegung der Glimmer in den Falten ist oft zu beobachten. 


Das einzige Mineral, von welchem man sicher sagen kann, daß 
seine Kristallisation diese im wesentlichen nachkristalline Faltung 
und Bewegung in s überdauert hat, ist Quarz; denn man findet Falten 
aus gebogenen Glimmern von einheitlichen, nicht entsprechend mit- 
deformierten Quarzindividuen gänzlich umschlossen. Vgl. Abb. 2. 


15. Glimmerschieferlagen in Marmor, Huttnerbergalm, 
Valsertal, Brenner. 


Das Präparat ist ein Querschnitt durch zwei stark gefältelte 
mit Marmorlagen wechselnde Lagen von Glimmerschiefer. 

Sämtliche 5 Gesteinslagen bewegten sich vollständig nach- 
kristallin wie ein fluidaler Brei in dem sich Korn an Korn ver- 
schiebt. Dementsprechend fehlt die Regel der Stauchfaltengröße. Es 
liegt hier ein natürliches Produkt vor, welches eine Faltung von un- 
versehrtem Glimmerschiefer unter Umschluß durch den viel weicheren 
grobkristallinen Marmor, ohne kristalline Mobilisation, also ein sehr 
wünschenswertes Experiment vorstellt. 


Die Faltung hat eine vollkommen weichfluidale Form ohne an- 
dere Elemente der Teilbewe;zung als die einzelnen Körner. Man 
würde die Umformung im Experiment als eine eminent „plastische“ 
demonstrieren, wobei allerdings öfter als es geschieht anzuführen 
wäre „mit Kornzerbrechung“. 

Der Marmor hat gleichmäßig porphyroides Gefüge erhalten; in 
einer unauflösbaren Grundmasse mit Aggregatpolarisation schwimmen 
gleichmäßig verteilt die Reste der ehemaligen Körner des Marmors 
als vollkommen unregelmäßig, bisweilen auch unscharf umgrenzte, 
immer stark drucklamellierte Kristalle. 


Dagegen haben die gleichmäßig in Marmor verteilten Quarz- 
körner mit ganz wenigen Ausnahmen sich als widerstandsfähig er- 
wiesen, und da sie, von weicherem Marmorgefüge umschlossen, nicht 
aneinander gerieten, die charakteristischen blastischen Konturen von 
Quarz in Kalzit beibehalten. Wohl aber kam es zur Bildung von 
Böhmscher Streifung und Undulation. ; 

Im Glimmerschiefer zeigt das Verhalten der Glimmer nichts 
Besonderes: sie sind gestaucht, gebogen und in fluidale Geflechte 
verwandelt. 

Die Epidotstengel sind wurmförmig weich gebogen, so daß der 
Anschein einer stetigen Deformation entsteht. Mit starken Objektiven 
aber lassen sich stets Unstetigkeiten in der Auslöschung sehen: der 


78* 


610 Bruno Sander. [44] 


Kristall ist durch feine der Biegung korrelate Rupturen in optisch 
verschiedene Felder zerlegt. 


Dasselbe gilt bezüglich der Undulation der in s oblongen Quarze. 
Sie zeigen durchwegs Böhmsche Streifung. Es kommt auch der Fall 
vor, daß ein sehr oblonger Quarz in einer engen Falte vollkommen 
stetig gebogen ist, ohne daß nur eine Auflösung in Rupturen sichtbar 
wurde. Das ist die in Anbetracht meiner optischen Hilfsmittel sozu- 
sagen „relativ plastische* Deformation des Quarzes, welcher nicht 
selten, aber als Teilbewegung gegenüber den anderen Arten von ge- 
ringer Bedeutung ist. Bemerkenswert aber ist, daß es meines Wissens 
im Experiment, auch bei den großen Drucken, bisher nicht gelang, 
Quarz derart plastisch zu deformjeren, woraus man auf den bedeu- 
tenden Druck schließen kann, unter welchem solche Naturexperimente 
erfolgten. Das Gestein ist das beste mir bekannt gewordene Beispiel 
für plastisch gefaltete Quarze. 


16. Zweiglimmeriger Gneis unter dem Kalk der Kalkwand am 
Brenner. 


Sicher ist in einigen Falten der vorkristalline Charakter der 
Faltung inbezug auf Muskovit und Biotit. Außerdem beobachtet man 
aber in den Faltungen auch mehr oder weniger unzureichende, aber 
doch sehr deutliche Biegung der Glimmer. 


Es ist in diesem Falle nicht sicher zu entscheiden, ob diese 
Glimmerdeformationen nach der Abbildungskristallisation der anderen 
Falten erfolgte, ob also die Deformation oder die Kristallisation das 
länger dauernde Ereignis im Gestein war. Wahrscheinlich ist letzteres, 
da man unversehrtes Glimmergefüge im Innern von Falten findet, 
deren äußere Bögen deformierte Glimmer haben. Gewiß aber ist, daß 
diese deformierten Glimmer schon gut ausgewachsene Exemplare waren. 


17. Muskovit glimmerschiefer; Griesbergspitze, Brenner, 
über dem „Hochstegenkalk*. 


Von diesem Gestein gilt dasselbe wie vom eben beschriebenen. 
Nur spielen die Deformationen der gedrungenen Muskovite eine ge- 
ringere Rolle, so daß der vorkristalline Charakter der Faltung 
ıoch besser hervortrittt. 


13. Amphibolit mit Gneislage aus dem peripheren Zentral- 
sneis; Ploderalm, Tscheich im Valsertal, Brenner. 


Der Amphibolit besteht in der Nähe des Kontakts mit dem 
Gneis, mit welchem er verfaltet ist, aus Biotit und Epidot zu etwa 
gleichen Teilen; Chlorit spärlich (sekundär? ?). 


Die Faltung ist hinsichtlich aller Minerale geradezu ideal vor- 
kristallin. Zugleich darf man sie als parakristallin inbezug auf 
Biotit bezeichnen, da es vorkommt, daß ein großer Biotit rings um- 
geben vom unversehrten Gefüge der Falte in unzweideutiger Weise 
der Faltung entsprechend deformiert ist (Biegung und Gleitung‘ in 
[001]). Dieser Biotit enthält bereits haarscharf kristallisierte Epidote 
als Einschluß. 


Die Verfaltung ist demnach parakristallin. 


[45] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 611 


19. Glimmerschiefer, Gammerspitze bei St. Jodok am 
Brenner. 


Dieses im Handstück an die hochkristallinen Greinerschiefer noch 
erinnernde Gestein der unteren Schieferhülle ist vollkommen nach- 
kristallin gefaltet. Muskovit und Chlorit. 


20. Gneisphyllit im Kalk des Kahlen Wandkopf, Schmirntal, 
Brenner. 


Vollständig nachkristalline Faltung und Phyllitisierung eines 
Biotitgneises ohne Diaptorese. 


21. Knollengneis, Krierkar b. Hintertux im Liegend des 
Schmittenberg-Kalkes. 


Die Falten sind teils Polygonalbögen, teils treten Glimmer- 
biegungen hiezu. Parakristalline Faltung wahrscheinlicher als 
zwei verschiedene Deformationsphasen. 


22. Hochstegenmarmor mit gefalteten Lagen kristallinen 
Hornsteins. Höhlner Tuxertal. 


Das Gefüge der gefalteten Marmorlagen zeigt keinerlei Korn- 
deformation, abgesehen von Zwillingslamellen. 

Mit dem Verlauf des vom Falten-Querschnitt getroffenen Systems 
wechselnder Marmor und Hornsteinlagen stimmen sowohl innerhalb des 
Marmors als innerhalb des Hornsteins Andeutungen von Feinschichtung 
überein. So sind im Hornstein die allenthalb gleichmäßig eingestreuten 
winzigen Kalzitfüllungen der Intergranularräume des Quarzgefüges in 
diesem Sinne lagenweise etwas dichter gesät. Der faltende Druck 
ist dieser Schichtung gleichgerichtet erfolgt. Normal zur Schichtung 
und normal zu diesem Druck hat sich das Quarzgefüge in zweifacher 
Hinsicht geregelt. 

Die als Quarzgefügeregel vom Verfasser schon öfter beschriebene 
Regelung der c-Achsen ist da und dort wahrnehmbar, spielt aber 
keine bedeutende Rolle. 

Durchgreifend aber und als ein seltener Fall sehr hervorzuheben 
ist die Einstellung der stark oblongen und mit langen Fortsätzen 
ineinander greifenden Quarzindividuen, welche mit ihren langen 
Durchmessern normal auf die Schichtung und normal auf die Pressung 
stehen und so eine auf die Schichtung normale Schieferung herstellen. 
Das bedeutet einen Fall von echter Clivage in fast reinem Quarz- 
vefüge, welches derzeit so geringe Spuren von Kataklase zeigt, daß 
der vorkristalline Charakter dieser Faltungen sicher ist. Dem- 
nach wurde hier der Hochstegenmarmor mit seinen hornsteinartigen 
Einschlüssen vor Abschluß der Kristallisation gefaltet. 

Es gibt Stellen im Schliff, wo sich die Quarzkörner nicht mehr 
berühren, da sich trennender Kalzit zwischen sie mengt. Sobald dies 
eintritt, ist es mit der oblongen Form der Quarzkörner vorbei. Die 
Regelung nach längeren Durchmessern findet nur statt, wenn sich die 
Quarzkörner berühren; vielleicht, weil zur Zeit der Regelung eine 
Leitung gerichteten Druckes im Kalzitgefüge nicht möglich war. Die 
Hornsteinfalte zeigt keinerlei Abbildung von Biegetrajektorien. Ihre 
Clivage ist nach der Meinung des Verfassers ein Fall, welchen wohl 


612 Bruno Sander [46] 


nur Beckes Anwendung des Riekeschen Prinzips erklären kann. 
Bemerkenswert ist hierbei, daß die Quarzgefügeregel keine Rolle spielt. 
Dagegen ist es mit dem Gips ersichtlich, daß größere Gruppen sich 
berührender Körner zu einer jeweils mit den Achsen ähnlich orien- 
tierten gelben oder blauen Insel zusammentreten. Diese Inseln sind, 
wie die Einzelkörner, häufig oblong in s und ebenso mit Buchten und 
langen Armen ineinander verzahnt. Solche Fälle subparalleler Korn- 
verwachsung erklären sich manchmal, wie andernorts beschrieben, 
durch mechanische Zerlegung größerer Individuen. Vielleicht spielt in 
anderen Fällen und auch hier das bekannte Bestreben kristalliner 
Stoffe, mit möglichst parallelen Achsen zu verwachsen (nämlich 
aneinander zu kristallisiieren oder auch zu verschweißen) eine ge- 
wisse Rolle. 


Übersicht. 


1. Im Schneeberger Zug überwiegt vorkristalline Faltung, para- 
kristalline kommt bisweilen vor, rein nachkristalline wurde nur an 
der Grenze des Schneeberger Zuges gegen das südlich folgende Alt- 
kristallin gefunden. 

2. Die untere Schieferhülle der Zillertaler Gneise zeigte in der 
Hochfeilerkuppel vorkristalline Faltung, weiter westlich in der Sengeser 
Kuppel vorkristalline und parakristalline. 

3. Die untere Schieferhülle westlich und nördlich der Tuxer 
Gneise zeigte 

a) vorkristalline Faltung im Zentralgneis (der Tscheichalm), im 


Hochstegenkalk (Höhlner im Tuxertal) und noch über dem tiefsten 


Marmor (Griesbergspitze) ; 

b) parakristalline Faltung (in der tektonischen Einschaltung der 
Kalkwand am Brenner); über dem tiefsten Marmor, in der über den 
Hochstegenkalk gefalteten Gneisdecke (Krierkar); 

c) nachkristalline Faltung in den Rhätizitschiefern der Saxalm, 
im tiefsten Marmor und Glimmerschiefer der Huttnerbergalm, im 
Gneisphyllonit des Kahlen Wandkopf, an der Gammerspitze. In 
den beiden letzten Fällen handelt es sich wahrscheinlich um Ab- 
faltungen von der Schieferhülle. 

In den von der Tauernkristallisation ergriffenen Gebilden der 
unteren Schieferhülle (im stratigraphischen Sinne) ist also die Faltung 
im allgemeinen jedenfalls vor Abschluß der Kristallisation erfolgt. 
Außerdem ist es zuweilen noch nachweislich, daß sie vor der Haupt- 
phase der Kristallisation und wieder in anderen Fällen während der 
Kristallisation erfolgte. Diese Regel, daß die Faltung von der Tauern- 
kristallisation überdauert ist, hat ihre bereits anläßlich der Be- 
sprechung der Bewegung in s hervorgehobenen Ausnahmen: Sie tritt 
desto mehr zurück, je weiter man sich vom Zentralgneis entfernt 
(abgesehen von ihrer ausgesprochenen Geltung für den Schneeberger 
Zug), ferner am Nordrand der Gneise in der Rensenzone, d. h. am 
Südrand der gesamten Schieferhülle. 

Zur Frage, ob die kristalline Mobilisation, etwa wie in manchen 
Kontakthöfen, die Faltung begünstigt habe, ergeben die Präparate 
keinen Beitrag. Die Kristallisation spielt sowohl als Teilbewegung 


[47] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 613 


der Faltung (z. B. Ausheilung von Rupturen) eine Rolle als auch 
indem sie fertige Falten durch oft sehr ungefüge große Kristalle 
abbildet. Letztere Rolle scheint mir die wichtigere, ist allerdings auch 
leichter nachzuweisen, weil bei einer gewissen Größe der Kristalle 
im Verhältnis zur Falte die nachträgliche Kristallisation ganz 
deutlich wird. 

Es ist also im allgemeinen wahrscheinlich, daß die Kristallisation 
nach der Deformation in Ruhe erfolgte. Wahrscheinlich bedeutete die 
Kristallisation mit ihren derben Glimmer- oder Hornblende-Holoblasten 
oder der fast lückenlosen Imprägnation mit Albit oder Granat oft 
geradezu die mechanische Erstarrung des Gesteins nach einer Phase 
größerer Gefügebeweglichkeit. 

Jedenfalls machen sowohl die Beobachtungen an s als an den 
Falten vorsichtig in der Annahme von Kristallisation als Teilbewegung 
(Kristallisationsbewegung), welche übrigens die Annahme einer nicht 
überschrittenen Maximalgeschwindigkeit der Deformation verlangt, 
wenn sie vorwalten soll. 


III. Faltung im Altkristallin. 


Aus dem Altkristallin wurde eine Anzahl von Beispielen für 
vorkristalline und für nachkristalline Teilbewegung untersucht, welch 
letztere in einigen Fällen mit Diaphthorese verbunden war. Nach 
diesem Gesichtspunkte werden die Gesteine zuletzt geordnet, vorerst 
aber in anderer Reihenfolge besprochen. 

1. Amphibolit vom Gröllerjoch bei Pens, Sarntal. Von diesem 
im vorliegenden Querschnitte lebhaft gefalteten Massengestein wurde 
bereits andernorts hervorgehoben, daß seine starke Durchbewegung 
in die Zeit vor der vollständigen Erstarrung fiel und von Selbst- 
injektionen des Gesteins mit sauren Resten begleitet war. Mit diesem 
Befund im Felde stimmt es gut überein, wenn wir im Schliffpräparat 
ein Musterbild vorkristalliner Amphibolitfaltung hierin vergleich- 
bar mit dem aus der unteren Schieferhülle des Pfossentales beschrie- 
benen Amphibolit vorfinden. Das Gefüge (Hornblende und Plagioklas) 
besteht trotz der intensiven Faltung in einem dicht geschlossenen 
Mosaik ohne jede mechanische Deformation der Körner, wenn man 
von Verbiegungen an Chloritblättchen absieht. Die Hornblende liegt 
in den Scharnieren nicht parallel mit den Faltenachsen, wie dies bei 
vorkristallin gefalteten Amphiboliten zuweilen vorkommt. Es ist also 
kein Zeichen von Streckung vorhanden. Auch scheint mir die Stellung 
der Hornblende quer zur Faltenachse an und für sich geradezu gegen 
die Annahme zu sprechen, daß die Kristallisation der Hornblende als 
Differentialbewegung der Faltung erfolgt sei. Denn es wäre in diesem 
Falle Parallelstellung zwischen Hornblendestengeln und den Achsen 
der engen Falten wohl eher zu erwarten. 

2. Als Muster eines nachkristallin umgefalteten Amphibolits, 
dessen starke Teilbewegungen durchwegs rupturell erfolgt sind, erwies 
sich der Amphibolit der Breitenau in Steiermark. Auch tritt in 


614 Bruno Sander. [48] 


diesem Falle Chloritisierung gänzlich zerquetschter Hornblenden, also 
Diaphthorese im engsten Zusammenhang mit der Gefügebewegung 
selbst auf. 


3. Andernorts wurde auf die Verfaltung der altkristallinen 
Unterlage der Kalkkögel bei Innsbruck mit dem Ralkmeso- 
zoikum hingewiesen. Dieser Unterlage aus Stubaier Gneis wurden an 
mehreren Stellen Falten entnommen. Übereinstimmend mit der nach- 
kristallinen n ds dieser Gesteine wurde gänzlich nachkristalline Um- 
faltung gefunden bei Proben von der Starkenburger Hütte und aus 
einer tektonischen Gmeiseinschaltung in den Dolomit des Burgstall 
(Stubai). Mit dieser nachkristallinen Umfaltung ist Diaphthorese ver- 
burden. Dadurch treten diese Gesteine in bemerkenswerten 
Gegensatz zu später zu beschreibenden Umfaltungen im Altkristallin, 
welche ebenfalls nachkristallin aber ohne Diapthorese vor sich giengen 
(Pustertal s. u. pag. 617). Nicht so einfach liegen die Verhältnisse in 
den Präparaten, welche vom Sonntagsberg bei der Pichlerhütte, also in 
einiger Entfernung von der Kalkkögeltrias dem Kristallin entnommen 
wurden. 


Die Falten von der Starkenburger Hütte zeigen serizitische 
(Muskovit?) Zerschmierung von Feldspaten, Verwandlung der Glimmer 
in Geflechte und Kataklase des Quarzes. Biotit fehlt, vielleicht war er 
an Stelle des sehr spärlichen Chlorits vorhanden. Diese Umwandlungen 
begleiten als d s die Umfaltung. Diese Gesteine mag man also 
Diaphthorite nennen. 


In dem stark umgefalteten granat- und staurolithführenden Glimmer- 
schiefer vom Sonntagsberg sieht man herrschend ein Musterbild vor- 
kristalliner Faltung, deren unversehrte Glimmergebälke keine Be- 
ziehung zur Faltung besitzen als die Anordnung in engen Bögen. Von 
allen anderen hier angeführten Gesteinen aber unterscheidet sich das 
vorliegende, indem es da und dort wie Inseln im spiegelklar kristal- 
lisierten Gefüge Stellen stärkster Diaphthorese zeigt, an welchen fast 
restlos glimmerig zersetzte große Plagioklaskörner die Hauptrolle 
spielen. Es liegt also ein Gestein vor, in welchem progressive und 
regressive Metamorphose in Extremen unmittelbar nebeneinander 
auftreten. 


Welches Verhältnis haben diese Metamorphosen zueinander 
und zur Teilbewegung im Gefüge? Sind diese Metamorphosen gleich- 
zeitig erfolgt oder wie das Regel ist, die regressive nach der pro- 
gressiven, oder sind die „diaphthoritisch“ zersetzten Feldspate Reste 
einer früheren Phase, welche von der progressiven Neukristallisation 
sozusagen nicht bewältigt wurden? 


Betrachtet man mit Bezug auf solche Fragen Mineral für Mineral, 
so findet man Granaten als frühzeitig gebildete Holoblasten. Darauf 
weist ein sehr feinkörniges, hauptsächlich aus Quarz bestehendes si, 
welches als alte, noch ungefältelte Feinschichtung die Granaten durch- 
zieht, gänzlich verlegt gegen das jetzige hochkristalline und groß- 
körnige se. Ebendahin weisen Fälle, in welchen sich wohlausgebildete 
Biotite als unversehrter Rahmen an die Dodekaederflächen des Gra- 
naten haarschar? eng anlegten. Frühzeitig erfolgte also in einem fein- 


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[49] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 615 


geschichteten Gestein die Bildung von Granatholoblasten, bekanntlich 
ein häufiger Fall. 

Anzumerken ist, daß es auch Granaten gibt, welche bereits 
einen Kern aus entmischtem und chlorisiertem Biotit, Plagioklas und 
Quarz umschließen. Von den zahlreichen Staurolithen zeigte nur einer 
si (Quarz), was lediglich ihren holoblasten Charakter zeigen mag. 

Nach Beginn der Kristallisation, nach Bildung der Granaten mit 
ungefälteltem, jetzt verlegtem si, erfolgte noch vor der Hauptphase 
der Glimmerbildung (Muskovit und Biotit) die Umfältelung. Der 
parakristalline Charakter dieser Gefügebewegung ergibt sich 
daraus, daB die von ihr erzeugten Faltenbögen vielfach durch un- 
versehrte Glimmergebälke abgebildet sind. Nachdem der wesentliche 
Teil der Umfaltung vorüber war, erfolgte der wesentliche Teil der 
Glimmerkristallisation. 

Eine weitere Phase in der Entstehung dieses Gesteins bildet 
nun die Kristallisation der Plagioklase. Denn diese Holoblasten haben 
Teile der bereits aus hochentwickelten Biotiten und Muskoviten be- 
bestehenden Faltenbögen als unverlegtes si umschlossen. 

Bis daher zeigt das Gestein progressive Kristallisation und Teil- 
bewegung in einem häufig zu beobachtenden und gut deutbaren Ver- 
hältnis. Die nun folgende Gefügebewegung und Diaphthorese erweist 
sich dadurch als eine jüngere, daß sie augenscheinlich bereits in 
derselben Form wie die unbeschädigten Holoblasten fertig ausgebil- 
dete Kristalle ergriff oder, anders gesagt, lokal in dem bisher be- 
schriebenen Gefüge auftrat. Zunächst ist eine lokale, bisweilen sehr 
intensive nachkristalline Teilbewegung zu unterscheiden, die vor- 
kristalline Deformation durch Bewegung im umgestellten s gleich- 
sinnig fortsetzt. Sie braucht sich deshalb zeitlich nicht unmittelbar 
an dieselbe angeschlossen zu ‚haben, sondern hätte nach der oben ge- 
wonnenen Anschauung über die Kristallisation lediglich vorgebildete 
Bahnen benützt und weiter gebahnt. 

Der nachkristallinen Teilbewegung gehören auch heftige Kne- 
tungen ganz frischer Biotite und Muskovite an, so daß man keinen 
ausnahmslosen Zusammenhang zwischen ihr und der Zersetzung be- 
haupten darf. Unzweifelhaft aber scheint mir, daß die Entmischung 
(Oxydstaub und Sagenit) und Chloritisierung der Biotite, die Ver- 
glimmerung der Plagioklase an Sprüngen und bei glimmeriger Zer- 
pressung und Zerschmierung vielfach im Gefolge dieser Differential- 
bewegung auftritt, vielleicht nicht als Modus derselben, aber von ihr 
vorbereitet. Auch die Zerbrechung von Staurolithen, in deren Klüfte 
Glimmer eingepreßt sind, gehört noch in diese Phase des im Gefüge 
komplizierten, aber infolge seiner Faltung gut analysierbaren kristal- 
linen Schiefers. Ü 

4. Staurolithschiefer aus dem Falbenairtal, Lang- 
taufers. 

Dieses Präparat, dessen Material ich meinem Freunde Hammer 
verdanke, zeigt in den Faltenquerschliffen ein Musterbild nach- 
kristalliner Faltung an einem hochkristallinen Schiefer. Man kann 
wieder beachten, daß die Diaphthorese durchaus nicht ohne weiteres 
mit Durchbewegung zu identifizieren ist, denn dieses Gestein enthält 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (B. Sander.) 9 


616 Bruno Sander. [50] 


weit weniger Diaphthoritmerkmale als manche andere Gesteine, deren 
nachkristalline Teilbewegung viel geringer ist. 

Die Chloritisierung oder Entmischung des durchwegs sehr stark 
zerkneteten Biotits ist eine Seltenheit und findet in Gestalt rosetten- 
förmiger Aggregate statt ohne direkten Zusammenhang mit der Durch- 
bewegung, wenngleich wahrscheinlich im Gefolge derselben. Ver- 
elimmerung der Feldspate ist etwas häufiger. Staurolith und Granat 
haben lediglich Zertrümmerung erlitten. Größere Quarze und Plagio- 
klase erweisen sich durch ein nicht weiter ausdeutbares si als 
Holoblasten. Die auffällig geringe Kataklase des sonst sehr empfind- 
lichen Quarzes scheint mir darauf hinzuweisen, daß die Quarzkristal- 
lisation die Deformation überdauerte. Die in tektonischen Fazies 
häufige Quarzgefügeregel fehlt. 


5. Granat-Staurolith-Glimmerschiefer vom Eder- 
wiesl über Pens im Sarntal. 


Dieses Präparat, aus dem stellenweise bis zum Arteritcharakter 
imprägnierten Glimmerschieferzug Meran—Tauferertal zeigt die, größte 
Ubereinstimmung mit dem eben beschriebenem gefalteten Otztaler 
Glimmmerschiefer. 


Auch hier ist bei intensivster nachkristalliner Faltung und 
Bewegung in s, welche sich an den beiden Glimmern und Staurolith 
am stärksten äußert, die diaphthoritische Zersetzung ganz gering, 
namentlich die Frische stark zerpreßter Plagioklase auffällig. Man 
findet Zersetzung stark gepreßter Granaten und eine feinstem Serizit- 
gewebe ähnliche Zersetzung der Staurolithe längs Sprüngen und am 
Rande isolierter Trümmer. 


6. Glimmerschiefer, Taserbauer bei Meran. 


In dieser Probe aus demselben Glimmerschieferzug liegt ein 
Beispiel für vorkristalline Falten, vor deren Bögen von unver- 
sehrten Glimmern abgebildet sind. Diaphthorese fehlt. Im Kern der 
Falte herrscht der Pressung entsprechende Quarzgefügeregel, vielleicht 
ein Hinweis auf grobmechanische Quarzdeformation vor der Neu- 
kristallisation. Denn die Regel ist für mylonitische Schieferung 
charakteristisch. Vgl. Abb. 5. 


7. Glimmerschiefer, Penserjoch (Sterzing—Sarntal). 


Ganz allgemein und ohne Beziehbarkeit auf die Umfaltung 
herrscht Chloritisierung und schwache Kataklase der Quarz- und Feld- 
spatkörner. Die Faltung dürfte nachkristallin sein, jedoch ist 
das wegen der geringen Korngröße nicht festzustellen. Je geringer 
die Größe eines Gefügeelements im Verhältnis zur Größe des defor- 
mierten Körpers ist, desto geringer und also auch desto schwieriger 
wahrnehmbar wird der absolute Betrag der Teilbewegung der Elemente 
gegeneinander. Dieselbe Deformation, welche in einem großkörnigen 
Körper zu starken Korndeformationen oder zu dem absoluten Betrage 
nach großen Verschiebungen der Körner aneinander führt, könnte 
c. p. dieser Körper bei kleinerem Koın ohne so große Gefüge- 
bewegungen erleiden. Nach dieser Regel, welche auch geologisch zum 
Ausdruck kommt, eignen sich Falten mit sehr kleinem Korn schlecht 


[51] Beiträge aus deu Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 617 


für die Entscheidung zwischen vorkristalliner und nachkristalliner 
Deformation. Im vorliegenden Falle machen nur einzelne größere ge- 
knetete Glimmer nachkristalline Faltung wahrscheinlicher. 


8. Biotitgneis vom Jaufen zeigt in Gestalt einer spitzen 
Falte unversehrten Gefüges vorkristalline Faltung. 


9, Gelneg bei Mauls. Gefalteter saurer Gang in Biotit- 
gneis. Die Faltung ist vollkommen nachkristallin und mit starker 
Zersetzung verbunden. 


10. Granatamphibolit mit Chlorit. Hintergrund des 
Altfaßtales (Pustertal). 

Den Kern der isoklinalen Spitzfalte bildet ein Quarzgefüge aus 
großen verzahnten Körnern mit geringer Kataklase. Hieraus ergibt 
sich mit Sicherheit, daß die Faltung von der Quarzkristallisation 
überdauert ist. 

An den sehr kleinen Körnern von Quarz, Plagioklas, Granat, 
Zoisit und Hornblende ist nichts Entscheidendes festzustellen. Größere 
Chlorite, sekundär aus Biotit, sind zuweilen gebogen. Sichere Spuren 
nachkristalliner Deformation zeigt also nur der Chlorit, doch ist das 
Verhalten der übrigen Bestandteile wegen geringer Korngröße nicht 
eindeutig. 


I1. Gefaltete Granit- und Aplitgänge in altkristallinen 
Schiefern des Altfaßtales (hinteres Altfaßtal, orogr. linkes Gehänge). 

a) Turmalinaplit liegt als kleiner Lagergang in Glimmerschiefer. 
Beide werden von einem Granitgang quergeschnitten. 

Der Zwickel aus Glimmerschiefer zwischen den beiden Gängen 
ist stärkstens durchgeknetet und gefältelt. Die Teilbewegung ist eine 
vollkommen nachkristalline, was besonders Biotit und Muskovit 
illustrieren. Diaphthorese fehlt. 

Gleiches ist überaus deutlich in der jüngsten, granitischen In- 
trusion; weniger deutlich, wie zu erwarten, an dem älteren fein- 
körnigen Turmalinaplit. Da die starke Durchbewegung jünger als der 
Granit ist und also auch jünger als der Aplit, so wird in diesem Falle 
anschaulich, daß geringe Korngröße geringe Korndeformation begünstigt. 

Alle drei Gesteine sind nachkristallin ohne Diaphthorese durch- 
bewegt, 

b) Querschliffe durch enggefaltete ptygmatitähnliche Aplitgänge 
mit sehr turmalinreichen Bändern zeigen deutlich den nachkristallinen 
Charakter der Faltung. Sowohl im Intrusiv als im Glimmerschiefer 
fehlt Diaphthorese, Unversehrte Turmaline fallen auf. 

Nach diesen Beispielen erscheint nachkristalline Faltung der 
intrudierten Glimmerschiefer und ihrer Gänge häufig, worin ein 
Unterschied von den vorkristallin deformierten Ptygmatiten bei manch- 
mal großer äußerer Ähnlichkeit liegt. Hiermit läßt sich die schon viel 
früher beobachtete (Sambok bei Bruneck etc.) Faltung dieser Glimmer- 
schiefer und ihrer Intrusionen nach der Intrusion gut vereinbaren. 
Die geringe oder fehlende diaphthoritische Zersetzung der gefalteten 
Gesteine harmoniert sehr gut mit der Beobachtung an den ohne 
Diaphthorese durchbewegten und phyllitisierten Augengneisen dieser 
Zone (Passenjoch). 


9* 


618 Bruno Sander. [52] 


Fast für das ganze hier aus dem Tiroler Altkristallin untersuchte 
Material an Schliffen durch Falten (ca. 20 Schliffe) ergab sich also 
nachkristalline Faltung; mit diaphthoritischer Zersetzung (z. B. 
Stubaier Schiefer unter den Kalkkögeln) oder ohne solche (z. B. 
Pustertal). 

In betreff des Verhältnisses der Diaphthorese zur Faltung 
ergab sich folgendes: 

Von gleich stark nachkristallin umgefalteten Gesteinen hat die 
Diaphthorese manche lokal, manche allgemein aber schwach, manche ° 
gar nicht ergriffen, ohne daß in Mineralbestand und Intensität der 
Durchbewegung die Ursache dieser Verschiedenheit liegen kann. Die 
diaphthoritische Zersetzung erscheint in vielen Fällen als ein Vorgang, 
welcher ohne primären Zusammenhang mit der Differentialbewegung 
(etwa als eine Form derselben), die bereits deformierten Gefüge er- 
greift. Da dies aber bisweilen an den stärkst durchbewegten Stellen 
am stärksten geschieht, scheint der Durchbewegung eine die Diaph- 
thorese erleichternde Rolle zuzukommen. Nicht ausgeschlossen ist es, 
daß in manchen Fällen Zersetzung und Teilbewegung einan- 
der gegenseitig wechselweise steigern und lokali- 
sieren, ohne daß man mit Sicherheit die Diaphthorese als einen 
Modus der Teilbewegung deuten könnte. 


12. Albitgneis von St. Corona am Wechsel. 


Mohr hat (1912, Denkschr. d. Akad. d. Wissensch., 88. Bd., 
pag. 651, ibid. 1913, 82. Bd., pag. 330, Fußnote pag. 377) die Frage 
aufgeworfen und zum Teil bejaht, ob der Tauernhülle und den 
Wechselgesteinen Albitgesteine und Grauwackengesteine gemein sind. 
Da übrigens die Albitgesteine der Tauernhülle schon lange von 
Weinschenk beschrieben waren und später vom Verfasser 
(Denkschr. d. Akad. der Wissensch. 1911, 82. Bd., pag. 296 ff., 
Jahrb. der k. k. geol. Reichsaustalt 1912, pag. 277 ff.), da ferner 
vom Verfasser die Wechselgesteine schon direkt mit Tauernhülle 
verglichen worden waren und beide mit der Grauwackenzone (vgl. 1910 
Verhandlungen der k. k. geol. Reichsanstalt, Nr. 16), so waren Mohrs 
Fragen schon bejaht, ehe er sie aufwarf. Unter solchen Umständen 
schien ein Vergleich zwischen der Faltung der Albitgneise vom Wechsel 
und der Albitgneise der Tauern angebracht. 

An mehreren Stellen war bereits von der Gefügebewegung dieser 
in der unteren Schieferhülle und im Wechselgebiet häufigen Albit- 
gesteine die Rede. Da ich nur bei St. Corona für mich passende 
schleifbare Faltungen fand, werden erst spätere Untersuchungen er- 
geben, wie weit für die Wechselgneise das hier erörterte Verhältnis 
zwischen Kristallisation und Teilbewegung gilt. 

Die Quer-Dünnschliffe der Faltungen (Scharniere mit einigen 
Zentimetern Schenkeldistanz und Höhe) zeigen folgendes: 

Die Glimmer (Muskovit und Biotit) zeigen intensive Fältelung 
und » d s nach der Kristallisation. Sie sind verbogen und in fluidale 
Geflechte verwandelt, welche die augenförmigen Albitkörner umfließen. 
Die stärkere Knetung der Glimmer an den Scharnierenden ist deutlich. 
Diese Albite zeigen vollkommen den Habitus der aus der unteren 


[53] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 619 


Schieferhülle beschriebenen auch hinsichtlich ihres si (stark oblonge 
Quarze, Muskovit, etwas Biotit). Dieses ist immer stark verlegt. 
Außerdem erweisen auch Zerpressungen der Albite, welche in den 
Scharnieren am stärksten werden, n d nach der Kristallisation und 
korrelat zur faltenden Deformation. 

Besonders deutlich wird es an den Quarzen, daß die starke 
nachkristalline Gefügebewegung eine vollkommen ausreichende 
Teilbewegung der Faltung ist. Denn dfe stark kataklastischen Quarze 
sind dem Drucke in den Faltenknien entsprechend im Stengel zer- 
preßt und geregelt, wie dies schon an Quarziten vom Verfasser be- 
schrieben wurde. 

Ganz wie die Albitgneise der Schieferhülle erlebte dieses ur- 
sprünglich feingeschichtete Gestein Kristallisation der Feinschichtung 
bis zu einem gewissen Grad sodann Albitisation und stärkste nach- 
kristalline n ds mit Umfaltung. Vor der Albitisation hat keine 
Faltung stattgefunden, wie das vollkommen unversehrte und gerad- 
linig laufende si zeigt. Zuweilen ist aller oder fast aller Biotit Chlorit 
geworden. Diese Chloritisierung findet mehr oder weniger ausgedehnt 
statt in Biotitgeweben, welche bereits unter Herausbildung der Fetzen- 
form der Biotite durchbewegt sind, also als lokale Veränderung nach 
der Gefügebewegung und nicht unmittelbar abhängig von derselben, 
etwa nur an den stärkst deformierten Stellen; wie das ja auch vor- 
kommt. Ahnlich wie die Verglimmerung der Albite kann also die 
Chloritisierung sowohl statisch als in Form einer Deformationsmeta- 
morphose im engeren Sinn auftreten. 


Durch die starke vollständig nachkristalline Teilbewegung unter- 
scheidet sich das Gestein von St. Corona von umgefaltetem Albitgneis 
aus der unteren Schieferhülle am Saun bei Sterzing (vgl. pag. 608), 
dessen Umfaltung stark von der Kristallisation überholt ist. 


13. Granatphyllit und -Glimmerschiefer des Turrach- 
tales, Steiermark. Diese Gesteine sind umgefältelt oder in größeren 
Falten bis zum Verschwinden der spitzen Scharniere umgefaltet. 

a) Umgefältelter Granatphyllit. 

Die Granaten zeigen in einem unregelmäßig umrissenen Kern 
meist nur eine schwache Andeutung der in den Randpartien vor- 
züglich ausgeprägten internen Reliktstruktur. Diese Kerne könnten 
entweder primär-klastische Körner sein, was das Fehlen von si er- 
klären würde. Oder man kann annehmen, daß das Wachstum der 
Granatholoblasten anfänglich ohne Aufnahme von si erfolgte, wofür 
man genug Beispiele kennt, ohne freilich eine sichere Ursache 
angeben zu können. Für die zweite Annahme spricht es, daß meistens 
si im Kern nicht ganz fehlt, sondern lediglich bedeutend schwächer 
ist, si besteht aus feingeschichtetem Quarz mit Erz und Opazit, meist 
gänzlich ungefältelt, manchmal mit beginnender Umfältelung. In 
solchem Gefüge erfolgte also die Granatbildung und Bildung von 
Muskovit und viel spärlicheren Biotitlamellen; sodann erfolgte die 
wesentlich nachkristalline Umfältelung, welche die 
Glimmerlamellen bog, knickte und an den Granaten staute, welche 
das ruhige si davor bewahrten. Hierbei erhielten zuweilen die Granaten 


620 Bruno Sander. [54] 


Risse, welche der auch nach der Durchbewegung noch mobile Quarz 
verheilte. Bis auf die reliktfreien Kerne der Granaten habe ich 
gleiches in der unteren Schieferhülle gefunden. Diaphthorese fehlt 
völlig. 

b) Umgefalteter Glimmerschiefer (Muskovit, Biotit, 
Quarz). 


An einem Querschnitt durch eines der vollkommen ausgespitzten 
Scharniere läßt sich sehr gut vorkristalline und nachkristalline 
Teilbewegung derselben Deformation trennen. Die zentralen Teile des 
Scharniers, wenn bei einer so enggeschlossenen Falte mit parallelen 
‘ Schenkeln der Ausdruck zentral erlaubt ist, zeigen die Umbiegung 
ausgeführt durch fast durchwegs unversehrte große Biotite, deren 
Polygonalbögen das typische Bild für eine von der Kristallisation 
gründlich überdauerte Deformation aufweisen. In den dieses Quarz- 
Biotitgefüge umhüllenden Bögen zeigen die Glimmer, besonders aber 
der Muskovit, die Zeichen stärkster nachkristalliner Teilbewegung, 
Biegung und Glimmergeflechte durch nds. Ebenso hat intensive nach- 
kristalline nds in den parallelen Faltenschenkeln stattgefunden. 

Mehrere Ursachen dürften diese Sachlage bewirkt haben. Der 
Kern des Scharniers war durch reichlichen Quarzgehalt versteift und 
bot in seinem mechanischen Schutzbereich dem kristallisierenden Biotit 
Ruhe vor weiteren Differentialbewegungen. Auch die Muskovite gediehen 
hier zu großen unversehrten Schuppen. Dagegen nahm der Muskovit 
außerhalb dieses Bereiches fast die ganze weitere Differentialbe- 
wegung auf. Hiermit dürfte zusammenhängen, daß auch in den Muskovit- 
geflechten noch fast unversehrte Biotitgebälke vorkommen. 

Jedenfalls liegt hier ein sehr deutlicher Fall von Umfaltung 
während und nach der Glimmerkristallisation vor; ohne 
Diaphthorese. 


14. Glimmerschiefer vonRamingstein im Lungau. Voll- 
kommen umgefaltet. 


Die Granaten dieses Glimmerschiefers sind sehr oft oblong. Sie 
nehmen in solchen Fällen zwar verschiedene Stellungen gegenüber s ein, 
stimmen jedoch in der Längsrichtung genau mit ihrem s überein, welches 
gewöhnlich ausgezeichnet sichtbar ist. In einem Gestein mit Fein- 
schiehtung und feinem Korn fand also die Kristallisation von Granaten 
statt, deren zuweilen in s oblonge Form wohl durch die leichtere 
Stoffzufuhr in s zustande kam. Diese Feinschichtung vor der Granat- 
bildung zeigt nie eine Spur von Fältelung. Durch die folgende Diffe- 
rentialbewegung im Gestein ist sö fast stets verlegt. Dagegen ist die 
Umfaltung von der Kristallisation von Biotit, Muskovit 
und Quarz überdauert, demnach, wenn man auch den Granat 
in Betracht zieht, eine parakristalline. An Stelle der Biotite 
treten bisweilen feinstkörnige Aggregate. 

siim Granat enthält außer isometrischem und oblongem, scharf- 
eckigem Quarz auch noch Erz und schon wohlgebildete Biotitschüpp- 
chen. Demnach waren solche schon vor der Durchbewegung vorhanden 
und wir haben das jetzige Biotitgewebe daraufhin zu betrachten. Dieses 
erweckt vielfach den Eindruck, daß die Regeneration größerer zer- 


[55] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 621 


störter Biotite zuweilen keine vollkommene geworden ist, sondern an 
Stelle derselben Aggregate mit Siebstruktur, treten. Vielleicht ließe 
sich diese Vermutung an einem größeren Schliffmaterial beweisen. 


Übersicht. 


Die Beispiele aus altkristallinen Arealen erlauben folgende 
Hinweise: 

Vorkristalline Faltung erfolgte in den schon vor ihrer gabbroiden 
Erstarrung durchbewegten Amphiboliten vom Weißhorn im Sarntal, 
welche hierbei auch Selbstinjektion mit sauren Resten erlitten. 

In dem Zuge von Altkristallin nördlich vom Brixner Granit wurde 
außerdem vorkristalline Faltung noch nachgewiesen in mineralreichen 
Glimmerschiefern vom Thaser Hof bei Meran und in einem Beispiel 
vom Jaufen. Bezeichnend aber ist für diesen Gesteinszug nachkristalline 
Faltung meist ohne zugehörige Diaphthorese (Langtaufers, über Pens, 
Penserjoch, Mauls) und besonders ist das von den der äußeren Form 
nach oft Ptygmatiten gleichenden Faltungen der Aplit- und Granit- 
gänge im Glimmerschiefer (Altfaßtal) anzumerken. 

Nachkristallin mit korrelater Diaphthorese ist die Verfaltung der 
Stubaier Gneise mit dem Mesozoikum der Kalkkögel. Im Osten wurde 
in den Amphiboliten der Breitenau (nördl. Graz) nachkristalline Faltung 
mit Diaphthorese gefunden und im Albitgneis des Wechsel, der sonst 
den Tauernalbitgneisen vollkommen entspricht, nachkristalline Faltung. 

Auch für parakristalline Faltung wurden im Osten (Lungau) 
Beispiele gefunden. 


IV. Faltung in phyllitischen Gesteinen. 


Das Material für diese Schliffe wurde folgenden Gebieten ent- 
nommen: Quarzphyllit südl. des Brixner Granits (12 Schliffe); Quarz- 
phyllite und Kalkphyllite der oberen Schieferhülle einschließlich der 
Tuxer Phyllite und ihrer Einlagen sowie der Tarntaler Phyllite 
(18 Schliffe); Quarzphyllit der Tuxer Voralpen einschließlich Nößlacher 
Joch und Turrach in Kärnten (7 Schliffe). 

Damit, daß die hier zusammengestellten Gesteine im Vergleich 
zu Altkristallin und unterer Schieferhülle arm an Neubildungen sind 
und ihr Korn sehr klein ist, wird die Aufgabe, Beziehungen zwischen 
Kristallisation und Teilbewegung zu untersuchen, zuweilen schwierig, 
zuweilen unlösbar. 

1. Albitphyllit mit gefalteten Quarzgängen, Rienzschlucht 
bei Brixen. u 

Im Brixner Quarzphyllit findet man sehr häufig und in ver- 
schiedenster Mächtigkeit weiße Quarzgänge, welche mit schlängelnden 
weichen bogigen Scharnieren stärkstens gefaltet sind, mit ausgezeichnet 
ersichtlicher Regel der Stauchfaltengröße. Man kann sie insofern 
„Gänge“ nennen, als sie derzeit mehr oder minder quer zur Schieferung 
verlaufen. In den bisher untersuchten Schliffen zeigt es sich aber, dab 
es sich vor der Faltung um Quarzlagen in s handelte. 


622 Bruno Sander. [56] 


Bei der Faltung auf Druck ungefähr //s wurden solche Quarz- 
lagen, welche zuweilen selbst wieder Feinschichtung durch Wechsel 
in der Korngröße und Glimmerlagen erkennen lassen, gemäß ihrem 
ziemlich großen Widerstand zu größeren oder kleineren Falten gestaut 
nach der Regel der Stauchfaltengröße. Korrelat hierzu wurde die 
Feinschichtung des Phyllits in winzigen Falten mit oder ohne Zerreißung 
der Scharniere umgestellt und dieses umgestellte s verläuft nun mehr 
oder weniger quer zu den Quarzlagen, ist aber nur eine andere 
Reaktion eines anderen Materials auf ganz dieselbe Beanspruchung 
des Gesteins, welche die Quarzlagen schlängelte. Dieser Vorgang: 
Druck ungefähr in s, feinste Umfältelung des Phyllitgefüges und 
Schlängelung der festeren Einlagen ist etwas in den Tiroler Phylliten 
und überhaupt in Schiefern weit Verbreitetes. Dieselbe Regel der 
Stauchfaltengröße, welche Profile beherrscht, kommt hier unter dem 
Mikroskop zum Ausdruck: je geringer die Knickfestigkeit einer Lage, 
desto kleiner ihre Falten. In diesem Falle treten Extreme, harte 
Quarzlagen und weicher Phyllit nebeneinander und bedingen das hier 
beschriebene Bild. Bereits anderen Orts wurden die Folgen noch weiterer 
Faltung und der Schiebungen in dem nun umgestellten s beschrieben: 
auch die Scharniere der Quarzgänge zerreißen und lentikulare Quarz- 
massen schwimmen in dem umgestellten s. Dieses für Gebiete mit 
Differentialüberschiebungen (Tauern, Innsbrucker Quarzphyllit etc.) 
vorherrschende und charakteristische lentikulare Stadium finden wir 
im Brixener Quarzphyllit ebenfalls, aber zurücktretend. So daß wir 
nach dem Verhalten der häufigen lediglich geschlängelten Quarzlagen 
geradezu eine geringe Verbreitung von Differentialüber- 
schiebungen für den Brixener Quarzphyllit annehmen 
können. Einfache Zusammenschiebung mit Umstellung von s und ent- 
sprechend einem Drucke ungefähr in der Richtung des noch nicht 
umgestellten s ist sehr häufig. 

In welchem Zustande des Gesteins ist nun diese Umfaltung 
(Quarz) und korrelate- Umfältelung (Pbyllit) dieser Gesteine erfolgt. 

Diese Faltung ist jedenfalls unter Umständen erfolgt, unter 
welchen die Quarzlagen sich nicht fließend im strengen Sinn, sondern 
als Körper mit der Fähigkeit zur Leitung gerichteten Druckes um- 
formten. Das lehrt das Vorhandensein der für solche Fragen sehr oft 
ausschlaggebenden Regel der Stauchfaltengröße mit Sicherheit. 

Bei dieser Gelegenheit sei wiederum bemerkt, daß sich ganz 
dieselbe Überlegung auch für die Frage empfiehlt, ob manche geolo- 
gischen Profile mit oder ohne Druckleitung zustande gekommen sind, 
wonach man manchen Schluß auf die Bedingungen (Deformations- 
geschwindigkeit, kristalline Mobilisation ete.), unter welchen sie die 
betreffende Tektonik erhielten, wagen kann. 

Zunächst wurde ein „Gang“ von Il cm Mächtigkeit untersucht. Im 
Querschnitt der Falten findet man als Beleg dafür, daß die Faltung 
bei festem Quarzgefüge erfolgte, deutliche Zertrümmerung des Quarzes 
zu kleinkörnigem Gefüge an den, den Biegetrajektorien entsprechend, 
meistgepreßten Innenseiten der Scharniere. Sonst zeigen die Umrisse 
der verzahnten und undulösen Quarzkörner weder im Querschnitt 
voch im Längsschnitt der Falte Regelmäßigkeiten. 


. 


[57] Beiträge aus den Zentralpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 623 


Dagegen zeigen die Quarzkörner eine ausgesprochene Regelung 
ihrer Achsen. 

In dem hier beigegebenen Querschnittsbild Fig. 1 bezeichnen 
die Schraffen im Quarzgange die Lage von y‘. Der Quarzgang liegt 
im Albitphyllit, welcher umgefältelt ist, so daß sein s jetzt die in der 
Zeichnung ‚mit s bezeichnete Lage einnimmt. 


In einem Längsschnitt (2 in Fig. 1), welcher parallel zur Falten- 
achse normal auf den faltenden Druck, leider etwas seitlich vom 
Scheitel des Scharnieres, also nicht als genauer Radialschnitt durch- 
ging, findet man die Quarzgefügeregel in ihrer gewöhnlichen Form 
ausgezeichnet vor. Fast alle Körner dieses Schnittes sind so geregelt, 
daß die Hauptachsen ungefähr normal auf den Wänden des Quarz- 
„ganges“ stehen. Die c-Achsen bilden sozusagen einen Rasen mit 
ungefähr parallelen Halmen (— Schraffen in Fig. 1), ohne daß ge- 
dachten Halmen etwa eine oblonge Form der Körner entspräche. 


Fig. 1. 


Um sich nun die Regelung der Achsen im Faltenquerschnitt 
vorzustellen, denke man sich, daß unser Achsenrasen zunächst auf 
einem ebenen Boden wachse, welcher sodann in Falten gelegt wird. 
Die Halme stehen nun nicht mehr parallel untereinander, aber noch 
immer senkrecht auf dem nun gewellten und gefalteten Boden. 

Diese Anordnung der Achsen zeigt zweierlei. 

Sie läßt sich, wenige Stellen ausgenommen, nicht als eine Ein- 
stellung der Quarzachsen auf den faltenden Druck auffassen. 

Vielmehr erscheint sie als eine schon vor der Faltung vorhandene 
Anordnung anläßlich der Faltung in die Faltenbögen nur so mitein- 
bezogen, wie die Halme in unserem Beispiel vom Rasen oder wie 
Tuschmarken, mit welchen wir eine Lage vor der Faltung senkrecht 
schraffiert hätten, nach der Faltung in den Scharnieren radial an- 
geordnet erschiene. Im Falle einer Anpassung der Quarzachsen an 
die mit Faltung häufig zugleich auftretende Streckung parallel den 
Faltenachsen beobachtet man, wie ich anderen Orts beschrieb, daß 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (B. Sander.) 80 


624 Bruno Sander. [58] 


Schnitte parallel zur Faltungsachse auffällig viel Querschnitte, aber 
wenig oder keine isotropen Schnitte aufweisen, weil sich die Quarz- 
achsen mehr und mehr frei bewegen können, aber ohne aus der 
Querschnittsebene zu gehen. Auch diese Anpassung ist in unserem 
Falle nicht nachzuweisen. 

Die Betrachtung der Quarzlagen hat also ergeben, daß die 
Faltung jünger ist als die Achsenregel der Quarzkörner und jünger 
als die Kristallisation des grobkörnigen Quarzgefüges, welches an den 
Innenseiten der Scharniere zertrümmert wurde. 


Wo der Glimmer (Muskovit und Chlorit) mit dem Quarz der 
Quarzlage in Berührung tritt, zeigt er sogleich bessere kristallo- 
graphische Ausbildung in Gestalt größerer, meist vollkommen unver- 
sehrter Schuppen. Dies tritt besonders in den Kniekehlen der 
Scharniere hervor. An den Stellen, welche durch die Faltung aus dem 
umgebenden Gewebe gleichsam abgezwickt wurden, entstanden Nester 
richtungsloser unversehrter Glimmer, deren Kristallisation nach der 
Faltung auch daraus sehr gut ersichtlich ist, daß sie Sprünge füllen, 
welche im Quarzit korrelat zur Faltung entstanden. Es hat also nach 
der Faltung Kristallisation von Muskovit und Chlorit noch _ statt- 
gefunden. 


Die wie oben erläutert korrelat zur Faltung der Quarzgänge 
erfolgte Umfältelung des Tonschiefergefüges, an welche sich häufig 
Bewegung im umgestellten s anschließt, zeigt folgende Beziehungen 
zur Kristallisation. Das Folgende kann zugleich als Beispiel dienen 
für die Beziehungen einer Clivage in Tonglimmerschiefer zur Meta- 
morphose, welche natürlich nicht immer dieselben sind wie im vor- 
liegenden Gestein, sich aber häufig genug bei mikroskopischer Unter- 
suchung als gut vergleichbare erweisen dürften. 


Das älteste, was uns vom Gesteinsgefüge erhalten ist, ist eine 
Feinschichtung, welche die Albite durchzieht. Dieses im Albit durch 
Opazit gezeichnete si ist zuweilen selbst gänzlich ungestört; an anderen 
Stellen im Gestein zeigt es bereits beginnende Fältelung. Die Bildung 
der großen Hauptgeneration von Albit ist in diesen Schliffen demnach 
in einem Stadium erfolgt, als das Gefüge noch wenig oder gar nicht 
durchbewegt und wenig kristallin war und man trifft in diesen 
Schliffen nur als Seltenheit Albite, welche als jüngere Holoblasten 
si bereits gefältelt und kristallin, so wie es heute vorliegt, um- 
schlossen. 


An anderen Stellen des Gesteins aber erfolgte die Albitisation 
ganz allgemein später, ohne daß man ohne eingehendere Unter- 
suchungen sagen könnte, wovon das abhängt. Die im übrigen ganz 
gleich ausgebildeten Albite zeigen si gefaltet und bisweilen sogar 
unverlegt und es besteht aus tropfenförmigen, sehr oblongen Quarzen, 
wie ich solche aus der Schieferhülle der Tauern beschrieb. 

Überhaupt ist auch bei dieser Gelegenheit zu bemerken, daß 
die Albitphyllite des Brixner Quarzphyllits aufdasvoll- 
kommenste mit dem Quarzphyllit der Hochfeilerhülle 
übereinstimmen, wie man nunmehr sieht, auch in der Art ihrer 
Metamorphose. 


[59] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 625 


Zusammenfassend kann man sagen, daß die Fältelung im Gestein 
bald vor, bald nach der Albitisation begann; für bestimmte Stellen 
im Gestein aber, was die weitaus größere Mehrzahl der Albite anlangt, 
entweder nur vor oder nur nach. Fast immer dauert die Fältelung sogar 
in ihrem wesentlichsten Abschnitt, der vollständigen Umstellung von 
s, nach Bildung der Albite fort (verlegtes si der Albite). Dennoch 
kommen sehr spät gebildete Albite vor, so daß, das ganze Gestein 
betrachtet, die Fältelung schon vor der Albitisation stattfinden kann, 
aber die Albitisation häufig wesentlich überdauert. Jedenfalls stehen 
sichbeide Vorgänge zeitlich nahe und fallen vielfach in eine 
Periode. Eine Anpassung der Albite an die Schieferung ist manchmal 
zu bemerken, aber nicht sicher zu deuten. 


‚Anschließend an die Albite sind große Chlorite in Gestalt der 
„Querbiotite* zu erwähnen, welche die fertigen Albite als Einschlüsse 
umwachsen haben, also jünger sind als diese. Ferner Granaten mit 
ungefälteltem, zuweilen auch unverlegtem si. 


Die Muskovite in der Kleinfältelung sind, besonders wo das 
Gefüge Quarz enthält, oft sehr deutlich jünger als die Fältelung, was 
mit dem in den Faltenknien der Quarzgänge Beobachteten überein- 
stimmt. Teilweise aber wurden die Glimmer von der Fältelung bereits 
vorgefunden und deformiert. Besonders ist dies der Fall, wo im An- 
schluß an die Umfaltung Bewegung im umgestellten s eintritt (Glimmer- 
geflechte). 

Wenn man nun bedenkt, daß die Kristallisation von Muskovit 
und Albit eine gewisse Zeit braucht, so erscheint hier wie in manchen 
anderen Fällen eine gleichsinnige Deformation (die Umfaltung) als ein 
langdauernder Prozeß, welcher nicht kontinuierlich fortläuft, 
sondern sich in Phasen zerlegen läßt, zwischen welchen das Gestein 
Zeit hat zur Kristallisation. 


2. Quarzphyllit, Flaggertal bei Franzensfeste. 


In einem Quarzphyllit (Granaten mit verlegtem s) wurde ein 
etwa fingerbreiter Quarzgang bis zum Parallelismus der Schenkel ge- 
bogen. Der Gang selbst zeigt keinerlei Gefügeregel, nur im inneren 
Scharnier etwas kleinere Körner. Im Phyllit läßt sich an dieser Stelle 
- Kristallisation nach der Faltung annehmen. Die stark oblongen Quarze 
des zwischen den Faltenschenkeln wie in einem Schraubstock ge- 
preßten Phyllits sind nicht durch diese Pressung erzeugt worden, 
sondern finden sich schon als s in einem Granat im innersten 
Scharnier, und zwar unter rechtem Winkel zur Phyllitschieferung an- 
geordnet. 


3. Quarzitischer Quarzphyllit, Vahrn bei Brixen. 

a) Eine feingefältelte Varietät (Muskovit, Quarz, Feldspat) zeigt 
ausgezeichnete Feinschichtung durch Quarzkörnerlagen verschiedener 
Korngröße. Diese sind ohne ersichtliche Zerbrechungen gefaltet. Die 
Faltung ist älter als die Muskovite, welche die Scharniere in Form 
unversehrter Glimmergebälke umziehen. 

b) Eine in größere Falten gelegte biotitreiche Varietät bietet 
ein gutes Beispiel für eine von der Kristallisation überdauerte De- 

80* 


626 Bruno Sander. [60] 


formation mit Kristallisationsbewegung. Die Quarzlagen in der Falte 
zeigen Scharniere, welche außen rund, innen spitz sind. Im Querschnitt 
sieht man jede nach außen folgende Quarzlagenfalte auf der inneren 
sitzen wie einen Reiter im Sattel, aber einen Reiter, der den Sattel 
nicht berührt, sondern sich in den Bügeln hebt, so daß zwischen ihm 
und dem Pferde ein Raum bleibt, begrenzt vom Sattel und von den 
Schenkeln des Reiters, ungefähr ein spitzwinkeliges gleichschenkeliges 
Dreieck (schwarz in Fig. 2). Im Gesteine nun ist dieser Raum gefüllt, 
besonders durch den Glimmer (Muskovit und Biotit), welcher die 
Quarzlagen trennt. | 

Solche Räume entstanden bei der Faltung, indem jede Falte 
infolge der seitlichen Pressung mit ihren Schenkeln von der, auf 
welcher sie saß, abglitt, sich also unter Schiebung in s abstaute. Hier- 
bei kann eine gewisse grobmechanische Hineinschürfung von Glimmer 


UA 


in den (wahrscheinlich niemals offenen) Raum erfolgt sein, sicher 
aber auch Kristallisationsbewegung von Quarz und Glimmer, welche 
diesen Raum in statu nascendi zur Kristallisation benützten. 

Da sich das erst bei der Faltung neugebildete Gefüge in dem 
besprochenen Raum durch nichts vom übrigen Gefüge unterscheidet, 
so ist es zum mindesten nicht auszuschließen, daß Kristallisations- 
bewegung auch bei der Deformation der Quarzlagen selbst eine Rolle 
gespielt habe. 

Wenn es sich darum handelt, die Richtung von y‘ und a’ in 
größeren Präparaten zu bestimmen, so kann man diese Richtung y‘ 
am besten während das Präparat u. d. M. liegt mit einer feinen 
Tuschfeder auf das Deckglas zeichnen an den Stellen, wo eben Ge- 
fügeregelung sichtbar ist, wie das in Fig. 1 und 2 durch Schraffen 
ausgeführt wurde. 

Ist die Regelung nicht vollkommen, sondern umfaßt nur die 
Mehrzahl der Körner, so empfiehlt es sich, durch Heben des Tubus 
unscharfe Einstellung zu erzeugen, bei welcher das Quarz- 
mosaik mit seinen blauen und gelben Körnern bei Drehung die Misch- 
farben sozusagen von der gelbsten Stellung bis zu der blauesten zeigt, 


| 
| 


[61] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 627 


welch letztere aufzusuchen leichter fällt als angesichts des scharfein- 
gestellten Mosaiks, in welchem man den Wald vor Bäumen nicht sieht. 

Außerdem ergibt die unscharfe Einstellung noch andere Vorteile 
für das Studium der Gefügekunde. Sie ist für die Wahrnehmung 
mancher Züge im Gefügebild ebenso zu empfehlen wie die Betrachtung 
eines pointillistisch gemalten Bildes aus der Entfernung mit unscharfer 
Einstellung unseres Auges auf die einzelnen Farbflecke des Pinsels. 
So sehen wir z. B. die einzelnen Quarzkörner im Gipsrot, welche wir 
gewohnt sind bei scharfer Einstellung allein als Individuen zu be- 
trachten, bei unscharfer Einstellung nicht mehr, dafür aber Gruppen 
subparallel orientierter Körner, welche sozusagen ein Individuum 
höherer Ordnung im Gefüge bilden. Gerade in Quarzgefügen läßt es 
sich sehr oft zeigen, daß diese Individuen höherer Ordnung manchmal 
rundlich, andere Male auf charakteristische Art durcheinandergreifend 
vorkommen, so daß man verschiedene Gefüge höherer Ordnung 
in diesem Sinne festzustellen und zu erklären hat. So bildet, um ein 
Extrem als Beispiel zu nennen, ein durch und durch ideal geregelter 
Quarzit ein einziges Individuum in diesem Sinne. Meist aber lassen 
sich innerhalb desselben doch Individuen höherer Ordnung unter- 
scheiden und der Quarzit ist nicht vollkommen homogen geregelt. 

Wenn man nun in einem Schliffpräparat die vorherrschende 
Richtung von y‘ festgestellt hat, so weiß man, daß die Hauptachsen 
der geregelten Quarze in einer Ebene liegen, welche in der Richtung 
von y‘ senkrecht auf den Schliff errichtet ist. Um aber zu finden, 
welches die Hauptrichtung der geregelten c-Achsen ist, braucht man 
noch einen Schliff. Dieser wurde im vorliegenden Falle senkrecht auf 
den ersten angelegt; die Falte war quer und längs geschnitten 
worden. 

Auch in diesem zweiten Schnitt wird die Richtung. von y' be- 
stimmt und zugleich damit, wie oben gesagt, die Ebene, in welcher 
die Hauptachsen der Quarze liegen müssen. Man kennt nun zwei 
Ebenen, von deren jeder man weiß, daß die c-Achsen in ihr liegen 
müssen. Sind diese Ebenen nichtparallel, wie im vorliegenden Falle, 
so ist ihre Schnittlinie die vorwaltende Richtung, in welcher 
die Hauptachsen der Quarze subparallel zueinander gerichtet sind. 
Diese Methode ist für jedes Gefüge anwendbar, dessen Körner man 
optisch orientieren und von welchem man Querschnitte herstellen kann. 

Im vorliegenden Fall ergab diese Methode, zu deren besserer 
Durchführung allerdings noch einige große Schliffe nötig gewesen 
wären, daß ein ganz anderer Fall von Quarzgefügeregel vorliegt als 
in den unter 1 beschriebenen Quarzfalten. In beiden Fällen ist die 
Regelung der Quarze ohne Beziehung zu Biegetrajekterien in der 
Falte. Im Falle 1 war aber die Regelung älter als die Faltung 
und die Quarzachsen lagen dementsprechend, wie beschrieben, radial 
in den Faltenbögen. Im vorliegenden Falle ist die Regelung der 
Quarze jünger als die Faltung und durchsetzt alle Scharniere 
obne jede Beeinflussung durch dieselben, als wären sie gar nicht vor- 
handen. Das Gestein ist so geregelt, als wäre es ein ungefalteter 
Quarzit, welchen ungefähr derselbe Druck regelte, der in diesem Falle 
zuerst zur Faltung geführt hat. 


698 Bruno Sander. [62] 


Wie in allen Fällen von Gefügeregelungen, so hätte 
man auch in diesem Falle zwei Umstände zu berücksichtigen: Ent- 
sprechend der Regelung erhält erstens das ganze Gestein mehr oder 
weniger dieselbe Orientierung in seinen Eigenschaften, welche das ein- 
zelne Mineral zum Kristall macht. So sind in diesem Falle elektrisches 
und thermisches Ellipsoid im geregelten Quarzit so angeordnet wie im 
Quarz z. B. der längere Durchmesser des thermischen Ellipsoides 1 s 
und // zum regelnden Druck. Der Elastizitätsmodulus E wird 1 s größer 
sein als ins, bzw. // zum regelnden Druck größer als L dazu. Dasselbe 
ließe sich von der Zugfestigkeit sagen, falls die Festigkeit des binden- 
den Zements größer wäre als die der Körner, was aber nicht bekannt 
ist. Leider fand ich auch keine Angaben über die Druckfestigkeit von 
Quarz Lc vor; //eist sie durch Rinne bekannt gemacht. Anderenfalls 
ließe sich der zweiten an alle geregelten Gefüge zu stellenden Frage 
nähertreten, ob das Gefüge aktives oder passives Verhalten während 
seiner Regelung zum Ausdruck bringt, wonach ich aktive und passive 
Gefüge unterscheiden möchte. Ist z. B. ein Gefüge so geregelt, daß 
es sich auf gerichteten Druck beziehen läßt, so gibt es zwei Möglich- 
keiten. Entweder seine Körner liegen alle so, daß ihre größte Druck- 
festigkeit oder ihr maximaler Kristallisationsdruck // jenem gerichteten 
Druck liegt, welcher sozusagen den maximalen Widerstand des Gesteins 
als Reaktion wachgerufen hat, so z. B. wenn sich wachsende Kristalle 
so regeln, daß das Gestein eine gewisse Belastung durch Wachstums- 
druck aktiv überwindet. Oder die Regelung bedeutet eine Anpassung 
des Gesteins an den Druck im Sinne sich verringernden Widerstandes 
im Sinne passiven Nachgebens und Ermöglichung der fortlaufenden 
Deformation mit kleinster Arbeit. 


Die für die Geologie in mannigfaltiger Beziehung fruchtbare 
Aufgabe, die geregelten Gesteine von den zwei genannten Standpunkten 
aus zu besprechen, stößt derzeit leider noch allzuoft auf den von 
Rinne hervorgehobenen Mangel an Feststellungen von Druckfestig- 
keiten der Minerale. Doch besteht bekanntlich Aussicht, daß dieser 
Mangel durch das Interesse verschwinden wird, welches die Bau- 
materialienkunde an solchen Bestimmungen bekommt. 


Bemerkenswert ist noch, daß in diesem Falle einer Regelung 
der Quarzachsen Normalspannungen entscheidend waren. Man ersieht 
das daraus, daß keinerlei Schiebungen die Falten durchziehen, welche 
doch älter als die Quarzgefügeregel sind. 

Es erfolgte also im vorliegenden Falle eine Faltung mit Beebung 
in s und Kristallisationsbewegung zum mindesten bei der Füllung der 
„dreieckigen Räume* (s. o.). Die Kristallisation von Glimmer und Quarz 
überdauerte diese Faltung. Ohne Abhängigkeit von den Faltenformen 
fand sodann Quarzgefügeregelung statt. 


4. Kontaktmetamorpher Quarzphyllit nächst Norit, Astjoch, 
Pustertal. 


Der Quarzphyllit zeigt nächst dem Kontakt besonders starke 
Faltung und felsitisches Aussehen. Das ungeregelte Quarzgefüge ist 
unversehrtes typisches Kontaktmosaik. Der Muskovit hat jede für 
Phyllite charakteristische Form verloren und bildet feinstkrümelige 


[63] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 629 


Lagen „mit Aggregatpolarisation aus zahllosen winzigen regellosen 
Schüppchen. Diese Lagen dienten als Zufuhrweg für reichlichen 
Turmalin, welcher sich darin (ohne si) ansiedelte, häufig in Gestalt 
kleiner „Sonnen“. 


Vollkommen von der Kontaktmetamorphose überholte Faltung. 
Die Kristallisation bedeutete hier das Ende der Beweglichkeit, welche 
zuerst nach den Befunden im Felde in der Nähe des Intrusivs ge- 
steigert war. Abgesehen vom mikroskopischen Bilde genügt hier der 
Befund im Feld (felsitartig dichtes Gestein aus Phyllit), um zu be- 
greifen, daß dieses Gestein nach anfänglich gesteigerter Beweglich- 
keit (heftige Faltung) schließlich (in höher kristallinem Zustande) 
erstarrte. 


5. Quarzphyllit (mit Albit), südlich vom Dreihornspitz, Senges 
bei Mauls. 

Faltung wesentlich nachkristallin. Im Quarzglimmergefüge 
aber auch etwas Abbildungskristallisation. 


6. Biotitphyllit (mit Chlorit), nördlich vom Satteljoch, Senges 
bei Mauls. 

Faltung wesentlich nachkristallin. Bildung von großen Chloriten 
nach der Faltung und Bewegung in s. 


7. Quarzphyllit, Grat der Weißespitze gegen Gossensaß. 


Das Gestein erlitt vollkommene Umfaltung und sodann Linsen- 
bau durch starke Bewegung im umgestellten s. Letztere verlief nach- 
kristallin und fluidale Glimmergeflechte bezeichnen ihren Weg. Zwischen 
diesen aber sieht man Lagen, in welchen die Umfältelung von der 
Kristallisation überdauert und ausgezeichnet abgebildet ist. So kommt 
es, daß in solchen Lagen, zwischen welchen die nachkristalline Be- 
wegung in s vor sich ging, zahlreiche ganz unversehrte Glimmer quer 
zum jetzigen s auffallen. Es sind das die Glimmer, welche die erste 
Umfältelung kristallin abbilden. Also Umfaltung wesentlich von der 
Kristallisation abgebildet. Sodann aber noch mit Verschonung vieler 
Lagen nachkristalline Bewegung in s. 

8. Albitphyllit mit Graphit, Nopfspitze, Wildlahnertal. 

Dieses Gestein zeigt äußerst feinkörnige, in sich selbst wieder 
feingeschichtete Quarzlagen, welche, wie bei dem unter 1 beschriebenen 
Gestein, korrelat zur Umfältelung des Tonschiefers in größere Falten 
gelegt sind, ohne irgend etwas Bemerkenswertes zu zeigen. 

Die Feinschichtung durchzieht als si (Opazit, Quarz) die zalıl- 
reichen, meist isometrischen Albite. Deren Bildung fand vor der 
Fältelung statt: gefaltetes si ist eine Seltenheit. 

Sodann erfolgte die intensive Umfältelung mit anschließender 
Bewegung im umgestellten s. Hierbei wurde si verlegt und steht jetzt 
meist senkrecht auf dem umgestellten s. Die Albite selbst treten in 
Lagen parallel der Feinschichtung dicht gehäuft auf, was wahrschein- 
lich die Abbildung einer durch Feinschichtung bedingten Inhomogenität 
bedeutet. In zwei Fällen wurde eine solche Lage gleich den Quarz- 
lagen in größere, Stauchfalten gelegt. 


630 Bruno Sander. | [64] 


Nach der Faltung fand noch etwas Kristallisation statt: Glimmer 
und si-freie Säume an Albiten. 

Faltung. also im wesentlichen nachkristallin, aber von der 
Metamorphose (Albitisation!) doch etwas überdauert. 


9.Kalkphyllit, Hoher Nopf, Wildlahnertal, Schmirntal, Brenner. 

Nachkristalline Faltung, nachweisbar inbezug auf Glimmer und 
Kalzit. 

10. Quarzit, Schöberspitze, Wildlahnertal, Schmirntal, Brenner. 


Nachkristalline Faltung, bezüglich Quarz und Glimmer, mit 
Abbildung von Biegetrajektorien. Beschreibung siehe inTschermaks 
Mitteilungen 1911, pag. 288. 


Quarzphyllit, Schöberspitze, Kaserer Tal, Schmirntal, 

he | 

Nachkristalline Faltung bezüglich Quarz und Glimmer. 
Beschreibung |. c. 

12. Quarzphyllit, nördlich von den Kalken der Frauenwand 
bei Hintertux. 

Faltung wesentlich nachkristallin bezüglich Glimmer. Selten 
und nur im quarzreichen Gefüge unversehrte Glimmerplättchen. 

15. Quarzphyllit, nördlich vom Tuxjoch. Ebenso. 

14. Quarzphyllit, Hennensteige, Lizum. 

Vollständig nachkristalline Faltung bezüglich Glimmer 
(Auidale Geflechte) und Quarz (stärkste unverheilte Kataklase, Regelung 
der Achsen: c parallel zum faltenden Druck). 


me a re 


[65] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 631 


15. Tarntaler Schiefer mit gefalteter quarzitischer Lage; 
Klammjoch, Tarntaler Kögel. (Fig. 3.) 

Außerst feinkörniges Gefüge. In der Quarzitlage geregelt, unab- 
hängig von den Faltenformen, aber im Sinne des faltenden Druckes 
die Scharniere schneidend. Anscheinend wesentlich nachkristallin. Die 
Schraffen in Textfig. 3 geben die Lage der Ebene, in welcher 7’ liegt. 


16. Quarzphyllit des Nößlacher Joches, Brenner. 

Wesentlichnachkristalline Faltung mit ausreichender Biegung 
großer Glimmer. Polygonale Glimmer in Scharnieren selten. („Stein- 
acher Karbon* der Steinacher Decke.) 


17. Quarzphyllit, Steinturrach, Kärnten. 

Nachkristalline Faltung bezüglich Muskovit (Geflechte) und 
Quarz (Kataklase, Regelung). Nach der Faltung reichliche Bildung 
unversehrter Chlorite. 


13. Quarzphyllit des Vikartales bei Innsbruck. 

Schon früher wurde auf die durch Abbildungskristallisation weit 
überholte Faltung dieses Gesteins hingewiesen (Tschermaks Mit- 
teilungen 1911, Taf. I, Fig. I). Da und dort hat diese Faltung aber 
auch die Glimmer sehr erheblich deformiert. Sie ist demnach para- 
kristallin, wesentlich vorkristallin. 

Bisweilen sind an Stellen mit Muskovitgeflecht nach dessen 
Bildung noch Querbiotite kristallisiert, welche vom Muskovitgeflecht 
reliktisch durchzogen werden (unverlegtes s). 


19. Quarzphyllit, Rosenjoch-Penzenböden, Tuxeralpen, Tirol. 


Wesentlich. nachkristalline Faltung mit geringer Re- 
kristallisation. 


20. Quarzphyllit, Ahrntal bei Innsbruck. 
Wesentlich nachkristalline Faltung. 


21. Kalkphyllit, Sidanjoch, Tuxer Voralpen. 


Parakristalline Faltung, von der Kristallisation (Kalzit, 
Muskovit, Chlorit) stark überholt. 


Übersicht. 


Unter den Phylliten fallen die wesentlich nachkristallinen Faltungen 
auf, sowohl in den „tauernkristallinen“ Phylliten der oberen Schiefer- 
hülle (Pfunderer Gebirge, Steinacher Decke, Einfaltungen in die Tuxer 
Phyllite) als in den Tarntaler Phylliten und den Tuxer Voralpen, in 
welch letzteren jedoch parakristalline Beispiele hinzutreten. 

Für die Brixner Phyllite ist parakristalline Faltung Charakteristisch. 

Bemerkenswert ist der vorkristalline Charakter der Faltung im 
Kontaktphyllit des Norits vom Astjoch, welches auch für die Kontakt- 
phyllite von Klausen in ihrer ganz den Verhältnissen am Astjoch ent- 
sprechenden „Feldstein“-Fazies gelten dürfte. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4, Heft. (B. Sander.) 8 


639 Bruno Sander. [66] 


vV. Falten aus dem böhmischen und finnischen 
Kristallin. 


1. „Bittescher Gneis“ E KR. Swess. Doratsch in Mähren, 
Umgefalteter Hornblendegneis zeigt vorkristalline Faltung. Die 
Kristallisation von Hornblende und Biotit in den Scharnieren, ebenso 
die Verwachsungen von Quarz und Feldspat erweisen sich als jünger 
als die Faltung. Die Zersetzungserscheinungen sind noch jünger und 
dementsprechend ganz ohne Zusammenhang mit dem Faltungsvorgang. 

Auch in einem Biotitgneis mit feinster Lagenstruktur erweist 
sich die Faltung als vorkristallin. 


2. „Fugnitzer Schiefer“, Fugnitz in Mähren. 


Vollkommen vorkristalline Faltung hinsichtlich sämtlicher 
Bestandteile (Muskovit, Biotit, Quarz, Feldspate). 


3. Biotitgneis, Weißenkirchen im niederösterreichischen Wald- 
viertel. 

Die den Ptygmatiten Sederholms gleichende Faltung ist ganz 
und gar vorkristallin in bezug auf alle Minerale (Biotit, Quarz, 
Feldspate). 

In einem Präparat ist Chloritisierung der Biotite ganz unab- 
hängig vom Faltungsakt anzumerken. Von 


4. Biotitgneis, Krems a. d. Donau, gilt dasselbe. 


5. Biotitgneis von Brändö Harun, westlicher Schärenhof der 
finnischen Südküste. 


Vorkristalline Faltungen. An den Scharnieren der ptygma- 
tisch gefalteten sauren Gänge ist trotz des jetzt unversehrten Gefüges 
zu bemerken, daß rupturelle Teilbewegung ehemals an den Stellen 
stärkster Pressung zu kleinkörnigerem Gefüge führte. 


Übersicht. 


Alle Beispiele waren vorkristallin gefaltet. 


Erläuterung der Bilder. 


1. Falte aus ungebundenen, in feuchtem Zustande knetbaren 
Terrassensanden, Hötting bei Innsbruck. Weder Kornzerbrechung noch 
Kristallisation hat als Teilbewegung der Faltung eine Rolle gespielt, 
sondern nur die Verschiebung der Körner gegeneinander, wobei 
keinerlei Desorientierung derselben aus der sedimentären Feinschichtung 
erfolgte. Schwellen (Faltenstirnen!) und Schwinden (Schenkel!) der 
sedimentären Lagen, je nachdem sie parallel oder normal zum falten- 
den Drucke stehen. 


2, Rhätizitphyllit mit Graphit, Saxalm, Venna, Brenner. Nach- 
kristalline Faltung. Gebogene Rhätizite bei ». Siehe Text II, Nr. 14. 


[67] Beiträge aus den Zentralalpen zur Deutung der Gesteinsgefüge. 633 


3. Grünschiefer mit Albit und Ankerit, Wald über Gasteig im 
Ridnauntal bei Sterzing. Nachkristalline Faltung. Siehe Text II, Nr. 7. 


4. Amphibolit, Pfossental. Vorkristalline Faltung. Siehe Text II, 
Nr. 4. 


5. Glimmerschiefer, Thaserbauer bei 
Faltung. Siehe Text III, Nr. 6. 


6. Glimmerschiefer der unteren Schieferhülle, Block, Kalch am 
Jaufen. Parakristalline Fältelung. Die Faltung ist überdauert von der 
Kristallisation, vgl. 1. und 2. Faltenbogen, eckig aus mechanisch un- 
versehrten Glimmern; daneben, namentlich im folgenden 3. Falten- 
bogen rund gebogene Muskovite. 


7. Glimmerschiefer, Pfossental - Hintergrund. 
Waltung. Siehe Text II, Nr. 3. 


8. Glimmerschiefer, Kramerspitze, Hintergrund des Sengestales 
bei Mauls. Parakristalline Faltung. Siehe Text II, Nr. 12. 


9. und 10. Albitphyllit, Saxalpenwand, Venna, Brenner. Impräg- 
nation mit Albit in der Faltungsphase. 


Die hellen Flächen sind große Aibite mit unverlegter interner 
Reliktstruktur. 


In 10 sieht man optisch unversehrten Albit nach dem Prinzip 
der Wegsamkeit von s fortwachsen und so den gefalteten Phyllit durch- 
tränken, ohne Desorientierung seiner Falten. Als Endresultat eines 
solchen Vorganges sieht man in 9 (linke Hälfte des Bildes) vollständige 
relikte Faltenbögen in Albit (Verlauf durch zwei Tuschlinien angegeben). 
Die rechte Hälfte beider Bilder zeigt, daß der Albit die vor der 
Fältelung umschlossenen Teile des Phyllits vor der Faltung bewahrte. 
Außerdem auf 9 zwischen den großen Albiten zerbrochener Albit als 
Zeichen des Andauerns der Bewegung nach der Kristallisation. 


Meran. Vorkristalline 


Parakristalline 


Sachverzeichnis. 


(Die nebenstehenden Ziffern geben die Seitenzahlen an.) 


Gefüge höherer Ordnung 612, 627. 
Geschwindigkeitsregel der Teilbewegung 


Aktive und passive Gefüge 628. 
Anisotropie geregelter Quarzite 628. 


Diaphthorese und Faltung 614—19, 621. 

Einstellung, unscharfe 626—27. 

Empfindlichkeit der Gesteine für Gefüge- 
bewegung 598. 

Erholungspausen, Kristalline, eines durch- 
bewegten Gesteins 604. 

Erstarrung, Kristalloblastische 600, 602, 
613. 

Faltung 598, 604, 622 —26. 

Kließen der Gesteine, „teilweises“ 601—3. 


603. 
Kristallisationsbewegungen 600—2, 613. 
Kristallisationsschieferung 602, 612. 
Quarzgefügeregel 611. 
Quarzgefügeregelung vor, nach, während 
der Faltung 623, 627—28, 631. 
Stauchfaltengröße 609, 621—22. 
Stetigkeit der Deformationen 597, 602, 
609. 
Wegsamkeit von s 6833. 


81* 


634 Bruno Sander. 
Inhalt, 
Zinleiangih. Sa HH NEE EEE TE TE 
I. Allgemeinere Bemerkungen . . . 2:2. 22 2 2 2 202. rt 
II. Faltung der unteren Schieferhülle. . . ». » 222 2 222. 
Übersicht 451.71, TE DR N NEE ER ESTATE : 
III. Faltung imfalpinenzAltkristalling 2. 5... 2472 2 wu Hel 
ÜDErBIchen Sn 6 A 1 Re Be 
IV. Faltung in phyllitischen Gestenen .. ....... Bor 
Übersicht Easter ee 
V. Falten aus dem böhmischen und finnischen Kristallin 


Briauterung der Bihler 07, em a0 Ba N ER EEE 
SRBHWEIZEICHNIS . % 2. jur ne. CE N wat, 


[68] 


Über den marinen Tegel von Neudorf an der 
March (Deveny-Ujfalu) in Ungarn und seine 
Mikrofauna. 


Von Franz Toula. 
Mit einer Textfigur und einer Tafel (Nr. XXXIX). 


Herr Dr. Franz Schaffer hat im Jahre 1897 (Jahrb. d. k. k. 
geol. Reichsanstalt, pag. 533--548) zuerst dieses von den „Wiener- 
berger Ziegelwerken* aufgeschlossene Tegelvorkommen besprochen. 
Ich besuchte die Grube im darauffolgenden Jahre bei einer Exkursion 
mit meinen Zuhörern und bearbeitete meine dabei gemachten Anf- 
sammlungen. Die Ergebnisse wurden in den Verhandlungen des Ver- 
eines für Natur- und Heilkunde zu Preßburg, XI. (XX.) Bd., Jahr- 
gang 1899 (1900), veröffentlicht. 

Bei Dr. Fr. Schaffer sah ich nun im Jahre 1913 ein reiches 
Schlämmungsmaterial, welches von der Gewerkschaft über seine Anregung 
aus größeren Tegelmengen der im umstehenden Profil (Fig. 1) an- 
gegebenen Horizonte I—VI, (man vergleiche Fig. 1 meiner kleinen 
Abhandlung vom Jahre 1899) erhalten worden war. Auf mein Ansuchen 
überließ er mir je die Hälfte der Schlämmproben, die ich nun der 
mühseligen Aussuchung und Durchbestimmung unterzog. Die Ergebnisse 
bringen die folgenden Blätter. 

Wenn ich gelegentlich des Fundortes gedenke und ihn als Neu- 
dorf (auch Neudörfl) an der March bezeichne, so möge mir das nichi 
wieder verübelt werden. Die Fundstelle ist mit diesem Namen in der 
Literatur von alters her eingeführt und als ich vor fast fünfzig Jahren 
den Ort zum erstenmal besuchte, kannte man ihn nur als „Neudörfl 
an der March“. 

Die offizielle Bezeichnung des Tegelwerkes lautet: Gözteglagyär 
Deveny-Ujfalu. 

Die mühsame Auslesung der unzähligen Mikrofossilien aus den 
Schlämmungsmaterialien führte der Diener meiner Lehrkanzel Brei- 
tenfelner aus, während der Hauptferien 1913. Die Sortierung und 
Bestimmung nahm alle meine freie Zeit durch mehr als sechs Monate 
in Anspruch. Meine Augen hätten kaum auszudauern vermocht, wenn 
mir nicht die Durchführung meiner „Schrumpfungsversuche* (Peter- 
manns geogr. Mitteilung. 1914, II., pag. 8—15) Erholung und Ab- 
wechslung geboten hätte. 

Jalırbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (F. Toula.) 


636 Franz Toula. [2] 


Bei der Bearbeitung habe ich zuerst die reichhaltigste der 
Proben, die mit V bezeichnete, in Angriff genommen, weil ich hoffen 
durfte, dabei die Hauptmasse der Fossilformen des Neudorfer Tegels 
kennen zu lernen. Dies erklärt auch das Vorkommen näherer Aus- 
führungen gerade bei den Formen dieser Probe, während ich mich 
bei jenen der anderen Horizonte in vielen Fällen mit der Anführung 
des Namens begnügen konnte. 


Fig. 1. 


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Nach einer Skizze, welche mir Herr Dr. Schaffer zur Verfügung stellte. 


Als leitend für die Gattungsbezeichnung hielt ich mich in der 
Regel an die Bezeichnungen, welche Brady in dem umfassendsten 
Foraminiferenwerke (Voyage Chall. Zool. IX, 1884) angewendet hat. 
In der Anordnung hielt ich mich an die Aufeinanderfolge in einer 
der neuesten Darstellungen in K. A. v. Zittels III. Auflage der 
Grundzüge 1910. 


In vielen Fällen habe ich den alten Gattungsnamen in Klammern 
daneben gestellt. 


Probe aus Schichte I: „Gelber Tegel“. 


In den Schlämmrückständen eine Unmasse von teils körneligen, 
teils in flachen Formen auftretenden Gipskristallen. 


Von organischen Resten wurde nichts aufgefunden. 


[3] Ueber den marinen Tegel von Neudorf au der March. 637 


Probe aus Schichte II. 


Die Schlämmrückstände lassen sich als Gipskristallsand an- 
sprechen; die Gipskriställchen der Probe I erscheinen abgerollt und 
zeigen nur hie und da die flachen Kristalle. Außerdem finden sich 
nur noch Lienitbröckchen in ziemlicher Menge, aber auch ander- 
weitige Sandkörner, darunter spärliche Kalkbröckchen. 

Der Reichtum an Fossilien ist, verglichen mit den tieferen 
Horizonten, kein sehr großer, doch finden sich immerhin gewisse 
Foımen recht häufig. 


Nodosaria (Dentalina) cf. pauperata (d’Orb.) Brady. Ein Stückchen, 
welches der rezenten Form ohne Spitzchen an der ersten Kammer 
sehr ähnlich ist (Chall., pag. 501, Fig. 14). 

Oristellaria aff. intermedia d’Orb. (Vienne, Taf. V, Fig. 3). 

Eine nahestehende Form (Taf. XXXIX, Fig. 8) mit kräftiger 
Nabelschwiele erinnert lebhaft an Or. (Robulina) incompta Rss. (Zeitschr. 
d. Deutsch. geol. Ges, 1851, Taf. IV, Fig. 28). An den mir vor- 
liegenden sechs kammerigen Stückchen ist die Vorderwand der letzten 
Kammer viel stärker nach vorne gewölbt, wie auigebläht. Die Nabel- 
schwiele unterscheidet. Brady führt Or. öntermedia nicht an. 

Cristellaria simplex d’Orb. 

Brady führt Cr. simplex als Synonym mit Orzstellaria rotulata 
Lmk. an. Die von ihm abgebildete Form (Chall., Taf. LXIX, Fig. 13) 
hat jedoch 14 enge Kammern im Umkreise, während d’Orbigny nur 
sieben im Text, neun in der Figur (Vienne, Taf. IV, Fig. 27 und 28) 
angibt. Mein Stück hat deren sieben. 


Oristellaria cf. nitidissima Rss. 

In der Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1851, Taf. IV, Fig. 25, bildet 
Reuss aus dem Septarienton eine Form ab, welche sehr ähnlich 
ist, nur mit etwas breiterer Orista. Mein Stückchen hat sieben Kammern 
im Umkreise, Reuss zeichnet acht. 


Cristellaria cf. inornata d’Orb. Ein Exemplar mit deutlicher 
Nabelscheibe. 


Oristellaria sp. ind. 

Drei verschiedene beschädigte Individuen. Eines mit breiter 
Crista, etwa wie bei Cristellmia (Robulina) similis d’Orb. (Vienne, 
Taf. IV, Fig. 14). 

Polymorphina (Guttulina) problema d’Orb. 

Ein etwas beschädigtes größeres Stück (1 mm). 

Textularia carinata d’Orb. 17 meist beschädigte Exemplare. 

Bradys Abbildungen (Chall., Taf. XLII, Fig. 15 und 16) unter- 
scheiden sich von jenen beid’Orbigny ( (Vienne, Taf. XIV, Fig. 32—34) 
durch den in Spitzen und Zacken aufgelösten Randsaum. Mir liegen 
Stücke mit zusammenhängendem und mit aufgelöstem Saume vor. Die 
aufgewölbten Kammern sind wohl das beste und beständigste Merkmal. 


638 Franz Toula. [4] 


Uvigerina pygmaea d’Orb. 

Das Geschlecht Uvigeröna ist in dem Material der Schichte II 
am häufigsten vertreten. Aus etwa 1700 Individuen habe ich 100 Stück 
der typischen pygmaea-Form herausgesucht, alle mehr oder weniger 
gedrungene Individuen, die aber immer recht sehr variieren, was die 
Anordnung der gerippten Zellen, ihre Größe und Aufgeblähtheit an- 
belangt. Sehr gedrungene kurze Exemplare sind verhältnismäßig 
seltener. Es sind Formen, die zwischen Bradys beide Typen (Chall., 
Taf. LXXIV, Fig. 11, 12 und 15, 14) zu stehen kommen. 

Dvigerina tenuistriata Rss. var. 

Weiters las ich etwa 70 Exemplare aus, welche auf das beste 
mit der genannten Form aus dem Septarienton von Pietzpuhl 
übereinstimmen und mit den Figuren bei Brady (l. ce. Fig. 4—7). 
Ich zweifle nicht, daß eine nähere Verwandtschaft mit schlankeren 
pygmaea-Formen bestehen dürfte, wie schon Reuss (Jahrb. 1870, 
pag. 485) gemeint hat. Es ist dies um so wahrscheinlicher, als unter 
meinen Stückchen viele sind, die geradezu als gerippt bezeichnet 
werden müssen. Vielleicht ist die an meinen Individuen sehr häufige 
Verjüngung der letzten Kammer, die etwas vorgezogen erscheint, ein 
Unterscheidungsmerkmal, welches zur Aufstellung wenigstens einer 
neuen Varietät drängen könnte. 

Aber auch gegen Dvigerina asperula CZ. (1847, Haid. Abh., II., 
Taf. XIII, Fig. 14 und 15) bestehen zweifellos Übergänge und ebenso 
zu Uvigerina semiornata d’Orb. und Uvigerina brunnensis Karr. (Wasserl.- 
Werk, Taf. XVIb, Fig. 49). Bradys Abbildung dieser Form (l. c. LXX, 
Fig. 4 und 5) scheint mir etwas anderes darzustellen, etwa eine der 
Varietäten der Uv. tenuistriata Rss. Vielleicht komme ich dazu, das 
reiche Material der pygmaea-Formen der Neudörfler Schlämmungen 
einmal noch .näher zu analysieren. 

Üvigerina canariensis (d’Orb.) Brady (= ÜUv. urnula d’Orb.). Ein 
fast glattes Individuum. 

Schon 1899 habe ich eine in denselben Formenkreis gehörige 
Form "mit eigenartiger Kammerung (l. c. pag. 12, Fig. 3) hervorgehoben 
als Uvigerina neudorfensis (Taf. XXXIX, Fig. 11). Diese Form liegt 
mir nun in drei Exemplaren vor. 

Bulimina pyrula d’Orb. Acht Exemplare. Mit winzigen Spitzchen 
unten, also an Dulimina pyrula spinescens Brady erinnernd. Aber auch 
typische Stückchen, wie sie d’Orbigny zeichnet (l. ce. Taf. XI, Fig. 9 
und 10) fanden sich vor. 

Virgulina Schreibersiana 02. liegt mir in vier Exemplaren vor. 


Bolivina dilatata Rss. (vier Exemplare). Lanzettlicher Umriß 
etwas variabel, die Zahl der Kammern zum Teil größer als es Reuss 
(Denkschr., I, Taf. XVII, Fig. 15) angibt. Eines der Stücke. sehr 
zugespitzt, schlanker als es Reuss zeichnet. Bradys Abbildung 
(Chall., LII, Fig. 21) recht ähnlich, aber nach oben stärker verbreitert. 

Globigerina bulloides d’Orb. 68 Exemplare !). Typische Stückchen 
neben solchen der Varietäten: triloba Rss. und quadrilobata d’Orb. 


1) Die Zahlen sind bei fortgesetzter Auslese fast durchwegs größer geworden. 


[5] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 639 


Sphaeroidina bulloides (d’Orb.) Brady = Sphaeroidina austriaca 
d’Orb. (sechs Exemplare). 

Discorbina aff. orbicularis (Terg.) Brady. Vielleicht eine neue 
Form. (Taf. XXXIX, Fig. 15.) 

Nur vier Exemplare liegen mir vor. Die Oberseite ist kuppel- 
förmig aufgewölbt und läßt eine große Anzahl gedrängt stehender 
Zellumgänge mit sehr schräg verlaufenden Zellgrenzen erkennen (bei 
etwa 60 maliger Vergrößerung). Am ähnliehsten scheint mir Discorbin« 
orbieularis (Terquem) Brady (Chall., pag. 647, Taf. LXXX VIII, Fig. 4—8) 
zu sein, deren Wölbung flacher, aber sehr variabel zu sein scheint. 
Von den Formen des Wiener Beckens wäre Asterigerina planorbis d’Orb. 
(l. c. Taf. XI, Fig. 1) zu vergleichen, deren Unterseite ähnlich ist. 
Die Ränder sind sehr scharf, die Unterseite ist flach gewölbt und 
läßt fünf Kammern erkennen, mit einem schmalen, aber deutlichen 
Randsaume, mit seichten Einbuchtungen, wo die Kammern mit ihren 
flachbogigen Rändern aneinander stoßen. Bei starker Vergrößerung 
zarte Punktierung und feine radiale Linien zeigend, welche der Zeichner 
etwas zu schematisiert darstellte; sie tritt im mittleren Teile besonders 
deutlich hervor. 

Truncatulina (Rotalina) Ungerana d’Orb. sp. (drei Exemplare). 


Truncatulina (Rotalina) Dutemplei d’Orb. sp. (sechs Exemplare) 

Die Figur bei d’Orbigny (Vienne, Taf. VII, Fig. 19—21, 
stimmt nicht, wohl aber die von Brady gegebene (Chall., Taf. XCV) 
Fig. 5). Zwei Umkreise und ein mittleres Knöpfchen. 

Truncatulina (Rotalina) cf. Kahlembergensis d’Orb. sp. 

Nur ein Kammerumkreis und mittleres Knöpfchen. Unterseite 
genabelt. 

Truncatulina lobatula (Walk. u. Jac.) Brady (vier kleine Exem- 
plare und ein größeres). 

Truncatulina (Botalina) Aknerana d’Orb. Zwei gute Stückchen 
mit aufgeblähter letzter Kammer. 

Polystomella crispa d’Orb. 

Die Abbildungen bei d’Orbigny (Vienne, Taf. VI, Fig. 9—14) 
stimmen, was die Beschaffenheit der hochaufgewölbten Mitte anbelangt, 
besser als jene bei Brady (Chall., Taf. CX, Fig. 6 und 7), dort 
treten wie bei den mir vorliegenden Stücken viele Grübchen auf, 
während Brady nur sehr wenige und sehr grobe zeichnet. Ein sehr 
kleines Individuum besitzt eine scharfe Externseite. (Sieben Exemplare.) 


Polystomella macella (Ficht. u. Moll) Brady. 

Eine flache, in der Mitte vertiefte Form. Eines ‚der Stückchen 
recht ähnlich der Polyst. Fichtelana d’Orb. (Vienne, Taf. VI, Fig. 7), 
die übrigen aber den von Brady gegebenen Abbildungen (Chall., 
Taf. CX, Fig. 8, 9 und 11) entsprechend, mit dichter stehenden 
Kammerreihen. Brady nennt diese Form eine zusammengedrückte 
Varietät von Polystomella crispa d’Orb. Die mir vorliegenden Stückchen 
in der Größe sehr variabel: von 0'2—0-8 mm Durchmesser. (Acht 
Exemplare.) P. Fichtelana von Brady unter den Synonymen angeführt. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (F. Toula.) 82 


640 Franz Toula. [6] 


Polystomella aculeata d’Orb. 


Ein kleines Individuum mit feinen Spitzen in der Medianebene. 
Brady (Chall., Taf. CX, Fig. 10) bildet diese Form als Jugendform 
von Polystomella macella F'icht. u. Moll ab. 


Nonionina umbilicatule (Montf.) Brady. 


Eine der häufigeren Formen. Bradys Zeichnungen (Chall., 
Taf. CIX, Fig. 8 und 9) ebenso wie d’Orbignys (Vienne, Taf. V, 
Fig. 15 und 16) weisen gröbere Poren auf, während ich meist nur 
sehr feine Poren wahrnehme. (25 Exemplare.) 

Pullenia sphaeroides d’Orb. spec. (= Nonionina bulloides d’Orb.). 
Nur ein winziges Exemplar. 

Brissopsis cf. ottnangensis R. Hörnes (Taf. XXXIX, Fig. 19 u. 20). 

Zwei Stachelwarzen, die ich nicht sicher zu bestimmen wage. 
Die fast kugeligen Warzen mit zentralen Grübchen sind am Grunde 
mit einem Kranze von winzigen rundlichen Körnchen versehen. Sie 
sehen etwas anders aus als die Stachelwarzen, wie sie R. Hoernes 
(Jahrb., 1875, Schlier von Ottnang) Taf. XV, Fig. 2b, gezeichnet hat, 
auch im Text erwähnt er den Körnchenkranz bei Brissopsis ottnan- 
gensis nicht. Freilich ist seine Abbildung nur 3mal vergrößert, während 
ich mit 30 maliger Vergrößerung arbeitete. Borstenstacheln mit 
gitteriger Oberfläche finden sich in Menge, sie sind etwas gröber als 
jene von Ottnang und die Köpfchen ragen weniger vor. 

Von Bryozo&n fand ich nur zwei Stückchen vor. Das eine 
möchte ich als zu Crisia gehörig und als 

Orisia n. f. bezeichnen (Taf. XXXIX, Fig. 21). 

Es ist Imm lang und 025 mm breit. An den Seiten treten ab- 
wechselnd stehend kreisrunde Zellmündungen auf, etwa so wie bei 
Crisia Edwardsi Rss. (Haid. Abh., II., Taf. VII, Fig. 20). Das Astchen 
ist beiderseits fein längsgestreift, indem die Zellen höherer Abschnitte 
sich nach unten fortsetzen. Manzonis Abbildung von Crisia Hoernesi 
(Denkschr. Wiener Ak., 1878, Taf. 1, Fig. 3) ist der Form nach ähn- 
lich, doch zeigt die Oberfläche nur feine Querlinien. 

Ein zweites, der Länge nach durchbrochenes Bryozo@nästchen 
möchte ich seiner gedrängt stehenden Zellmündungen wegen zu Hornera 
stellen. Die Zellen sind verhältnismäßig sehr groß. 

Reuss hat eine Hornera seriatopora (l. c. Taf. VI, Fig. 26) 
abgebildet, welche Manzoni (l. c. Taf. VIII, Fig. 29) als Frlisparsia 
neu abbildete, eine Form mit zahlreichen Zellmündungen. Eine Über- 
einstimmung mit meinen Stückchen besteht nicht, weshalb ich das 
letztere als Hornera sp. bezeichne. 

Von Gastropoden liegt wenig vor. Ein winziges Cerithium mag 
als Cerithium cf. scabrum Olivi bezeichnet werden. Es ist jedoch ge- 
drungener und nur mit zwei gekörnelten Spirallinien versehen. 

Ein zweites Stückchen zeigt drei glatte (Embryonal-) Windungen 
von fast kreisförmigem Querschnitte, die folgende trägt drei kräftige 
Spiralreifen, welche auf eine breite, glatte und muldige Spiralfläche 
folgen. Die Umgänge scheinen Stufen gebildet zu haben. Das Stück- 
chen ist zu unvollständig, um eine Bestimmung vornehmen zu können. 


[7] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 641 


z Probe aus Schichte III. 


Die Schlämmrückstände grau, sandig, mit vereinzelten Quarz- 
und Lignitbrocken und vielen Bruchstücken und Zerreibsel von 
Bivalven. Braust lebhaft mit Säure und bleibt sehr feiner Sand zurück. 
Der Gehalt an bestimmbaren Fossilien verhältnismäßig gering. 

Quinqueloculina sp. (cf. 9. pulchella [d’Orb.] Brady). 

Ein großes. leider etwas beschädigtes Stück, 2 mm lang, mit 
Längskanten und Längsstreifen auf der einen Seite der Kammer. 
Bradys Miliolina (Quinqueloculina) pulchella d’Orb. sp. (Chall., Taf. VI, 
Fig. 14) hat eine ähnliche Skulptur und ist ebenfalls eine große Form. 


Nodosaria (Dentalina) cf. soluta (Reuss?) Brady. 


Nur fünf fast kugelig aufgeblähte, glatte und porzellanartige 
Zellen (12 mın lang). Die Reusssche Form (Zeitschr. d. Deutsch. 
geol. Ges., 1851, Taf. III, Fig. 4) zeigt die Zellen voneinander 
wenigstens zum Teil durch Furchen getrennt. 

Neugeboren (Denkschr. d. Wiener Ak., XII, pag. 85, Taf. III, 
Fig. 7) hat eine Dentalina Reussi aufgestellt, die der genannten Form 
sehr ähnlich zu sein scheint, aber offenbar zweierlei Formen umfaßt, 
von welchen Brady eine (Fig. 17) wohl mit Recht zu seiner Nodo- 
saria consobrina d’Orb. gestellt hat. 

Oristellaria af. simplex d’Orb. sp. Mit nur sieben Kammern und 
erhabener Mitte der Scheibe. Fünf Exemplare. Brady stellt diese 
Form zu Cr. rotulata Lam., zeichnet aber (Chall., Taf. LXIX, Fig. 13) 
14 Kammern. 

Oristellaria cultrata (Montf.) d’Orb. sp. Ein Exemplar. 

Oristellaria spec. Vier beschädigte Exemplare. 

Tesxtularia carinata d’Orb. Sechs Exemplare. Ein Stück darunter, 
mit seitlichen Zacken, erinnert an T. lacera Iss. aus dem Septarien- 
ton. Von Brady als Synonym bezeichnet, ebenso wie die T. attenwata 
Rss. (man vergleiche Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges., 1851, Taf. VI, 
Fig. 52—54). 

Uvigerina pygmaea d’Orb. (und semiornata d’Orb.). Elf Exemplare. 
von typischer gedrungener Form. Auch fast glatte Varietäten. 

Uvigerina sp. (Mündungen fehlen.) Zehn Exemplare. 

Uvigerina tenuistriata Rss. 13 Exemplare. 

Uvigerina neudorfensis Toula. Zwei Exemplare. 

Uvigerina urnula d’Orb. zu Uv. pygmaea, nur die ersten Zellen 
mit Rippchen. Ein Exemplar. 

Uvigerina asperula (03. Nur ein Exemplar, sehr klein. 

Uvigerina (?) sp. Stark beschädigt, mit einem spiraligen Knäuel 
von vielen Anfangszellen (vielleicht neue Form). Ein Exemplar. 
(Taf. XXXIX, Fig. 12.) 

Bolivina dilatata« Rss. Nur ein schlankes Exemplar. 

Globigerina bulloödes d’Orb. Sechs Exemplare. 

Discorbina cf. planorbis d’Orb. sp. Nur ein Exemplar. 

Discorbina sp. ind. Zwei Exemplare. 

82* 


642 Franz Toula. [8] 


Discorbina orbicularis (Terg.) Brady (Chall., Taf. LXXXVI, 
Fig. 4—8). 

Truncatulina cf. lobatula (Walk. u. Jac.) Brady. 

Die Oberseite leicht vertieft. Die Innenwindung weniger deutlich 
als bei Bradys Abbildung (Chall., Taf. XCIII, Fig. 1a). Nur ein 
Exemplar. 

Anomalina variolata d’Orb. (= Trunc. lobatula Brady). Mit leicht 
vertiefter Oberseite und sechs Kammern im Umkreise. 

Truncatulina cf. Dutemplei d’Orb. sp. Ein etwas beschädigtes 
Exemplar. 

Truncatulina Ungerana d’Orb. sp. Nur ein Exemplar. 

Spirillina cf. punctata Rss. sp. (Taf. XXXIX, Fig. 14). 

Ein kreisrundes, in der Mitte vertieftes Scheibchen mit vielleicht 
sieben Umgängen, welche dicht bedeckt sind mit zarten winzigen 
Höckerchen. Es ist keine Punktierung, wie Reuss (Denkschr., I, 
Taf. XLVI, Fig. 21) bei dem als Operculina punctata bezeichneten 
Stück von Grinzing sagt, sondern eine echte Pustelierung, wie sie etwa 
Bradys Spirillina tuberculata (Chall., Taf. LXXXV, Fig. 14) zeigt. 
Form und Umgänge stimmen ganz mit jenen der Reussschen Art 
überein. Nur ein Exemplar liegt mir vor, etwa 0'3 mm im Durchmesser. 

Truncatulina cf. Ungerana d’Orb. sp. Zwei Exemplare. Öhne 
Nabel auf der Unterseite. Vielleicht eine neue Form. 

Pulvinulina (Rotalina) Haueri d’Orb. sp. Nur ein Exemplar. Die 
d’Orbignysche Abbildung (Vienne, Taf. VII, Fig. 22—24) stimmt 
besser als jene bei Brady (Chall., Taf. CVI, Fig. 6 und 7). 

Polystomella macella Ficht. u. Moll. Nur ein hübsches Exemplar. 

Eine sehr flache Form mit vertiefter Mitte (Brady, Chall., 
Taf. CX, Fig. 8). 

Polystomella Fichtelana d’Orb. (Vienne, Taf. VI, Fig. 7 und 8). 
Von Brady als Synonym bezeichnet, hat einen scharf schneidigen 
Kiel, was d’Orbigny als Unterschied anführt. Mein Stückchen zeigt 
dies nicht. 

Nonionina bulloides d’Orb. (= Pullenia sphaeroides [@’Orb. sp.] 
Brady). 

Nonionina umbilicatula (Montf. sp.) Brady. Vier Exemplare. 

Ein Seeigelwärzchen. Vielleicht Brissopsis ottnangensis R. H. 

Wärzchen mit Grube und von sieben kleinen Knötchen umgeben 
(Taf. XXXIX, Fig. 20). 

Borstenstacheln, vielleicht von Brissopsis ottnangensis. Wo 
Köpfchen vorhanden sind, diese wenig vorragend. In großer Anzahl 
vorhanden. 

Muschelbruchstücke recht häufig. Cardium dürfte darunter sein. 

Nur ein Bruchstück einer glatten Sehale aus der Wirbelgegend, mit 
Andeutungen des Schlosses, mit einem schwachen und einem sehr 
kräftigen Zahne neben einer rundlichen Zahngrube. Ich wage keine 
Bestimmung, werde jedoch an Ervikia pusilla Phil. erinnert. 


[9 Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 643 


Eine winzige Modiola (07T mm der Quere nach). Vielleicht Modiola 
cf. Hörnesi (Reuss) Hörn. (Taf. XXXIX, Fig. 22). Mit kräftigem vor- 
gezogenem Wirbel und scharf ausgeprägten Anwachslinien, aber ohne 
Streifen. Die Umrisse stimmen gut. M. Hoernes gibt eine Modiola 
sericea Br. von „Neudorf an der March“ als sehr selten an, welche 
im Habitus ganz verschieden ist. Die Reussschen Abbildungen 
(Wieliczka, Taf. VI, Fig. 2—4) stimmen mit der von M. Hoernes 
gegebenen (Wien, Bd. II, Taf. XLV, Fig. 2) nicht überein. Es wird 
wohl ein neuer Name aufzustellen sein, etwa Modiolu neudorfensis n. f. 

Gastropoden sind selten, doch findet sich ein überaus schlankes 
Schälchen, das wohl als eine Turbonilla sp. angesprochen werden darf; 
es sind aber nur die drei letzten Umgänge erhalten, welche 22 mm 
lang sind und zarte Querrippchen und eine zahnlose Mündung erkennen 
lassen. Ein zweites, viel kleineres Schälchen zeigt auf etwa 05 mm 
Länge viele quergerippte, sehr niedrige und zwei glatte Embryonal- 
windungen. Ich bezeichne diese winzige Form, die leider beschädigt 
wurde, als 

Turbonilla (?) neudorfensis n. f. (Taf. XXXIX, Fig. 23). Sie 
dürfte sich an T. pygmaea Grat. anschließen (M. Hoernes, II, 
Taf. XLIII, Fig. 32), unten ist die Mündung ausgußartig vorgezogen, 
der erste Umgang ist glatt und abgerundet. 

Von Otolithen liegen neun Stückchen vor, darunter zwei Kreis- 
runde. Fischknöchelchen (Gräten u. dgl.) sind nicht selten. 

Herr Dr. R. J. Schubert war so freundlich, die verschiedenen 
Formen zu bestimmen: 


Serranus cf. Noetlingi Kok. juv.? 
Box insignis Proh. 

Gobius af. intimus Proh. 
Scopelus austriacus Kok. 

Scopelus pulcher Proh. 

Scopelus sp. (nov. oder juv.). 


Probe aus Schichte IV. 


Die Schlämmrückstände bestehen vorwaltend aus Foraminiferen- 
schälchen, Muschel- und Lignitbröckchen und spärlichen Quarzsand- 
körnern. Aus einem Teile der Rückstände habe ich die im 
nachfolgenden verzeichneten Formen herausgelesen. 

Spiroloculina tenws CZ. sp. Drei Exemplare, etwas sandig. 

Spiroloculina cf. nitida d’Orb. sp. Nur zwei am Rande beschädigte 
Individuen, von fast kreisförmigem Umrisse. Durchmesser 2 und I'd mm. 

Quinqgueloculina Aknerana d’Orb. (= Miliolina semilunum [Linn 
sp.] Brady). 30 Exemplare. 

Nodosaria (Dentalina) soluta Rss. Vier Exemplare. 

Nodosaria (Dentalina) consobrina d’Orb. var. emarciata Rss. Elf 
Exemplare (Taf. XXXIX, Fig. 2). 

Nodosaria (Dentalina) sp. Drei Exemplare. 


644 Franz Toula. [10] 


Oristellaria (Marginulina) cf.tenuis(Bornem.) Brady. — (Taf. XXXIRX, 
Fig. 6). Zwei Exemplare (vielleicht neue Form: Marginulina neu- 
dorfensis n. f.). Seitlich etwas zusammengedrückt. Die ersten Kammern 
förmlich eingeroilt, die weiteren stabartig gestreckt mit zuerst schrägen, 
dann queren Grenzfurchen. Man vergleiche Brady (Chall., Taf. LXVI 
Fig. 21—23), mit mittelständiger Mündung, während sie bei meinen 
Stücken seitlich, förmlich randständig auftritt, etwa wie bei Vaginulina 
legumen Lin. (Chall., ebend., Fig. 13—15), wo aber die ersten Kammern 
ganz anders angeordnet sind. Länge 2 mm. 


Oristellaria cf. echinata d’Orb. — (Taf. XXXIX, Fig. 7). Zwei 
ziemlich große Stückchen, mit warzigen, zerstreut stehenden Höcker- 
chen. Zwei weitere Stückchen sind fast glatt, aber mit Andeutungen 
von Knötchen an den geschwungenen Radialrippen; ohne ausgesprochene 
zentrale Scheibe, nur eine Verdickung, wo die Rippen zusammentreffen. 

Cristellaria cf. cultrata Montf. spec. Zwei Exemplare mit scharfem 
Kielsaum. Minder gut erhalten (Chall., Taf. LXX, Fig. 7 und 8). 

Oristellaria aff. echinata (d’Orb.) C2. (Vielleicht eine neue Form.) 
(Taf. RIRIS Rie., 7), 

Nur ein Exemplar, das ich nur mit C2jzeks Abbildung (Haid. 
Abh., II, Taf. XII, Fig. 23 und 24) in Vergleich bringen kann. Leider 
sind die Zacken der Crista beschädigt. Nur die ersten drei Ab- 
teilungen des Umkreises sind mit den konzentrischen Streifen ver- 
sehen, die drei letzten besitzen zerstreut stehende Höckerchen. 


Oristellaria simplex d’Orb. Mit schmaler Crista. Drei Exemplare. 

Oristellaria spec. Mehrere, mehr weniger beschädigte Formen. 

Polymorphina austriaca d’Orb. sp. (= P. problema [d’Orb.] Brady). 
Vier Exemplare. Breite Form. 

Textularia carinata d’Orb. Ein paar tausend Exemplare. 

In großer Variabilität, was die Umrisse anbelangt, gedrungene 
und schlanke Formen, der Saum selten fast vollständig, zumeist be- 
schädigt und zum Teil in feine Spitzen aufgelöst. Die Normalform 
mit vorgewölbten Kammern d’Orbignys ist seltener (Vienne, Taf. 
XIV, Fig. 32—34). Auch die Formen, wie sie der Bradyschen Dar- 
stellung (Chall., Taf. XLII, Fig. 15 und 16) entsprechen, finden sich 
darunter, wo die Kammern gegen die Umrandungen zurücktreten und 
wie geöffnet aussehen. 

Olavulina communis d’Orb. 30 Exemplare. 

Dvigerina neudorfensis Toula. Ein Exemplar. 

en Orb. Viele hunderte von Exemplaren. 

Dıgering. pugmard.d FR |Tyüch pygmaea s. h., typische te- 
nuistriata Rss. 8, h. 

Uvigerina aperula CZ. weniger häufig. 

Seltener sind Formen mit Andeutungen von Dörnchen, wie es 
Brady bei seiner 

Üvigerina brunnensis (Karrer) zeichnet. Karrer spricht nur von 
einer „etwas wie granulierten, nicht glatten“ Oberfläche. 


Uvigerina tenuistriata Rss. 


[11] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 645 


Alle diese kleinen Formen scheinen eine Art von Polymorphismus 
der Uv. pygmaea vorzustellen, was wieder zu einem speziellen Studium 
dieser Formengruppe drängen könnte. 

Bulimina (Ceratobulimina) contraria Rss. sp. Vier Exemplare. 

Bulimina inflata (Sequenza) Brady. Drei Exemplare (verwandt 
mit B. Buchana d’Orb.). 

Bulimina ovata d’Orb. Nur ein Exemplar. 

Virgulina Schreibersi O2. 16 Exemplare. 

Globigerina bulloides d’Orb. var. triloba Rss. Fünf Exemplare. 

Sphaeroidina bulloides (d’Orb.) Brady. 118 Exemplare. 


Truncatulinen in Hunderten von Exemplaren. Am häufigsten ist 


Truncatulina Dutemplei d’Orb. sp. 56 Exemplare wurden aus- 
gelesen. 

Bradys Abbildung (Taf. XCV) stimmt mit jener d’Orbignys 
(Taf. VIII, Fig. 19—21) gewiß nicht überein. Dagegen erinnert sie in 
der Oberansicht etwas an meine Tr. Neudorfensis, ist jedoch sonst 
eine viel stärker rundlich aufgeblähte Form. 


Truncatulina lobatula d’Orb. sp. Nur ein beschädigtes Exemplar. 

Truncatulina Neudorfensis n. f. Sieben Exemplare. 

Pulvinulina cf. elegans d’Orb. sp. 

Nur zwei ziemlich beschädigte Stücke liegen mir vor (lmm Durch- 
messer). Die Oberseite hoch aufgewölbt, die Umgänge nur angedeutet. 
Die Unterseite sehr flach gewölbt. 

Ein drittes Stück kann ich mit Bestimmtheit als Pulv. elegans 
(@’Orb.) Brady bezeichnen. Es stimmt bestens mit dessen Figuren 
(Chall., Taf. CV, Fig. 5a—c). Durchmesser 1'4 mm. 

Polystomella crispa Lin. Nur ein gutes Exemplar. 

Nonionina umbilicatula (Montf.) Brady (= N. Soldaniü d’Orb.). Vier 
Exemplare. 

Nonionina Bouedana (d’Orb.) Brady. Nur zehn Kammern. Vier 
Exemplare. 

Echinidenwarze, durchbohrt mit Knötchen im Umkreise. 
Ein Exemplar. (Brissopsis ?) 

Borstenstacheln wie jene von Brissopsis ottnangensis R. Hoern. 
liegen in vielen Hunderten von Stückchen vor, einige mit Köpfchen. 
(Taf. XXXIX, Fig, 19.) 

Außerdem nur noch eine nicht näher bestimmbare kleine 


Natica in einem Exemplare und eine kleine Schnecke (Taf. 
XXXIX, Fig. 24), welche an gewisse Paludinen erinnern könnte. 
Eine sichere Bestimmung wage ich nicht vorzunehmen. Sie ist 2:35 mm 
hoch und 1’4mm dick, dünnschalig, hat vier bis fünf Umgänge, diese 
sind etwas aufgewölbt und feinstens quergestreift. Die Mündung nach 
oben scharf, nicht gerundet; von einer Spindellamelle ist nichts 
zu sehen. 

Zwei gebogene, sich verjüngende Röhrchen, dünnschalig und 
bläulich gefärbt, erinnern an Dentalium entalis Linn. Eine sichere 
Bestimmung wage ich nicht vorzunehmen, ebensowenig bei zwei 
zylindrischen Röhrchen, bei denen man an Serpula denken könnte. 


646 A Franz Toula. [12] 


Von Otolithen fand ich 13 Exemplare. 


Herr Dr. R. J. Schubert bestimmte: 

Hymenocephalus labiatus Schub. 

Xenodermichthys catulus Schub. (Aus den Pausramer Mergeln, 
auch von Walbersdorf bekannt.) 

Scopelus Kokeni Proh. (Nur ein Fragment.) 

Scopelus aff. splendidus Proh. 

Scopelus austriacus Kok. 

Scopelus af. pulcher Proh. 

Scopelus sp. (nov. od. juv.). 


Probe aus Schichte V. 


Spiroloeulina cf. asperula Karr. 

Dem Umrisse nach gleichen meine Stückchen, die bis 09 mm 
Länge erreichen, recht sehr der Spiroloculina asperula Karrer von 
Kostej (1868, Taf. I, Fig. 10), während man jedoch bei dieser viel 
kleineren Form sechs Zellen erkennen kann, ist die Oberfläche meiner 
Stückchen so dicht sandig, daß man nur die stärker aufgewölbte 
innerste Kammer noch erkennen kann. Zweifellos ist es eine der 
Karrerschen Art mindestens sehr nahestehende agglutinierende Form. 
Die Quinqueloculina foeda Rss. (1849, Taf. L, Fig. 5 und’ 6), mit nur 
einer und zwei Innenkammern, würde nach dieser Kammerung ähnlich 
sein, doch ist die Umrißform ohne die scharf vorragenden beiden Enden. 
Bei Brady finde ich diese Reusssche Form übrigens nicht erwähnt, 


Biloeulina. 


Biloculinen liegen mir nur sieben Exemplare vor, von denen 
nur drei besser erhalten sind, ein größeres und zwei kleine Stückchen. 
Alle Stückchen dürften in die Formengruppe der Biloculina depressa 
(d’Orb.) Brady gehören. Das größte Stück, 1'3 mm im Durchmesser, ist 
nur um weniges länger als breit. Die Mundöffnung ist ähnlich jener von 
Biloculina ringens (Lam.) Brady (Chall., pag. 142, Taf. II, Fig. 7 und 8) 
= B.turgida Rss. (Deutsch. Geol. Ges. IIJ., Taf. VII, Fig. 55); besitzt 
jedoch unten eine Art Schleppe, mit zwei gerundeten Endigungen, 
ähnlich etwa, wie es R. M. Bagg (Pliocäne und pleistocäne Fora- 
miniferen, 1912, Taf. IL, Fig. 1 und 2) von Biloculina depressa var, 
murrhina Schwager von St. Pedro im südkalifornischen Pliocän 
zeichnete. Beide Enden, Mund und Schleppe, sind von der Vorder- 
seite gut sichtbar. Die Mundöffnung hat einen kräftigen Zahn mit 
gerundeten Vorsprüngen auf beiden Seiten. Erwähnt sei, daß Baggs 
Fossil mit der gleichnamigen Form bei Brady nicht übereinstimmt. 

Biloculina depressa-lunula d’Orb. Stimmt mit der Biloculina lunula 
d’Orb. (Vienne, Taf. XV, Fig. 22—24) gut überein. Drei besser er- 
haltene Exemplare und zwei Hälften. 

Triloculina tricarinata (d’Orb.?) Brady. Ich erhielt drei Indivi- 
duen, von welchen zwei etwas beschädigt sind. Länge 2°6, Breite 2 mm. 
Bradys Abbildung (Chall., pag. 165, Taf. III, Fig. 17) stimmt recht 
gut, ist aber etwas länger und nach unten ausgezogen, was bei meinen 


[13] | Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 647 


Stücken nicht der Fall ist. Brady führt als synonym die Triloculina 
gibba d’Orb. an (Vienne, 1846, Taf. XVI, Fig. 22—24), eine Zusammen- 
ziehung, welche gewiß viel zu weit geht. Es ist merkwürdig, daß die 
Abbildungen dieser als ansehnlich groß zu bezeichnenden Art so weit 
auseinandergehen. Reuss führt sie aus Wieliezka an (1867, Taf. II, 
Fig. 4), die Abbildungen 4a und 6 sind aber ganz absonderlich. 


Quinqueloculina (Miliolina) seminulum Linn. sp. = Q. Aknerana d’Orb. 


Quinqueloculina Aknerana d’Orb. mit gerundet gewölbter dritter 
Kammer ist eine häufigere Art in Neudörfl (bei 100 Exemplare), die 
durch die kantige dritte Kammer sich von Quinqueloculina triangularis 
d’Orb. unterscheidet. Die größten Individuen erreichen etwa 1 mm. 
Brady (Chall., pag. 157) hat beide und mehrere ähnliche Formen 
als Miliolina seminulum Linn. sp. zusammengefaßt, was wohl die Be- 
stimmung sehr erleichtert, aber die Festhaltung der verschiedenen 
Formen erschwert. 


Nodosaria (Dentalina) soluta Rss. 


Sieben Stückchen liegen mir vor. Die letzte Kammer mit lang 
vorgezogener spitzer Mündung, die Kammern stark aufgewölbt, glatt 
und glänzend, glasig durchscheinend. Fünf Kammern, etwa 1'1 mm 
lang. Die von Brady (Chall., Taf. LXII, Fig. 13) abgebildete Form 
scheint mir am besten übereinzustimmen. Auch vereinzelte viel größere 
Kammern haben das Aussehen der soluta. Bagg hat (Bull. 513, 1912, 
Taf. XVI, Fig. 7) sehr schön übereinstimmende Stücke aus dem 
kalifornischen Miocän abgebildet. 


Nodosaria (Dentalina) cf. soluta Rss. 


Nur wenige Kammern liegen vor, und zwar die letzten mit der 
Mündung, oder diese mit der vorhergehenden Kammer. Es ist die 
stark eingeschnürte Form (Reuss, Septarienton, 1865, Taf. II, Fig. 6). 
Auch von der gedrungenen Form (Reuss, 1. c. Fig. 8) liegen zwei 
Kammern vor. 


Nodosäria (Dentalina pauperata d’Orb. Nur eine letzte Zelle und 
zwei miteinander verbundene. Dickschalig, glatt und wenig eingeschnürt. 
Vielleicht von einem und demselben Individuum. Auch zwei viel 
kleinere Individuen, eines mit fünf Kammern (l1mm lang), stelle 
ich hierher. 


Nodosaria (Dentalina) cf. scabra Ess. (vielleicht n. f.) — (Taf. 
XXXIX, Fig. 5). 

Eine sehr zierliche Form, welche durch die kugeligen Kammern 
an Dentalina Adolphina d’Orb. (}. c. Taf. II, Fig. 18) ünd an Denta- 
lina scabra Rss. (1849, Taf. XLVI, Fig. 7) denken ließe. An die 
erstere Form erinnern vereinzelte Höckerchen an der Unterseite, an 
die zweite die feinen Rauhigkeiten der Oberfläche. Aber auch die 
Nodosaria hispida (d’Orb.) Brady (Chall., Taf. LXIII, Fig. 19) kommt 
in Vergleich. Mein hübsches Stückchen mit neun Kammern ist aber 
kaum 0'8 mm lang, also, mit den übrigen verglichen, geradezu winzig. 
Die beiden erstgenannten Formen finden sich bei Brady nicht. 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64, Band, 4. Heft. (F. Toula.) 83 


648 Franz Toula. [14] 


Nodosuria (Dentalina) cf. obligua (Linne) Brady. Nur ein Bruch- 
stück mit drei Kammern. Diese nur wenig aufgewölbt, mit kräftigen 
Längsrippchen, länger als bei den von Brady (Chall., Taf. LXIV, 
Fig. 20—22) abgebildeten Individuen. Dentalina bifurcata d’Orb. (1. e. 
Taf. II, Fig. 38) hat viel stärker aufgewölbte Kammern. Nodosaria 
conspurcata Rss. (1865, Taf. I, Fig. 19) aus dem Septarienton könnte 
in Vergleich kommen, hat aber viel kürzere Kammern. (Brady stellt 
die letztere Form [l. ec. pag. 507] zu Nodosaria hispida.) Am ähn- 
lichsten ist vielleicht die Dentalina crebricosta Neug. (1856, Taf. IV, 
Fig. 12 und 15) von Lapugy. 

Oristellaria gibba (d’Orb.) Brady. 

Eine fast glatt erscheinende, fein punktierte Form mit sehr 
undeutlichen Begrenzungen der wenigen (7) Kammern und schmalem 
Kielsaume; etwas flacher als Or. gibba der Bradyschen Abbildung. 
(Chall., Taf. LXIX, Fig. 8, 9.) Mir liegen nur fünf Individuen vor. 

Cristellaria aff. torosa Rss. sp. und Or. regina Karr. sp. 

Mir liegt nur ein Schälchen vor, welches ich in seiner Skulptur 
nur mit der Robulina regina vergleichen kann, welche Karrer aus 
dem tertiären Grünsand der Orakeibay bei Auckland (Novara-Werk 
I., Bd. 2, Taf. XVI, Fig. 6) besprochen hat, eine 3mm große Form, 
die sich bei Brady nicht findet. Mein Stückchen mißt dagegen nur 
05mm im Durchmesser. Die sieben Kammern sind sehr schräg ge- 
stellt und durch bogige Rippen, etwa sechs an der Zahl, verziert. 
Man könnte auch an Or. mammiliga Karr. (ebend. Fig. 5, Brady 
l. c. Taf. LXX, Fig. 17) erinnert werden, doch fehlen die Knötchen 
auf den Rippen und diese sind viel stärker gekrümmt. Der Kielsaum 
ist schmal. Die Reusssche Robulina torosa aus dem Oberoligocän 
ist der Kleinheit nach sehr ähnlich und mit den stark nach rückwärts 
gekrümmten Rippen versehen. 

Oristellaria aff. nitida (d’Orb.) Brady. 

Eine kleine Form mit sechs aufgeblähten Kammern, so daß man 
an Öristellaria nitida (d’Orb.) Drady (Chall., Taf. LXX, Fig. 2) er- 
innert wird. Mir liegt nur ein Exemplar vor, dessen Kielsaum be- 
schädigt ist. 

Glandutina laevigata (d’Orb.) Brady. 

Es liegen mir mehrere Stückchen der gedrungenen Form (Brady, 
Chall., Taf. LXI, Fig. 22) vor. Das Spitzchen ist kurz, etwa wie bei 
Gl. globulus Rss. (1863, Taf. VIII, Fig. 94, 95), was besonders bei 
einem kleinen, kugeligen Individuum zutrifft. 

Glandulina (laevigata d’Orb.) elliptica Rss. 

Ein schönes, rein eirundes Exemplar mit nur drei Kammern, also 
der Form bei Brady (Chall., Taf. LXI, Fig. 20) am ähnlichsten, nur 
viel bauchiger. 

Bradys Abbildung, ein am unteren Ende scharf spitziges Indi- 
viduum, zeigt nur eine Kammer weniger. Die Beschreibung bei Reuss 
(Septarienton, Jahrb. 1863, pag. 47, Taf. IV, Fig. 29, 30) stimmt 
auf das beste. Meine Stückchen sind unten mit einem kurzen Spitzchen 
versehen. 


15] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 649 


Glandulina globulus Rss. 


Die kugelige, kleine Form mit kurzen Spitzchen liegt neben 
einer sonst ganz ähnlichen, mit sehr niederer erster Kammer, aber 
ohne Spitzchen vor, welche ich als 

Glandulina rotundata Rss. (von Grinzing, Denkschr. I., pag. 355, 
Taf. XLVI, Fig. 2) bezeichnen möchte. Brady bildet (Chall., Taf. LXT, 
Fig. 17—19) elliptische Schälchen ab mit vollkommen gerundetem 
(nicht zugespitztem) unterem Ende, die einigermaßen an die Reusssche 
@l. elliptica erinnern könnten, aber der von Reuss gegebenen Be- 
schreibung seiner @/. rotundata sonst nicht entsprechen. 6 Exemplare. 

Von Gl. laevigata unterscheiden sich beide Formen durch die 
niederen Anfangskammern. Drei nahe verwandte Formen. 

Polymorphina (Guttulina) austriaca d’Orb.—Brady (Chall., pag. 568) 
vereinigt diese Form mit Polym. problema d’Orb. In meinem Material 
mehr als 60 Exemplare. Brady hat unter seinen Challengerformen 
keine typische P. austriaca abgebildet. Es mag aber immerhin zu- 
treffend sein, denn die mehr als 50 Exemplare, welche ich bei der 
ersten Auslese zu FPolymorphina (Gutt.) austriaca stellte, zeigen 
eine merkliche Variabilität, ohne aber die Form und Anordnung der 
Zellen zu verlassen. Es sind schlankere und gedrungenere Formen. 
Die nach unten besonders stark ausladenden weiteren Stücke, ohne 
die spitze unterste Zelle, scheinen sich in der Tat der Polymorphina 
problemd d’Orb. zu nähern, ohne jedoch die starke Aufblähung der 
Zellen zu zeigen. Sie könnten nur als P. (G.) austriaca d’Orb. var. 
bezeichnet werden. Sieben Exemplare. 


Polymorphina (Guttulina) oblonga d’Orb. Die schlanke Form liegt 
mir nur in drei Exemplaren vor. 


Polymorphina (Guftulina) problema d’Orb mit stärker aufge- 
blähten Zellen fand sich in sechs Exemplaren. 

Polymorphina (Globulina) gibba d’Orb. sp. und 

Polymorphind (Globulind) irregularis d’Orb. sp. 

Nur zwei Exemplare liegen mir von dieser kugeligen Form 
vor, die vielleicht — es ist sehr schwer, sich zu entscheiden — 
mit der Varietät orbicularis Karrer (Kostej, Taf. IV, Fig. 8) zu ver- 
einigen wären. Ein drittes Stückchen zeigt die Mündung so, wie 
es d’Orbigny (Vienne, Taf. XIII, Fig. 9, 10) zeichnen ließ. Es 
sind in dieser Stellung nur zwei fast gleichgroße Kammern sichtbar. 
Diese Form nannte d’Orb. Globulina irregularis. Die Mündungslage 
ist so eigenartig, daß mir die Vereinigung dieser Form mit Globulina 
communis d’Orb. durch Brady (Chall., pag. 568) nicht, glücklich zu 
sein scheint. 

Polymorphina pyrula n. f. 

Aus der an Polymorphina gibb« d’Orb. anschließenden Formen- 
gruppe. 
d’Orbigny zeichnet diese (Vienne, Taf. XIII, Fig. 13, 14) 
mit kreisförmigem Querumrisse mit vorgezogener Mündung, Karrer 
(Kostej, Taf. IV, Fig. 8) aber geradezu kugelig. 

83 * 


650 Franz Toula. [16] 


Reuss hat von Wieliczka eine Polymorphina depauperata nam- 
haft gemacht (pag. 73, Taf. HI, Fig. 9), welche seitlich stark zu- 
sammengedrückt erscheint. Mein Stückchen kann ich nur birnförmig 
nennen. Die Mündung ist vorgezogen, am anderen Ende findet sich 
ein kleines Höckerchen, auf der einen Seite des Umrisses erscheint 
eine Verschmälerung, Die Kammergrenzen sind nur schwer zu ver- 
folgen, scheinen sich der Pol. depauperata anzunähern. Nur ein Stück 
liegt mir vor, etwa 0'4 mm lang. 

Polymorphina sororia Rss. 

Auf das beste übereinstimmend mit Bradys Abbildung (Chall., 
Taf. LXXI, Fig. 15, 16). Eine aus dem Septarienton bekannt ge- 
wordene Form. (Reuss, Jb. 1870, Schlicht von Pietzpuhl 1870, Taf. 
XXVL) Nur ein Stückchen liegt mir vor. 

Textularia carinata d’Orb. Nur 26 Individuen; breite Formen 
herrschen vor, doch finden sich auch drei Stückchen, welche als sehr 
schlank bezeichnet werden müssen (Varietät). Diese nähern sich der 
Textularia an, welche Reuss (D. Geol. Ges. III, pag. 84, Taf. VI, 
Fig. 54) als Textularia attenuata bezeichnet hat, von Brady (Chall., 
pag. 360) aber zu T. carinata gestellt wird. 


Tesxtularia (Plecanium) abbreviatum d’Orb. sp. 


Nur ein sehr stark mit Sandkörnern verklebtes Exemplar liegt 
mir vor, das auf das beste mit der d’Orbignyschen Form überein- 
stimmt, sehr breit und dick gebaut ist und die Mundöffnung geradeso 
darbietet, wie es d’Orbigny (Vienne, Taf. XV, Fig. 3) zeichnet. 
Reuss (Wieliczka, pag. 47) führt zwar an, daß diese Mundöffnung sehr 
variabel sei, so daß auch Plecanium subangulatum d’Orb. spec. mit 
halbrunder Offnung nach seiner Meinung dazu gehört. Brady (Chall., 
pag. 365) hält diese Form für der Textularia (Plec.) gramen d’Orb. 
sehr nahe stehend (Chall,, Taf. XLII, Fig. 9, 10). Dies mag zutreffen. 
Pl. gramen, subangulatum und abbreviatum mögen eine Reihe bilden, 
auf jeden Fall ist die letzte Form aber das äußerste Glied dieser 
Reihe und sollte noch festgehalten werden. Mein Stück ist übrigens 
kaum halb so groß wie das d’Orbignysche Original. Daß auch 
Cijzeks Textularia (Plee.) Partschi, wie Reuss meint, „eine Form 
von Textul. (Plec.) abbreviatum“ sei, möchte ich nicht sagen, die Form 
des Umrisses und die Aufblähung der Kammern und Rundung der 
Seiten unterscheiden zu auffällig. 

Textularia (Plecanium) gramen d’Orb. 

Nur fünf Exemplare liegen mir vor. Die Textularia Partschi 
CZjZek (Nat. Abh. II, Taf. XIII, Fig. 22—24) ist wohl am ähnlichsten. 

Olavulina communis d’Orb. Gehört zu den häufigeren Formen. 
Mir liegen etwa 90 Exemplare vor, die größere Zahl aber nur in 
Bruchstücken. Außer den feinsandigen typischen Stückchen finden 
sich vereinzelt auch grobsandige, welche an die Olavulina parisiensis 
(d’Orb.) Brady (Chall., Taf. XLVII, Fig. 15) erinnern könnten. 

Üvigerina. 

Eine der häufigsten Formen im Tegel von Neudörfl. Viele 
Hunderte von wohlerhaltenen Individuen liegen mir vor. Große und 


117 Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 651 


kleine, schlanke und gedrungene Formen, solche mit gerippten Kammern 
und ganz oder fast ganz glatte. 

Von den von Brady aufgestellten Arten kommen in Betracht: 

Ar er canariensis d’ Orb, (U. urnula d’Orb.) (Chall., Taf. LXXIV, 
Fig. 1—3). 

Dvigerina tenuistriata Rss. (Chall., 1. e. Fig. 4—7). 

Üvigerina pygmaea d’Orb. (l. ce. Fig. 11-14). 

Außerdem noch Dvigerina cochlearis Karr. und Uvigerina 
brunnensis Karr. (Abh. IX, Taf. XVIb, Fig. 48 u. 49.) 

Üvigerina brunnensis Karrer bei Brady (l.ce. Taf. LXXV, 
Fig. 4. 5) scheint mir übrigens etwas anderes zu sein. 

Uvigerina pygmaea d’Orb. — (Taf. XXXIX, Fig. 9.) 

Von den Hunderten von Exemplaren dieser zierlichen Formen 
möchte ich nur die auf fast allen Kammern gerippten und aufge- 
blähten Formen zu der d’Orbignyschen Art stellen, wenn es nicht 
gewagt ist, bei solchen variablen Formen Arten festzuhalten. 

Eine Form, welche so kräftig gerippt wäre, wie sie Brady 
(Chall., Taf. LXXIV, Fig. 11—14) zeichnet, liegt mir nicht vor. Die 
d’Orbignyschen Abbildungen sind vielleicht auch nicht ganz glücklich, 
aber sie erlauben doch die Unterscheidung meiner zahlreichen Stücke. 
Danach sollte man nur die auf allen Kammern gerippten Exemplare 
als Uvig. pygmaea bezeichnen. Brady stand wohl auch vor derselben 
Schwierigkeit und hat deshalb d’Orbignys semiornata (1. ec. Taf. XI, 
Fig. 23, 24) zu pygmaea gestellt. 

Reuss (Wieliczka 1867, pag. 76) hat bereits betont, daB man 
die U. semiornata von U. pygmaea kaum scharf trennen könne, da 
auch bei U. pygmaea-Formen solche vorkommen, deren letzte Kammern 
rippenlos sind. Williamson bildet (1857, Taf. V, Fig. 138) eine 
typische U. pygmaea d’Orb. unter den lebenden Formen von Skye 
und Shetland ab und vereinigt die Uv. bifurcata d’Orb. (Mittel- 
amerika) damit. Die letzte Kammer ist bei meinen Stücken typischer 
Figur ungerippt und fein punktiert. Aber auch die vorletzte Kammer 
ist bei sonst gleichen Eigenschaften manchmal nur unten gerippt, so 
daß man sie mit der semiornata d’Orb. (l. e., Fig. 23, 24) zusammen- 
stellen möchte. Bei den von mir für typisch gehaltenen Individuen 
zeigen die ersten Kammern eine in eine Spitze auslaufende Ver- 
jüngung, dann schwellen die Kammern rasch an und bedingen die 
gedrungene, breite Umrißform. Manche Stückchen zeigen vereinzelt 
besonders stark aufgeblähte Kammern. Neben den gedrungenen Formen 
finden sich auch schlankere, es wäre aber leicht, beide durch Über- 
gänge zu verbinden. Diese schlankeren Individuen DEREN offenbar 
den Übergang zu Uv. tenuistriata Rss. 

Die typische, rundliche Form scheint nicht allzuhäufig zu sein. 
‘ Auch bei diesen rundlich aufgeblähten Formen ist die Stärke der 
Rippen recht variabel. 

Üvigerina pygmaea d’Orb. var. 

Ein Individuum gedrungen wie die typische Form, dessen letzte 
stark aufgeblähte Kammer punktiert ist. Ein anderes Stückchen zeigt 
zwei punktierte Kammern, 


652 Franz Toula. [18] 


Eines meiner Stücke zeigt die Kammern der einen Seite so 
übereinander angeordnet, daB sie eine gestreckte Spirale bilden, so 
daß man an die ansehnliche Form erinnert werden könnte, welche 
ich von Neudörfl als Uvigerina neudorfensis schon beschrieben habe. 
(Preßburg 1900, pag. 12.) Mein Stückchen aus V ist aber klein und 
mag zu der Reihe Uv. pygmaea—tenuistriata gehören. 


Ein Exemplar liegt mir vor, welches sich an die schlanken 
Formen von DUvigerina pygmaea anschließen dürfte. Die Form ist 
ähnlicher der Uv. tenuistriata, doch ist die Länge und die Zahl der 
Kammern viel geringer (sechs in der einen Stellung). Von den ersten 
Zellen geht ein ziemlich kräftiger Stachel aus, ähnlich wie es Brady 
(Chall., Taf. LXXIV, Fig. 24) von einer unbenannt gebliebenen Form, 
die wohl in der Tat an Uv. pygmaea in typischer Form anzu- 
schließen ist, gezeichnet hat. 


Dvigerina pygmaea var. asperula n. f. 

Nur ein Stückchen liegt mir vor, welches der von Brady 
(Taf. LXXIV, Fig. 26) abgebildeten Varietät ähnlich ist, mit Spitz- 
chen auf den Rippen. Die beiden letzten Zellen sind jedoch glatt und 
stärker aufgebläht. 

Uvigerina canariensis (d’Orb.) Bradw. (Vgl. U. urnula d’Orb.) 

Der Typus bei d’Orbigny (l.c. Taf. XI, Fig. 21, 22) ist durch 
die Rippung der ersten Kammern gut gekennzeichnet. Brady hat 
diese Form zu d’Orbignys UÜvigerina canariensis gestellt; die typische 
Form (l. ec. Taf. LXXIV, Fig. 1—3) hat jedoch durchwegs glatte 
Kammern. Reuss (Wieliczka, pag. 76) stellt nur ganz glatte oder auf 
den ältesten Kammern gerippte Formen zu Uv. urnula. Dies würde 
sonach der Uv. canariensis Brady entsprechen, der Uv. urnula mit 
dieser Form vereinigte. 


Uvigerina urnula-asperula 02. 

Form und Größe der U. urnula. Auch die letzten Kammern 
gerippt mit leicht welligem Verlaufe der Rippen, etwa so wie Reuss 
es (Wieliczka, Taf. IV, Fig. 8) zeichnen ließ, aber noch weniger 
wellig. Übergänge zu solchen mit geraden Rippen bis zur vorletzten 
Kammer. 


Üvigerina tenuistriata Rss. (Taf. XXXIX, Fig. 10.) 

Schlankere Uvigerinen mit zahlreicheren Kammern glaube ich 
unter diesem Namen zusammenstellen zu sollen. Die Abbildung bei 
Brady (]. e. Taf. LXXIV, Fig. 6) weist jedoch noch mehr Kammern 
auf als meine Stücke. 

Ein Individuum ist ganz besonders schlank und etwas gewunden. 
Die ersten Kammern sind gestreift, auf den letzten besonders schlanken 
Kammern schwächen sich die Rippen ab. 

Es wird wohl als var. der Uv. tenuistriata Rss. zu bezeichnen sein. 

Ein Individuum von länglicher Gestalt fällt durch stärkere 
Rippung auf. Die Rippen nach oben und unten in feine Spitzchen 
ausgehend. Ich bezeichne es als Uvig. tenuistriata Bss. var. 


| 
| 
k 
N 


[19] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 653 


- Uvigerina tenuistriata-pygmaea Rss. (Vielleicht eine neue Form.) 

An Dvigerina pggmaea d’Orb. anschließend, nur etwas schlanker 
und mit ungerippten, feinpunktiert erscheinenden letzten aufgeblähten 
Zellen. Die Variabilität ist ungemein groß. Die Rippen sind manchmal 
kräftig wie bei der Uv. pygmaea und semiornata, bald wieder so zart, 
daB sie fast verschwinden. Von der echten pygmaea unterscheidet 
die geringere Aufblähung des ganzen Gehäuses, freilich hat William- 
son (1857, Ray Society, Taf. V, Fig. 138) auch eine schlankere Form 
abgebildet, aber sie ist gerippt bis zur Mündungsröhre. Die echte 
U. tenuistriata Rss. ist eine länger gestreckte Form. Die Rippchen 
sind nach unten stärker und laufen in zarte Spitzchen aus, etwa so 
wie bei Bradys Fig. 14, von der wieder die letzten ungerippten 
Zellen unterscheiden. Bei einigen Stückchen erscheinen nur die ersten 
untersten Kammern gerippt, alle anderen sind glatt. 


Dvigerina tenuistriata Rss. uff. asperula O2. 


Diese Form scheint sehr selten zu sein. Ein Stückchen ist 
recht ähnlich der CZjZekschen Form von Baden (Haid. Abh. I., 
Taf., XIII, Fig. 13, 14), nur sind die feinen Rippchen mit unschein- 
baren Rauhigkeiten besetzt. Im Vergleich mit der C2jZekschen 
Form sehr klein. Es ist wohl nur eine Varietät der Uv. tenuistriuta. 

Bulimina pyrula d’Orb. 

Nur ein recht gutes Exemplar, welches im Umriß mit d’Or- 
bignys Abbildung (Vienne, Taf. XI, Fig. 9 und 10) übereinstimmt, 
während die Bradyschen Abbildungen (Chall., Taf. L, Fig. 7—10) 
etwas anders aussehen. Ein Unterschied von der d’Orbignyschen 
Form besteht in dem Auftreten einer Spitze am unteren Ende, ähn- 
lich etwa jener bei Dulimina affinis (d’Orb.) Brady (l. e. Fig. 14) oder 
B. elegans (d’Orb.) Brady (l. e. Fig. 1). 

d’Orbigny zeichnet seine B. pyrula viel stärker aufgebläht. 
Meine Stücke sind es zum Teil weit weniger, so daß eine gewisse 
Annäherung an Bul. tenera Rss. (Wieliczka, pag. 78, Taf. IV, Fig. 11 
und 12) eintritt. 

Bulimina affinis d’Orb. 

Nur zwei etwas beschädigte Stückchen stimmen auf das beste 
mit der von Brady abgebildeten Form (Chall.,, pag. 400, Taf. L, 
Fig. 14) überein. Bulimina ovulum Rss. aus den Lemberger Kreide- 
mergeln (Haid. Abh., IV., Taf. IV [III], Fig. 9) ist sicherlich eine 
sehr nahestehende Form, verjüngt sich jedoch in den letzten Kammern 
so sehr, daß die Verschiedenheit von Dul. affinis d’Orb., wie sie 
Brady zeichnet, auffallend genug ist, um die Zusammenfassung, wie 
sie Brady vornimmt, zu bezweifeln. 

Bulimina aculeata (d’Orb.) Brady. 

Nur ein kleines Exemplar liegt mir vor, mit vielen spitzen Fort- 
sätzen an den ersten Kammern. Reuss gibt diese Art als nicht selten 
im Salzton von Wieliczka an. Die Fig. 8, Taf. LI (Brady, Chall.), 
ist wohl die ähnlichste Form. Brady gibt sie aus L0UO9— 2700 Faden 
Tiefe an; sie wird auch von der nordnorwegischen Küste lebend an- 
gegeben. Meine Stücke sind 0'5—0'8 mm lang, 


654 Franz Toula. [20] 


Bulimina inflata (Sequenza) Brady (= B. Buchana [d’Orb.] Rss.). 


Die von Reuss von Wieliczka abgebildete Form (Wieliczka, 
pag. 79, Taf. IV, Fig. 10) mit in Spitzen auslaufenden Rippen hat 
mit meinen besten Stücken größere Ähnlichkeit, als die von d’Or- 
bigny gegebenen Bilder (l. c. Taf. XI, Fig. 15—18). Auch die Ab- 
bildung bei Brady (Chall., Taf. LI, Fig. 13) ist wohlgelungen., 91 In- 
dividuen liegen mir vor, welche in bezug auf Größe, Aufblähung und 
Verzierung recht variabel sind. So groß wie die Salztonstückchen ist 
kein einziges. Meist sind sie nur !/; mm lang und kleiner. Die mir 
vorliegenden Stücke und die Reussschen Formen würden nach Brady 
als Bulimind inflata Sequenza zu bezeichnen sein. Die Entwicklung 
der Spitzen ist gleichfalls etwas variabel, doch erreicht sie keines- 
falls die extreme Ausbildung, wie sie Brady |. c. Fig. 10 und 12 
zeichnen ließ. Meine Individuen sind gedrungene Formen. 


Bulimina („Rotalina“, Ataxophragmium) contraria (Rss.) Brady. 
(Neues Geschlecht: Ceratobulimina, wird vorgeschlagen.) 

Von dieser merkwürdigen Form, ihre Schale erscheint porzellan- 
artig, liegen mir aus Schichte V fünf Exemplare vor, welche wohl in 
der Größe verschieden sind, aber sonst so vollkommen übereinstimmen, 
daß an der Zusammengehörigkeit nicht zu zweifeln ist. Sie variieren 
von 0:2—0'5 mm. 

Die von Reuss aus dem Septarienton von Hermsdorf (Zeitschr. 
d. Deutsch. geol. Ges., 1851, pag. 76, Taf. V, Fig. 37) als Rotalin« 
contraria abgebildete und beschriebene Art stimmt auf das beste über- 
ein. Schon Reuss führt an, daß die Mündungslage, als Schlitz senk- 
recht auf dem Rande der letzten Kammer, dem Verhalten bei Rot«a- 
lina (z. B. Rot. Brongniarti d’Orb., Vienne, Taf. VIII, Fig. 22—24) 
widerspricht. Brady hat (Chall., pag. 409, Taf. LIV, Fig. 18), weil 
Bulimina eine ähnliche Mündungslage aufweist, diese Form als Buli- 
mina von einigermaßen anormalem Charakter bezeichnet. Er stellt 
die Abbildung neben Cassidulina (!). Karrers Ataxophragmium simile 
(Jahrb. 1868, pag. 6, Separatabdr., Taf. I, Fig. 1) von Kostej ist 
gewiß eine sehr ähnliche Form, doch sind die Kammern etwas anders 
gestaltet. 

Reuss hat Formen mit ähnlicher Mündung, aber von gestreckter 
Gestalt zuerst (Lemberger Kreide, Haid. Abh., IV., 1851) als Buli- 
mina betrachtet (D. obesa, Presli und obliguum), die er später (Sitzungs- 
ber. XLIV, pag. 331) als Afaxophragmium bezeichnete. Das Geschlecht 
selbst hat er (ebend. pag. 383) aufgestellt, als eine der sandig- 
kieseligen Gattungen. 

Meine Stücke lassen keinen Zweifel übrig, daß die Hermsdorfer 
Septarientonart damit übereinstimmt oder doch am nächsten steht. 
Nur die schärferen Abgrenzungen der Kammern könnten unterscheiden, 
was wieder mit Bradys Zeichnung besser stimmen würde. Von der 
Form von Kostej unterscheidet die geringere Anzahl der gedrungeneren 
Kammern. Ich folge der Zusammenfassung durch Brady, wenngleich 
ich von der Zugehörigkeit zu Dulimina nicht überzeugt bin. Vielleicht 
führen mich weitere Exemplare zur Aufstellung eines neuen Geschlechtes, 
In der Tat habe ich diese Art auch in den anderen Schichten wieder 


[21] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 655 


aufgefunden, und zwar in vollkommenster Übereinstimmung und mit 
Ausnahme der Größenverschiedenheiten immer von gleicher Gestaltung. 
Dies bestärkte mich in meiner Meinung, daß man diese Form als einen 
eigenen Gattungstypus aufzustellen berechtigt erscheinen könnte, für 
welchen es sich empfehlen würde, entweder den Namen Ataxophrag- 
mium wieder aufzunehmen oder, um sowohl das auffallendste Merkmal, 
die spirale Anordnung der Kammern, hervorzuheben, als auch die 
Ahnlichkeit der Mündung mit Bulimina festzuhalten, den neuen Namen 
Ceratobulimina zu wählen, da die porzellanartige Schale von den sandigen 
Ataxophragmium-Formen unterscheidet. 

Virgulina Schreibersi (C2.) Brady. 

Nur vier Exemplare liegen mir vor. Nach Reuss häufig im 
Salzton. C2jZek führt sie von Baden und Möllersdorf an. Sie findet 
sich aber auch in Lapugy, im italienischen Pliocän, nach Brady lebend 
in allen Meeren in Tiefen von 10—3000 Faden. 


Globigerina bulloides d’Orb. 


In meinem Material aus Schichte V finden sich nur 26 kleine 
Individuen. Bei allen Stücken liegt die Mündung an der letzten größten 
Kammer. Die Formen mit kugelig aufgeblähten Kammern möchte ich 
etwa nach dem Vorgange Bradys (Chall., pag. 5953. Taf. LXXVII und 
LXXIX, Fig. 3—7) alle zu @!. bulloödes stellen und die mit inniger an- 
einandergewachsenen Kammern etwa wie Brady als @!. bulloides var. 
triloba (Rss.) Brady bezeichnen (6—8 Stückchen). Die kleinen letzten 
Zellen sind bei meinen Stückchen nicht immer erhalten geblieben, was 
wohl zum Teil auf die ungemein gebrechliche Beschaffenheit der zarten 
Schälchen zurückzuführen ist. 


Globigerina bulloides d’Orb. var. quadrilobata d’Orb. 


Ein Stückchen, welches vollkommen mit der Glob. quadırlobata 
d’Orb. (Vienne, Taf. IX, Fig. 7 und 8) übereinstimmt. 


Sphaeroidina austriaca d’Orb. (nach Brady = Sphaeroidina bulloides 
d’Orb.). 

Eine der häufigsten Formen, die in größeren (zirka 05 mm) und 
kleineren (bis O2 mm) Exemplaren vorliegt und immer nur je nach der 
Lage unter dem Mikroskop drei oder zwei Kammern darbietet. Etwas 
über 600 Exemplare liegen mir vor. Diese Übereinstimmung so rahl- 
reicher Individuen, die man nur in größere und kleinere unterscheiden 
könnte, ist, gewiß eine sehr auffallende Tatsache, besonders wenn man 
sie in Vergleich bringt mit den von Reuss (Denkschr. d. W. Ak. I, 
Taf. LI, Fig. 3—19) zur Darstellung gebrachten zahlreichen Formen, 
die alle als Sphaeroidina austriaca zusammengefaßt werden und fast 
durchwegs den mehrkammerigen Formen zugehören, welche J. CZjZek 
(1847. Haidingers Abh., pag. 149, Taf. XIII, Fig. 35—3») als Sewloculina 
Haueri bezeichnet hat. Brady (Chall., pag. 620, Taf. LXXXIV, Fig. 1—7) 
hat die Sphaeroidina austriaca d’Orb. Sphaeroidina variabilis Rss. (Z. D. @. 
1851, Taf. VII, Fig. 61—64 aus dem Septarienton), Sphaeroidina austriaca 
Rss. (l. e.) und Sexloeulina Haueri 02. (l. e.) mit Sphaeroidina bulloides 
d’Orb. zusammengefaßt. Die Konstanz in der Ausbildung so vieler Indi- 
viduen bei Neudörfl an der March (Deveny-Ujfalu) führt mich dazu 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft (F. Toula.) 84 


656 Franz Toula. [22] 


d’Orbigny (l. e. pag. 234) beizupflichten, daß Sphaeroidina austriaca von 
Sphaeroidina bulloides verschieden sei. Brady führt eine typische Form 
von Sph. austriaca nicht an, was er gewiß getan hätte, wenn er sie lebend 
gefunden hätte. Das Modell von d’Orbignys Sph. bulloides (es liegt auch 
in den Sammlungen meiner Lehrkanzel) ist sicher von einer anderen 
Form, wie auch die diesem Modell näherkommenden GZjZekschen 
Formen und jene aus dem Septarienton von Helmstedt (Reuss, 
l. c.), welche der nach Reuss im Wieliczkaer Salzton so überaus 
häufigen mehrkammerigen Form entsprechen dürfte. Die von d’Orbigny 
(Vienne, pag. 284, Taf. XX, Fig. 19—21) gegebenen Abbildungen sind 
nicht ganz glücklich ausgefallen oder es sind die Kammern dieser 
Nußdorfer Formen wirklich weniger tief einschneidend begrenzt als es 
bei den mir vorliegenden zahlreichen Stücken von Neudörfl der Fall ist. 


Sphaeroidina bulloides @’Orb. 


Nur zwölf Exemplare lassen die größere Anzahl der Kammern 
erkennen, welche nötigt, sie zu der zweiten Form zu stellen 

Spirillina af. vivipara (Ehrenbg.) Brady. (Wohl eine neue Form.) 

Mir liegt nur ein Scheibehen von 0°7 mm Durchmesser vor, aus 
zahlreichen, zuerst sehr feinen, dann ziemlich derb werdenden Um- 
gängen bestehend, welche nicht vollkommen kreisförmig sind. Auf der 
einen, in der Mitte vertieften Seite der Scheibe erscheinen die drei 
letzten Umgänge auf der einen Hälfte etwas gestört, auf der anderen 
gleichfalls in der Mitte vertieft; grubige Vertiefungen treten auf 
den Spiralen auf. Das Stückchen wird sich wohl an die Spirillina vivi- 
para (Ehrenberg) Brady (Taf. LXXXV, Fig. 1) am besten anreihen 
lassen, an welcher man jedoch von der Gliederung kaum Andeutungen 
(l. e. Fig. 4) wahrnimmt, noch weniger bei den anderen recht zahl- 
reichen Abbildungen beid’Orbigny,Reuss, Williamsonund Brady. 


Truncatulina lobatula d’Orb. (= Anomalina variolata d’Orb.). 


Diese Art ist recht häufig (ich habe etwa 150 Exemplare aus- 
gesucht). Die fast scheibenförmigen Gehäuse sind oben flach oder leicht 
vertieft, unten leicht aufgewölbt. Die Kammern (T—9 im Umkreise) 
aufgebläht mit großen Grübchen. Brady stellt diese Form zu Trunca- 
tulina lobatulad’Orb.(Walkeru. Jacobs Nautilus spiralis lobatus), doch 
unterscheidet die auf beiden Seiten fehlende mittlere Spirale, welche 
d’Orbigny (Taf. IX, Fig. 22) und Brady (Taf. XCII, Fig. 1) zeichnen. 
Dadurch würde meine Form der Anomalina badensis d’Orb. (Taf. X, 
Fig. 1—3) ähnlich, von welcher jedoch der scharfe Rand unterscheidet. 
Brady hat all die verschiedenen Formen als Planorbulina zu ver- 
einigen vorgeschlagen, woran er jedoch in den Beschreibungen nicht 
festzuhalten vermochte und in der Tat muß Planorbulina auf die viel- 
kammerigen Formen beschränkt werden. d’Orbigny führt (pag. 171) 
seine Art als selten von Nußdorf an, Brady aber als synonym mit 
Truncatulina lobatula d’Orb. 

Drei gute Exemplare liegen mir vor, welche mit der d’Orbigny- 
schen Form (Vienne, Taf. IX, Fig. 24—25) auch in der Anzahl der 
Kammern (acht im Umkreise) gut stimmen. Brady (Chall., Taf. XCH, 
Fig. 10, Taf. XCIII, Fig. 1, 4, 5). Es ist eine Varietät der obigen Form. 


[23] Ueber den mariren Tegel von Neudorf an der March. 657 


Truncatulina (Anomalina) af. Wüllerstorfi Schwager. (Vielleicht 
neue Form.) (Taf. XXXIX, Fig. 18.) 

Nur ein Stück liegt mir vor, welches auf der einen, flach auf- 
gewölbten Seite die Umgänge verfolgen läßt, etwa so, wieesSchwager 
(Novara-Werk II., Taf VII, Fig. 105 und 107) bei seiner Anomalin« 
Wällerstorfi von Kar Nicobar aus dem Pliocän gezeichnet hat, eine 
Form, welche Brady (pag. 662, Taf. XCIII, Fig. S und 9) zu Truncatu- 
lina gestellt hat. 

Die Oberseite zeigt zwölf durch glatte und glänzende Scheide- 
wände umgrenzte grobpunktierte Kammern, mit ebenfalls glattem und 
slänzendem Randsaum. Die inneren Umgänge sind nicht deutlich zu 
verfolgen. Brady zeichnet (Chall., Taf. XCII, Fig. 8 und 9) neun 
oder zehn Kammern. Nur Fig. 9 käme eigentlich in Vergleich, bei Fig. 8 
ist die Unterseite stark aufgewölbt, was den Schwager schen Figuren 
nicht entspricht. Die Unterseite meines Stückes ist flach gewölbt und 
deutlich genabelt. Durchmesser 0°4 mm. 

Truncatulina af. Aknerana Brady (nicht d’Orb.). Vielleicht eine 
neue Form. 

An die obigen Formen schließe ich eine kleine Truncatulina mit 
granosa-Charakter, aber mit ungemein zierlich aufragenden glatten 
geschwungenen Rippen und mit rundlichen Knötchen, etwa so wie es 
Brady bei seiner Truncatulina Aknerana zeichnet (Chall., Taf. XCIV, 
Fig. 85), die sich dadurch von der d’Orbigny schen Aknerana (Vienne, 
Taf. VIII, Fig. 13—15) unterscheidet. Sechs Exemplare. 

Truncatulina (Rotalina) Ungerana d’Orb. 

In flachen Formen vorliegend, die sich der d’Orbigny’schen 
Zeichnung (Vienne, Taf. VIII, Fig. 16 und 17) annähern, aber durch die 
glatten Kammergrenzen an die Trunc. Wüllersdorfi Schwager annähern. 
Die körnelige Mitte der Oberseite und der ausgesprochene Kiel lassen 
mich die Form als Tr. Ungerana (d’Orb.) Brady bestimmen (Chall., Taf. 
XCIV, Fig. 9). 

Truncatulina granosa Rss. sp. var. verwandt mit Tr. Ungerana 

d’Orb. sp. 
Sehr zierliche Schälchen. Brady hat die beiden Formen ver- 
einigt, ob mit vollem Recht ist fraglich. Tr. Ungerana ist genabelt, 
Tr. granosa ungenabelt. Reuss führt sie aus dem Septarienton von 
Hermsdorf bei Berlin an (Z. D. Geol. G. 1851, pag. 75, Taf. V, Fig. 36). 
Die mir vorliegenden Stückchen sind ungenabelt. Auffallend ist die 
Aufblähung der letzten Kammer und die deutlich ausgesprochene glatte 
Umrandung der Kammern. Die Knötchen auf der Mitte der etwas auf- 
gewölbten Oberseite sind geradezu gehäuft. Mir liegen 40 Individuen 
vor. Truncatulina granosa Hantken (Clav. Szab.-Sch., pag. 74, Taf, X, 
Fig. 2) ist von der Reuss’schen Form (Z. D. Geol. G. 1851, Taf. V, 
Fig. 36) ganz verschieden. Brady führt sie nicht an. 

Truncatulina Ungerana d’Orb. var. radıata n. v. (Taf. XXXIX, 
Fig. 16.) 

Die flach gewölbte Oberseite mit glatten Scheidewänden am 
ersten Umgange, die inneren Umgänge undeutlich, die Mitte grob ge- 

84* 


658 Franz Toula. [24] 


körnelt, ähnlich etwa wie bei Tr. margaritifera Brady (Chall., Taf. 
XCVI, Fig. 2). Die Oberfläche der aufgewölbten Unterseite mit glatten, 
glänzenden und speichenartigen Rippen. Ein glatter Kielrand. Diese 
vorragenden glatten Speichen unterscheiden ganz bestimmt. Bei dem 
einen und anderen Stückchen ragen die Körner hoch auf. 


Truncatulina Dutemplei d’Orb. in typischer Entwicklung. 


Hantken hat (Clav. Szab6i-Schichten, Budapest, 1875, pag. 71) 
auf die große Verschiedenheit dieser Form hingewiesen, besonders in 
bezug auf die Anzahl der Kammern im Umkreise. Auch Reuss hat 
dies schon viel früher hervorgehoben und gemeint (Denkschr. der 
Wiener Ak., XXV., 1866, pag. 160), daß die Wienerbeckenformen nicht 
nur acht Kammern, sondern auch bis zwölf derselben aufweisen. Auch 
die Wieliczkaer Vorkommnisse zeigen bis zehn Kammern. Hantken 
gibt an seinen Stücken (Taf. VIII, Fig. 5) 13 Kammern an. 

Es ist daher vielleicht interessant, daß die in der Größe etwas 
verschiedenen 519 Stücke, welche ich aus der Schicht V ausgelesen 
habe, der d’Orbignyschen Angabe entsprechend nur sieben bis acht 
Kammern im Umkreise aufweisen. 

Das von Brady abgebildete Stück (Chall., Taf. XCV, Fig. 5) aus 
1070 und 1900 Faden Tiefe ist eine viel stärker aufgeblähte Form, 
mit zweieinhalb Umgängen, gerundeten Oberrandkanten und ganz 
kleinen mittleren Knöpfchen auf der Oberseite, während meine Stücke 
auch in dieser Beziehung der d’Orbignyschen Form entsprechen. 
Bradys Form weicht somit von der d’Orbigny schen Art immer- 
hin beträchtlich ab. Die Variabilität meiner so zahlreichen Stücke ist 
recht groß: Durchmesser von !/, bis wenig über 1 mm; die Windungen 
der Oberseite lassen zumeist schon den zweiten Umgang verwischt 
erscheinen, was vorherrscht, während an anderen, etwas weniger 
häufigen Stückchen auch der zweite Umgang deutlich zu verfolgen ist, 
die scharfe Randkante ist konstant vorhanden, ja ab und zu strebt sie 
sogar eine Art Randsaum an und auch die mittleren Knötchenver- 
dickungen sind immer deutlich entwickelt. Der allgemeine Habitus 
stimmt jedoch überein. 

Die lebende Form Bradys ist meiner Meinung nach eine be- 
sondere mit der miocänen verwandte Form, aber nicht dasselbe. 
Truncatulina affinis O2. sp. mit nur sechs Kammern unterscheidet sich 
nur durch das fehlende mittlere Knöpfchen der Oberseite. Truncatulina 
Dutemplei Rss. aus dem Septarienton dagegen weicht durch die zahl- 
reichen, also viel engeren Kammern viel weiter ab. Truncatulina Du- 
templei Rss. von Wieliczka mit neun bis zehn Kammern wäre dem- 
nach eine näherstehende Form der Reihe. 

Truncatulina afj. praecineta Brady. 

In die Verwandtschaft Truncatulina Ungerana d’Orb. dürften 
etliche Stücke gehören, welche an der meist nur flach aufgewölbten 
Unterseite die Kammerscheidewandlinien als erhabene kräftige Rippen 
aufweisen, etwa so wie sie Brady bei Karrers kotalia praecincta 
zeichnet. Während aber das Original von Koste) nur acht solche 
Rippen trägt (Kostej, Taf. V, Fig. 7), zeichnet Brady (Chall., Taf. 
XCV, Fig. 1 und 2) deren elf, was meinen Stücken entspricht, die 


[25] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 659 


jedoch viel weniger hoch sind als die Bradyschen Typen, sondern 
in ihrer Form mebr an Truncatulina Ungerana erinnern. Bradys 
Originale sind schon auf der Unterseite viel weniger hoch aufgebläht, 
meine aber geradezu flach zu nennen. Die Oberseite zeigt bei einigen 
meiner Stücke bis drei Umgänge, während andere in der Mitte ver- 
wischt erscheinen. Es ist geradezu unmöglich, die Dinge sicher aus- 
einander zu halten. 

Truncatulina af. Kalembergensis d’Orb. sp. 

Mir liegen vier Individuen vor, welche auf der Spiral-(Ober-)Seite 
auf das allerbeste mit d’OÖrbignys Zeichnung (Vienne, Taf. VII, 
Fig. 19) übereinstimmen: Sieben punktierte Kammern im Umkreise 
und ein Kielsaum. Nur der „starke Nabel-Eindruck* auf der kon- 
vexen Unterseite fehlt, er ist mit, Schalensubstanz erfüllt. Die knopf- 
artige Erhöhung in der Mitte der Oberseite ist überaus groß und 
hoch aufgewölbt. Reuss stellte sie (Wieiiczka, pag. 87) zu Pulvinulina. 


Truncatulina neudorfensis n. f. (Taf. XXXIX, Fig. 17.) 

Mir liegt ein bis auf die letzte Kammer gut erhaltenes Stück vor. 
Die flach trochiform aufgewölbte Oberseite läßt drei Umgänge gut 
und weitere in der Mitte verfolgen. Der letzte Umgang zeigt nur sechs 
grob punktierte, mit hellen glatten Rippen aneinandergrenzende 
Kammern. Die gewölbte Unterseite weist nur sechs Kammern im Um- 
kreise auf. Nabel ist keiner sichtbar. Bradys als Tr. Haidingeri be- 
zeichnete Form, die auch aus dem Mittelmeer angegeben wird (aus 
90 bis 360 Faden Tiefe), besitzt eine größere Anzahl von Kammern 
im Umkreise (acht oben, neun unten) und ist oben flach gewölbt. Mir 
liegen zwölf Schälchen vor, nur bei einem ist der Nabel wenigstens 
angedeutet. Die glatten porzellanartigen Rippen, die besonders auf 
der Oberseite scharf hervortreten, erinnern an die Zeichnung, welche 
F. Karrer (Kostej, Taf. V, Fig. 7) von seiner Rofalia pırraecincta ge- 
geben hat. Brady (Chall., pag. 667, Taf. XCV, Fig. 1—3) stellte sie zu 
Truncatulina. Sie hat eine große Zahl von Kammern (zwölf) im Um- 
kreise. Auch die Truncatulina lucida Rss. (1865. Septarienton, Taf. IV, 
Fig. 15) mit neun Kammern dürfte zu den verwandten Formen ge- 
hören, ebenso die schon genannte Tr. (Rotalina) Haidingeri d’Orb. 
(l.e. Taf. VIII, Fig. 7). Bei einzelnen meiner Individuen ragt in der 
Mitte eine Art Knöpfehen auf. In allen übrigen Eigenschaften stimmen 
meine zwölf Stücke auf das beste überein, auch darin, daß allen 
leider die letzte Kammer fehlt. Durchmesser bis 0:9 mm. 

Truncatulina neudorfensis n. f. var. 

Nur ein ziemlich großes Stückchen (0°9 mm Durchmesser), mit 
vier erkennbaren Umgängen, die beiden letzten durch einen scharfen 
stufenförmigen Bau auffallend und mit deutlichen sechs bis sieben 
Zellen im Umkreise, die Kammern der beiden letzten Umgänge sehr 
verkleinert, etwa so, wie es Brady bei seiner Varität von Tr. Hai- 
dingeri d’Orb. sp. (Chall,, Taf. XCV, Fig. 6) zeichnen ließ, einer Form 
mit 14 Kammern im Umkreise, wobei die Kammern von der letzten 
an gegen rechts hin einander folgen, während sie bei den anderen 
Formen in entgegengesetzter Anordnung auftreten. Die Kammern der 
Varietät sind daher von den Anfangskammern an gegen links, die 


660 Franz Toula. [26] 


bei den anderen nach rechts gewunden. Diese Verschiedenheit in den 
Wachstumsverhältnissen findet man auch bei den Planorbulina-(Trun- 
catulina-)Arten bei Brady. Vom Anfange an nach rechts gewunden 
sind z. B. Truncatulina refulgens Montf. (Taf. XCI, Fig. 7 und 8), 
Truncatulina lobatula W.u. J. (Taf. XCII, Fig. 1a), Anomalina foveolata 
Brady (Taf. XCIV, Fig. 1), Anomalina ammonoides Reuss (Taf. XCIV, 
Fig. 2 und 3), Anömalina grosserugosa Giebel (Taf. XCIV, Fig. 4a und 
5a), Truncatulina praeeincta Karr. (Taf. XCV, Fig. 1 und 2), Trun- 
catulina Dutemplei (d’Orb.) Brady (Taf. XCV, Fig. 5a)!), Truncatulina 
tenera Brady (Taf. XCV, Fig. 11), Truncatulina rosea d’Orb. (Tat. 
XCVI, Fig. 2). 

Vom Anfange an nach links gewunden sind dagegen: 

Truncatulina tenuimargo Brady (Taf. XCIH, Fig. 2a und 3a), 
Truncatulina Alneranı d’Orb. (Taf. XCIV, Fig. 8a), Truncatulina 
Ungerana d’Orb. (Taf. XCIV, Fig. 9@?), Truncatulina Haidingeri d’Orb. 
(Taf. XCV, Fig. 7a), Truncatulina pygmaea Hantken (Taf. XCV, Fig. 9 «) 

Mir scheint diese Verschiedenheit des Wachstums wert, besonders 
betont zu werden, um so mehr, wenn sie, wie bei meinen Individuen 
bei sonst ganz gleich gebauten Stücken auftreten. 


Rotalia Soldaniüi d’Orb. 


Nur zwei Stückchen in schöner Übereinstimmung mit d’Orbignys 
Abbildung (Vienne, Taf. VIII, Fig. 10 und 11). 

Polystomella crispa (Linne) d’Orb. 

Von dieser schönen Form liegt mir nur ein recht gut erhaltenes 
Schälchen vor. Es ist beiderseits flach gewölbt wie bei d’Orbigny 
(Vienne, Taf. VI, Fig. 12), in der Mitte mit feinen Grübchen versehen. 
Brady (Chall., Taf. CX, Fig. 6 und 7) zeichnet unter diesem Namen 
eine stärker aufgeblähte Form mit einem fast glatten „Nabelkreisel“, 
was mehr an dOrbignys Polystomella flexuosa (ebenda Taf. VI, Fig. 
15 und 16) erinnert, eine Form, welehe Brady aber mit P. crispa 
vereinigt hat. 


Nonionina Boucana d’Orb. 

Kommt nur vereinzelt vor. Eines der Stücke, ganz typisch wie 
es von Brady (Chall., Taf. CIX, Fig. 12 und 13) abgevildet wird, 
mit zahlreichen (13 bis 14) Kammern im Umkreise und der körneligen 
Zentralpartie. Ein anderes der hierher gestellten Individuen nähert 
sich sehr der typischen d’Orbigny’schen Form (l. ce. Taf. V, Fig. 11 
und 12). Bei anderen sind die Abteilungsrinnen der Kammern weniger 
ausgeprägt. 

Nonionina communis d’Orb. 

Zuerst dachte ich an Nonionina Boueana d’Orb.; die viel raschere 
Verjüngung nach einwärts und die geringere Anzahl der Kammern 
drängten mich jedoch zu der Form Xon. communis d’Orb. und Brady 
(pag. 730, Taf. LIX, Fig. 14—16). Reuss (Oberoligocän, Sber. 1868) 


!) Bei d’Orbigny (Taf. VIII, Fig. 19) nach links gewunden. 
2) Bei Orbigny (Taf. VIII, Fig. 16) nach rechts gewunden, auch sonst 
von Bradys Type verschieden (siehe oben). 


[27] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 661 


stellte sie als synonym zur Non. Boucana d’Orb. Das Fehlen des Nabels 
scheint mir jedoch immerhin ein gutes Unterscheidungsmerkmal zu 
sein. Auch Brady bezeichnet Non. communis und seine N. scapha als der 
Non. Boucana nahestehende Formen und folgt bei der Non. communis 
dem Reussschen Vorgange. Eine sehr veränderliche Formengruppe. 

Nonionina umbilicatula Montagu. (N. Soldanii d’Orb.). 

Bei geringer Vergrößerung glatt erscheinend; die feine Punk- 
tierung tritt erst bei stärkerer (30 maliger) Vergrößerung unter dem 
Mikroskop hervor. Der tiefe Nabel charakterisiert die winzige schön 
serundete Form. Ich las 79 Exemplare aus. 

Pullenia ( Nonionina) sphaeroides (d’Orb. sp.) Brady. 

Nur ein winziges Stückchen liegt mir vor. Nonionina bulloides 
d’Orb. (l.c. Taf. V, Fig. 9 und 10) wird von Brady (Chall, Taf. 
LXXXIV, Fig. 12 und 13) als Pullenia sphaeroides d’Orb. sp. (= Non. 
bulloides d’Orb.) bezeichnet, da er beide Formen vereinigt. Mein Stück- 
chen entspricht der P. sphaeroödes. 

Stachelborsten, .die zu Brissopsis gehören könnten, finden 
sich in großer Menge (Taf. XXXIX, Fig. 19). 

Turbonilla pusilla Phil. 

Nur ein Stückchen mit fünf Umgängen stelle ich zu dieser Art 
(M. Hörnes, Taf. XLIII, Fig. 30), obwohl diese fünf Umgänze auf 
1:5 mm Länge fallen. Ein anderes Stückchen zeigt nur die Embryonal- 
windungen und den darauf folgenden Umgang mit acht kräftigen Rippen. 

Paludina cf. Schwartzi Frfld. 

Nur ein Stückchen liegt mir vor, welches mit der Beschreibung 
bei M. Hörnes (W. B., I, pag. 589) nicht übel stimmen würde. Auch 
die Größe 1'838 mm kommt nahe. 

Oancellaria sp., aff. ©. inermis Pusch. 

Zwei sehr kleine Stückchen (23 mm lang), so daß nur die 
kleinsten bei M. Hörnes (Wiener B. I, Taf. XXXIV, Fig. 13) zu ver- 
gleichen sind. Das Ausgußende etwas beschädigt. Läßt zwei Spindel- 
fältchen erkennen. Eine Grunder Form. 

Eine für mich unbestimmbare Gastropodenspindel. 

Rissoa cf. Partschi M. Hörn. 

Nur ein etwas abgeriebenes Exemplar liegt mir vor. Skulptur 
des letzten Umgangs erscheint kräftiger. 

Scntum (?) oder Patella (2) sp. (n. f.?). (Taf. XXXIX, Fig. 25.) 

Nur ein Schälchen mit beschädigten Rändern liegt mir vor. Die 
Oberfläche ist mit Radialrippen versehen. Feine konzentrische Linien 
auf der Schale. Die Spitze scheint nach vorn gekrümmt zu sein. 
Auch die Innenseite ist fein radial gestreift. Von einem Muskelein- 
druck kann ich nichts wahrnehmen. Erhaltene Länge 1 mm. 

Oythere (oder ÜUytherella) spec. (n. f.?). (Taf. XXXIX, Fig. 27.) 

Nur eine kleine Klappe liegt mir vor. Sie ist länglich elliptisch, 
ziemlich stark aufgebläht, in der Mitte wenig eingeschnürt und oben 
seicht muldig vertieft. Die Oberfläche erscheint glatt und glänzend. 
An der etwas verbreiterten Vorderseite ist ein deutlicher schmaler 
Saum vorhanden. Die Aufblähung am Hinterende am stärksten. Die 


662 Franz Toula. [28] 


Länge bei 0'8 mm, die größte Höhe etwa 0'3 mm. Ich vermag die Form 
mit keiner mir bekannten Art in Übereinstimmung zu bringen. Wird wchl 
eine neue Form sein. — Reuss hat eine ähnliche Schale als Cytherina. 
tenıuis aus dem Sarmat des artesischen Brunnens und aus dem Tegel 
von Meidling angeführt. Seine Beschreibung stimmt jedoch nicht. Keine 
der zahlreichen Formen von Wieliczka stimmt überein. — Ein zweites, 
später aufgefundenes Individuum ist mit beiden Klappen vollständig er- 
halten. Die Oberfläche vollkommen glatt, wie porzellanähnlich. Außer- 
dem liegen zwei einzelne Klappen vor, welche im Umriß fast sym- 
metrisch geformt und mit feinen Stacheln bedeckt, aber nach dem 
hinteren Ende stark verschmälert sind. Ich wage keine Bestimmung. — 

Öythere sp. Vielleicht eine neue Form. 

Oythereis aff. hystrix Rss. 

Nur ein Schälchen liegt mir vor. Die Oberfläche gewölbt mit 
Höckerchen und Stacheln, ohne randliche Zusammendrückung. Am 
Rande stärkere Stacheln. 

Oypridina (Cythereis) aff. asperrima Rss. (Wohl eine neue Form.) 
Taf. XXXIX, Fig. 28. 

Ein vollständiges Exemplar. — Eine wohlerhaltene Klappe stimmt 
mit der Reusschen Abbildung (Haid. Abh. III, Taf. X, Fig. 5) recht 
gut, doch ist von einer „Längsfurche“ auf der hinteren Hälfte nichts 
wahrzunehmen und auch ein so wohlausgeprägter Saum ist nicht vor- 
handen. 

Von Otolithen fand ich die folgenden von Herrn Dr. R. J. 
Schubert bestimmten Formen: 

Scopelus Kokeni Pr. 

Scovelus austriacus Kok. 

Maecrurus ellipticus Schub. 

Otolithus sp. nov. oder Jugendexemplar (sehr klein). 


Probe aus Schichte VI. 


Cornuspira neudorfensis n. f. Taf. XXXIX, Fig. 1. 


Drei bis auf das Zentrum sehr wohlerhaltene Individuen von 
15—3 mm Durchmesser. Sehr regelmäßig aufgerollt, auf beiden Seiten 
vertieft, mit gerundeter Externseite. Bei dem kleinsten Stückchen sind 
zwölf Umgänge bestens erhalten, bei dem größten nur 11, bei dem 
mittleren nur 7. Staches Cornupira elliptica (Novara, I, Il, pag. 101, 
Taf. XXL, Fig. 2) hat 8- 10 Umgänge, welche weniger gleichmäßig in der 
Ebene gewunden sind (Fig. 25). Bei dem mittleren meiner Stückchen 
nehmen die äußeren 7 Umgänge ganz allmählich in der Röhrendicke ab, die 
inneren aber sind ohne Übergang, viel dünner. Dies ist auch bei dem 
srößten Stücke ganz deutlich. Die Umgänge sind involut, ähnlich so 
wie bei Operculina involvens Rss. (Denkschr. W. Ak. I., pag. 370, 
Taf. XLVI, Fig. 20), welche jedoch nach der Zeichnung eine flache 
Externseite besitzt und auch die Verjüngung der inneren Umgänge 
nicht zeigt. 

Von einem vierten Individuum sind nur die inneren Umgänge 
erhalten. 


[29] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 663 


Biloculina simplex d’Orb. (= B. ringens [|Lam.] Brady.) 9 Ex. 
Eine mit einer Art Schleppe der Mündung gegenüber wird als 
Varietät zu bezeichnen sein. 


Quinqueloculina Aknerana d’Orb. (= Miliolina seminulum [ Lin.) 
Brady). 

Die Seitenkanten etwas schärfer gerundet als bei der Type 
d’Orbignys (Vienne, Taf. XVIII, Fig. 18.) Etwas variable Form, auch 
in der Größe. 62 Ex. 


Quingueloculina foeda Rss. Nur zwei Exemplare. 
Nodosaria (Dentalina) consobrina d’Orb. (Taf. XXXIX, Fig. 2). 


Diese Dentalina mit sehr dünnen und langen Kammern liegt mir 
gut erhalten nur in einem Stücke vor, an einem 2°6 mm langen 
zweiten sind nur drei solche Kammern vorhanden. Die ersten Kammern 
anderer Stücke sind viel kürzer und die erste zum Teil fast kuge- 
lige Kammer trägt eine Mündungsspitze, etwa so, wie es Neugeboren 
(Lapugy, Taf. III, Fig. 15) zeichnet. Zwölf Stücke stelle ich hierher. 
Eines derselben zeigt als eigenartige Anomalie eine kugelige Anfangs- 
kammer mit Spitzchen, daran eine zweite mit einem seitlich 
stehenden Spitzchen, an welche sich dann die anderen längeren Kam- 
mern in üblicher Weise anschließen. Als wäre beim Wachstum in erster 
Zeit eine Störung eingetreten. Das ganze Stückchen ist 2:5 mm lang 
und besitzt außer den zwei deformierten noch vier normale Kammern. 

Ein Stück mit langgezogener letzter Kammer erinnert mich durch 
die stark gewölbten Kammern etwas an Dentalina Scharbergana Neu- 
geboren von Lapugy. 


Nodosaria (Dentalina) elegans d’Orb. (= Nodosaria [Dentalina] 
fliformis [d’Orb.] Brady). 

2:3 mm lang mit 14 Kammern und scharfer Spitze, 

Nodosaria (Dentalina) sp. af. hispirla d’Orb. (Taf. XXXIX, Fig. 3, 4.) 

Wohl eine neue Form, die als Dentalina neudorfensis n. f. be- 
zeichnet werden könnte. Ich las über hundert Exemplare aus. Eine 
der häufigsten Formen, mit fast kugeligen Kammern, deren Oberflächen 
mit sehr zarten Rauhigkeiten, winzigen Spitzchen bedeckt ist, wodurch 
sie an Nodosaria (D.) hispida d’Orb. (Vienne, Taf. I, Fig. 24—25) 
erinnert. — Bradys (Chall. Taf. LXII, Fig. 12--16) Abbildung, 
Fig. 16, würde am nächsten zu stehen kommen. Die Kammern meiner 
Form sind einander gleichmäßig nahe gerückt. Die mit Stachelspitze 
versehenen Stückchen tragen dieses in einzelnen Fällen ungemein 
lange Spitzchen ausgesprochen exzentrisch, förmlich an der 
Seite. (34 Exemplare.) Die Rauhigkeiten treten an einzelnen Individuen 
sehr zurück, so daß sie fast glatt aussehen. Dieses Zurücktreten läßt 
sich in allen Abstufungen verfolgen. 


Von Dentalinen liegen auch zahlreiche Bruchstücke vor, darunter 
solche von ansehnlich großen Exemplaren. 

Oristellaria calcar d’Orb. Ein großes beschädigtes Exemplar. 

Cristellaria gibba (d’Orb.) Brady. Vier Exemplare. (Chall., Taf. 
LXVIIL, Fig. 8.) 


Jahrbuch d. k. k. geol. Beichsanstalt, 1014, 64. Band, 4. Heft. (F. Toula.) 85 


664 Franz Toula. [30] 


Ein wenig aufgewölbtes Exemplar. 
Oristellaria (Robulina) cf. articulata Rss. sp. 


Zwei Exemplare, eines größer und eines kleiner, mit aufgeblähten 
Kammern. Mit sehr schmalem Saum, wie ihn Brady zeichnet 
(Chall., LXIX, Fig. 11), Reuss (Sb. 1863, Taf. VI, Fig. 63, pag. 53) 
jedoch weder erwähnt noch abbildet. Viel kleiner als die Septarien- 
ton-Exemplare. 


Cr. (Robulina) cf. depauperata Rss. (ebenda Taf. VI, Fig. 68). 
Septarientonform. Brady erwähnt sie nicht. Mein Exemplar 


besitzt sechs Kammern (bei Reuss vier bis fünf) und ist weniger auf- 
gebläht. 


Or. (Robulina) cf. nitida Rss. (ebenda Taf. VI, Fig. 66). 

Ein Exemplar mit acht Kammern, wie es Reuss zeichnet. Im 
Text (pag. 54) werden neun Kammern angegeben. Gehört wohl mit 
Oristellaria inornata d’Orb. (sieben Kammern), Or. austriaca d’Orb. 
(zehn Kammern) und Cr. rotulata (Lm.) Brady (Chall., Taf. LXIX, 
Fig. 13) (14 Kammern) in eine Formengruppe. Die Mittelscheiben be- 
sitzen alle diese Formen. Der Name Cr. nitida war schon früher an- 
geführt (d’Orbigny 1826), aber keine Abbildung gegeben worden. 
Bradys Or. nitida d’Orb. ist etwas anderes, eine Form, die an die 
Or. articulata Rss. erinnert. 

Oristell. spec. ind. Sieben Exemplare. 

Glandulina cf. rotundata Brady var. 


Reuss bildet eine an @/. laevigata anschließende Form von 
Grinzing ab. Mein Stückchen ist der Abbildung bei Brady sehr ähnlich 
(Chall., Taf. LXI, Fig. 19), besitzt jedoch unten ein kurzes, aber deutliches 
Spitzchen, wird also der langgezogenen Form von laevigata Brady (Chall. 
Taf. LXI, Fig. 20) ähnlieh. Vielleicht eine Zwischenform. Auch die 
Gl. elliptica Rss. (Sb. 1863, Taf. III, Fig. 29—31) ist ähnlich, hat jedoch 
kein Spitzchen. Brady hat sie zu laevigata gestellt. 

Glandulina laevigata d’Orb. und rotundata Rss. 


Dreizehn größere und kleinere, stark aufgeblähte Exemplare. 
Diese Form hat Reuss (Denkschr. I., Taf. LXVI, Fig. 2) rotundata 
genannt. Mir liegen Exemplare mit kurzem Spitzchen und solche vor, 
die unten gerundet, der Reussschen Form gleichen. 

Polymorphina (Guttulina) cf. amygdaloides Less. 

Vielleicht eine neue Form. Nur zwei Exemplare. Septarienton- 
form. Der Umriß ist fast breit elliptisch, die unterste der drei sicht- 
baren Zellen ist etwas aufgewölbt, gleicht im Umrisse mehr der Ab- 
bildung bei Brady (Chall, Taf. LXXI, Fig. 13), doch lassen sich 
nur drei Kammern erkennen, wie bei der Reussschen Form 
(Z. D. Geol. G. 1851, Taf. VI, Fig. 47). Auf jeden Fall dürfte mein 
Stückchen in die Gruppe der von Reuss aus dem Septarienton von 
Helmstedt abgebildeten Formen gehören, von welchen die Guttulina 
inflata, dem Umrisse nach, am ähnlichsten wäre, auch in der starken 
Aufblähung. 


Polymorphina austriaca d’Orb. (=? problema Brady). 


[31] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 665 


Zwanzig schlanke und gedrungene Formen, wie sie Brady 
abbildet. 


Polymorphina (Globulina) cf. aequalis d’Orb. sp. 

Etwas stärker aufgebläht als d’Orbignys Type (Vienne, 
Taf. XIII, Fig. 11 und 12); nicht bei Brady; dürfte sich aber der 
Pol. rotundata (Bornem.) Brady (Chall., Taf. LXXII, Fig. 7 und 8) an- 
nähern. Zwei Exemplare; ein drittes noch stärker aufgebläht. 


Polymorphina oblonga d’Orb. Nur ein Exemplar. 
Textularia carinata Orb. 


Mit in Spitzen aufgelöstem Randsaum. Breite und schlanke 
Formen. 23 Exemplare. 


Clavulina communis d’Orb. 28 Exemplare. 

Dvigerina pygmaea d’Orb. 

Von dieser so variablen Form suchte ich 20 Exemplare, ge- 
drungene, typische und schlanke Formen, heraus. Fünf Exemplare mit 
besonders zahlreichen Kammern bilden wohl eine besondere Varietät. 

Bulimina Buchana d’Orb. Sechs Exemplare. 

Bulimina affinis d’Orb. 

Bulimina cf. pyrula d’Orb. 

Das etwas beschädigte kleine Exemplar mit scharf ausgesprochenen 
Spitzchen ist wohl eine Varietät der bul. pyrula. 


Bulimina (Ceratobulimina n. gen.) contraria kss. liegt mir in 
sieben Exemplaren vor. 

Chilöstomella ovoidea. Rss. 

Nur zwei Stückchen. Reuss führt sie von Grinzing und aus 
dem Wieliezkaer Salzton an. 

Globigerina bulloides d’Orb. var. triloba d’Orb. 

Vier Exemplare. 

Sphaeı oidina bulloides d’Orb. 


Eine der häufigsten Formen. Habe nicht weniger als 238 zumeist 
ganz kleine Exemplare herausgelesen. 


Truncatulina lobatula. W. u. Jon. 63 Exemplare. Kleine Formen. 

Truncatulina Ungerana d’Orb. 4 Exemplare. 

Truncatulina Dutemple d’Orb. 

70 Exemplare mit Mittelknöpfehen. Die d’Orbignysche Type. 
Bradys Form ist etwas anderes, vielleicht mit Tr. Aknerana und 
Tr. Soldaniü d’Orb. in eine Gruppe gehörig. 

Truncatulina neudorfensis n. sp. 

16 Exemplare. Eine gewisse Ähnlichkeit hat Rotalia praecincta 
Karrer von Kostej (Sber. 1868, Taf. V, Fig. 7). Diese hat jedoch nur 
zwei wohlgekammerte Umgänge und einen weiten tiefen Nabel, was 
bei meiner Form nicht zutrifft. 

Truncatulina cf. praeeincta (Karr.) Brady. 

Drei Exemplare mit stark aufgewölbter Unterseite. 

85* 


666 Franz Toula. [32] 


Pulvinulina Partschana d’Orb. sp. Zwei wohlerhaltene Exemplare. 

Nonionina umbilicatula (Montf.) Brady (= Nonionina Soldaniüi 
d’Orb.) 24 Exemplare. 

Der Nabel ist enger als bei Bradys Type (Chall., Taf. CIX, 
Fig. 8). Einige meiner Exemplare haben eine stärker aufgewölbte 
letzte Kammer. 

Nonionina tenuistriata Iss. Vier feingestreifte Exemplare. 

Nonionina bulloides d’Orb. (= Pullenia sphaeroides [d’Orb. sp.) 
Brady). 

(Chall., Taf. LXXXIV, Fig. 12). Elf sehr kleine Exemplare. 
(0.25 mm), förmlich kugelig. 

Stachelborsten von BDrissopsis ottnangensis R. Hörn. 

In ein paar tausend Exemplaren. 


Dentalium? sp. ind. 


Zwei winzige porzellanartige Röhrchen, 1 mm A Ein leicht 
gekrümmtes, bläulich gefärbtes Röhrchen von 1'7 mm Länge will ich 
auch hierherstellen, obwohl mir eine Bestimmung nicht rätlich erscheint. 

Delphinula? n. f. (Taf. XXXIX, Fig. 26.) 

Ein sehr zierliches Schneckchen (0'9 mm breit), mit nur 23/, Um- 
gängen, davon 1!/, ungeziert embryonal, darauf folgen zuerst nur an- 
gedeutete, dann bald schärfer werdende, weit voneinander abstehende 
Querrippchen, etwa 14 auf dem Umgange, die gegen den mit Sand 
erfüllten Nabel sehr kräftig werden. Der Querschnitt des Umganges 
fast kreisrund. Zum Vergleiche zog ich Delphinula rotellaeformis Grat. 
(MzH.o0ernes;T.,. Tal ALM, Fig. 6) herbei. Eine geradezu über- 
raschende Ähnlichkeit der Skulptur besteht bei Scissurella depressa Rss. 
(Sb. Wiener Ak. 1860, Taf. VII, Fig. 7 c). Doch fehlt meinem Stückchen 
jede Andeutung einer Spalte oder Spaltfurche, so daß die Annäherung 
an Delphinula besteht. An der kreisrunden Mündung ein breiter ebener 
Saum, etwa wie bei Scalaria. 

Turbonille sp. und. 

Nur drei Umgänge und die wohlerhaltene, entfernt stehende 
Embryonalwindung. 12 mm lang. 

Öytherina cf. recta Iss. (Haid. Abh. IV. Taf. VIII, Fig. 11 und 12.) 


Ähnlich der glatten Form von Ottnang. Ein Exemplar, in der 
Mitte etwas eingeschnürt. Auf der Oberfläche erscheinen bei starker 
Vergrößerung feine, stumpfe runde Höckerchen, was an Cyth.tumida Rss. 
erinnert, deren Umriß jedoch ein ganz anderer ist. 


Von Otolithen liegen 9 Stückchen vor: 

Scopelus aff. Kokeni Proch. 

Scopelus austriacus Kok. 

Scopelus cf. pulcher Proch. 

Gonostoma ? spec. (Fragment). 

Außerdem ein winziges scharf zugespitztes braunes (Fisch-) 
Zähnchen. 


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Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 


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Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 


[37] 


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86 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (F. Toula.) 


672 Franz Toula. [38] 


Bei Arten, welche auch aus dem Material der Liesinger 600 Meter- 
Bohrung vorliegen, wurde die Tiefe ihres dortigen Vorkommens an- 
gegeben. Wenn man diese Angaben betrachtet, so ergibt sich, daß 
die große Mehrzahl dieser 39 Arten, und zwar 34 in Tiefen von 
300 m an gefunden wurden und nur 5 in geringerer Bohrtiefe. 


Aus Tiefen von 500-600 m stammen 17 Arten, also fast die 
Hälfte jener 39. Nur zwei Arten haben sich in den obersten Schichten 
mariner Natur (in Liesing etwa in der Tiefenlage der heutigen Adria, 
zwischen 188 und 228 m Tiefe) gefunden, es sind dies: Textularia 
carinata d’Orb. und Globigerina bulloödes d’Orb., welche die aus- 
dauerndsten Arten sind, da beide bis in 600m Tiefe angetroffen 
wurden. 


Daraus wird sich wohl schließen lassen, daß die Tegel von Neu- 
dorf an der March den tieferen Horizonten des Bohrloches von Liesing 
entsprechen dürften, das sind jene, welche Anklänge an den Schlier 
erkennen lassen, was den Schlußfolgerungen entspricht, welche ich 
in meiner ersten Veröffentlichung über das Tegelvorkommen von 
Neudorf an der March (Verhandl. d. Ver. f. Natur- und Heilkunde, 
Preßburg, XX Bd. 1899 [1900]) ausgesprochen habe. 


Die aus den Schlämmproben dieses Fundorts bekannt gewordene 
Fauna läßt sich durch Hinzufügen jener Arten leicht vervollständigen, 
welche ich in meiner ersten Arbeit darüber anführen konnte. 

Die Foraminiferen werden um 9 Formen auf 109 vermehrt: 

Biloceulina bulloödes d’Orb. var. truncata Rss. 

Triloculina neudorfensis Toula verwandt mit Tr. tricarinata d’Orb. 

Quingueloculina Josephina d’Orb. 

Quingueloculina Aknerana d’Orb. 

Quinqueloculina Haidingeri d’Orb. 

Quinqueloculina triangularis d’Orb. 

Quingueloculina Bronnana d’Orb. 

Quinqueloculina Juleana d’Orb. 

Nonionina perforata d’Orb. 

Dazu kommen noch Echinodermen: 

Schizaster spec. 

Cidaris spec. 

Stacheln aus der Brissomorpha-Gruppe. 

Eine Wurmröhre. 

Serpula (?) spec. 

Von Conchiferen 15 Arten, wovon nur wiederholend als typische 
Schlierarten genannt werden sollen: Pecten denudatus Rss., Lucina 


sinuosa Don., Tellina ottnangensis R. Hoern. und Solenomya Doderleini 
Mayer. 


Von Gastropoden 52 Arten. 
Dann noch die beiden Pteropoden: 


[39] Ueber den marinen Tegel von Neudorf an der March. 673 


„Vaginella lapugyensis Kittl. und 

Spirialis spec. 

Mich wunderte nicht wenig, in meinen reichhaltigen Schlämm- 
rückständen keine einzige Pteropodenschale aufgefunden zu haben, 
während ich an Ort und Stelle, wenigstens von der Vaginella, eine 
Unzahl auffinden konnte. 

Schließlich wären dem Verzeichnisse noch zwei Arten von 

Cancer spec. anzufügen und von Fischen: 

Oxyrhina xyphodon Ag. 

Lamna elegans Ag. 

Otolithus (Gadus) elegans Kok. 

Macrurus Kokeni Toula und 

Schuppen von Meletta sp. 


Die Fauna besteht sonach im ganzen bis nun aus 222 Arten. 


86* 


674 Franz Toula; [40] 


Inhalt. 


Seite 

Probe aus Schiehte I: „delber Tegel® . ..... 2.2 2.0» 636 [2] 
Probe aus Sehuchte DE: Tr..0en Sue REN . 2 ‚ „037° 18 
Proberaus-Schichte IIT 1:2 FR ET rn, 5 SEES El 
Probe aus Schuekle N... SR A A 3 Mn ans ar re 643 [9] 
Probpsaus Schiene TV .21 2ER. aueh) De ‚ . 646 [12] 
Probe aus Schiehte VI. „Bla syesae Gehe Sorzdı an Vak 662 [28] 
Übersichtstabelle. 
Die Mikrofauna der Tegel in der großen Ziegelei von Neudorf an der 

March (Deveny Ujfalu) „ur u. Er... ER N ARE ELLE ER 667 [33] 
SCHIRI KUNEEN 5 02 le 672 [38] 


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Uber einige Brachyuren aus der Trias und 
dem Dogger der Alpen. 


Von E. Stolley in Braunschweig. 
Mit einer Tafel (Nr. XL). 


Triasische Brachyuren waren bisher völlig unbekannt, paläo- 
zoische gehören zu den größten Seltenheiten. Sieht man von dem 
ganz unsicheren Gitocrangon granulatus Richter!) aus devonischem 
Grauwackenschiefer Thüringens, der eher ein primitiver macrurer 
Krebs als ein brachyurer sein könnte, ab, sowie der nicht minder 
unsicheren karbonischen Brachypyge earbonis Woodward, so bleiben 
an geologisch alten Vertretern dieses Tribus nur die durch Gemmel- 
laro?°) ausführlich beschriebenen und gut abgebildeten Gattungen 
Oonocarcinus und Paraprosopon aus permischem Fusulinenkalk Siziliens, 
sowie Hemitrochiscus paradoxus Schauroth?) aus dem Zechstein von 
Pößneck als unzweifelhaft hierhergehörige und zugleich besonders 
interessante Formen übrig. Von Paraposopon ist bisher nur eine sehr 
seltene Art, P. Reussö Gemm., bekannt, während die drei Arten von 
Oonocarcinus, O. insignis Gemm., O. Geinitzi Gemm. und OÖ. anceps 
Gemm., an den sizilianischen Fundorten recht häufig gefunden 
worden sind. 

Zwischen den permischen Brachyuren und den jurassischen 
Prosoponiden klaffte daher eine weite Lücke, welche die gesamte 
Trias und einen großen Teil der Juraformation umfaßte. Diese Lücke 
wird nun zum wesentlichen Teile durch die Feststellung zweier neuer 
Brachyurengattungen in der oberen alpinen Trias, und zwar den grauen, 
der norischen Stufe zugerechneten Kalken des Siriuskogels bei Ischl 
im Salzkammergut, ausgefüllt. Die vorliegenden, im folgenden be- 
schriebenen Stücke gehören der Sammlung des mineralog.-geolog. 
Instituts der Techn. Hochschule zu Braunschweig und wurden von 
dem verstorbenen Oberlandesgerichtsrat Deecke in Braunschweig 
gesammelt. 


1) Beiträge zur Paläontologie des Thüringerwaldes. 1848, pag. 42, Tafel 2, 
Fig. 1—4. Dh 

®) I crostacei dei calcari con fusulina della valle del Fiame Sosio nella Pro- 
vinzia di Palermo. Napoli 1890, pag. 22—29, Tafel III und V, Fig. 2. 

3) Zeitschrift d. deutsch. geolog. Ges., 1854, Bd. VI, pag. 558, Tafel 22, 
Fig. 1a—g. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4. Heft. (E. Stolley.) 


676 E. Stolley. [2) 


1. Cyelocareinus serratus gen. nov. sp. nov. 
(Tafel XL, Fig. 1a und 5, Fig. 2.) 


Drei Exemplare der Art liegen vor, deren Größe etwas ver- 
schieden ist. Das größte mißt 12 mm, die beiden kleineren etwa 
9 mm im Durchmesser, sowohl der Länge nach wie quer. Der Kephalo- 
thorax hat fast die Form einer Halbkugel; nur erscheint diese etwas 
nach hinten in die Höhe gezogen, so daß die Höhe größer als die 
Hälfte des Durchmessers ist, die größte Höhe nicht in der Mitte, 
sondern etwas nach hinten gerückt liest, und der Abfall dort etwas 
steiler als nach vorn und den Seiten ist. Die ursprüngliche Höhe des 
größten, etwas eingedrückten Exemplares (Fig. 1) ist auf etwa 8 mm 
zu schätzen, die des nächstkleineren (Fig. 2) beträgt fast 6 mm. Trotz 
der Abweichung der Form des Panzers von einer regelmäßigen Halb- 
kugel erscheint die Gestalt doch sehr gleichmäßig gerundet, so daß 
es zunächst schwierig war, die Stirnregion als solche zu erkennen 
und dadurch die richtige Stellung des Kephalothorax zu finden. Bei 
genauer Prüfung sieht man aber doch sehr wohl die leicht vorge- 
schwungene Kontur des Stirnrandes, welcher einen breiten flachen 
einheitlichen Bogen von zirka 8 mm Länge bildet und beiderseits an 
seinen Enden in einer kleinen Einbiegung die Region der Augenhöhlen 
schwach erkennen läßt. Letztere sind offenbar sehr klein und dadurch 
nur schwach sichtbar. Beiderseits der Augen verlaufen die Ränder 
dann in gleichmäßig rund geschwungenem Bogen nach hinten und 
schließen sich wieder zusammen, ohne einen besonderen unterscheid- 
baren Hinterrand zu bilden. Das Bezeichnendste für den ganzen 
Thorax ist nun eine Besetzung der Ränder, außer dem Vorder- und 
Stirnrand, mit sägeartigen Zähnen, die ganz schwach jenseits der 
kleinen Augenhöhlen beginnen, allmählich an Stärke und an scharf 
dreieckig zugespitzter Gestalt zunehmen, in einer schärfsten Spitze 
dominieren, um dann in etwas schwächerer Ausbildung nach hinten 
weiter in geschlossener Linie rundum zu verlaufen. Ob man die 
stärkste Spitze dabei als Grenze von Vorder- und Hinterseitenrand 
oder als solche zwischen Hinterrand und Hinterseitenrand deuten 
soll, ist nicht zu entscheiden und auch wohl nicht wesentlich für die 
Beurteilung des Panzers. 


Es fehlt nämlich völlig an einer Lobierung des Kephalothorax ; 
nicht eine einzige der bekannten Regionen des Brachyurenpanzers ist 
zu unterscheiden, höchstens daß man an dem größten Exemplar eine 
ganz leichte Vorwölbung der breiten Stirnregion sehen könnte; aber 
den beiden kleineren Stücken fehlt auch diese, und Gewicht ist auf 
sie offenbar nicht zu legen. Es fehlen daher infolge dieser negativen 
Eigenschaft auch die bezeichnenden Charaktere der Gliederung des 
Brachyurenthorax. Eine Umbiegung des Thorax zu Branchiostegiten 
habe ich trotz sorgfältigster Versuche der Freilegung solcher nicht 
beobachten können, sondern überall nur einen scharf gegen das 
Muttergestein abschneidenden Rand mit der charakteristischen Säge- 
zahnbesetzung. 


BE Fe u > 


[3] Über einige Brachyuren aus der Trias und dem Dogger der Alpen. 677 


Die Oberfläche des Thorax zeigt eine gleichmäßig verteilte feine 
Granulierung, bei der ganz feine, nur mit der Lupe sichtbare Granulen 
zwischen gröberen stehen. 

Der primitive Charakter der neuen Form ist unverkennbar: Keine 
Teilung des Thorax in unterscheidbare Regionen ist sichtbar, keine 
Scheidung des Thoraxrandes in Hinterrand, Vorder- und Hinterseiten- 
ränder; nur der Stirnrand ist durch eine leichte Verwölbung oder 
durch die Einbiegung an den Augenhöhlen als solcher unterscheidbar. 
Die Zähnelung des Thoraxrandes ist die einzige hervorstechende 
Eigenschaft. | 

Beim Vergleich mit bekannten Formen können nur die geologisch 
älteren, permischen Arten des Genus Oonocarcinus, sowie Hemitrochiseus 
paradoxusSchaurothin Betrachtkommen. Letztere, dem Thüringischen 
Zechstein entstammende Form wurde von Schauroth!) benannt und 
abgebildet, später von H. B. Geinitz?) ausführlicher behandelt und 
auch von Quenstedt?°) mehrmals wiedergegeben. Am zuverlässigsten 
und eingehendsten ist die Beschreibung, welche H. B. Geinitz 
unter wesentlicher Änderung der ursprünglichen Diagnose Schau- 
roth’s auf Grund besseren Materials dieser wichtigen kleinen Art 
gibt. Die Ahnlichkeit in der Gestalt des Thorax mit unserer Art ist 
sroß, auch die Breite des Stirnrandes und die Anordnung der Augen- 
höhlen ist ähnlich, ebenso die Granulierung der Thoraxob.rfläche. 
Anderseits zeigt sich bei Hemitrochiscus trotz seines höheren geolo- 
gischen Alters schon eine Andeutung von Lobierung des Thorax, die 
bei Cyelocareinus völlig fehlt. Eine Verzierung des Thoraxrandes hin- 
wiederum fehlt bei Hemitrochiscus, ist dagegen die auffallendste Eigen- 
schaft von Oyelocareinus. Schließlich ist Hemitrochiscus wesentlich kleiner 
als die neue Form der oberen Trias. Eine Vereinigung der letzteren 
mit dem permischen Hemitrochiscus erscheint daher nicht angängig. 

Größer noch sind die Unterschiede, welche unsere Art von 
Oonocarcinus aus dem permischen Fusulinenkalk Siziliens trennen. Die 
drei Arten Gemmellaros, ©. insignis, OÖ. Geinitzi und 0. anceps, 
haben einen viel ovaler geformten Kephalothorax mit ausgeprägter 
Trennung des Randes in einzelne Teile; sie besitzen ferner eine, 
wenn auch schwache, so doch unverkennbare Lobierung des Panzers, 
‚zeigen eine stark entwickelte Rostralplatte und lassen auch schwache 
Branchiostegiten erkennen. Anderseits entbehren diese Arten eine 
Verzierung der Thoraxränder durch Zähnelung. Eine Vereinigung von 
Oyelocareinus mit Oonocarcinus ist demnach völlig ausgeschlossen. 
Es ergibt sich daher die Notwendigkeit, eine neue Gattungsbezeichnung 
zu schaffen; als solche habe ich nach der Form des Kephalothorax 
den Namen Cyclocareinus und nach der Zähnelung des Randes, dem 
augenfälligsten Merkmal), die Artbenennung gewählt. 

Die Diagnose der Gattung Oyelocareinus fällt vorderhand mit 
derjenigen der einzigen Art Ü. serratus zusammen und ist folgende: 

Kephalothorax ‚klein, halbkugelig gewölbt, ohne Andeutung von 
Loben oder Regionen. Thoraxrand gleichmäßig, fast kreisförmig um- 


1) Zeitschr. d. deutsch. geolog. Ges, 1854, Bd. VI, pag. 558, Taf. 22, Fig. 1. 
?2) Die animalischen Überreste der Dyas. Leipzig 1861, pag. 28, Taf. 10, Fig. 4. 
3) Handbuch der Petrefaktenkunde. 3. Aufl. 1885, pag. 403, Taf. 31, Fig. 26. 


678 E. Stolley. [#] 


laufend, nur der Stirnrand wird durch die kleinen seitlichen Augen- 
höhlen als solcher gekennzeichnet und hat gie Form eines breiten, 
flachen Bogens. Hinter den Augenhöhlen beginnt eine zunächst schwache, 
dann an Stärke zunehmende Zähnelung des Randes, welche sich nach 
hinten wieder abschwächt. Branchiostegiten anscheinend nicht vorhanden. 
Oyclocareinus serratus erscheint durch seine Eigenschaften fast 
noch primitiver als Alemitrochiscus und besonders als Oonocarecinus, 
obwohl letztere beiden geologisch ältere Formen sind. Abgesehen 
davon liegt seine Bedeutung darin, daß er der erste brachyure Krebs 
der Triasformation ist und die bisherige Lücke durch ihn erheblich 
verkleinert wird. Freilich bleibt diese noch recht groß, wenn man in 
Betracht zieht, daß Üyelocarcinus, Hemitrochiscus und Oonocareinus sich 
von den gleichzeitig mit ihnen lebenden Prosoponiden, Mesoprosopon und 
Paraprosopon, sehr stark unterscheiden und daß man bis zur oberen 
Kreide und zum untersten Tertiär hinaufsteigen muß, um in den 
Raninoideae Formen zu finden, welche weit mehr äußere Ähnlichkeit 
mit diesen geologisch alten Gattungen besitzen, als mit den Prosopo- 
niden des Jura. Es erscheint aber völlig ausgeschlossen, Oyclocareinus 
etwa einer anderen Gruppe der Kruster zuzurechnen als den Bra- 
chyuren. Seine Ähnlichkeit mit dem permischen Hemötrochiscus ent- 
kräftet wohl auch die Bedenken, welche v. Zittel!) gegen die Ein- 
reihung dieser letzteren Gattung unter die Brachyuren hatte, zur Genüge. 
Einzige Art Oyclocareinus serratus gen. nov. sp. nov., in einem Exem- 
plar im grauen Kalkstein der norischen Stufe am Siriuskogel bei Ischl 
im Salzkammergut gefunden. Abbildungen auf Tafel XL, Fig. 1a u. b, 2. 
1a Kephalothorax von oben, 1b von der Seite, 2 ein kleineres Exem- 
plar von der Seite. Sämtliche Figuren in doppelter Größe. Originale 
in der Sammlung des mineralog. geolog. Institutes der herzogl. tech- 
nischen Hochschule zu Braunschweig in Kollektion Deecke. 


2. Mesoprosopon triasinum gen. nov. sp. nov. 
Taf. XL, Fig. 3a—d. 


Nur ein einziges Exemplar liegt vor. Die Länge des kleinen 
Kephalothorax beträgt 7 mm und ist gleich der größten Breite, welche 
im Beginn des hinteren Körperdrittels liegt und jederseits durch einen 
spitz vorragenden, an dem Originalstück etwas beschädigten Dorn 
deutlich gekennzeichnet ist. Diese Dornen machen die Breite größer 
als der eigentliche Panzer sie besitzt, welcher ohne dieselben eine 
etwas länglich ovale Form hat. Von der Region der größten Breite an 
findet nach vorn eine allmähliche, durch eine leicht geschwungene 
Kontur bezeichnete Verschmälerung des Panzerchens statt, während 
die Umrißlinie sich nach hinten rasch, doch abermals durch je einen 
Dorn unterbrochen, zusammenzieht, so daß eine scharfe Trennung in 
Hinterseitenränder und den eingebuchteten Hinterrand eintritt. Da- 
durch wird der Umriß der Hinterregion des Kephalothorax eckig und 
der Gesamtumriß gewinnt einen fünfseitigen Charakter. 

Tritt uns also hierdurch in der äußeren Gestalt eine höhere 
Differenzierung entgegen, als der oval geformte Paraprosopon Keussi 


!) Handb. d. Paläontologie, Bd. II, pag. 701 u. Anm. pag. 717. 


[5] Über einige Brachyuren aus der Trias und dem Dogger der Alpen. 679 


des Perms sie besitzt, nähert sich also die Gestalt mehr den jüngeren 
Prosoponiden der Juraformation, so findet das Gegenteil hinsichtlich 
der Lobierung der Oberseite des Kephalothorax statt. Hier sieht man 
anstatt der durch Furchen deutlich abgegrenzten Regionen, wie sie 
schon das permische Paraprosopon und, wenn auch in anderer Weise, 
besonders die jüngeren Prosoponiden besitzen, nur eine schmale Mittel- 
region in der Längsrichtung des Kephalothorax stark herausgehoben 
und jederseits durch eine sie begleitende Furche begrenzt. Dieser 
Mittelwulst verläuft bis in das hintere Ende des Kephalothorax und 
verliert sich dort allmählich nahe der Einbuchtung des Hinterrandes. 
Eine Querteilung fehlt sowohl in diesem Mittelwulst als auch auf den 
Seiten des Panzers vollständig; ebenso entbehrt die Oberfläche auch 
jeglicher Granulierung, sie ist vollkommen glatt und nicht etwa durch 
ungünstige Erhaltung abgerieben. Die Stirnregion ist nicht ganz tadel- 
los erhalten; es scheint, als sei der bis ganz nach vorn sich er- 
streckende Mittelwulst des Thorax an seiner Spitze beschädigt und 
habe ursprünglich ein wenig über die seitlichen Partien vorgeragt, 
vielleicht als eine den Umriß deutlich beeinflussende kleine Spitze 
der Stirn. Eine scharfe Abgrenzung der Augenhöhlen beiderseits 
dieser schmal vorragenden Stirn ist auch nicht zu erkennen; dagegen 
sind die Grenzen des breiten Umschlages der Branchiostegiten sehr 
gut sichtbar und zeigen, daß nicht nur die Seitenränder umgeschlagen 
sind, sondern in gleicher Weise auch der eingebuchtete Hinterrand. 

Den im vorstehenden beschriebenen kleinen Prosoponiden der 
Gattung Prosopon H. v. Meyer zuzurechnen, ist nicht angängig: ebenso- 
wenig kann er mit dem permischen Paraprosopon Gemm. aus per- 
mischem Fusulinenkalk Siziliens vereinigt werden. Von beiden Gattungen 
scheidet ihn der Mangel einer Lobierung, das Fehlen aller der be- 
kannten, durch Furchen bestimmter Art getrennten Regionen des 
Kephalothorax der normalen Brachyuren. In dem medianen Längs- 
wulst kann man eine solche nicht sehen, da dieser ganz einheitlich 
und ununterbrochen von der Stirn bis zum Hinterrand verläuft und 
keine Spur einer Trennung in Stirn-, Magen- und Herzregion erkennen 
läßt. Dieser Unterschied vermag gegenüber den jüngeren differen- 
zierteren Prosoponiden des Jura und des Neokom nicht zu ver- 
wundern, da ein primitiverer Charakter der geologisch älteren Typen 
nichts Ungewöhnliches an sich hat; wohl aber fällt dieser Umstand gegen- 
über dem noch älteren Paraprosopon des Perms ins Gewicht, dessen 
Lobierung zwar etwas andersartig als bei Prosopon und Oxythyreus, 
aber kaum minder differenziert ist. Freilich gibt es unter den Rani- 
noideen der Kreide und des Tertiärs auch Panzer, welche von einer 
Trennung in Regionen so gut wie nichts erkennen lassen, ohne daß 
man diese Familie der Brachyuren darum als niedriger organisiert 
als die übrigen Familien dieser Ordnung ansieht. Gleichwohl bleibt 
diese negative Eigenschaft unserer triadischen Form bemerkenswert 
und trennt sie von Prosopon wie von Paraprosopon. 

Anderseits ist nicht zu verkennen, daß der Umriß des kleinen 
Thorax mit seiner vorn verschmälerten, nach hinten verbreiterten, 
durch zwei Paar laterale Dornen gekennzeichneten Kontur eine stärkere 
Differenzierung als Paraprosopon besitzt und sich durch diese Eigen- 

Jahrbuch d, k. k. geol. Reichsanstalt, 1914, 64. Band, 4 Heft. (E. Stolley.) 87 


680 E. Stolley. [6] 


schaft mehr den jüngeren Prosoponiden nähert, obwohl letzteren nicht 
gerade eine solche durch Dornen markierte Trennung von Vorder- 
und Hinterseitenrändern und von Hinterrand und Hinterseitenrändern 
eigentümlich ist, sondern mehr eine Verzierung der Vorderregion des 
Kephalothorax durch Spitzen, Ecken und Dornen. Die Größe des 
Panzers unserer Art steht zwischen derjenigen des sehr kleinen Para- 
prosopon und der von Prosopon, beziehungsweise Oxythyreus. 

Ich habe für diese neue Form wegen ihrer in gewisser Weise 
vermittelnden Eigenschaften, die jedenfalls in ihrem geologischen, 
obertriadischen Alter unzweifelhaft ist, in paläontologischer, phylo- 
genetischer Hinsicht freilich weniger klar in die Erscheinung. tritt, 
die Gattungsbezeichnung Mesoprosopon gewählt und sie nach ihrem 
geologischen Vorkommen M. triasinum genannt. Die Diagnose der 
Gattung Mesoprosopon fällt, da bisher nur das eine hier beschriebene 
Exeniplar vorliegt, mit den Hauptcharakteren der Art Mesoprosopon 
triasinum zusammen und ist die folgende: 

Kephalothorax klein (zirka 6 mm), mäßig gewölbt. Der ovale 
Umriß durch zwei Paar Dornen in der Hinterregion des Panzers ver- 
breitert und fünfeckig gestaltet, dadurch zugleich Trennung in Vorder- 
seitenränder, Hinterseitenränder und Hinterrand; letzer eingebuchtet. 
Ein schmaler, kräftiger medianer Längswulst läuft von der schmalen 
Stirn bis nahe an die Bucht des Hinterrandes. Eine eigentliche 
Lobierung des Kephalothorax fehlt. Der Umschlag des Panzers zu 
Branchiostegiten ist sowohl an den Seitenrändern wie am Hinterrande 
breit. Stirn und Augenhöhlen sind wenig markiert. Die Oberfläche 
ist glatt, ohne jede Granulation. 

Einzige Art Mesoprosopon triasinum gen. nov. sp. nov., in einem 
Exemplar im grauen Kalkstein der norischen Stufe am Siriuskogel bei 
Ischl im Salzkammergut gefunden. Abbildungen derselben auf Taf. XL, 
Fig. 3a —d. 3a Kephalothorax von oben, 35 von unten, 3c von hinten, 
3d von der Seite, sämtliche Figuren in doppelter Größe. 

Das Original befindet sich in der Sammlung des mineralog.- 
geolog. Instituts der Herzogl. Techn. Hochschule zu DESRUSCHBrEIE in 
Kollektion Deecke. 


3. Prosopon Vilsense sp. n. 
(Taf. XL, Fig. 4a und b.) 


Bei vorliegender Gelegenheit füge ich hier die Beschreibung 
eines echten Prosopon an, das ich schon im Jahre 1890 in den be- 
kannten Doggerkalken mit Waldheimia pala, Ichynchonella Vilsensis 
und Hecticoceras hecticum von Vils bei Füssen in Tirol in einem ohne 
Zweifel einer neuen Art angehörigen Exemplar sammelte. 

Der längliche und stark gewölbte Kephalothorax besitzt eine 
Länge von 10 mm bei einer größten Breite von 6 mm und ungefähren 
Höhe von 4 mm. Die größte Breite liegt im hinteren Drittel und 
nimmt nach vorn allmählich, aber nur wenig ab, so daß im vorderen 
Drittel noch 5 mm Breite gemessen werden. Die Gesamtform erscheint 
daher fast rechteckig, zumal da eine vordere Rostralspitze fehlt. 
Das Rostrum bleibt nämlich auch in seiner vordersten Region ver- 


Ki Über einige Brachyuren aus der Trias und dem Dogger der Alpen. 681 


breitert, indem eine mittlere Furche es dort derart zweiteilt, daß beider- 
seits ein etwas vorragender Lappen gebildet wird, unter dem seitlich 
die Augenhöhlen liegen. Diese werden nach hinten durch einen stark 
ausgebildeten dornartigen, schräg nach vorn gerichteten Vorsprung des 
Kephalothorax begrenzt. Die Querfurchen der Thoraxoberfläche sind 
tief eingeschnitten, und die Regionen heben sich deutlich und stark 
gewölbt, zum Teil geradezu buckelartig voneinander ab. Die Magen- 
region als ganze ist deutlich dreieckig mit spitz vorgezogenem Vorder- 
ende, das durch eine seichte Furche noch von dem rundlichen 
Hauptteil geschieden wird. Die seitliche Furchenbegrenzung dieser 
Region ist deutlich ausgeprägt; die beiden Furchen laufen nach vorn 
zu der das Rostrum zweiteilenden Medianfurche spitz zusammen. 
Seitlich des Hauptteils der Magenregjon erscheint die Leberregion 
ebenfalls geteilt, in einen hinteren Teil, der neben dem Hauptteil 
der Magenregion liegt, und einen vorderen Teil, der sich neben dem 
vorderen Fortsatz der Magenregion befindet; eine seichte Furche 
liegt dazwischen. Nach vorn schließen sich, wiederum durch 
eine seichte Furche abgetrennt, die seitlichen lappenartigen Vor- 
sprünge des Rostrums an, und seitlich des hinteren Leberlappens 
erhebt sich dann der die Augenhöhle hinten begrenzende dornartige 
Vorsprung und reicht bis zu gleicher Höhe wie der vordere Leber- 
lappen. Die Nackenfurche selbst, welche den gesamten vorderen Teil 
des Panzers abgrenzt, ist tief eingeschnitten und verlänft nicht in 
einfacher Querlinie, sondern beiderseits etwas schräg rückwärts, so daß 
sie hinter der Magenregion einen stumpfen Winkel bildet. Ihr nahe 
und völlig parallel zieht die hintere Querfurche, welche aber in der 
Mitte des Schildes nicht wie die vordere einen stumpfen Winkel 
bildet, sondern hier auf die stark buckelartig sich erhebende Herz- 
region trifft und sich vorn bogenförmig um diese herumlegt. Zugleich 
verbindet eine ziemlich breite Längsfurche in dieser Mittelregion des 
Panzers die beiden Querfurchen miteinander und bewirkt mit diesen 
zusammen eine deutliche Zweiteilung der schmalen Mittelregion in 
zwei längliche seitliche, stark hervortretende Lappen, die wie die 
Furchen schräg seitwärts nach vorn gerichtet und in der Mitte durch 
eine ganz seichte Furche noch wieder schwach geteilt sind. Die schon 
erwähnte kleine Herzregion stellt den höchsten Punkt des Panzers 
dar; sie spitzt sich nach hinten rasch dreieckig zu und besteht hier 
eigentlich nur aus einer kleinen warzenartigen Erhebung, die von dem 
Hauptbuckel der Herzregion durch eine seichte Furche abgetrennt 
ist. Seitlich erheben sich jenseits der die Herzregion seitlich be- 
grenzenden und spitz nach hinten zusammenlaufenden seichten 
Furchen die beiden großen und gewölbten Kiemenlappen. Der Hinter- 
rand des Panzers besitzt eine deutlich nach vorn vorspringende Ein- 
buchtung. 

Die Oberfläche des Kephalothorax ist durch sehr kräftige Warzen 
stark skulpturiert, und die genannten Regionen heben sich durch ihre 
Besetzung mit solchen noch besonders stark heraus. Auf den seitlichen 
Teilen der hinteren Kiemenlappen werden die Warzen kleiner, sonst 
sind sie auf allen Regionen und Lappen sehr stark entwickelt. Auch 
in der hinteren Querfurche stehen schräg seitlich der Herzregion 


87* 


682 E, Stolley. [8} 


beiderseits einige kleinere Wärzchen, und die den Hinterrand be- 
gleitende, die Kiemenlappen hinten begrenzende Furche trägt in ihrer 
Mitte, nahe der tiefsten Einbuchtung des Hinterrandes, eine Warze, 
um welche vorn herum die hintere Furche sich beiderseits zum spitzen 
Ende der Herzregion wendet. 

Prosopon Vilsense ist durch die geschilderten Eigentümlichkeiten 
von sämtlichen bisher beschriebenen Prosoponiden wohl unterschieden. 
Am nächsten steht ihr noch nach Gesamtform des Kephalothorax und 
Ausbildung der Furchen und Regionen das oberjurassische P:osopon 
ornatum H.v.Meyer!), wie es loc. ceit. Taf. 23, Fig. 26 abgebildet 
ist. Doch sind die Unterschiede augenfällig. Auch Prosopon pustulatum 
Quenstedt?°) aus dem Oerlinger Tal ist ähnlich, aber keineswegs über- 
einstimmend. 

Das einzige Exemplar von Prosopon Vilsense stammt, wie schon 
erwähnt, aus dem alpinen Doggerkalk von Vils bei Füssen in Tirol 
und befindet sich in der Sammlung des Mineralog. Museums und In- 
stituts der Universität Kiel. Abbildungen auf Taf. XL, Fig. 4« und b 
in doppelter Größe, 4a von oben, 4b von der Seite. 

Die Bedeutung dieser neuen Art liegt wesentlich im Fundgebiet 
und im Horizont, denen dasselbe angehört. Aus dem Dogger, und zwar 
des außeralpinen französischen Gebietes, ist bisher nur eine Art, Pro- 
sopon hebes v. Meyerim mittleren Dogger von Crune, bekannt geworden. 
Alle übrigen Arten der Gattung entstammen, mit Ausnahme des neokomen 
Prosopon tuberosum v. Meyer, dem oberen Jura der Alpen und des 
mitteleuropäischen Gebietes. Durch den Fund des Prosopon Vilsense 
im Brachiopodenkalke von Vils in Tirol, der besonders durch Hectico- 
ceras hecticum als oberer, der Kellaway-Stufe entsprechender Dogger 
festgelegt wird ®), ist einerseits eine Lücke geschlossen, anderseits 
die erste alpine Doggerform der Gattung bestimmt worden, die sich 
in ihrem Gesamthabitus näher an geologisch jüngere Malmformen, 
als an das ältere Prosopon hebes anschließt. 

Beiläufig sei schließlich darauf hingewiesen, daß in Zittel’s 
Handbuch und Grundzügen der Paläontologie die Abbildungen von Pro- 
sopon pustulatum Quenstedt und P. aculeatum v. Meyer vertauscht 
sind. Im übrigen ist zu bedauern, daß Moericke) in seiner Mono- 
graphie der Stramberger Crustaceen, die wesentlich Prosoponiden be- 
handelt, der Beschreibung der einzelnen Arten keinen Hinweis auf 
bestimmte Abbildungen der älteren Autoren beigegeben hat, zumal 
da die Abbildungen Moericke’s sich zum Teil auffallend von den 
entsprechenden Figuren der ersteren unterscheiden, ohne daß darauf 
im begleitenden Text hingewiesen wäre. 


!) H. v. Meyer, Die Prosoponiden (Palaeontographica, Bd. 7, Cassel 1859—61, 
pag. 183 ff.). 

2) Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde,” 3. Aufl, Tübingen 1885, 
pag. 403, Taf. 31, Fig. 22. 

®) Cf. A. Rothpletz, Geologisch-paläontologische Monographie der Vilser 
Alpen (Palaeontographica, Bd. 33, 1886). 

*) W. Moericke, Die Crustaceen der Stramberger Schichten (Palaeonto- 
graphica, Supplement II, Abt. 6, Stuttgart 1897). 


Tafel XXXIX. 


Franz Toula: 
Kleinfauna von Neudorf an der March. 


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Erklärung zu Tafel XXXIX. 


1. Cornuspira neudorfensis n. f. VI. (Schichte,) 

2. Nodosaria (Dentalina) consobrina d’Orb. (2a Anomalie.) VI. 

3. Dentalina cf. hispida @Orb VI. 

4. E cf. hispida d’Orb. (Vielleicht eine neue Form „D. neu- 

dorfensis“). VI. 

5. 4 cf. scabra Rss. (Vielleicht eine neue Form.) V. 

6. Cristellaria (Marginulina) af. tenuis (Born.) Brady. IV. Vielleicht n. f. 
Marginulina neudorfensis n. f. 

7. Cristellaria echinata (d’Orb.) Cz. IV. 

8. 4 af. incompta Rss. 11. 

9a—d. DÜUvigerina pygmaea d.Orb. Eine Formenreihe. II—V, 

10a—b. z tenuistriata Rss. Zwei Formen. II—VI. 

1l. Dvigerina neudorfensis Toula. Zwei Formen. II—IV. 

12. = spec. (Abnorme Form.) III. 

13. Spirillina af. vivipara (Ehrenb.) Brady \. 

14. „ef. punctata Rss. III. 

15. Discorbina aff. orbicularis Brady. II. (Vielleicht eine neue Form.) 

16. Truncatulina Ungerana d’Orb. var, radiata. V. 

Ir, ® neudorfensis n. f. IV—VI. 

18. > (Anomalina) af. Wüllerstorfi Schwager. V. 

19. Borstenstacheln von Brissopsis ottnangensis R. Hörn. V. 

20). Warze viell. von Brissopsis ottnangensis R. Hörn. V. 

21. " Crisia sp. (n. J.) I. 

22. Modiola cf. Hoerhnesi Rss. (Vielleicht als Mod. neudorfensis n. f. zu 
bezeichnen.) III. 

23. Turbonilla neudorfensis n. f. 11. 

24. An Paludina erinuernd. Neue Form. IV. , 

25. Scutum (?) sp. Neue Form? V. 

26. Delphinula (?) Neue Form? VI. 

27. Cythere (Cytherella) sp. Neue Form? V. 

28. Cythereis aff. hystrix Rss. V. 


Die Zeichnungen hat der Assistent meiner Lehrkanzel Herr Dr. Roman 
Grengg ausgeführt, und zwar doppelt so groß als sie die Tafel bietet Die meisten 
der Figuren erscheinen nun in 30:1, nur Fig. 1 in 10:1, Fig. 23 in 50:1, Fig. 24 
in 15:1 und Fig. 15 in 60:1. 

Die Originale befinden sich in den Sammlungen der Lehrkanzel für Geologie 
an der k.k. Technischen Hochschule in Wien. 


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Tafel XL. 


E. Stolley: 


Über einige Brachyuren aus der Trias und dem Dosker 
der Alpen. 


Erklärung zu Tafel XL. 


Fig. 1a,b und Fig. 2. Cyelocareinus serratus gen. nov. sp. nov. aus norischem 
Kalk des Siriaskogels bei Ischl, in doppelter Größe. 

Fig. 1a von oben gesehen, 15 von der Seite. 

Fig. 2. Kleineres Exemplar von der Seite. 


(Originale in der Braunschweiger , Hochschulsammlung.) 


Fig. 3a—d. Mesoprosopon triasinum.gen. nov. sp. nov. aus norischem Kalk 
des Siriuskogels bei Ischl, in doppelter Größe. 
-Fig. 3a von oben gesehen, 35 von der Unterseite, 3c von hinten, 3d von 


der Seite. 
(Original in der Braunschweiger Hochschulsammlung.) 


Fig. 4a und db. Prosopon Vilsense sp. nov. aus oberem Dogger von Vils bei 
Füssen, in doppelter Größe. 
Fig. 4a von oben gesehen, 45 von der Seite. 
(Original in der Kieler Universitätssammlung.) 


Sämtliche Abbildungen nach rein photographischen Wiedergaben der Originale. 


B. Sander: Beiträge a. d. Zentralalpen (Gesteinsgefüge) I. Folge. Taf. XXVII. 


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Fig. 2: Lichtdruck v. Max Jafls, Wiem. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd, LXIV, 1914. 
Verlag der k,k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23, 


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Fig 4 Lichtdruck v. Max Jafle, Wien. 


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Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, Ill, Rasumofskygasse 23. 


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Lichtdruek v. Max Jafis, Wien, 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23. 


B. Sander; Beiträge a. d. Zentralalpen (Gesteinsgefüge) I. Folge. Taf. XXX. 


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Fig. 8 (37) Lichtdruck v. Max Jaffe, Wier 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23. 


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Fig. 10 (51) Lichtdruck v. Max Jaft6, Wien. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23. 


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Fig. 12 (22) Lichtdruck vr. Max Juffe, Wien. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV. 1914. 
Verlay der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, Ill., Rasumofskygasse 23. 


B. Sander: Beiträge a. d. Zentralalpen (Gesteinsgefüge) I. Folge. Taf. XXXIN. 


Fig. 14 (19) Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, Il, Rasumofskygasse 23. 


B. Sander: Beiträge a. d. Zentralalpen (Gesteinsgefüge) II. Folge. Taf. XXXIV. 


Fig.1 Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23. 


B. Sander: Beiträge a. d. Zentralalpen (Gesteinsgefüge) II. Folge. Taf. XXXV. 


Fig. 3 Fig. 4 Liohtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Veriag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23, 


B. Sander: Beiträge a. d. Zentralalpen (Gesteinsgefüge) II. Folge. Taf. XXXVI. 


Fig 6 Liehtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV. 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23. 


B, Sander: Beiträge a, d. Zentralalpen (Gesteinsgefüge) II. Folge. Taf. XXXVII. 


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Fig. 8 Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, Ill, Rasumofskygasse 23, 


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Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, IIl., Rasumofskygasse 23. 


Franz Toula: Mariner Tegel von Neudorf a. d. March (Deveny-Uifalu). 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Gezeichnet von Dr. R. Grengg. 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III, Rasumofskygasse 23. 


Taf. XXXIX. 


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E. Stolley: Brachyuren aus Trias u. Dogger Taf. XL, 
der Alpen. 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXIV, 1914. 
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, IIl., Rasumofskygasse 233. 


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Bruno Sanäer! Beiträge aus den Zentralalpen zur ink der Gesteins- 
gefüge. (Erste und zweite Folge, November A: Mit 12. Tafeln N 
(Nr. XXVU—XXXVIN) Mar Sn. ER PB ee ee RS 


Franz Toula: Über den marinen Tegel von Neudorf an der March (Den. 
Ujfalu in Ungarn) und seine ‚ Mikrofauna. Mit. ‚einer Textfigur und 
einer Tafel (Nr. XXXIX). a ee RE LORB dl. 


E. Stolley in Braunschweig: Über e einige re aus «der Trias und dem 
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NB. Die Autoren allein sind für Bi Inhalt und die Form. 
ihrer Aufsätze verantwortlich. 


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